Of Screws and Metal - Teil 13
Geschrieben von Occulta im Blog Nebenstorys. Ansichten: 2704
Teil 13
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Einige normale, ereignislose Wochen, sogar Monate, vergingen. Es war mir gegönnt, ein wenig zur Ruhe zu kommen und meinen Alltagstrott wiederzufinden. Blacky lief in dieser Zeit nicht herausragend, aber die Saison war nun ohnehin zuende und wir beschränkten uns auf das übliche, Muskeln und Kondition erhaltende Training. Ich machte mir immer öfter Gedanken über meine Zukunft. Ich kann nicht den Rest meines Lebens Jockey bleiben, irgendwann werde ich zu alt und zu gebrechlich dafür sein - vorausgesetzt natürlich, dass ich dieses Alter erreiche. Soll ich danach Trainer werden so wie Collins? Oder soll ich mich wieder den Maschinen widmen? Mir wurde bewusst, wie verletzlich und sorgenvoll ich geworden war. Mein früheres Ich hätte, wenn die Zeit gekommen wäre, einfach spontan irgendeinen neuen Job gesucht, oder sich aus purer Abenteuerlust ins Ausland abgesetzt. Impulsiv, wissbegierig, draufgängerisch - stur und unermüdlich. Aber inzwischen war ich ausgelaugt, fand einfach die Motivation und den Mut nicht mehr, fast schon wie meine Mutter (möge sie in Frieden Ruhen). Harper schien geradezu unbekümmert im Vergleich. War er zu Beginn unserer Bekanntschaft noch missmutig und mit dauergestresstem Ausdruck durch die Gegend stolziert, so wirkte er jetzt meist frisch und voller positiver Energie. Nur gelegentlich hatte er noch schlechte Laune, wenn ihn wieder ein nichtiges Detail in Rage versetzte, oder er einer unliebsamen Person über den Weg lief.
Eines schönen Herbstmorgens machte ich zum allerersten Mal Bekanntschaft mit Harpers Therapeuten, Mr Johnson. Er war auf Pineforest zu Besuch, laut eigener Aussage um sich ein Bild von Harpers Hobby zu machen. Der hatte sich allerdings kurzfristig entschuldigt - ein unerwartetes Meeting mit einem Kunden war dazwischengekommen. So sah Mr Johnson, der bereits unterwegs gewesen war und nicht mehr hatte umkehren wollen, eben mir über die Schulter, während ich Blacky wie immer putzte und sattelte. Der Typ war ruhig, freundlich und wie erwartet scharfsinnig. Er stellte sich ausserdem als intetessanter Gesprächspartner heraus. Wir diskutierten über alles Mögliche, und in mehr als einem Thema brachte er mich durch hervorragende Argumentation dazu, meine ursprünglichen Ansichten zu hinterfragen - egal wie entschieden ich jeweils begann. Seine Ausstrahlung machte ihn automatisch zu einer Vertrauensperson, der man nicht zu widersprechen traute, aus Sorge davor am Ende etwas Dummes zu sagen. Es fühlte sich ausserdem recht eigenartig an, so ausgelassen mit einem ausgebildeten Psychologen zu plaudern. Die ganze Zeit über grübelte ich, ob er mich insgeheim analysierte und ich mich vielleicht tatsächlich irgendwie auffällig verhielt, oder gar Anzeichen irgendeiner Störung zeigte - man begann vermutlich automatisch damit, sich selbst zu hinterfragen, wenn man lange genug mit Autisten in Kontakt stand.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und bemerkte scherzhaft "...So, how am I doing so far? Any signs of me being a psychopath?"
Er lachte amüsiert, beteuerte dann aber "no, no, don't worry. You seem like a perfectly sane person."
In übertriebener Erleichterung atmete ich auf. Er spazierte mit Blacky und mir mit zur Rennbahn und sah mir beim Training zu. Als ich nach einer halben Stunde zurückgetrabt kam, meinte er fasziniert "it is really impressing to watch a horse running like this. I get why Ryan likes it so much. Besides, he always liked to be with horses, even as a little boy. They helped him calm down whenever he had an anxiety attack and increased his understanding of dealing with other social beings. Thanks to them he learned to be gentle and patient, instead of loud and easily frustrated."
"Yeah, Blacky is his everything. You should hear how he talks to him."
"I'm quite sure it is not only the horse he likes to hang out with."
"What do mean?"
"I have never seen him seek the attention and company of any human beings other than his family or myself. He normally is very introverted and hard to talk to. To most people he comes across as arrogant and disinterested. But he really is only shy."
"That's true. I thought he was quite a difficult person in the beginning. I don't even remember when and why exactly we started to talk so casually."
"Keep it up. He can benefit a lot from it."
"I will, if he doesn't fire me of course."
"I doubt you give him reason to do that."
"I do not take anything for granted anymore."
"Sounds like you've had your share of troubles."
"You could say that."
"I heard you were a mechanic before. That's quite the change of direction. Was it a childhood dream to be a jockey?"
"No. I always wanted to become a vet."
"So, why did you not pursue that path?"
"I was not good enough at school."
"There's still time. It is never too late to start doing what you desire."
"No. I refuse to waste my life, chasing dreams that I cannot reach. I'd much rather spend my time enjoying the things I already have and making the most of that."
Er wirkte einen Moment nachdenklich, während wir den Stall betraten. Schliesslich fand er "if this is your way of finding happiness, then I hope it will work out and you won't wake up one day, finding yourself regretting all missed opportunities." Ich entfernte schweigend Blackys Sattel und wechselte das Zaumzeug mit seinem Stallhalfter aus. Dann ent-wickelte ich die Bandagen von seinen Röhrbeinen. Als nächstes führte ich den Fake-Braunen zum Waschplatz im Innenhof des Hauptstalls. Dort kühlte ich seine Beine und wusch den Schweiss von seinem Rücken und der breiten Brust. Mr Johnson hatte schon Recht. Es war manchmal schwierig im Voraus abzuschätzen, ob sich ein Weg lohnte oder nicht. Im Nachhinein wusste man es immer besser. Aber nur weil man den einen Weg nicht eingeschlagen hatte, bedeuetete das ja nicht, dass die Alternative automatisch schlechter war. Und manchmal entdeckte man dabei sogar noch Aussichten, von denen man sonst gar nicht gewusst hätte. Der Therapeut begleitete uns noch eine Weile, dann machte er sich auf den Weg zurück in sein Büro. Er bedankte sich für den Einblick in Harpers Freizeit und wünschte mir Erfolg für die nächste Saison. Ich fand den Typen eigentlich ganz nett.
An diesem Abend war ich wiedermal nachdenklich. Ich hatte keine Lust mich mit Fernsehen abzulenken und war eigentlich müde, aber zum Schlafengehen war es auch noch zu früh. Also sass ich auf dem Balkon und genoss die kühle Herbstbrise bei einem hellen Feierabendbier, bis mir fast die Nase abfrohr. All die komischen, aber auch tollen Momente mit Harper gingen mir durch den Kopf. Er war mir wirklich ans Herz gewachsen, das wurde mir klar. Dann runzelte ich zögernd die Stirn. Ich fragte mich plötzlich, ob er als Autist eigentlich überhaupt romantische Gefühle für seine Mitmenschen entwickeln konnte. Die Frage weckte eine unerklärliche Neugier in mir, über die ich selbst leicht beschämt war. Ich konnte ihn unmöglich darauf ansprechen, denn welches Recht hatte ich, sein Privatleben zu hinterfragen? Ich schüttelte entschieden den Kopf und verwarf den Gedanken. Ich hatte wirklich andere Sorgen. Oder? Was ist mit dir Ray, fragte ich mich selbst. Willst du jemals eine Familie gründen? Es kam mir unsinnig vor, überhaut darüber zu grübeln. Schliesslich hatte ich weder einen sicheren Job, noch eine feste Beziehung. Ich seufzte und betrachtete die vorbeifahrenden Autos. Warum habe ich das Gefühl, dass das Leben jedem einzelnen von ihnen leichter fällt als mir?
Nach dem Abendessen, bestehend aus einer Scheibe Toast mit weissen Büchsen-Bohnen und einem Spiegelei, durchstöberte ich ein paar meiner seit dem Umzug ungeöffneten Kartonkisten auf dem Dachboden. Eigentlich suchte ich nach einem Kochbuch, das mir meine Mum einmal zum Geburtstag geschenkt hatte, weil mich die Bohnen an ein ewig nicht gekochtes Gericht erinnert hatten. Stattdessen kam mir in der zweiten Kiste etwas unerwartetes zwischen die Finger. Es war ein Armband mit farbigen Holz- und Buchstaben-Perlen, die meinen vollen Namen schrieben. Es war uralt - mir war nicht mal bewusst gewesen, dass ich es überhaupt noch hatte. Im Kindergarten hatten wir es zusammengesetzt, um zu lernen, wie wir unsere Namen buchstabieren. Ich betrachtete es melancholisch im Schein der Dachbodenlampe und drehte die Buchstaben auf dieselbe Höhe, bis der Name gut lesbar war. Ray Alvy Hayes. Was für ein komischer Name, mit all den Y. Nicht weniger komisch, als der Mensch der so genannt wurde. Vielleicht sind unsere Namen wegweisend für uns? Der Gedanke kam mir ziemlich unfair vor. Ausserdem war ich früher ganz anders gewesen. Viel fröhlicher und unbesorgter. Alles war mir so leicht vorgekommen, weil ich mir nicht über alles den Kopf so zerbrochen hatte. Wenn mir eine Idee gekommen war, hatte ich sie einfach umgesetzt, stur und ausdauernd. Ich fragte mich, wann mir diese kindliche Impulsivität abhanden gekommen war. Wer weiss schon, was morgen passiert? Viellecht wache ich gar nicht auf. Wäre es angesichts dessen nicht eine Schande, nicht aus jedem neuen Tag das Beste zu machen? Ich verharrte noch eine Weile so, beinahe mit einem Kloss im Hals. Dann murmelte ich zu mir selbst: "I think the thing that angers me the most is that I waste all this precious time. I'm tired of waiting! I want to do something! Something meaningful or just something that makes me happy. Something worth remembering." Eine neue Idee formte sich und verankerte ihre Wurzeln sanft in meinen Hirnwindungen. Ich wollte Veränderung. Es war Zeit, aus dem Schneckenhaus zu kriechen und die Welt zu entdecken.
Die Welt zu entdecken - das war gar nicht so einfach. Schon gar nicht von einem Tag auf den anderen. Folglich wachte ich zu einem gewöhnlichen neuen Arbeitstag auf, ass dasselbe Müsli wie immer und fuhr um dieselbe Uhrzeit Bus. Etwas frustriert begrüsste ich Blacky. Der Fake-Braune brummelte und zog mir die Begrüssungs-Karotte sofort aus der Hand. Ich strich ihm über die Stirn und streifte ihm das Lederhalfter mit seiner goldenen Namensplatte über. "Can you spell your name, huh?", fragte ich ihn lächelnd. Es kümmerte den Hengst nicht. Wieso auch? Ihn brauchte nur zu interessieren, wann der Futterwagen kam und um welche Zeit er raus aus seinem Gefängnis durfte. Einerseits war er zu bemittleiden, angesichts seiner geraubten Freiheit. Andererseits war es doch genau diese Freiheit, die auch so viele Sorgen brachte. Ein Knarren verriet, dass jemand hereinkam. Ich wischte summend über das dunkle Fell, während die Pfleger von Pineforest eintrudelten und mit den Stallarbeiten begannen. Ich wollte vor ihnen auf der Bahn sein, damit wir uns nicht in die Quere kamen. Collins war spät dran. Als das Knarren erneut ertönte, wollte ich schon entgegnen "about time", aber dann merkte ich, dass es Harper war.
"What are you doing here?"
Er zuckte mit den Schultern. "I couldn't make it yesterday."
"I will never understand how any normal person can get up this early, only to watch a horse running rounds", murmelte ich augenrollend, gerade laut genug.
"I like to watch you two. What is wrong with that?"
Ich lächelte über die Selbstverständlichkeit in seiner Stimme. Er ist auch fast wie ein Kind - tut einfach das wozu er Lust hat, ohne einen triftigen Grund dafür zu brauchen. Das ist beneidenswert.
"And what did you think of Mr Johnson?"
Ich antwortete ohne überlegen zu müssen "he's okay. Knowing he is a therapist makes it a bit strange to talk to him casually, but he knows his stuff and is a nice guy, I think."
Harper nickte zustimmend und sah mir schweigend zu. Aber er wirkte ungewöhnlich unruhig. Als wollte er etwas sagen, aber sich nicht trauen. Ich warf seufzend die Bürste in die Putzkiste und sprach ihn an.
"You look like you're sitting on an ant-hill. What is it?"
Er räusperte sich symbolisch. "He uhh... Did the two of you talk about me a lot?"
"I wouldn't say a lot. But it was unavoidable, considering the reason he came here."
"I guess..."
"But don't worry. It was all very professional. We only shared our experiences with you."
Noch während ich es aussprach, wurde mir bewusst wie seltsam das für ihn sein musste.
"Sometimes I wish I was a different person", sagte Harper plötzlich unerwartet. "If I was not me, there would be no need for a therapist and we could just chat normally."
Ich sah ihn verwundert an. "We are chatting normally. I don't know what you mean."
"Don't act as if I was a normal person."
"You seem pretty normal right now."
"If I was normal, then you wouldn't treat me like that."
"Like what?"
"The way you talk to me. Almost like a grown up talks to a child."
Ich fühlte mich peinlich ertappt. War es so offensichtlich? Ich entgegnete ehrlich: "Okay, I admit sometimes I tend to not take you all that serious. But I would do that with anyone. I also did that with Ben." Allein seinen Namen zu erwähnen brachte ein bitteres Gefühl auf meine Zunge. "It is not because of you. Only a flaw of mine." Er wirkte nicht überzeugt. Ich musste mich nun allerdings mit Black Powder War beeilen, denn die anderen Jockeys begannen ebenfalls schon mit dem Satteln.
Am Ende trainierten wir gleichzeitig mit ihnen; irgendwie kamen wir aneinander vorbei. Collins tauchte in letzter Minute auf, steuerte das Training und verschwand eben so schnell wieder. Er erklärte nur, dass seine Frau Geburtstag habe und er noch kein Geschenk hätte. Die Pfleger von Pineforest verliessen den Stall wenig später mit der zweiten Morgengruppe, also waren Harper und ich wieder allein. Nur das entfernte Pfeiffen von Ajith blieb, der im Stutentrakt den Boden fegte. Harper grübelte noch immer still vor sich hin, als versuchte er ein schwieriges Rätsel aus einer Zeitschrift zu lösen.
"Come on you grim old bear, brushing Blacky will help you relax", schlug ich vor, und streckte ihm die Bürste hin. Er nickte und stellte sich neben sein dunkles Pferd. "You remember when I said I liked you the way you are?", fragte ich ihn während dem Hufeauskratzen. Er nickte. "I still feel the same. There is no use in wanting to be different. I'm not the strongest, I'm not the smartest, and surely not the fastest, but I am me, and that I am more than anyone else will ever be."
Er meinte zögerlich "it's easy to say when you're an oridinary person."
"What is the most difficult thing for you, then? When do you still feel 'unnormal'?"
"Many things... But mostly love."
Seine Direktheit erwischt mich immer wieder 'off-guard', bemerkte ich zu mir selbst, grinsend.
"Why are you laughing?", fragte er entsetzt.
"Just... I envy you. Many people would have a hard time talking honestly like that."
"You asked..."
"I know, I know. It's fine. So: love. That is a difficult topic, not only for you."
"I don't know where to start. No one ever taught me - sometimes I feel like they don't even believe I am capable of loving."
Ich fühlte mich abermals ertappt.
"What would you like to know?"
"Everything. That must sound strange..."
"No, I can relate. Hmm, okay. So is there anyone you like in particular?"
"Yes."
"So who??"
"Don't laugh."
Er sah mich an, mit einer Mischung aus Ernsthaftigkeit, Neugier und Unsicherheit. Ich seufzte. So etwas hatte ich schon erwartet. Dann erinnerte ich mich an vergangenen Abend.
"Okay. Go out with me."
Er sah schockiert aus, als hätte er mit allem gerechnet, ausser damit.
"Wha-... all of a sudden?"
"Now or never. Decide."
"..."
"That's a no then."
"No! I mean yes! No-"
"Well?"
"Yes. I will try my best."
"Hmm." Ich lächelte abwesend.
Er sah mich missmutig an, als erwartete er, dass ich ihn gleich auslachen und alles als Scherz abtun würde.
"I didn't actually think you'd say yes... I just kinda wanted to provoke you."
Er mied wieder meinen Blick. "Well, I wouldn't mind to give it a try..."
Ich schnaubte so laut, dass Blacky sich erstaunt zu mir umdrehte.
Harper wirkte verletzt. "Don't laugh at me! It's rude."
"But to think you'd actually..."
Ich klinkte Blackys Anbindeseile aus und brachte ihn in seine Box. Der Rappe interessierte sich herzlich wenig für unser Geplapper. Er war nur froh, endlich zu seinem Heuberg zu kommen.
Empört rechtfertigte Harper sich. "Why is it so unthinkable? We get along well and we both have no partner. I am financially stable and you...-"
"Alright, alright!", ich winkte ab und schob die Boxentür zu. Ich hatte ihn tatsächlich zu Blickkontakt provoziert. "If that's the case. We could try. No forced feelings, just plain and simple, without any expectations. I teach you what I know, and you decide whether or not you like it."
"Sounds good to me."
"Fine."
"Okay!"
"Alright."
"...What now?"
"Hmmm. Come 'ere."
Ich gab ihm einen frechen Kuss auf die Backe, dann machte ich kehrt und winkte über die Schulter. "See you. Have a good day."
"You too!...?"
Kaum war ich ausser seiner Sicht- und Hörweite, prustete ich lachend los. "What was that?!" Ich fühlte mich irgendwie federleicht und konnte nicht mehr aufhören zu grinsen, den ganzen restlichen Morgen. Ich wusste zwar nicht genau, wohin uns das führen würde, aber genau dieses Gefühl hatte ich so vermisst.
Gegen Abend schrieb mir Harper und fragte, ob ich einen schönen Tag gehabt hätte. Ich antwortete mit der Rückfrage, ob er Zeit habe. Sofort bestätigte er. Schmunzelnd schnappte ich meine Jacke und machte mich auf den Weg. Katy fragte gerade noch "where are you off to?" Ich schrie nur lachend "out!" zurück. Harper kam mir mit dem Auto ein paar Strassen weiter entgegen. "Hey", begrüsste ich ihn. "Hopp in." Schon wieder musste ich lachen - er versuchte cool zu sein. "Did you have dinner yet?" Ich schüttelte den Kopf. "Perfect. I googled a nice place earlier." Wir fuhren zu einem gemütlichen kleinen Restaurant am Stadtrand und bestellten uns eine Pizza. Das war allerdings gar nicht so einfach. "I don't like ham..." "Then how about this one?", schlug ich auf die Karte deutend vor.
"That has pineapple on it."
"Okay, so no pineapple either. Got it. Margherita?"
"I do like olives though..."
"Alright, this one has olives, onions and fresh tomato on it. Fine?"
Er nickte zögerlich. Doch als die Pizza schliesslich kam, stocherte er naserümpfend darauf herum. "What is wrong now?", fragte ich geduldig. "I don't like it when the onions touch the olives while they are baked. It makes them smell strange." Ich pickte mit der Gabel blitzschnell alle Zwiebelringe weg, die irgendwie mit Oliven in Kontakt gekommen waren. Als ich fertig war, lächelte Harper zufrieden. "Now it looks almost perfect."
"What would you do without me?", fragte ich augenrollend.
"I wouldn't eat out in a restaurant..."
"You always cook at home?", fragte ich erstaunt.
"Yes. It is the easiest way to make the food meet my expectations without upsetting anyone."
"That makes sense", gab ich zu, runzelte dann aber die Stirn. "Then why did you want to come here?"
"I thought it was normal to go to a restaurant on a date. At least that is what everyone seems to do."
"It is also quite common for the boyfriend to cook something at home. That way he can impress his love with his cooking skills."
"That seems to make sense. Why didn't I think of it?"
Er wirkte enttäuscht, aber ich tröstete ihn damit, dass es ja noch weitere Gelegenheiten geben würde. Da hellte sich seine Stimmung rasch wieder auf und auch die Tatsache, dass es Oregano auf der Pizza hatte, was scheinbar normalerweise ebenfalls ein Problem gewesen wäre, schien ihn nicht mehr ganz so zu stören.
Nach dem Essen setzten wir uns auf einer Bank an den Fluss und genossen die Lichter der Stadt im Dunkeln. Ich fragte Harper, etwas frech: "When did you start to have feelings for me?"
"I'm not sure, even now... I just thought I like you very much, because you are one of the few people who do not treat me special or avoid me. I felt bad when you stopped working at the company, I really missed chatting with you. So when we met again, I wanted to make sure I would not lose sight of you again. I cannot say if it is love though, because I don't know what love feels like."
"Well, maybe you'll finally find out. You never wanted to try before?"
"At first I didn't think about it. It simply seemed unimportant to my younger self. Then I thought about it, but it didn't interest me enough. Then I got interested, but I didn't consider to try it, because I didn't think I'd ever come to like it. Now I think I do like the idea, but don't expect it to last..."
"And why not?"
"I am too complicated to keep anyone happy."
"You sure are complicated. But I am complicated as well. Maybe that way it will remain enthralling."
Ich lehnte mich zufrieden zurück. Es war nachwievor einfach mit ihm zu reden, es hatte sich nicht viel verändert. Ausser... Eine kühle Herbstbrise zog durch die Büsche. Ich nutzte sie als Vorwand, um mich an ihn zu kuscheln. Harper wirkte zuerst unsicher, was er mit seinen Armen anfangen sollte, doch dann legte er sie vorsichtig um mich. Er strahlte eine angenehme Wärme aus. Ich schloss entspannt die Augen.
"How does it feel?", fragte ich nach einer Weile.
"...Warm." Nach einer Pause fuhr er fort. "It tickles. Your hair. But I like it. And I like your smell."
"I'm glad. It's probably the lemon-shampoo."
"Reminds me of the handcream my mother used to put on."
Ich gluckste. Es kam mir ein wenig vor, als wäre ich nun der Therapeut und würde ihn nach seinem Befinden ausfragen. Vielleicht war es ja auch so eine Art Therapie für ihn.
"What would you like to do next?", fragte ich nach einer ganzen Weile, denn langsam wurde es doch etwas kühl.
"I'm not sure... Watching a movie?"
"Sounds cool. At your place?"
Er nickte dankbar - "I don't like cinemas, they are too loud..."
Wir fuhren also zu ihm nachhause und machten es uns auf dem Sofa gemütlich. Als es darum ging einen Film auszuwählen, liess er mich entscheiden, auch wenn man ihm ansah, dass ihm das schwerfiel. Zum Glück schien ich eine gute Wahl getroffen zu haben, denn er sah glüclklich aus, als der Vorspann begann. Ich lehnte mich mit der Schulter an ihn, um wenig später meinen Kopf abzulegen. Er war jedoch völlig auf den Film fixiert und schien mich gar nicht mehr aktiv wahrzunehmen. Nach der Hälfte war ich frustriert genug, um in die Offensive überzugehen. Der Film war sowieso eher enttäuschend. Also begann ich Harpers Bauch zu kraulen. Zuerst nur ganz sanft, dann etwas entschlossener. Er grummelte nur und war weiterhin fokussiert. Ich liess meine Hand zu seinem Hals hinauf wandern und streichelte sein Kinn. Dann ging ich weiter zum mir abgewandten Ohr. Da reagierte er plötzlich ruckartig und sah mich erschrocken an. "What are you doing?" Erfreut, dass ich nun seine Aufmerksamkeit auf mich gelenkt hatte, drückte ich mit meiner Hand seinen Kopf sanft näher, bis ich seinen Atem spürte. Er versuchte jedoch wegzuziehen, also liess ich los. "Am I pushing you too much?", fragte ich leicht enttäuscht. Er zögerte, dann meinte er: "I'm not sure..." Ich liess ihn einen Moment nachdenken. "Okay", sagte er schliesslich doch noch. Ich rückte etwas näher und kraulte seinen Hinterkopf. Das schien er zu mögen. "Just like Blacky", bemerkte ich belustigt. Er schloss entspannt die Augen, also wagte ich es und küsste ihn. Nur kurz, dann wartete ich gespannt ab. Er öffnete die Augen zögerlich, als erwartete er noch mehr. Als er meinen Ausdruck sah, murmelte er "it is nice..." Ich war tatsächlich etwas erleichtert. Ich hatte schon fast befürchtet, dass es ihm nicht gefallen würde, oder dass er irgendeine komische, übertriebene Reaktion zeigen könnte, wie man es bei autistischen Kindern manchmal sah. Aber er hob nun stattdessen seine eigene Hand und ahmte mich nach, mehr fordernd. Wir verbrachten den restlichen Abend damit, den Lippenkontakt noch etwas weiter zu erkunden und zu kuscheln, der Film war vergessen. Bevor es jedoch zu sehr eskalierte, brach ich ab. Ich hielt es für schlauer, ihm und auch mir selbst erstmal etwas Zeit zum 'akklimatisieren' zu lassen. Als ich es ihm erklärte, sagte er gelassen "That's fine. I'm patient."
"More like im-patient", kicherte ich, "considering how demanding you were just now."
"Only curious", antwortete er mit einer Unschuldsstimme, die mich förmlich dazu verleitete, ihn wieder an mich zu drücken. Er fuhr mich noch nachhause, wobei ich ihm beim aussteigen nochmal einen Kuss geben musste. "See you tomorrow?", fragte er hoffnungsvoll.
"Probably not, I have a lot to do..."
"When then?"
"I can't promise anything with certainty."
"That's a pity..."
"Hard to say, sad to tell, but for now lets just see off and fare well."
"Alright, night."
Mein Herz spielte noch bis zum Einschlafen verrückt. Dabei hatte ich das Ganze eigentlich cool angehen wollen. Vielleicht hatte mir das Gefühl von Verliebtheit doch gefehlt... Auf jeden Fall hatte mir der Abend grossen Spass bereitet und ich konnte die Fortsetzung kaum erwarten. Es fühlte sich nicht nur gut an, sondern auch richtig. Lustigerweise blieben mir nicht die geringsten Zweifel. Man trifft sich nicht umsonst zweimal im Leben. Vielleicht waren es nur Endorphine die meine Sinne benebelten, aber ich mochte das Gefühl ins Kissen zu sinken und für einmal keinen Platz mehr für Sorgen zu haben. Ich fragte mich, wie es sich für Harper - nein, Ryan - anfühlte. Ob er wach lag und die Decke anstarrte? Oder friedlich schlummerte wie ein Fels? Schon der Gedanke liess mich wieder schmunzeln.
Veija gefällt das.
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