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[RS] Ein Schulprojekt mal anders!

Dieses Thema im Forum "Rollenspiele" wurde erstellt von vikulja, 21 Aug. 2011.

  1. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric
    Mit 17 hätte mich seinem rüde Art wahrscheinlich aus dem Konzept gebracht, aber ich war nicht mehr 17 und ich hatte auch nicht gerade erwartet, dass er mir freudestrahlend um den Hals fallen würde. Es waren nur zwei verdammte Wochen gewesen, die wir einander 'kennengelernt' hatten. "Oh, entschuldige vielmals diesen fatalen Fehler." Sarkasmus. Nicht unbedingt eine gute Basis für eine sowieso recht instabile Beziehung. Meine Therapeutin wäre sicher enttäuscht von mir. Andererseits immerhin besser als peinliches Schweigen auf beiden Seiten, oder etwa nicht? "Ich glaube nicht, dass das heute notwendig ist, aber ich würde mich auch nicht verweigern, sollte mich der Hofbesitzer um Hilfe bitten", entgegnete ich mit einem Lächeln, bevor ich seine Hand ergriff und erwiderte: "Ja, dank dir." Für einen kurzen Moment hielt ich seine Hand noch fest, bevor ich sie wieder losließ. Er hatte nicht gefragt, aber ich fühlte mich trotzdem verpflichtet mich zumindest zu entschuldigen. "Es tut mir leid, dass ich damals einfach verschwunden bin." Und komischerweise fühlte es sich befreiend an, diese Worte endlich ihm gegenüber zu sagen. Natürlich wusste ich, dass ich keine Wahl gehabt hatte. Stundenlange Therapiesitzungen hatten mir das immer wieder ins Gedächtnis gebracht und doch fühlte ich mich schuldig. "Es hatte nichts mit dem Projekt oder mit dir zu tun." Er hatte nicht gefragt, wo ich gewesen war und ich war mir auch nicht sicher, ob ihn das überhaupt interessierte. 10 Jahre waren eine verdammt lange Zeit und trotzdem fühlte es sich nicht so an, als hätte sich viel geändert. Abgesehen davon, dass ich nicht mehr wie ein treudoofes Hündchen hinter Alex her wuseln würde. Und ich war auch nicht mehr der kleine Junge, der zu schwach war, um sich gegen seinen Vater durchsetzen zu können. Ich hatte ihn seitdem 2 Mal getroffen, aber nicht das Verlangen gespürt die Beziehung wieder aufleben zu lassen. Wenn er sich zusammengerissen hätte, hätte dieses Projekt vielleicht wirklich dazu geführt, dass Alex und ich Freunde werden würden. Und ich hätte nicht überstürzt abhauen müssen. Aber ob der zehn Jahre ältere Alex und der zehn Jahre ältere Alaric noch Freunde werden konnten? Und ob Alex überhaupt Lust dazu hatte? Er hatte sich jedenfalls charakterlich kaum verändert, zumindest kam es mir so vor. Aber immerhin war er gekommen. Also bestand Hoffnung, dass er zumindest nicht ganz abgeneigt davon gewesen war, mich wiederzusehen. "Sollen wir einen kurzen Abstecher in den Stall machen?"
     
  2. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Fahrig zuckte ich mit den Schultern. Ich hatte keine Ahnung, wie ich auf Alarics Entschuldigung reagieren sollte, schon gar nicht auf die Schnelle. Am liebsten hätte ich auf einen großen "Pause"-Knopf gedrückt, den Zeitfluss gestoppt und in Ruhe darüber nachgedacht. In mich hineingehorcht, wie es mir mit seinen Worten ging. Dass sein Verschwinden damals nicht an mir gelegen hätte, sagte er. Aber woran sonst? Und: Wollte ich das wissen? Ja, dass Alaric mich hatte sitzen lassen, hatte den 17-jährigen Alex verletzt, auch wenn ich das vor ihm hier und jetzt nicht zugeben würde. Aber das war zehn Jahre her. Weshalb ich mich gerade mit einem leichten Sitnrunzeln vielmehr fragte, was es wohl über mich aussagte, dass ich offensichtlich immer noch nicht darüber hinweg war.
    Die Frage, ob wir in den Stall gehen wollten, ersparte es mir, antworten zu müssen, und ich sprang erleichtert auf diesen Themenwechsel an. "Ja, warum nicht." Gemeinsam liefen wir zu dem großen Gebäude. In all den Vorstellungen, die ich mir in den letzten Wochen von diesem Treffen heute gemacht hatte, hatten Snow White und Mercury ehrlich gesagt eine erstaunlich geringe Rolle gespielt, oder vielmehr: Gar keine. Ich hatte mich damals nicht sonderlich dafür interessiert, wie alt die Pferde waren, und dementsprechend keine Ahnung, ob sie jetzt überhaupt noch realistischerweise am Leben waren. Aber die weiße Stute stand, wenn mich meine Erinnerung nicht täuschte, sogar noch in der selben Box wie früher, und ich erkannte sie sofort. Was vielleicht auch ein kleines bisschen an dem Namensschild an der Tür lag. "Hey, Snow White." Mein Umgang mit Pferden war selbstverständlicher geworden, das hatte ich wohl Carmina zu verdanken. Ich strich der Stute über die Stirn und schob ihre Nase gelegentlich souverän weg, wenn sie an meinem Hemd schnobern wollte. "Dich gibt's also auch noch." An Alaric gewandt fragte ich: "Bist du nach dem Projekt noch weiter geritten?" Ihm hatte das zumindest damals deutlich mehr gelegen als mir.
     
  3. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric
    Es machte mir die Sache einfacher, dass es uns beiden irgendwie unangenehm zu sein schien über damals zu sprechen. Er schien erleichtert zu sein, dass ich vorgeschlagen hatte, in den Stall zu gehen und so folgte ich ihm. Sein Umgang mit den Pferden schien natürlicher zu sein und ich fragte mich, ob er weiterhin geritten war, nachdem ich gegangen war. Er hatte offenbar die gleiche Frage gehabt und stellte sie auch, nachdem er ein wenig die weiße Stute gestreichelt hatte. "Nicht direkt anschließend", erwiderte ich, "aber ich habe nach ein paar Jahren wieder angefangen. Was ist mit dir? Hattest du anschließend noch Kontakt mit Pferden?" Es würde mich wundern, wenn es nicht so war, immerhin ging er tatsächlich anders mit Snow White um. Es konnte natürlich sein, dass das auch einfach daran lag, dass er erwachsener geworden war. Ich wusste es nicht, aber er würde es mir vermutlich sagen.
     
  4. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Ich nickte fahrig, als Alaric berichtete, er habe nach ein paar Jahren wieder mit dem Reiten angefangen. Das war gut für ihn, sehr gut. Schon während des Projekts war er immerhin derjenige gewesen, dem viel mehr an den Tieren lag. Hätte er stattdessen gesagt, dass er nie wieder auf einem Pferd gesessen hatte, dass er es sich ohne die Bezuschussung durch das Projekt nicht hatte leisten können - Ich weiß nicht, ob ich dann von Carmina hätte erzählen können, ohne, dass mein schlechtes Gewissen mich in Grund und Boden trampelte. Selbst so kam ich mir komisch vor: Na, klar, der stinkreiche Kerl, legte sich kurzerhand ein Pferd zu, einfach nur, weil er es konnte, und das, obwohl es ihm doch gar nicht wichtig war. Ich ließ von Snow White ab und kratzte mich am Haaransatz. "Das kommt jetzt wahrscheinlich überraschend, aber, naja, ich besitze inzwischen sogar ein Pferd", antwortete ich auf Alarics Gegenfrage. "Eine Holsteinerstute, sie ist jetzt 15 Jahre alt. Ich reite sie aber nicht besonders oft." Aha, das war sie dann wohl: Die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich hatte wahrscheinlich seit zwei vollen Jahren nicht mehr auf Carminas Rücken gesessen. Als Fünfjährige war sie viel zu feurig und zu schwierig für mich gewesen und ich hatte mich in jeder Reitstunde herumgequält. Damit sie nicht nur herumstand, sondern ihr Geld wieder einbrachte, hatten wir die Stute durch andere Reiter auf Turnieren vorstellen lassen, bei denen sie auch durchaus erfolgreich gewesen war, aber zusammengewachsen waren wir so natürlich nicht. Mittlerweile war Carmina sanfter geworden, aber für mein Empfinden war für mich der Zug des reiterlichen Erfolgs schlicht und ergreifend abgefahren.
     
  5. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric

    Es überraschte mich, dass er sogar ein eigenes Pferd besaß. Während des Projektes hatte er sich kaum für die Pferde interessiert. Sicher, er hatte es genossen zu reiten - das natürlich aber nie zugegeben - aber alles andere war ihm stets zu anstrengend gewesen. Als er dann aber meinte, dass er sie nicht besonders oft ritt, wurde ich dann doch neugierig. "Machst du denn sonst etwas mit ihr?" Es sollte nicht abwertend klingen und ich hoffte, dass es bei ihm nicht so ankam. Man musste ja nicht unbedingt reiten, um sich mit Pferden zu beschäftigen. Wobei ich mir weiterhin nicht vorstellen konnte, dass die Bindung zwischen Alex und einem Pferd größer werden könnte. Er hatte seinen Hund geliebt, das hatte ich in mehreren Situationen gesehen, aber für Snow White hatte er sich nur mäßig interessiert. Dennoch war ihm zu Gute zu halten, dass er immerhin regelmäßig erschienen war, obwohl er keinen Bock gehabt hatte. Ich war versucht ihn nach seinem Hund zu fragen, wusste aber nicht, ob das nicht Wunden aufreißen würde weshalb ich es unterließ. Ein Tier zu verlieren war stets belastend. Ich hatte mich mittlerweile zu ihm und Snow White begeben und streichelte die Stute sanft. Wie immer fühlte es sich gut an, mit diesen tollen Tieren in Kontakt zu sein. Mittlerweile arbeitete ich in einem Reitstall als Reitlehrer. Oftmals kamen meine Klienten dorthin und arbeiteten mit den Tieren. Es zeigte sich, dass sie eine positive Auswirkung auf die Jugendlichen hatten und auch meine Aggressionsprobleme hatte ich hauptsächlich durch meine Therapie und die Arbeit mit Pferden und den Jugendlichen überwunden. Es fühlte sich zwischen mir und Alex wieder so an, wie am ersten Tag. Es war schwierig ein Gespräch am Laufen zu halten. "Was machst du beruflich?" Ein wenig Smalltalk konnte nicht schaden befand ich.
     
  6. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Machst du denn sonst etwas mit ihr? Ein mildes Grinsen zuckte durch meinen rechten Mundwinkel. Vor zehn Jahren hätte mich eine solche Frage wahrscheinlich ziemlich im Stolz gekränkt und ich wäre sofort wütend darauf angesprungen, hätte bockig erklärt, dass ich ja wohl machen konnte, was ich wollte, und dass das niemanden etwas anging. Der kleine, aber feine Unterschied war, dass mein Selbstbewusstsein mittlerweile groß genug war, als dass ich mir all diese Worte auch wirklich selbst glaubte - ich musste mir nicht erst selbst dabei zuhören, wie ich sie aussprach. Ich hatte ein Pferd, weil ich es mir leisten konnte: Das war Grund genug. Und die Stute hatte ein gutes Leben, in dem es ihr an nichts mangelte. Wer mir erzählen wollte, dass ihr die Liebe ihres Besitzers zum Glücklichsein fehlte, hatte wirklich zu viel 'Wendy' gelesen. "Na, ich bezahle ihre Pension", erwiderte ich also leichthin. "Manchmal gehe ich auch auf die Turniere, auf denen sie vorgestellt wird. Als Besucher, versteht sich. Dann denke ich mir immer: Ich hätte mir einen Galopper anstatt eines Springpferdes anschaffen sollen. Da ist es doch noch üblicher, dass die Pferdebesitzer in feinen Klamotten auf der Tribüne Sekt trinken, während andere das Reiten übernehmen." Ein Hauch von 'Augenzwinkern' schwang in meinen Worten mit. Nicht, weil ich das, was ich sagte, nicht ernst meinte - denn das tat ich sehr wohl -, sondern weil ich mir ungefähr vorstellen konnte, wie versnobbt meine Gedankengänge auf jemanden wie Alaric wirken mochten.
    Snow White hatte sich von mir ab- und Alaric zugewandt. Ich schlenderte zur nächsten Box und spähte hinein, doch welches Pferd sich auch hinter dem Namen 'Cleopatra' auf dem Boxenschild verbergen mochte, es war gerade nicht da. Was ich beruflich machte, fragte Alaric. "Ich studiere BWL im Master." Und ich musste langsam wirklich mal die blöde Masterarbeit anmelden, sonst konnte ich mir den Abschluss bald abschminken. "Nebenbei arbeite ich als Junior Accountant in dem Unternehmen, in dem auch mein Vater tätig ist. Und du?" Auch, wenn so eine Gegenfrage oft recht plump wirken mochte - es interessierte mich wirklich, was aus Alaric geworden war.
     
  7. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric
    Es wunderte mich nicht, dass Alex eine derartige Antwort auf meine Frage hatte und vor zehn Jahren hätte ich vielleicht versucht ihm ins Gewissen zu reden und dass es doch ganz toll war, wenn man eine Verbindung zu seinem Tier aufbaute, aber ich hatte es nicht mehr nötig ihn vom Reitsport begeistern zu wollen und so schmunzelte ich nur und sagte:"Tja, das hättest du in Betracht ziehen sollen, bevor du dir ein Pferd anschaffst." Er antwortete mir und irgendwie wunderte mich auch diese Antwort nicht unbedingt. Wobei ich mich fragte, warum er ausgerechnet einen ähnlichen Weg wie sein Vater einschlug, obwohl er über diesen Mann immer nur geschimpft hatte, wenn er überhaupt mal über seinen Vater gesprochen hatte. Als er die Gegenfrage stellte, wendete ich mich ihm wieder zu und antwortete. "Ich bin Sozialarbeiter und habe vor ein paar Monaten eine Weiterbildung zum Anti-Agressivitäts-Trainer angefangen. Ich arbeite mit vernachlässigten Jugendlichen, die Gewalterfahrungen gemacht haben." Es mochte für ihn vielleicht kein rumreicher Job sein, aber ich war zufrieden damit. Ich verdiente genug Geld, um mir alles leisten zu können und ich konnte mit meiner Arbeit noch etwas für andere Jugendliche tun, die in ähnlichen oder schlimmeren Verhältnissen wie ich aufwuchsen. Die AAT-Weiterbildung hatte ich angefangen, weil ich gemerkt hatte, dass das Training bei mir angeschlagen hatte und ich es spannend fand, meine Fähigkeiten und Erfahrungen selbst einzubringen. "Wie gefällt dir dein Studium und die Arbeit in der Firma deines Vaters?" Es sollte nicht abwertend klingen und ich hoffte auch, dass er es nicht so auffasste. Es interessierte mich lediglich.
     
  8. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Nicht, dass ich bei der Anschaffung meiner Stute damals auch nur irgendein Mitspracherecht gehabt hätte, aber: "Wenn Carmina demnächst in Rente geht, kann ich das für das nächste Pferd ja in Betracht ziehen." Auch die dritte Box in dieser Reihe stand gerade leer. Erst in der vierten, an der ich entlangschlenderte, fand ich wieder ein Pferd vor - ein Friese, der laut Namensschild 'Nachtblume' hieß -, und sortierte dem großen Tier kurzerhand mit ein paar Handgriffen die volle Mähne ordentlich auf eine Seite des Halses. Es tat gut, meine Hände zu beschäftigen, denn ich hätte ehrlich gesagt nicht gewusst, was ich sonst mit anfangen sollte, außer, sie in den Hosentaschen zu vergraben. Auch meine Augen lagen für einen Moment ganz auf dem schwarzen Pferd, während ich Alaric zuhörte, der von seinem Job erzählte. Als wäre es keine große Sache, berichtete er von den vernachlässigten Jugendlichen, mit denen er arbeitete, und lenkte kaum zwei Atemzüge später das Thema nonchalant wieder auf mich, indem er fragte, wie es mir im Studium und im Beruf gefiel. Moment mal! "Es gefällt mir ganz gut, ich verdiene gut und ich... Hey, hör mal, das ist echt stark, was du machst, Alaric." Ich schob meine Brille einen unnötigen Millimeter an meinem Nasenrücken hinauf und ließ den Blick zögerlich zu Alaric wandern. Ich haderte mit mir. Sicherlich wusste der 'Kleine' sehr wohl, dass ich damals mitbekommen hatte, was in seiner Familie abging. Auch, wenn er lang versucht hatte, es geheim zu halten - So manche Blessuren waren einfach nicht zu übersehen gewesen. Und irgendwann, als wir uns mal außerhalb des Stalls über den Weg gelaufen waren, hatte Alaric mir gegenüber sogar gestanden, dass er das Spiel schon seit zwei oder drei Jahren mitmachen musste. Um ehrlich zu sein hatte er mich damit ziemlich überfordert, aber... Zwei oder drei Tage später wiederum war er sowieso nicht mehr aufgetaucht. Doch gehörte das hier und jetzt hin oder riss es nur alte Wunden auf? Ich holte Luft und entschied mich kurzerhand genau das zu sagen, was ich dachte: "Dass du zu der Person geworden bist, die du früher gebraucht hättest, meine ich." Puh, war das kitschig! Wo war eine vollbusige Frau, in der man sich verlieren konnte, wenn man sie gerade brauchte, um die eigene Männlichkeit wieder herzustellen? Draußen auf dem Hof, die Mädchen aus meiner ehemaligen Schule, ich könnte... Nachher, Alex, nachher.
     
  9. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric
    Ich hatte mich zu ihm umgedreht, während ich weiterhin Snow White kraulte, die sich über die Tür beugte und die Aufmerksamkeit sichtlich zu genießen schien und hob überrascht die Augenbrauen, als er meinte, dass er es stark findet, was ich mache. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich lächelte und sagte: "Danke." Es bedeutete mir viel, dass er sich nicht über meinen Beruf lustig machte, sondern es sogar gut zu finden schien. Dass du zu der Person geworden bist, die du früher gebraucht hättest. Seine Worte hallten in meinem Kopf nach und ich wusste, dass jetzt vielleicht der einzige Moment gekommen war, ihm zu sagen, wieso ich nicht mehr aufgetaucht war. "Wir sind ins Frauenhaus gegangen. Damals meine ich. Deshalb habe ich mich auch nicht mehr gemeldet. Niemand durfte wissen, wo wir sind." Jetzt war es raus und irgendwie fühlte es sich gut an. Irgendwie wollte ich, dass er wusste, dass ich nicht abgehauen war, weil ich keinen Bock mehr auf das Projekt oder ihn gehabt hatte. Aber das war noch nicht alles. Immerhin hatte er mich überhaupt erst dazu ermutigt, irgendetwas zu tun. "Ich weiß nicht, ob du dich noch erinnerst, aber nach unserem Gespräch damals hatte ich einfach die Schnauze voll. Ich wollte mir das nicht mehr gefallen lassen. Ich bin nach Hause gegangen und habe das erste Mal zurückgeschlagen." Ein verlegenes Grinsen auf meinen Lippen, eine kurze Pause machend. "Ich kam ins Krankenhaus und dort wurden meine Mutter und ich untersucht. Und naja, die Ausrede, dass wir gestürzt sind, hat nicht mehr getragen. Es ging dann alles sehr schnell." Ich sah ihn zum ersten Mal wieder direkt an. "Und ich danke dir dafür, dass du auf mich eingeredet hast. Das hat alles verändert."
     
  10. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Stumm hörte ich zu, als Alaric berichtete, was vor zehn Jahren geschehen war. Ja, das ergab mit einem Mal alles Sinn... Warum er so plötzlich nicht mehr aufgetaucht war, warum ich auch bei ihm zu Hause niemanden angetroffen hatte und warum er auch nach Ende des Projektes keinen Kontakt aufgenommen hatte. Naja, wobei letzteres auch einfach daran liegen konnte, dass er kein Interesse daran gehabt hatte, nach allem, was Alaric erlebt hatte, noch die Freundschaft zu einem Bonzen zu pflegen, den er kaum zwei Wochen kannte. Aber er war jetzt da und das wollte etwas heißen. Oder? "Du überschätzt die dahingesagten Worte eines Kindes", erwiderte ich schließlich auf seinen letzten Punkt hin. Alaric stellte es gerade so dar, als hätte ich ihm das Leben gerettet, und irgendwie war ich nicht recht bereit, mir diesen Schuh anzuziehen. Ich war selbst noch ein Junge gewesen, der noch dazu niemals zuvor mit Themen wie häuslicher Gewalt oder Armut konfrontiert worden war. Nicht, dass sich daran in der Zwischenzeit viel geändert hatte, außer, dass ich älter geworden war. "Aber ich bin froh, zu hören, dass die Sache damals gut ausgegangen ist." Ich hab mir nämlich echt Sorgen gemacht, Kleiner. Die Mähne des Friesen vor mir würde sich wahrscheinlich wochenlang nicht mehr bewegen, so sehr hatte ich sie in den letzten Minuten in fahrigen Gesten platt gedrückt. Allmählich wurde mir das Ganze hier irgendwie unangenehm und eine Spur zu intim. Ich war nicht so der Typ, der über Gefühle redete. Oder überhaupt welche hatte. Es war meine Rettung, als just in dem Moment der alte Stallbesitzer den Kopf zur Stalltür hineinstreckte: "Ihr Lieben, die ersten Steaks und Würstchen sind fertig!" Ich stieß den Atem aus. "Ich hab Hunger, wie steht's mit dir, Kleiner?" Kleiner. Naja. Das stimmte nicht mehr so ganz, aber alte Gewohnheiten starben wohl nie.
     
  11. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric

    Alex mochte es vielleicht nicht so sehen, aber er war der Grund dafür gewesen, dass ich mich zur Wehr gesetzt hatte. Nicht, dass er viel Ahnung von dem gehabt hätte, was man in solchen Situationen tun sollte, aber er hatte etwas in mir wachgerüttelt, ob er das glauben wollte oder nicht. Ich für meinen Teil fühlte mich jedenfalls besser, dass ich ihm nun endlich mitgeteilt hatte, wieso ich einfach verschwunden war. Als der Stallbesitzer den Kopf zur Tür reinsteckte und uns mitteilte, dass wir zum Essen kommen konnten, schien er erleichtert zu sein, der Situation entkommen zu können. Kleiner. Ich nickte und folgte ihm. "Weißt du, ich will ja nicht kleinlich sein, aber ich glaube ich bin jetzt größer als du. Meinst du nicht, dass der Spitzname nicht mehr ganz so passend ist?" Ich musste mir ein zufriedenes Lächeln wirklich verkneifen. Wenn ich ihm schon in Wortgewandtheit nichts vormachen konnte, dann wenigstens die kleine Genugtuung, dass ich jetzt größer war als er. Ein kindisches Verhalten, wirklich, aber ich konnte einfach nicht anders. Alex weckte einen Teil in mir, den nur wenige zu sehen bekamen. Wir traten aus dem Stall und gesellten uns zu den anderen Anwesenden. Außer uns hatte kaum jemand Interesse daran gezeigt, die Pferde wieder zu sehen. Der Stallbesitzer drückte mir ein Brötchen in die Hand. "Steak oder Würstchen?" Ich überlegte und entschied mich dann für ein Steak. Ich war jetzt groß und kräftig und da passte viel rein.
     
  12. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Alaric uns größer als ich? "Mit toupierten Haaren vielleicht." Ich streckte eine Hand aus, um ihn leicht gegen die Schulter zu Boxen, verfehlte, weil er gerade in dem Moment einen Schritt nach vorne machte, und beließ es dabei. War sowieso eine kindische Idee im Affekt gewesen. Ich bekam ebenfalls von dem Stallbesitzer ein Brötchen gereicht, auf dem wenig später ein Steak landete. Vorsicht biss ich ab, darauf bedacht, mein helles Hemd - Alabaster, wie ich Alaric so nett erklärt hatte - nicht vollzukleckern. Auch der ältere Mann fragte nach, was ich beruflich machte, und ich wiederholte brav meinen Satz, den ich eben im Stall Alaric gegenüber schon vorgetragen hatte, von Masterstudium und Nebenjob. Dinge, die sich auf dem kleinen Hof irgendwie sehr weit weg anfühlten. Die Sonne schien, ein paar Vögel zwitscherten und vielleicht waren wir ja gerade wirklich in der Zeit gereist, waren wieder 17, und mussten morgen die Schulbank drücken, nachdem wir gerade Snow White zusammen geputzt hatten. Ein kleiner Teil von mir wünschte, es wäre so. Aber nein, es blieb bei Anekdoten aus der Projektzeit, die die Anwesenden austauschten, bei "Wisst ihr noch, wie Beccy bei ihrem ersten Trab vom Pferd gefallen ist" und "Sam hat es nie hinbekommen, das Halfter zuzumachen". Die meisten hatten danach nie wieder mit Pferden zu tun gehabt, was ich irgendwie schade fand, obwohl ich selbst ja kaum besser war. "Deena", erklärte Corey Hafner, dieser schmierige Mittlerweile-Jura-Student gerade protzig, "ist nach Feierabend sowieso immer lieber Alex geritten als einen Gaul, ist es nicht so, Alex?" Ich zuckte mit den Schultern, trank einen großen Schluck Cola, um nicht antworten zu müssen. Wow, soeben war mit der Appetit vergangen.
     
  13. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric
    "Wenn du meinst." Ich war mir ziemlich sicher, dass ich größer war und das reichte mir vollkommen aus. Die anderen tauschten ihre Erfahrungen vom Projekt aus, ich und Alex trugen beide eher nichts dazu bei, da für uns beide das Projekt nur zwei Wochen gedauert hatte. Als einer der Kerle meinte, dass eins der Mädchen sowieso lieber Alex geritten sei, spürte ich einen leichten Stich im Herzen. Alex Reaktion ließ viel Raum für Interpretation. Er antwortete nur mit einem Schulterzucken und trank dann etwas. Zu meinem Glück hatte ich das Steak bereits verzehrt, ansonsten wäre mir der Appetit gerade gründlich vergangen. Nun immerhin hatte ich hiermit meine Antwort auf die Frage nach seiner Se.xualität, oder nicht? Es war sowieso total bescheuert, dass ich mir zehn Jahre lang Hoffnungen gemacht und mir jedwede Beziehung verbaut hatte, wegen einem Jungen, den ich zwei Wochen gekannt hatte. Therapeutisch mehr als nur fragwürdig, wenn ihr mich fragt. Der Stallbesitzer klopfte mir auf die Schulter und fragte: "Und du, mein Junge? Wohin hat es dich verschlagen?" Ich erzählte kurz, was ich jetzt machte und dass ich immer noch mit Pferden zu tun hatte, wenn auch weiterhin nur in meiner Freizeit. Es war gut, dass er mich von dem ganzen Alex und Deena-Thema ablenkte und ich vertiefte mich für eine Weile in das Gespräch mit dem alten Mann.
     
  14. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Wenn man präzise sein wollte, hatte ich tatsächlich erst ein paar Monate nach Ende des Projekts etwas mit Deena gehabt, aber so genau, nunja, wollte es wohl gerade niemand wissen. Du meine Güte, ein Mann hatte seine Bedürfnisse, die durfte man ja wohl noch stillen. Letztendlich war es sowieso nur eine kurze, belanglose Sache gewesen - so wie alle meine Beziehungen. Ich warf einen kurzen Blick zu Alaric, der sich schon eine Weile nicht mehr in das Gespräch - das zugegebenermaßen soeben ziemlich an Niveau verloren hatte - eingebracht hatte. Aber er hatte sich ein paar Schritte entfernt und schien in eine Konversation mit dem Stallbesitzer vertieft. Schön. Wir mussten ja auch wirklich nicht den ganzen Nachmittag zusammen herumhängen, richtig? Immerhin hatte ich im Vorfeld nicht einmal gewusst, ob mein ehemaliger Projektpartner hier sein würde, und mich trotzdem entschlossen, zu dem Fest zu kommen. Ich ließ den Blick schweifen. Während Alaric und ich im Stall gewesen waren, waren noch ein paar Leute dazugestoßen. Ich erkannte bei Weitem nicht alle wieder, vor allem nicht die Jungs und Mädchen von der anderen Schule. Und die, die ich kannte - wie Corey Hafner - waren mir irgendwie nicht mehr alle so sympathisch wie damals. Oh, Gott, ob ich auch so wirkte? So überzogen selbstdarstellerisch und arrogant? Becky Junes berührte mich leicht am Arm, fragte, ob ich mitkommen würde, eine Runde über den Hof zu schlendern. Wieder gingen meine Augen zu Alaric. Ich wollte ihn fragen, ob er mitkam, aber... aber warum sollte er das wollen? Schon hatte die Blondine ihre Hand in meine geschoben, zog mich langsam weg. "Wohnst du eigentlich noch in der Gegend? Wir können uns ja mal wieder treffen..." Okay, überzeugt.
     
  15. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric
    Als ich mich das nächste Mal nach Alex umdrehte, war er verschwunden und ich war mir nicht sicher, ob ich enttäuscht oder erleichtert sein sollte. Gerade war es vielleicht sogar ganz angenehm, wenn ich nicht ständig seiner überschäumend guten Laune ausgesetzt war. So vertiefte ich mich wieder in das Gespräch mit dem Stallbesitzer, bevor ich nochmal in das Geschehen mit den anderen Projektteilnehmern 'stürzte'. Viele von ihnen erkannte ich nicht (wieder). Einige kannte ich wahrscheinlich aber auch einfach nicht. Meine alten Klassenkameraden waren mir größtenteils bekannt und natürlich kam irgendwann das Gespräch auf mein plötzliches Verschwinden. Während ich Alex gegenüber sehr ehrlich gewesen war, hielt ich mich hier eher bedeckte und sagte etwas von persönlichen Problemen und Tapetenwechsel. Unangenehm waren mir die Fragen schon, aber ich konnte sie auch verstehen.
     
  16. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Kaum waren wir hinter dem Stallgebäude und außer Sichtweite, konnte Becky kaum noch ihre Finger von mir lassen. Halbherzig schob ich ihre Hände von meiner Brust und spürte dafür im nächsten Moment ihre Lippen an meinem Wangenknochen. "Doch nicht hier, Becky...", murmelte ich, erhielt ein kokettes Lachen als Antwort: "Warum, hast du etwa Angst, gesehen zu werden? Wir sind erwachsene Menschen und keine Teenies mehr!"
    "Du hast nicht mal gefragt, ob ich in einer Beziehung bin."
    "Bist du?"
    "Nein."
    "Das habe ich mir gedacht."
    Und schon schlangen sich ihre Arme wieder um meinen Oberkörper. Unsicher sah ich mich um. Ich wollte gerade wirklich absolut nicht gesehen werden, nein, noch vielmehr, ich wollte gar nicht, dass das hier gerade wirklich passierte. Auf eine verquere Art fand ich das selbst überraschend, denn der Witz an der Sache war: Ich war absolut der Typ dafür, auf irgendeiner Feier heimlich mit einem Mädchen rumzumachen. Aber hier und jetzt... Was, wenn jemand... Was, wenn Alaric vorbeikommen würde..? "Hey, Becky, gib mir deine Nummer. Dann rufe ich dich an und wir holen das irgendwo nach, wo es bequemer ist als in einem Misthaufen, ja?" Umständlich zog ich mein Smartphone aus der Hosentasche und zum Glück funktionierte die Taktik, denn die junge Frau löste ihre Finger von mir, um stattdessen ihre Telefonnummer einzutippen. Fahrig richtete ich mein Hemd, als mich zum zweiten Mal an diesem Tag die Ankündigung von etwas zu Essen aus einer unangenehmen Lage rettete: "Es gibt Kuchen!", rief irgendjemand über den Hof. Ich nahm mein Handy wieder an mich. "Los, lass uns zu den anderen gehen."
     
  17. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric
    Die Gespräche plätscherten so dahin und es war ziemlich schnell klar, dass sich seit der Schulzeit einiges verändert hatte und man sich fremd geworden war. Dennoch tauschten einige Nummern aus und versprachen sich mal wieder zu treffen. Aus eigener Erfahrung heraus konnte ich sagen, dass es wahrscheinlich bei den meisten nicht funktionieren würde. Ich selbst hielt mich in Sachen Telefonnummerherausgabe eher zurück. Zumindest auf diesem Fest hier. Während der Hofbesitzer und seine Frau das Kuchenbuffet aufbauten, trat ein ehemaliger Klassenkamerad auf mich zu. Er war schon damals offen schwul gewesen und ich hatte immer das leichte Gefühl gehabt, dass er wusste, wie es um meine Se.xualität bestellt war. Vielleicht war etwas dran am GayDar, wer wusste das schon? Ich für meinen Teil hatte jedenfalls, sollte es so etwas geben, ganz sicher einen sehr schlechten Radar. "Hi, Thomas, wie gehts dir? Was machst du gerade so?" Der aufgeweckte junge Mann begann mir gleich erstmal alles zu erzählen, was er so in den letzten zehn Jahren gemacht hatte und ich merkte recht schnell, dass er immer mal wieder versuchte mit mir zu flirten. Etwas, das ich nicht unterband, aber auch nicht förderte, in dem ich auf die Flirtversuche einging. Dennoch gelang es ihm irgendwie mir meine Nummer abzuluchsen und er schlug vor, dass man sich doch mal unverbindlich treffen konnte. "Klar, wieso nicht", hörte ich mich sagen und schon hatte ich meine Nummer bei ihm eingetippt. Wieso? Naja, weil ich just in diesem Moment Alex mit einem Mädchen um die Stallecke biegen sah und bei allem, was ich von dem jugendlichen Alex wusste, war er nicht gerade ein Kind von Traurigkeit gewesen. Eine kindische und völlig überzogene Reaktion, dann direkt dem erstbesten Typen meine Nummer zu geben. Vor allem, weil es Alex nicht jucken würde, wenn er tatsächlich heterose.xuell war. Es war jetzt jedenfalls zu spät und ich ging gemeinsam mit Thomas ans Kuchenbuffet und entschied mich für ein Stück Schokokuchen. Wenn schon sündigen, dann wenigstens richtig!
     
  18. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    Ein letztes Mal versuchte Becky sich bei mir unterzuhaken, doch ich musste leider genau in dem Moment meine Brille in die exakt gleiche Position zurechtrücken, in der sie bereits gewesen war, und entzog ihr so meinen Arm. Wie ärgerlich. Wie ein Hundewelpe dackelte - ha, ha - sie neben mir in Richtung des Kuchenbuffets und ich befürchtete schon, sie jetzt den Rest des Tages an der Backe kleben zu haben. Zum Glück jedoch wurde sie wenige Augenblicke später von einem anderen Mädchen angesprochen und wandte sich ab, nicht ohne mir noch einmal vielsagend zuzuzwinkern. Wie es der Zufall - und meine Fähigkeit, mich subtil vorzudrängeln - so wollte, fand ich mich hinter Alaric in der kleinen Schlange wieder. "Dass ich ausgerechnet auf einem Reiterhof den ganzen Tag nichts anderes tue als zu essen ist irgendwie ironisch", stellte ich, an niemand bestimmten gewandt, fest, und griff nach einem Stück Marmorkuchen.
     
  19. Samanta

    Samanta Leseratte

    Alaric
    Ich war gerade in ein Gespräch mit Thomas vertieft - genauer gesagt redete er auf mich ein und ich hörte zu - als Alex hinter uns auftauchte und dann meinte, dass er es ironisch fände, ausgerechnet auf einem Reiterhof permanent am Essen zu sein. "Wieso? Wolltest du etwa reiten?" Zweifelnd sah ich ihn an. Immerhin hatte er mir offenbart, dass er nicht mal sein eigenes Pferd ritt. Wie er den Kommentar aber sonst gemeint haben konnte, wusste ich nicht so ganz. Und ob überhaupt irgendeine Absicht oder Meinung dahinter gewesen war, war auch nicht so ganz klar. Thomas nahm sein Gespräch wieder auf und zog mich zu einem der Stehtische, um mit mir darüber zu diskutieren, dass es doch eine Unverschämtheit sei, dass LGBTQ+IA auch heute noch nicht die gleichen Rechte hatten. Insgeheim stimmte ich ihm da ja zu, aber ich war eher nicht der Typ Gay-Aktivist. Ich setzte mich lieber etwas weniger auffällig dafür ein. Vor allem da ich noch zu denen gehörte, denen das ganze Thema irgendwie unangenehm war. Nicht, dass ich mit meiner Se.xualität nicht klarkam, aber ich war niemand, der das einfach so in die Öffentlichkeit tragen würde.
     
  20. Leaenna

    Leaenna Killjoy

    Alex

    "Nein, das hatte ich heute nicht vor. Ich meine bloß, dass man eben normalerweise auf einem Reiterhof eher --" Wow, und schon hatte dieser komische Typ Alaric einfach geschnappt, weggezogen und unseren Dialog damit unterbrochen. Unhöflicher Blödmann. Ich wäre an dieser Stelle ja gerne zutiefst beleidigt gewesen, wenn ich nicht sowieso gerade ziemlich Unsinn zusammengeredet hätte und vermutlich froh sein musste, dass mir jemand die Worte abwürgte, noch bevor sie meinen Mund verließen. Du meine Güte. Im Geschäftsumfeld fiel mir Smalltalk nicht schwer, wenn ich mit Kunden über Autos, Pools und Anzugmarken plauderte, um sie nett zu beschäftigen, bis der Geschäftsführer aufkreuzte. Aber auf einem Reiterhof, während ich Kuchen von einer Serviette aß, sah die Sache irgendwie anders aus. Vorhin hatten Alaric und ich uns eigentlich noch ganz gut unterhalten, jetzt schien er aber sowieso die Anwesenheit von diesem Typen und seinem LBG... LTQB... LQB... was-auch-immer-Gerede vorzuziehen. Warum hatte ich Becky nochmal abgewimmelt? Gerade dürfte sie sich gerne wieder an meinen Arm oder gleich an meine Lippen hängen. Nonchalant gesellte ich mich zu Alaric und seinem neuen Freund an den Stehtisch und aß still meinen Kuchen. Ich verstand sowieso nicht viel von dem, was der fremde junge Mann erzählte - eine wirkliche Konversation konnte man das nicht nennen -, weil er ständig mit irgendwelchen mir fremden Begriffen um sich warf. Bis er plötzlich zu realisieren schien, dass sich seine Zuhörerschaft um eine Person erweitert hatte, und sich an mich wandte: "Oder wie denkst du darüber?" Ich schluckte den Bissen kuchen herunter und wischte mir ein paar Krümel von der Brust. Ähm, wie dachte ich denn darüber? "Klar, das ist... eine wichtige Sache." Womit wir also neben Armut und häuslicher Gewalt soeben bei einem dritten Thema des heutigen Tages angelang wären, mit dem ich mich in meinem Leben schlicht und ergreifend noch nie auseinandergesetzt hatte.
     

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