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Mohikanerin

// Sign of the Zodiac LDS [0]

a.d. Nachtschatten, v. ZM's Zanaro | _zw100

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// Sign of the Zodiac LDS [0]
Mohikanerin, 16 Okt. 2023
Sosox3, Stelli und Wolfszeit gefällt das.
    • Mohikanerin
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      kapitel fem | 25. Oktober 2021

      HMJ Divine // Freana von Hulshóf // Nathalie // Maskotka // El Pancho // Legolas// WHC’ Delicious Donut
      Satz des Pythagoras // Lu’lu’a // Rainbeth // HMJ Holy // Wunderkind // Fly me to the Moon // Sing of the Zodiac LDS // Glymur // Form follows Function LDS// Enigma// Einheitssprache


      Lina
      “Liiiinaaa, matkapuhelimesi soi, sammuta se (Liiiinaaa, dein Handy klingelt, mach es aus dem Ding)”, beschwerte sich Juliett, aus dem Bett heraus. Bis eben hatte sie eigentlich noch geschlafen oder zumindest so getan. Unmöglich konnte sie überhört haben, wie ich mal wieder gegen das Regal gelaufen war, das Teil stand da aber auch blöd. Zu allem Überfluss war auch noch eines der Bücher herausgepurzelt und laut polternd auf meinem Fuß gelandet. Das alles nur, weil ich meine Schwester noch schlafen lassen wollte und somit das Licht ausließ.
      “Tee se itse, tiedät miten tekniikan ihmeet toimivat (Mach es halt selbst aus, du weißt doch wie die Wunder der Technik funktionieren)”, rief ich während ich konzentriert mein Lid strich zu ende zog. Er saß heute ausnahmsweise perfekt, das konnte nur Gutes für den heutigen Tag bedeuten. Anhand der raschelnden Decken hörte ich, dass sie sich nun tatsächlich selbst um das klingelnde Handy kümmerte.
      “Se on Samu, pitäisikö minun vastata puhelimeen? (Es ist Samu, soll ich rangehen?)”, tönte es aus dem Nebenraum. Noch bevor ich die Chance hatte ihr zu antworten, hatte Juliett das Gespräch bereits angenommen: “Hyvää huomenta Samu. Valitettavasti siskoni on edelleen kiireinen, joten sinun on kestettävä minua nyt. Tunnetko vielä minut? (Wunderschönen guten Morgen Samu. Meine Schwester ist leider noch beschäftigt, weshalb du erst einmal mit mir vorliebnehmen musst. Kennst du mich noch?)” Meine Schwester klang erstaunlich wach dafür, dass sie noch keinen Kaffee gehabt hatte. Das war ja mal wieder typisch, die Neugierde siegte sogar über das Bedürfnis nach Kaffee.
      “Hei Juliett, kiva nähdä. Siitä on pitkä aika, kun viimeksi näimme. (Hallo Juliett, schön dich zu sehen. Es ist ganz schön lange her, dass wir uns das letzte Mal begegnet sind.)”, vernahm ich die warme Stimme meines besten Freundes durch den Türspalt.
      “Mitä et sano, mutta kuten näen, et ole juuri muuttunut, silti viehättävä poika tuolta ajalta. (Was du nicht sagst, aber wie ich sehe, hast du dich kaum verändert, immer noch der charmante Junge von damals)”, erklang Julis erfreute Stimme. Warte hatte ich gerade richtig gehört? Wie ich sehe? Ich hielt in der Bewegung inne, legte die Bürste beiseite und steckte irritiert den Kopf durch die Tür. Im Schneidersitz saß Juli auf dem Bett und hielt das Handy am ausgestreckten Arm vor sich. Offenbar führte sie ein Video-Call. Ungewöhnlich, ich hatte bisher noch nie einen Video-Call mit Samu geführt. Aber okay, zugegebenermaßen kam ich bisher auch nicht wirklich in die Not, dies zu tun, schließlich hatte ich jahrelang mit ihm auf demselben Hof gewohnt.
      “Kiitos. Mutta sinäkään et ole muuttunut paljoa. Oletko muuttanut Ruotsiin tai mitä teet sisaresi kanssa? (Danke. Du hast dich aber auch kaum verändert. Bist du jetzt auch nach Schweden ausgewandert oder was machst du bei deiner Schwester?)”, hörte ich Samu Antwort, bevor ich mich wieder dem widmete mich fertig zu machen. Dem weiteren Gespräch lausche ich nur mit halbem Ohr, denn sie tauschten sich lediglich über den Verlauf ihrer Leben seit der Schulzeit aus.
      “Samu, miten saan kunnian kuulla sinusta niin aikaisin? Eikö tämä aika ole varattu tyttöystävällesi? (Samu, wie komme ich in die Ehre schon so früh von dir zu hören? Ist dieser Zeitraum nicht für deine Freundin reserviert?), fragte ich mit einem verschmitzten Grinsen, als ich mich in das Gespräch einbrachte. Ein amüsiertes glucksen war aus dem Handy zu vernehmen. Irgendwie sah Samu überraschend ausgeruht aus dafür, dass es in Kanada jetzt ungefähr halb elf sein dürfte und er den ganzen Tag gearbeitet haben sollte. Irgendetwas kam mir auch an seinem Zimmer anders vor, wobei wirklich viel sah man nicht davon, denn er saß mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt auf seinem Bett.
      “Etkö ole ystävä? (Bist du etwa nicht meine Freundin?)”, fragte Samu, seine Augen funkelten pikaresk, was mich ein wenig zum Schmunzeln brachte.
      “Ei, ei siinä mielessä. Tietääkseni olen vain parisuhteessa (Nein, nicht in dem Sinne. Soweit ich weiß, führe ich nur eine Beziehung.)”, Samu lachte und auch meine Schwester und ich stimmten ein. Es fühlte sich ziemlich seltsam an, ihn so lange nicht gesehen zu haben und auch, dass ich nicht einfach ein Zimmer weitergehen konnte, um mit ihm zu reden. Seit der 7. Klasse hatte ich Samu immer um mich gehabt und nur selten war es vorgekommen, dass wir uns mal länger als ein oder zwei Wochen nicht sahen. Fast drei Wochen waren mittlerweile vergangen, seit ich Kanada verlassen hatte. Langsam gewöhnte ich mich an den Alltag hier auf dem Hof und bekam das Gefühl, als würde ich hier so langsam ankommen.
      “Parisuhteista puheen ollen, miten voit? Koska en ole juuri kuullut sinusta mitään, olet varmaan kunnossa? (Apropos Beziehung, wie läuft es so bei dir? Da ich kaum etwas von dir gehört habe, nehme ich mal an, es geht dir gut?)”, fragte der Finnen nun.
      “Tunnen oloni erinomaiseksi. Minulla on täällä ihania poneja hoidettavana. Esimerkiksi Lu on melko pieni paskiainen, melko siro ja varattu. Olemme pikkuhiljaa alkaneet ystävystyä, valitettavasti Betty ei ole vielä päässyt niin pitkälle. (Mit geht es hervorragend. Ich habe hier ein paar wunderbare Ponys, um die ich mich hier kümmern darf. Lu zum Beispiel ist ein hübscher kleiner Leuchtrappe ziemlich zierlich und zurückhaltend. So langsam beginnen wir uns allerdings Anzufreunden, Betty habe noch leider noch nicht so weit)”, begann ich von den Pferden zu erzählen, mit denen ich hier bisher gearbeitet hatte. Nicht nur von den beiden, sondern auch von Zoi, Flyma, Wunderkind und all den anderen mit denen ich bisher arbeiten durfte.
      “Tiedän nyt myös, kuinka terrorijuomari sai nimensä. Holy voi itse asiassa näyttää erittäin viattomalta, kun hän ei ole kyllästynyt. Hän on itse asiassa aika söpö, vaikka voi todella ajaa sinut hulluksi. Mutta eniten nautin tällä hetkellä smoothien kanssa työskentelystä, vain hevosen unelmasta. Täysin ymmärrettävää, miksi Niki välittää hänestä niin paljon, emotionaalisesta arvosta puhumattakaan. En luopuisi tuollaisesta hevosesta enää koskaan. (Ich weiß jetzt auch wie der Terrortinker zu seinem Namen kam, Holy kann tatsächlich sehr unschuldig aussehen, wenn sie nicht gerade Langeweile hat. Eigentlich ist sie schon ziemlich süß, kann einen aber echt in den Wahnsinn treiben. Aber am meisten Spaß macht mir momentan die Arbeit mit Smoothie, einfach ein Traum von Pferd. Vollkommen nachvollziehbar warum Niki so viel an ihr liegt, mal ganz abgesehen vom emotionalen Wert. So ein Pferd würde ich auch nie wieder hergeben.)”, begann ich Samu vorzuschwärmen.
      “Työskentelet smoothien kanssa, miten se tulee? (Du arbeitest mit Smoothie, wie kommt es dazu?)”, fragte Samu interessiert nach. Meine Schwester war mittlerweile auf der Suche nach ihrem Lebenselixier in der Küche verschwunden.
      “Niklasilla on uusi tamma, koska Smoothie jää eläkkeelle turnauksista Ahtosensa takia, ja hänet pitäisi peittää tänä vuonna, joten hänet on koulutettava. Koska Niklas ei voi hoitaa kahta hevosta, hän antoi Smoothien minulle. Sanoinko jo kuinka hieno tämä hevonen on? Äärettömän tarkkaavainen, halukas suorittamaan ja sitten myös niin huomaavainen. Toivon, että Ivy on jonain päivänä niin herkkä. (Niklas hat eine neue Stute, weil Smoothie wegen ihrer Arthrose in Turnierrente geht, außerdem soll sie noch dieses Jahr gedeckt werden, folglich muss sie abtrainiert werden. Weil Niklas es nicht schafft sich um zwei Pferde zu kümmern, hat er Smooth mir anvertraut. Sagte ich schon wie toll dieses Pferd ist? Unendlich Aufmerksam, Leistungsbereit und dann auch noch so Rücksichtsvoll. Ich wünsche mir, Ivy wird irgendwann auch mal so sensibel sein.)”, schwärmte ich weiter. Ich wusste zwar, dass der Hengst bei Samu gut aufgehoben war, aber mein Pferd fehlte mir. Ob Divine mich auch vermisste? Immerhin hatte sich für ihn nicht viel verändert, außer dass er seine Möhrchen nun von jemand anderem bekam.
      “Miten poni voi? (Wie geht es eigentlich meinem Pony?)”, frage ich Samu sehnlich.
      “Häneltä ei puutu mitään. Koko joukkue pilaa ponisi, erityisesti Aleen. Luulen, että hän saa uuden kampauksen joka päivä. Tänään se oli mielenkiintoinen rakenne vaaleanpunaisista jousista ja kukkien hiusleikkeistä. Luulen, että Ivy kaipaa sinua, hän odottaa aina portilla, kun haluan tuoda hänet sisään, mutta hän ei vihille minulle kuten aina kanssasi. Hän saa minulta vähintään yhtä paljon porkkanaa. (Ihm fehlt es an nichts. Das ganze Team verwöhnt Dein Pony, ganz besonders Aleen. Ich glaube, er bekommt jeden Tag eine neue Frisur. Heute war es ein interessantes Konstrukt aus pinken Schleifchen und Blütenhaarspangen. Ich glaube Ivy vermisst Dich aber, er wartet immer schon am Tor, wenn ich ihn reinholen möchte, aber mir wiehere er nicht entgegen, wie er das bei Dir immer getan hat. Dabei bekommt er mindestens genauso viele Möhrchen von mir.)” Samus Erzählung erwärmte mir das Herz. Das Luchys kleine Tochter Divine verwöhnte wunderte mich nicht. Schon als ich noch da gewesen war, hatte das kleine Mädchen mir gerne beim Putzen des Hengstes geholfen. Aus mir unbekannten Gründen war sie ganz vernarrt in den Freiberger. Sogar mehr, als in die Ponys in ihrer Größen Ordnung. Nicht mal Fraena, die wegen ihres plüschigen Fells immer sehr beliebt bei den Kindern war, hielt sie für interessanter.
      “Kiva kuulla. En malta odottaa, että näen hänet uudelleen. Ovatko muut suojaamani myös hyvin? Kuka niistä nyt huolehtii? Ja tuleeko Hazel ratsastuskoulun kanssa vai onko hän jo heittänyt kaiken kaaokseen? Ja miten muut voivat? (Das freut mich zu hören. Ich kann es jetzt schon kaum erwarten ihn wiederzusehen. Geht es meinen anderen Schützlingen auch gut? Wer kümmert sich jetzt um sie? Und kommt Hazel mit der Reitschule klar oder hat sie schon alles ins Chaos gestürzt? Und wie geht es den anderen?)”, erkundigte ich mich.
      Samu antwortete direkt: “Toisilla menee toistaiseksi hyvin, vaikka heillä kaikilla on nyt hieman enemmän työtä. Paitsi ... Jace, hän näyttää surevan sinua hieman kauemmin. Hazel ei ole vielä heittänyt kaikkea kaaokseen, mutta lapset tulevat takaisin vasta ensi viikolla, sitten nähdään toimiiko se. Myös suojelijasi voivat hyvin.
      Sheena huolehtii nyt Panchista, Fraena ja Nathalie huolehtivat Hazelista ja Jace ottaa Maskotkan haltuunsa. (Den anderen geht es soweit gut, auch wenn alle jetzt ein klein wenig mehr Arbeit haben. Außer … Jace, er scheint dir noch ein wenig nachzutrauern. Noch hat Hazel nicht alles ins Chaos gestürzt, aber die Kinder kommen je erst ab nächster Woche wieder, dann werden wir sehen, ob das klappt.
      Deinen Schützlingen geht es auch gut. Sheena kümmert sich jetzt um Panch, Fraena und Nathalie werden von Hazel umsorgt und Jace übernimmt Maskotka.)” Jace tat mir leid, ich hatte ihn nicht so verletzten wollen, aber ich konnte und wollte es nicht rückgängig machen. Bei Jace sprunghafter Art, würde es besser für mich sein, wenn wir getrennte Wege gehen. Irgendwann, hoffte ich, wird er schon wieder auf die Beine kommen. Um keine weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden, lenkte ich lieber das Thema auf etwas anderes: “Ja entä Legolas? Onko hän edelleen myyntilistalla? (Und was ist mit Legolas? Na ja, steht er immer noch auf der Verkaufsliste?)” Ich befürchte schon, dass der Hengst vielleicht bereits verkauft worden sein an irgend so einen schmierigen Händler oder irgendeine dieser verwöhnten Gören, die ihre Pferde nur als Prestigeobjekt betrachtet.
      Mit einem grinsen begann der Finne zu antworten: “Voin vain sanoa tästä, että minusta on nyt tullut myös hevosenomistaja. Heti kun oli vihdoin selvää, että sen piti mennä, koska munkin piti jäädä, en voinut olla ostamatta sitä ennen kuin siitä tulee jälleen haastekuppi. Se oli minulle erittäin kätevää, tiedätkö, että olen jo pitkään ajatellut osallistumista aktiivisiin turnauksiin. (Dazu kann ich nur sagen, ich bin jetzt auch unter die Pferdebesitzer gegangen. Sobald endgültig feststand, dass er gehen muss, weil Donut bleiben soll, konnte ich nicht anders als ihn zu kaufen, bevor er wieder zum Wanderpokal wird. Es kam mir sehr gelegen, du weißt ja, dass ich schon länger überlege wieder aktiver Turniere zu reiten.)”
      “Se on hienoa, toivoisin jotain sellaista kauniille. (Das ist toll, so etwas habe ich mir für den Hübschen gewünscht.)” Ich freute mich aufrichtig, dass Samu den Hengst gekauft hatte, würde nicht nur bedeuten, dass ihm ein schönes Leben garantiert war, sondern auch, dass ich den Rappen noch einmal wiedersehen würde.
      “Mutta nyt takaisin sinulle. Olet jo kertonut meille paljon uusista suojelijoistasi, mutta miten muuten käy? Tuletko hyvin toimeen uusien kollegoidesi kanssa? Miten menee poikaystäväsi kanssa? (Aber jetzt zurück zu dir. Du hast ja bereits einiges über deine neuen Schützlinge erzählt, aber wie läuft es sonst so? Kommst du gut mit deinen neuen Kollegen klar? Wie läuft es mit deinem Freund?)”, lenkte Samu das Thema zurück, zu dem was sich in meinem Umfeld tat. Auf einmal schaltete sich meine Schwester, die grinsend mit einer Kaffeetasse im Türrahmen stand, wieder in das Gespräch ein: “Minusta näytti viikonloppuna siltä, että hänen poikaystävänsä kanssa sujui aivan loistavasti. Vaikka olen edelleen hieman ymmälläni pikkusiskoni suhteen. En odottanut hänen valitsevan tuollaista miestä. (Also, für mich sah das am Wochenende aus, als würde es ganz wunderbar mit ihrem Freund laufen. Auch, wenn ich immer noch ein wenig verwundert über meine kleine Schwester bin. Dass sie sich so einen Kerl aussucht, hätte ich nicht erwartet.)”
      “Siskosi on täynnä yllätyksiä (Deine Schwester steckt nun mal voller Überraschungen)”, lachte Samu. Offenbar war er mit meiner Schwester einer Meinung.
      “Mitä sen nyt pitäisi tarkoittaa? (Was soll das denn jetzt heißen?)”, empörte ich mich über die beiden. Samu lachte nur weiter und dachte nicht einmal daran mir zu antworten.
      “Luulin, että pidit hyvistä pojista, kulta (Ich dachte eher du stehst auf die braven Jungs, Süße)”, amüsierte sich meine Schwester, bevor sie dem Kissen auswich, welches eine Sekunde später durch die Luft flog. Leider verfehlte das Flugobjekt Juli und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden.
      “Et myöskään tarvitse vihollisia kanssasi (Mit euch braucht man auch keine Feinde)”, murmelte ich. “Mutta takaisin kysymyksiisi. Kuten juuri kuulitte, Niklasin kanssa asiat sujuvat erittäin hyvin, enkä kadu päätöstäni millään tavalla! Tulen hyvin toimeen kollegojeni kanssa toistaiseksi, vain Vriskan kanssa on ollut vähän outoa toistaiseksi. Mutta olen varma, että tulee. Ohhh ja missä olemme Vriskassa ... vaikka en edes tiedä voinko kertoa sinulle ... (Aber zurück zu deinen Fragen. Wie du gerade schon hörtest, läuft es mit Niklas hervorragend und ich bereue meine Entscheidung in keiner Weise! Mit meinen Kollegen komme ich soweit ganz gut aus, nur mit Vriska ist es bisher ein wenig seltsam. Aber das wird sicher noch. Ohhh und wo wir bei Vriska sind... wobei ich weiß gar nicht, ob ich dir das erzählen darf…)” Am Ende hielt ich inne, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob Vriska wollte, dass gleich jeder wusste, dass sie mit Erik zusammen war.
      “Lina, hän ei repäise päätäsi loppujen lopuksi Samu on kuin päiväkirjasi. Voin vain sanoa tästä, että Amorilla oli hauskaa tänä viikonloppuna. (Lina, sie wird Dir schon nicht den Kopf abreißen, Samu ist schließlich so was wie dein Tagebuch. Ich kann dazu nur sagen Amor hatte dieses Wochenende seinen Spaß)”, amüsierte sich meine Schwester.
      “Okei, kerron nyt Vriska ... on nyt virallisesti Erikin kanssa. Olen iloinen molempien puolesta, molemmat näyttivät niin onnellisilta eilen. Todella hieno. (Also okay, dann sag ich es dir jetzt. Vriska...ist jetzt offiziell mit Erik zusammen. Ich freu mich für die beiden, sie sahen gestern beide so glücklich aus. Richtig toll.)”, rückte ich nun endlich mit der Sprache raus. Ich freute mich aufrichtig für die beiden, gerade nachdem mir vor Augen geführt wurde, wie sehr Vriska unter der Ungewissheit, ob sie Erik jemals wiedersehen wird, litt. Dennoch musste ich einräumen, dass ich mich auch ein wenig meiner selbst Willen freute: “Ja no ... se saattaa nyt tuntua hieman itsekkäältä, - mutta olen myös hieman helpottunut. Myönnän kyllä, olin huolissani ... Tiedätkö, mitä tapahtui hänen ja Niklasin välillä ja koska he kaksi tulivat jälleen oudosti hyvin viime aikoina ... No, sillä ei ole väliä, Vriksalla on varmasti hänen Erikinsä nyt. Minulla on Niki, kaikki kuten pitääkin. (Und naja, ... das wirkt jetzt vielleicht ein wenig selbstsüchtig, ... aber ich bin auch ein wenig erleichtert. Zugegebenen Maßen hatte ich mir Gedanken gemacht... Du weißt schon, wegen dem was zwischen ihr und Niklas lief und weil die beiden neulich wieder seltsam gut miteinander konnten... Naja egal, Vriska hat jetzt ganz sicher ihren Erik. Ich habe Niki, alles so wie es ein sollte.) Samu und ich quatschen noch einen Moment, vor allem über meine Beziehung, wobei ich mich echt zusammenreißen musste nicht ins Schwärmen zu geraten. Dieses Wochenende hatte mir Zuversicht und den nötigen Energieschub gegeben um hier in Schweden nun richtig durch zu starten. Meine Schwester stand noch immer mit ihrem Kaffee im Türrahmen, folgte dem Gespräch und grinste vergnügt vor sich hin.
      “Sinä Samu, minun täytyy erota nyt, muutama hevonen odottaa minua tallissa. Toivottavasti nähdään pian taas tosielämässä. Kerro minulle, kun tiedät, että tulet vihdoin tänne. Hyvää yötä nuku hyvin. Anna terveiset muille ja anna ponilleni huomenna ylimääräinen porkkana. (Du Samu, ich muss jetzt mal Schluss machen, da warten ein paar Pferdchen im Stall auf mich. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder so richtig in live. Sag mal Bescheid, wenn du weißt, dass du endlich hierherkommst. Gute Nacht, schlaf gut. Grüß die anderen von mir und gebe meinem Pony morgen ein extra Möhre von mir.)”, beendete ich das Gespräch, nach der Feststellung, dass es nun an der Zeit war an die Arbeit zu gehen.
      “Tottukaa teen. Pidä hauskaa töissä. (Klar, mach ich. Viel Spaß bei der Arbeit.)”, verabschiedete mein bester Freund sich, bevor ich auflegte.
      Gut gestimmt verließ ich die Wohnung und machte mich auf den Weg in den Stall.

      Vriska
      Einen freien Tag haben, hatte wirklich seine Vorteile, auch wenn es bedeutete, sich eine Beschäftigung zu suchen. Etwas zu tun, für das man sonst keine Zeit hatte. In meinem Fall war es Ausschlafen und Bilder bearbeiten, eventuell noch lernen für die praktische Prüfung und mit meinem Bruder endlich das Essen nachzuholen. Aber wo war er? Der kleine Palast, den ich zu gern mein Eigen nennen wollte, war still. Nur die Lüftung des Kühlschranks drang zu mir vor. Erholt stieg ich aus dem Bett, nachdem auch mein Handy keine Nachricht von ihm aufgewiesen hatte. Umso mehr hatte von Erik, aber ich musste erst einmal Harlen finden. Rufend lief ich durch das Häschen, aber auf 50 qm jemanden zu finden, sollte nur in diesem Fall schwierig werden. Erst bei der zweiten Runde laufen, fand ich einen Zettel neben der Kaffeemaschine – natürlich hinterließ er ihn dort.
      „Kleine Schwester, mache dir keine Sorgen. Ich werde in einige Tage zurück sein. Sollte etwas Dringendes sein, melde dich bei mir. Denk an unseren Deal, in Liebe, Harlen“, las ich seinen handgeschriebenen Zettel und atmete erleichtert aus. Selbst, dass ich nicht wusste, wo er genau war, konnte ich mir sicher sein, meinen Bruder bald wiederzusehen. Ich hängte die Erinnerung an den Kühlschrank, startete die Kaffeemaschine und zog mir in der Zeit etwas über. Was sollte ich anziehen? Die Lust Bilder zu bearbeiten verflog in der Winde, der Plan mit Harlen fiel ebenfalls flach, also blieb nur noch lernen übrig. Allerdings müsste ich noch zu Glymur fahren, denn er stand nun beinah eine Woche und wenigstens einen entspannten Ausritt sollten wir machen. Also griff nach reichlicher Überlegung doch nach einer Reithose, ich sollte mal wieder waschen. Es lag nur noch eine im Fach, der Rest türmte sich auf einem Haufen, der mal ein Wäschekorb war. Ich könnte anderenfalls auch mal wieder neue kaufe gehen, dass könnte ein Plan des Tages werden — Ausreiten, Shoppen und dann noch lernen. Während ich mein provisorisches Frühstück genoss, antwortete ich meinem Kerl, es fiel mir noch immer schwer den Gedanken zu fassen, dass er fest an meiner Seite war. Es wirkte mit Erik alles so unglaublich vertraut, obwohl ich wusste, dass sein Bruder durch die mir unbeschreibliche Situation einige meiner tiefsten Geheimnisse kannte. Doch ich konnte mir auf einer Art sicher sein, dass Niklas die Nachrichten an ihn weitergab. Viele der Texte, die ich schrieb, waren voll mit paradoxen Gefühlen, vor allem dem das ich Erik überhaupt nicht kannte. Aber unser erstes Treffen löste so viel in mir aus, für das ich keine Worte fand. Es war ein Gefühl von Freiheit und Entschlossenheit, gemischt mit dem Gedanken, dass es ohnehin nichts werden würde, weil wer war ich schon? Innerhalb kürzester Zeit entwickelte ich mich zu dem typischen Pferdemädchen, wie es im Buche stand. Ich nahm mir Zeit zum Lernen, aber verbrachte die meiste bei den Tieren. Sie halfen mir dabei, die Ereignisse in England hinter mir zu lassen, eine bessere Version von mir selbst zu werden. Dann, eines Tages, traf ich plötzlich diesen Typen, den ich als Charakter nur aus Filmen kannte und genauso lief es auch ab. Das schüchterne Außenseiter-Mädchen verliebt sich Hals über Kopf in den Aufreißer, der auch nur noch Augen für sie hatte. War Erik ein Aufreißer? Nicht einmal das wusste ich! Er hatte von einigen Bekanntschaften erzählt, aber nie welche Wichtigkeit sie für ihn darstellten. Jetzt jedoch war er alles und die Welt für mich, jemand, dem ich alles verzeihen würde. Ich möchte mit ihm alt werden.
      Langsam schielte ich zur Uhr, allmählich wurde es Zeit zum Hof zu fahren, bevor das Training der Kleinen begann und ich eventuell seltsame Begegnungen haben würde. Vom Schlüsselbrett nahm den Schlüssel, schnappte mir meine Tasche, die seit gefühlten Jahren nicht mehr mitnahm, und lief zum Auto. Die Haare trug ich offen, obwohl sie stets mich bei alltäglichen Aufgaben belästigten, aber ich wollte mich ausprobieren. Ausprobieren, wie ich mich wohlfühlen könnte, durch den Einfluss von Elementen meines jüngeren Ichs. Auf dem Hof herrschte ein normaler Montag, keine Gäste, keine Reitschüler oder Einsteller. Nur Folke sah ich mit dem Stapler Heu holen.
      Genau die gleiche Ruhe herrschte auf dem Gelände von Verein, obwohl ich schon auf dem Parkplatz den Porsche von Niklas betrachtete. Sollte er nicht arbeiten sein? Aber was wusste schon, ich war überhaupt nicht in der Stimmung dafür, einen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden, sondern tanze fröhlich an den Paddock vorbei, um aus dem Stall das Halfter meines Hengstes zu holen. Glymur hatte mich schon am Zaun begrüßt und Leckerli eingefordert, bevor ich überhaupt richtig da war. Aber natürlich bekam er eins.
      „Ich muss dir so viel erzählen“, lachte ich fröhlich. Aufmerksam spitze er die Ohren, als konnte er es gar nicht erwarten, was ich zu sagen hatte. Doch zunächst gab es einige aufmunternde Worte beim Putzen, dass ich an dem Tag deutlich ausgiebiger machte als sonst. In meinem Kopf summte noch immer die Melodie eines der Chartlieder aus dem Radio, die ich sonst mied. Dieser Einheitsbrei gefiel mir nicht, es brauchte Inhalt, eine rhythmische Melodie und eine schöne männliche Stimme, dennoch trällerte ich: „Turn up Baby, turn up, when I turn it on. You know how I get too lit when I turn it on.“
      Ich war so vertieft, gute Laune zu haben, dass ich nicht Niklas dazukommen hörte und für meinen Geschmack uns zu interessiert beobachtete. Erst als ich mich zur Putzkiste lehnte, sah ich ihn an einer Boxenwand stehen mit verschränkten Armen und einem breiten schelmischen Lächeln. Dabei stand auch Form, die vollkommen verschwitzt auf dem Gebiss kaute.
      “Weiß Vriska, dass du ihr Pony entführst?”, scherzte er.
      “Und du hast einen Clown gefrühstückt oder gelüstet es dir nach Aufmerksamkeit?”, lachte ich und legte den Sattel auf dem Rücken des Hengstes, der beinah auf der Stelle einschlief. Sanft strich ich mit meiner Hand über seinen Mähnenkamm, als Erinnerung, dass wir noch etwas vor uns hatten.
      “Dann sag mal, stimmen die Gerüchte?”, fragte Niklas nun ernster und reichte mir die Trense, die neben ihm hängte. Sah ich das richtig? Hatte er die schöne lange Mähne der Rappstute abgeschnitten? Ich hatte so viel Kraft in ihre Mähne gesteckt, da Tyrell auch immer die Schere in der Hand hielt. Aber jetzt geschah es, sie war ab und das nicht nur ein Stück. Form hatte nur noch wenige Fetzen am Hals und auch der Schopf musste leiden. Es schmerzte in der Seele, das Pferd so zu sehen, doch ich konnte nichts dagegen tun.
      “Was für Gerüchte? Wenn jetzt schon welche im Umlauf sind, kann es nur noch kreativer bei euch werden”, kam ich wieder auf das Gespräch zurück.
      “Da gibt es sogar direkt zwei. Einerseits, dass du direkt mit dem Neuen geschlafen hast und andererseits, dass das du jetzt mit dem seltsamen Typen aus Kanada zusammen bist, womit wohl nur Erik gemeint sein kann. Ich hoffe für dich, dass nur eins von beiden stimmt”, lächelte er. Seine Worte wirkten glaubhaft, als läge ihm etwas daran, was in meinem Leben ablief. Ich vertraute ihm und er mir.
      „Ja, zweiteres stimmt“, antwortete ich kurz, unsicher darüber, wie viel an die Öffentlichkeit kommen durfte.
      „Das beruhigt mich ein wenig, aber pass auf dich, ja?“ Wieso ihm das so nahe ging, konnte ich nicht nachvollziehen. Zustimmend nickte nur, holte meinen Helm und führte Glymur aus dem Stall. Aber Niklas schien sich nicht abwimmeln zu lassen und folgte mir mit seiner verschwitzten Stute. Als hielte ich einem Spiegel an mir, blieb er stehen, gurtete ebenfalls nach und war im Begriff aufzusteigen, aber Ausreiten wollte ich nicht mit ihm.
      „Es ist ja lieb, dass du mitkommen möchtest, aber ich schaffe das allein. Fahr lieber zu deiner Freundin“, wimmelte ich ihn ab und ritt schnellen Schrittes vom Hof. Er sah mir nur verwirrt nach, während er den Gurt wieder lockerte und zur Linken abbog in den Stall der großen.
      „Ich habe genug Männlichkeit bei mir, nicht wahr?“, flüsterte ich Glymur zu, der aufregt vorwärts trappelte. Ich bremste nicht, denn heute stand alles in seinem Zeichen. Er sollte noch einmal den Tag genießen, bevor morgen ein wichtiger Termin anstand.
      Im Wald schaffte ich es den Kopf freizubekommen, frei von ihm, dem, was alles passierte und redete mir alles von der Seele. Glymur spielte aktiv mit den Ohren, als versuchte er zu verstehen, was ich ihm erzählte. Mich störte es nicht, keine Antwort zu bekommen, so konnte auch niemand kritisieren, was ich tat oder dachte. Die Freiheit genoss ich in jedem Atemzug, mit jedem Wort, das ich sagte und auch jeder Fliege, die mir im Tölt ins Gesicht flog. Dass vermisste ich, die Unbeschwertheit ohne Konsequenz, ohne sich Gedanken zu machen, auszureiten mit dem einen Pferd, dass man vom Herzen liebte. Glymur wirkte genauso glücklich über die gemeinsame Zeit, dass wir erst nach geschlagenen drei Stunden zurückkamen. Mittlerweile wurden es mehr Leute auf dem Hof, sie huschten der einen Seite zur anderen, wie an einem Bahnhof wechselten sie von der Reithalle zu einem der Reitplätze und wieder zurück. Es war ein kleines Schauspiel mit allen Elementen, die es brauchte. Aus undefinierter Richtung rief jemand aufgebracht, von der anderen ertönte aufgeregter Hufschlag, während aus dem Stall um Ruhe gebeten wurde. Deswegen war ich nur selten am frühen Nachmittag bei ihm. Diese ganzen Menschen verunsicherten mich, ließen mich hinterfragen, was ich hier eigentlich zu suchen hatte und die neugierigen Blicke verdunkelten meine Gedankenwelt. Nichts, wie weg, musste ich, wodurch ich Glymur sein Futter in die Schale des Paddocks machte und das Sattelzeug am nächsten Tag putzen würde. Die meisten wichen mir aus, ohne ein Wort zu sagen. Was wollte ich eigentlich? Ich wusste es nicht genau.
      Doch genau im Augenblick des Zweifels tippte mich jemand an.
      „Vriska, richtig?“, sagte sie freundlich. Es war eine der Zwillinge, Tilda, wenn ich mich nicht irrte. Noch versunken in Gedanken nickte ich leicht.
      „Dein Ritt im Regen war der Hammer! Wirklich! Du musst unbedingt dranbleiben, dann wirst du mal richtig gut“, schwärmte sie verträumt und tänzelte auf der Stelle herum.
      „Danke, aber ich glaube, dass ich krank werde. Wurde danach echt kalt“, lächelte ich willkürlich und schon den Reißverschluss meiner Jacke ganz nach oben. Langsam wurde das Kratzen im Hals präsenter, denn restliche Tag sollte ich zu Hause verbringen, damit ich morgen für die Prüfung fit sei. Sie verabschiedete sich freundlich und verschwand mit einem Halfter in der Hand aus dem Aufenthaltsraum.
      Mit aller Ruhe fuhr ich zurück zum Gestüt. Die Straßen waren frei, aber viele Lkw überholte ich, ohne mir weitere Gedanken darüberzumachen. Als Beifahrer rätselte ich gerne, was sie wohl Geladen hätte und welche Abfahrt sie nehmen würden, aber am Steuer sollte es mich nicht ablenken. Zwei Kilometer vor meiner Ausfahrt reihte ich mich mit meiner Klapperkiste zwischen zwei der Kolosse ein und hoffte, dass nichts passieren würde. Ich fuhr nicht gerne Auto, weder Autobahn noch Landstraße, weswegen ich langsam ins Grübeln kam, wo wohl mein Bruder steckte. Seine Ortung hatte er abgeschaltet und wo er bei dem Turnier übernachtete, teilte er mir ebenfalls nicht mit. Hatte er eine nette Dame kennengelernt und verwöhnte sie nun? Wohl kaum, denn da wäre er in großer Freude ausgebrochen und hätte mir davon erzählt, schätze ich. Er wirkte so verschlossen, ich konnte nicht einmal ahnen, was in seinem Leben ablief, doch das würde ich noch früh genug erfahren.
      Erwartungsvoll kam Linas Schwester zu mir gelaufen, drückte mir eine weiße Tasse in die Hand, gefüllt mit schwarzer Flüssigkeit, die nach dem ersten Atemzug mit einem gerösteten Aroma in meiner Nase kitzelte. Wer mich so begrüßte, versuchte wohl einen guten Eindruck bei mir zu hinterlassen. Ich stieg aus meinem Auto, nahm die unnütze Handtasche heraus und folgte ihr zum Zimmer. Sie erzählte nur kurz, sehr ungenau, dass sie meine Hilfe bei etwas bräuchte und das umgehend geklärt werden müsste, da Lina gerade mit einem der Pferde unterwegs war. Folie begleitete sie bei einem Ausritt. Gespannt, wenn auch wortkarg, folgte ich.
      “Wir müssen nachher eine kleine Feier veranstalten”, freute sich Juliett, nach dem die Tür ins Schloss fiel hinter uns. Mit nach oben gezogenen Augenbrauen nickte ich langsam, denn ich verstand noch nicht so recht, wofür das notwendig sei an einem gewöhnlichen Montag zu feiern. Natürlich könnte man darauf trinken, dass eine neue Woche begann und man sich das Wochenende zurückwünschte, aber das konnte ich mir kaum vorstellen, dass Lina dafür der Typ war.
      “Verstehe, aber wieso?”, fragte ich.
      “Ganz einfach. Samu ist seit drei Tagen in Schweden, bei seiner Freundin. Er hat morgen Geburtstag und ich will den beiden eine Freude machen. Lina vermisst ihn so unglaublich und weil er morgen Geburtstag hat –“, ich unterbrach sie direkt. Geburtstage müssen gefeiert werden, da hatte Juliett vollkommen recht.
      “Stopp. Das reicht mir! Ich habe schon eine Idee. Wir werden den großen Konferenzraum vorbereiten, da wird Lina wohl kaum hereingehen heute noch. Tyrell sage ich Bescheid. Sollte sie fragen, was wir da machen, dann bereiten wir einen Lehrgang vor”, lachte ich nach einem kräftigen Schluck aus der warmen Tasse. Die Schmerzen in meinem Hals wurden erträglicher. Eigentlich wünschte ich mich in das kuschelige Bett mit einer Suppe, doch sie brauchte meine Hilfe, also zusammenreißen.
      “Einwandfrei”, tanzte sie vergnügt und sammelte einige Dinge zusammen. Interessiert sah ich mich im Raum um. Viel Dekoration hatte Lina noch nicht eingerichtet, es wirkte sehr provisorisch, als würde sie jeden Moment wieder abreisen wollten. Einige Erinnerungen hingen an der Wand mit den Leuten vom Whitehorse Creek und anderen, die ich nicht kannte. Die Möbel standen noch immer an ihrer ursprünglichen Position, auch die hässlichen gelben Bezüge waren auf dem Bett gespannt, obwohl sie schon lange die besseren hätte nehmen können aus dem Vorbereitungsraum. Ich sah weiter und bemerkte einen ziemlich großen Rahmen mit mehreren Bildern eines braunen kräftigen Pferdes, ohne Abzeichen. Auf dem einen schien sie als Kind dargestellt zu sein und eine Schleife hing ebenfalls dabei. Das musste Vijamis kleiner Altar sein, über den sie mir in Kanada erzählt hatte. Immer weiter vertiefte ich mich in den Rahmen, fühlte den Schmerz, wie zwanzig Messerstiche in den Magen. Kurz krampfte es in mir, als wollte etwas hinaus oder für immer in der Versenkung bleiben.
      “Auch, wenn Ivy wie ihr Seelenverwandter ist, kann er nicht den Schmerz heilen, den sie durch seinen Verlust erlitten hat”, sagte Juliett bedenklich und erwischte mich dabei, wie ich noch immer diese Erinnerung anstarrte, wie eine Schlange, die ihre Beute fing.
      “Kann nachvollziehen”, murmelte ich und wusste nicht, was es noch dazu sagen sollte.
      “Komm schon Trauerkloß, wir müssen den Raum vorbereiten”, tippte sie freundlich auf meine Schulter und zusammen liefen wir los, um alles aufzubauen, umzuräumen und bereitzustellen.
      Tyrell war einverstanden, dass wir den Raum brauchten, sofern wir ihn danach wieder reinigten. Also werkelten wir, was das Zeug hielt, viel Zeit verging und dabei entstanden lustige Gespräche. Sie interessierte sich sehr für die Pferde hier am Hof, war neugierig, wie es mit Fruity und mir weitergehen würde. Tatsächlich wusste ich das nicht einmal, obwohl der Spaß vom letzten Wochenende nicht von der Hand zu weisen war, dabei meinte ich keinesfalls nur Erik. Viel mehr das drumherum begeisterte mich, klar, die Konkurrenz war groß, aber mit den Jungs wirkte es so vertraut, als hätte man eine gemeinsame Reise vor sich und jeder konnte seinen Teil dazu beitragen. Vielleicht sollte ich an der Sache dranbleiben und eine Lösung dafür könnte sein, das Förderprogramm zu wechseln. Selbstverständlich liebte ich die Fellbälle von der Vulkaninsel, doch ich als ich das Gefühl von Anerkennung meiner Leistung durch den epochalen Jubel der Zuschauer, geschah es um mich. Durch das Gespräch darüber, festigte sich das Geschehen, es lag nun mehr als zwölf Stunden zurück und erst jetzt, verstand ich es. Der Traum wäre es, dass ich ihnen bewies, dass ein Isländer ebenfalls solche Leistungen erbringen kann, dafür scheiterte es jedoch am Pferd. Glymur verfügte über sehr viel Tölt und schien dafür nicht geeinigt, aber ihn wieder abzugeben, konnte ich nicht übers Herz bringen.
      Ich wollte mit jemanden sprechen, aber ich wusste nicht, wer mir bei diesem Problem helfen könnte. So blieb mir Ruhe bewahren und alles auf mich zukommen lassen. Tief durchatmen und weiter, aber das ging nicht. Ein Stechen breitete in meiner Lunge aus, das Kratzen im Hals wurde stärker und ununterbrochen begann ich zu husten, so stark, dass mir die Luft wegblieb und ich mich setzen musste. Ich konnte nicht krank werden! Morgen sollte ich auf dem Pferd sitzen, die wichtigste Prüfung meines Lebens reiten, um endlich den Beruf fertig zu haben. Wenn das Keuchen nicht verschwand, würden die Prüfer mich herausziehen und die Nachprüfung in vier Wochen an einem Samstag stand auf dem Plan. Niemals! Einerseits, um Tyrell nicht zu enttäuschen, andererseits, um endlich mehr Gehalt zu bekommen. Gehalt, mit dem ich mir ein Pferd selbst finanzieren, auch wenn ich noch keins hatte. Aber ein eigenes Pferd klang wirklich anders, als eins zur Verfügung zu bekommen.
      “Du solltest dich noch mal hinlegen, bevor das nachher anfängt. Lina werde ich im Schacht halten”, sagte Juliett und reichte mir ein Glas Wasser.

      Lina
      Stetig lief die braune Stute um mich herum. Mit ihrem aktiven Ohrenspiel zeigte sie mir, dass sie fokussiert war. Die Sonne stand bereits im Westen und ließ das Fell der Stute in einem hübschen Braunton schimmern. Ich ließ sie eine weitere Runde um mich herumtraben, bevor ich sie zu mir in die Mitte kommen ließ. Zögerlich folgte sie der Aufforderung und blieb einen knappen Meter vor mir stehen. Aufmerksam sah sie mich aus ihren blauen Augen an. Ich arbeitete heute zum dritten Mal mit der Stute. Die junge Stute war zwar aufmerksam, aber machte es einem nicht einfach zu ihr vorzudringen. Ich wand mich von der Stute ab, ging ein paar Schritte fort. Sie folgte ein Stück, blieb aber wieder ein wenig von mir entfernt. Dennoch entschloss ich mich die Einheit für heute zu beenden, sie war lang genug gewesen. Manchmal musste man wohl mit den kleinen Erfolgen leben, immerhin war die Stute heute schon ein Stückchen näher herangekommen, als das letzte Mal.
      “Ah, hier steckst du also”, ertönte die Stimme meiner Schwester hinter mir. Ich drehte mich zu ihr um. Sie kam gerade vom Stall herübergeschlendert.
      “Was glaubst du denn, ich habe immerhin auch noch anderes zu tun, außer den ganzen Tag zu schlafen”, scherzte ich. Juliett ging nicht näher darauf ein, sondern fragte neugierig: “Wer ist die hübsche Stute da?”
      “Eigentlich solltest du die kenne, mit ihr habe ich am Freitag doch schon gearbeitet. Es ist Enigma”, beantworte ich die Frage. Besagte Stute begann den Sand des Roundpens abzuschnüffeln und nach einer geeigneten Stelle zum Wälzen zu suchen.
      “Ahh, ich erinnere mich. Macht sie denn Fortschritte?”, erkundigte Juli sich nach dem Erfolg.
      “Ich sag nur, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, aber schließlich kann ja nicht jedes Pferd wie Ivy sein”, lächelte ich. Die braune hatte sich mittlerweile brummelnd fallen lassen und rolle genüsslich im Sand umher. Staub wirbelte auf und hüllte das Pferd in eine Wolke.
      “Wäre ja auch schlimm, wenn du mit jedem Pferd seelenverwandt wärst, du würdest die ja erst recht nie wieder hergeben. Bei dir habe ich ja jetzt schon das Gefühl, dass du die Hälfte der Pferde hier wieder behalten möchtest”, lachte meine Schwester.
      “Sogar ich würde irgendwann einsehen, dass eine gewisse Anzahl an Pferde reicht, ob du es glaubst oder nicht! Außerdem bin ich mir sicher, dass ich mir nicht mal eins von denen Leisten könnte” Meine Schwester übertrieb mal wieder maßlos. Sie hatte zwar recht, ich mochte die Pferde, mit denen ich hier arbeiten, aber es waren nun mal zum Großteil Traber. Die meisten Exemplare waren für meinen Geschmack zu viel Bein und zu wenig Pferd. Das Exemplar dieser Rasse im Round Pen rappelte sich gerade wieder auf und schüttelte sich den Sand aus dem Fell. Ich lief zum Tor, wo ich den Strick an das Tor gehängt hatte, um diesen zu holen. Ich sammelte die Stute ein und begleitet von meiner Schwester brachte ich sie zurück auf die Weide zu den anderen Stuten.
      “Lina, du hast Samu heute Morgen so von der Stute von deinem Freund geschwärmt, ich finde das könntest du jetzt mal zeigen. Am Freitag wart ihr zwei ja leider schon fertig, als ich kam”, schlug meine Schwester auf dem zurück zum Stall vor. Dieser Vorschlag kam mir ganz gelegen, da ich Smoothie ohnehin noch bewegen musste. Somit machten wir uns auf den Weg zu der Schimmelstute, die bereits sehnsüchtig am Zaun wartete. Die Stute wirkte bisweilen leider ein wenig unglücklich über ihren Umzug. Weniger über die Unterbringung an sich als viel mehr über die Tatsache, dass ihr geliebtes Herrchen nicht mehr jeden Tag auftauchte und auch mit der Stückweisen Kürzung ihres Trainingspensum war sie offenbar nicht so ganz einverstanden.
      “Na Süße, wartest du schon”, begrüßte ich die graue Stute. Freundlich senkte sie den Kopf und pustete mich an, bevor sie auch meine Schwester neugierig betrachtete.
      “Sie ist echt wunderschön und diese Augen … Himmlisch”, schwärmte meine Schwester und strich dem Pferd über den grauen Hals. Jedes Mal, wenn sie Smooth auf dem Hof sah, wiederholte sie ungefähr dasselbe. Auch wenn Smoothie natürlich wunderschön war, wunderte es mich nicht, dass meine Schwester so ein Fan von ihr war. Juliett hatte schon immer ein Faible für Pferde mit großen Kopfabzeichen.
      “Ja, da hast du recht, sie ist eine wahre Schönheit”, antworte ich meiner Schwester und zog dem Schimmel das Halfter über die großen Ohren.
      Im Stall begann ich damit das Fell der Stute zu putzen, sonderlich dreckig war sie allerdings nicht. Das Hufeauskratzen überließ ich meiner Schwester, während ich die Gamaschen und Glocken der Stute aus dem Putzkasten holte.
      Fertig gesattelt, schritt ich mit der langbeinigen Stute durch das Hallentor. Verlassen lag sie da und die Abendsonne malte geometrische Muster auf den hellen Sand. Während ich die Stute warm führte, zeigte ich Juliett den ein oder anderen kleinen Trick den Smoothie beherrschte und überließ auch ihr mal die Zügel.
      “So, sie sollte jetzt warm genug sein”, sagte ich meiner Schwester, nahm ihr die Zügel aus der Hand und legte sie der Stute über den Hals. Brav wartete Smoothie bis ich nach gegurtet hatte und aufgestiegen war. Etwas ungestüm, aber in hervorragender Selbsthaltung schritt die Standardbred Stute los. Bevor ich das Tempo erhöhte, ritt ich große gebogene Linien im Schritt. Smoothie war schon fast ein wenig übermotiviert dabei. Smoothie hatte heute einen außerordentlich guten Tag, denn sie lief nach dem Aufwärmen klar und flüssig in allen Gangarten und wurde im Galopp sogar äußeres flott. Hier und da waren auch die Lektionen nicht ganz sauber ausgeführt, weil es mir an Kraft fehlte, den Überschwung an Energie der Stute zu bändigen.
      “Schwebst du mit Divine eigentlich auch so durch die Gegend?”, rief Juliett von der Bande aus und riss mich aus meiner Konzentration. Smooth nutze diese Gelegenheit direkt aus und schoss in einem riesigen Satz nach vorn. Der plötzliche Geschwindigkeitswechsel traf mich so unvorbereitet, dass ich einen Steigbügel verlor. Impulsiv setzte ich mich tiefe in den Sattel und ließ die Stute laufen, nahm sie nur soweit zurück, dass sie durch die Ecken kam und wir nicht gleich zusammen in der Bande landeten. Nach einigen Runden wurde die Stute ruhiger und ließ sich, wenn auch nur ein wenig, wieder willig durch Parieren.
      “Nein, von diesem extraordinären Auftreten ist Ivy noch ziemlich weit entfernt, aber er ist ja jetzt auch gerade mal drei Monate unter dem Sattel. Smooth könnte allerdings gerne was von ihrer Energie an ihn abgeben, die Hälfte würde ihr locker reichen”, antworte ich meiner Schwester, immer noch auf das Pferd unter mir fokussiert. Smooth spontaner Sprint und ihr unruhiges Gemüt hatten dafür gesorgt, dass mir nun ziemlich warm war, sodass ich mein Sweater auszog und über dir Bande warf.
      “Ach was, du bist doch noch auf dem Pferd, wo ist dein Problem”, feixte meine Schwester.
      “Sag die, die seit Jahren nicht mehr auf einem Pferd gesessen hat”, entgegnete ich und lenkte sie Schimmelstute auf die andere Hand.
      “Wenn dein Zauberpony schon alles könnte, wäre es langweilig. Bald seht ihr bestimmt genauso spitze zusammen aus und das mit dem Tempo kommt sicherlich auch noch”, lächelte Juliett wohlgemut.
      “Vermutlich. Aber bis dahin müssen sowohl Ivy als auch ich wohl noch eine ganze Menge dazu lernen”, erwiderte ich und trabte die Stute wieder an, ihr Energielevel war einfach unglaublich. Locker ritt ich noch ein paar einfache Bahnfiguren und Handwechsel, bevor ich sie den Zügel aus der Hand kauen ließ und in den Schritt wechselte. Angestrengt sagte ich zu der Stute: “Du machst mich fertig Smoothie.” Entspannt pendelte der Schweif der Stute hin und her, während sie weiterhin elegant dahinschritt. Endlich war sie zu mindesten ansatzweise in einem Zustand, den man ausgelastet nennen konnte. Erschöpft nahm ich die Füße aus den Steigbügeln, ließ sie ein wenig kreisen. Ich konnte den Muskelkater schon nahezu spüren, der morgen auftauchen würde. Smooth zu reiten war eine ganz andere Nummer, als die Pferde, die ich bisher geritten war. Sie hatte so viel Energie, man hätte glauben können, ich hätte eine dreijährige unter dem Sattel, kein Pferd, welches bereits 10 Jahre alt und in der Dressur erfolgreich war.
      Ermattet ließ ich mich aus dem Sattel gleiten. Gut, dass Smoothie das letzte Pferd für heute war, sie hatte mir meine gesamte restliche Energie geraubt. Im Gegensatz zu mir, wirkte der Schimmel, als könnte sie noch mindestens eine halbe Stunde so weitermachen. Mit nach vorn gestellten Ohren und wachem Blick stand sie neben mir, während ich die Steigbügel hochzog und den Gurt lockerte.
      “Na komm, ich helfe dir beim Absatteln”, bot meine Schwester an und nahm mir die Stute ab. Ich folgte den beiden zum Putzplatz, reichte meiner Schwester das Halfter. Noch bevor ich die Chance dazu hatte, hatte sie auch bereits den Sattel der Stute in der Hand.
      “Das hätte ich jetzt auch grade noch so selbst geschafft”, protestierte ich.
      “Mensch Lina, beschwert dich doch nicht, wenn man dir hilft, außerdem siehst du nicht so aus”, lachte meine Schwester und verschwand in der Sattelkammer. Somit blieb mir nicht übrig, als den verblieben Beinschutz der Stute zu entfernen. Anschließend stellte ich ihr, das Futter hin, welches die Stute zufrieden begann zu verspeisen.
      “Zieh dir was an, sonst wirst du noch krank”, belehrte mich meine Schwester. Eigentlich wollte ich nicht, denn mir war immer noch ziemlich warm vom Reiten, aber sie hatte recht. Auf der Stallgasse war es ein wenig zugig und mit der schwindenden Sonne wurde es auch zunehmend kälter.
      “Dann pass mal auf, dass das Pony da nicht wegläuft”, erwiderte ich und lief zurück in die Reithalle, um meine Sweater zu holen. Wenig später war ich wieder zurück bei Smooth und meiner Schwester. Die Stute hatte nahezu aufgefressen, sammelte nur noch die letzten Krümel vom Boden. Die Futterschüssel sammelte ich auf und brachte sie zurück.
      “Na komm Große, dein Bettchen wartet.” Sanft zupfte ich am Strick, damit das Pferd sich in Bewegung setzte.

      Hedda
      Vor mehr als einer Stunde hatte die Klingel das Ende des Unterrichts eingeleitet, doch ich saß noch mit meiner Truppe neben dem Sportplatz. Die Jungs spielten auf dem Platz, während wir neugierig sie in ihrem Element beobachteten. Obwohl die Schule schon vor mehr als einer Woche begonnen hatte, und ich eigentlich dann zu Hause schlafen sollte, verbrachte ich die meiste Zeit bei Hanna. Folke gab auf mit mir darüber zu diskutieren, aber verlangte, dass ich mich regelmäßig meldete. So auch jetzt. Ich schrieb ihm, dass wir noch am Feld saßen und ich wohl möglich morgen käme. Doch schon wenige Sekunden nach der Nachricht, vibrierte mein Handy.
      “Folke?”, flüsterte Hanna. Ich nickte und lief zur Seite, damit es nicht so laut im Hintergrund war.
      “Hedda, jag menade inget illa, men du kommer hem direkt (Hedda, ich meinte es nicht böse, aber du kommst sofort nach Hause)”, sprach er nachdenklich. Leider rechnete ich damit bereits, deswegen akzeptierte ich es stillschweigen.
      “Jag frågar Hannas mamma om hon vill köra mig, för annars kommer bilen inte att vara här förrän om trettio minuter (Ich frage Hannas Mama, ob sie mich fährt, ansonsten kommt der muss erst in dreißig Minuten)”, antwortete ich und legte auf. Zurück lief ich zu den anderen und mein kurzes Verschwinden, fiel sogar den Jungs auf.
      “Är allt bra? (Ist alles in Ordnung?)”, erkundigte sich meine beste Freundin.
      “Hanna, jag måste gå hem. Skulle din mamma köra mig? (Hanna, ich muss nach Hause. Würde deine Mutter mich fahren?)”, hoffte ich, nicht den blöden Bus nehmen zu müssen, in dem wirklich jeder saß. Sie schüttelte natürlich den Kopf aber tippte Yall am Arm.
      “Kan du inte köra din flickvän? (Kannst du nicht deine Freundin fahren?)”, grinste sie. Nein! Auf keinen Fall sollte jemand erfahren, dass wir zusammen waren! Hanna wusste es als einzige, aber konnte sich nicht zurückhalten, auch den Rest der Truppe darauf hinzuweisen. Jedoch konnten die nicht weiterdenken als sie sahen, konnten deswegen eins und eins nicht zusammenzählen.
      “Javisst, varför inte (Natürlich, warum nicht)”, kam mein Freund näher und legte seinen Arm auf meinen Schultern ab. Die Löckchen der braunen Haare kitzelten mich am Ohr, als er mich fest an sich drückte.
      “Tillräckligt (Das reicht)”, flüsterte ich liebevoll. Dann verabschiedete ich mich innig von allen und verabredete ich mich mit Anna vor der Schule um 7 Uhr. Vor dem Unterricht saßen wir oft noch da, redeten und sahen noch einmal den Kram durch, bevor es klingelte.
      Im Auto schwiegen wir die meiste Zeit, seine Hand lag auf meinem Oberschenkel und ich swippte gelangweilt durch die Timeline. Ich hatte keine Lust wieder nach Hause zu müssen, alles dort nervte mich nur noch. Ständig brauchte jemand, meinte Hilfe oder verlangte etwas. Dass ich nur meine Ruhe wollte, verstand niemand. Erst recht nicht mein Bruder, der mir zumindest in den Ferien endlich ein eigenes Zimmer eingerichtet hatte! Vor der Auffahrt hielten wir an. Aus dem Kofferraum nahm ich meinen Rucksack und wollte so schnell wie möglich weg, bevor uns jemand sah. Aber Yall hielt mich sanft am Arm fest. Bei ihm zu bleiben, hätte mir gefallen, doch meinen Bruder zu enttäuschen, wollte ich mir nicht leisten.
      „Vi ses i morgon! (Bis morgen!)“, sagte ich nur, drückte ihn und rannte zum Hof. Hinter mir hörte ich das Fahrzeug losfahren. Ich hätte ihn nicht so abblitzen sollen, aber es viel mir schwer den Moment mit ihm zu genießen, wenn die Bäume Ohren und Augen hatten.
      Mehr Autos als gewöhnlich standen auf dem Parkplatz und ein reges Treiben herrschte auf dem sonst so leeren Gestüt. So viel konnte sich doch gar nicht geändert haben? Ich war vier Tage nicht da. Freundlich grüßten die Einsteller und versuchten sich mit mir zu unterhalten, aber ich musste schnell weiter, um Folke zu finden. Er saß in der Einliegerwohnung und schaute Nachrichten. In der Innenstadt war einiges los. Offensichtlich nahm die Bandenkriminalität immer mehr zu, Geschäfte wurden in der Nacht ausgeraubt und Scheiben eingeschlagen, dabei gab es einige Verletzte. Traurig.
      “Det är trevligt att du är här igen (Schön, dass du auch mal wieder da bist)”, murmelte er verloren in den Bildern, ohne zu mir zu sehen. Erst als es umschaltete zum Wetter, drehte Folke sich um. Ich verkniff mir meine Worte und zog mich rasch um.

      Mit meinem Finger malte ich undefinierte Formen auf die Oberfläche des Tisches, während Tyrell einige Neuerungen ansagte, die vor allem Vriska und Lina betrafen. Für Folke ging es weiter wie immer, er hatte die Rennpferde in Betreuung und sollte diese weiterhin auf den Rennen vorstellen und trainieren. Immer dasselbe, jeden verdammten Tag. Wie hielt er das aus? Obwohl ich den Kram seit Jahren hautnah miterlebte, verstand ich nicht so genau, was ihn an den Rennen so sehr fesselte. Ständig flog Dreck ins Gesicht, die Pferde benötigten Ganzkörpereinsatz und dauerhaft musste man Angst haben, dass es das letzte Rennen war. Unglaublich, wer wollte sowas? Von der Tierquälerei mal ganz abgesehen.
      “Hedda! Hörst du zu?”, ermahnte mich Tyrell. Langsam hob ich meinen Kopf, sah ihn in die Augen und nickte. Als ob ich zuhörte? Warum auch. Mich ging das alles nichts an, ich wohnte hier nur und half im Sommer dabei, die ganzen Kinder von den Rennpferden fernzuhalten. Folke tippte mich an.
      “Jag vet att du inte bryr dig. Men du gillar åtminstone det här, okej? (Ich weiß, dass es dich nicht interessiert. Aber du wenigstens so, okay?)”, flüsterte er. Wieder nickte ich nur. Manchmal wünschte ich mir wirklich, dass meine Eltern noch da wären, dann würde mein großer Bruder nicht die Mutti vorspielen und mir meine Freiheiten geben. Ganz, ganz, ganz selten, wünschte ich mir auch, dass er mit im Auto gesessen hätte, dann würde ich jetzt in einer coolen Familie sein und nicht auf dem Pferdehof festhängen. Ich mag Pferde, klar. Aber, die meisten hier hatten eine Vollklatsche. Vriska als Beispiel heulte nur, mochte es am liebsten, wenn jeder um sie herum seine Aufmerksamkeit auf sie richtete. Dazu kam, dass sie selten irgendwelche Entscheidungen akzeptierte und wirklich andauernd im Selbstmitleid badete. Tyrell schrie nur, wenn er schlechte Laune. Wenn er jedoch was wollte, konnte er plötzlich nett sein, Heuchler. Mein Bruder machte immer auf Freundlich, sicher darüber was er tat, aber ich wusste, dass er jeden Abend stunden damit verbrachte zu lesen, wie er die Pferde überhaupt trainieren sollte. Als hätte er jemals im Leben etwas anderes getan. Seine Freundin? Auch nicht viel besser. Macht sich unglaublich wichtig, rennt ihm nur nach und tut so, als dürfe sie mich herumschubsen, man! Du wirst nie meine Mutter sein, akzeptiere es. Lina kannte ich noch nicht lange, aber sie war cool. Ich mag ihre Zeichnungen. Plötzlich wurde es still. Hatte ich etwas falsch gemacht?
      “Wo ist eigentlich Vriska?”, fragte ein anderer Typ auf einmal, der, der Stimme zufolge, schon einige Minuten im Raum stand.
      “Nicht da”, antwortete ich und ließ mich gegen die Lehne des Stuhls fallen mit verschränkten Armen. Wenn die nicht da war, warum musste ich hier sitzen?
      „Na dann los“, nickte Tyrell zur Tür. Immerhin musste ich mir das für kurze Zeit nicht weiter antun. Hastig sprang ich auf und lief durch den engen Flur hinaus. Dass wir normalerweise oben in den Raum saßen, fand ich zwar seltsam, aber der kleine reichte für die wenigen Menschen. Ich beeilte mich nicht, so konnte ich entspannt noch einige Kurzvideos schauen auf Instagram und sinnvolle Sachen konsumieren. Leider kam ich schneller an, als es mir lieb war. Unmotiviert klopfte ich an der Glastür der Terrasse. Sie saß jedoch nicht auf der Couch und war sonst auch nicht zu sehen. Also wartete ich, blickte weiter auf mein Handy, bis sie schließlich schlecht gelaunt mit einer Kapuze auf dem Kopf vor mir stand. Super, das konnte ich wirklich nicht gebrauchen.
      „Was ist?“, murmelte Vriska nasal und zog den schwarzen Pullover näher an sich heran.
      “Du sollst zur Besprechung kommen, ist wichtig”, antwortete ich trocken, ohne von dem Bildschirm wegzuschauen. Ihr hörtet ihre Schritte sich entfernen, die aber wenig später wieder kamen. Zusammen liefen wir zurück, still. Ich hatte ihr nichts zu sagen und sie schien auch nicht in der Stimmung zu sein, sich über irgendetwas zu beschweren.
      “So, da Vriska nun da ist, können wir endlich mit dem wichtigen Teil anfangen. Ich bin Bruce, für die, die mich eventuell noch nicht kennen”, lachte der schwarzhaarige Typ mit einem breiten Lächeln und sah zu Lina, die höflich nickte. Dann sprach er direkt weiter.
      “In ungefähr fünf Tagen werde ich mit meinen restlichen Pferden hierherkommen und die Reitschule erweitern. Dazu gehört auch, dass ich Hilfe benötige und eventuell noch ein, zwei weitere Reitlehrer angestellt werden müssen, also wenn ihr wen kennt, wäre super. Ich freue mich auf die kommende Zusammenarbeit”, erzählte er weiter. Dann setzte sich mit an den Tisch und Tyrell fing wieder mit Geschwafel über irgendwelche Umsatzsteigerungen, wie wir den Hof attraktiver machen und so was. Die Formen auf dem Tisch wirkten auf einmal so viel interessanter. Aber auch die anderen schienen nicht mehr so ganz bei der Sache. Vriska tippte auf ihrem Handy herum, beachtete niemand. Folke versuchte vermutlich überhaupt irgendetwas zu verstehen und Lina, ja sie freute sich einfach. Warum auch immer.

      Lina
      Zufrieden mit dem Verlauf des Tages verließ ich den kleinen Raum, in dem die Dienstbesprechung stattgefunden hatte und schlenderte gemütlich zu meiner Wohnung.
      “Luulin, ettet koskaan lopeta (Ich dachte, schon ihr werdet nie fertig)”, empfing mich meine Schwester, als ich eintrat.
      “Tehdäänkö tänään jotain vai miksi odotat minua? (Haben wir noch etwas vor heute vor oder warum erwartete du mich?)”, scherzte ich. Manchmal benahm meine Schwester sich außerordentlich seltsam, aber das zu verstehen hatte ich schon lange aufgegeben, Geschwister waren manchmal einfach schräg.
      “Joo suunnilleen (Ja, so ungefähr)”, antwortete sie, erhob sich vom Sofa und wuselte zielstrebig in das Schlafzimmer. Dort begann sie geschäftig in meinem Schrank zu wühlen.
      “Voitko kertoa minulle, mitä muuta me teemme? (Verrätst du mir auch, was wir noch vorhaben?)”, fragte ich und beobachte sie kritisch bei dem, was sie tat. Statt mir zu antworten, wühlte sie weiter in meinen Klamotten, das hieß wohl nein. Ich fragte mich wirklich was Juli um die Uhrzeit noch vorhatte.
      “Tässä pukeudu (Hier, anziehen)”, befahl Juli und drückte mir eine T-shirtbluse und eine Jeans in die Hand. Erst jetzt fiel mir auf das sei selbst nicht wie für die Uhrzeit üblich in Jogginghose herumlief. Was auch immer sie also geplant hatte, würde schon mal kein gemütlicher Abend vor dem Fernseher sein. Bevor meine Schwester ungeduldig wurde, tauschte ich also meine Reitsachen gegen das, was sie mir gereicht hatte. Währenddessen öffnete sie meine Zöpfe und zupfe an meinen Haaren herum, sodass sie mir nun in leichten Wellen über die Schultern fielen. Zufrieden betrachte sie ihr Werk: ”Hienoa ja tule nyt kanssani. (Hervorragen und jetzt mitkommen.)” Etwas überrumpelt folgte ich. Als wir vor das Haus traten, durchschnitt das Licht von Autoscheinwerfern die Dunkelheit. Ein keiner silberner VW vor. Wer würden sich denn so spät noch hier her verirren? So fröhlich grinsend wie Juli neben mir stand, konnte nur sie etwas damit zu tun haben: “Heinäkuu, onko sillä mitään tekemistä sen kanssa, mitä me teemme? (Juli, hat es mit dem zu tun, was wir noch vorhaben?)”
      “Odota ja katso, sisko (Warte es nur ab, Schwesterchen)”, war ihre einzige Antwort. Ich verstand sofort, was sie meinte, als ich sah, wer aus dem Auto stieg. Euphorie durchfuhr mich und im selben Augenblick stürmte ich auch schon los. Ich konnte nicht anders, als Samu geradewegs in die Arme zu springen. Nach gerade einmal drei Wochen freute ich mich so sehr über seine Ankunft, als hätte ich ihn ein halbes Jahr lang nicht gesehen.
      “Kaipasin sinua (Ich habe dich vermisst)”, murmelte ich in die Umarmung.
      “Aina hidas, nuori nainen (Immer langsam, junge Dame)”, lachte der Finne und stellte mich wieder auf meine Füße.
      “Mistä olet nyt? Ja mikä tärkeintä, kun olet täällä, kuka huolehtii ponistani? (Wo kommst du denn jetzt her? Und vor allem, wenn du hier bist, wer kümmert sich dann um mein Pony?)”, frage ich überwältigt von diesem Überraschungsbesuch.
      “Älä huoli, luovutin Ivyn Quinnille luottavaisin mielin, hän on kunnossa. Ja ensimmäiseen kysymykseenne: toin jonkun mukanani (Keine Sorge, Ivy habe ich vertrauensvoll in Quinns Hände übergeben, dem geht es gut. Und zu deiner ersten Frage: Ich habe da jemanden mitgebracht.)”, beantwortete Samu meine Fragen und blickte mit einem liebevollen Lächeln hinter mich. Erst jetzt bemerkte ich die zweite Person, die inzwischen neben meiner Schwester stand. Wow, ich hatte sicher einen guten ersten Eindruck bei ihr hinterlassen, benahm mich hier wie ein Teenager. Ein wenig peinlich berührt ging ich mit Samu zu den beiden herüber. Juliett freute sich offenkundig darüber, dass ihr diese Überraschung so gut gelungen war. Enya lächelte mir herzlich entgegen, in echt war sie noch viel hübscher als auf den Bildern. Sie hatte verdammt schöne große Augen, die sie auch noch mit einem zarten Lidstrich hervorhob und ihr blonden Haare fielen ihr locker über die Schulten.
      “Dann will ich euch mal bekannt machen. Das hier ist Enya, meine bessere Hälfte”, ergriff Samu das Wort. Freundlich nickte Juli ihr zu und ich tat es ihr gleich.
      “Und das ist Lina, meine beste Freundin und ihre Schwester Juliett”, setzte Samu fort. Während eine kurze Unterhaltung entstand, sah Samu sich neugierig in der Umgebung um, viel sah man zwar im Dunkeln nicht, aber es reichte offenbar aus, um meinen besten Freund ziemlich zu beeindrucken.
      “Hier arbeitest du also? Ziemlich schick hier. Willst du mir nicht mal diese coole Reithalle zeigen, von dem Video?”, fragte Samu nun neugierig. Ich hatte bereits erwartet, dass er irgendwann danach fragte, aber nicht ausgerechnet innerhalb der ersten 10 Minuten.
      “Wenn du das schon schick findest, warte mal bis du den Hof bei Tageslicht siehst”, schmunzelte ich und schlug den Weg zu Reithalle ein. Mit einem Druck auf den Lichtschalter wurde es schlagartig hell in dem Gebäude, ein wenig zu hell wie ich fand. Fasziniert wuselte Samu durch die Stallgasse und sah sich alles ganz genau an, selten hatte ich jemanden mit so viel Interessen für einen Pferdestall erlebt und auch die Sattelkammer wurde mit denselben Hingaben inspiziert.
      “Oha, das könnte glatt von Jace sein”, war Samus Kommentar zu den Gamaschenkisten, in denen wie immer ein heilloses Durcheinander herrschte. Es störte mein Bild von Ordnung in der Kammer schon ziemlich, aber Vriska hatte mir von dem Versuch die Kisten aufräumen abgeraten, da sie unmittelbar danach eh wieder im Chaos versinken würden.
      “Hier gibt es auch einen Freiberger?” Samus fragen ließ mich aufhorchen. Ein Freiberger hier? Davon wusste ich bisher nichts. Verwundert lief ich zu dem blonden Mann, der am Schwarzen Brett stand und sich einen Zettel durchlas.
      “Da schau”, sagte er und deutete auf den Zettel. Darauf war ein von einem recht kräftigen, dunkelbraunen Pferd zu sehen, welches elegant über den Reitplatz schwebte, in Mähne und Schweif jeweils ein kleines Zöpfchen, welches mit einem lila Band verflochten war. Ich versuchte zu entziffern, was auf dem Zettel stand, doch es fiel mir echt schwer, zu lang war es her, dass ich diese Sprache in der Schule hatte, daran sollte ich dringend arbeiten.
      “Lina da wird, jemand gesucht der den Hengst, hier bewegt. Freiberger, 14 Jahre alt und sogar mit Kaufoption ab Ende des Jahres, weil seine Besitzerin nächstes Jahr nach Amerika geht. Das wäre doch was für dich”, fasste Samu den Inhalt des Zettels für mich zusammen Das klang tatsächlich nach etwas, was mich interessierte. Die Freibergerstute auf dem WHC hatte ich schon immer toll gefunden und auch Fanya, das Pferd aus dem ersten HMJ, war mittlerweile ein wahrer Traum von Pferd. Spätestens seitdem ich Ivy kennenlernte, war ich diesen Pferden aus der Schweiz einfach verfallen. Ich sollte mir diesen Zettel morgen definitiv noch einmal genauer ansehen, die Chance ein weiteres Pferd dieser Rasse kennenzulernen, sollte ich mir nicht entgehen lassen.
      “Was genau bewegt dich eigentlich dazu, dass du jetzt doch hier bist? Ich dachte, einen Umzug geht nicht so spontan?”, frage ich neugierig, währen Samu vollkommen begeistert die Klappe in der Bande öffnete, hinter der die Stangen gelagert wurden, zugegeben eine überaus elegante Lösung. Auf dem WHC hatten in der kleinen Halle immer einige Stangen auf der Bande gelegen, um sie griffbereit zu haben.
      “Ich bin auch erst mal nur für zwei Wochen da um mich zum Beispiel schon einmal nach einem Job umzusehen und all sowas”, antworte er und setzte seine Erkundung auf der Tribüne fort, auf der es sich Enya und Juli gemütlich gemacht hatten. Das ergab tatsächlich Sinn, ein Job war immer eine gute Voraussetzung, wenn man in ein neues Land zog.
      “So genug jetzt, den Rest darfst du gerne bei einem weiteren Besuch ansehen. Ich habe da nämlich noch etwas vorbereitet”, beendete meine Schwester die Inspizierung des Snackautomaten. Noch etwas vorbereitet? Als ob eine Überraschung nicht schon genug sei.
      “Na kommt schon”, lachte Juli und zog sich hinter mir her. Samu und seine Freundin folgten uns, die Hände ineinander verschränkt. Samu wirkte so unbeschwert, so viel entspannter als in Kanada. Es musste ihn echt belastet haben, nicht von Enya erzählt zu haben und dann hatte ich auch noch ständig versucht diesen Zustand seiner vermeintlichen Partnerlosigkeit zu ändern. Aber er war selbst schuld, wenn er mich nicht aufklärte.
      “Was wollen wir hier?”, frage ich ein wenig verwirrt, als Juli vor der Tür des großen Konferenzraumes stehen blieb.
      “Na ganz einfach, einer von uns hier hat in knapp 2 ½ Stunden Geburtstag und Geburtstage müssen gefeiert werden”, erklärte Juli und hielt uns allen die Tür auf. Neugierig betrat ich hinter Enya und Samu den Raum.
      “Ist das also deine Definition von einem einfachen Abendessen, Juliett?”, lachte Samu, offenbar hatte er auch nichts davon gewusst. Juli hatte sich alle Mühe gegeben den schlichten Raum ein wenig aufzuhübschen. Irgendwo hatte sie ein paar Lichterketten und Luftballons aufgetrieben, die dem sonst recht schlichten Raum ein wenig feierlich wirken ließen. In einer Ecke stand ein kleines Buffet mit einer Auswahl an Snacks und Getränken und sogar einen Kuchen hatte meine Schwester gebacken.
      “Es ist abends wir haben essen, ist das denn kein Abendessen?”, scherzte Juliett munter.
      “Jetzt muss du mir aber mal verraten wie du das alles hier vorbereiten konntest, ohne dass ich etwas mitbekam? Und woher weißt du auch noch, dass Samu morgen Geburtstag hat?”, fragte ich meine Schwester beeindruckt, während Samu dafür sorgte, dass jeder ein Getränk in der Hand hielt. Wie immer ganz der Gentlemen dabei sollte vielmehr er heute bedient werden, war er doch das Geburtstagskind.
      “Also letzteres, Lina, steht in deinem Kalender und dein Handy gibt seit einer Woche ständig Erinnerungen von sich. Es ist beinahe unmöglich das nicht zu wissen. Und was das andere angeht, das war nicht so schwer, du warst ja den ganzen Tag mit den Pferden beschäftigt. Außerdem habe ich das hier nicht ganz alleine gemacht, Vriska hat mir geholfen”, erklärte sie fröhlich. Wow, wieder einmal hatte Juliett ihr Organisationstalent bewiesen.
      “Wer ist denn Vriska?”, frage die hübsche Blondine lächelnd.
      “Ich arbeite hier zusammen mit Vriska”, wich dem aus, die Beziehung näher zu definieren. Keine Ahnung was Vriska und ich waren. Einfache Arbeitskollegen oder doch... Freunde?
      “Und hab ihr sie nicht eingeladen, wenn sie schon beim Dekorieren geholfen hat?”, wollte Samus Freundin nun wissen.
      “Doch, sie ist eingeladen, aber sie ist ein wenig angeschlagen von dem Turnier am Wochenende, vermutlich nutzt sie den Abend lieber, um sich auszuruhen”, antwortete Juliett. Also setzten nur wir vier und in einen kleinen gemütlichen Kreis beisammen. Ich war außerordentlich erfreut darüber, dass Samu hier war und freute mich auch seine Freundin kennenzulernen, denn zugegebenermaßen war ich verdammt neugierig, wie sie so drauf war. Bisher machte sie einen ziemlich sympathischen Eindruck auf mich. Während meine Schwester der führende Part in der Unterhaltung war, folgte ich den Gesprächen eher passiv, genoss einfach die Gegenwart von zwei der wenigen Menschen, die mir wirklich am Herzen lagen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die gläserne Tür des Versammlungsraumes sich öffnete. Anders als erwartet, betrat nicht doch noch Vriska den Raum, sondern Niklas. Mit ihm rechnete ich gar nicht an einem Tag wie heute. Er trug ein weißes, weites Shirt, darüber eine Jeansjacke und passende Hose. Sonderlich erschien, dass seine Haare nicht nach oben gegelt waren, sondern locker zur Seite fielen, was ihm aber auch unheimlich gutstand. Unwillkürlich durchströmte mich eine wohlige Wärme und freudig überrascht, entfernte ich mich aus der kleinen Runde, um ihn zu begrüßen.
      “Hey Niki, wo kommst du denn her? Aber schön, dass du da bist”, fragte ich freudestrahlend auf ihn zulaufend. So viele Überraschungen heute, fast wie an Ostern.
      “Jetzt fängst du auch damit an”, lachte er und drückte mir einen kräftigen Kuss auf die Stirn. Ich hatte das von seiner Mutter aufgeschnappt, empfand als sehr passend. Auch Chris sagte es zunehmend öfter, wenn er nicht gerade das Prinzesschen war. Welche Geschichte es dazu gab, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht, konnte mir aber vorstellen, woher es rührte. Niklas konnte sehr eigen sein, sich wichtig nehmen und wollte bewundert werden.
      „Ich komme vom Auto, aber mir wurde gesagt, dass es etwas zu feiern gibt. Dazu kann ich nicht absagen. Aber tut mir leid, dass ich zu spät komme, der Einsatz dauerte länger als erwarte“, fügte er noch glücklich hinzu und nahm dankend das Getränk entgegen, dass Samu ihm reichte, alkoholfrei versteht sich.
      "Wir hatten eine Startzeit? Interessant! Aber egal, du bist ja jetzt da, unversehrt, das ist das wichtigste." Ich hatte heute zwar nur einen kurzen Blick in die News App werfen können, aber die Schlagzeilen sprachen für sich. Niklas' Einheit hatte zwar wenig mit der klassischen Polizeiarbeit zu tun, dennoch wollte ich lieber nicht näher darüber nachdenken, was bei einem Einsatz alles passieren konnte.
      „Zumindest hatte das unser Vampir geschrieben. Scheint aber auch wieder typisch, dass sie nicht gekommen ist oder immer noch schwierig mit euch?“, kam er unwillkürlich auf das Thema zurück, dass vor seiner Ankunft durch den Raum schwebte. Seltsam, wie interessiert alle an ihr waren.
      “Ich glaube, es wird besser, aber ihr nicht erscheinen hat damit wohl nicht zu tun. Juliett meinte sie sei wohl krank, der Ritt im Regen gestern war wohl nicht das klügste und dann hat sie ja morgen auch noch ihre Prüfung, da möchte sie vermutlich lieber ausgeschlafen sein”, beantworte ich die Frage. Vriskas Verhalten würde ich wohl nie vollständig verstehen, war aber gewillt mich um ein friedliches Miteinander zu bemühen, denn eigentlich war sie mir von Beginn an ziemlich sympathisch gewesen.
      “Wundert mich, denn heute Vormittag konnte sie noch Ewigkeiten mit Glymur ausreiten. Wie kommst du mit Smooth klar? Alles gut?”, fragte er.
      “Ja, ist ganz okay. Dieses Pferd hat einfach viel zu viel Energie, wo nimmt sie die nur her? Ich kann sagen, ihre Medikamente funktionieren definitiv, sie hatte heute ein beträchtliches Tempo darauf”, beklagte ich mich ein wenig, denn ich sah es kommen, dass das die Stute in den nächsten Wochen eher noch energetischer wurde.
      “Wenn du nicht klarkommst, ist das in Ordnung. Tyrell oder Vriska würden es sicher auch übernehmen. Ansonsten musst du sie vorher 40 Minuten in die Führanlage stellen, dann sollte es für ein Fliegengewicht, wie du es bist, einfacher sein”, lachte Niklas.
      “So schnell werde ich noch nicht aufgeben! Irgendwie komme ich schon klar”, sagte ich überzeugt. Nach einer Woche bereits das Handtuch zu schmeißen wäre sogar für mich eine schwache Leistung gewesen.
      Freundlich stelle sich mein Freund Enya gegenüber vor, als wir zurück in die kleine Runde traten, bevor das Gespräch wieder aufgenommen wurde. Juli hatte offenbar gefragt, wie Samu denn zum Reiten und zu den Pferden gekommen sei, denn er erzählte wieder einmal eine Anekdote aus seiner Kindheit. Eevi, seine Schwester, hatte damals ein Pferd, einen hübschen Apfelschimmel. Seine beiden älteren Brüder hatten sie früher damit aufgezogen, dass er viel häufiger mit seiner Schwester zu ihrem Pferd fuhr, anstatt mit ihnen “Jungskram” zu machen. Allerdings konnte ich bestätigen, dass die meisten von Samus Interessen doch eher typisch männlich waren. Wie fast jeder männliche Bewohner Finnlands brachte auch mein bester Freund eine gewisse Begeisterung für den Motorsport mit sich und nicht zu vergessen seine Passion, das Eishockey. Für meinen Geschmack war diese Sportart viel zu brutal. Platzwunden und blaue Flecken sind so gut wie bei jedem Spiel vorprogrammiert, ganz zu schweigen von schlimmeren Verletzungen. In der Schulzeit hatte Samu selbst noch aktiv im Verein gespielt, auch gar nicht schlecht. Er hätte das Potenzial für die Profiliga gehabt, aber nach eine ziemlichen heftigen Knieverletzung, setzten seine Eltern alles daran, dass ihr Sohn sich einen wenig gefährlichen Beruf suchte.
      Das schummrige Licht der Kerzen und Lichterketten erzeugte eine behagliche Atmosphäre. Liebevoll hatte Samu seinen Arm um seine Freundin gelegt, während sie sich weiterhin angeregt unterhielten. Ich für meinen Teil hatte es mir auf dem Schoß meines Freundes bequem gemacht. Meine Schwester schien es reichlich wenig zu stören, dass sie nur noch von Pärchen umgeben war, ich an ihrer Stelle hätte mich ziemlich überflüssig gefühlt.
      Die Gesprächsthemen wurden immer tiefgründiger, wo bei auch die ein oder andere seltsame Geschichte aus vergangenen Tagen ausgepackt wurde. Ganz besonders Juliett unterhielt alle mit Geschichten aus unserer Kindheit. Zu meinem Glück waren die meisten davon irgendwo niedlich und mit kindlicher Naivität zu erklären, aber als sie anfing aus den Liebesbriefen zu rezitieren, die ich in der 5 Klasse geschrieben hatte, hätte ich mich am liebsten in Luft aufgelöst. In so einem Detailreichtum wusste bisher nicht einmal Samu von diesen Briefen. Dank Juli wusste jetzt aber nicht nur mein bester Freund davon, sondern ebenso seine Freundin, der ich heute zum ersten Mal begegnete und viel schlimmer noch, auch Niklas. Größtenteils hielt er sich mit seinen sonst so überheblichen Kommentaren zurück, lachte einige Male, aber schwieg sonst. Zwischendurch folgten Anekdoten aus seinem eigenen Leben, die vermutlich jeder hätte erzählen können. Ich spürte, dass er angespannt war, was ich nicht nur durch seine ballende Faust realisierte. Seine Zähne knirschten immer wieder und an dem markanten Kinn kam Muskulatur nach oben. Etwas an den Geschichten aus der Kindheit belastete ihn extrem. Andeutungen machte er bereits in Kanada, aber ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, was seinen Blutdruck so hochschnellen ließ wie dieses Thema.
      Mit fortschreitender Stunde überkam mich allmählich die Müdigkeit. Schläfrig ließ ich meinen Kopf gegen Niklas Schulter sinken. Die Gespräche nahm ich nur noch am Rande wahr, viel mehr musste ich mir Mühe geben, dass mir nicht gleich die Augen zuklappten. 11:45 Uhr zeigte die Uhr, sonderlich lange würde es demnach nicht mehr dauern bis für Samu ein neues Lebensjahr anbrach, aber bis dahin musste ich noch irgendwie wach blieben.
      Schmunzelnd stupste Niklas mich an, als mir erneut die Augen zuklappten: “Nicht einschlafen, Engelchen.”
      “Ich bemühe mich nach Kräften”, murmelte ich und blinzelte angestrengt. Im Gegensatz zu mir, schienen die anderen noch putzmunter zu sein. Bei Juli und Samu wunderte mich das wenig, immerhin hatten die beiden Urlaube und vermutlich auch deutlich mehr Schlaf als alle anderen in diesem Raum. Die nächsten Minuten schienen nur so da hinzuschleichen, bis um kurz vor Mitternacht Juliett aktiv wurde und begann durch den Raum zu wuseln. Irgendwoher holte sie auf einmal eine Flasche Sekt, welche sie auf Gläser verteilte und jedem eins in die Hand drückte, die Gegenwehr derer, die noch fahren mussten, war ihr dabei ziemlich egal. Pünktlich um Mitternacht stimmte sie Happy Birthday an, sogar auf Schwedisch. Soweit hätte ich nicht mitgedacht. Nach Ende des Liedes stießen wir gemeinsam auf Samu an. Auf einmal fühlte ich mich wieder wach, freute mich für Samu das er Geburtstag hatte, freute mich für ihn und Enya, erfreute mich einfach an dem Moment. Am liebsten hätte ich ihn sofort geknuddelt, aber ich ließ natürlich seiner Freundin den Vortritt.
      “Kiitos, että sait olla ystäväsi 9 vuoden ajan ja toivon, että siitä tulee vielä vähintään 9 vuotta. Toivotan sinulle kaikkea hyvää uudelle vuodelle, toivon, että löydät onnen yhdessä Enyan kanssa. Hyvää syntymäpäivää, Samu. (Danke, dass ich dich seit 9 Jahren als Freund haben darf und ich hoffe, es werden noch mindestens 9 weitere Jahre werden. Ich wünsche dir alles Beste für dein neues Lebensjahr, wünsche mir, dass du zusammen mit Enya dein Glück findest. Alles Gute zum Geburtstag, Samu)”, gratulierte ich Samu euphorisch und umarmte ihn fest. Ich hätte noch ungefähr eine Milliarde Dinge mehr sagen können, beschränkte mich aber auf das wichtigste. Einiges von dem, was ich hätte sagen wollen, war Inhalt seines Geschenkes und das wollte ich nicht vorwegnehmen. Da ich allerdings nicht damit gerechnet hatte, dass er zu seinem Geburtstag hier sei, würde ich auf die Reaktion wohl leider noch ein wenig warten müssen.
      Selbstverständlich gratulierten auch Niklas und Juliett, logischerweise zurückhaltender als ich es tat, bevor der Kuchen angeschnitten wurde. Juli hatte sich mit dem Kuchen alle Mühe gegeben und bei seinem Anblick wurde mir auch klar, wofür das ganze Zeug im Kühlschrank war. Augenscheinlich backte Juli einen simplen aber wunderschönen Drip Cake. Obenauf waren in Schokolade getauchte Erdbeeren, Kerzen waren aufgrund des Platzmangels allerdings nicht darauf. Die fehlenden Kerzen würden Samu nicht stören, mit Geburtstagstraditionen nahm er nicht ganz so genau. Der Kuchen schmeckte genauso vorzüglich wie er aussah.
      Schon bald nach dem Kuchen brachen Enya und Samu auf. Die beiden hatten wohl nicht den aller kürzesten Heimweg, außerdem hatte für Enya wohl letzte Woche die Uni wieder angefangen und pflichtbewusst wollte sie ihre Vorlesung nicht verpassen, zumindest war das der Grund, den sie vorschoben. So wie die beiden sich ansahen, war mir sicher, es gab auch noch einen anderen Grund.
      Wehmütig musste ich leider auch Niklas nach Hause gehen lassen, ich hätte ihn gerne mehr als ein paar flüchtige Stunden bei mir gehabt. Ich liebte das Gefühl, was er in mir auslöste, bekam immer noch Herzklopfen, wenn er den Raum betrat. Bei ihm fühlte ich mich so unendlich wohl, das ist einfach unbeschreiblich…
      “Hallo, Erde an Lina”, holte mich meine Schwester aus meinen Gedanken. “Mach dich mal nützlich, du kannst auch gleich im Bett noch weiterträumen”, lachte sie. Juli hielt es für nötig jetzt noch aufzuräumen. Ich für meinen Teil hielt das für relativ unnötig, schließlich würde man nach einer Runde schlaf auch noch aufräumen können. Statt unnötige Diskussionen mit meiner Schwester anzufangen, gab ich also nach. Je schneller hier aufgeräumt war, umso eher konnte ich in mein Bett.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 76.956 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang September 2020}
      Fohlenbericht eins von sieben.
    • Mohikanerin
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      kapitel sju | 2. Dezember 2021

      Einheitssprache // Sign of the Zodiac LDS // Avenue Shopper LDS // Northumbria // Lubumbashi // Form Follows Function LDS

      Lina
      Entspannt stand ich neben der jungen Stute und beobachtete wie sie das Gras ausrupfte. Zoi hatte heute hervorragend mitgearbeitet. Somit beendete ich das Training schneller als ich erwartet hatte und sie durfte noch ein wenig auf dem Grasstreifen neben Round Pen grasen. Heute war eigentlich ein ziemlich ruhiger Tag auf dem Hof. Erik und sein Mini-Me waren irgendwo in der Stadt unterwegs und Vriska lag seit gestern mit einer fetten Erkältung im Bett. Demnach, was ich Niklas Nachrichten hatte entnehmen können, war ihr Abend am Dienstag wohl noch ziemlich lang gewesen. Und zum Leidwesen meines Freundes, war das was Erik, Vriska und sein Vater veranstalten auch nicht gerade leise gewesen.
      “Oh Mist”, fluchte ich, als ich auf die Uhr blickte, “Zoi, wir müssen los!” Eigentlich sollte ich in zwei Minuten vor der Reithalle sein, um mich mit der Besitzerin, des Freibergerhengstes zu treffen. Schnellen Schrittes machte ich mit Zoi im Schlepptau auf den Weg zu ihrer Koppel und wollte sie zügig wegstellen, doch wie das so war, wenn man eilig hatte stellte sich etwas in den Weg. In diesem Fall war es ein Pferd. Avenue hatte sich genauso hinter dem Tor platziert, dass ich es zwar aufbekam, aber kein Pferd an ihr vorbeipasste.
      “Komm schon, Ave, jetzt bewegt dich.” Zentimeterweise ließ sich die Scheckstute tatsächlich wegschieben, sodass ich Zoi auf die Koppel stellen konnte.
      In Eile kam ich schließlich 5 Minuten zu später vor der Reithalle an, vor der bereits eine blonde Frau wartete. Sie sah ziemlich freundlich aus und schätzte sie ungefähr auf Ende dreißig, vielleicht auch ein wenig älter.
      > Du är säker fru Sjögren, ursäkta mitt dröjsmål.
      “Sie sind sicher Frau Sjögren, entschuldigen Sie bitte meine Verspätung”, begrüßte ich die Dame und schüttelte ihr höflich die Hand.
      > Det behöver du inte ursäkta, det är bara några minuter.
      “Sie brauchen sich nicht entschuldigen, es sind ja nur ein paar Minuten”, lächelte sie freundlich und bot mir sogleich das du an. Nach ein wenig Small Talk fragte sie auf einmal:
      > Du är faktiskt inte härifrån, eller hur? Jag har aldrig hört din accent här.
      “Du bist nicht von hier, oder? Ich habe deinen Akzent hier noch nie gehört.” Diese Frage irritierte mich ein klein wenig, war mir bisher nicht bewusst gewesen, dass sich mein Schwedisch so sehr abhob. Freundlich antwortete ich:
      > Nej, jag är ursprungligen från Finland.
      “Nein, ich komme ursprünglich aus Finnland.” Freundlich nahm Ilse dies zur Kenntnis und unterhielt sich ein wenig über meine Heimat. Auf dem Weg zu dem Paddock, wo der Hengst wohnte, erzählte sie bereits ein paar Dinge zu Einheitssprache und seinem Charakter. Dass der Hengst Bodenarbeit sehr zugetan sein sollte, gefiel mir dabei schon ziemlich gut. Die Konversation fiel mir nicht ganz leicht, noch immer war ich nicht ganz fit in der Landessprache. Je mehr schwedisch ich sprach umso häufige fiel mir auf, dass es Wörter zu geben schien, die sich stark von denen die ich in meiner Heimat gelernt hatte unterscheiden.
      > Hur kommer de till en Freiberger? Detta är inte exakt en ras som förekommer här ofta.
      “Wie kommen sie zu einem Freiberger? Dies ist nicht gerade eine Rasse, die hier oft vorkommt”, fragte ich freundlich nach. Diese Rasse war im Allgemeinen nicht sonderlich bekannt und ihr Herkunftsland lag jetzt auch nicht gerade um die Ecke.
      > Det här är en tillfällighet. På den tiden letade jag helt enkelt efter en bra vagnshäst och blev medveten om honom genom ett Online-erbjudande.
      “Das ist Zufall. Damals war ich einfach auf der Suche nach einem guten Fahrpferd und wurde durch ein Onlineangebot auf ihn aufmerksam”, erzählte die Frau, bevor sie eine Frage an mich stellte:
      > Har du erfarenhet av att köra vagn?
      “Hast du Erfahrung mit dem fahren?”
      > Lite.
      “Ein wenig”, lächelte ich aufgesetzt,
      > men det var länge sen.
      ”Aber es ist schon lange her.” Schon allein der Gedanken mich eine Kutsche zu näher jagte mir Schauer über den Rücken, seit dem Tag vor 10 Jahren hatte ich dies nicht mehr getan. Ich konnte nur inständig hoffen, dass nicht erwartet wurde, dass ich den Hengst tatsächlich vor eine Kutsche spannte.
      Mittlerweile waren wir an dem Paddock angekommen. Etwa in der Mitte des Auslaufes, stand der kräftige Freiberger. Außer einer hübschen, großen Blesse und weißen Hinterfüßen war er komplett schwarz, nur an Bauch, Maul und an den Hinterbeinen war es ein wenig heller und ließ erkennen, dass er eigentlich ein Brauner war. Sein langes dickes Langhaar war Rabenschwarz mit einem hübschen Verlauf ins Schokoladenbraune, darin niedliche kleine Zöpfchen. Ich war schier überwältigt. In echt sah der Hengst noch so viel beeindruckender aus, als auf den kleinen Bildchen die auf dem Zettel aufgedruckt waren. Ein Wunder, dass mir der Hengst bisher nicht aufgefallen war, wo er doch quasi vor meiner Nase stand.
      > Wow, verkligen en underbar kille. Han är en Urfreiberger, eller hur?
      “Wow, wirklich ein wunderbarer Kerl. Er ist ein Urfreiberger, nicht wahr?”, staunte ich noch immer. Ilse nickte anerkennend und fragte sogleich, woran ich das erkannt hatte. Freudig erklärte ich ihr die typischen Merkmale im Körperbau eines Urfreibergers, die bei ihrem Hengst sogar besonders deutlich ausgeprägt waren. Aus meiner Sicht war dies ein Pferd mit hervorragender Qualität, worauf sicher jeder Züchter stolz sein würde.
      Interessiert kam das Pferd an getrottet und streckte mir seine Nase entgegen. Erst jetzt fielen mir seine Augen auf, die hell aus dem dunklen Fell hervorstachen.
      > Hur vet du så mycket om Freiberger?
      “Woher wissen Sie so viel über Freiberger?”, fragte sie Besitzerin des Hengstes interessiert und reichte mir ein einfaches schwarzes Halfter, mit ein wenig Plüsch an Genick- und Nasenriemen.
      > Jag har själv en Freiberger, så jag är väldigt intresserad av denna ras.
      “Ich selbst habe einen Freiberger, daher interessiere ich mich sehr für diese Rasse”, erklärte ich. Ungeduldig schlug Einheitssprache mit dem Kopf. Unbeeindruckt von seinem Rumgehampel legte ich ihm das Halfter an und folgte Ilse zum Putzplatz. Während ich den Hengst putze, beobachte die Frau mich genau, wie ich mit der ungestümen Art zurechtkam. Im Anschluss schlug Ilse vor noch eine kleine Runde spazieren zu gehen, um sich noch einen besseren Eindruck machen zu können. Einheitssprache zeigte sich dabei nicht gerade als das wohlerzogenste Pferd. Er schubste mich frech an, versuchte mir den Strick aus der Hand zu klauen und begann zu drängeln, wenn es ihm zu langsam ging. Aber ganz so doof stellte ich mich offenbar nicht an, denn als wir dem Freiberger wieder wegbrachten, hatte ich den Job. Ich freute mich ein so wunderschönes Tier zu meinen Schützlingen zählen zu dürfen, auch wenn es mich davor graute, dass der Hengst bis Klasse S gefahren war. Wie für Freiberger üblich war er 3-Jährig zwar angeritten worden, hatte aber danach wohl nie wieder einen Sattel aus der Nähe gesehen, weshalb reiten wohl keine Option sein würde. Zum Glück besaß ich die Freiheit, den Hengst so zu unterhalten wie ich es für richtig hielt, denn Ilse ging es nur darum, dass er nicht den ganzen Tag nur auf dem Paddock rumstand. Irgendetwas würde mir sicher einfallen wie ich Einheitssprache beschäftigen konnte ohne in näheren Kontakt mit dem Fahrsport treten zu müssen.

      Vriska
      Nie wieder! Ich hatte mir geschworen nie wieder einen derartigen Absturz zu erleiden, aber aus unerfindlichen Gründen passierte es doch und es hatte einiges mit meinem körperlichen Zustand gemacht. Langsam bekam der Kaffee seine Wirkung und ich schaffte es einen klaren Gedanken zu fassen, zumindest so klar, dass realisierte, dass Trymr neben mir am Tisch saß und mit seinem Schwanz den Boden wischte. Mit weit geöffneten Augen sah er an mir hoch und brummte wehleidig.
      „Willst du raus?“, fragte ich vorsichtig. Verwundert drehte er schräg den Kopf von links nach rechts. Ach ja, der Hund versteht kein Deutsch, also versuchte ich es noch einmal auf Schwedisch. Wie von einer Tarantel gestochen, sprang er auf und rannte zur Tür. In tiefsten Tönen jaulte Trymr und brummte noch einige Male. Ich sah mich gezwungen zumindest die Schlafsachen gegen ein anderes Outfit zu wechseln. Als ich an mir heruntersah, bemerkte ich, dass das Shirt gar nicht mir gehörte und auch viel mehr ein Hemd war, genau genommen eins von den ziemlich teuren aus Eriks Sammlung. Überall war es zerknittert und alles andere, als in einem guten Zustand. Dennoch legte ich es fein säuberlich über die Lehne des Stuhles und griff nach dem ersten Pullover, den ich im Schrank fand. Wie hätte es anders sein sollen, war es mein Cheerleader Oberteil für kalte Trainingstage aus vergangener Zeit. Als Hose sollte eine der diversen Jogginghosen ihren Dienst leisten. Vom Kleiderhaken nahm ich die Hofjacke ab und setzte die Kapuze auf. Trymr trug bereits sein breites Lederhalsband, also nahm ich nur die Leine und verließ mein Bungalow. Schlüssel brauchte ich nicht, denn noch nie hatte ich dieses verschlossen.
      Langsamen Schrittes liefen wir Richtung Wald, wo uns Folke mit Humbria entgegenkam. Die windfarbene Stute war vollkommen verschwitzt und sah äußerst müde aus. Glauben, dass Niklas ein erstklassiges Eventingpferd aus dem Pferd zu machen, empfand ich von Anfang an als ziemlich hochgestochen. Dennoch bewunderte ich seinen Mut, es zumindest einige Male versucht zu haben, auch, wenn es für wenig Stärke zeugte, so schnell aufzugeben. Ich akzeptierte seine Entscheidung und würde mir nie wagen, diese infrage zu stellen.
      > Jag trodde att du aldrig skulle komma ut.
      „Ich dachte schon, dass du nie wieder herauskommst“, lachte Folke und fuhr an uns vorbei. Mehr als ein müdes Lächeln konnte ich nicht von mir geben und lief weiter.
      Teilweise glitzerte die Sonne durch die Kronen der Bäume und warf kleine Lichtblicke auf den verwurzelten Waldboden. Alles lag so still, dass ich mir nicht vorstellen konnte in London das Getose der Menschenmassen zu hören oder von einem der Taxis beinah zu Tode gefahren zu werden. Trymr blieb nah bei mir. Mittlerweile war ich fest davon überzeugt, dass dieser Hund auf keinen Fall bei Erik bleiben wollen würde, wenn sich unsere Wege trennen würden. Ja, ich sprach im Konjunktiv, denn nach dem Abend wollte ich nichts lieber, als für bei ihm zu bleiben. Es war keine Erinnerung, die mir diesen Gedanken gab, viel mehr ein Gefühl tief in meinem versteinerten Herzen. Alles kribbelte in mir, als ich innerlichen an ‚Vriska Harley Löfström‘ dachte. Vom Klang gefiel es mir nicht, aber die Bedeutung dahinter, schien viel wichtiger zu sein. Ein verträumtes Lächeln tuschte mir über die Lippen. War es das, wovon alle immer sprachen, wenn sie über ‚Schmetterlinge im Bauch‘ redeten?
      Obwohl das Atmen noch immer in der Lunge schmerzte, ging es mir schon deutlich besser nach der Runde im Wald. Trymr legte sich zufrieden auf den weichen Teppich vor der Couch, aber beobachtete jeden Schritt, den ich machte. Dazu gehörte auch, endlich mal auf mein blödes Handy zu schauen. Es hing noch immer am Ladekabel und als ich es entsperrte leuchteten mehr als Hundertzwanzig neue Mitteilung in der Mitteilungszentrale. Kurz überflog ich alles und löschte zunächst alles Unnötige, damit ich einen Überblick bekam, worauf ich auf jeden Fall klicken müsste. Neben einigen von Erik, leuchtete auch neben Niklas eine blaufarbende Neun. Warum hat der mir so viele Nachrichten geschrieben? Rein interessehalber drückte ich dort als Erstes rauf. Ich sah, dass es nicht nur Nachrichten von ihm gab, sondern offensichtlich auch welche von mir. Beim durchscrollen bemerkte ich, dass ich offenbar das alles erst in Gang gesetzt hatte.
      Wow. Perplex fiel mir mein Handy aus der Hand und starrte in die Leere. An Niklas erinnerte ich mich gar nicht mehr. Lief da etwas? Gehörte das zu den Gründen, wieso ich so viel getrunken hatte?
      „Es tut mir unglaublich leid, dir solche Sorgen bereitet zu haben. Das wollte ich nicht.
      Ich habe voll den Filmriss und weiß nicht mehr was seit Dienstag 23 Uhr passiert ist, und ja. Ich weiß, dass heute Donnerstag ist …“, tippte ich in Windeseile auf dem Bildschirm ein, nach dem ich es von Boden wieder aufhob. Gespannt starrte ich weiter auf das Display, bis sich gesendet zu gelesen änderte und das drei animierte Punkten auf seiner Seite auftauchen. Er schrieb, schrieb und schrieb, aber eine Nachricht kam bei mir nicht an.
      „Wir müssen uns nachher treffen, dann sprechen wir. Bin gegen neun Uhr am Abend am Stall, erwarte dich“, kam es urplötzlich, als ich es gerade zur Seite legen wollte. Es stellte sich somit nicht einmal die Frage, ob ich es wollte. Ich musste dort hinfahren, wenn ich beabsichtigte, die Puzzleteile zusammenzulegen.
      > Vill du ha ditt kött?
      “Möchtest du dein Fleisch?”, lachte ich voller Tatendrang und stemmte mich aus dem Bett hoch. Glücklich sprang der Riese mir um die Beine, ich glaube, dass ich ihn mittlerweile mehr mochte, als ich mir eingestehen konnte. Aus dem Kühlschrank griff ich nach der durchsichtigen Plastikdose, aus der mit einem schwarzen Stift ‘Trymr’ geschrieben stand. Wenn das Eriks Handschrift war, dann hatte sie Charakter. Ich mochte die Form, wie er das Y schrieb, wusste auch nicht wieso. Eigentlich sah es aus wie eine Vier, dass in der Zeile verrutschte, aber sich homogen in das Wort hineinschmiegte. Ich wurde anbellt. Anstatt mir stundenlang die Handschrift anzusehen, sollte ich dem Ungetüm seine Nahrung geben, nicht das ich zum gefundenen Fressen werden würde. Ein Nachteil hatte es, dass es mir zunehmend besser ging — ich konnte wieder Gerüche wahrnehmen. Mir stieg hab geronnenes Blut in Nase und wie auch immer ich die Innereien eines Wildschweins beschreiben sollte. Angewidert zog sich mein Magen zusammen, aber ich überstand es, dem Hund alles in seinen hölzernen Napf zu machen und auf den Boden zu stellen. Höflich wartete er, bis ich den Befehl gab zum Starten. Laut schmatzte Trymr und schob den Napf quer durch die Wohnung. Es dauerte nicht lange, bis dieser leer war und der Hund sich satt wieder vor die Couch legte.
      Durchs Fenster hindurch, sah ich Erik kommen, der mich sogleich bemerkte. Im Schlepptau hatte er Fredna, die eine niedliche geflochtene Frisur hatte und eine dicke Orange braune Jacke trug über ihren kleinen grauen Röcken mit Strumpfhose. Nur die dunkelgrünen Gummistiefel passten nicht ganz ins Gesamtbild.
      „Mein Fräulein ist wieder unter den Lebenden“, freute er sich und gab mir liebevoll einen Kuss auf die Stirn. Fredna hingegen ignorierte mich komplett. Sie saß auf der Fußmatte vor der Tür und kämpfte damit aus den Schuhen herauszukommen. Als auch Erik ihr Problem bemerkte, half er ihr und hängte auch ihre Jacke an den Haken.
      > Får jag spela?
      „Darf ich spielen“, fragte sie aufgeregt und Erik zuckte mit den Schultern. Stattdessen sah sie mit ihren riesigen blauen Augen zu mir, fummelte dabei an einen der beiden dunkelblonden Zöpfen herum.
      > Det finns gott om plats för dig bredvid sängen
      „Neben dem Bett ist ganz viel Platz für dich“, lächelte ich und zeigte Richtung Schlafzimmer. Entschlossen griff sie nach ihrem kleinen Koffer und zog ihn hinter sich her. Still saß sie neben dem Bett. Ich beobachtete, wie Fredna ihre kleinen Pferde auspackte und geordnet der Farbe nach aufstellte. Erik stellte sich zu mir an die Ecke, legte seine Arme um mich und atmete tief ein. Es fühlte sich wirklich an wie eine kleine Familie, die sich gerade den Wunsch vom Eigenheim erfühlte und nun glücklich in die Zukunft sah.
      „Ich bin froh, dass ihr da seid“, flüsterte ich und lehnte mich an seinem Oberkörper an.
      „Lass uns auf Couch gehen“, schmunzelte er, „sie mag es nicht beim Spielen beobachtet zu werden.“
      Ich drehte mich um und sah ihm direkt in die Augen. Er strahlte. Etwas an ihm schien verändert. Natürlich trug sie jeher einen seiner Anzüge, heute einen dunkelblauen, aber seine Haare. Seinen Haaren fehlte es am Gel. Der Großteil von ihnen befand sich in der gewünschten nach hinten geschobener Form, aber einige standen wie wild nach oben. Es lockerte seine strenge Ausstrahlung um Längen auf. Erik bemerkte, wie ich verliebt zu ihm aufsah, noch immer fest im Griff seiner Umarmung. Dann zog er mich noch näher an sich heran und sagte: „Ich bin auch froh, bei dir sein zu dürfen“, und gab mir einen Kuss auf die Haare. Ich schloss die Augen und wünschte, dass wir für immer nur hier stehen könnten. Bevor der Gedanke vollständig in mein Hirn einging, zog er mich hinüber zur Couch und schaltete einen Sender ein, bei dem Nachrichten liefen.
      „Wie geht es dir?“, erkundigte er sich, ohne den Blick von mir abzuwenden. Dem flimmernden Bildschirm schenkte er nur kurz seine Aufmerksamkeit.
      „Relativ gut, denke ich. Aber“, ich strauchelte.
      „Aber?“, wiederholte Erik aufrichtig und überdramatisiert betont.
      „Aber ich weiß nichts seit Dienstagnacht“, gab ich zu und senkte den Kopf. Wusste er was passiert war? Wollte ich es überhaupt herausfinden?
      „Dann hast du einiges verpasst“, lachte er, „auf jeden Fall hattest du dein Spaß. Papa mag dich.“
      „Klingt besorgniserregend“, murmelte ich.
      „Vivi, jetzt lächle doch wieder. Es ist alles gut, du hast es gerockt“, versuchte Erik mich aufzumuntern. Ich fühlte
      „Was habe ich gerockt?“
      „Du scheinst dich wirklich an nichts mehr zu erinnern“, Eriks Lachen wurde herzlicher und offener, „es entbrannte eine feurige Diskussion über Pferdeopferungen.“
      „Pferdeopferungen?“, wiederholte ich ungläubig und zu gleichen Teilen schockiert. Wieso gab es die Notwendigkeit darüber zu diskutieren? Jeder sollte das als unethisch empfinden.
      „Das ist nicht der Punkt. Du bist standhaft bei deiner Meinung geblieben, hast sie mit wirklich schlagfertigen Argumenten untermauert. Im Laufe der Diskussionen fehlten ihm die Worte und das, obwohl er immer etwas zu sagen hat. Dann beschloss Papa weiterhin fester Partner zu sein und würde euch gern helfen aus der Blamage herauszukommen“, schmunzelte er.
      „Awesome“, schrie ich aufgeregt, „ma‘ gosh!“
      „Ach, lernst du jetzt Englisch?“, witzelte Erik weiter. Ich winkte nur ab und sprang von der Couch, um zu versuchen, dass mein Bruder an sein verdammtes Handy ging. Ungeduldig lief ich den kleinen Flur zwischen Wohnküche und Schlafzimmer entlang und murmelte vor mich hin, bis mich plötzlich etwas am Oberschenkel berührte. Überrascht hielt ich an und sah an mir herunter. Fredna stand vor mir, sah mit feuchten Augen an mir hoch.
      > Jag måste gå på toaletten
      “Ich muss auf die Toilette”, flüsterte sie. Ja und? Was sollte ich da tun? Erik hatte es zum Glück ebenfalls gehört und lief mit ihr die Tür, die direkt an den Flur grenzte.

      Harlen erreichte ich nicht mehr, auch auf das Großaufgebot meiner Nachrichten reagierte er gab es keine Reaktion. Wo steckte der nur? Ununterbrochen biss ich mir auf der Unterlippe herum, solange, bis sie blutete. Auf dem Bildschirm des Fernsehers verfolgte ich die Horrorbilder aus der ganzen Welt, so viel Gewalt. Dahingegen erschienen meine Probleme auf der Couch, mit dem Typen, den ich mochte, in einer warmen Wohnung auf einmal so überschaubar und lächerlich.
      Erik schlief irgendwann ein und ich hatte es mir auf seinem Schoß bequem gemacht, immer mit einem Auge auf der Uhr. Wenn ich noch Lubi einladen würde, bräuchte ich sicher eine Stunde, um pünktlich in Kalmar anzukommen. Viel Zeit blieb mir nicht mehr, aber wenn ich aufstehen würde, wäre er sicher aufgewacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es ihm ginge und darüber sprechen, wollte er auch nicht. Die meiste Zeit schwieg er über seine Gefühle – außer, es ging um mich. So auch, wie sein heutiger Tag verlief. Alles, was er herausbrachte, war ein ‘Gut, danke’ und sah wieder zum Gerät. Ich konnte nicht einschätzen, wie das auf lange Sicht werden würde, vor allem im Hinblick auf Fredna, die zwar ungewöhnlicherweise besser auf mich zu sprechen war, aber im Generellen meine Anwesenheit eher weniger schätzte.
      Verdächtig nah kam der große Zeiger der elf. Vorsichtig versuchte ich mich aus seinen Armen zu befreien, die auf meinem Oberkörper lagen. Aber Erik wachte auf.
      “Wo willst du hin?”, murmelte er verschlafen und wischte sich mit der Hand durch die Augen.
      “Zum Training”, sagte ich kurz und verschwieg Niklas.
      “So spät noch? Dann warte, ich zieh mich um”, stöhnte er. Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen, was ich zu meinem Vorteil nutzte.
      “Alles gut, bleib hier. Ich schaffe das allein”, versicherte ich. Erleichtert seufzte er und richtete sich dennoch auf. Ich sammelte leise aus dem Schlafzimmer meine Reitsachen vom Stuhl auf, um Fredna nicht zu stören. Aber sie bemerkte mich und fragte mich aus, wo ich hinwollte. Schließlich sei es dunkel und im Dunkeln sind böse Tiere unterwegs, die Menschen fressen. Aller klar Fredna, man sollte dir weniger Märchen vorlesen. So freundlich ich konnte, erklärte ich der neugierigen jungen Dame, dass ich Aufgaben hatte und mir nichts passieren würde. Eigentlich sollte doch ein Kind in ihrem Alter schon im Bett sein, oder nicht? Skeptisch sah sie zur mir hoch, nickte und widmete sich wieder ihren Pferden. Vaterschaft war damit bestätigt, lachte ich in mich hinein und zog mich im Badezimmer um. Meine neue graue Reitleggings fand ihren Einsatz, aber den dunkelblauen Kapuzenpullover aus der Schule behielt ich an. Bei dem nächsten Blick erschrak ich. Plötzlich stand Erik hinter mir, ich hörte seine Schritte nicht.
      “Darf ich dir die Haare machen?”, fragte er höflich. Verblüfft öffnete ich den Mund, für einen Augenblick innehielt und antworte: “Klar, warum nicht.” Aus dem Schubfach holte ich wieder die Bürste heraus und drückte ihm sie in die Hand. Es dauerte nur kurz, bis er begann auf der rechten Seite die ersten Strähnen zu flechten.
      “Aber ich habe nicht ewig Zeit, ich muss um spätestens fünfzehn zum Stall”, sagte ich, “pünktlich zehn vor neun erwartet man mich.” Er nickte nur lächelnd und fummelte an meinem Kopf weiter herum. Gespannt beobachtete ich durch den Spiegel sein Handwerk. Mit seinem kleinen Finger trennte er die Strähnen vom Kopf, verband sie miteinander, bis eine Art französischer Zopf entstand, aber seitlich und deutlich lockerer. Auf der anderen Seite wiederholte Erik sein Kunstwerk und war wenig später fertig.
      „So, jetzt kann Daenerys ihre Drachen reiten gehen“, lachte er und legte seine Arme auf meinen Schultern ab.
      „Clown gefrühstückt? Sehr lustig“, verdrehte ich die Augen und huschte aus seinen Zwängen heraus.
      „Jetzt habe dich nicht so“, folgte er mir aus dem engen Bad heraus, „das war lustig.“
      Es wurde weniger lustiger seit den unangebrachten Witzen von Chris am Wochenende, die ich mir bis heute anhören durfte. Zum Glück hatte mein Bruder kurzes Haar, wer weiß, wo sonst das alles enden würde.
      Freundlich wieherte mich Lubi in hohen Tönen an, als ich zehn Minuten später im Stall stand und anfing das Equipment in Pferdehänger zu räumen. Sie stand als Einzige noch drin, was ich mir auch nicht so recht erklären konnte. Eigentlich hätte Lina oder Folke sie auf eine der einzelnen Weiden stellen sollen.
      “Ja, es geht gleich los”, beruhigte ich die Stute. Unruhig trampelte sie in der Box und lief von der einen Seite zur anderen. Die Eisen klimperten auf dem Beton Boden. Etwas mulmig wurde mir dann doch, was wäre, wenn mir etwas auf Strecke und noch viel wichtiger: Was war, wenn Lubi etwas passierte? Müsste Harlen dann dafür aufkommen müssen? Wie sollte er ein solch teures Pferd finanzieren? Als spürte er meine Zweifel vibrierte mein Handy. Hektisch nahm ich es aus meiner Tasche am Bein.
      “Schwesterherz, du bist großartig! Ich wusste, dass du das bessere Durchsetzungsvermögen hast. Morgen komme ich für einige Stunden, dann sprechen wir. Hab dich lieb”, lass ich vom dunklen Bildschirm und steckte es zurück, ohne eine Antwort zu verfassen. Dann konzentrierte ich mich wieder auf die braune Stute und legte ihr das bordeauxfarbende Lammfell um den Kopf, führte sie hinaus und ließ wie Niklas den Strick los. Tatsächlich lief sie auch bei mir die Rampe hinauf und ich schloss die Stange, bevor es nach Kalmar losging. Am Straßenrand zogen die warmen Lichter der Innenraumbeleuchtung nur schemenhaft vorbei und sanft glitzerten die feuchten Laubblätter auf der Fahrbahn. In einem ruhigen Moment warf ich einen Blick auf Lubi, die ich durch die Hängerkamera auf dem Monitor des Fahrzeugs sah. Sie spielte mit dem Heunetz und zupfte daran. Aus dem Radio ertönten sanfte Töne eines mir unbekannten Liedes.
      “Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst”, begrüßte mich Niklas verwundert, als ich Lubi in den hell erleuchteten Stall führte, “und erst recht nicht so aufgetakelt.”
      Er hatte Form den Gurt fester gezogen und musterte mich. Kurz grinste er, trat einen Schritt zurück.
      “Es interessiert mich, was du zu sagen hast”, flüsterte ich. Am anderen Ende stand Chris, aber hatte mich offensichtlich noch nicht bemerkt.
      “Dann treffen wir uns gleich in der Reithalle, oder was willst du machen?”, erkundigte sich Niklas. Ich nickte nur und ignorierte, dass es eine Ergänzungsfrage war. Eine Beschwerde gab es nicht.
      In der Halle war ich noch nicht oft und jedes Mal bewunderte ich dieses Bauwerk. Es gab einen breiten Flur, von dem einige Türen abging, den man erst führen musste, um zum eigentlichen Platz zu kommen. Auf dem Boden lag ein roter Teppich, der mit Sand aus den Hufen der Pferde bedeckt war, die Bande schwungvoll gebogen, vermutlich durch Wasserdampf in seine Form gebracht, Panel für Panel. Darauf befestigt die Dachbalken, die zur Decke hin spitz zuliefen und zuvor einen tropfenförmigen Bogen machten. Die großen Fenster brachten im Normal ausreichenden Licht ins Innere, aber spendeten drei riesige Kronleuchter dieses. Sie stammten vermutlich aus der Barockzeit oder Neo-Renaissance, was weiß ich. Im Kunstunterricht schlief ich die meiste Zeit, um solche Dinge erkennen zu können. Zur Ergänzung hingen noch Strahler an der Decke. Niklas führte fünf Minuten später seine Stute ebenfalls durch den Eingang.
      “Helm, brauchst du nicht?”, wunderte er sich monoton. Dass erinnerte mich daran, was ich vor dem Verladen noch einpacken wollte, aber Harlen hatte mich abgelenkt.
      “Doch, aber vergessen”, sagte ich, “aber auch egal. Ist sowieso nicht viel drin.”
      Er lachte, zuckte dann mit den Schultern und stieg auf.
      “Was wolltest du besprechen?”, fragte ich endlich, um die quälende Stille zu durchbrechen.
      “Was passiert ist”, kam es kurz.
      “Lustig. Hast du meine Nachricht gelesen? Ich erinnere mich an nichts. Mittlerweile weiß ich, dass ich eine Diskussion mit deinem Vater hatte”, schüttelte ich den Kopf, seine Augenbraue zog sich nach oben, “über Pferdeopferungen. Aber offenbar brachte ihn das zum Nachdenken.”
      “Ah, das Thema. Schwierig”, stimmte er mir zu. Die Verwunderung wich aus seinem Gesichtsausdruck. Statt mir endlich die Wahrheit zu offenbarten, schwieg er die meiste Zeit, starrte gedankenverloren in die Leere oder ignorierte mich. Schien ziemlich wichtig gewesen zu sein, was er besprechen wollte, wenn er nun diese Tour an den Tag legte. Reiten hätte ich auch in der heimischen Reithalle, aber nun gut.
      Bei X ritt ich auf die Mittellinie auf und gurtete noch einmal nach, erst dann nahm ich die Zügel mehr auf. Lubi kaute genüsslich auf dem rosé goldenen Gebiss, bei dem ich mich noch immer fragte, wieso kein silbernes reichte. Immerhin war der Zaum schwarz und der Sattel auch. Die meiste Zeit ritt ich Schritt, denn schon nach einigen Runden im Trab begann ein unerträglicher Hustenanfall. Verzweifelt schnappte ich nach Luft, bis es besser wurde.
      “Weniger Rauchen soll helfen”, kommentierte Niklas meine schwerfällige Atmung, als er an uns vorbeitrabte.
      “Klugscheißer”, rollte ich erneut mit den Augen.
      Keine Reaktion.
      Lubi nahm Acht darauf, dass ich nicht ganz fit war. Sie schritt ruhig unter mir und warf keinen flüchtigen Blick um sich herum, im Gegensatz zu dem kleinen Ritt gestern. Tatsächlich konnte ich das aus meinem Gedächtnis wieder hervor fischen, dass ich mich auf die riesige Stute schwang. Ich konnte mir nicht genau erklären, wieso ich in der Ekstase, meiner Krankheit und sonstigen Umständen in der Lage ein Pferd fertig zu machen und sogar zu trainieren. Vielleicht sollte ich mir bei meiner Rückkehr noch die Videoaufnahmen ansehen, dann wusste ich mehr.
      “Willst du jetzt noch reden, oder bin ich unnötigerweise rausgefahren?”, fragte ich genervt, als Niklas sich die Zügel aus der Hand kauen ließ und im Begriff war, seine glänzende Stute abzureiten. Er zuckte mit den Schultern.
      “Frechheit”, murmelte ich und wich ihm aus. Doch nun schien er doch auf mich zu reagieren und wendete Form ebenfalls, trabte ein Stück, um aufzuholen.
      “Wieso bist du so …”, er geriet in Wortlosigkeit, als ich zu ihm sah mit feuchten Augen.
      “Ernst?”, fragte ich.
      “Zurückweisend”, vervollständigte er seinen Satz.
      “Ich? Zurückweisend? Du wolltest mit mir sprechen und drückst dich auf einmal davor. Deinetwegen musste ich mir einen Schwachsinn überlegen, um hierherzufahren und das, obwohl es mir nicht gut geht. Jetzt komm mal klar”, schimpfte ich mit zittriger Stimme. Gänsehaut verteilte sich aus heiterem Himmel über meine ganze Haut und mir wurde kalt, sehr kalt.
      “Du wolltest das”, fauchte er zurück.
      “Bist du taub oder dumm?”, schüttelte ich meinen Kopf vor Verzweiflung, “Ich erinnere mich nicht, also entweder sagst du mir jetzt, was du willst oder schweige für immer.”
      Kräftig atmete er ein und wieder aus, sah hoch zur Decke und verkrampfte den Kiefer.
      “Weder bin ich taub noch dumm, du vielleicht. Aber ich wollte nicht glauben, dass du das Vergessen hast”, begann Niklas mit der Wahrheit herauszurücken, stoppte jedoch, als überlege er, wie die Worte am besten wählen sollte. Auf einer Stirn bildeten sich zwei wellenförmige Falten, die er nur bekam, wenn ihm etwas zuwider war. An seinem Hals schlug aufgeregt die Hauptschlagader und unsere beiden Stuten interessierten sich überhaupt für die Auseinandersetzung.
      “Du willst es unbedingt wissen, dann höre nun genau zu. Ich möchte dich nicht verletzen, beleidigen oder sonst irgendetwas damit. Es ist eine reine Tatsachendarstellung”, stellte er klar. Verwunderte drehte ich meinen Kopf, aber stimmte letztlich zu. Seinerseits folgten weitere kräftige Atemzüge.
      “Nach einem Rundgang wolltest du gehen, aber”, stoppte Niklas und atmete noch einmal hörbar, “dann standen wir ziemlich nah aneinander, sahen uns tief in die Augen. Du griffst mir ziemlich nah ans Becken. Ich legte meine Hände an deine Taille und drückte dich gegen die Wand. Hätte Erik dich nicht gerufen, wer weiß.”
      Und darum machte er jetzt so einen Rummel? Unwillkürlich schmunzelte ich, lachte auch etwas und schüttelte nur ungläubig den Kopf. Es unterhielt mich viel mehr, als ich, dass mir Sorgen machte etwas aufs Spiel gesetzt zu haben.
      “Warum lachst du?”, fragte er und rang nach Luft. Erst als er auf meine Antwort nicht reagierte, berührte ich ihn vorsichtig am Arm. Wie versteinert zuckte er auf einmal zusammen, schüttelte sich.
      “Ich zähle nun bis vier und atmest du durch die Nase, dann bis sieben aus, dann wieder ein”, sagte ich bestimmt in begann zu zählen. Niklas schloss die Augen und konzentrierte sich auf meine Zahlenfolge. Schon nach dem zweiten Mal wurde es besser. Seine Hände zitterten nicht mehr, sein Gesicht bekam wieder Farbe und auch Form stellte die zuvor unruhig angelegten Ohren wieder auf.
      “Danke”, murmelte er und versuchte ein Lächeln aufzusetzen.
      “Es ist okay, verstehst du? Offenbar war es meine Schuld und ich hätte dich nicht in so ein Dilemma bringen dürfen. Es tut mir aufrichtig leid”, versicherte ich nach weiteren Runden Schritt.
      “Das Problem ist nicht, dass es beinah passierte, sondern ich es gerne getan hätte. Deswegen lag ich noch Stunden wach, wie es dann wohl weitergegangen wäre, ob diese Entscheidung, zumindest für uns beide, die richtige hätte sein können”, erzählte er weiter, denn das schien der eigentliche Grund der Unterhaltung zu sein. Ich konnte nicht einordnen, was ich fühlte. Das, was ich sonst in seiner Nähe spürte, war spätestens nach Eriks Rückkehr zu großen Teilen verschwunden, vor allem, wenn ich an das Turnier zurückdachte. Ich hatte schon einmal eine Beziehung aufs Spiel gesetzt und offenbar würde es noch häufiger dazu kommen.
      “Niklas”, begann ich, “es ist alles gut, wie es ist. Etwas Festes einzugehen, scheint dir schwerzufallen und dir deswegen einen Anker zu suchen, mit dem du dich in der Vergangenheit besser fühltest, wird wohl normal sein. Dass dein Anker ziemlich unkontrollierte Schübe hat, sorgt jedoch für weitere Entgleisungen.”
      Besten Gewissens versuchte ich aufzumuntern, schon allein aus der Tatsache heraus, dass ich wusste, dass es Erik mehr oder minder egal schien. Wäre es nicht so, würde ich auch verzweifelt im Sattel meines Pferdes thronen und die Welt vernichten wollen – aber das tat ich nicht, denn es erleichterte mich sogar. Niklas schwieg, sah im Wechsel auf den Mähnenkamm seiner Stute und hoch zu den Deckenbalken. Irgendwann stiegen wir ab. Es wurde immer später und zunehmend nährte sich der kleine Zeiger der Zwölf.
      “Darf ich dich umarmen?”, fragte er plötzlich, als ich den Gurt von Lubi gelockert hatte und tastete, ob die Haut an den wichtigen Stellen getrocknet war.
      “Natürlich”, sagte ich freundlich und wurde beinah überfallen von seiner Freude darüber. Kurz schüttelte ich mich, um festzustellen, ob ich wach war. Unbeholfen klopfte ich auf seinen kräftigen, triefend vor Schweiß nassen Rücken und wusste nicht so recht, wie ich diesen Schwall an Gefühlen bändigen sollte. Durch meinen Schoß das Blut vor Freude, aber nicht das, was ich einmal bei ihm verspürt hatte. Ja, es war schon anziehend ihn so nah zu haben und zu wissen, was mich erwarten könnte, aber ich verlangte nicht danach.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 33.595 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte September 2020}
      Fohlenbericht zwei von sieben.
    • Mohikanerin
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      kapitel tio | 29. Dezember 2021

      Lubumbashi // Millennial LDS // HMJ Holy // Sign of the Zodiac LDS // Enigma LDS // Götterdämmerung LDS // Waschprogramm // tc Herkir // Glymur // Forbidden Fruit LDS // Girlie

      Vriska
      Ehrlich gesagt hatte ich mir genauso mein Leben vorgestellt. Mittlerweile fuhr ich zweimal die Woche nach Kalmar zusammen mit Lubi zum Training. Freitagnachmittag stand das Gruppentraining mit Herrn Holm an, dass Herr Norsberg gerne begleitete und mit stolzer Brust erzählte, dass eine der besten sei aus der Akademi und mir diesen Platz redlich verdient hatte. Da die Turniersaison so gut wie beendet war, gab es nicht viel, worauf ich hinarbeiten konnte. Umso wichtiger wurde es, dass die Lektionen sicherer ritt und Lubi erledigte den Rest für mich. Dienstags verabredete ich mich mit Niklas, der großen Gefallen daran hatte, mir weiterhin Befehle zu geben, die ich treu meiner Persönlichkeit befolgte. Das sorgte natürlich dafür, dass wir stets das Gespräch am Hof waren und die Gerüchteküche brodelte. Aber was soll ich sagen? Ich hatte es wirklich geschafft mich emotional von ihm zu lösen und seine Ablenkung verrichtete großartige Arbeit. Er war ein toller Mann mit genauen Vorstellungen vom Leben, und von mir. Schon der bloße Gedanke an ihn sorgte für ein leichtes Kribbeln in meinen Fingern. Mit Erik hingegen wurde es still. Wir hatten uns einige Male getroffen, aber diese magische Verbindung zwischen uns schien wie durchtrennt. Ich vermisste, was wir hatten, aber klammerte mich nicht mehr panisch daran, zumindest versuchte ich mir das einzureden. Wenn ich morgens wach wurde und feststellte, dass es keine Guten Morgen Nachricht gab, wusste ich schon, dass der Kontakt eher spärlich verlaufen würde. Ich vermisste seine Nähe.
      Mein Bruder hatte die Geschäftsführung des Hofes übernommen und blühte tagtäglich darin auf. Die Klage aus England wurde mit einer unnötig hohen Summe an Geld beglichen und es lief, mehr oder weniger. Er repräsentierte weiterhin das Unternehmen, aber entschied, dass jemand anderes das Geschäftliche regeln sollte.
      Es regnete wie aus Eimern, als ich einen Blick aus der Reithalle nach draußen warf, in der ich gerade Millennial abritt. Die junge Stute hatte vor einigen Tagen ihr erstes Rennen und schlug sich wacker zwischen den ganzen Cracks. Einen Sieg gab es für sie nicht, aber die Erfahrung war so viel wichtiger als eine weitere Scherbe in der Sattelkammer. Zum Ausgleich ritt ich sie seit Anfang September ein. Mill hatte Temperament und davon nicht wenig, dennoch bemühte sie sich einen Gang runterzuschalten. Verschwitzt drehten wir unsere Runden auf der ganzen Bahn, denn das Lenken ließ noch zum Wünschen übrig.
      “Denkst du daran, dass wir nachher noch aufs Folkes Geburtstag anstoßen?”, erinnerte ich Lina daran, die gerade mit Zoi den Stall betrat. Ihr Regencape war vollkommen durchnässt und auch die braune Stute wirkte sehr unzufrieden mit der Gesamtsituation.
      “Ja, ich denke daran, also zumindest jetzt”, erwiderte sie und schob sich die nasse Kapuze vom Kopf. Seitdem ihre Schwester nicht mehr da war, fanden wir immer mehr zueinander und mittlerweile würde ich sagen, dass wir Freunde waren. Sie wusste nichts von den ganzen Gerüchten, worüber ich froh war. Schließlich waren es auch nichts mehr Gerüchte, die sie nur wieder verunsichern würden.
      “Wenn du mit Zoi fertig bist, müssen wir uns mal Holy zusammen anschauen. Die wird immer dicker, obwohl sie schon auf Diät ist”, rief ich noch über die Bande. Mill hielt laute Geräusche für weniger lustig und legte die Ohren an. Sanft strich ich ihr über den nassen schwarzen Hals.
      “Okay. Ja, das ist mir auch schon aufgefallen, ziemlich seltsam”, nickte Lina stirnrunzelnd. Ich ritt mit der Stute noch weitere Runden, bevor ich aus dem Sattel rutschte und mit beiden Beinen fest im Sand landete. Millennial schüttelte sich, versuchte ihren Kopf an mir zu reiben und konnte gar nicht schnell genug wieder zurück auf den Paddock. Immer wieder bremste ich sie beim Verlassen der Halle und legte ihr das Halfter um, dass direkt neben dem Tor hing. Zur Kostensenkung hatte mein Bruder eine grandiose Idee, die mich nur zum Kopfschütteln brachte. Am Eingang hing neben dem Halfter auch ein Hufkratzer, mit dem wir den Sand aus den Hufen entfernen sollten und danach alles mit dem Besen zurück fegen. Ein Schicksal des Sandes war es, dass Tyrell alle drei Monate eine Fuhre nachorderte, um die Höhe zu halten. Durch das Auskratzen und Zurückfegen sollte das nun verhindert werden, schauen wir mal. Ich denke nicht, dass das etwas bringen würde.
      Mills Augen fielen immer wieder zu, als sie unter dem Solarium stand und die Wärme genoss. Lina stand daneben mit Zoi und versuchte mit aller Kraft der jungen Stute die Hufe auszukratzen, doch sie stellte sich stur und belastete immer wieder das gewünschte Bein. Amüsiert betrachtete ich die Szenerie, bis mich entschloss, doch zu helfen. Energisch patschte ich mit meinem Handrücken gegen das Bein der Stute, die umgehend das Bein hob.
      “Bei ihr brauchst du nicht höflich sein, sonst verarscht sie dich weiter”, erklärte ich und half noch bei den restlichen Beinen. Lina nickte und versuchte es beim letzten Huf allein. Zoi gab nach. Zusammen liefen wir zur Sattelkammer. Sie griff auch aus der großen ein Kappzaum und durchwühlte den riesigen Deckenhalter nach einer Weidedecke für Mill. Ihre richtige Decke hing noch zum Trocknen im Heizungsraum, also musste eine andere her.
      “Die sollte passen”, sagte ich im Selbstgespräch zu mir, als ich eine dunkelgrüne Decke in der Hand hielt, die genauso groß war wie ich. Zum Tragen knüllte ich sie irgendwie zusammen und lief über die Stufen hinaus. Millennial schlief beinah unter dem roten Licht und funkelte mich mürrisch mit ihren großen blauen Augen an, als ich es ausschaltete. So gut ich konnte, schmiss ich das Ding auf die trockene Stute und bahnte mir dann weg hinaus in den Regen. Obwohl die Wege befestigt waren, rutschten wir einige Male aus, bevor wir am Paddock ankamen. Mit angelegten Ohren sah sich mich an, als wollte sie sagen ‘Muss ich jetzt wirklich hierbleiben’ und gesellte sich zu den anderen Stuten unters Dach. Enigma stupste sie freundlich an, während Götterdämmerung versuchte, ihre Position neben der braunen Stute zu verteidigen, doch Mill wusste sich zu wehren und schnappte nach ihr. Die Diskussion war damit beendet und ich rannte zurück unters Dach, um nicht noch mehr durchweicht zu werden. In der Gasse machte ich etwas Ordnung und schielte immer wieder zu Lina hinüber, die Zoi versuchte für die Arbeit zu motivieren. Doch die Stute dachte gar nicht daran, sie für voll zunehmen und lief Runde um Runde im Kreis, schlief die Füße durch den Sand und schüttelte immer wieder den Kopf. Ich fand nicht die richtigen Worte, um den beiden zu helfen.
      “Hast du nachher Lust noch einen Film zu schauen?”, ertönte es hinter mir, gefolgt von Hufschlag. Tyrell betrat zusammen mit Bruce die Stallgasse. Perplex klammerte ich mich am Besen fest und musterte sie von oben bis unten. Die Beine der Hengste waren bis zu den Knien mit Matsch belegt und vom Schweif tropfte der Regen hinunter.
      “Du kannst es auch nicht lassen, oder?”, lachte Bruce und gab seinem Bruder einen leichten Schlag in den Oberarm mit der Faust. Tyrell funkelte ihn verärgert an, aber sagte nichts.
      “Können wir gern machen”, lächelte ich und stellte den Besen zurück an seinen Platz. Dabei stupste mich Herkir an meiner Hose an, in der sich wie immer Leckerlis versteckte. Ich kramte ihm umgehend nach einem und gab auch Waschi eins. Sanft fummelte er die Belohnung von meiner Handfläche. Ich strich beiden Pferden über den nassen Hals und schaltete das Solarium an, um die Hengste zu trocknen.
      “Kannst du ein Auge auf ihn haben?”, bat Bruce mich und bewegte seinen Kopf in Richtung des Hengstes, “ich muss mal nach Jonina gucken, die mit Cissa in der Reithalle sein sollte.”
      “Natürlich”, antwortete ich und stellte mich demonstrativ zu dem Fuchs. Bruce bedankte sich und zog die Kapuze über seinen Kopf, bevor er zurück in den Regen lief, um die zur anderen Halle zu gelangen. Lina schielte zwischen durch zu uns, aber hatte die junge Stute mittlerweile dafür motivieren können, aktiver vorwärtszulaufen.
      “Wir haben noch Red Sparrow auf der Liste”, kam Tyrell überraschend wieder, nach dem er Waschi auf den Paddock gebracht hatte. Mir entging, dass wir im April eine Liste erstellten mit Filmen und Serien, die wir ansehen wollten. In der Prüfungszeit und Vorbereitung zur Reise nach Kanada wurde meine Zeit immer knapper. Außerdem fühlte ich mich nicht wohl dabei, ihm immer näherzukommen.
      “Klingt gut”, schmunzelte ich, “aber vorher ist erst mal noch Folke an der Reihe.”
      “Wo ist der eigentlich?”, erkundigte er sich.
      “Er ist mit Hedda in Linköping, sollte jedoch demnächst wieder da sein”, erzählte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Dann verlangte Herkir wieder meine Aufmerksamkeit. Sinnloses herumstehen gefiel ihm nur mittelmäßig. Er tänzelte auf der Stelle, versuchte in die seitliche Befestigung zu beißen und wurde nervöser, je länger nicht von der Stelle kam. Sanft strich ihm über den Nasenrücken und hielt ihm am Halfter unten. Allmählich fand er sich mit seiner Situation, konnte sogar noch etwas dösen, bevor ich ihn in seine Box brachte. Er stand zusammen Glymur in unserem Stall und freute sich endlich wieder seinen Mitstreiter zu sehen.
      „Na mein Hübscher“, begrüßte ich den Hengst, für den ich seitdem intensiven Training mit Lubi, Fruity und der Göttin kaum noch Zeit schenken konnte. Auch er entschied meine Hosentasche, als äußerst interessant zu empfinden und fummelte mit seiner Oberlippe daran herum. Herkir spitze ebenfalls die Ohren. Für beide kramte ich eins heraus und übergab sie ihnen. Intensiv strich ihn durch die mittlerweile wieder volle Mähne und das plüschige Fell. Ich hatte extra meine Handschuhe ausgezogen, um seine Wärme spüren zu können. Es tat mir in der Seele weh, ihn so zu vernachlässigen, aber ich wusste, dass ich eine Entscheidung treffen musste und die nun mal, gegen das Gangreiten sprach. Ich träumte davon mit ihm selbige Prüfungen zu reiten wie ich mit Lubi vorbereitete, konnte mir aber schon denken, dass es für reinstes Gelächter sorgen würde. Glymur war trotz seiner fünf Gänge sicher im Trab und Galopp zu reiten und sogar so weit ausgebildet, dass eine L-Klasse locker mit einer Schleife belegen könnte, doch Bruce hatte schon lachend nur mit dem Kopf geschüttelt, als ich von dem Ritt in Kanada erzählte.
      „Würdest du bitte Platz machen? Ich möchte Glymur herausholen“, sagte die neue Trainerin, die Bruce ans Wasser zog für die Reitschule.
      „Ich denke nicht“, brummte ich genervt und wurde unfreundlich zur Seite gedrückt. Sie warf mir einen scharfen Blick zu und legte dem Hengst ein deutlich zu großes Halfter an. Dann verließ sie den Stall mit hocherhobenem Kopf. Tyrell zog mich zur Seite.
      „Vriska, so geht das nicht“, ermahnte er mich.
      Ich rollte übertrieben mit den Augen.
      „Das auch nicht!“, wurde seine Stimme lauter.
      „Aber der gehört mir“, protestierte ich und wusste, dass es nicht der Wahrheit entsprach. Das bekam ich direkt bitter zu spüren.
      „Dir gehört hier rein gar nichts“, tadelte mich Tyrell weiter, „ich teile mir mit meinem Bruder die Eigentumsrechte an dem Pferd. Wir haben dir freundlicherweise Glymur zur Verfügung gestellt und nun hast du dir das teure Dressurpferd angelacht.“ Dabei nickte er mit seinem Kopf zur vorletzten Box, in der Lubi ihren Kopf heraussteckte und albern wippte. Sie streckte die Zunge heraus, nach einem teuren Dressurpferd sah sie dabei nicht aus, eher nach einem Trottel, den man auf dem Jahrmarkt geschenkt bekommen hat.
      “Schon gut”, beendete ich wehleidig die Diskussion und wand mich von ihm ab. Ich spürte, dass er mir sehr auffällig nachsah, doch ich wollte ihn gerade wirklich nicht mehr vor den Augen haben. Stattdessen suchte ich Lina auf, die vermutlich alles davon mitbekam. Sie sammelte die braune Stute gerade ein, als ich am Tor auf sie wartete.
      “Gefällt dir wohl nicht so, dass jemand anders jetzt mit Glymi arbeitete, mh?”, erfasste sie die Situation, als sie mit Zoi im Schlepptau auf mich zukam.
      “Nicht so eingebildete, blöde Kuh”, sprach ich leise, damit Tyrell uns nicht hörte, “wenn ich das Geld hätte, wäre es schon mein Pferd.” Als erhörte jemand meinen Wunsch, vibrierte mein Handy. Ich warf einen kurzen Blick darauf: 1 Message from Niklas. “Also heute Abend ist die kleine Feier?”, schrieb er. Ich antwortete mit einem kurzen ‘Ja’ und steckte es zurück in die Brusttasche meiner Jacke.
      “Kann ich vollkommen nachvollziehen, ich wäre auch so drauf, ginge es um Ivy”, nickte Lina verständnisvoll.
      “Und dann kam der nicht adlige Prinz”, lachte ich aufgesetzt, “während meiner aus dem Frust heraus, sich direkt ‘nh andere sucht.” In dem Moment fiel mir ein, dass ich ihr noch gar nicht davon erzählt hatte und schämte mich für beides. Ich trat einige Schritte zur Seite, um ihr Platz machen am Anbinder. Neugierig zupfte Zoi an meinem Ärmel und bekam einen kleinen Klaps von mir, mehr als unkontrollierte Bewegung, als zur Erziehung. Ich seufzte.
      Lina hielt für einen Moment inne die Riemen des Kappzaums zu lösen und sah mich fragend an: “Soll ich fragen, was Erik angestellt hat oder willst du lieber nicht drüber reden?”
      „Ich weiß es nicht genau“, atmete ich erneut zu laut aus und ballte meine im Ärmel zur Faust, „er hat mir nichts Genaues erzählt, weil ich es nicht wollte. Alles, was ich weiß ist, dass er noch am Tag, als ich zutiefst im emotionalen Chaos versank, mit einer anderen schlief. Und als wir dann vor ein paar Tagen essen waren, meinte er, dass sich da etwas Ernstes entwickelte. Ich freue mich für ihn, aber es tut weh.“
      Zwischendrin schluckte ich immer wieder, fühlte mich schlecht dabei und noch schlechter, dass Trymr auch nicht mehr da war. Stattdessen klammerte ich mich an einem Typen, dessen Namen ich nicht kannte und womöglich die beste Chance im Leben verspielte. Ich war mir meiner Sache zu sicher, er war sich seiner Sache zu sicher und damit verloren wir beide das vermutlich wichtigste in dem Moment.
      “Das tut mir wirklich leid für dich, ich kann mir vorstellen, dass das schmerzt”, erwiderte sie mitfühlend. Lina meinte es gut, aber es war nicht wirklich das, was ich hören wollte. Dennoch lächelte ich und schniefte. Dann sah ich mich im Stall um, damit sonst keiner uns zuhörte.
      “Vielleicht”, murmelte ich, “sollte ich nachher wirklich noch zu Tyrell.”
      “Wenn du denkst, dass es dir guttut, mache es”, lächelte Lina freundlich.
      “Man”, protestierte ich laut stark und trampelte auf der Stelle herum. Zoi schreckte mit dem Kopf hoch, aber begriff im nächsten Wimpernschlag, dass ein Zwerg, wie ich es war, keine Bedrohung darstellte. Schockiert sah auch Lina mich an und setzte fort: “Du bist doch auch keine Hilfe. Weiß ich doch nicht, was mit guttut. Ich könnte vermutlich auch zu Vidar fahren und der würde sich zumindest mehr freuen.” Lachte ich zu sehr, um das es wie ein Scherz klang. Kurz dachte ich darüber nach, aber das war es wirklich nicht wert, knappe vierzig Minuten in die Höhle des Drachens zu fahren.
      “Entschuldigung”, beschwichtigen nahm Lina die Hände nach oben,” aber letzteres halte ich für eine sonderbare Idee. Noch ist nicht gesagt, dass das mit Erik und dir endgültig aus ist.”
      “Aber dann wäre wohl beides nicht ganz klug”, antwortete ich und überlegte kurz, “oder hast du Angst, dass ich deine Schwiegermutter werde?” Ich wusste, dass es nicht nur vollkommen absurd war, sondern auch geschmacklos. Doch irgendwie hatte Spaß daran, das Gespräch mit ihr zu führen, obwohl Lina ziemlich schockiert mich anblickte und nicht wusste damit umzugehen. Wir waren noch immer allein im Stall. Gegen die großen Fenster pladderte noch immer der Regen und der Wind toste an den offenen Toren vorbei. Die Pferde störte der Sturm nicht ansatzweise, doch mich beunruhigte es etwas.
      “Ähm, nein …”, sagte sie und blickte mich noch immer ein wenig verstört an, “und ob das andere unklug wäre, kann ich nicht beurteilen, weil ich keine Ahnung habe, was in deinem Kopf vor sich geht.”
      “Um dir das zu erzählen, bräuchten wir Alkohol, sonst könnte es dich ziemlich überfordern”, grinste ich. Meine Schulter lehnte an einen der Holzpfähle, rutschte ab, aber ich konnte mich noch rechtzeitig fangen. Wieder schlug das junge Pferd seinen Kopf nach oben.
      “Wenn es dich ernsthaft interessiert, kannst du zu mir kommen”, bot ich ihr beim Verlassen der Stallgasse an, “aber jetzt versuche ich erst mal Erik ein schlechtes Gewissen machen.” Dann lief ich weiter, noch rechtzeitig fiel mir noch ein, dass Niklas in wenigen Minuten da sein wollte.
      “Ach ja”, rief ich vom Tor, “dein Kerl ich gleich da.”
      Eine Antwort bekam ich nicht mehr, stattdessen blickte sie mich nur mit ihren großen Augen an. Nicht nur sie dachte gerade, dass ich verrückt sei, auch ich wusste das bereits. Aber normal kann jeder. Ich legte mir die Kapuze auf dem Kopf und rannte über den Kiesweg zu meiner Hütte. Eine Welle aus heißer, stickiger Luft kam mir entgegen, als ich die Schiebetür meiner Terrasse öffnete. Den Regenmantel warf ich in die Dusche und wechselte zunächst meine Kleidung. Da die Pferde bei dem Sturm nicht auf die Weiden sollten, gab es auch nichts weiter zu tun. Frisch umgezogen, ließ ich mich auf die weiche Couch fallen und konnte es eigentlich nicht abwarten, schlafen zu gehen und am nächsten Tag von vorne zu beginnen. Ein Tag sah bei mir seit Wochen sehr ähnlich aus: Ich stand auf, zog mich an, trank einen Kaffee und arbeitete mit drei Pferden, bevor ich mich an die Boxen machte und dann mit zwei Jungpferden fortsetzte. Danach variierte es, welche Pferde meine Aufmerksamkeit verlangten oder ob ich in die Stadt fuhr und Besorgungen machte.
      „Annäherungsversuche beim Chef machen, ja oder nein?“, schrieb meiner unbekannten Gesellschaft, die immer einen guten Rat zu schreiben hatten. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er meine Nachricht las und am Tippen war.
      „Eigentlich ist das immer eine idiotische Idee und du bist kein Idiot, junge Dame“, antwortete er.
      „Auch nicht, wenn ihm Gefühle vollkommen egal sind?“, formulierte ich frei heraus, denn ich wusste, dass Tyrell diese Sorte Mann war.
      „Erst recht nicht dann“, kam eine weitere Antwort, bevor die nächste bereits folgte, „schließlich hast du mich dafür. Also, was hast du auf dem Herzen?“
      „Der wichtigste Unterschied zwischen ihm und dir ist aber, dass er zur Verfügung steht und du dich hinter verführerischen Nachrichten versteckst, die mit aller Wahrscheinlichkeit immer Fantasie bleiben würden“, fühlte ich mich selbstsicher und kuschelte mich zwischen den Kissen ein. Mein Handy hielt in die Luft über meinen Kopf und grinste schelmisch. Mittlerweile konnte ich gut einschätzen, was ihm auf die Palme brachte und womit sich sein Ego nicht gut fühlte. Dazu zählte ganz klar die Tatsache, dass er ungern hinter anderen Männern gestellt wurde. Ewig pulsierten die drei Punkte, bis eine Antwort auf dem Bildschirm erschien: „Ach, so ist das also? Denkst du ernsthaft, dass ich nicht in der Lage bin, dich genauso glücklich zu machen, wie ich es sage? Das würde mich stark enttäuschen und glaube mir, du möchtest nicht, dass ich enttäuscht bin.”
      Mein Lächeln wurde immer breiter, ihn anzustacheln bereitete mir große Freude. Prüfend sah ich zur Tür. Der Regen wurde immer stärker und Lina noch kommen würde, bezweifelte ich immer mehr. Für mich selbst zuckte ich mit den Schultern und schrieb dann eine Antwort: “Was wäre denn, wenn du enttäuscht bist? Schließlich ist es für mich schwer einzuschätzen, ob du dazu in der Lage bist oder nicht, schließlich wagst du es dich nicht, mich physisch zu berühren.” Als hätte er schon beim Schreiben mitgelesen, leuchteten wieder die Punkte auf.
      “Das werden wir noch sehen”, provozierte er mich.
      “Ich will dich sehen”, nervös biss ich mir auf der Unterlippe herum, hoffte innerlich darauf, dass es ihn so sehr aus der Bahn warf, dass er noch heute herkommen wusste. Doch ich wusste, dass er keinesfalls an einen Ort kommen würde, an dem sich einer von uns beiden auskannte. Wir hatten bereits darübergeschrieben, wie das erste Treffen aussehen könnte und das würde auf jeden Fall in einem Hotel sein, dass für uns beide mehrere Stunden entfernt lag.
      “Sehen würdest du mich nicht, aber spüren würde doch schon reichen”, kam es als Antwort. Mein Herz pochte immer schneller, die Adern kochten und an meinem ganzen Körper breitete sich ein Zittern aus. Vielleicht sollte ich das alles nicht zu ernst nehmen, aber der Gedanke, dass er sich mehr Mühe gab, als der Kerl, von dem ich dachte, er sei der Eine, brachte mich zum Nachdenken. Ich war zu schwach, um ihm mehr zu schreiben, doch das war gar nicht nötig, denn er setzte direkt fort: “Aktuell hätte es niemand anderes mehr verdient als du. Wenn ich ehrlich bin, pulsiert alles auch nur für dich. Mein Herz ist bei dir.”
      Ich schluckte und schloss den Chat. Dann legte ich das Handy neben mich in die Couchritze und beobachtete, wie der Regen weiterhin gegen die großen Scheiben peitschte. Es wirkte hypnotisierend. Durch meinen Kopf liefen verschiedene Szenarien, wie es laufen würde, je nachdem welche Entscheidung ich treffen würde. Vor den Fenstern verdunkelte es sich und meine Augen fielen auch immer schneller zu, bis ich panisch wach wurde und nach meinem Handy in der Ritze wühlte. Neben vier Nachrichten hatte von meinem Unbekannten, hatte auch Erik mir geschrieben.
      “Ich glaube, du musst wieder Trymr zu dir nehmen”, las ich.
      “Warum?”, tippte ich auf den Bildschirm ein. Natürlich würde ich mich sehr darüber freuen, doch am Ende des Tages schien nur dieser Hund uns noch zu verbinden, als gäbe es sonst nichts mehr.
      “Er jault nur noch und frisst kaum”, vibrierte mein Handy umgehend. Ich atmete tief durch, wäre es der richtige Moment ihm zu sagen, dass es auch mir so ging? Immer wieder flogen die Finger über die matte Anzeige, löschten alles, um dann erneut dasselbe zu tippen. Ich hatte dafür gesorgt, dass er sich distanziert und ich die Kontrolle verlor. Es lag alles an mir, nur das sollte ich mir vor Augen führen. Eine Träne tropfte auf den Bildschirm und rief ihn unbemerkt an, was ich erst Minuten später bemerkte. Ich rieb mit meinen Händen durchs Gesicht, schluchzte immer wieder ‘Warum’ und weinte weiter. Dann hörte ich ihn: “Vriska?” Vor Schreck hielt ich den Atem an, verschluckte mich dabei und schnappte panisch nach Luft. Mit meinem Handballen wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und sah in mein Handy. Erik strahlte mich mit seinem übertrieben breiten Lächeln und winkte. Das war auf allen Linien einfach nur peinlich.
      “War ich das?”, fragte ich nasal und schniefte.
      “Ja, eindeutig”, lächelte er weiter, “aber jetzt sag mir, was los ist, sonst fahre ich zu dir.”
      Es gab Gründe, warum ich es in meinem Leben mied FaceTime abzuhalten. Dazu zählte, dass man seinem Gegenüber direkt sah und vor allem das, was im Hintergrund ablief. Trymr hatte mich offensichtlich an der Stimme erkannt und sprang über die äußerst hässliche Couch direkt auf seinen Schoß. Von Eriks Gesicht war nicht mehr viel zu sehen, dafür beobachtete der Hund genau, was auf dem leuchteten Bildschirm passierte und kam mit seiner großen Nase dem Touchscreen bedrohlich nah. Ich hörte auch Fredna quengeln, die vermutlich nicht in Bett wollte, sondern lieber mit den Pferdchen spielte. Obwohl noch immer Tränen über meine Wange liefen, lachte ich.
      „Ich spreche mit dir, was ist los?“, wiederholte Erik versucht seinen Hund vom Schoß loszuwerden, doch dieser rührte sich kein Stück.
      „Ich vermisse dich“, schluchzte ich.
      „Also fahre ich jetzt los“, beschloss er energischer und Trymr sprang überzeugt auf.
      „Nein, ist schon gut. Ich komm klar“, log ich und wischte mir erneut durchs Gesicht mit meinem Handrücken.
      “Jetzt lüge mich nicht an. So wie du aussiehst, kommst du nicht klar”, sagte Erik bedenklich und fuhr sich durch das offene Haar. Ihn nicht im Anzug zu sehen, war ein ungewöhnlicher Anblick, aber keiner, der mich an ihm zweifeln ließ.
      “Na gut”, murmelte ich und setzte mich ordentlicher auf das Sofakissen, “aber du musst nicht herkommen, möchte dich nicht belasten.”
      Erik begann zu Lachen und schüttelte den Kopf.
      “Dafür ist es reichlich spät. Also wie lange willst du noch diskutieren? So oder so mache ich mich gleich auf dem Weg”, erklärte er. Leider handelte es sich nicht mehr um einen Weg von vier Stunden, die er vor sich haben würde, um herzukommen, stattdessen waren es knappe dreißig Minuten, denn er zog vor zwei Wochen in ein Haus mit seiner Schwester am Rand von Kalmar.
      “Wenn es dich glücklich macht”, raunte ich.
      “Ja”, sagte Erik beschlossen, “aber ich ziehe mich erst mal ordentlich an.”
      “Nein”, rief ich sofort. Verwundert blickte er mich an.
      “Ich möchte nicht die Einzige in Jogginghose sein”, fügte ich noch hinzu.
      “Bis du mich in Jogginghose siehst, muss die Welt untergehen”, lachte er und bewegte das Handy nach unten. Erleichtert atmete ich aus, denn er trug eine Hose, eine Anzughose – wer hätte das nur denken können.
      “Dann bleib, wo du bist, ich packe deinen Freund ein und komme vorbei. Aber holst du mich dann mit einem Schirm vom Parkplatz ab?”, fragte er und stand auf. Aus dem Hintergrund ertönte:
      > Vart är du på väg nu? Har du tittat på din klocka?
      ”Wo willst du denn jetzt noch hin? Hast du mal auf die Uhr geschaut?)” Seine Schwester war von Anfang an ziemlich schlecht auf mich zu sprechen. Erik antwortete entschlossen:
      > Jag ska träffa min ängel och kommer inte tillbaka förrän i morgon.
      ”Ich fahre zu meinem Engel und komme erst morgen wieder.” Wieder stoppte mein Atem kurz. Hatte ich das gerade richtig gehört, oder verzog sein Dialekt wieder einmal die Worte.
      > Vriska, jag går nu.
      „Vriska, ich fahre jetzt los”, lächelte er und legte auf. Verkrampft hielt ich noch mein Handy in der Hand, starrte in dieselbe Richtung. Es half wirklich mit Menschen einfach darüber zu sprechen, was man wollte, anstatt es in sich hineinzufressen.
      Nervös tigerte die Wohnung auf und ab, es herrschte hier nicht nur das reinste Chaos, sondern es standen auch überall benutzte Teller und Kaffeetassen herum, die eigentlich in der vergangenen Woche bereits abgewaschen werden hätte sollen. Stattdessen stand alles hier herum.
      Zittrig nahm ich wieder mein Handy und sagte Lina Bescheid, dass ich entweder alles richtig gemacht habe, oder mich in das nächste Chaos katapultierte: “Ähm, Erik kommt gleich. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist.” Dann atmete ich tief ein und wieder aus, steckte mein Handy weg und versuchte in der verbleibenden Zeit zumindest minimale Ordnung hineinzubringen. Nicht zu vergessen, dass wir in circa einer Stunde noch Folkes Geburtstag feiern wollten und ich nicht so genau wusste, wie erwünscht weiterer Besuch war. Es dauerte nicht lange bis eine Antwort von Lina kam: “Wenn er jetzt noch extra herkommt, scheint es als würdest du es brauchen, das wird schon.”
      Meine Finger zitterten, als ich fest umschlossen mich am Handy klammerte und immer wieder die Nachricht mit meinen Augen überflog. ‚Als würdest du es brauchen‘, verbiss sich wie ein wütender Terrier in mir. Vielleicht konnte ich mir einfach nicht eingestehen glücklich zu sein und zu schätzen, was ich hatte. Es war ein Auf und Ab, dass ich stets versuchte zu bändigen.
      „Ich glaube, dass ihn liebe und es mir nicht eingestehen will“, schrieb ich Lina nach reichlicher Überlegung. Eigentlich hatte sie immer einen Rat, oder zumindest unterstützende Worte. So hoffte ich auch diesmal das Richtige von ihr zu hören. Nervös starrte ich auf den Bildschirm, aber sie kam einfach nicht mehr online. Einmal mehr wünschte ich mir, dass Niklas nicht existieren würde oder Jenni noch meiner Seite, denn auch sie wüsste mich nun zu bändigen. Verzweifelt tippte ich eine Nachricht an meinen Unbekannten, auch wenn das vermutlich die Stimmung für immer über den Haufen warf.
      „Du bist ein Mann, ein guter sogar. So ein wenig kennst du die Vorgeschichte und glaube, dass da mehr zwischen ihm und mir ist, zumindest fühle ich etwas, das vorher noch nie so mein Leben steuerte, mich in Bedrängnis brachte und mich nicht mehr klar denken ließ. Würdest du das erfahren wollen oder sollte ich lieber nicht mit ihm sprechen?“, tippte ich und drückte auf den blauen Pfeil zum Absenden der Nachricht. Im selben Moment trudelte auch endlich eine Antwort von Lina ein: “Schon allein, dass du mir diese Nachricht schreibst, sagt mir, dass da definitiv etwas ist. Ich weiß selbst, Gefühle zu akzeptieren ist nicht immer einfach, aber gehe nicht so verkopft an die Sache heranzugehen. Versuche einfach auf körperlicher Ebene zu fühlen, ohne zu bewerten. Lass dich von deinem Herzen leiten und akzeptiere, was du fühlst. Um mir Gefühle einzugestehen, hilft es mir persönlich häufig, wenn ich das Gefühl visualisiere, oder aufzuschreiben wie ich mich fühle, zu ergründen, wo es herkommt und warum ich mich so fühle. Habe keine Angst davor und denke stets daran, jemanden zu lieben ist schön und geliebt zu werden noch viel schöner. Ich weiß, dass du es zulassen kannst, du musst nur noch selbst daran glauben.” Kein Wunder, dass sie bei so einem Roman einen Augenblick länger benötigte zum Antworten. Zwischen den Tränen funkelte auf meinen Lippen ein Lächeln auf, „danke“, hauchte ich nur ins Leere meines Zimmers und stellte die benutzten Tassen in die Spülmaschine. Den Wäschehaufen verstaute ich in dem dazugehörigen Korb. Zumindest sah die Hütte nun weniger chaotisch aus. Da Eriks Auto im Vergleich zu Niklas‘ ziemlich laute Geräusche machte, entging es meinen Ohren nicht, dass er langsam über den Kiesweg zum Parkplatz einfuhr. Ein letzter Blick auf mein Handy verriet mir, dass auch mein Unbekannter eine Antwort parat hatte.
      „Dann solltest du es ihm sagen, es bringt nichts, wenn du dich wochenlang oder Monate damit quälst. Also erzähle mir später davon“, las ich, schnappte mir den Regenschirm und steckte das Handy weg. Bis zum Parkplatz waren es nur einige Meter, die jedoch reichten, um meine Reitschuhe vollkommen zu durchnässen. Mit Wasser in den Sohlen platschte ich weiter und hielt vor seinem Auto an. Lachend schielt Erik zu mir hoch und Trymr steckte seinen Kopf in die vordere Sitzreihe. Dann öffnete er langsam die Tür und nahm den Schirm schützend über sich. Unbeholfen stand ich daneben, wusste nicht genau, wie ich ihn begrüßen sollte. Sonst umarmten wir uns immer, doch heute fühlte es sich seltsam ab. Dann lies Erik zunächst den Hund ins Freie, der direkt zu mir rannte, quietschte und jaulte. An den Pfoten trug er etwas, dass ich als Schuhe bezeichnen würde und über dem ganzen Körper einen gelben, regenabweisende Pyjama. Willkürlich begann ich zu lachen.
      „Er soll doch auch nicht nass werden“, zuckte Erik mit den Schultern und zog mich am Kopf zu sich heran. Der sonst so stechende und ätzende Geruch seines Aftershaves wurde durch etwas Freundliches ausgetauscht, dass deutlich besser zu ihm passte. Auch ich legte dann meine Arme um seinen Oberkörper und drückte mich einfach nur fest.
      „Danke, dass du da bist“, raunte ich. Sanft strich er mir durch mein wüstes Haar.
      „Für dich immer, Engelchen“, lächelte er. Mir wurden die Knie weich, klammerte mich weiter an ihm unter dem Mantel an seinen Oberkörper und spürte, dass seine Muskeln zuckte bei jeder meiner Bewegung.
      “Lass uns drin weitermachen”, zog Erik mein Kinn nach oben, dass ihn ansehen musste, „hier ist eklig.“
      Ich nickte langsam. Aus dem Kofferraum nahm er eine große Ledertasche und zusammen liefen wir zur Hütte, eher rannten wir, denn der Regen wurde immer stärker und der dazugehörige Wind sprühte das Wasser unter den Schirm. An der Tür reichte ich Erik ein Handtuch für sich und den Hund, während ich die Schuhe zur eigentlichen Haustür brachte. Meistens ging es über die Schiebetür der Terrasse ins Innere meines Hauses, anstelle der eigentlichen Haustür neben der Küche.
      “Aber ich muss gleich noch mal weg, weil wir auf Folkes Geburtstag anstoßen, außer du kommst mit”, lächelte ich und schaltete die Lichterketten im Wohnzimmer ein über den Hub an der Wand.
      “Da Niklas offensichtlich da ist, nein”, schüttelte Erik entschlossen den Kopf und kramte neben einer Laptoptasche auch eine große Schüssel aus seiner Tasche, die ich direkt im Kühlschrank verstaute. Trymr hüpfte mir um die Füße und wollte so gernhaben, was ich trug.
      “Senare (später)”, hauchte ich dem Ungetüm zu. Mit großen Augen sah er an mir hoch, wollte nicht so recht akzeptieren auf sein Futter warten zu müssen. Je länger ich zu ihm heruntersah, umso größer schien das Funkeln in seinen Augen zu werden und sein Schwanz wischte energischer den Boden.
      “Erik, dein Hund stirbt gleich vor Hunger”, sagte ich mitfühlend und strich dem armen Tier über dem Kopf. Er drückte sich fest an mich heran, ehe er auf dem Rücken lag und den Bauch gekrault haben wollte.
      “So schnell stirbt es sich nicht”, lachte Erik und sah über die Lehne der Couch hinweg zu uns, “und wenn hier einer stirbt, dann bist du es, wenn du nicht herkommst.” Oh, was? Schnellen Schrittes stürzte ich mich über die Rückenlehne und wurde umgehend getadelt. Verlegen wich ich seinem stechenden Blick aus, starrte im Wechsel zur Decke und meinen Füßen, die ich überkreuzt auf dem Sitzkissen hatte. Wieder legte Erik seine Hand an mein Kinn. Es fühlte sich wieder so vertraut an, ihn bei mir zu haben, als hätte es die ganzen Vorfälle nicht gegeben, die zwischen uns lagen. Dabei wusste ich nicht einmal, wie es ihm damit ging. Immer heulte ich herum, nahm überhaupt keine Rücksicht auf seine Gefühle und hoffte darauf, dass er mit mir darüber sprechen würde, wenn ihm etwas missfiel. Aus dem Augenwinkel heraus musterte ich ihn heimlich und mir gefiel, was ich sah. Erik trug ein einfarbiges weißes Shirt und eine braun karierte Anzughose, die unnötigerweise mit einem Gürtel an seinem Becken saß. Die dunklen Härchen an seinen Armen stellten sich auf, als ich ihn grundlos in die Wange pikste und sagte: “Boop.” Langsam bewegten sich seine Augen meine Richtung und er warf mir ein strahlendes Lächeln zu.
      “Möchte da etwa jemand Aufmerksamkeit?”, grinste Erik und lehnte sich tiefer in die Rückenkissen.
      “Wir werden wohl kaum bis morgen früh auf der Couch sitzen und den Regen beobachten, wie er gegen die Scheiben plätschert”, erkundigte ich mich forsch.
      “Ach nicht? Ich finde es eigentlich ganz schön”, sagte er munter und legte seine Hand auf meinem Oberschenkel ab. Nervös schluckte ich. Mein Herz klopfte wie wild, bei Linas Nachricht im Hinterkopf, dass ich mich darauf einlassen sollte. Ich schielte zur Uhr an der Wand, langsam wurde es Zeit, dass ich zur Halle ging, um mit den anderen auf Folke anzustoßen.
      “Du verwirrst mich”, sprang ich aufgeregt auf, “doch jetzt muss ich kurz rüber.” Im Schlafzimmer warf ich mir ein anderes Oberteil über und suchte nach dem kleinen Paket, das ich für ihn vorbereitet hatte. Als ich vor einigen Wochen mit Niklas noch kurz in der Stadt war, fand ich die richtige Tasse für ihn. Ständig nahm sich jemand aus dem Aufenthaltsraum seine, worüber Folke sich lautstark Unmut machte.
      „Wieso verwirre ich dich?“, tauchte Erik unverhofft neben mir auf, grinste frech und zog sein Oberteil aus. Kopfschüttelnd stand ich wie angewurzelt an der Tür meines deckenhohen Kleiderschranks und musterte ihn wieder einmal von oben bis unten.
      „Weil“, stammelte ich, “deswegen.” Gestikulierte ich wild in der Luft herum und formte dabei imaginär seinen Körper. Er lachte nur, schien das ganze weiterhin für einen ziemlich guten Witz zu halten. Doch in mir zog sich alles zusammen, Hitze stieg mir in den Wangen herauf und langsam konnte ich mich wirklich nicht mehr davor verstecken, was ich noch immer fühlte. Tief atmete ich ein und auch wieder aus. Mit kleinen Schritten nährte ich mich ihm und wusste nicht genau wohin mit meinen Händen, was macht man sonst mit denen? Die hingen so sinnlos an meinem Körper herum, schwitzten wie wild und ballten sich immer wieder zu Faust. Auch meine Knie wurden immer weicher und mein Magen schlug weiterhin Purzelbäume. Mir wurde heiß, kalt und schlecht gleichzeitig. War es schon immer so warm in meiner Hütte, oder musste ich ihm die Schuld dafür zuschieben? Ich schloss die Augen und hoffte darauf, plötzlich im Konferenzraum aufzutauchen und Folke zu seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag zu gratulieren, dabei neben Lina zu stehen und irgendwelche blöden Scherze zu machen. Stattdessen erblickten meine Augen nur Eriks Gesicht, bedrohlich nah an meinem. Offenbar hatte mich, mein Weg wirklich zu ihm geführt und ich spürte seine ebenfalls schwitzige und warme Haut an meinen Händen. Langsam strich ich an seinem seitlichen Bauch entlang, wodurch in mir alles noch stärker kribbelte und gar nicht mehr aufhörte, mir den Verstand zu vernebeln. Ich schluckte wieder.
      “Solltest du nicht endlich Klartext sprechen?”, hob Erik seine Brauen nach oben und lächelte noch immer viel zu selbstsicher, um ihn weiterhin etwas vorzumachen.
      “Ich muss wirklich rüber”, stotterte ich. Es blieben noch mehr als zwanzig Minuten, bis auch der große Zeiger die Zwölf erreichte mit dem kleinen zusammen, aber ich fühlte mich gerade viel mehr als nicht wohl.
      “Man hat mir mein Pony weggenommen”, senkte ich den Kopf. Erik legte seine Hände an meine Schulter und drückte mich minimal von sich weg.
      “Warte”, schüttelte er verwirrt den Kopf, “damit habe ich nicht gerechnet.”
      “Du wolltest wissen, was los ist. Glymur wird jetzt von der Neuen umsorgt, die mich immer mehr von ihm losreißt”, seufzte ich.
      “Ach so, Stimmt. Das hatte ich gefragt”, murmelte er und kratzte sich am Kopf. Kurz sah er auf sein Handy und sagte dann: “Das klingt nach einer schwierigen Situation, wie kann ich dir helfen? Möchtest du, dass ich ihn kaufe oder was stellst du dir vor?”
      “Nein, auf keinen Fall, dann bist du arm und kannst dir nicht mal den Treibstoff deines Autos leisten”, lachte ich und wurde umgehend finster von ihm angeblickt. Noch bevor ich weitersprechen konnte, zischte er: “Wenn ich was will, dann bekomme ich es, schließlich muss man es sich auszahlen lassen vom Vater vernachlässigt zu werden.”
      “Wenn das so einfach wäre, dann könnte ich auch so verschwenderisch mit Geld umgehen”, rollte ich mit den Augen und hatte wirklich die Tatsachen in meinem Kopf verdrängt, dass er auch ziemlich verwöhnt wurde und unnötigerweise mit Geld um sich würft, als gäbe es kein Morgen.
      “Ich denke nicht, dass wir jetzt darüber diskutieren sollten”, verzog er verächtlich seine Mundwinkel, aber löste seinen stechenden Blick nicht von mir.
      “Es tut mir leid”, entschied ich zu antworten, was umgehend seinen Gesichtsausdruck wieder veränderte, “Ich wollte nur mit jemanden über Glymur sprechen, damit ich besser mit der Situation umgehen kann. Mehr erwarte ich nicht von dir, außer dass du für mich da bist.” Wieder schielten meine Augen zur Uhr, noch zwölf Minuten, bis wir auf den Geburtstag anstoßen wollten.
      “Hast du mir auch noch etwas zu sagen?”, erkundigte ich mich, eher erwartungsvoll, dass ich mich nicht öffnen musste.
      “Gerade nicht, nein. Finde es nur nicht in Ordnung, dass ich wegen des Pferdes hergekommen bin”, überlegte er, “das hättest du wirklich am Telefon sagen können, oder mir schreiben.” Das schmerzte tief im Herzen.
      “Aber ich wollte, dass du herkommst”, schämte ich mich, dass er Glymur als ein einfaches Pferd abstempelte und ihn für ersetzbar hielt. Ich musste jedoch einsehen, dass die Verbindung zu einem solch kraftvollen und majestätischen Tier für Außenstehende oft unbegründet wirkte.
      “Damit kommen wir der Sache doch langsam näher”, schmunzelte er schmutzig.
      “Egal was du noch hören willst, ich gehe nun zum Geburtstag, wir sehen uns gleich wieder”, strich ihm über die Brust und gab ihm einen flüchten Kuss auf die Wange.
      “Vivi, warte”, sagte er noch überraschend, als ich an der Tür stand, mit dem Geschenk unter dem Arm und mir die Regenjacke übergeworfen hatte. Abrupt blieb ich stehen und drückte die Tür wieder ins Schloss.
      “Ich komme doch mit, wenn es für dich in Ordnung ist”, schnappte er sich ein Hemd aus seiner Tasche und knöpfte des bis zum Hals zu, richtete den Kragen und folgte mir.
      “Na gut, gern”, lächelte ich glücklich und gab ihm den Schirm. Zusammen kämpften wir uns durch den Sturm und kamen mehr oder weniger trocken im Stall an. Durch die Fenster des Hauses leuchteten bunte Lichter und der Bass vibrierte auf dem Boden. Zusammen liefen wir die Treppen hinauf. Je näher wir der Tür kamen, umso sicherer fühlte ich mich. Meine Jacke streifte ich ab und hängte sie an den Haken im Flur. Der Regen tropfte vom glatten Material auf den Teppich, der komischerweise überall in den Räumen des Versammlungsgebäudes verlegt war. Ich zögerte, als ich meine Hand auf der Klinke hatte.
      “Willst du nicht hereingehen?”, fragte Erik überrascht und legte den Kopf leicht schräg, ohne seinen Blick von mir zu wenden.
      “Ich”, stammelte ich wieder unbeholfen, “ich muss vorher noch etwas klären.” Ehrfürchtig sah ich hoch zu ihm und atmete tief durch.
      “Und was?”, kratzte er sich am Kinn.
      “Du hast gesagt, dass das mit der was Ernstes ist”, vergewisserte ich mich nervös.
      “Ja, aber nein”, gab er zu und atmete selbst tief durch, “Ich wollte dich damit nur provozieren, um endlich ehrlich zu sein.”
      “Du bist ein Arsch”, antwortete ich entsetzt und wollte ihn weiter fertig machen, doch er holte mich durch eine einfache Berührung an meiner Hand zurück. Seine Augen funkelten auf einmal so sehr, dass ich mich fragte, ob er schon immer mich so ansah.
      “Ich habe meine Gefühle für dich die ganze Zeit verdrängt, weil ich Angst habe, dich immer wieder zu verletzten. Aber ich bin vermutlich in dich verliebt und will nichts mehr als dich zurückhaben”, ratterte ich herunter ohne Luft zu holen. Auch jetzt wagte ich nicht einen weiteren Atemzug zu nehmen.
      “Wir reden nachher weiter”, hauchte er in mein Ohr und öffnete die Tür. Na toll, jetzt sprach ich darüber, was ich fühlte und er verschob das Gespräch auf einen späteren Zeitpunkt? Das war unfair, aber im Raum freuten sich die Leute, für meinen Geschmack, viel zu sehr mich zu sehen.
      “Da bist du endlich”, umarmte mich Hedda überschwänglich und musterte meine Begleitung.
      “Wie schleppst du denn schon wieder mit dir herum, ich dachte, dass das zu Ende ist”, flüsterte sie mir zu.
      “Es ist kompliziert, habe ich dir doch schon erklärt”, zischte ich verärgert.
      “Ja, ja. Und gleich erklärst du mir, dass ich zu jung bin, um das zu verstehen”, rollte Hedda mit den Augen und lachte dreckig.
      “Ne, so was sage ich nicht, aber du verstehst es trotzdem nicht, weil ich selbst nicht tue”, antwortete ich kläglich. Endlich verschwand sie wieder zu ihrem Bruder. Erleichterte atmete ich aus und griff entschlossen nach Eriks Hand, um von dem kleinen Buffet an der Wand ein Getränk zu holen. Er blickte auf meinen Annäherungsversuch und sagte: “Ach ja? So ist das also?”
      “Pff”, rollte ich übertrieben mit den Augen und versuchte mich wieder zu lösen, aber er klammerte sich an mir fest, “offensichtlich, ja.” Für Zuschauer könnte das ziemlich übertrieben kitschig wirken, doch ich hatte meinen Spaß daran. Bewaffnet mit einem Getränk starrten wir zur Uhr, die sich in Sekunden schneller der Zwölf nährte und alle plötzlich begannen zu zählen. Nur ich schielte zu Lina und Niklas hinüber, die uns auch schon entdeckt hatten, aber auf ihrer Stelle wie angewurzelt stehen blieben.
      Auf die Sekunde genau stimmten wir das Geburtstagslied an und gratulierten ihm herzlich. Folke stand mit seiner Freundin an der Seite, lief rot an und konnte nicht wirklich mit unserer Freundlichkeit umgehen. Ich ließ Erik an Ort und Stelle stehen, lief zu meinem Arbeitskollegen und übergab ihm das Päckchen. Überrascht riss er das Papier ab und bestaunte die Tasse.
      “Endlich”, lachte er. Das Besondere an dem Geschenk war, dass sie einen Fingerabdrucksensor hatte und nur dadurch verwendbar war. Effektiv nutzen konnte man das Teil bestimmt nicht, aber die Idee war dennoch lustig. Dennoch konnte so niemand das Gefäß benutzen, denn sie war verschlossen, bis der Finger erkannt wurde. Der Verkäufer erklärte mir noch, dass dadurch die Flüssigkeit auch länger warm blieb.
      “Vriska, danke dir”, umarmte er mich glücklich und auch Eorann lachte. Lina gesellte sich nun auch dazu, um herzlich zu gratulieren, bevor sie sich neben mich stellte.
      “Du warst ja ziemlich knapp erst hier. Bist du der Lösung deines Problems nähergekommen?”, raunte sie mir neugierig zu und schielte zu besagtem Mann, der noch immer dort stand, wo ich ihn stehen ließ.
      „Ich weiß es nicht genau“, stammelte ich besorgt, „also ich denke ja, aber seine Antwort war, dass wir später darüber sprechen. Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass es mich erst knapp vor fünf Minuten dazu entschloss, es zu sagen. Nachdem er Glymur als ein Pferd wie jedes andere abstempelte.“ Das Glas in meiner Hand zitterte vor Aufregung, erst recht als Niklas dann auch dazu kam und nicht mehr sagte, als mich streng anzublicken. Ja, ich hatte ihm versprochen nichts mehr Alkoholisches zu mir zu nehmen, da meine letzte Ekstase bei einer kleinen Runde am Hof ziemlich ausuferte, wovon aber Lina noch nichts wusste und sonst eigentlich auch niemand.
      “Ein Pferd wie jedes andere? Hat er nicht gesagt”, hinterfragte sie verständnislos, “aber mach dich jetzt nicht verrückt, vermutlich möchte er dir in alle Ruhe antworten und nicht zwischen Tür und Angel.” Aufmunternd legte sie mir eine Hand auf die Schulter.
      “Nein, so genau hat er das natürlich nicht gesagt. Es war viel mehr, dass er hinterfragte, warum er wegen eines Pferdes zu mir kommen sollte”, gab ich zu.
      “Das klingt nach ihm”, runzelte Niklas die Stirn.
      “Sei ruhig”, zischte ich verärgert, “aber ich versuche ruhig zu bleiben, wird schon.”
      Zynisch lächelte ich und konnte kaum glauben, dass die Worte meinen Mund verließen. Auch Lina stimmte mit ein, während ihr Freund einige Schritte zur Seite wich und sie fest an sich zog. Ich wollte mir das nicht weiter ansehen, denn in meinem Magen rumpelte es energisch. Also schluckte ich, drehte mich um und lief zu Erik, der mich schon zu erwarten schien.
      “War es das schon?”, erkundigte er sich. Ich schüttelte den Kopf.
      “Ich muss noch kurz zu meinem Chef, dass ich doch keine Zeit habe”, erklärte ich.
      Er stand zusammen mit seinem Bruder am Buffet und hielt ein Gespräch ab mit der neuen und meinem Bruder. Die vier so vertraut miteinander zu sehen, verursachte weitere Zuckungen meiner Hand und die Stoppeln an meinem Körper stellten sich unangenehm auf. Sie kratzten an dem weichen Stoff meiner Hose.
      “Vivi, lässt du dich auch blicken”, lachte Harlen und musterte mich von oben bis unten. Natürlich, schließlich trug ich als einzige eine Jogginghose und in Kombination mit dem schwarzen Pullover, der eine Aufschrift auf der Brust hatte, wirkte ich nicht sehr festlich.
      “Entschuldige, ich habe auch den ganzen Tag gearbeitet und sogar mein Training abgesagt. Da brauche ich am Abend auch mal eine Ablenkung”, tadelte ich ihn. Erwartungsvoll blickte Tyrell zu mir hinüber.
      “Damit meinst du aber vermutlich nicht unseren Filmabend?”, erkundigte er sich scherzhaft, worauf ich mit einem Kopfschütteln antwortete.
      “Deswegen bin ich hier, wollte mich entschuldigen. Verschieben wir auf einen anderen Tag, okay?”, sagte ich einen Augenblick später.
      “Ach alles gut, mache dir nicht so einen Stress. Die Filme rennen nicht weg, aber wehe, du guckst sie ohne mich”, scherzte Tyrell. Erleichtert atmete ich aus.
      “Hast du dich erholt davon, dass du mit Glymur nicht arbeiten kannst?”, griff mich Jonina aus heiterem Himmel an und bekam direkt eine Ermahnung von Bruce.
      “Ja”, antwortete ich schockiert, aber versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Darauf kam zum Glück nichts mehr und ich verabschiedete mich, schließlich musste ich morgen um neun auf dem Pferd sitzen, damit ich Fruitys Trainingsplan aufrecht halten konnte.
      “Netflix and Chill?”, funkelte ich Erik an und hielt seine Hand. Wieder schnellte mein Puls nach oben und ich konnte nicht genau einschätzen, ob ein kleines Glas Wein diese Selbstsicherheit auslöste, oder die Überwindung zumindest ansatzweise ihm von meinen Gefühlen berichtet zu haben.
      “Werden wir sehen”, lachte er, “aber Netflix klingt gut.”
      Zusammen liefen wir zur Tür.
      “Vriska, warte kurz”, kam Lina angelaufen, ”was ist jetzt eigentlich mit Holy? Das haben wir vorhin ganz vergessen.”
      „Oh gut, dass du das noch sagst“, antwortete ich ein wenig überrascht und ließ Eriks Hand.
      „Zur Sicherheit holen wir noch einen Schwangerschaftstest aus dem Büro, nur um sicherzugehen“, sagte ich noch und zog mir die Jacke drüber. Irritiert sah er zwischen uns Hin und Her, bevor er überrumpelt fragte: „Soll ich mir Gedanken machen?“
      „Ach alles gut, du kannst nicht noch mal Vater werden“, lachte ich frech.
      „Mich brauchst du auch nicht so ansehen oder sehe ich aus wie ein Pferd“, fügte sie amüsiert hinzu, bevor sie mir lachend folgte durch den Flur. Erik sah uns irritiert nach. Ich konnte ihm nicht immer alles recht machen, schließlich sollte er auch mal etwas über sein Verhalten Gedanken machen. Zusammen standen wir vor der verschlossenen Tür, die nicht nur einfach gesichert war, sondern dreifach. Also gab ich die unterschiedlichen Codes auf dem Panel ein und hoffte, die richtige Reihenfolge getippt zu haben. Im nächsten Augenblick piepte es und die Tür öffnete sich.
      “Manchmal ist das alles sehr paranoid hier”, kommentierte ich und verschwand in dem großen Raum, einen Schreibtisch in Richtung des Reitplatzes ausgerichtet hatte und auf so was wie einem Podest stand. Dahinter türmten sich verschiedene Ordner in meterlangen Regalen, die Tyrell noch immer zur Sicherheit hatte. Vor dem Fenster neben dem Tisch war ein Apothekerschrank. Nach einander durchwühlte ich die Schubfächer, bis ich fand, wonach ich suchte. Triumphierend hielt ich das Päckchen in die Luft und steckte es in die Jackentasche.
      “Brauchst du sonst noch was? Ketamin?”, lachte ich.
      „Na, lass mal. Ich hatte nicht vor heute irgendwen zu entführen“, lehnte sie lachend ab.
      “Aber ich vielleicht”, überlegte ich kurz und sah in den verschlossenen Schrank in der Mitte. Aber stand dann auf, drehte mich um und verschloss das Büro wieder hinter mir. Mit Lina im Schlepptau machten wir uns auf dem Weg zum Paddock. Überraschenderweise stand Erik noch immer vor dem Konferenzraum.
      “Du hättest doch schon mal vorgehen können”, sagte ich im Vorbeigehen, aber er stoppte mich, in dem er an meinem Arm zog.
      “Wie redest du schon wieder mit mir?”, zischte er leise, damit Lina es nicht hörte. Langsam bewegten sich meine Augen nach oben. In mir bebte es, was nicht an dem Bass im Nebenraum lag.
      “Es tut mir leid”, tat ich auf unschuldig und klimperte mit meinen Augen. Ich konnte ihm nun doch noch ein verstohlenes Lächeln entlocken.
      “Entschuldigung akzeptiert”, grinste Erik und drückte seine Lippen auf meine Stirn, “aber beeile dich, ich warte im Zimmer auf dich.” Ich nickte und lief schnellen Schrittes mit Lina, die letzten Stufen herunter. Vor dem Rolltor tobte der Sturm, wirbelte die großen Tropfen durch die Luft und auch Äste flogen an uns vorbei. Dass es so ein Unwetter werden sollte, konnten nicht einmal die Wetterdienste erwarten. Schemenhaft erkannt ich im Kampf gegen das Wetter, die Stuten auf dem Paddock stehen oder viel mehr unter dem großen Unterstand. Keines der Tiere wagte es so verrückt zu sein wie wir, sich bei Orkanböen, die über das flache Eiland wehten, nur einen Zentimeter unter dem wolkenverhangenen Himmel zu bewegen.
      Holy stand schützend neben ihrer bekannten Girlie und kaute genüsslich das verbleibende Heu im Gang. Lina drückte den Lichtschalter am neben den Gittern und klirrend schaltete sich die spärliche Deckenbeleuchtung an.
      “Wenn sie wirklich trächtig sein sollte, denkst du, wie können das bei den Veranstaltern melden?”, sagte ich heiser zu Lina, die ihre Jacke vom Regen freischüttelte.
      “Mhm, das können wir sicher, aber ich weiß nicht, ob das viel bringen wird”, antwortete Lina stirnrunzelnd.
      “Aber irgendwer muss doch das Sorgerecht übernehmen”, musterte ich den runden Bauch der gescheckten Stute, “oder zumindest die Verantwortung.” Das Fohlen würde sicher noch verrückter sein als seine Mutter, die komplette Herde aufmischen und bestimmt uns alle in den emotionalen Ruin bringen.
      “Ja, da hast du schon recht, vor allem, weil dieses Fohlen sicher nicht von der ruhigen braven Sorte sein wird”, stimmte sie nachdenklich zu, “aber vielleicht sollten wir jetzt erst einmal feststellen, was Sache ist, bevor wir überlegen, wie es weitergeht.”
      “Stell dir mal vor, dass Ivy der Papa ist”, lachte ich und überlegte, wie man über so einen Test macht. Also klar, ich wusste, dass man dafür Urin benötigt, aber ich konnte schlecht das Pferd darum bitten, einfach mal in den Becher zu pinkeln. Doch glückliche Fügung kam schneller als ich dachte, denn die Tinker Stute begab sich zur Tränke und schlürfte genüsslich aus dem Wasserspender. Aus meiner Ausbildung erinnerte ich mich, dass sich durch Wasser recht schnell der Magen füllte und sich ein Fohlen dabei umlagerte. Also zog ich meine Handschuhe aus und legte meine Hände in ihr plüschiges Fell, wartete einige Zeit, bis ich plötzlich was spürte. Aufgeregt rief zu Lina: “Komm schnell.” Dabei kreischte ich viel zu sehr, als dass man mir glauben würde, dass ich riesige Abneigung gegen Schwangerschaften hatte. Natürlich war diese nur auf den Menschen bezogen, den tierische Babys konnte man gar nicht blöd finden. Interessierte kletterte Lina durch die Gitter. Ich griff eifrig nach ihren Händen und drückte sie auf die Stelle, an der sich das Fohlen bewegte.
      “Ohhh, dass das Fohlen, oder?”, fragte Lina aufgeregt und ihre Augen begannen begeistert zu leuchten. Natürlich musste es kommen, dass einer der Männer uns nicht einige Minuten allein lassen kann. Von der Seite kam Niklas dazu und ich wand meinen Blick umgehend von ihm ab, sondern strich der Stute zufrieden über den Hals.
      “Seid froh, dass ich mein Handy nicht dabeihabe. Das sieht nicht nur amüsant aus, sondern hört sich genauso an”, scherzte er und stellte sich provokant zu uns.
      “Ach schade, es wäre eigentlich schön gewesen diesen Moment festzuhalten”, grinste ich Lina an, die noch immer fasziniert den Bauch von Holy abtastete.
      “Liebling, weißt du eigentlich schon, wann die Tierärztin kommt, um Smoothie zu untersuchen?”, schien er nicht mal ansatzweise die Aufmerksamkeit auf jemand anderes zu lassen, als sich und dem was sich in seinem Kosmos befand. Ich rollte mit den Augen und blieb treu bei der Kugel stehen.
      “Ja, warte kurz”, entgegnete Lina ihrem Freund und kramte ihr Handy aus der Jacke. Das Gerät leuchtete auf, woraufhin sie zweimal darauf herumtippe.
      “Nächste Woche Dienstag um elf”, vervollständigte sie die Antwort und ließ das Gerät wieder in ihrer Tasche verschwinden.
      “Oh”, überlegte Niklas und auch meine Ohren spitzen sich, “da bin ich eigentlich mit Vriska verabredet zum Training. Aber das können wir doch verschieben auf einen anderen Tag, oder?” Ich sah kurz zu ihm, wusste genau, dass es darauf nur eine Antwort gab.
      “Ja, klar. Kein Problem”, zuckte ich mit den Schultern. Kein Problem, welch Irrsinn. Ich brauchte das Training so viel mehr, als dass er sich fünf Minuten lang Bilder auf einem Bildschirm ansah, die eventuell ein Fötus zeigten oder eben nicht. Mit zusammen gekniffen Augen sah er mich genau an, als suche er, dass ich log, aber fand es offensichtlich nicht.
      “Ich schätze, dass wir uns das hier jetzt sparen können”, sagte ich noch minimal gekränkt zu Lina und drückte ihr den Schwangerschaftstest in die Hand, stieg durch die Gitter und wünschte beiden eine gute Nacht, bevor ich mich zurück in den Sturm stürzte.
      “Ja, das war ziemlich eindeutig”, stimmte Lina zu, ”Lass dich nicht wegwehen auf dem Weg nach drinnen, Gute Nacht.”
      Zustimmend nickte ich noch, was sie wohl kaum noch sehen konnte und zog die Kapuze eng an meinen Kopf. Wild wirbelten Blätter um mich herum und flatternd blies der es in meine zu weiter Jacke. Ich fühlte mich für einen kurzen Moment so frei in der Dunkelheit, bis das Licht der Wegbeleuchtung sich in den Tropfen spiegelte und alles in Meer auf hellen Punkten verwandelte. Regen gehörte vermutlich in Alltag eines guten Briten, ohne sich davor zu ekeln oder undefinierte schlechte Gefühle auszulösen. Stattdessen erinnerte es mich an viele gute Momente, wie den Ritt mit Fruity, bei dem ich es vermutlich das erste Mal schaffte allen Mut aufzuraffen und nicht in der Scham versank. Natürlich gehörte auch Erik in diese Erinnerung, wenn es auch nur kurz die Glückseligkeit widerspiegelte. In einem Sturm wie diesen traf ich mich nach vielen Jahren mit meinem Bruder, den ich in meiner Kindheit nur selten zu Gesicht bekam. Zusammen liefen wir vollkommen geblendet an der Themse entlang und kamen irgendwann so nass in ein Geschäft, dass wir im selben Atemzug wieder den Laden verlassen mussten. Darüber amüsierten wir uns so stark, dass ich einen Laternenmast übersah und mit der Nase vorneweg dagegen lief. Mehr als eine Platzwunde an der Stirn zog ich mir bei dem kleinen Zwischenfall nicht zu, aber bis heute gehörte diese Geschichte zu einer, die mein Bruder zu gerne erzählte. Tatsächlich gab es sogar Bilder davon. Ich konnte mich glücklich schätzen ihn nun bei mir zu haben, auch wenn es zum Leid der anderen, durchaus ungemütlich werden konnte, denn Harlen war nicht gerade der freundlichste Geschäftsführer, wenn es um Kostenminimierung ging.
      “Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr”, lächelte mich Erik von der Couch aus an mit den Beinen auf dem Tisch. Auf seinem Schoß thronte sein Laptop und Trymr rannte vergnügt zur Tür, jaulte mich glücklich an.
      “Es tut mir leid, wir mussten Babybauch bewundern”, zog ich die klebrige Regenjacke vorsichtig aus, um nicht die Holzdielen in der Hütte zu beschädigen. Er klappte sein Gerät zu und legte ihn auf dem Tisch ab. Dann kam er einige Meter auf mich zu.
      “Freut mich zu hören, dein Pferd?”, erkundigte Erik sich und beobachtete, wie ich ein Kleidungsstück nach dem anderen auf der Fußmatte ablegte. Tatsächlich schaffte es der Regen mich bis auf die Unterwäsche zu durchnässen, obwohl es sich bei dem Weg vom Paddock bis zum Haus, um gerade mal fünfzig Meter handelte, wenn man zwischen den Weiden hindurchlief.
      “Ich habe kein Pferd”, erinnerte ich ihn. Er nickte missmutig und ich hob alles auf, um es im Badezimmer in der Dusche aufzuhängen. Mir wurde kalt trotz der paradiesischen Temperaturen hier im Inneren. Auf Schritt und Tritt folgten mir die beiden Kerle, als hätte ich Zucker in den mehr vorhandenen Taschen.
      “Habe ich etwas verpasst, oder darf ich mich nicht einmal mehr umziehen?”, versuchte ich ihn daran zu erinnern, dass ich alt genug war, das allein zu schaffen.
      “Was ist, wenn ich dir sagen, dass du so bleiben sollst?”, zog Erik seine Brauen nach oben und hielt seine Hände verdächtig nah an meinem Körper, um das ich mir keine Hoffnungen machte auf mehr.
      “Dann muss ich dich enttäuschen, denn mir ist super kalt”, folgten meinen Augen sehr genau, was er vorhatte. Zwei weitere Schritte setzte er auf mich zu und drückte mich an der Hüfte fest an sich heran. Gejagt von einer Gefühlsexplosion zur nächsten stieg Hitze in mir hinauf. Seine warmen Hände fühlten sich wie Feuer an, das mich immer weiter verbrennen ließ und mich quälte. Tief atmete ich ein und mindestens doppelt so lange wieder aus, bevor ich den Augenblick fassen konnte.
      “Wir wollten noch weiterreden”, kamen die Worte nur noch in Fetzen aus meinem Mund, obwohl ich mir beachtliche Mühe dabei gab, mich ordentlich zu artikulieren. Spitz grinste Erik mich an und lehnte sich ziemlich weiter nach unten, so weit, dass ich seinem Atmen auf meiner Haut spürte und sich den Haarwurzeln am ganzen Körper zum x-ten Mal aufstellten. Verlegten schluckte ich.
      “Na dann rede”, grinste er bedeutsam und folgte jeder Bewegung meiner Augen, die sich nicht scheuten, das zu begaffen, was vor mir strahlte.
      “Gleich”, verzog ich lüstern mein Gesicht und knöpfte langsam sein Hemd von oben nach unten auf, um sanft über seine Brust zu streichen und seinen Oberkörper an meinem zu spüren. Seine Hände bewegten sich von meiner Hüfte hinauf zu meinen Schultern, bevor er flink den Verschluss meines BHs öffnete und die Träger von mir streift. Ich vernahm die eigentliche Fremdheit ihm gegenüber, die mein Interesse von Anfang an weckte und neben Entdeckungslust auch Angst auslöste, doch im selben Atemzug schwang diese Vertrautheit mit, als würden wir einander auf eine besondere tiefe Art kennen, ohne es in Worte fassen zu könnten.
      “Erik?”, hauchte ich in sein Ohr und versuchte weiterhin mein Stöhnen zu unterdrücken.
      “Ich höre? Aber wie war das mit der Höflichkeit?”, zog er noch immer seine Mundwinkel nach oben und biss sich ungezwungen auf der Unterlippe herum, was sonst mein Ding war. Eigentlich wäre es so viel klüger es auf mich zukommen zu lassen, was nun noch passieren würde, aber ich konnte es nicht unkommentiert lassen.
      “Was wird das hier, wenn es fertig ist”, fragte ich unsicher und legte meine Lippen auf seinem Hals ab. Ein lustvolles rachenlastiges Ausatmen verließ seinen Mund, bevor er wieder am Kinn nach oben drückte und mich tief in seine Seele blicken ließ.
      „Ich habe einen Wunsch“, sagte er ziemlich ernst und starrte mich weiter an.
      „Und der wäre?“, raunte ich, hoffte auf das, was mir durch die Gedanken flog, jeden vereinzelten Tagen.
      “Können wir jetzt endlich einen Film gucken und nicht im Badezimmer herumstehen?”, lachte er und schob mich zur Seite. Das Blut hämmerte durch meine Adern und ich sah ihm nur mit weit geöffneten Mund nach, als er sich auf die Couch setzte und den Fernseher anschaltete. Ungläubig riss ich meine Augen auf, starrte ihn böse an und schloss die Tür hinter mir im Bad.
      “Ist das ein Nein?”, rief Erik.
      “Ganz klar”, schüttelte ich den Kopf und musste erst mal warm duschen gehen, um diese Frechheit zu verarbeiten. Viel musste ich nicht mehr ausziehen, bis mir das warme Wasser an den Haaren herunterlief, aber es nicht schaffte, mich auch der Euphorie zu entreißen, die ich noch verspürte auf meinem ganzen Körper. Es war nicht das erste Mal, dass er sich als Stimmungskiller entpuppte, doch mittlerweile konnte ich mir nicht einmal sicher sein, ob es seine Masche war, mich so an ihn zu binden. Immer wieder fluchte ich, schüttelte den Kopf und versuchte das alles von mir zu waschen. Ich rieb tatsächlich so lange, dass alte Wunden an meinen Beinen wieder aufrissen und das Wasser rot färbten. Noch lauter fluchte ich, als ich es bemerkte und das Wasser abschaltete. Zu meinem Glück waren nur noch weiße Handtücher in fassbarer Nähe, die ich dann in den Müll hauen konnte. Meine nassen Haare wickelte ich in einen dieser ein, und für den restlichen Körper stand ich so lange herum, bis ich trocken war. Da mein Handy noch in meiner Hosentasche steckte, schrieb ich in meiner Verzweiflung Lina in einer kurzen, eher undetaillierten Nachricht, was passiert war und hoffte, dass sie es besser fassen konnte als ich. Genervt blickte ich auf den leuchteten Bildschirm meines Handys, aber konnte die Spannung nicht lange aushalten und wechselte auf Instagram. Als wäre es mein Schicksal, tauchte natürlich Niklas ganz oben auf, eins von seinen tausenden Strandbildern unterstrich meine Lust auf mehr. Willkürlich starrte ich zu lange darauf, likte und wischte dann weiter nach unten. Wichtig dabei war zu sagen, dass ich nie seine Bilder likte, sondern nur kurz drauf sah und dann in der Timeline niedliche Pferdebilder bewunderte.
      “Oha, gemein dein Kerl, aber denke daran, dass er dir noch eine Antwort schuldig ist”, kam nur eine knappe, aber bestimmte Nachricht von Lina zurück.
      „Ich will immer noch mit ihm alt werden, obwohl er das bestimmt bis zu meinem Lebensende tun wird“, hämmerte ich auf dem Glas herum, sodass meine Fingernägel immer wieder laute Geräusche verursachten. Dann sperrte ich das Gerät und lief ins Schlafzimmer, um mir was drüber zu ziehen. Dass Erik mir intensiv nachsah, entging mir nicht, aber ich ignorierte sein rüpelhaftes Verhalten und versuchte mir möglichst provokante Kleidung herauszusuchen. Dabei war ich mir nicht ganz so sicher, ob knapp mit der größten Menge an Haut eine gute Wahl sein würde oder lieber mein geliebter Schlabberlook, den er nur allzu gut kannte. Von einem der Kleiderbügel strahlte mich dann wohl eins der provokantesten Stücke an, die hatte — mein Cheerleading Outfit, aber die Wahl fiel nur auf das Oberteil. Als Hose wählte ich eine schwarze Jogginghose mit einem ‚Fuck Off‘ Schriftzug. Ein letztes Mal rieb ich mit dem nassen Handtuch durch meine Haare, bis ich es wieder ins Badezimmer hängte und zur Couch schlenderte. Auf dem Weg dahin meldete sich mein Handy noch mal mit einer Nachricht von Lina: “Dann genieße mal die Zeit beim alt werden mit ihm :D
      Lachend steckte ich es zurück, ohne ihr noch eine Antwort zu geben, denn wir könnten morgen sicher bei einem Ausritt lange genug sprechen, denn über Niklas gab es sicher auch genau zu erzählen.
      „Na, was ist so lustig?“, musterte mich Erik und legte seine Hand an meinem Arm, als ich um die Couch lief, um Trymr nicht zu wecken, der vorne lag.
      „Dass ich offensichtlich mehr Gefühle für dich habe, als du mich aufbringst“, fauchte ich provokant und blieb hinter ihm stehen. Er legte seinen Kopf auf der Rückenlehne ab, blickte mich mit seinen grauen Augen an, die genauso funkelten im seichten Schein der Lichterketten und Kerzen, die Erik am Tisch angezündet hatte.
      „Und das behauptet wer genau?“, seine Stimme klang besorgt.
      „Ich, sonst würdest du mich nicht jedes Mal aufs Neue so hängen lassen“, blieb ich meinem Standpunkt, aber umfasste sanft sein Gesicht, das so einladend wirkte. Durch das fehlende Gel waren seine Haare so unglaublich weich, dass ich mich dazu zwang, nicht immer wieder darin meine Hände verschwinden zu lassen.
      „Du hast doch nicht mal gefragt, ob ich mit duschen kommen möchte“, schmollte er weiter.
      „Warum sollte ich mit dir duschen wollen?“, überlegte ich starrte hinauf zur Decke, dann fiel mir doch ein Grund ein, „na gut, du hast recht. Schließlich bist du ziemlich schmutzig heute.“
      „Ich glaube, jeder der uns gerade zuhört, wird schlecht bei so viel kitsch“, lachte er schließlich und versuchte mir mit seinen Lippen näher zu kommen, doch diesmal was ich klar im Vorteil und verteidigte meine höhere Stellung, wie ein Soldat im Krieg.
      „Wer sollte uns zuhören“, kniff ich skeptisch die Augen zusammen und ließ den Blick durch den Raum schweifen, als Erik leider nutzte, um mich an den Armen auf die Couch zu ziehen und mich im nächsten Moment dominierte, in dem er sich über mich Stützte. Mein Puls begann wieder zu rasen und seine Lippen kamen mir bedrohlich nah, dich anstatt sie auf meine zu drücken, küsste er sanft meinen Hals. Mit Wollust genoss er die Folter, der er mich aussetzte, mich ebenfalls mit Sinneslust erfüllte, bis zärtliches Stöhnen aus meinem Mund klang.
      „Ich finde das nicht fair“, ächzte ich kläglich und ich versuchte ihn möglichst behutsam von mir zu stoßen.
      „Zum Glück sind wir hier nicht bei Wünsch dir was, sondern im wahren Leben“, löste er sich von meinem Hals und sah mich wieder aus ganzer Seele an, langsam könnte er sich das blöde Grinsen sparen, denn ich wusste schon, dass sein Durchhaltevermögen größer war, als meins.
      „Dann warte ich halt, bis du fertig bist“, schloss ich entschlossen die Augen.
      „Sie“, kam es trocken über seine Lippen.
      „Na gut, dann bis Sie fertig sind“, schüttelte ich kurz den Kopf. Noch fester drückte ich meine Lider aufeinander, damit ich ihn nicht sehen könnte. Tatsächlich hatte es einen positiven Nebeneffekt, denn er ließ von mir ab und sagte: „So macht das keinen Spaß, wenn du nicht leidest.“ Ich lachte und durfte mich endlich richtig hinsetzen.
      „Aber jetzt mal im Ernst“, richtete er seine Frisur und blickte mich freundlich an, „alles, was du bisher sagtest, entsprach der Wahrheit?“ Ich musste kurz überlegen, denn ich hatte heute wirklich viel gesagt, also zumindest seitdem ich wach war, denn die Uhrzeiten schon lange nach null Uhr an und verriet im selben Zuge, dass ich bereits lange schlafen sollte. Vielleicht schlief bereits und das alles hier, war nur ein Traum? Ich kniff ihn in den Oberarm, wodurch er schmerzerfüllt aufschrie.
      „Was sollte das!“, schüttelte er den Kopf.
      „Wollte nur prüfen, ob ich wach bin“, sagte ich entschlossen.
      „Deswegen kneifst du mich?“
      „Ja.“
      Dann überdachte ich weiter meine Worte, zumindest soweit ich mich erinnern konnte.
      „Bei einer Sache entsprach es wohl nicht ganz der Wahrheit“, gab ich zu.
      „Und die wäre?“, fragte Erik neugierig nach und strich mir sanft den Arm.
      „Als Niklas vorhin fragte, ob es in Ordnung wäre, wenn wir den Termin verschieben“, überlegte ich weiter. Auffällig verdrehte er seine Augen und sagte nur: „Und warum genau, sollte mich das jetzt interessieren?“
      „Na, du hast doch gefragt, ob alles der Wahrheit entsprach“, wunderte ich mich, „oder bist du eifersüchtig?“
      „Ich meinte damit, was wir besprochen haben und ja. Mittlerweile stört es mich, wenn ich ehrlich bin, dass du immer noch so viel Zeit mit dem verbringst. Ich will dich bei mir haben und nicht so ein Möchte-gern wie er, soll mir wegnehmen, was mir gehört“, zischte er genervt. Ohne weiter nachzudenken, drückte ich meine Lippen auf seine und es fühlte sich so verdammt gut an, endlich wieder ihn vollständig bei mir zu haben. In einer unmöglich zu definierender Geschwindigkeit raste mein Puls nach oben, vernebelte mir den Verstand. Entschlossen fuhr meine Hand über seine Brust, öffnete das Hemd erneut, aber streifte es diesmal über seine Schultern ab. Er half mir dabei so gut er konnte, ohne dass sich unsere Lippen voneinander lösten. Erst als auch mein Oberteil daran glauben musste, kamen für einen Augenblick voneinander ab, das nutze ich auch dazu, auf seinen Schoß zu klettern und möglichst nah zu spüren, dass es der Wahrheit entsprach, was er sagte. Wieder trafen sich unsere Lippen noch leidenschaftlicher. Als ich in versehentlich anrief, kam noch gar nicht in den Kopf, dass wir Stunden später nur noch spärlich bekleidet auf der Couch sitzen würden und ich eine Gefühlsexplosion nach der anderen erleben würde.
      Langsam schob sich meine Hüfte immer stärker auf seinen Schoß auf ab, bis sich ein Quietschen neben mir in den Vordergrund schob. Im Begriff aufzuhören, spürte ich Eriks verschwitzen Hände in meine lockere Hose und umfassten meinen hinteren Teil und leise stöhnte ich in seinen geöffneten Mund. Doch das starrende Gefühl ließ mich nicht los, ich fühlte mich beobachtet, als stände eine Kamera neben der Pflanze in der Ecke und zeichnete das alles für die Nachwelt auf. Ich öffnete meine Augen und sah neben uns. Trymr wedelte aufgeregt mit dem Schwanz
      „Herr Löfström?“, funkelte ich ihn innig mit meinen Augen an, „mir fällt es schwer, mit dem Gedanken bei ihm zu bleiben, wenn wir beobachtet werden.“
      Er rappelte sich auf der Couch auf, aber hielt mich weiterhin fest. Dann sah er hinunter zu seinem Hund.
      „Ich schätze, dass er nun noch Essen haben wollen würde. Tut mir leid“, gab er mir einen flüchtigen Kuss und ich kletterte von ihm herunter. Erik richtete seine Hose beim Aufstehen, die nicht ganz unbefleckt erschien, als er etwas genervt in die Küche trottete und aus dem Kühlschrank die Schüssel holte. Sein Napf stand bereit auf der Theke und aufgeregt, trampelte der Hund links nach rechts, als er mit seiner Nase eindeutig Futter identifizierte. Verliebt lehnte ich über die Rückwand der Couch und beobachtete, wie liebevoll er mit dem Tier umging, obwohl seine Körpersprache nur Ärger zeigte. Ich lächelte.
      „Engelchen, ich meinte das Ernst“, wiederholte er.
      „Was genau meinst du?“, fragte ich überrascht.
      „Du sollst nur mir gehören und mit einem Großteil deiner Freunde werde ich vermutlich dich teilen können, aber nicht Niklas“, seufzte er und kniete sich zu seinem Hund.
      „Aber er ist mein Trainer und ohne ihn, kann ich nächstes Jahr keine internationalen Turniere reiten“, versuchte ich die Situation zu entschärfen, doch Erik schüttelte nur den Kopf.
      „Ihr habt doch noch mehr gute Leute am Stall. Was ist Eskil?“, hoffte er mich umzustimmen.
      „Der würde das sicher machen, aber wenn nicht“, stammelte ich und wurde unliebsam unterbrochen.
      „Frage ihn bitte, sonst suche ich dir jemanden und gebe meine letzte Öre dafür, um dir die beste Trainerin zu beschaffen, das schwöre ich“, bettelte Erik förmlich. Zustimmend nickte ich. Es hatte etwas, wieder jemanden im Leben zu haben, dem es wichtig war, was ich tat, auch wenn noch nicht ganz einschätzen konnte, wie weit das gehen würde. Vom Tisch griff ich das goldene Gerät und öffnete den Nachrichtendienst, um Niklas umgehend eine Nachricht zu schicken. Ich zögerte und schielte zwischen Bildschirm und Erik hin und her. Entschied, seinem Wunsch nachzukommen und tippte: „Hej! Es tut mir leid mitteilen zu müssen, dass wir ab sofort nicht mehr zusammen trainieren werden. Mir fällt diese Entscheidung nicht leicht, aber danke dir, wirklich! Du hast mich sehr weitergebrachte.“
      „Habe es ihm gesagt“, steckte ich mein Handy wieder weg und sah zu Erik, der erleichtert ausatmete. Die wenigen Meter zwischen uns überwand er im Handumdrehen und legte seine Hände an meinem Kopf.
      „Ich bin dir sehr dankbar, dass du keine Diskussion beginnst“, lächelte er und gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Lippen.
      „Wenn es sonst nichts ist“, funkelte ich ihn weiter an, „dann tue ich das sehr gern. Aber leider sollten wir ins Bett, denn ich muss morgen spätestens um acht Uhr aufstehen.“
      „Okay, aber ich muss noch einige Dokumente durchsehen im Bett“, nickte Erik und holte sein Laptop vom Tisch, während schon zum Bett lief und ein Shirt aus dem Schrank wühlte, um es mir überzuwerfen. Dann strich die Hose von mir ab, legte sie ordentlich über den Stuhl und warf mich in das frisch bezogene Bett. Da meine Haare noch immer feucht waren, band ich sie in einem locker geflochtenen Zopf zusammen. Selten wirkte die frisch aufgeschüttelte Decke so verlockend wie heute, um sein Gesicht darin zu verstecken und vor Freude zu schreien, während der Regen weiterhin gegen die Scheiben prasselte.
      “Sollte ich mir Sorgen machen?”, grinste Erik und zog sich ebenfalls aus, doch so langsam, dass meine Augen jede seiner Bewegungen verfolgt, wie locker seine Muskeln zuckten.
      “Ja. Nein, brauchst du nicht”, murmelte ich abwesend, abgelenkt, nicht mehr klar, ob ich so schnell einschlafen könnte, wie ich es mir wünschte. Behutsam legte ich mich auf seiner Brust ab und strich ihm verliebt über den Arm.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 74.356 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende September 2020}
      Fohlenbericht drei von sieben.
    • Mohikanerin
      Ankunft im Chaos | 20. Juli 2022

      Erlkönig / Raleigh / Glanni frá glæsileika eyjarinnar / Monet
      Otra / Narcissa / Blávör / Hallveig från Atomic / Saints Row / Kölski von Atomic / Voodoozirkus / Vrindr von Atomic / Willa / Þögn / Snotra

      Tasmania / Sign of the Zodiac LDS / Nachtschwärmer / Forbidden Fruit LDS / Ruvik / Lotti Boulevard / HMJ Holy

      Nachtzug nach Stokkholm LDS / L‘Épirigenys LDS / Ours de Peluche LDS / WHC' Email / Mitternacht LDS / Yumyulakk LDS / CHH' Death Sentence / Halldór von Atomic / Liv efter Detta LDS / Sighvatur från Atomic / Kría von Atomic / Mondlandung LDS / Kempa

      Polka Dot / WHC' Griechischer Wein / Sakura Blomst / Sisko / WHC' Oceandis / Snúra

      WHC' Ritter Der Rose / WHC' Guardien / Gneisti från Atomic / Connerys Brownie


      Natürlich kommt es immer anderes, als man denkt, aber, dass ich von einem Chaos im nächsten lande, lag außerhalb meiner Denkleistung. Der erste Tag vom Praktikum war ziemlich cool. Man zeigte mir den riesigen Hof. In einem Teil standen die Sport- und Rennpferde, in dem kleinen die Islandpferde und Ponys, bei denen ich sein würde. Allerdings war die Stimmung gedruckt und später erfuhr ich auch warum. Eine Kollegin floh von einem zum anderen Tag in den Urlaub, zumindest wurde das gesagt. Sie sei wie ein Teil der Familie, weshalb man es ihr nicht übel nehmen konnte. Die genaue Geschichte musste ich mir zusammenlegen, immer mal wieder schnappte ich einzelne Stücke davon auf. Nicht, dass es nicht wirklich interessierte aber mittlerweile war sie wieder da. Gesprochen haben wir bisher nicht, nur provisorisch. Vriska war ein seltsamer Mensch: Übertrieben freundlich, wankelmütig und unberechenbar. Die andere Kleine, Lina, kam verschlossen daher, sehr in sich gekehrt, doch als ich eines Tages entdeckte, wen sie an ihrer Seite, nahm ich Abstand, obwohl wir uns das eine oder andere Mal nett in der Reithalle unterhielten. Dass ich jemals auf Knasti treffen würde, außerhalb eines Turniers, hätte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen können.
      „Neele, kommst du mit?“ Jonina kam aus dem Stall, in der Hand hielt sie zwei Stricke.
      „Gern, wenn nimmst du?“, hakte ich nach. Einige der Pferde müssten noch bewegt werden aber vor allem mit Monet wollte ich gern in den Wald. Oft war bisher nicht ausreiten. Es lag eher an meiner begrenzten Zeit, als an meinem Pferd.
      „Ich dachte, wir nehmen unsere“, schlug sie lächelnd vor. Zum Glück!
      Wir liefen zu den Hengsten, die etwas weiter weg standen, genauer gesagt, neben dem Reitplatz. Dort standen auch Erlkönig, der Fuchs ihres Bruders und Raleigh, ein anderer Einsteller Hengst, der aktuell am Huf verletzt war.
      Freundlich brummte mich Monet an, als wir an der Ecke in sein Blickfeld liegen. Die Ohren standen kerzengerade nach oben, der Kopf ebenso aufgestellt und seine Hufe tänzelten aufgeregt auf der Stelle. Glanni, Ninas Hengst, interessierte sich nur wenig für uns. Er zupfte an seinem Heunetz im Unterstand, selbst das diese Kaltblut wirkte neugieriger als der Fuchs. Mit einem Blick zu meiner Kollegin wurde mir allerdings klar, dass die beiden wunderbar zusammenpassten. Auch ihre augenscheinliche Begeisterung breitete sich nur mäßig im Gesicht aus, vermutlich einer der Tage, an dem man sein Pferd dem Tier zur Liebe bewegt.
      Im Stall unterhielten wir uns über dieses und jenes, nichts sonderlich relevantes. Zwei neue Reitschüler waren für den nächste Tag angemeldet, weshalb Jonina meine Einschätzung über die Wahl der Pferde wissen wollte. Otra und Narcissa waren auf jeden Fall eine Idee, aber auch Kempa, die Einstellerin war und zwischendurch im Betrieb mitlief, könnte für Ältere etwas sein. Blávör, ebenfalls ein wenig beschäftigtes Einstellerpferd, hingegen wäre zu anspruchsvoll.
      „Du kannst morgen mit ihr auf die Bahn“, schlug die Kollegin vor.
      „Ja, warum nicht“, grinste ich und klopfte die Bürste am Holz ab. Einige der kleinen weißen Haare schwebten wie kleine Feen in der Luft, glitzernd durch den Staub im Strahl der Sonne, die durch das Fenster und ihr Licht schenkte. Der zauberhafte Moment hielt nur kurz an, denn Monet schlug mit Schweif und wirbelte die Partikel auf. Mit einem dumpfen Klacken flog die Bürste in meine Putzkiste. Ich lief hinüber in die Sattelkammer, schnappte mir all das nötige Sattelzeug und legte dem Pferd alles an, als auch die Huf sauber waren. Jonina war zu dem Zeitpunkt schon lange fertig, aber wartete geduldig, dass auch ich so weit war. Es faszinierte mich, wie sonderbar wenig Zeit die Leute hier am Hof in die Fellpflege investierten. Allerdings sah Glanni auch aus wie ein Plüschtier, das gerade aus der Waschmaschine kam.
      Wir ritten den schmalen Weg an der Baustelle entlang, um von dort den Wald zu erobern. Dabei begegneten wir Bruce, der mit einer kleinen Gruppe von zwei Reitschülern ausreiten war. Anhand der Pferde erkannt ich, dass es Fortgeschrittene waren. Hallveig und Saints Row konnten Stimmungsschwankungen haben, während die eine Stute ziemlich guckig an uns vorbeiritt, interessierte sich die andere nur wenig für die Hengste. Monet brummte ein paar Mal. Beruhigend tätschelte ich seinen Hals. Es faszinierte mich immer wieder, wie entspannt die Ponys aus dem Norden waren. In meiner Heimat wäre das Treffen deutlich hektischer verlaufen. Meine Augen hingen noch einen Moment an der Gruppe, bevor Jonina sich an mich wandte: „Lass uns hier abbiegen, dann können wir noch nach Pferden auf der Weide schauen.“
      Ich nickte, damit sparte ich tatsächlich den Kontrollgang, der am heutigen Tag auf meiner Liste stand. Zunächst ritten wir an den Hengsten vorbei, die verteilten auf dem kargen Grün ein paar Halme zupften. Die bunte Gruppe bestand aus allen erdenklichen Pferden, einige alte Renter-Wallache standen in der einen Ecke, in der anderen Jährlinge und dazwischen der Rest. Bei den Stuten sah es ähnlich aus. Allerdings waren die tragenden Stuten getrennt von den Jungpferden, um in den kommenden Wochen Leben auf die Welt zu bringen.
      „Wer ist das?“, zeigte ich ein kleines Pony in der letzten Ecke.
      „Du, das weiß ich gar nicht. Manchmal tauchen hier Pferd auf und manchmal fehlt eins. Es ist nicht so, dass ich die kenne. Wir schauen nur, ob sie leben und atmen“, lachte meine Kollegin und trieb ihren Fuchs etwas schneller am Zaun entlang. Tatsächlich wunderte mich auf diesem Hof nichts mehr. In meiner Vorstellungen waren Gestüte wie diese besser organisiert und hoffte auch darauf, dass dieser eine Ausnahme war. Geschichten, die an mich herangetragen wurden, klangen wie erfunden, besonders in Anbetracht, wie der Betrieb am Laufen blieb. Ein paar Mal überlegte ich, das zu fragen, aber behielt es für mich.
      Endlich im Wald angekommen, trabten wir die Pferde an und ritten eine gemütliche, wenn auch kalte, Runde auf der Bahn.

      © Mohikanerin // Neele Aucoin // 5980 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Februar 2021}
      Fohlenbericht vier von sieben.
    • Mohikanerin
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      kapitel trettio | 08. September 2022

      May Bee Happy / Aares / Maxou / Fjärilsviol / Schneesturm / Nachtschwärmer / Rainbeth / Lotti Boulevard / Anthrax Survivor LDS / Caja / Yumyulakk LDS / Mondlandung LDS / Nachtzug nach Stokkholm LDS / Just A Bear / Jokarie / Sign of the Zodiac LDS

      Freitagabend, vier Tage später
      Lindö Dalen Stuteri

      Vriska
      Die größte Sorge lag darin, dass Happy keinesfalls den Hänger betrat, nach dem der Einstieg in Malmö eine Herausforderung war, doch vergeblich. Wie ein alter Hase lief er die Rampe hinauf und stand binnen Sekunden darin, wodurch wir am Vormittag rasch in Kalmar ankamen. Gespannt wartete Eskil auf mich, auch, um mir seinen eigenen neuen Fuchs zu zeigen. Aares hieß der Riese und harmonierte optisch sehr mit meiner Leihgabe. Eine Weile unterhielten wir uns, bis die Halle frei war und ich meinen Unterricht bekam. Hier und da kamen Schwierigkeiten auf, doch im Gesamtbild machte Happy eine gute Figur.
      “Herr Holm hat vorhin gesagt, dass Happy viel Potenzial für das Team hat”, erzählte ich am Tisch, an dem die Stammbelegschaft saß, ohne die Ponymenschen von nebenan. Dann tunkte ich das Brot in die Linsensuppe, um es mir im Anschluss in den Mund zu stopfen.
      “Dann willst du es dieses Jahr noch zur schweren Prüfung schaffen?”, fragte Tyrell, der wieder nach Hengsten Ausschau hielt und davon aufsah.
      “Ich weiß nicht genau. Die Motivation fehlt dafür, aber der Hengst macht sich wirklich toll”, schwärmte ich weiter.
      “Dennoch, die aktuellen Besitzer würden ihn dort gern sehen”, fühlte er mir weiter auf dem Zahn, aber es kümmerte mich nur wenig.
      “Freut mich, dann sollen sie sich doch an ihn trauen und nicht kleine Mädchen vorschicken”, antwortete ich unbeeindruckt. Lars neben mir musste sich das Lachen verkneifen, aber verschluckte sich dabei an der Suppe. Fürchterlich begann er zu Husten, dass ich ihn den Rücken klopfte.
      “Ja, ja, kleines Mädchen. Äußerlich vielleicht”, feigste Lina.
      „Psst, das weiß doch keiner“, grinste ich, doch als Lars begann zu lachen, setzten auch die anderen mit ein. Es dauerte nicht lange, da kamen die erste Wahlmöglichkeit ans Licht, was ich stattdessen war. Vom bissigen Terrier, über mörderischer Prinz und alten Mann in der Rente stellte sich alles heraus. Nur mein Bruder hielt sich bewusst aus dem Gespräch heraus und verließ auch wenig später den Raum. Seit Wochen ignorierte er mich, aber das sollte nicht mein Problem sein. Ich hatte besten Gewissens die Spannung zwischen uns zu lösen, aber er konnte ein ziemlicher Sturkopf sein und wollte es augenscheinlich dabei belassen, dass ich das schwarze Schaf der Familie war. Nun gut.
      „Also keine Dressur mehr?“, kam Tyrell auf das ursprüngliche Thema zurück und zuckte dabei mit der Augenbraue, „schließlich beginnen demnächst die Turniere.“
      „Ehrlich gesagt, bin ich mir sehr unsicher“, gab ich offen zu. Mein Blick fiel zu Lars, der auch keine Antwort dazu hatte. Nur Nour grinste mich verschmitzt an.
      „Ich glaube, dass sie lieber den Berufsfahrerschein anstrebt“, legte sie eine steile These vor, die ich nicht wusste zu verteidigen.
      “Wirklich starke These, aber ich glaube, das wird nicht passieren. Dafür glitzern die Schleifen und Schabracken viel zu schön”, stellte Lina eine Gegenbehauptung auf.
      “Mhm”, summte Nour unschlüssig, “die sind aber auch in der Prüfung nicht zulässig.”
      “Ihr seid beide nicht ganz hell”, lachte ich kopfschüttelnd.
      “Entschuldigung, was soll das den jetzt heißen?”, beschwerte sich die Kleine sofort.
      “Warum kann ich nicht einfach machen? Außerdem kann Humbria auch schön glitzern”, stellte ich fest, “Vielleicht springe ich auch morgen.”
      “Du springst morgen? Oha, das komme ich mir anschauen”, grinste Mateo, “Mit welchem Pferd gedenkst du das zu tun?” Dass meine blöde Idee im nächsten Augenblick bereits Wurzeln setzte, hatte ich nicht bedacht. Selbst unser Chef schaute überrascht zu mir hinüber. Kurz dachte ich darüber nach, wieder zurückzurudern, aber vielleicht war es Zeit, mich meiner Angst zu stellen.
      „Ich kann mal schauen, was Happy bei dem bunten Holz empfindet“, schlug ich entschlossen vor und sah es bereits kommen, dass ich schneller wieder am Boden lag, als es mir lieb war.
      “Mhm … ja, so rein körperlich könnte das was werden mit deinem Fuchs”, überlegte der Schweizer.
      “Vriska, hältst du das wirklich für eine gute Idee?”, äußerte Lina zweifelnd, “Erinnerst du dich nicht, wie es das letzte Mal endete? Und da hattest du keinen launischen Fuchs unter deinem Sattel.”
      „Aber klein Vivi möchte doch mal wieder allen beweisen, dass sie alles kann“, scherzte Lars und gab mir einen zarten Kuss auf die Wange, als wären wir mehr als Freunde. Zugegeben, seit unserem Kuss im Stall gab es jeden Abend Momente, die meiner Einschätzung Zweifel boten. Seine Schwester schien es zu unterhalten, dass ihr Bruder mir unauffällig schmeichelte und holte jedes Mal ihr Handy heraus, um in Windeseile etwas zu tippen. Brennend interessierte mich, was genau auf dem Bildschirm passierte, aber sie gab es an niemanden preis.
      “Du übertreibst vollkommen”, schnaubte ich teils belustigt, teils verärgert, “Maxou traue ich es weniger zu als ihm und dass eins der Rennpferde hinüber stolpert, fehlt mir gerade noch.”
      “Viola kann springen”, mischte sich Tyrell mit ein, “und Schneesturm ist auch noch da. Ach, Fly, der Haflinger macht seinem Spitznamen auch allen Ehren.”
      Keines der genannten Pferde interessierte mich sonderlich, nicht, dass die Pferde schlecht waren, viel mehr, waren sie langweilig. Die Warmblutstute lief brav und den Haflinger kannte ich nur vom Sehen. Einzig Schneesturm war ein Spaß, doch Mateo ritt sie bereits vier- bis fünfmal die Woche und hatte somit angemessenen Auslauf. Zudem hatte ich in meiner Recherche herausfinden können, dass Happy für die Körung Freispringen musste, also wusste das Pferd Bescheid, wie man die Beine hebt.
      Während wir philosophierten, welches Pferd ich springen könnte, holte ich zunächst für jeden ein kaltes Bier und Lars entschied, dass nach dem Essen ein Kurzer angebracht war. Nur Lina weigerte sich vehement. Kaum floss es mir die Kehle herunter, brannte es unangenehm im nächsten Augenblick. Dennoch hatte es etwas Befreiendes.
      “Mir egal, ich werde Happy nehmen”, entschied ich entschlossen und glaubte an den Fuchs, der bisher sehr fein unter mir lief.
      “Mach’ halt, aber bei mir brauchst du dich dann nicht beschweren”, blieb die kleine Brünette bei ihrem Standpunkt, dass sie es für keine gute Idee hielt.
      “Pff, so viel zu guter Freundin”, rollte ich mit den Augen und füllte mir das Glas nach. Auch Lars hielt mir seins nach. Dann war es auch schon wieder leer. “Du hast bestimmt auch morgen anderes zu tun, also machen wir das allein.” Meine Stimmte zitterte, aber nach einem kräftigen Atemzug konnte ich mich zusammenreißen.
      “Ja, ist okay”, entgegnet sie kiebig. Welche Laus ihr wohl über die Leber gelaufen sein mochte, dass sie gleich so empfindlich war. Vermutlich hatte es mit Niklas zu tun, aber ich entschied, es erst einmal dabei zu belassen, solang noch so viele am Tisch saßen. Vorrangig sollte Tyrell davon nichts mitbekommen, das würde nur Bedenken auslösen. Dieser hing noch immer über dem Papier. Mit Lars brach abermals eine Diskussion über Hengste aus, die sich in den Sand verlief. Sie wurden sich nicht einig, ob Betty noch gedeckt werden sollte oder in den Verkauf ging. Auf Rennen bot die siebenjährige Stute ohnehin keine ausreichenden Leistungen und ging für gewöhnlich als vorletzte durchs Ziel, deshalb lag das letzte auch mehr als ein halbes Jahr zurück, noch unter Folke. Seit dem Stand sie herum. Ähnliches Bild war auch bei Lotti zu sehen und Nachtschatten, doch die Rappstute hatte bereits einen Käufer gefunden, der sie abholen würde, sobald ihr Fohlen abgesetzt sei, das in einem Monat kommen sollte.
      “Wie läuft es eigentlich mit Anti?”, fragte Tyrell, als auch wir weniger wurden und Bruno sich in die Hütte aufmachte, nur unsere Schnüfflerin saß noch da, sowie meine persönlichen Turteltauben.
      “Gut, wenn er so weiter macht, kann er in zwei Monaten in einen Probelauf”, erzählte der groß gebaute junge Mann neben mir. Ich enthielt mich dem Gespräch, holte stattdessen mein Handy heraus und bekam prompt eine Nachricht von Nour.
      “Schau mal”, schrieb sie und schickte ein Bild mit. Mir blieb für einen Moment die Luft weg. Über den Bildschirm hinweg schielte ich böse zu ihr hinüber, musste auch das Telefon auf den Tisch legen, um nicht an einer Atemnot einzugehen. Allerdings konnte ich es nur für einen Wimpernschlag da belassen und hob es wieder hoch. So gut ich konnte, versuchte ich ihr eine Nachricht zu tippen, aber meine Augen konnte sich nur schwer von dem attraktiven Bild lösen, was unbewusst ein Lächeln auf meine Lippen zauberte.
      “Lass das! DU bist gemein”, formulierte ich schlussendlich und sie lachte. Dem folgte ein weiteres Bild, selbes Motiv, aber deutlich bekleideter.
      “Du nimmst du das alles her?”, tippte ich noch, bevor wieder die Atmung sich verabschiedete, denn sie konnte es nicht lassen, mich weiter zu zuspammen. Durch die ständige Vibration wurde auch Lars aufmerksam, aber in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit wechselte ich den Chat zu Eskil. Damit erlosch sein Blick auf mein Gerät. Von nun an tippte ich mit Nour, die mir erklärte, dass es Storys aus dem Messenger waren, die sie für mich abgespeichert hatte und nur auf den richtigen Moment wartete, um sie mit mir zu teilen. Etwas neidisch war ich schon, denn seine Nummer hätte gern, aber in wenigen Worten vermittelte Nour mir, dass ich schon mehr Mühe geben sollte. Vordergründig ermutigte sie mich, mit ihm zu sprechen, denn das würde Erfolg mit sich bringen, außerdem wäre es ungewiss, ob sonst überhaupt eine Antwort bekäme. Leider hatte sie recht.

      Eine Stunde später verabschiedete sich dann auch Tyrell und wir saßen in gewohnter Runde beisammen. Lina schwieg noch immer, die Arme verschlungen und das Gesicht sah nach zehn Jahre Regenwetter aus. Während ich mich an den Bildern nicht satt sehen konnte, versuchte ich auch irgendwie die Kleine aus der Reserve zu locken. Es war nicht einfach ein Wort ihr herauszubekommen, doch als sie aufstand zur Toilette, folgte ich wenige Sekunden später und wartete an der Tür. Überrascht trat sie heraus, zuckte dabei erschrocken zusammen.
      „Du erklärst mir jetzt, weshalb du so schlecht gelaunt bist. Das Wetter war doch heute toll mit fast elf Grad Celsius!“, sprach ich offensive und direkt auf sie ein.
      „Ja, das war auch das einzig Schöne an dem Tag heute“, brummte sie unwirsch.
      „Was denn los?“, erinnerte ich sie an meine Frage, minimal zittrig, denn für gewöhnlich strotzte sie vor Energie auch noch zu später Stunde.
      „Der ganze Tag war heute einfach blöd, angefangen bei heute Morgen“, rückte sie nun endlich mit der Sprache raus, „Ich war absichtlich früh bei Caja, dass wir die Halle allein haben. Einerseits, weil sie ja immer noch nicht so umgänglich ist und andererseits, weil sie super rossig ist.” Nachdem was ich so von Caja mitbekommen hatte, war ‘nicht so umgänglich’ noch milde ausgedrückt. Vier Monate stand die Fuchsstute mittlerweile hier auf dem Gestüt und duldete trotzdem kaum jemanden in ihrer Nähe. “Heißt also, sie war heute ohnehin schon schlecht gelaunt und dann kam da so ‘ne Trulla rein und die hatte ihren blöden Hengst nicht unter Kontrolle. Infolgedessen konnte ich nur das Training vergessen, nein, gebissen hat sie mich dann auch, obwohl ich das so langsam im Griff hatte”, sprach sie frustriert und ließ das Sweatshirt von der Schulter gleiten. Darunter zum Vorschein kam ein blau-violett schimmernder Fleck in der Größe eine 2-Euro-Stücks.
      „Blöder Vorschlag, aber hast du mal über eine Fressbremse nachgedacht?“, schlug ich vor aus dem Dunst heraus, dass bissige Hunde auch einen Maulkorb trugen.
      “Mmmm, nein”, sprach sie langsam, als würde sie noch darüber nachdenken, ob es eine Option sein könnte, “Aber vielleicht sollte ich das mal probieren.”
      “Sonst kommt zum Hengst und sollte mal eine Pause von dem ganzen Kram bekommen”, gab ich als weitere Möglichkeit, so hatte Bruce seine chaotische Isländerstute wieder auf den richtigen Weg gelenkt.
      “Mmm, wenn das nur in meiner Entscheidung läge”, seufzte sie. So wirklich glücklich wirkte sie noch immer nicht, wenn auch weniger angespannt als vor wenigen Minuten.
      “Dann sprich mit Tyrell morgen, der reißt dir nicht Kopf ab” zuckte ich schließlich mit den Schultern, “keiner ist dir hier für Versagen sauer, zu dem kann es auch mal mehr werden als ein blauer Fleck am Arm.”
      “Weiß ich doch …”, murmelte sie und zog an ihrem Ärmel herum, “Ihr habt eure Turniere und Rennen … Ach, ich will doch auch nur mal etwas erreichen.”
      „Verstehe ich“, gestand ich offen. Für sie musste es noch schwieriger sein als für mich. Während ich von einer Disziplin zur anderen sprang, um das Richtige zu finden, fehlte ihr der Reiz für mehr. Ebenso fehlte auch die wirkliche Gemeinschaft auf dem Hof, denn jeder von uns hatte Pferde vorzustellen.
      „Was wäre, wenn wir mal raus zur Weide gehen und dir ein Jungpferd holen? Da stehen teilweise vierjährige und fünfjährige, die aktuell nicht in den Trainingsplan von uns allen passen“, kam es als letzte Idee, ihr eine sinnvolle Aufgabe zu geben. Denn die Arbeit mit Ivy hatte sie bisher erfüllt und mir Leben ausgestattet, doch nun machte der Hengst nur noch Kinderschritte, die natürlich ebenso wichtig waren wie den Anfang zu finden. Zaghaft nickte sie: “Mhm, Ja?” In ihrer Antwort schwang noch ein letzter Rest von Unsicherheit mit.
      “Ja”, sagte ich überzeugend und zog die Augenbrauen hoch, “sonst kaufen wir irgendwas für dich.” Darüber musste ich erst einmal lachen, als würde ein Pferd kaufen, ein Problem lösen anstelle welche zu schaffen.
      “Okay”, entgegnete sie und ein winziges Schmunzeln zuckte in ihren Mundwinkeln, “Aber wen auch immer du bei ‘wir’ implizierst, mich kannst du nicht meinen.”
      “Dann hauen wir den Schweizer an. Du kannst mir nicht verschweigen, dass da Funken fliegen”, zwinkerte ich ihr zu und sprach bewusst etwas lauter.
      “Vriskaaaa, sei doch still”, beschwerte sie sich sogleich und eine zartrosa Färbung trat auf ihre Wangen. “Aber ja, er ist ganz niedlich”, gestand sie mit deutlich gesenkter Stimme.
      “Das ist meine Rache”, flüsterte ich scherzhaft und klopfte ihr leicht auf die Schulter, wer wusste schon, wo sich weitere blaue Flecken verstecken. “Aber komm, wir gehen zurück. Dann kannst du ihn länger genießen.”

      Samstag, nächster Tag
      An der Jungpferdeweide

      Selbstverständlich musste es anfangen zu regnen, als wir aus dem Auto ausstiegen. Die Pferde hatten uns schon aus der Ferne gehört und standen neugierig am Zaun. Auch die Zuchtstuten mit ihren kugeligen Bäuchen konnten unseren Besuch kaum fassen, obwohl jeden Tag mindestens zweimal jemand in den Wald fuhr zur Kontrolle. Es war eine bunte Herde, bestehend aus allen Altersgruppen und Rassen. Auch die Isländer standen dabei, die wohl eher weniger für Lina sein würden. Zwei Weiden weiter rechts, tummelten sich die jungen Hengste, die bereits mit schrillem Wiehern auf sich aufmerksam machten, besonders Yu wollte unbedingt gestreichelt werden. Lina drückte ich ein Halfter in die Hand.
      „So, dann suche dir mal etwas aus“, sagte ich. Wir hatten bereits mit Tyrell gesprochen, der meine Idee mit einem ‘macht, was ihr wollt‘ lachend hinnahm. Ich lehnte derweil am Auto und prüfte das vierte Mal an dem Tag, die Starterlisten für den morgigen Renntag. Noch nicht ganz entschlossen stiefelte die Kleine in die Herde hinein und wurde augenblicklich von einigen der Tiere umringt und neugierig inspiziert. Lina ließ sich Zeit, nahm einige der Jungstuten in Augenschein, streichelte sie und schien sich keineswegs an dem Nass stören, welches rhythmisch auf das Blech schlug. Eines der Tiere drängte sich immer wieder in den Vordergrund, steckte die Schnauze in Linas Jackentaschen und verfolgte sie regelrecht, sobald sie einige Schritte tat.
      “Die ist niedlich, ich glaube, sie soll es werden”, grinste Lina und kraulte der hellen Stute die Stirn. Mein Handy steckte ich zurück in die Innentasche, nach dem ich keine neuen Informationen über meinen Angebeteten fand. Dabei seufzte ich leise und trottete mit riesigen Gummistiefeln durch das hohe Gras. Mit genauem Blick sah ich das blauäugige Pferd an.
      “Das ist Mola”, stellte ich fest, “die wird vier dieses Jahr, also, passt dir das?”
      “Ja, das ist gut”, nickte sie, “Jung, aber schon alt genug, dass man auch damit ein wenig was anfangen kann.”
      “Sollten ihre langen Beine es noch nicht verraten haben: Sie ist ein Traber”, erklärte ich zuversichtlich und öffnete den Beiden das Tor. Die anderen Pferde schubste ich zur Seite, damit kein weiteres versuchte zu fliehen. Stokki drückte den Kopf gekonnt an Lina vorbei, doch ich scheute die Rappstute im richtigen Moment zurück und mit einem großen Sprung floh sie vor dem Stromzaun.
      “So, dann steig mal ein, dann gebe ich dir den Strick. Sie wird schon nachlaufen”, sagte ich zu der Brünetten, die unsicher den Strick in der Hand hielt, während Mola lange Grashalme zupfte.
      “Okay, du wirst schon wissen, was du tust”, entgegnete sie ein wenig zweifelnd, reichte mir aber dennoch das Pferd und tat wie geheißen. Unwillig folgte mir die junge Stute, aber als Lina das Fenster heruntergefahren hatte, gab ich den Strick zurück. Zunächst musterte das Pferd den Seitenspiegel und steckte schließlich auch den Kopf hinein.
      Den Motor ließ ich langsam und möglichst leise angehen, dennoch zuckte das Jungpferd, aber gewöhnte sich direkt an das seltsam trommelnde Geräusch aus der Motorhaube. Im Schritttempo fuhren wir an. Mola folgte im selbigen und schnaubte sogar einige Male ab, was sie jedoch nicht daran hinderte, an einigen Grashalmen zu zupfen.
      “Das funktioniert ja wirklich”, staunte Lina, “und sie ist so brav.” Dem Grinsen auf ihrem Gesicht zu urteilen, war sie bisher zufrieden mit ihrer Auswahl.
      “In Island wird es nicht anders gemacht. Deswegen hat Bruce schnell entschieden, dass das der bequemste Weg ist”, informierte ich sie freundlich, als auch schon die Gebäude des Gestüts am Ende des Weges auftauchten. Heute wurde der erste Kran aufgebaut, nachdem alles nicht mehr Brauchbare dem Erdboden gleich gemacht wurde. Ein Schwall von Melancholie lag in der Luft, aber ich versuchte durch ein kräftiges Ausatmen, aus meinem Kreislauf zu bekommen.
      “Ja, bequem ist das wohl”, nickte sie zustimmend.
      Vor der Halle kamen wir zum Stehen, aus der gerade Lars seinen schneeweißen Hengst führte, deren Brust und Hals geschoren war. Ihm dicht folgte Mateo, allerdings ohne Vierbeiner.
      „Na Mensch, ihr wart schnell“, stellte der Dunkelhaarige fest und blieb auf Abstand mit dem Hengst, der den Damenbesuch bewunderte.
      „Sie hat sich recht schnell entschieden, oder viel mehr Mola“, grinste ich ihm zu. Zeitgleich half ich Lina beim Aussteigen.
      „Schau mal, dein bald Freund ist auch gekommen“, flüsterte ich leise.
      “Glaubst auch nur du”, wisperte sie und verdrehte die Augen. Dann huschte sie auch schon an uns allen vorbei, um die Stute auf den Paddock zu verfrachten. Ich brachte noch das Auto zurück auf dem Parkplatz.
      Im Stall lief ich zunächst zu dem Fuchs, der mit dem Kopf in der Ecke stand und mich erst bemerkte, als ich seinen Namen sagte. Die Ohren drehten sich in alle Richtungen und schließlich bewegte er sich mit kargen Schritten auf mich zu. Vorsichtig strich ihm über die große Blesse. Aus der Jackentasche kramte ich ein Leckerli hervor, dass er dankbar von der flachen Hand griff. Ihn aus der Box zu holen, war heute wieder eine Herausforderung. Immerhin akzeptierte er direkt sein rosafarbenes Halfter, für das jeder am Hof eine Meinung hatte. Die meisten mochten es nicht, aber ich wollte seine Männlichkeit unterstreichen und damit gelang es mir ziemlich gut.
      “Happy, komm schon”, zog ich kräftig am Strick, ihn interessierte das aber nicht im Geringsten. Auch als ihn noch einmal drehte, setzte er keinen Huf aus der Einstreu. Stattdessen machte er seinem Traberanteil allen Ehren, wurde immer länger und länger. Hoffentlich würde er nicht vor den Sprüngen parken, dass könnte gefährlich werden.
      “Sieht so aus, als wäre dein Pferd nicht so überzeugt von deinem Vorhaben”, stellte Mateo fest, der plötzlich neben mir stand.
      “Kein Wunder, der mag Männer nicht”, gab ich sogleich zurück und als würde Happy zustimmen, schnaubte er ab.
      “Na, dann kommst du wohl gut allein klar”, zuckte der Schweizer mit den Schultern, ”Ihr könnt ja dann kommen, falls ihr es jemals da rausschafft.”
      Offenbar hatte er meinen Scherz in den falschen Hals bekommen, aber er mochte Männer wirklich nicht. Ich lockte den Strick etwas. Dann setzte der Hengst voran, als würde er Mateo folgen wollen. Selbst ohne Hending kamen wir voran.
      In der Putzbucht kam der Hengst zur Ruhe und genoss das ausgiebige Putzen. Da er über eins siebzig war, nur etwas kleiner als Lubi, brauchte ich den Hocker, um an alle Stellen zu gelangen. Das ständige Auf- und Absteigen nervte, aber leider würde ich mit Anfang zwanzig nicht mehr wachsen. Als er schließlich sauber war, setzte ich mich in Gang, um einen Sattel zu finden. Aus der großen Sattelkammer nahm ich mir ein Martingal, das in einer der Metalkisten herumschwirrte, sowie Fesselkopfgamaschen und Glocken aus meinem Schrank. Bei der Schabracke begannen die ersten Zweifel. Obwohl ich mittlerweile eine schöne Sammlung aufgebaut hatte - ja, meine Kaufsucht schlug wieder zu – gab es keine einzige zum Springen. Wozu auch? Dennoch fand ich eine, die zumindest etwas runder geschnitten war und nahm sie mit.
      „Tyrell?“, fragte ich und streckte den Kopf ins Büro.
      „Ja, was ist denn?“, kam es sogleich wenig begeistert. Ich kam für gewöhnlich nur, wenn ich etwas wollte.
      „Wir haben doch sicher einen Springsattel, oder?“, hakte ich nach.
      „Einige, aber der von Schneesturm wird seinen Fuchs nicht passen“, begriff er sofort den Tatbestand, „aber unten in der Kammer müssten einige hängen.“
      Dankend nickte ich und verschwand nach unten. Tatsächlich hingen dort gefühlt tausende. Was ich an Schabracken besaß, sammelte mein Chef an Sättel, der Großteil davon wurde nie genutzt, dementsprechend staubig hingen sie auf den Sattelhaltern.
      „Hmm“, überlegte ich laut und streifte durch den Raum, der im Gegensatz zu dem Rest des Gebäudes, schlecht beleuchtet war. Kurzerhand holte ich eine Schubkarre und legte alle vielversprechenden Modelle mit zum Fuchs. Das Klappern des Metalls weckte ihn auf. Mateo, der sich mit Lars unterhielt, schaute nicht schlecht, als ich ankam.
      „Was hast du denn vor?“, hinterfragte Lars verwundert.
      „Einen passenden Sattel finden, was denkst du denn? Ich laufe doch nicht tausendmal“, erklärte ich.
      „Das sieht aus wie eine Flohmarkt Versteigerung“, merkte er an.
      “Soll man dir bei deinem Ausverkauf da helfen?”, bot Mateo an und fasste bereits die Lederstücke kritisch ins Auge.
      “Gern”, lächelte ich. Dabei hob ich das erste Modell heraus. Das Leder wirkte schon sehr mitgenommen und vor allem ungepflegt, aber die Polster unter dem Baum waren noch weich und ohne Knoten. Der Blonde nahm erst den Sattel und dann Happys Rücken näher unter die Lupe, welches der Fuchs Zähneknirschen und mit angelegten Ohren erduldet.
      “Der hat einen ziemlich schmalen Wirbelkanal, dass wir zu knapp schätze ich”, urteilte er.
      “Dann schaust du am besten durch”, schlug ich vor, beruhigte, währenddessen den Hengst, der zu dem Schweizer schielte. Fachkundig beschaute Mateo das Sammelsurium, legte nacheinander zwei Sättel auf den Hengst. Seine Wahl fiel letzten Endes auf ein zweifarbiges Modell, welches aussah, als wäre es noch nie im Einsatz gewesen.
      “Nicht ganz ideal für dich, aber zumindest für dein Pferd sollte der funktionieren”, ergänzte er erklärend. Die Sitzfläche war groß, aber für einen Tag kein Problem.
      “Danke für eine Hilfe”, sagte ich und nahm zunächst das Leder wieder vom Rücken, um alle anderen in der Schubkarre zurückzubringen.

      Wenig später saß ich im viel zu großen Sattel, den ich mit einem Lammfellüberzieher etwas bequemer gemacht hatte und ritt den Fuchs warm. Mateos Parcours stand bereits, als von einem zur anderen Sekunde Happy begann zu tänzeln. Im richtigen Augenblick fasste ich die Zügel nach. Seine Ohren drehten sich hektisch, während er versuchte, sich meinen Hilfen am Bein zu entziehen. Laut schepperten seine Eisen an der hölzernen Wand, bis ich den Grund seiner Aufregung bemerkte. Lina kam mit einem breiten Grinsen auf den Lippen durch den Sand stolziert, am Zügel hielt sie Mateos Stute Karie. Dass sie einen Helm auf dem Kopf hatte, konnte nur bedeuten, dass er sein Pferd nicht reiten würde. Happy spielte sich währenddessen weiter auf, als hätte er nur eine Aufgabe im Leben. Ich erinnerte mich daran, wieso ich keinen Hengst wollte.
      “Hör auf”, knurrte ich ihm ins Ohr und wie aus dem Nichts blieb er stehen. Allerdings bewegte sich nun gar nichts mehr, weder vor noch zurück. Sicherer, als plötzlich die Kleine umzureiten.
      “Welch verzückte Überraschung”, rief ich ihr lachend zu und tätschelte den Hals meines Riesen.
      “Ja, finde ich auch”, strahlte sie, “diese Gelegenheit konnte ich mir auch einfach nicht entgehen lassen.” Die kräftige Stute störte sich nur wenig an der Gegenwart des Hengstes, folgte Lina artig in die Zirkelmitte, wo sie den Gurt enger zog. In meinem Kopf leuchtete eine kleine Lampe auf, aus einem Bereich, den ich versuchte, geschlossen zu halten. Doch plötzlich stand die Tür offen und unterbreitete mir ein teuflisches Gefühl von Neid, Angst und Zweifel an mir. Dabei konnte die Kleine nicht einmal etwas dafür, einzig meinem Hengst fehlte es an benehmen. Dabei merkte ich, dass mein Geist noch immer nicht gefasst war, Veränderungen hinzunehmen. Seufzend legte ich die Beine an den Bauch des Pferdes. Er bewegte sich schließlich aus der Starre, aber spielte sich sogleich auf Höhe der Stute auf. Den Kopf streckte Happy in die Luft und entzog sich komplett dem Zügel. Gleichzeitig spürte die wegtretende Hinterhand. Damit verlor ich die Kontrolle über ihn und im Trab legte er zu, bis der Fuchs seine Runden drehte. Ich hätte ihn vermutlich ablongieren sollen, obwohl er gestern eine intensive Einheit hatte. Müde sollte er sein und nicht wie ein abgestochenes Schwein durch den Sand rasen. Der positive Nebeneffekt kam, dass Happy sich abreagierte und schließlich abschnaubte. An dem Punkt parierte ich durch und gurtete nach.
      Lina ritt zur gleichen Zeit die Dunkelfuchsstute warm, weiterhin mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. Vermutlich hatte meine eigene Unsicherheit dafür gesorgt, dass sich das sensible Pferd derart extrem verhielt. Im Schritt lobte ich ihn ausgiebig. Die Stute beachtete er gar nicht mehr, nur Mateo war ihm weiterhin ein Dorn im Auge.
      “Dein Pferd mag mich ja wirklich nicht. Kommst du damit zurecht oder müssen wir nach einer Lösung schauen?”, erkundigte sich dieser rücksichtsvoll.
      “Wir holen eine Schere und berauben ihm seiner Männlichkeit, so einfach”, lächelte ich bewusst. Auf rätselhafter Weise konnte er jedes meiner Worte genau verstehen, denn seine Schritte verlängerten sich und er senkte den Kopf. Dabei schwang der Rücken mit. Tatsächlich verspürte ich endlich seine Ausbildung, das, was Happy auch gestern zeigte.
      „Der hat dich genau verstanden“, lachte der Schweizer. Lina, die derweil im Hintergrund herumzirkelte, wurde nun ebenso aufmerksam und kam locker herangetrabt. Happy zuckte nicht einmal, kaute stattdessen auf seiner Stange aktiv.
      „Worüber amüsiert ihr euch?“, fragte sie interessiert.
      „Offenbar ist Happy seine volle Männlichkeit überaus wichtig“, grinste ich und strich ihm durch die lange Mähne.
      „Dann ist ja gut, dass er seine Halfterfarbe nicht erkennt“, lachte sie.
      „Ja, ja. Schon klar“, rollte ich mit den Augen und trabte ebenfalls an. In gleichmäßigen Tritten federte er durch den Sand und wölbte dabei bilderbuchmäßig seinen eher kurzen Hals. Die Schwebephase auszusitzen war mit den kurzen Bügeln ein noch schwierigeres Unterfangen, sodass ich lieber leicht trabte. Nach einigen Schlangenlinien und Seitengängen legte ich das äußere Bein heran, stellte das Genick leicht nach innen und der Hengst sprang in den Galopp um. Geschwungen setzte er voran und ich entschied in der letzten Sekunde, doch noch über das niedrige Kreuz zu setzen. Den Höhenunterschied spürte ich kaum, so sehr versuchte das Pferd vor weiblicher Anwesenheit sich zu präsentieren. Auch beim zweiten Mal konnte ich nicht genau abschätzen, ob wir das Hindernis absolviert hatten und lenkte letztlich auf das höhere Rick zu. Nun musste ich genau aufpassen und wie ich es die wenigen Male in der Ausbildung hatte, gab ich eine halbe Parade, um schließlich mit mäßig gutem Abstand abzuspringen. Deutlich weiter flog er über die Stange, als würden wir einen Wassergraben springen, zumindest sagte mein Hirn mir, dass er sich verschätzt, hatte in der Weite. Freundlich tätschelte ich den Hals und holte ihn in den Trab zurück, nur der Schritt schien in weiter Ferne. Der potente Hengst strotzte vor Energie und legte mächtig an Tempo zu, ohne aus dem Rahmen zu fallen. Wirklich Hilfen waren dabei nicht nötig, denn Happy entschied selbst, sein Können zu präsentieren. Ich fühlte mich etwas unbeholfen im Sattel, aber konnte ihn schließ doch noch für Schritt begeistern.
      „Der springt ja wirklich“, staunte Lina, „Das sah gar nicht so schlecht aus.“
      „Ich frage besser nicht, wie du meinst“, scherzte ich. Sie meinte es nicht böse, dennoch vernahm einige Zweifel in ihrer Stimme, die ich versuchte zu überhören. Nach einigen Runden über die Stangen am Boden übernahm auch Lina das Ruder und flog über die aufgebauten Hindernisse. Die Stute war ebenso motiviert für das bunte Holz wie mein Hengst. Sie galoppierte deutlich hektischer, aber sprang deutlich gleichmäßiger ab und zog dabei kräftig an. Mir war es bis heute ein Rätsel, wie die etwas dicklich anmutende Stute, so flink unterwegs war. Unauffällig schielte ich zu Mateo, der mit seinen Augen fest an Lina gehaftet war und jeden Absprung anpeilte, als säße er selbst im Sattel.
      Nach einer ausgiebigen Pause galoppierte ich wieder an. In der Zwischenzeit hatte sich die Höhe etwas verändert und lag nun auf achtzig Zentimeter. Vom Rücken des Riesens wirkte es noch immer niedrig, aber meine Vernunft sagte mir, dass ich mich nicht überschätzen sollte. So sprang ich nur einmal hinüber und Ritt schließlich ab. Das Schicksal wollte ich nicht herausfordern, außerdem schwitzte Happy, als hätte ich ihn geduscht. Auch Lina nahm Karie in den Schritt zurück. Tatsächlich benahm sich der Kerl unter dem Sattel und reihte mich neben ihr ein.
      „Und, immer noch der Meinung, dass es nicht sein Bald-Freund ist?“, zwinkerte ich überzeugt zu ihr hinüber, „schließlich überlässt er dir sein Lieblingspony.“
      „Ja, dafür müsste ich nämlich erst einmal auf der Suche sein“, blieb sie standhaft, „und jemanden seinem Pony reiten zu lassen, ist noch lange kein Liebesbeweis.“
      „Ach, ich denke schon, dass er sich abends im Bett vorstellt, wie sich sein Pony wohlfühlen muss“, konnte ich mich nicht zurückhalten, unpassende Sprüche zubringen. Schließlich musste auch ich Lars ertragen, der bei jeder Fahrt im Wald, an nichts anderes dachte.
      „Was ist denn los, dass hier alle nur das eine im Kopf haben“, schüttelte sie den Kopf.
      „Der Frühling kommt, mein Schatz“, grinste ich.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 30.952 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang März 2021}
      Fohlenbericht fünf von sieben.
    • Mohikanerin
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      kapitel fyrtiotvå | 4. April 2023

      Maxou / Anthrax Survivor LDS / Sign of the Zodiac LDS / Fire to the Rain LDS / Astronaut in the Ocean LDS / Millennial LDS / Mockup / Schleudergang LDS / Mondlandung LDS / St. Pauli’s Amnesia / HMJ Divine / Ready for Life / Northumbria / Blávör / May Bee Happy / WHC' Humanoid Crashtest / Eichkatze / Sisko / Meltdown / Pay My Netflix / Trotaholic / Crazy Love

      Seit dem Renntag, und meinem ziemlich irrelevanten Geburtstag, verflogen die Tage wie im Flug. Mein Pferd – immer noch kaum zu glauben, dass ich vollkommen allein eins besaß – beanspruchte viel Zeit, schließlich hatten wir ein ziemlich kurzfristiges Ziel. Glücklicherweise war Mocki bereits angeweidet, konnte somit in der Nacht, wie alle anderen Pferde, auf die Weide. Für ihn war es noch alles neu auf dem Hof, also zeigte ich ihm erst einmal alles. Der Osteopath hatte kurzfristig einen Termin frei und kam am Tag nach der Ankunft. Gleichzeitig zeigte er mir weitere Handgriffe, die ich täglich durchführen sollte. Es waren reine Wellenessmaßnahmen, um die Vielzahl von Verspannungen zu lösen. Besonders in der Schulter, im Genick zeigte Mockup seine schmerzlichen Stellen. Zur Unterstützung kam er trocken unter das Rotlicht für eine halbe Stunde und am Nachmittag longierte ich ihn an der Doppellonge. Bereits nach zwei Tagen konnte ich eine Verbesserung feststellen, obwohl ich die Einheiten Schrittarbeit begrenzte. Wenn er von selbst ein paar Meter traben wollte, ließ ich es zu.
      Heute war der vierte Tag unserer Arbeit. Neugierig stand er bereits an der Boxentür, als ich die Stallgasse betrat und ein neues Halfter in der Hand hielt. Bevor mein Arbeitstag begann, war ich zum Reitgeschäft nach Kalmar gefahren. Neben einem Lammfellhalfter in Grau und Blau kamen mir noch passende Gamaschen, Glocken und Bandagen zwischen die Finger, die ich natürlich auch mitnahm.
      „Na schau mal“, begrüßte ich den Fuchs in hohen Tönen. Mit aufgeblähten Nüstern nahm er den Gegenstand unter die Lupe und ließ sich brav auf halftern. Der Weg an den Boxen vorbei, war das einzige, woran wir noch, vom Boden aus, arbeiten mussten. Auf dem Untergrund rutschte er mit den Hufeisen, aber ich wollte diese ohnehin entfernen. Zufälligerweise war Lars gerade Schlendrine beschäftigt.
      „Laaaars?“, fragte ich mit großen Augen, als wir an ihm vorbeikamen. Die Pferde schnupperten interessiert aneinander, aber fanden einander nur wenig relevant für weitere Interaktionen.
      „Jaaaa?“, wiederholte er in derselben Tonart und stellte das Bein ab.
      „Würdest Mocki die Eisen vorn abnehmen?“, formulierte ich freundlich.
      „Solltest du das nicht selbst schaffen?“, wunderte er sich. Ganz Unrecht hatte er mit dieser Annahme nicht, schließlich war es ein Teil meiner Ausbildung. Jedoch stellte sich ziemlich schnell heraus, dass ich nur wenig begabt darin war.
      „Schon ja, aber ich bin doch zu doof dafür“, gab ich kleinlaut zu.
      „Na gut, in zwanzig Minuten“, ließ er sich überzeugen und setzte die Arbeit fort. Hintergründig hörte man die Schläge auf das Eisen, aber Mocki beirrte dies keines Wegs. Er folgte mit dem Blick jeden meiner Schritte, als ich die Weidedecke vom Rücken nahm und an dem Haken an der Putzbucht anhing. Kaum hatte ich die Bürste weggebracht, kam Lars dazu. Freundlich hielt er dem Pferd die Hand entgegen. Dieser blähte einmal die Nüstern auf, dann stieß Mocki die Luft hörbar aus.
      “Warum sollen die Eisen ab?”, musterte Lars den Beschlag.
      “Er rutscht und das ängstigt ihm”, erklärte ich kurz gebunden.
      „Hast du dir Gedanken gemacht, wie es dann weitergeht? Ich meine, der Gute läuft seit zwei Jahren nur auf Beschlag und wenn er mit nach Finnland soll, könnte es ungewohnt werden“, klärte er auf. Ehrlich gesagt, war die Idee auch nur von mäßigem Erfolg geprägt. Wir diskutierten Alternativen, die ebenso wenig von Erfolg gepriesen waren. Ich wollte ihn Barhuf, aber Lars riet mir davon ab. Zwischenzeitlich kam Lina dazu, mit Mola. Die Pferde waren sich zuvor schon begegnet, dennoch war der Junghengst der Artgenossin skeptisch gegenüber. Dabei machte die Stute nichts, sie stand nur da und kratzte den Kopf am Holzbalken.
      „Aber wenn du keinen Kunststoff willst, bleibt nur noch Gummi“, seufzte Lars, dem mittlerweile die Ideen ausgingen.
      „Was wäre denn so schlimm daran, wenn er nichts an den Hufen hat?“, rollte ich mit den Augen.
      “Der wird dir in spätestens zwei Tagen lahm gehen bei dem harten Boden hier am Hof. Etwas muss er gegen die Stöße bekommen, sonst kannst du dein Ziel vergessen.”
      Zunehmend war Lars genervt und machte seinen Unmut meiner Sturheit gegenüber klaren Ausdruck. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, tänzelte wie auf heißen Kohlen über den Beton.
      “Ich schätze Lars könnte recht damit haben”, wand Lina zurückhaltend ein, “vielleicht solltest du das probieren mit dem Gummi, zumindest für den Übergang.”
      “Meinst du? Seine Hufe sehen doch super aus“, sprach ich nach unten gebeugt und fuhr mit meinem Daumen über das Horn. Die Struktur war fest, kein Riss in der Wand. Wer auch immer ihm vorher beschlug, sollte eine Auszeichnung bekommen.
      „Vivi, am Ende ist es deine Entscheidung, aber sprich mit Basti, der kennt das Pferd schon länger und du fährst doch nachher ohnehin zu ihm“, seufzte Lars. Er hatte sich auf die Zwischenwand gesetzt, wissend, dass es noch eine Weile dauern würde, bevor eine Entscheidung fiel.
      “Nein, Vriska, ich bin kein Hufschmied”, entgegnet meine Kollegin ehrlich, “aber ich denke ich jetzt komplett vom Beschlag zu nehmen, könnte ihn erheblich beeinflussen. Stell dir vor, du läufst jahrelang dauerhaft mit Eisenschuhen an den Füßen herum, das ist ein ganz anderer Bewegungsablauf.”
      “Na so ein wenig kenne ich mich auch aus”, erklärte ich wahrheitsgemäß, auch wenn ich mich häufig blöd stellte, “wäre Gummi eine ernstzunehmende Alternative oder ist eine blöde Idee, die jemand auf dem Markt hatte, um Geld zu verdienen?”
      Unterhalten stieß Lars Luft aus und schüttelte leicht den Kopf.
      “Es wirkt beinah so, als hättest du nichts mit den Pferden am Hof zu tun. Ini kam mit Gummischuhe zurück und wir haben angesichts der Erfolge nichts am Beschlag geändert. Seitdem haben wir es auch bei Mill und Enigma am Huf. Besonders für junge Pferde wird es empfohlen, denn sie dämpfen die Last maximal und sollen die Durchblutung fördern”, legte er die Vorteile nah. Nebenbei hatte mein Handy hervorgezogen und überlegte, auch bei Basti mir Informationen zu holen, denn das Internet selbst, sagte genau das, was Lars mir mitteilte.
      “Sorry, wenn ich störe, aber ich brauche deine Meinung”, tippte ich. Natürlich antwortete er direkt, hatte er sonst keine Hobbys?
      “Hau raus.”
      “Was denkst du von Gummi? Sinnvoll, oder nicht?”, flogen meine Finger die Tastatur. Es dauerte. Die drei Punkte bebten in der Ecke und eine Sprachnachricht kam an. Wie immer grinste ich breit, wenn wir miteinander schrieben. Um den Unmut seiner Belegschaft nicht zu befeuern, hielt ich es bei den nötigsten Nachrichten, obwohl ich ihm jede Sekunde schreiben wollte.
      “Klingt nach ganz schön coolem Zeug, Beschlag, der die Durchblutung fördert”, überlegte Lina.
      “Ähm, was?”, horchte ich auf, bemerkte, dass ich nur halb dem Gespräch folgte. Dann tippte ich auf die Sprachnachricht, zu blöd, es allein zu hören.
      „Ach Harley“, seitdem er auf dem Kaufvertrag ermitteln konnte, dass ich einen Zweitnamen hatte und diesen im Leben mied, zog er mich damit auf, „das Gespräch über Bienchen und Blümchen sollten doch deine Eltern mit dir führen. Grundsätzlich befürworte ich die Nutzung von Gummis, außer du hast andere Vorstellungen.“ Mit hochroten stand ich in der Putzbox und wollte am liebsten im Abfluss versinken, aber eine nächste Nachricht folgte sofort: „Ich schätze jedoch, dass du Gebiss, Gurt oder Eisen meintest, aber ja, alles hat sein für und wider. Mocki kommt mit Gummi jeder Art gut zurecht.“
      “Upsi, da sollte sich jemand differenzierter ausdrücken”, lachte die kleine Brünette reichlich amüsiert über die Angeleinheit.
      “Maaaaaan”, beschwerte ich mich zutiefst in Pein gehüllt.
      “Du musst dich nicht dafür schämen, scharf auf ihn zu sein”, munterte mich Lars ungewöhnlicherweise auf.
      „Damit machst du es nicht besser“, echauffierte ich mich und lief nervös Kreise.
      „Aber er scheint dem auch ganz offen gegenüber, was man ihm nicht verübeln kann“, rief er mir noch nach, aber ich versuchte mir die Ohren zuzuhalten.
      „Vriska, ist doch nichts dabei. Beruhige dich“, versuchte Lina, zu mir durchzudringen, „du machst alle noch ganz verrückt.“
      “Okay, okay, okay”, stammelte ich losgelöst.
      Ich atmete tief durch.
      “Danke für deine Hilfe, aber so genau wollte ich deine Präferenzen nicht wissen”, tippte ich grinsend und steckte schließlich das Handy zurück in die Jackentasche.
      “Dann bekommt Mockup nun Gummi an die Hufe”, beschloss Lars. Er richtete sich auf und verschwand für einen Moment, um den gewünschten Beschlag aus dem Lager zu holen. Hintergründig hörte man ihn fluchen und krachen, als würde er die Ware nicht finden. Schließlich kehrte er zurück, als ich selbstständig begonnen hatte, die Nieten zu öffnen und hielt bereits das erste Hufeisen in der Hand in der Hand.
      “Ach, jetzt schaffst du es selbst?”, schmunzelte Lars.
      Den Rest übernahm er. Meinem Pferd ging es nicht schnell genug. Er versuchte den Huf abzustellen und erst, als ich wieder an den Kopf kam und langsam die Finger hinter den Ohren kreisen ließ, entspannte er. Lina brachte Mola weg, aber setzte sich interessiert dazu. Von der Arbeit mit meinem Fuchs bekam sie nur peripher etwas mit. Ich bemühte mich früh im Stall zu sein, wenn die anderen noch mit dem Abäppeln beschäftigt waren und am Abend sehr spät, wenn jeder in der Hütte saß.
      „Soll heute wieder nur für mich kochen?“, fragte ich Lars, als er fertig war mit dem Beschlag. Nur im Stand sah ich bereits Besserungen am Fuchs. Seine Schulter war entspannt und der Rücken weicher – Faszinierend, dieser Gummibeschlag.
      „Ich weiß es noch nicht, kommt darauf, an, ob sich noch jemand meldet“, sagte er grinsend.
      „Ach, stehen die Damen wieder Schlange?“, lächelte ich.
      „Wer weiß das schon, ein Gentleman genießt und schweigt.“ Selbst sicher stolzierte er an mir vorbei, um das Werkzeug an seinen Platz zu bringen. Ich ging meiner Routine mit dem Pferd nach. Einen Schmerzpunkt nach dem anderen behandelte ich mit unterschiedlichen Druckstärken. Die Stricke hatte ich gelöst, denn er stand ruhig und sollte sich strecken können. Das tat Mocki auch. Genüsslich kaute er, gähnte und kam der Entspannung nah.
      „Immer wieder faszinierend“, staunte Lars, der wohl schon ein paar Minuten an der Seite stand.
      „Hattest du es nicht in der Ausbildung?“, hakte ich nach und drückte etwas stärker an den Muskel am Hinterbein.
      „Doch schon, aber was du nicht gut warst beim Schmieden, war ich in Physio.“
      „Verstehe, soll ich dir was zeigen?“, bot ich an. Interessiert nickte er und ich erklärte zunächst die unterschiedlichen Druckstärken, dabei auch der Einsatz von Arm und Handfläche ein wichtiges Thema. Wie ein Kleinkind verschlang mein Kollege das Wissen und versuchte sich selbst an Mockup. Der Hengst war anfangs irritiert, aber nach einigen Wiederholungen gelang es auch ihn, das Pferd in Trance zu versetzen.
      „Ziemlich cool, danke dir“, lächelte Lars und blickte mit seinen grünen Augen zu mir hinunter, als würde er etwas erwarten.
      „Ist etwas?“, beäugte ich ihn, ohne den Augenkontakt zu lösen.
      „Kannst du das auch beim Menschen?“
      „Ein wenig, aber Pferde sind einfacher“, sprach ich.
      „Okay, dann essen wir heute zusammen“, beschloss Lars, bevor er ein Halfter holte und sich einen der aktiven Trabern fürs Training schnappte. Die Pferde vom gestrigen Renntag hatten Pause und standen noch immer auf der Weide. Sie hatten es sich verdient.
      „Mich beschleicht das Gefühl, Lars möchte mehr als nur mit dir Essen“, schmunzelte Lina, die alles interessiert, von ihrem Sitzplatz aus mitverfolgt hatte.
      „Da stößt er auf taube Ohren“, sprach ich und befestigte den Pulsmesser am Pferdebauch. Mocki wachte nur langsam aus der Entspannung auf, mit dem Gefühl des Gurtes riss er die Augen auf. Hektisch setzte er einen Schritt zurück. Ich hielt ihm noch ab Halfter.
      „Ganz ruhig“, flüsterte ich ihm gut zu und tätschelte den angespannten Hals.
      „Wie hältst du das eigentlich aus, ist das nicht anstrengend, ihm ständig Widerstand leisten zu müssen?“, erkundigte sie sich.
      “Du meinst Lars gegenüber?” Sie nickte.
      “Sagen wir es mal so”, ich atmete einmal durch, denn bisher hielt ich kommenden Informationen verschlossen, “wir haben Bedürfnisse und an manchen Tagen gibt es keinen Grund, ihm Widerstand zu leisten. Er hört sofort auf, wenn ich es ihm sage.“
      „So habe ich das nie betrachtet, aber durchaus nachvollziehbar“, entgegnete sie verständnisvoll.
      “Ich mag ihn, aber Nour hat mir von Anfang an glaubhaft gemacht, dass Lars nur auf kurzfristige Dinge aus ist. Außerdem, Basti”, die letzten Worte verschluckte ich, nicht wissend, wie ich die vorherrschende Situation formulieren sollte. Er bedeutete mir unglaublich viel, aber, wie er selbst sagte, war ich nur eine Freundin.
      „Ist aber auch immer komplex bei dir, als würdest du es geradezu anziehen“, sprach die Kleine mitleidig.
      „Es ist okay, gibt Schlimmeres“, winkte ich ab, „immerhin den Pferden geht’s gut.“
      Ich führte Mockup zur Führanlage. Er durfte sie bereits von außen kennenlernen und begutachtete das klapprige Ding. Sie war in keinem guten Zustand mehr, musste andauernd repariert werden, aber im Zuge des Umbaues hatte Tyrell bereits angekündigt, dass wir eine neue bekamen. Wann das genau sein würde, stand noch in den Sternen, aber bisher kamen die Bauarbeiten voran. Teile neuen Gebäude waren schon ausgehoben und ein Fundament gegossen. Im Wald – wo eine weitere Stallanlage entstand – konnte man schon Wände erkennen, aber ich war nicht oft dort.
      “Aber dir sollte es doch genauso gut gehen“, seufzte sie, doch gab es gleichzeitig auf, dies weiter infrage zu stellen, “aber jetzt mal wirklich, ich bin erstaunt, wie schnell du Pferde wieder hinbekommst. Erst Happy und jetzt bei Mocki auch wieder.”
      “Ich kenne die Vergangenheit der beiden nicht und fasse sie nicht mit Samthandschuhen an, insbesondere Mocki scheint mir, bis auf die Verspannungen, kerngesund. Er soll nur unglaublich langsam sein”, erklärte ich meinen Eindruck.
      “So langsam sieht er gar nicht aus”, sagte sie und betrachtete die langen Beine des Fuchses.
      “Sehr oberflächlich von dir”, schmunzelte ich. Parallel änderte ich die Richtung der Anlage. In Zeitlupe wendete er auf der Hinterhand und stieß mit dem Kopf gegen das Metall. Perplex sah er sich aber, aber begriff nur so halb, dass er selbst dagegen gekommen war. Im Schritt lief Mocki voran. Das klügste Pferd war er nicht.
      “An etwas muss man das doch festmachen”, zuckte sie mit den Schultern.
      “Die haben alle lange Beine”, stellte eine bekannte Stimme von der Seite fest. Bevor ich begriff, wer plötzlich bei uns war, bekam ich einen schwarzen Pferdekopf ins Gesicht. Mit der Oberlippe fummelte Amy das Brillengestell von meiner Nase, erst dann zog Ju sein Pferd zur Seite.
      “Ja, da hast du nicht unrecht”, nickte Lina nachdenklich, “Woran erkennt man es dann?” Neugierig inspizierte die Stute nun auch sie und begann verspielt an ihren Zöpfen zu knabbern.
      “Training und Charakter. Das Pferd muss im Aufbau Sauerstoff im Blut speichern können, oder so. Ich weiß es nicht mehr so genau, wie die physischen Belange sind, aber dafür ist Lars da. Ansonsten, es braucht diesen Funken an Lust, schwer zu erklären”, sagte ich nachdenklich. Für einen Moment wurde mir klar, dass meine Ausbildung im Islandpferdebereich die dümmste Idee von allen war, denn bis auf die zwei Berittpferde, hatte ich nichts mehr mit den Tieren zu tun. Dabei begann die Ausbildung im Trabrennsport, bevor ich Hals über Kopf wechselte.
      “Klingt kompliziert. Gut, dass das für meine Ponys irrelevant ist”, lacht sie.
      “Was machst du eigentlich mit deinen?”, mischte auch Ju sich in das Gespräch ein.
      “Sie rollen auf Vierbeinen durch den Wald”, übernahm ich kurzerhand die Antwort. Böse Blicke trafen mich.
      “Wir rollen nicht!”, entgegnete sie trotzig, bevor sie mit einem freundlicheren Ton fortsetzte, “Mit Ivy versuche ich aktuell die Basics zu verfeinern, bevor es in der Dressur weitergeht. Redo steht theoretisch ebenso im Dressurtraining, aber ich habe aktuell nicht das Gefühl, dass sie Spaß daran hat, deshalb sind wir viel im Wald.”
      “Vielleicht braucht sie nach der Dienstzeit eine richtige Pause, mit einem Baby oder so”, schlug Ju vor. Während die beiden sich über ihre Pferde unterhielt, erhöhte ich die Geschwindigkeit der Anlage. Einmal knatterte es laute, aber dann bewegte sich doch noch der Motor schneller.
      „Haustechniker wäre eine Investition wert“, dachte ich insgeheim, aber war froh, dass der Hengst nur zusammen schreckte und trabte. Auf dem Handy warf ich einen Blick auf seine Herzfrequenz, trotz der geringen Geschwindigkeit zeigte er einen hohen Wert, für ein trainiertes Rennpferd nicht zufriedenstellend. Skeptisch sah ich ihn an, aber würde es weiterhin beobachten. Hoffentlich fällt Finnland nicht ins Wasser, schließlich stand viel auf dem Spiel.
      „So, Mädels, ich muss weiter“, verabschiedete sich Ju grinsend und führte Amy in den Stall.
      Ich seufzte.
      „Er ist schon ziemlich hot“, gab ich Lina in leisen Tönen zu verstehen. Ein breites schmunzelt, trat auf ihr Gesicht: “Du stehst also noch auf ihn.”
      “Jetzt übertreiben wir mal nicht, aber ich wäre nicht abgeneigt”, holte ich sie auf den Boden der Tatsachen zurück.
      “Ja ja, nicht abgeneigt”, grinste sie, “aber kann man dir auch nicht verübeln.”
      “Du willst mich offenbar fest in den Armen eines Typen sehen”, schüttelte ich unterhalten den Kopf.
      “Ich möchte nur, dass du glücklich bist und wenn ein paar starke Arme dabei helfen, unterstütze ich das”, setzte sie ein Statement.
      “Aber nur ein paar starke Arme wären mir eine Hilfe”, grinste ich, in Gedanken wieder bei Basti.
      “Eines Tages wird er erkennen, was er gutes verpasst”, antwortete sie und es klang beinahe wie eine Versprechung.
      “Für eine Affäre wäre er offen, aber ich schaffe das emotional nicht”, seufzte ich. Allein, dass ich immer wieder auf das Thema mit ihm zurückkam, verdeutlichte mir, wie schwer die Situation war. Mit gesenktem Kopf blickte ich zum Fuchs, der schnaubend im Kreis lief.
      “Das kann ich verstehen, das könnte ich auch nicht”, stimmte sie zu, “Aber verliere die Hoffnung nicht, wenn du mich fragst, ist an Nelly etwas seltsam.”
      “Aus dem Buschfunk hörte ich, dass sie wohl nicht so treu ist, wie sie sich gibt”, zuckte ich mit den Schultern.
      In der Führanlage schepperte es, dann stand die Anlage.
      “Seriously?”, keifte ich und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Weit und breit war keiner der Männer zu sehen, also musste ich das panische Pferd selbst aus dem Käfig bekommen. Mockup stieg und trat heftig gegen die Gitter. Beruhigend sprach ich auf das Tier ein, bis er sich schüttelte und die Hufe auf dem Boden behielt. Langsam schob ich die Abteilung. Angekommen am Aus- und Eingang, befestigte ich den Strick. Wir liefen hinaus. Der Fuchs zitterte am ganzen Körper, schnaufte, als wäre er vor dem Teufel davongelaufen. Sanft tätschelte ich den Hals und führte ihn im Schritt auf dem Vorplatz.
      “Armer Mocki, wir benötigen dringend ein neue Führanlage, das ist ja eine Zumutung”, schüttelte sie den Kopf, “aber ja, was Nelly angeht, habe ich so etwas auch gehört.”
      “Aha, du bist im Buschfunk der Traber unterwegs?”, staunte ich nicht schlecht. Das Chaos um die Anlage ignorierte ich, schließlich lag das außerhalb unserer Entscheidung. Gehorsam folgte Fuchs, schaute sich in der Gegend um. Erneut lobte ich.
      “Indirekt”, lachte sie, “ viel mehr dem des weniger rasanten Fahrsports.”
      “Sie fährt Kutsche?”, fiel ich immer weiter aus allen Wolken, wieso wusste sie so viel?
      “Ja, sogar gar nicht so schlecht, habe ich gehört”, führte Lina weiter aus.
      Hörbar atmete ich aus.
      “Also eine bessere Freundin für dich”, sprach ich eher zu mir, als zu ihr gerichtet. Ihr Blick sagte mir jedoch, dass sie jedes einzelne Wort genau vernommen hatte.
      “Rede keinen Quatsch”, schüttelte sie entschieden den Kopf.
      Ein paar undeutliche Worte verließen meine Lippen, dann bogen wir in den Stall ein. Am Anbinder befestigte ich nur einen der Stricke und entfernte den Frequenzmesser. Ungeduldig wartete der Fuchs auf sein Futter. Bevor ich dieses aus der Futterkammer holte, schaltete ich das Solarium an. Mocki scharrte mit den Hufen, hörte erst auf, als Lina ihn maßregelte.
      “So, guten Appetit”, stellte ich ihm die Schüssel hin. Vorbeugend mischte ich Tonerde an, um seine Beine und Kruppe zu teilen, einzuschmieren. Lars hatte mir empfohlen – als wir mit Mockup am Stall ankamen – ihn damit zu behandeln. Lina stand an die Wand gelehnt daneben und scrollte auf ihrem Handy umher. Den Bewegungen zu Urteil hing sie auf Instagram herum. Dabei veränderte sich ihren Gesichtsausdruck von freudig, über amüsiert, bis zu genervt.
      “Menschen sind doch blöd”, rollte sie mit den Augen und steckte das Gerät wieder weg.
      „Was tun sie denn Böses?“, hakte ich nach, wissend, dass es vermutlich ähnliches war, was ich seit Wochen bekam. Statt einer Antwort zog sie das Gerät wieder hervor und zeigte mir die Kommentare ihres letzten Posts, indem sie, neben den Fortschritten ihres Hengstes, auch offen über die Motivationsprobleme von Redo berichtete. Im ersten Anblick schienen die Kommentare übersäht mit positivem, doch bei genauerem Hinsehen, tauchten immer negative Dinge auf. Einige Kommentare kamen von naseweisen Kindern, die sich aus ihrer Weltanschauung heraus bereits an Gebiss und Sattel störten. Doch was Lina vermutlich viel mehr der Dorn im Augen war, waren jene Personen, die ihre Kritik nicht nur äußerst unfreundlich ausdrückten, sondern über das eigentliche Thema hinaus, ziemlich persönlich wurden. Kritik fanden sie an eigentlich allem und zwei recht schreib freudige Damen, gingen sogar so weit über sie herzuziehen und ihr gesamtes Umfeld herzuziehen. Teilweise konnte ich die Negativität nachvollziehen, denn einige Dinge missfielen mir ebenfalls, aber kein Grund, dies zu äußern oder gar zu veröffentlichen. Vielmehr war es „wir haben unterschiedliche Ansichten“, weshalb ich mich zurückhielt.
      „Blockieren und löschen“, sagte ich distanziert und begutachtete mein Werk an den Pferdebeinen, „die werden immer so weiter machen, weil sie persönliche Differenzen haben und dich als geeignetes Opfer betrachten, schließlich bist du für sie nur Pixel und nicht aus Fleisch und Blut.“
      „Mhm, blöd nur, dass Pixel Gefühle haben“, murmelte sie unbestimmt und ließ das Handy in der Jackentasche verschwinden. Ihre sonst übertrieben gute Stimmung war von ihr gewichen.
      „Je mehr Menschen du erreicht, umso mehr mit wertlosen Charakterzügen finden dich. Du kannst es nicht jedem recht machen. Solang du hinter deiner Arbeit stehst, ist doch alles gut“, versuchte ich ihr einen anderen Standpunkt zu vermitteln. Es war unglaublich, wie Menschen es als ihr Recht erachteten, jedem die eigene Meinung im Internet zu unterbreiten. Am Ende betitelten sie es als Meinungsfreiheit, die sich allerdings auf die Straffreiheit und politischen Verfolgung bezieht.
      „Soll ich mir mal deine unmotivierte Tonne anschauen?“, schlug ich aus der Stille heraus vor, die sich im Putzbereich gelegt hatte. Mockup schlief abermals und Lina schaute undefiniert ins Nichts. Es dauerte einen Moment, bis eine Reaktion kam, doch dann nickte sie langsam: “Ja, bitte.“
      Dass sie dem zustimmte, machte mir die Dummheit dahinter bewusst. Auch wenn Lina ebenso klein wie ich war, konnte ich mir nur schwer vorstellen, dem Pferd eine klare Hilfe geben zu können.
      Ich brachte den Fuchs mit Decke zurück in seinen Laufstall, dort stürzte er sich auf seine Heulage. Zur gleichen Zeit holte Lina den Rappen. Sie befreite den Rappen vom Schmutz und ich wechselte meine Kleidung, zumindest zog ich Stiefel über die Arbeitshose und vorsichtshalber befestigte ich meine Sporen. Aus dem Schrank funkelte mich die Schutzweste an, die ich ebenfalls überwarf.
      “Du siehst aus, als hättest du großes vor”, betrachte meine Kollegin mich interessiert. Die dunkle Stute hatte bereits Gamaschen an den Beinen und ließ entspannt die Unterlippe hängen.
      „Ich möchte es nicht riskieren, schließlich steht Großes auf dem Plan“, erläuterte ich meine Intention.
      “Ich denke nicht, dass da notwendig sein wird, aber deine Sache”, sprach sie und verschwand mit einem winzigen Schmunzeln auf den Lippen in die Sattelkammer. Wenig später kehrte sie zurück, mit Sattel und Trense. Mit dem Schließen des Gurtes erwachte die Stute langsam aus ihrer Ruhephase, stellte alle vier Hufe wieder auf den Boden und streckte sich vom Hals zum Rücken.
      „Wirklich gut sieht der Sattel nicht aus“, stellte ich auf ersten Blick fest und löste den Gurt wieder. Eher teilnahmslos stand Lina daneben und beobachtete, wie ich mit der Hand am Polster entlangfuhr. Bereits in der Mitte bildete sich eine Brücke. Zudem kippte der Sattel leicht nach hinten, was ihr ebenfalls Schmerzen bei Belastung bereitete. Einzig mit einem Kopfschütteln kommentierte ich das vor mir liegende und nahm ihn herunter. Aufgrund der kurzen Sattellage sowie vergleichbar breiten Kammer würde so schnell keinen Ersatz in der Sammlung finden, stattdessen holte ich eins der dicken Korrekturpads. Hinsichtlich der Situation würde es der Stute Erleichterung bringen, aber war ganz klar, keine Lösung auf Dauer. Ich legte das Pad zwischen Sattel und Schabracke. Gebiss und Trense passten aus meiner Sicht, also schloss ich den Helm und führte das Pferd zum Reitplatz hinaus.
      Der Sand war frisch abgezogen. Ein leichter Wind wehte den Duft von Frühling an uns heran. Zum Beginn wärmte ich Redo vom Boden aus auf. Sie arbeitete konzentriert, wenn auch holprig. Vermutlich kamen ihr die Hilfen spanisch vor, aber sie versuchte es nach ihren möglichen Kräften. Dann zog ich den Gurt ein Loch fester und schwang mich in den Sattel. Wie vermutet, saß ich wie Prinzesschen auf der Erbse und um Längen breiter als auf anderen Pferden. Obwohl ich mich nicht wohlfühlte auf dem Kaltblüter, nahm ich mich dem Problem an. Von Anfang an trieb ich aktiv, hörte jedoch auf, wenn sie das geforderte Tempo erreichte. Dann lobte ich ausgiebig. Zumindest ergab sich mir, warum Lina so geschafft war, wenn sie von Redo abstieg.
      „Jetzt siehst du, was ich meine und du hast noch Glück, dass sie heute nicht auch noch die Stute raushängen lässt“, seufzte Lina, „so extrem treibig ist sie fast nur in der Bahn.“ Die Kleine wirkte ziemlich unglücklich darüber, dass sich die Rappstute bei mir nicht wirklich anders verhielt. Allerdings wärmte ich das Pferd noch auf, welche große Veränderung sollte dabei auftreten?
      „Mit Stuten kann ich umgehen, allerdings kennen wir uns nicht“, versuchte ich sie mit den Fakten etwas zufriedener zu stimmen, was keinerlei Veränderung bewirkte. Nach einem Handwechsel begann ich die Zügel kürzer zufassen und auf gebogenen Linien, die Rittigkeit zu fördern. Zwischendrin stoppte ich, richtete rückwärts und versuchte jede folgende Lektion unvorhersehbar zu gestalten. Damit kam ich voran. Redo hielt ihre Ohren bei mir und war leicht in der Hand. Je schneller die Wendungen und Figuren wechselten, umso genauer reagierte sie auf meine Schenkelhilfe. Durch das vermehrte Untertreten kam sogar ein annehmbares Tempo zustande. Schließlich trabte ich an. Energisch trieb ich sie voran und schob im Sattel das Pferd voran. Der erste Tritt ohne Hilfe folgte und ich parierte wieder durch in den Schritt, um die Hand aus der Ecke heraus zu wechseln und den Schenkel anzulegen. Es wurde deutlich besser. An meine Vorstellung von der korrekten Umsetzung der Hilfen kam das schwarze Pferd jedoch nicht heran, aber es war mein Problem. Lobend holte ich sie zurück und ließ sie abkauen. Gerade einmal zwanzig Minuten arbeiteten wir intensiv. Redo blähte aufgebracht ihre Nüstern, kam allerdings der Losgelassenheit nahe. Lina beobachte das Ganze von der Bande aus, betrachte jeden Tritt mit Argusaugen, wobei sich ihr Gesichtsausdruck nur geringfügig veränderte. Nach wie vor wirkte sie mit der Gesamtsituation nicht glücklich.
      “Ach Lina, was stört dich denn so?”, seufzte ich, den Hals der Stute tätschelnd.
      “Wozu mache ich das eigentlich …”, murmelte sie, ”das hat doch alles keinen Sinn.” Wie sie das so sagte, bekam ich das Gefühl, dass das Problem nicht allein bei der Stute lag.
      „Muss alles einen Sinn ergeben? Grundsätzlich verdienst du Geld auf dem Hof und die hier, sind deine Freizeitbeschäftigung, etwas eintönig, aber ist doch schön, wenn dich etwas begeistert“, versuche ich gewählt mich auszudrücken. Die Sorgen und Ängste anderer zogen sich durch mehrere Generationen und aus irgendwelchen Gründen suchte jeder nach einem Sinn. Vielleicht war der Sinn, Spaß zu haben und das sollte doch reichen.
      Sie seufzte: “Vielleicht hast du recht.”
      „Dann reitest du mal deine Tonne ab, ich habe noch zu tun“, sagte ich schließlich und sprang aus dem Sattel. Lina drückte ich die Zügel in die Hand, um schließlich im Stall wieder meine Ausrüstung abzulegen und in die bequemeren Stallschuhe zu steigen. Alles andere fand seinen Platz zurück in den Schrank.

      Vor Stunden überlegte ich noch, ob ich wirklich die Lust und Energie hatte, erneut nach Kalmar zu fahren. Allerdings fiel die Entscheidung recht schnell, als Lina begann an mir zu hängen wie eine Klette. Ihr fehlte die Beschäftigung, also schob ich ihr Blávör zu, die ich seit Monaten mit ritt. Max war ohnehin egal, wer seine Stute bewegte, solang sie mal vom Paddock konnte. Für Humbria stand schnelles Fahren auf dem Trainingsplan und erstaunlich gut, konnte Lina im Galopp mithalten. Zwischendurch verlor sie den Anschluss und kürzte dann ab. Auch bei den nächsten Trainingspferden wurde ich sie nicht los. Es war ein Tag, an dem auch Nour wenig Zeit für sie übrighatte und die kleine Brünette nur schwer selbstständig eine Beschäftigung fand. Im Wald trafen wir auf Alexa, die, mit einem breiten Grinsen auf den Lippen, auf Happy einen Ausritt veranstaltete.
      Mit den Worten „ich fahre gleich zu Basti“ wurde ich schließlich meinen Anhang los. Sie interessierte sich blendet dafür, was ich auf dem Hof wollte, aber konnte sich nicht dazu durchringen, danach zu fragen, ob sie mitdürfte. An der Fernstraßenauffahrt rauschte Niklas in seinem Porsche an mir vorbei, was mir zumindest beantwortete, wieso sie nicht gefragt hatte. Vor den Ställen parkte ich das Auto ab und begab mich auf die Suche nach Basti.
      „Vriska, oder?“, fragte ein junger Herr, wenige Jahre jünger als ich.
      Zustimmend nickte ich. Er stellte sich als Timo vor. Binnen kürzester Zeit ergab sich eine nette Unterhaltung. Seit ungefähr einem Jahr war er auf dem Hof, pflegte die Pferde und übernahm den Großteil der anfallenden Stallarbeit. Dabei hatte er überhaupt keine Erfahrung im Umgang, benötigte einzig etwas Geld zum Leben.
      “Basti müsste gleich so weit sein, wollen wir noch eine rauchen?”, fragte Timo und hielt mir seine Schachtel Zigaretten entgegen. Dankend nahm ich das Angebot an.
      „Über dich wird viel gesprochen“, sagte er plötzlich, als kurzzeitiges Schweigen eintrat.
      „Das passiert mir häufiger“, schmunzelte ich, um die Verlegenheit zu überspielen. Je häufiger ich es hörte, umso schlechter kam ich mir dabei vor.
      „Also kaufst du viele Pferde?“, wunderte sich Timo.
      „Nein, das nicht“, ich wollte gerade zum ‘aber’ ansetzen, als Basti hinter einem Stallgebäude hervorkam und mich angrinste. Obwohl ich versuchte, meinen Gesichtsausdruck möglichst neutral zu halten, spürte ich den Widerstand im Kiefer. Bis zum Hals schlug mein Herz, so sehr, dass die Finger aufgrund der fehlenden Durchblutung begannen zu kribbeln.
      „Schön, dass du es einrichten konntest“, begrüßte er mich. Seine Augen wanderten unentschlossen über meinen Körper, als wüsste er ebenso wenig, ob eine Umarmung angebracht wäre. Ich zog einen Mundwinkel nach oben.
      „Danke für deine Hilfe, Timo, wenn du möchtest, darfst du Feierabend machen. Den Rest schaffen wir allein“, verabschiedete er seinen Angestellten und zusammen liefen wir in den Stall. Kaum hatte Basti einen schweren Schritt auf den Beton gesetzt, hörte man das Brummen mehrere Pferde. Einige drehten sich, um den Kopf über weiß gestrichene Fronte zu strecken. In jeder Box stand eins, hauptsächlich Braune, zwischendurch ein Rapp oder Fuchs. Meltdown konnte ich nirgendwo entdecken, allerdings gab es noch zwei weitere Gebäude.
      „Dann erzähl doch mal“, wir setzten uns in einen kleinen Aufenthaltsraum. Die Wände waren mit rötlichem Holz vertäfelt, darüber hingen Bilder. Sie zeigten allerlei Erfolge der Familie und auch welche von ihm entdeckte ich dazwischen. Aktuell waren diese nicht, das aktuellste war von 2013, also lagen acht Jahre zu heute dazwischen. Basti zündete sich darin eine Zigarette an. „Wie läuft es mit Mockup?“
      “Ich dachte, dass ich hier sei, um deine Pferde zu begutachten?”, fragte ich eingeschüchtert, noch immer überwältigt von dem, was mich umgab. Auf einem Schrank standen unordentlich Pokale und Decken übereinandergestapelt, die vermutlich zu den Auszeichnungen gehörten.
      “Hast du es eilig? Abhalten von deinen Plänen, möchte ich dich natürlich nicht”, grinste er im Begriff, sich aus dem Plastikstuhl zu erheben.
      „Nein, ich habe Zeit mitgebracht“, stoppte ich sein Vorhaben. Er legte den Arm wieder locker auf die Lehne und drückte sich in das bedrohlich knackende Plastik. Leicht bogen sich die Beine nach hinten.
      Ich begann zu erzählen vom Stress in der Führanlage, aber dass er sonst, gute Fortschritte machte. Dass ich ihn bisher noch nicht gefahren war, verschwieg ich Anfangs. Durch seine immer spezifischer werdenden Fragen kam diese Tatsache zügig ans Tageslicht.
      „Also startet ihr nicht in Visby?“, hakte er skeptisch nach.
      „So genau habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Bruno fährt bestimmt samt Familie hinüber, aber wir haben bisher keine Nennung gemacht“, erklärte ich. Vorsorglich schaute ich im System nach, das meine These bestätigte.
      „Hoffentlich entscheidest du dich noch dazu. Ich würde gern Mocki mit dir sehen.“
      Basti drückte die Zigarette aus und stand auf. Interessiert folgte mein Blick, um zu erfahren, was er vorhatte. Er öffnete den kleinen weißen Schrank und holte einen dunkelblauen Fleecepullover heraus. Wie eingefroren starrte ich ihn an, als Basti den dicken Pullover über den Kopf zog und oberkörperfrei im Raum stand. Unbewusste schnappte ich nach Luft, denn obwohl er nicht dem Katalogmann in meinem Kopf entsprach, regte sich deutlich etwas in mir. Seine eher schmale Silhouette schmeichelte mir sehr und dem kurzen Blick zu mir entnahm ich, dass sich bewusster war, was er tat, als er zugeben wollte.
      Ich schluckte.
      „Wollte mich noch entschuldigen“, stammelte ich überfordert.
      „Wofür?“ Basti runzelte die Stirn, dabei zog er die Arme in die Ärmel.
      „Für die komische Nachricht vorhin“, kam es wie Balsam für die Seele von den Lippen. Meine Augen richtete ich Richtung Boden, um seinem Gesichtsausdruck zu entkommen. Ich spürte den strengen Blick förmlich auf der Haut brennen. Noch deutlicher formte sich ein Kribbeln in der Körpermitte. Langsam hob ich mein Kinn nach oben. Bedrohlich nah stand er bei mir, zumindest so nah, dass ich hätte meine Arme ausstrecken können, um ihn zu berühren.
      „Es muss dir nicht leidtun. Ich habe deine Nachricht bereits verstanden“, schmunzelte Basti und ich meine, in der Tonlage etwas Verführerisches zu entdecken. Mittlerweile hatte er den Stoff über den Körper geführt, obwohl ich mir wünschte, einen längeren Anblick auf seine freiliegende Haut gehabt zu haben. Dennoch war jeder Moment mit ihm ein inneres Blumenpflücken.
      „Gut, ich wollte das nur klarstellen, denn“, kaum hörbar, kam ein Seufzen hervor und verschluckte die letzten Worte.
      „Mh? Denn was?“, hakte er sogleich nach.
      „Nicht wichtig. Also, bei wem soll ich Hand anlegen?“, wechselte ich das Thema. Ich wusste bisher nur von Netflix, allerdings konnte ich mir vorstellen, dass mir direkt weitere Pferde zugeschoben werden, wenn ich schon mal da bin. Ebenso war es bei dem letzten Mal.
      „Du provozierst es aber auch, dass man dich falsch versteht, oder?“, scherzte Basti. Peinlich berührt schlug das Herzklopfen um und flutete mein Gesicht mit Blut. Für einen Moment vergrub ich es in meinen Händen.
      “Man, du machst mich irre”, jammerte ich und folgte ihm in den Stall.
      „Ich dachte an Netflix und Ole. Nelly wollte, dass du dir Crazy anschaust, aber ich brauche dich lebend“, sprach er ohne auf meine Aussage einzugehen. Die Worte ließen mich mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits war die bloße Erwähnung ihres Namens ein Messerstoß ins Herz, andererseits fühlte ich mich geschmeichelt, dass er mich brauchte.
      Aus der Box führte Basti den ersten Rappen heraus, putze ihn und ich fühlte ihm auf den Zahn. Gedanklich versuchte ich mich von dem mich umgebenden zu distanzieren, obwohl ziemlich schwer war, wenn er neben mir saß und jeden Handgriff beobachtete. Zwischendurch zog er das Handy hervor und tippte darauf herum. Was darauf genau geschah, sah ich nicht. Aber Basti grinste. Neugier brannte bis zu Nägeln, jedoch hatte ich die Baustellen des Pferdes zu begutachten. Die Praktik brachte Netflix bereits nach zehn Minuten Entspannung. Langsam schlossen sich seine Augen und er kaute genüsslich.
      “Meine Güte. Auf den Luxus deiner Zauber-Fingerchen kann man nur neidisch sein”, sprach Basti aus der Stille heraus, mit einem Grinsen auf den Lippen.
      “Wieso sollte man darauf neidisch sein? Jeder kann das lernen”, stellte ich mit leichter Irritation fest.
      Amüsiert schnappte er nach Luft.
      “Diese Unschuld in deinem Verständnis finde ich bemerkenswert”, gab Basti offen zu verstehen. Vermutlich war Linas Naivität ansteckend, dabei versuchte ich ein Blatt vor den Mund zu nehmen, um mich ins rechte Licht zu rücken.
      „Sag‘ doch, was du möchtest, dann kann ich dir besser behilflich sein“, schlug ich vor, ohne den Blick vom Pferd abzuwenden.
      „Woran denkst du denn?“
      „Das steht hier nicht zur Debatte“, knackend löste sich eine Verspannung im Rücken und Netflix schüttelte sich schnaubend, „ich möchte wissen, worauf du anspielst.“
      “Wir verschieben das Gespräch”, seufzte Basti überraschend distanziert und stand auf.
      “Ich warte ungern und nicht lange”, stellte ich zum Schluss noch fest.
      Es trat Schweigen ein. Mit gekonnten Bewegungen löste er den Strick und brachte Netflix zurück in die Box, um schließlich Ole zu holen. Für den Großteil meiner Beschäftigung war Basti verschwunden und kehrte erst zurück, als die letzten Griffe an der Kruppe machte. An dem Schecken war weniger verspannt, sodass wir schnell in den Zustand der Losgelassenheit kamen. Die angesprochene Stute wurde mir nicht bereitgestellt. Wir rauchten gemeinsam eine Zigarette bei mir am Auto, tauschten Floskeln und Vermutungen zum Renntag in Visby auf, bevor ich gekränkt in den Stall fuhr. Niklas’ Fahrzeug stand tatsächlich auf dem Parkplatz, also hatte ich Ruhe vor Lina.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // Vriska Isaac // 38.552 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende April 2021}
      Fohlenbericht sechs von sieben.
    • Mohikanerin
      Ein Herbsttag bei den Lindö Dalen Fohlen | 18. September 2023

      Wunderwaffe LDS / WHC’ Satyr / WHC’ Springer / Nattfrost LDS / Kleinstadtastronaut LDS / Ours de Peluche LDS / Yumyulakk LDS / Liv efter Detta LDS / Virpi HT / Sighvatur från Atomic / Gneisti från Atomic / WHC’ Ritter der Rose / WHC’ Guardien / Sign of the Zodiac LDS
      Die Sonne tauchte den Himmel in ein warmes, goldenes Licht, als ich mich auf den Weg zum Lindö Dalen Gestüt machte. Es war Herbst in Schweden, und die Bäume auf der kleinen Halbinsel, auf der sich das Gestüt befand, schienen in Flammen zu stehen.
      Als ich auf dem Gelände ankam, wurde ich von Lina herzlich begrüßt, die mir mit einer hochgewachsenen Stute entgegenkam. Sie führte mich zu einer großen Koppel, auf der sich die Fohlen und Jungpferde tummelten. Es war ein bunter Haufen von Pferden unterschiedlicher Rassen und Farben. Ich konnte es kaum erwarten, sie näher kennenzulernen.
      Eines der ersten Fohlen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen, war Avenue Shopper, liebevoll Ave genannt. Ave war eine temperamentvolle Strandardbredstute. Sie schnaubte laut, als sie mich sah, und kam neugierig näher. Ave liebte scheinbar die Aufmerksamkeit.
      In der Nähe spielten WHC' Guardien und Gneisti från Atomic, zwei junge Hengste, miteinander. Guard, ein kräftiges schwarzes Pony, war ruhig im Umgang, aber neugierig. Gneisti, offensichtlich ein Isländer, schien genauso verspielt zu sein. Die beiden tobten herum und ließen sich von nichts aufhalten.
      Ein Stück weiter sah ich Ritter der Rose, einen eleganten Hannoveraner in Fuchsschimmel. Er war leistungsbereit, aber auch ungeduldig und neugierig. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er sich zu einem großartigen Dressurpferd entwickeln würde.
      Sighvatur från Atomic, ein Braunfalbschecke, fiel mir durch seine Zielstrebigkeit auf. Er war ein frecher kleiner Kerl, der sich nichts gefallen ließ.
      Während ich die Fohlen beobachtete, kam ein weiterer junger Standardbredhengst namens Waffels zu mir. Er war neugierig und ruhig, und ich genoss es, seine sanfte Seite zu entdecken. Nattfrost genoss die Aufmerksamkeit und ließ sich gerne streicheln. Er hatte einen besonderen Charme, der schwer zu widerstehen war.
      Ours de Peluche, oder einfach Bärchen, war der Charmeur der Gruppe. Er war verfressen und gierig nach Leckerbissen, aber sein liebenswürdiger Charakter machte ihn zu einem Favoriten bei den Besuchern.
      Yumyulakk LDS, genannt Yum, war ein aufgeregter Wirbelwind. Er war verspielt, skeptisch und albern zugleich. Seine Energie schien keine Grenzen zu haben, und er sprang herum, als ob er nie müde werden würde.
      Kleinstadtastronaut war dagegen zurückgezogen und ängstlich. Er schien in seiner eigenen Welt zu leben und vermied den Kontakt mit den anderen Fohlen.
      In einer Ecke der Koppel stand Satyr, ein Freiberger in Fuchs White Spotting. Er war verfressen und schien immer auf der Suche nach Gras zu sein.
      Die Stuten des Gestüts, Liv efter Detta, Virpi und Sing of the Zodiac, waren aufmerksam und ausgeglichen. Sie strahlten eine hohe Leistungsbereitschaft aus und hatten eine ruhige Ausstrahlung.
      Während ich die Fohlen beobachtete und ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten kennenlernte, wurde mir klar, wie vielfältig und faszinierend Pferde sein können. Jedes von ihnen hatte seinen eigenen Charakter und seine eigenen Eigenheiten, die es einzigartig machten.
      Der Herbsttag bei den Lindö Dalen Fohlen war ein unvergessliches Erlebnis, das mir zeigte, wie besonders die Bindung zwischen Mensch und Pferd sein kann. Ich verabschiedete mich von den Fohlen, dankbar für die Zeit, die ich mit ihnen verbringen durfte, und freute mich auf zukünftige Besuche, um ihre Entwicklung zu verfolgen.

      © Wolfszeit // 3371 Zeichen
      Fohlenbericht sieben von sieben.
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    stall.
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    16 Okt. 2023
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  • Zoi ist 4 Jahre alt.

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Lindö [SWE]
    Unterbringung: Stutenpaddock


    –––––––––––––– s t a m t a v l a

    Aus: Nachtschatten (DE) [Standardbred]
    MMM: Unbekannt ––––– MM: Unbekannt ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Unbekannt ––––– MVV: Unbekannt


    Von: ZM's Zanaro (DE) [Englisches Vollblut]
    VMM: Thorondor [BE] ––––– VM: Capallonia (DE) ––––– VMV: Chayenne (DE)
    VVM: Zaza Top (DE) ––––– VV: Zazou (DE) ––––– VVV: Shamardal (US)



    –––––––––––––– h ä s t u p p g i f t e r

    Zuchtname: Sign of the Zodiac LDS
    Rufname: Zoi
    Farbe: Brauner Sabino
    [Ee Aa nSb]
    Geschlecht: Stute
    Geburtsdatum: 16. April 2017
    Rasse: Standardbred [STB]
    [37,5 % Englisches Vollblut, 12,5 % Berber]
    Stockmaß: 161 cm

    Charakter:
    frech; arbeitswillig; umgänglich


    –––––––––––––– t ä v l i n g s r e s u l t a t

    [​IMG] [​IMG]

    Dressur E [A] – Springen E [M] – Military E [L] – Fahren E [L] – Rennen E [M] – Western E [E] – Distanz E [E] – Gangreiten E [L]

    Monat Jahr x, x x zu x

    Ebene: International
    Einsatz: Trabrennen
    Distanz: Flieger

    x 2023
    x. Platz, x


    –––––––––––––– a v e l

    [​IMG]

    Gekört durch FS 280 und FS 281 im Januar 2022.

    Zugelassen für: Traber aller Art; Speed Racking Horse
    Bedingung: Vollblutanteil unter 10 %; keine Inzucht
    DMRT3: AA [Fünfgänger]
    Lebensrekord: 1:13,2
    Leihgebür: Nicht gekört / Preis [Verleih auf Anfrage]

    Fohlenschau: 7,06
    Materialprüfung: 0,00

    Körung
    Exterieur: 7,32
    Gesamt: 7,55

    "Mittelgroße, gestreckte Stute. Gut angesetzter gewölbter Hals, hoch markierte Widerrist, lange
    Schultern, langer Rücken und leicht abfallendes, etwas kurzes Kreuz. Aufgerichtete Röhrenknochen
    und gut eingeschnittene Fesselgelenke. Unterschiedlich geformte Hufe. Enge Bewegungen hinten im
    Schritt und Trab."

    Gangpferd: 7,36


    –––––––––––––– a v k o m m e r

    Sign of the Zodiac LDS hat 0 Nachkommen.
    • 20xx Name (von: Name)


    –––––––––––––– h ä l s a

    Gesamteindruck: gesund, im Training
    Krankheiten: keine
    Roentgen: Ohne Befund

    "Die Stute wurde in Wettkampfkondition präsentiert, mit tierärztlichen Anmerkungen in Form von
    leichten Gelenkfüllungen und Schwellungen."

    Beschlag: Falzeisen [Aluminium], Voll


    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Eigentümer: Lindö Dalen Stuteri [100%]
    Pfleger: Lina Valo
    Trainer: Bruno Alfvén
    Fahrer: -
    Züchter: Lindö Dalen Stuteri, Lindö [SWE], Tyrell Earle
    [geb. in Deutschland]
    VKR / Ersteller: Mohikanerin

    Punkte: _gekört

    Abstammung [0] – Trainingsberichte [0] – Schleifen [0] – RS-Schleifen [0] – TA [0] – HS [0] – Zubehör [0]

    Spind – HintergrundJährlingTrab

    Sign of the Zodiac LDS existiert seit dem 16. April 2021.
    Sie wurde Großgemalt am 16. Oktober 2023.