Of Screws and Metal - Hof-Nebenstory Teil 12
Geschrieben von Occulta im Blog Nebenstorys. Ansichten: 199
Teil 12
_ _______________________________________________________________________ _
Am Renntag des Gold Cups in Ascot waren wir besonders früh unterwegs. Harper, Collins und ich hatten alle kein Bisschen Mühe mit dem Aufstehen. Harper war dennoch aus ganz anderen Gründen etwas "out of spirits". Er machte sich immer noch Gedanken darüber, wie sein alter Peiniger auf ihn reagieren würde. Ich hatte ihm mehrfach eingeredet, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gab, aber die Erinnerung schien tief verankert und er betonte immer wieder, dass er den Typen einfach nicht mochte. Als wir schliesslich in Ascot ankamen, war von der unbeliebten Figur anscheinend noch keine Spur zu sehen. Harper blieb wachsam, seine Stimmung entspannte sich aber zunehmend und er verfiel wieder in sein gewohntes Muster. Wir machten Blacky startklar und führten ihn zum Warmlaufen an den Zuschauern vorbei. Es hatte heute besonders viele Leute, obwohl die Stimmung sonst wegen des kursierenden Virus noch angespannt war. Aber die Fans des Royal Ascot liessen sich davon nicht abschrecken. Collins half mir aufs Pferd. Blacky tänzelte ein wenig, sobald ich oben war. Nicht aus Nervosität, sondern aus purer Ungeduld. Ich streichelte ihn beschwichtigend. Als ich den Blick wieder nach vorne wandte, erkannte ich ein Gesicht wieder, das ich lange nicht mehr gesehen hatte. "Jimmy!" Der 'Gartenzwerg' sass auf einer hellbraunen Stute und plauderte mit deren Besitzer, wie ich vermutete. Er erkannte mich nach einem kurzen Zögern ebenfalls wieder, woraufhin sein Gesicht zugleich Erstaunen und Begeisterung zum Ausdruck brachte. Voller Neugier ritt er zu mir.
"Ray, was it? So you decided to race after all."
"Yes! And it was the best decision I ever made. Thank you so much for giving me the spark to do it back then in the pub."
"That's great to hear, glad I was of help. Who are you riding for today?"
Ich wollte gerade antworten, als Harper von der Absperrung her rief: "She is riding my horse."
Jimmy runzelte die Stirn und sah Harper verdutzt an. "We know each other.", stellte Harper kühl und gefasst fest.
"Yes... I believe we do. It's sure been a very long time, though."
Die Anspannung in der Luft liess meine Nackenhaare kräuseln. Ich begann langsam zu verstehen. "Wait - that is HIM? The one we talked about?"
Harper nickte langsam. Jimmy spürte offenbar, dass gerade sein Ruf in Gefahr geriet.
"Ryan Harper. When we last met we were silly little boys! I can't believe how fast time passes."
Harper murmelte etwas unverständliches, und ich überlegte, wie ich die Situation rechtzeitig entschärfen konnte. Ich entschloss mich, Jimmy ein wenig unter die Arme zu greifen. "Mr Harper told me the two of you went to the same school. A lot has changed since then, huh?"
"Yes, - yes! Who would have thought we'd meet again like this. It's good to see you're doing well Ryan."
Harper blieb ungerührt. "I would be lying if I said I was glad to meet you."
"Oh please, Ryan! Can't we forget the past and talk like adults?"
"You're implying that I don't talk like an adult."
Ich stöhnte und schritt erneut ein, bevor es zu einem Unglück kommen konnte. "Harper, we have to get going. The race is starting soon."
Zum Glück hörte er auf mich und kehrte zu Collins zurück. Ich wandte mich mit einem gequälten Lächeln von Jimmy ab und wünschte ihm einen guten Ritt. Gut, aber nicht siegreich, fügte ich innerlich mit einem schelmischen Lächeln an. Wir ritten zu den Startboxen, die Pferde wurden hineingeführt und dann warteten wir angespannt auf den Start. Jimmy und ich tauschten über die Hälse der anderen Pferde hinweg noch einen Blick aus, ehe die Tore aufsprangen und die Pferde durchstarteten. Blacky verpasste aus irgendeinem Grund den richtigen Moment und kam als letzter aus der Startmaschine. Ich kräuselte verärgert die Lippen - das war uns schon lange nicht mehr passiert, und jetzt musste es ausgerechnet vor Jimmy sein. Ich beschloss, nicht den Kopf zu verlieren und Blacky wie immer in seinem Grundtempo die erste Hälfte galoppieren zu lassen. Wir machten so zwar keine Plätze wett, aber er blieb frisch für den zweiten Teil des Rennens. Ich suchte eine Position nahe den Rails, um nicht unnötig mehr Weg zurücklegen zu müssen - ein weiterer entscheidender Faktor. Blacky schnaufte schön gleichmässig und seine Bewegungen fühlten sich kraftvoll an. Zufrieden verschaffte ich mir einen Überblick über das Feld, ehe ich nach der zweiten Kurve mit dem Aufholen begann. Ich schnalzte und pfiff ein paarmal; das reichte Blacky als Kommando völlig aus. Er streckte sich und rückte stetig näher an die Pferde vor uns. Ich kannte die meisten Pferde, die heute gegen uns antraten. Collins und ich hatten sie im Voraus genau unter die Lupe genommen, um ihre Stärken und Schwächen auszuloten. Deshalb konnte ich mit ruhigem Gewissen meinen Plan verfolgen. Wir schlichen uns durch eine Lücke auf den zweitvordersten Platz und überholten das führende Paar schliesslich 200 Meter vor dem Ziel. Danach feuerte ich Blacky zwar weiter an, aber nicht mehr ausserordentlich, denn ich wollte keinen zu grossen Abstand provozieren. Das würde nämlich für zukünftige Handycaps nur unnötiges Gewicht bedeuten. Wir passierten die Ziellinie spielend. Ich liess Blacky locker ausgaloppieren und ritt schliesslich im Trab zum Bahnausgang. Der Fake-Braune schnaufte und schnaubte zufrieden ab. Er wollte den Hals nach unten strecken, aber ich hielt ihn noch einen Moment oben für die Fotos, ehe ich ohnehin aus dem Sattel hüpfte. Harper gratulierte uns vor stolz geradezu leuchtend und bot Blacky eine Karotte an. Ich erinnerte den Rennpferdebesitzer zur Sicherheit rasch daran, den Hengst die Karotte nicht zu hastig herunterschlingen zu lassen - nicht dass er sich durch die Aufregung verschluckte. Im Anschluss führte ich Blacky zum Auskühlen auf dem Gelände herum, ehe Collins mir half, ihn abzuduschen. Wir zogen ihm eine Abschwitzdecke zum Trocknen an und gingen dann mit ihm grasen. Ich traf erneut auf Jimmy, der sein Pferd ebenfalls fressen liess. "That was impressive. You two looked like you knew you'd win", lobte er, als ich näher kam. Ich lachte verlegen. "He is a strong horse. The best I've ever ridden. We won almost every race last year, and this season has started very promising as well."
"I wish I had a horse like that. This one is as lazy as an old cat."
Ich betrachtete die hellbraune Stute, die neben ihm Gras zupfte, und kommentierte neckisch: "Whether it is an Ace or just a King - you can win if you know how to play the game."
"You've got a point. Maybe I should change industry and get myself a job as a mechanic. Who knows what hidden talents I could have", scherzte er. Wir lachten und plauderten ausgelassen.
Als Black Powder Wars Fell trocken genug aussah, verabschiedete ich mich von Jimmy und brachte den Fake-Braunen zum Transporter. Collins sass in dessen Schatten auf seinem faltbaren Camping Stuhl und las eine Zeitung, Harper schien noch irgendwo herumzuwandern. Wir zogen Blacky die Transportgamaschen an, um seine wertvollen Beine zu schützen, und verluden ihn. Harper tauchte kurz darauf ebenfalls auf, sodass wir fahren konnten. Er schien auf dem Rückweg etwas wortkarg, sodass ich mich fragte, ob ich ihn wieder irgendwie unbewusst verärgert hatte. Beim Ausladen auf Pineforest Stable erschreckte sich Blacky, weil hinter einem der Parkierten Autos auf dem Parkplatz ein grau-roter Kater hervorschoss und quer über den Asphalt hastete. Der Hengst schnaufte laut hörbar und rollte unsicher die Augen. "Eh, silly! It's only a furball!", tadelte ich lachend, mit einem Seitenblick auf Harper. Der schmollte jedoch noch immer. Sobald Blacky in seiner Box stand und Collins sich verabschiedet hatte, sprach ich ihn darauf an. "What in the world happened, for you to be so grumpy again? We won a race today! And against Jimmy, of all people! I expected you to explode out of joy."
"I know. It's nothing, just a bad mood."
"Are you sure? I told you about my bad moods before, so feel free to do the same."
"This is more... Complicated."
"I refuse to believe that."
"I don't even know if I am allowed to voice my dissatisfaction over something as ridiculous as this."
"Ridiculous or not, if it is important enough to affect your mood that much, then it must be worth telling."
"If you really want to know... I did not like the way you were talking with... that person."
"Jimmy?"
"Yes."
Amüsiert gluckste ich. "You've been jealous?"
"I don't know. Maybe. I guess."
"What exactly made you upset about it?"
"You looked happy and laughed a lot, despite the fact that your conversation had not much content to evoke such reaction."
"Wait- you were eavesdropping!"
"I merely happened to stand close."
"I didn't see you, though. You could have joined in on the conversation any time."
"I did not want to."
"Then what the hell are you jealous about? If you choose to say nothing, of course no one is going to read your mind and reach out for you!"
Ich war ein wenig aufgebracht - schliesslich hatte er sonst auch keine Mühe, das zu sagen was er dachte. Er schien nachdenklich. Ich stellte klar: "Look. Without Jimmy I wouldn't have had the guts to try and become a jockey. He led me onto this path. So you better be thankful towards him." Harper wirkte erstaunt. Ich erzählte ihm von dem Abend im Pub - selbstverständlich ohne die unnötigen Details. Als ich fertig war, schien er noch nachdenklicher, gab dann aber zu, dass Jimmys Existenz auch etwas Gutes an sich zu haben schien. "I didn't know he was capable of doing any good." "I didn't think you'd be capable of being a good boss, either."
"So I am a good boss?"
"Do bears bear?"
"Well, back when Bruce Willis had hair..."
"Let's just drop the topic now."
Als wir zum Parkplatz liefen, hielt Harper plötzlich inne. "Can we go around that way?", fragte er, und deutete auf die andere Seite des Parkplatzes. Ich runzelte verwirrt die Stirn. "There is a lawn mower... Right there...", murmelte Harper verlegen. Tatsächlich war einer der Pfleger, Darren, gerade damit beschäftigt, den Rasen rund um den Parkplatz zu kürzen. Ich konnte nicht anders, als zu lachen. Harper machte ein ernstes Gesicht, weshalb ich mich sofort entschuldigte. Als wir über den Umweg beim Auto ankamen, meinte Harper etwas niedergeschlagen: "I'm the same as blacky, aren't I? We're both cowards..."
"Nah, I don't think you're cowards. You are just both overly sensitive about certain things." Er betrachtete den Rasenmäher nachdenklich, der in sicherer Entfernung Halme zerhackte. "I will work on it. I will get better, I promise."
"You don't owe me any promise. Besides, I think you're doing fine most of the time already. Of course you do have your flaws. But I have those as well, and as long as you can accept mine, I will tolerate yours - and as long as you pay me accordingly, that is." Er nickte lächelnd und ich stieg zufrieden ins Auto.
Am nächsten Morgen wurde ich durch das Surren meines Smartphones geweckt. Ich versäumte es regelmässig, meine Nachrichten zu lesen, weil ich das nervige Ding immer auf lautlos gestellt liess. Es zeigte mir gleich drei Neue an. Erstaunt hob ich die Augenbrauen: so viel Aufmerksamkeit auf einmal? Die erste war von Mum; sie hatte schon gestern Abend geschrieben, um sich zu erkundigen, ob ich noch lebte, oder inzwischen am Virus krepiert war. Ausserdem schrieb sie, dass sie selbst eine kleine Erkältung habe, es ihr aber schon wieder besser gehe. Ooops... Ich beruhigte sie rasch mit ein paar Zeilen. Die zweite Nachricht brachte mich zum Stutzen. Sie war von einer mir unbekannten Nummer, und der Text so feindselig geschrieben, dass ich ihn zweimal lesen musste, um überhaupt zu verstehen, worum der Inhalt handelte. Und selbst danach blieb ich zutiefst verwirrt. Als es mir dämmerte, kam zur Verwirrung blanke Wut dazu. Die Person mit der fremden Nummer rügte mich dafür, dass ich Ben ein freizügiges Bild geschickt hätte, obwohl er eine Freundin habe. Mein Puls stieg. Was zur Hölle- Was soll das?? Er hat mich angelogen! Hat er das Bild immer noch? Offensichtlich, sonst hätte sie es nicht gesehen. Wer ist sie überhaupt? Er hat nie etwas erwähnt. Der kriegt was zu hören! Bevor ich ihm etwas Unschönes schreiben konnte, wurde ich durch erneutes Surren des Handys erinnert, zunächst noch die verbleibende, dritte Nachricht zu lesen. Sie war von einer ehemaligen Klassenkameradin, mit der ich eigentlich nie viel zu tun gehabt hatte.
- Hey Ray... Wtf did u do? Someone just sent a strange picture of you in our party chat... I think it was Ben's girlfriend. I thought you oughta know...
- I'm Sandy by the way, in case you don't recognise my number...
Ich tippte mit zittrigen Händen.
- Who is in this chat? Can you get them to delete it?? I'll try to explain later, I have to figure things out myself
Während ich auf die Antwort wartete, überkam mich eine Welle von Selbstvorwürfen. Warum hast du das getan? Du wusstest, dass es dumm ist. Wie konntest du nur so naiv sein? Hast du inzwischen nicht oft genug gelernt, dass man niemandem trauen kann? Warum bist du überhaupt darauf eingegangen?
- I will try... Some people of our old class, but most of the others don't know you.
Zähneknirschend tippte ich meinen Dank und wählte dann Bens Nummer. Natürlich ohne Erfolg. Allerlei Szenarien wirrten durch meinen Kopf, wie es zu dieser idiotischen Situation hatte kommen können, und wie sie sich weiter entfalten würde. Tatsächlich bekam ich Kopfschmerzen, weil ich meine wütenden, frustrierten Emotionen im Zaum zu halten versuchte. Am Ende vergrub ich mein Gesicht erschöpft in meinen Armen auf dem Küchentisch, neben der unangetasteten Müslischüssel. Ich überlegte, ob ich es mir leisten konnte, den Tag einfach spontan frei zunehmen. Da ich aber befürchtete, dass ich die überflüssige Zeit nutzen könnte, um weitere Dummheiten zu begehen (zum Beispiel Bens Wohnort ausfindig zu machen und ihm einen Besuch mit ein paar rohen Eiern abzustatten), hielt ich es für vernünftiger, mich mit Arbeit abzulenken. Vielleicht konnte ich die unangenehme Sache einfach vergessen - so tun, als wäre es nie passiert. Aber ehrlichgesagt hatte ich Angst, fast schon Panik. Ich wollte nicht, dass meine ehemaligen Klassenkameraden das Bild sahen. Wenn sie es nicht schon längst gesehen hatten. Ich wollte mir nicht einmal vorstellen, was sie sich denken würden, wenn sie es sähen. Es war nicht so, dass ich viel Kontakt mit ihnen hatte, aber es störte mich zu wissen, dass jemand da draussen ein falsches Bild von mir hatte - und bei meinem Glück würde es bestimmt irgendwie immer wieder auf mich zurückfallen. Was geschehen ist, ist geschehen. Du kannst es nicht mehr rückgängig machen. Schadensbegrenzung ist das einzige, was jetzt zählt, sagte ich mir selbst. Den ganzen Vormittag war ich ruhelos und abwesend. Auch die Pferde merkten das, und sträubten sich nach Strich und Faden. Zum Glück war ich heute mehrheitlich auf mich allein gestellt, sodass mir wenigstens die Tiraden der Trainer erspart blieben. Nur einer war mal wieder zur falschen Zeit besonders pünktlich. "How was your day so far, Ray?" Ich meinte nur abwinkend "don't ask." Harper wirkte etwas enttäuscht, dass ich nicht mehr auf ihn einging. Er verfolgte mich das ganze Training hindurch auf Schritt und Tritt. Eigentlich hätte er an diesem Tag gar nicht im Stall sein sollen, aber ein Meeting mit einem Chinesischen Unternehmer war kurzfristig abgesagt worden wegen des Virus, wie er mir ungefragt erklärte. Daher sei ihm langweilig gewesen. Ich konzentrierte mich darauf, Blacky beisammen zu halten. Der Fake-Braune tänzelte und quiekte, in etwa so, wie ich mich innerlich fühlte. Collins zeigte sich mässig erfreut. Er liess uns Extrarunden traben, bevor wir auf die Bahn durften. Das machte Blacky nur noch ungeduldiger. Ich beeilte mich nach dem mässig erfolgreichen Training mit dem Versorgen des Hengstes, um nicht länger als nötig in Gespräche verwickelt zu werden. Am Nachmittag hatte ich keine Pferde zu bewegen, denn es war ohnehin zu warm. Ich hatte also jede Menge Zeit, mir Rachepläne auszudenken, von denen ich genau wusste, dass sie sowieso nie umgesetzt werden würden. Aber es war befriedigend sich vorzustellen, wie Ben zum Beispiel auf tonnenweise Spam-Mails reagieren würde. Ich kannte ja seine Mailadresse – ein oder zwei Anmeldungen für irgendwelche nervigen Newsletter waren eigentlich gar nicht so abwegig. Und wenn ich schon dabei war, konnten es doch auch gleich irgendwelche Pornoseiten sein, um seine bescheuerte Freundin etwas anzuheizen. Ich wurde einfach nicht schlau daraus, warum er das Bild nicht gelöscht hatte - und erst recht nicht, warum er es seine Freundin hatte sehen lassen. Mal abgesehen davon, dass sie damals ja wohl kaum schon seine Freundin gewesen war. Warum also das ganze Theater? Was geht es sie an, was er vor ihrer Beziehung getrieben hat? Er kann mir ja nicht verschwiegen haben, dass er eine Freundin hat… Oder? Sicher war ich mir mittlerweile nicht mehr. Meine Wut wurde immer mehr durch Enttäuschung und Trauer abgelöst. Wir waren so gut befreundet. Warum tut er mir das an? Ich wollte ihm einen Gefallen machen, und was habe ich jetzt davon? Es war besonders schmerzlich, dass ich ihn überhaupt nicht so eingeschätzt hatte. Ich dachte, du bist ehrlich und aufrichtig. Ich dachte, ich könne dir vertrauen, Idiot. Ich sah auf die Uhr. Vor den abendlichen Trainingsritten blieb noch Zeit, also beschloss ich, im Schwimmbad etwas Dampf abzulassen. Als ich aufstand, hielt ich inne und drehte mich zum Computer um - Wenigstens den Newsletter von Scientology hat er sich verdient. Das Klicken der Maus zauberte mir das erste Lächeln des Tages aufs Gesicht.
Ich erreichte Ben erwarteterweise auch die folgenden Tage nicht. Die Klassenkameradin informierte mich, dass das Bild gelöscht sei und alle versprochen hätten, es nicht weiterzuverschicken. Sie versicherte mir, dass niemand aus dem Chat einen Groll gegen mich hegte, und die Person die das Bild verschickt hatte, offenbar Bens Freundin Julia, es ebenfalls gelöscht - und auch dafür gesorgt hätte, dass Ben es nie mehr zu Gesicht bekäme. Schadensbegrenzung. Ich war erleichtert, aber mein erschüttertes Vertrauen liess nicht zu, dass ich mich vollends entspannen konnte. Ich wechselte ein paar Textnachrichten mit Julia, wobei sich herausstellte, dass sie gar nicht so ein Biest war wie anfänglich angenommen. Sie Antwortete zwar trocken und knapp, aber als ich ihr meine Version der Geschichte geschildert hatte, schien sie ebenso enttäuscht über Ben wie ich selbst. Wie sich herausstellte, hatte er mir tatsächlich verschwiegen, dass er schon damals mit ihr zusammen gewesen war. Deshalb hatte er auch nicht mehr so viel Zeit gehabt. Ich versicherte Julia, dass ich keine Ahnung davon gehabt hatte und es zutiefst bereute, auf diesen dummen Gefallen eingegangen zu sein. Ich wunderte mich, ob sie ihn nun verlassen würde - aber die Frage verkniff ich mir vorsichtshalber. Seufzend lehnte ich mich zurück und starrte die Decke an. Was für ein Theater. An Klassentreffen gehe ich wohl zukünftig lieber nicht mehr… Der Gedanke stimmte mich mittlerweile halb so traurig wie man meinen könnte. Eigentlich war es mir doch ziemlich egal, ob ich die Leute jemals wiedersehen würde. Sie waren Teil meines alten Lebens, das ich dankend hinter mir gelassen hatte. Dieser kleine Skandal machte es mir nur noch leichter, mich davon zu lösen.
Es regnete draussen, und es war auch bereits dunkel. Ich verspürte das seltsam dringliche Bedürfnis, eine Runde joggen zu gehen. Mein Körper wollte wohl den ganzen Stress abbauen, der sich aufgestaut hatte. Entschlossen zog ich meine Schuhe an, zögerte aber beim Griff nach der Regenjacke. Ich mochte es nicht, mit Regenjacke Sport zu treiben, weil ich darin immer viel zu sehr schwitzte. Mit einem Schulterzucken verzichtete ich auf sie - das bisschen Regen bringt mich auch nicht um. Ich lief in moderatem Tempo bis zum Park, dann packte mich plötzlich die Lust zu rennen. Ich rannte - ich wusste nicht wohin oder wie weit, aber ich rannte immer weiter, den Blick immerzu auf den Asphalt vor mir gerichtet, blind für alles andere. Irgendwann fand ich mich in einem hübschen Quartier am Stadtrand wieder, mit kurz geschnittenen Rasenflächen und fein säuberlich frisierten Büschen. Im Dunkeln sah man sonst nicht viel, aber die durch stilvolle Gartenleuchten bestrahlten Teile der Gärten sahen extrem "posh" aus. Ich stoppte und sammelte meinen Atem, die Hände auf die Oberschenkel stützend. Es regnete stärker als zuvor, und ich hatte nur eine vage Ahnung, wo ich hier gelandet sein könnte. Nach ein paar Sekunden richtete ich mich auf und versuchte, mich zu orientieren. Ich fühlte mich seltsam fit, obwohl ich vermutlich gerade durch die halbe Stadt gerannt war. Ich beschloss einfach in Richtung Innenstadt zu laufen, das war auf jeden Fall richtig. Ein Scheinwerfer blendete mich, als ich an eine Kreuzung kam. Es waren sonst kaum Autos unterwegs in diesen Quartierstrassen. Der Wagen hielt plötzlich neben mir, und gerade als die Scheibe runterging, fiel mir auf, dass ich den schwarzen BMW allzu gut kannte. "Ray! What are you doing here? Could it be… Did you come to visit me??"
"Sorry to disappoint you Harper, but I was just out for a walk."
"In this weather? And without any Jacket? Look at you, you're soaked! You're going to catch a cold."
"I'll be fine. I'm heading home now."
"Your apartment is pretty far away, if I recall correctly. I could take you there."
"No tha-"
Genau in diesem Moment donnerte es ohrenbetäubend laut und es begann so sehr zu schütten, dass ich das Gefühl hatte Hagel zu spüren. Harper rief durch den Lärm des Regenprasselns "hop in!", und ich beschloss spontan, dass es vielleicht nach doch keiner so schlechten Idee klang. Tropfnass kletterte ich in den BMW und entschuldigte mich wieder einmal dafür, den Sitz zu ruinieren. Harper zog seine Jacke aus und legte sie zwischen mich und den Sitz, über meine Schultern. "Perfect", stellte er zufrieden fest. Ich schenkte ihm ein augenrollendes Lächeln und schnallte mich an. "Do you mind if we just quickly drop by my place? I bought some popsicles that need to go into the fridge..." "No problem...?", versicherte ich, skeptisch stirnrunzelnd. Während der kurzen Fahrt erzählte er mir, dass er immer besonders Lust auf Eis bekam, wenn es draussen stürmte. Ich wunderte mich kaum noch darüber, immerhin war ich mir noch viel Seltsameres von ihm gewohnt. Und als er mir kurz darauf ein Eis anbot, musste ich zugeben, dass es gar nicht so verkehrt war. "There is one advantage to eating popsicles in cold weather, I guess. They don't melt as fast." "Exactly. But no one else seems to understand!" Wir sassen auf Harpers Terrasse, mit Blick auf den beleuchteten Pool und den perfekt geschnittenen Rasen. "So", fragte ich, während ich das Eis schleckte, "you're one of those guys who spend all saturday mowing?"
"Nah. I told you I don’t like mowers. Besides, I don't have time for that. I have a robot." Er deutete auf eine Stelle an der Hauswand, wo ein Rasenmäh-Roboter parkiert war. Ich schlug mir symbolisch gegen die Stirn. "Of course. I could have figured."
"Wouldn't you like to have a garden?"
"Not really. It would be nice for Rask, but other than that it is just additional work", antwortete ich ehrlich. "The pool looks nice, though", fügte ich an.
"You can use it if you like."
"In this wheather?", lachte ich kopfschüttelnd.
"Why not? You go for a walk without any Jacket in this weather, too. Might as well get yourself soaked this way."
"Okay, you got me. But honestly, it's a little cold."
"The pool can be heated", meinte Harper schulterzuckend. Ich starrte mit leerem Blick geradezu durch ihn hindurch. Natürlich hat er eine Heizung, was sonst. Ich überlegte es mir tatsächlich für einen winzigen Augenblick, verwarf die Versuchung dann aber entschieden. Stattdessen stand ich auf und schlenderte, das Eis noch immer in der Hand, durch Harpers Wohnzimmer. Es war modern eingerichtet, etwas leer und kalt für meinen Geschmack, aber sicherlich stilvoll. Nur etwas fehlte, was sonst in praktisch jedem Haushalt zu finden war. "Don't you have a TV?"
"No.", antwortete Harper sofort. "I don't like to watch TV. I prefer to choose only what I want to watch, on my Computer."
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. Die Küche, die ans Wohnzimmer angrenzte, war ebenfalls tadellos aufgeräumt. Sogar die Früchte in der Fruchtschale waren nach Farben geordnet. Offenbar ass Harper oft Früchte, denn die Schale war voll mit verschiedensten Sorten. Er war mir gefolgt und bemerkte offenbar meinen belustigten Blick, denn er verteidigte sich. "I like to make fruit-salad. It's the only dessert - other than popsicles - that I eat." Ich schmunzelte und bemerkte "sounds like a healthy lifestyle." Von meinem Eis war inzwischen nur noch der Stängel übrig, also sah ich ihn erwartungsvoll an, woraufhin er die Autoschlüssel holte. "Right. Let's leave."
Als der BMW durch den Regen davonfuhr, drehte ich mich auf der Türmatte des Wohnblocks nochmal um und sah ihm hinterher. Schon witzig, wie wir uns immer begegnen, wenn ich alleine im Regen stehe, seufzte ich innerlich. Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Für den Moment fühlte sich mein Kopf leer an, und Müdigkeit überwältigte mich. Ich schleppte mich die Treppe hoch und möglichst leise, um meine Mitbewohnerinnen nicht zu stören, unter die warme Dusche; dann kroch ich direkt unter die Bettdecke. Es war eine lange Woche gewesen.
Zwei Tage später, um beinahe dieselbe Uhrzeit, stand ich wie gewohnt in der Stallgasse in Pineforest bei Blacky. Ich verräumte den Fake-Braunen gerade, nach unserer Spätnachmittags-Spielrunde. Harper war zu Besuch - er und ich hatten gerade eine Meinungsverschiedenheit bezüglich der noch immer anhaltenden Schutzmassnahmen gegen das Virus, das die Welt und besonders die Wirtschaft noch immer durcheinanderbrachte. Ich war der Ansicht, dass das Theater übertrieben und so langsam durchgekaut war. Er hingegen fand, dass man weiterhin strikt bleiben müsse. Mein Smartphone unterbrach uns mit einer unbekannten Nummer. Harper trat geduldig einen Schritt zurück und verschränkte die Arme. Ich nahm zögerlich ab. Unbekannte Nummern verhiessen meiner Erfahrung nach selten etwas Gutes. "Hello?"
"Ms Hayes? I am calling from the hospital in London. I am afraid we have sad news for you. I am sorry to report that you mother Elisa passed away about an hour ago."
Vom Regen in die Traufe kommen. Ich atmete gequält aus und liess mich an die Boxenwand hinter mir sacken. Harper machte eine bestürzte Geste, als wollte er mich auffangen, zog sich dann aber wieder zurück, als er sah dass ich stand. Ich biss die Zähne zusammen - war ja klar, dass das passiert..., schoss mir durch den Kopf, mein Hals fühlte sich zugeschnürt an. Harper beobachtete mich besorgt und sah mir dabei vermutlich zum ersten Mal seit ich ihn kannte freiwillig direkt in die Augen. Ich wünschte er hätte es nicht getan, denn die füllten sich gerade mit Salzwasser, als der Typ am Smartphone die weiteren Details durchgab. Normalerweise hätte ich gefasst reagiert, um später Zuhause alleine zu trauern. Aber der Stress der vergangenen Tage und das Überraschungsmoment dieser niederschmetternden Nachricht reichten, um mich in die Knie zu zwingen. Ich hörte kaum, was die Stimme am Telefon sagte, nur irgendwas von Lungenentzündung und geschwächtem Immunsystem. Mein einziger Gedanke war, warum gerade jetzt? Augenblicke später wandelte sich die Frage zu warum erst jetzt? Und ich stiess, etwas wütender als beabsichtigt, "why have I not been contacted earlier?" hervor.
"A friend of your mother’s found her, already in a very bad condition. That person did not know your contact information. We had to do some research first." Sobald der Anruf beendet war, versuchte ich mich zu sammeln. Harpers überforderter Gesichtsausdruck kam in mein Blickfeld. Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, murmelte er vorsichtig "is there anything I can do for you?" Offenbar hatte er genug mitgehört. Ich seufzte laut und biss die Zähne erneut zusammen, um mein letztes Bisschen Sarkasmus auszupacken. "Thank you, but for today I will tragically sob myself to sleep - alone." Harper wandte den Blick betreten zu Boden und half mir, Blacky in seine Box zu schaffen. Danach war mein einziges Ziel der Parkplatz, um so rasch wie möglich Nachhause zu entkommen. Harper rief meinen Namen, bevor ich einsteigen konnte. "Are you sure you are alright? I could drive you home if you..."
"No."
Ich hielt inne, dann seufzte ich - eine Entschuldigung war angebracht. "I'm sorry, thank you for caring, but I'll be okay. I just need some time..."
"Call me if you need anything. I might not be good at communicating with people, but grief is an emotion even I can recognise. My mother taught me this-" Er machte unsicher einen Schritt auf mich zu und öffnete einladend die Arme. Ich sah ihn stirnrunzelnd an, dann liess ich mich darauf ein. Er hielt mich, etwas zaghaft und steif, aber tröstend. Ich konnte nicht anders, als ihn leise zu necken. "What became of social distancing?"
"I am sure I would have the disease by now anyway, since you keep ignoring the rules and safety distances."
"You're going to blame it on me?"
"Only if I die."
"You're not gonna care when you're dead, you big dummy."
"True."
Ich lächelte zart, und murmelte kaum hörbar "...Don't die, though."
Harper zog den Kopf zurück. "Hmm?"
"Nothing."
"What did you say? I couldn't hear it."
"Should clean your ears more frequently, huh."
"I have excellent hearing abilities and clean ears. But you mumbled, it's unfair!"
Ich zuckte mit den Schultern und verabschiedete mich definitiv. Er sah trotzig aus, als wollte er es nicht dabei belassen, gab dann aber vernünftigerweise auf und wandte sich ab. Für einen Moment hatte ich dank ihm tatsächlich alles vergessen und einfach nur zufrieden geatmet. Nun, da ich mich ins Auto setzte, holte mich aber alles langsam wieder ein. Ich fuhr auf direktestem Weg zur Wohnung und stellte ernüchtert fest, dass Kathy zuhause war. Aus dem einsamen in-Selbstmitleid-Schwelgen wurde also nichts. Stattdessen holte ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte mich vor den Fernseher, um mich abzulenken. Ich wollte ihn einschalten, stellte aber enttäuscht fest, dass er schwarz blieb. Die kleine rote Diode beim Bildschirm leuchtete, also waren die Kabel intakt. Ich sah mir die Fernbedienung genauer an. Mir kam der Gedanke, dass die Batterie leer sein könnte. Ich betrachtete die Schrauben beim Batteriefach und holte einen passenden Torx-Schraubenzieher aus meiner Werkzeugbox - nur um kurz darauf zu fluchen. "Crap! I thought I'd never have to endure this again! It's the nightmare of every mechanic!" Kathy kam näher und runzelte die Stirn. "A broken torx..."
"Ughh, the struggle is real."
Irgendwie schaffte ich es, die Schraube mit einer Pinzette zu lösen - das kostete mich ganze zehn Minuten vollster Konzentration, aber wenigstens war ich dadurch abgelenkt. Endlich konnte ich die Batterie tauschen und siehe da, der Fernseher ging wieder. Den Deckel klebte ich nur mit einem Stück Tape fest. "Hey, is that Audrey Hepburn?" Kathy setzte sich zu mir und lauschte interessiert der Doku; ich tat es ihr gleich. In der Werbepause fragte sie nebenbei "how was your day?" Ich zuckte mit den Schultern und nahm einen grossen Schluck aus der Flasche. Sie sah mich an und hob die Augenbrauen. "That bad?" Ich schnaubte und überlegte, wie ich es ihr am besten erzählen sollte. Ich entschied mich für die kurze Variante. "My mom died." Kathys Gesicht nahm einen "oh-shit"-Ausdruck an. Sie suchte nach Worten um ihr Beileid auszudrücken. Ich bedankte mich und presste die Lippen zu einer schmalen Linie, den glasigen Blick auf den Fernseher fokussiert. Kathy stand nach einer Weile verkorksten Schweigens wieder auf, mit der Bemerkung "if you need anything, just tell me...", und verschwand auf den Balkon. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen. Die Situation war mehr als unangenehm. Kurz darauf lehnte sie sich jedoch wieder rein und rief "Ray, come out and look at this." Ich erhob mich und schlurfte zu ihr, lustlos. Der Anblick der sich mir bot, liess den hartnäckigen Kloss in meinem Hals erneut anschwellen: Sonderbares, rosarotes Licht fiel auf die Hausdächer und Bäume. Der Himmel war durchzogen von tiefblauen Wolken auf einem etwas helleren Hintergrund, dazwischen mischten sich kitschig pinke Bänder - bei genauerem Hinsehen war es ein verschwommener Regenbogen am Horizont, der beinahe aussah wie ein Nordlicht. Im vorderen Bereich erkannte man noch schwach die Abstufungen der verschiedenen Farben. Ich hatte so etwas unglaublich Schönes noch nie zuvor gesehen, auch wenn es nicht meine erste Dämmerung war. Es schien so unwirklich, als hätte jemand einen Filter über einen Kinofilm gelegt. Ich stand einfach nur da und prägte mir das Bild ein, bis meine Sicht wieder verschwamm und ich mehrfach blinzeln musste, um überhaupt noch etwas zu sehen. Kathy legte ihren Arm um meine Schulter - etwas, was sie vorher noch nie getan hatte.
Ich brauchte einige Tage, um wieder ganz ich selbst zu sein. Bei der Arbeit verzichtete ich auf den üblichen Small Talk, und ich legte mich jeweils früh ins Bett. Das hiess zwar nicht, dass ich mehr schlief als sonst, aber ich hatte einfach keine Lust, etwas Produktives zu tun. Nach Mums bescheidener kleiner Beerdigung fühlte ich mich etwas besser. Es gelang mir nun immerhin zu akzeptieren, dass sie weg war. Harper nahm Rücksicht auf meine Verfassung und beteuerte, dass ich es mit Blacky ruhig angehen solle. Mir war aber nach dem Gegenteil zumute; ich wollte schneller galoppieren als je zuvor und verhielt mich allgemein etwas draufgängerisch. Collins sah darin nichts Verkehrtes. Er stoppte jeweils mit einem zufriedenen Nicken die Uhr. Er war eben erfolgsorientiert und hinterfragte nichts, was unsere Leistung nicht reduzierte. Blacky schien andererseits auf mein Gemüt zu reagieren. Er quengelte mehr als zuvor, schüttelte ungeduldig den Kopf wenn ich ihn zurückhielt und wirkte manchmal mürrisch. Auf der Bahn war er ein richtiges Biest; bei einem Rennen in Liverpool hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, ihn nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Er machte den Hals steif und reagierte weder auf Zurufen, noch auf Zügelparaden. Wir gewannen mit fünf Längen, aber mich beunruhigte das Verhalten des Hengstes. Auch Collins war diesmal nicht so euphorisch und wetterte über meine fehlende Einwirkung und Blackys wütenden Seitensprung, der wie ein misslungenes Manöver ausgesehen haben musste. Ich versuchte ihm zu erklären, dass der Hengst im Moment schwierig zu lenken sei, aber er wollte davon nichts wissen.
Wir fuhren nach Black Powder Wars Einsatz nicht sofort nachhause, weil wir im Anschluss an das letzte Rennen des Tages ein Interview für eine Rennzeitung geben mussten. Sie wollten uns über unsere Pläne für die nächste Saison ausfragen. Harper und ich vertrieben uns die Zeit mit - wie könnte es anders sein - Wetten. Nur zum Spass, anfangs jedenfalls.
"I say the black one, 'Fearcrow'. He is nicely built and clearly has airs - I like that", schlug ich herausfordernd vor.
"No, I don't think so. Scarlet Sea has a better shoulder. And his Jockey is Francis Bettori - you know."
"Let's see. If the black one wins, I get a bonus for August."
"You want to play it that way. Alright. Then if I win, you have to accompany me to dinner with some Japanese investors, Tuesday night."
"You won’t ever give up on that, will you? I don't speak Japanese, though. There's no use in bringing me along."
"Doesn't matter, I'll do the talking. You just sit there and keep me company."
Ich lächelte überlegen. "Well, I guess I got nothing to lose. After all, I will win the bet."
Der Speaker verkündete das berüchtigte "...and they're off." Wir sahen gespannt zu, wobei mein Blick zwischendurch kurz zu Harper wanderte. Ich wusste nicht so recht, was er sich davon versprach, mich mit zu einem Investorenessen zu nehmen. Herauszufinden brauchte ich es nicht; er verlor die Wette selbstverständlich. "Unfair. It's your job to look out for promising horses. Of course you'd win." Ich streckte die Zunge raus. “Told ya.” Er blieb unbeeindruckt, wirkte aber dennoch ein klein wenig eingeschnappt.
"Just you wait. I'll get it right next time."
"I'll tell the horses to consider and respect your pick."
Er verschränkte die Arme. "You're making fun of me again. Think I can't spot a winner like you do?"
"Do fools fool? No. They get fooled."
"They also fool around though."
"Don't even try, Ryan. You know that I always win."
„At least you also win for me.“
Belustigt machte ich mich auf den Weg, um beim Transporter nach Blacky und Collins zu sehen, Harper folgte mit etwas Abstand. Collins sass wie üblich im Schatten des Anhängers, ein Magazin lesend. Er sah nicht mal auf, als wir uns vor ihm aufstellten.
"Still pissed?"
"You've embarrassed me in front of all the other high-class trainers. Of course I'm pissed."
"I'll get us some coffee, maybe that will brighten your mood. You're not yourself without your caffeine."
"Feel free."
"You want some coffee too Harper?"
"I'll come along."
Wenig später schlenderten wir mit dem begehrten Gebräu in den Händen zwischen den Ställen hindurch abermals in Richtung Transporter zurück. "Uh oh, Jimmy is here today as well", stellte ich fest, als ich den Hengst „Apollo Nine“ im Vorbeigehen erkannte. Harpers Miene verdüsterte sich augenblicklich. Ich seufzte augenrollend und lief zügig weiter, aber Jimmy kam in diesem Moment hinter einem Wagen hervor und rief meinen Namen. Ich stoppte und wandte mich ihm zu - etwas zu abrupt für Harper, der mit dem Kaffee an mir vorbeistolperte und dabei einen Teil über meinen Ärmel schüttete. Erschrocken, weil der Inhalt des Bechers auch noch heiss war, fluchte ich und sah Harper entrüsteter als gewollt an. "Everything alright?", fragte Jimmy. "Yeah. But I need to go and wash this out, before my silks get stained." Ich machte eine Handbewegung zum Abschied und verschwand im nächstbesten Gebäude, um einen Wasserhahn aufzusuchen. Harper wartete draussen auf mich, mit betretenem Ausdruck; wie bei einem Hund, der gerade gerügt worden war.
"I'm sorry..."
"Nice to meet you, Sorry. I'm Ray."
"I'm trying to be serious!"
Ich gluckste amüsiert. "I thought you were Sorry?"
"Now you're making me mad."
"Do you now have schizophrenia, too?"
"Fine, have it your way."
Er war kurz davor, wütend davonzustolzieren. "Ryan! It's okay. I forgave you already. It didn't even leave a mark, see?" Ich zeigte ihm den Ärmel und lächelte beschwichtigend. "Besides", fügte ich hinzu, "it was a nice excuse to avoid Jimmy, wasn't it." Ich meinte ein wenig Verlegenheit in seiner Reaktion zu erkennen. Wir beendeten unsere Mission, indem wir Collins seinen Kaffee endlich überbrachten. "Hey, it is half empty! And cold as well!", motzte er, aber wir lachten nur.
Im Anschluss an das Interview brachten wir Blacky nachhause und trafen uns anschliessend seit langem wiedermal mit Maddie und ein paar von Collins' Trainerkollegen in einem Pub, um den heutigen Sieg zu feiern. Das war vollkommen okay, weil wir die maximale Personenanzahl nicht überschritten und uns im Vorfeld beim Pub Inhaber angekündigt hatten. Harper musste ich wie immer regelrecht mitzerren - er war kein Fan von öffentlichen Saufgelagen, woran er mich immer wieder erinnerte. Ich musste ihm versprechen, dass es nicht ausarten würde; was ich unter Vorbehalt tat. Die übrigen hatten nämlich etwas andere Pläne: es endete damit, dass jeder eine Runde ausgeben und jeweils eine Ansprache dazu halten musste. Maddie sprach in ihrer Runde: "To the remarkably soft mud in Ascot - may it treat my bones gently in the future as well", in Anlehung an ihren kürzlichen Sturz bei einem Qualifikationsrennen, im Regen. Ich hob mein Glas wenig später. "May the next funeral I'll have to attend be my own." Harper und die anderen sahen mich entgeistert an. Ich blinzelte amüsiert in die Runde. "No, no - don't get me wrong. I merely wished a long and healthy life to all of you!" Erleichtertes Seufzen erklang und wir lachten herzhaft.
Ein Unglück kommt leider selten allein. Und bei mir schien es eine ganze Horde mitgebracht zu haben. Es passierte knapp einen Monat nach dem Tod meiner Mutter, an einem sonnigen Samstagmorgen. Es lag eine Spur von Herbst in der Luft, und eigentlich hätte ich den Vormittag gerne mit einem ausgiebigen Spaziergang mit Rask abgeschlossen. Der Rüde, der sonst kaum zu bremsen war, lag jedoch apathisch auf dem Teppich und hechelte. Besorgt sah ich ihn mir genauer an, denn etwas stimmte definitiv nicht. "What is it boy? Don't you dare die on me, too", murmelte ich. Zur Sicherheit versuchte ich bei ihm Fieber zu messen, aber seine Temperatur schien normal. Dennoch beschloss ich, ihn zum Tierarzt zu bringen - möglichst bald. Ich rief an, um einen Termin zu vereinbaren. Jedoch war erst für den Nächsten Tag etwas frei, es sei denn... "If it is an emergency, of course well find a way." Notfälle kosten aber mehr..., erinnerte ich mich zögerlich. Ich sah Rask stirnrunzelnd an, dann beschloss ich: "Nah, it's alright. Tomorrow morning is fine." Wir setzten den Termin auf elf Uhr und ich bedankte mich. Ganz so schlimm sah es ja nicht aus. Ich bot Rask frisches Wasser an und kochte ihm Reis mit Hühnchen, weil ich gehört hatte, das sei gut für kranke Hunde. Gegen den späteren Nachmittag ging es ihm etwas besser, sodass ich ruhigen Gewissens Arbeiten ging und ihn in Kathys Obhut liess. Auch am Abend wirkte er noch schlapp, aber er hechelte kaum mehr. Als ich jedoch am nächsten Morgen erwachte, lag er eingerollt auf seiner Decke - der Körper kalt und leblos. Meine Hände zitterten erschrocken. Kathy kam aus ihrem Zimmer, sah mich vor der Decke knien und zeigte bereits zum zweiten Mal ihr „oh-shit“ Gesicht. Ich fühlte mich richtig elend. Hätte ich ihn doch nur als Notfall angemeldet, dachte ich verbittert. Es brauchte all meine Überwindung seiner Besitzerin anzurufen und ihr die schlechte Nachricht zu überbringen. Ich war danach so frustriert, dass ich den ganzen Morgen beim Reiten kaum ein Wort herausbrachte. Zum Glück kam Harper heute nicht zu Blacky und ich hatte meine Ruhe. Nach dem Training, das grottenschlecht verlief und meine Stimmung auch nicht besserte, traf ich mich mit Maddie zum Mittagessen. Wir hatten das schon vor einer Weile geplant, deshalb konnte ich es schlecht absagen. Insbesondere weil Maddie so hartnäckig war und sich ohnehin nicht abwimmeln liesse. In letzter Zeit hatten wir uns nicht mehr so oft gesehen, deshalb bestand sie besonders auf diese kleinen Treffen. Wir sassen die meiste Zeit schweigend da, weil ich zu gedankenversunken war, um ein anständiges Gespräch zu führen. Auf einmal murrte sie "are we gonna talk about it?"
Ich sah sie müde an. "Is it that obvious?"
"As if you tried to hide it."
"I don't want to talk. It’s all pointless anyway."
"I heard it lately, in a song of this reeeally great band... Wait a second -... Ah, right. A nihilist porcupine. That's what you are."
Ich fragte entrüstet "and what is that supposed to mean?"
Sie antwortete gelassen. "It means that from time to time you should try to open up and tell someone like me about the things that bother you. I'm always here for you, and I never fail to annoy you with my problems. And you know what? It helps. Even if you roll your eyes, I still feel better afterwards."
Ungeduldig klopfte ich mit den Fingern auf den Tisch. "Well... You wanna know what bothers me? 'Kay. Here it comes. My father left my mom when I was nine years old. She was so desperate that she became whiny and sick, not really being a good mom at all. It was more like me being her mom at times. Oh, and by the way, she's dead now. My grades were bad, I was being bullied in school, and I had no one to talk to, so I never learned to talk. Everyone got his own little problems, right? No need to bother anyone with mine. Then I started working and moved out, and life was easy for a while. But after apprenticeship I made a quick shot and took the nearest job without thinking. It was too difficult for me, a total newbie, to handle. I was kicked out after less than a year and then had trouble finding a new one. I was fired again and again, nearly broke my ass while trying to ride a sick horse, my so called best friend wanted a relationship that I was not ready for, and when I rejected him he took revenge in a most undignified way - all just because I didn't want to sleep with him. Now even the dog that I promised to look after died - and finally I landed here, not knowing what to do anymore."
"Phew, sucks to be you."
"Yeah. You were right, I do feel a tiny bit better."
"And now? You're going to drown in self pity?"
"Nah. I still need to earn money, no time for too much sulking."
Sie klopfte mir beim Aufstehen auf die Schulter. "Some people have to go earn money right now. Goodbye little porcupine."
"Bye Miss Mad-Maddie. See you next week."
Ich war mittlerweile Experte darin, meinen Frust zu verdrängen. Abgesehen von Maddie, die telepathische Fähigkeiten zu haben schien, und den Leuten, denen ich es von Anfang an hatte berichten müssen, bemerkte gar niemand, dass Rask weg war. Erst zwei Wochen später, als Harper wiedermal im Stall vorbeikam und beiläufig nach dem Rüden fragte, erwähnte ich es. In dieser Nacht wälzte ich mich jedoch wieder hin und her, voller Reue. Das erneute aufgreifen des Themas hatte meine Strategie über den Haufen geworfen. Ich wusste allzu gut, dass ich dringend schlafen musste. Immerhin musste ich auch am nächsten Tag genau gleich arbeiten und fit sein. Aber irgendwie juckte es mich dauernd, und ein Gefühl von Einsamkeit überkam mich mehr und mehr, als ich durch mein Schlafzimmerfenster den aussergewöhnlich hellen Mond ansah. Ich seufzte und drehte mich weg, die Decke zusammenraffend. That's right. I'm just freaking lonely. I have no one. No one I can confide in, no one I can hug whenever I need a hug. I'm all on my own now.
Mein Kopf fühlte sich schwer an, ein einschnürender Schmerz meldete sich in meinem Hals, als sich auch wieder Erinnerungen an Mum in mein Gewissen drängten. Warum bloss hatte ich nicht mehr Zeit mit ihr verbracht, ihr mehr geholfen?
Aghh. It hurts. I need to stop this. Need to distract myself, anyhow.
Ich betrachtete die in blasses Licht getauchte Wand. Die unzähligen Knubbel des Rauputzes warfen kleine Schatten, wie eine Art Mondlandschaft. Eine Weile lag ich einfach nur da, mit den Fingern über die Oberfläche fahrend, fasziniert von der Sensibilität meiner Nervenenden.
I bet it would hurt a lot, if I'd punch against it.
Zunächst verwarf ich den Gendanken sofort wieder – das ist unsinnig und hilft mir auch nicht weiter. Aber der Schlaf liess weiterhin auf sich warten, und irgendwann hatte ich einfach genug. Nicht einmal heulen konnte ich, obwohl mir danach zumute war. Ich hielt meinen Blick starr auf die Wand gerichtet und versuchte, mir die Reaktion meiner Nervenzellen vorzustellen. Es fühlte sich in meiner Einbildung seltsam verlockend an. Ohne es vollkommen zu begreifen, hob ich zaghaft die linke Hand und streifte sie mit den Knöcheln voraus langsam der Wand entlang. Der Schmerz wurde real, meine Knöchel begannen leicht zu brennen.
Not enough. Barely felt that, and it's not gonna last.
Ohne allzu lange zu zögern, rieb ich erneut der Wand entlang, diesmal kräftiger. Ich spürte, wie meine Haut aufriss.
That's more like it. Nice and stinging. Treating one pain with another. The original pain, without definite source, cannot be erased; but this pain I can choose to feel, and it numbs the other.
Ich schlug abermals zu, diesmal schmerzte es so sehr, dass ich die Hand sofort schützend umklammerte. Ich spürte auch den Puls an der verwundeten Stelle stärker klopfen.
Enough. There's gonna be blood on the wall. It would be a pain to clean that.
Mein Knöchel wurde heiss. Im fahlen Licht beobachtete ich, wie er sich dunkel mit Blut färbte. Traurig lächelte ich.
I guess I want attention after all. Or I wouldn't make it so obvious for people to see. I am pathetic, one of those drama queens. I'm even ashamed of myself. What right do I have to be unhappy? There is so much suffering in this world. I have a roof over my head, food and a job. I should be grateful for all I have. Instead I'm pitying myself again. Whatever. No one else is going to give a damn. They're gonna ask "hey, how you doin'?" But the truth is, no one cares about the answer. They all got their own little problems. What a big show it is that we live in. Sometimes I'm not sure about the genre, though. Comedy? Seems like a sad joke most of the time at least. It stopped being funny an eternity ago. I'd like to wake up now. Or rather I'd like to sleep? I can't decide anymore. Eine Weile konzentrierte ich mich auf den Schmerz in meinem Knöchel. Bis er schwächer wurde, und ich endlich in den erlösenden Schlaf driftete.
Am nächsten Morgen war das erste, was ich fühlte, meine verletzte Hand. Bei Tageslicht sah ich, dass der Knöchel tatsächlich aufgeschürft war und geblutet hatte. Die Wunde war nicht besonders grossflächig, aber sie sah hässlich aus und war noch nicht verkrustet. Ich stand auf und schmierte vor dem Zähneputzen etwas Salbe drauf. Auf ein Pflaster verzichtete ich vorerst, in der Hoffnung, dass sich so schneller eine Kruste bilden würde. Meine Stimmung war auf einem konstanten Tiefpunkt angelangt und ich hatte Kopfschmerzen. Ich warf zwar eine Tablette ein, aber das half nur bedingt. Bei Blacky angekommen kam mir erleichtert in den Sinn, dass Harper wenigstens heute nicht schonwieder aufkreuzen würde, und Collins ja erfahrungsgemäss keine Fragen stellte. Aber kurz darauf, als ich den Fake-Braunen in der Stallgasse angebunden hatte, kam der Rennpferdebesitzer wider meiner Erwartung hereingeplatzt. "Sorry I ran a bit late. Traffic sucks at this hour."
„What in the world are you doing here? You already came yesterday.”
“I thought I’d come to cheer you up for a bit, considering what you told me about… You know.”
“That is not necessary.”
“Am I allowed to stay anyway? Otherwise I’d have to attend another meeting about that stupid virus…“
Ich summte nur ein halbbegeistertes "Mmhm". Er lehnte sich fröhlich an die Boxenwand und versuchte sich nichtsahnend in Smalltalk. "Soo... How was your evening yesterday?" Ich biss mir auf die Lippe. "As always."
"Like, good as always? Or bad as always? Come on, Ray. Details!"
Ich antwortete gereizt. "What would you care?"
Er wirkte unsicher. Es tat mir sofort leid, dass ich ihn so angeschnauzt hatte. Aber er machte es danach nicht besser, im Gegenteil.
"What happened to your hand? Did you get into a fight?"
Er sieht wirklich alles... Ich antwortete ungeduldig "kind of, I guess."
"What kind of answer is that? Was it a fight, or was it not? And with whom?"
"Just drop it, you don't care about it anyway. Let me go ahead and clean the freaking horse." Doch Harper blieb hartnäckig, wie ein Jagdhund, der eine Spur gewittert hatte. Er baute sich vor mir auf, mit ernstem Ausdruck. "What is wrong with you? I'm the one supposed to be complicated and awkward!"
Ich blaffte, "it's just none of your fuckin business!"
"Aha. So I should just overlook your clearly horrible mood and pretend that everything is fine?"
"Exactly."
"But you're obviously very pissed, and I can't help if I don't know the reason!"
"It does not matter to you! Just leave me alone!"
"Do you really mean that? Do you really wish to be alone?"
"..."
Ich schwieg verbittert. Insgeheim kannte ich die Antwort ja.
"I know what you're feeling. You think that no one else can understand. But just remember, if you don't say anything, no one is going to read your mind."
Es war ein mieser Trick, meine eigenen Worte gegen mich zu verwenden. Ich murmelte langsam. "...You won't give up, will you?"
"No. Not this time."
Ich sah mich kurz um. Es war gerade niemand ausser uns im Gebäude, alle Pfleger von Pineforest waren mit dem Vollbluttraining beschäftigt. Wenn mich jemand verstehen kann, dann er. Vielleicht hab ich am Ende auch irgendeine Form von Autismus, überlegte ich verbittert.
"Fine. I kind of... punched the wall."
"And what crime did the wall commit to receive such brute treatment?", wollte er stirnrunzelnd wissen.
"It just seemed comforting. It helped me focus. Did you ever feel like that before?"
"Focus on what?"
"On my freaking life! It made me feel my pulse!"
Harper durchbohrte mich gefasst. "So you lost your focus on living, because of... what?"
"Everything! I am a walking misery! Somehow karma keeps on punishing me for whatever reason. I am sick and tired of it! Sick and tired of failing all the damn time!"
"There is no such thing as karma. Everything that happens is pure coincidence. There are just things that you cannot influence."
"How very comforting. Thank you."
"... But if you just stick your head in the sand and blame the universe for your misfortune, nothing will ever change. You have to start taking care of the things you can influence and make sure they cannot go wrong."
"l already tried that countless times! Didn't work."
"Did you try hard enough? Be honest with yourself. Can you sincerely say that you gave everything for the goals you wanted to reach?"
"..."
"Don't be too harsh on yourself though. It is not in our nature to waste energy. We always try to find the most efficient way to achieve whatever it is we want to achieve. Sometimes it can work out. Other times it is just not enough, a mere miscalculation. But with every failure we learn to adapt our calculations and get a little bit closer to the final solution."
"I knew it, I'm doomed. I was always bad at maths”, scherzte ich trocken.
"It's all practise."
"Then what is your final solution?"
"Everyone has to find out by themselves. My own resolve is that I want to enjoy life while I can. That is my only goal. Interestingly, I only discovered that recently."
"You're a good talker. I almost start to feel better."
"I'm glad. I've visited a motivational-speech-workshop about a month ago, that seems to pay. It also means my social skills are improving."
Ich seufzte mit einem müden Lächeln, kopfschüttelnd. "I think your skills are already way beyond mine."
"I doubt it. I was thinking about giving you another hug, but I cannot decide about whether it is appropriate or not, considering you wanted me to leave you alone just moments ago."
Ich zögerte. "...A hug is fine."
Harper öffnete vorsichtig die Arme - schon etwas selbstbewusster als beim letzten Mal. Leise gab ich zu "a hug is exactly what I needed the most", und schloss die Augen. Nach ein paar Sekunden und einem ungeduldigen Scharren von Blacky wurde mir plötzlich bewusst, dass wir womöglich einen falschen Eindruck erwecken könnten. Mit einem peinlichen Gefühl löste ich mich aus der Umarmung und drehte mich zu dem Vierbeiner hinter mir um. "We'll just pretend that never happened. Alright? Alright." Harper protestierte "but-!", aber ich unterbrach ihn mit "don't "butt" in more than you have to, will ya" und begann, Blacky mit kräftigen, kreisenden Bewegungen zu striegeln. Harper stand kurz ratlos da, als verstünde er die Welt nicht mehr, dann schüttelte er den Kopf und ging nach draussen.
Veija gefällt das.
Du musst eingeloggt sein um ein Kommentar zu schreiben.