[Story] Das ist meine Schwester
Geschrieben von Mohikanerin im Blog Joelle &' Real. Ansichten: 519
Das ist meine Schwester
~ September 2015
Ilja war nun schon das nächste Wochenende bei mir auf dem Gestüt. In der Woche ist er immer arbeiten und hat bereits überlegt, seine Stelle zu wechseln um näher bei mir zu sein. Doch ich bin mir dabei noch ziemlich unsicher, warum wird allen klar sein.
Während ich schon bei den Pferden bin, ist Ilja weg gefahren, aber wohin hat mich jetzt nicht gekümmert, weil ich langsam meine Pferde in Gang bekommen müsste, da noch einige ungeritten sind. Es ist kalt, ziemlich kalt. Am liebsten will ich mich auf die Couch kuscheln mit einer Decke und einem Tee. Loki ist immer noch nicht in der Lage mir zu gehorchen, aber dazu fehlt mir im Moment auch ziemlich die Lust, deshalb kümmere ich mich mehr um meine Turnierpferde, die langsam mal wieder an der Start müssen. Nach einiger Zeit kommt der Herr dann wieder und klopft an die Reithallentür. „Tür frei!“, rufe ich. Im Moment longiere ich Flugsvinn. „Komm mal bitte raus. Es ist wichtig.“, antwortet Ilja. Kurz denke ich nach und pariere die Stute durch. Dann nehme ich sie mit zur Tür und öffne. Vor mir steht ein junges Mädchen, blond, grüne Auge, ziemlich schmal gebaut und langen Beinen, aber trotzdem nicht sehr groß. Etwas fragend gucke ich ihn an. „Vina, dass ist Manja, meine Schwester.“, antwortet er mit einem lächeln im Gesicht. Doch ich bin etwas geschockt, einerseits hat er nie was von ihr erzählt und andererseits steht sie hier auf meinem Hof. „Hallo“, begrüßt sie mich und winkt. Mir fällt sofort auf, dass sie neben Ilja gar keinen Akzent hat. Doch ich fühle mich gerade ziemlich überfordert. Eigentlich wäre ich jetzt ziemlich sauer, aber irgendwie bin ich es nicht. „Okay, wir gehen jetzt erst mal rein“, sage ich nur und bringe rasch Flugsvinn auf die Weide.
„Also“, hinterfrage ich. Niemand sagt etwas. Wir alle gucken uns nur schweigend an, doch ich habe einen fordernden Blick, den wohl niemand bemerkt. „Ilja, Manja, klärt mich auf.“, sage ich und versuche freundlich zu klingen. „Nun..“, beginnt sie zu sprechen, doch Ilja unterbricht sie sofort. „Ich werde zu dir ziehen, habe ich mir überlegt. Vor ein paar Wochen hast du mir es doch angeboten, dass ich hier her ziehe.“, sagt er und blickt mich etwas fragend an. Vorsichtig nicke ich nur und er setzt fort: „Und deshalb habe ich Manja mit gebracht. Sie lebt im Moment noch in Deutschland, in einer Pflegefamilie, da unsere Eltern in Russland sind. Doch sie möchte dort nicht mehr sein.“ - „Nicht mehr sein? Es ist schrecklich und mit den zuständigen Ämtern ist auch alles geklärt. Ich darf da weg, ich darf mit meinem Bruder zusammen ziehen und ..“, platz Manja heraus und schweigt dann wieder. „Entspann dich. Deshalb wollte ich, dass du sie jetzt langsam kennenlernst, dass sie dann mit hier ...“, ich lasse Ilja aber nicht aussprechen. „Moment, du entscheidest gerade, dass sie mit hier her darf.“ Er guckt mich etwas schockiert an. „Was den jetzt mit dir los?“, fragt er. Ich schüttle nur den Kopf und stehe auf. Mein Weg geht zum Stall, wie immer, wenn ich schlechte Laune habe. Doch meine Jacke ist noch drin und mit Pullover draußen ist schon ziemlich kalt. Hinter mir höre ich Schritte. „Stop!“, ruft er. Seine Stimme geht durch meinen Körper, nicht weil es so laut war, sondern dieser Akzent! Notgedrungen drehe ich mich um. „Es tut mir Leid, dass es so überstürzt kam. Doch lerne sie mal erstmal kennen. Manja ist mir echt wichtig und ich möchte sie da raus holen. Es geht ihr nicht gut und hier würde es ihr super gehen. Gib dem Ganzen eine Chance!“, bettelt er schon fast. Das kenne ich gar nicht. Jemand bettelt mich an und will das ICH etwas akzeptiere. Ich muss lächeln und nicke. „Danke“, antwortet er mir und umarmt mich. Das heißt für mich, wir sind jetzt weiter mit unserer Beziehung, oder was auch immer das ist. Irgendwie mag ich ihn, aber ich bin mir nicht sicher. „Gut Manja, dann gucken wir mal, ob ich noch was zum Anziehen für dich habe und dann gehen wir zu den Pferden.“, sage ich, als wir wieder im Haus sind und sehe wie sie über das ganze Gesicht strahlt. Dann geht’s in mein Schlafzimmer. Wir haben natürlich was gefunden, sie ist ja nur ein Stück kleiner als ich. Eine ältere schwarze Reithose dazu einen warmen Pullover, noch von meiner Mutter aus Island, und eine schwarze Weste zu.
Erst mal wird sie etwas den Umgang mit Pferden erlernen müssen, doch das ist eine andere Geschichte.
- Vina | 4343 Zeichen | © Mohikanerin
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