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Mohikanerin

Schleudergang LDS [17/20]

a.d. Götterdämmerung LDS, v. Waschprogramm

Schleudergang LDS [17/20]
Mohikanerin, 6 Dez. 2021
Zion, Bracelet, Stelli und 2 anderen gefällt das.
    • Mohikanerin
      Dressur E zu A | 31. Dezember 2021

      Moonwalker LDS // HMJ Holy // Einheitssprache // Klinkker LDS // Northumbria // Ready for Life // Schleudergang LDS // Milska // Hallveig från Atomic // Narcissa // Vrindr // Spök von Atomic // Legolas

      Mit einem lauten Klirren fiel nur wenige Meter von uns entfernt das Rolltor aus der Verankerung. Heinz, der nur noch einige Zeit bei uns war zum Beritt, sprang zur Seite und streckte den Kopf zur Linken, um zu prüfen, woher dieses schreckliche Geräusch stammte. Immerhin sorgte es dafür, dass die klirrende Kälte vor dem Stall blieb. Der Hengst hatte sich wieder dem gelben Futternapf gewidmet und dampfte weiter unter dem wärmenden Licht der roten Birnen.
      Zuvor beschritten wir eine erfolgreiche, wenn auch kurze, Reiteinheit mit Tyrell, der gleichzeitig Walker an der Hand schulte, zum Lösen von Verspannungen. Zunehmend kam der helle Hengst ins Gleichgewicht und lernte auch entspannt zu sein, wenn andere Pferde sich in der Halle befanden. Von vornherein war es klar, dass er sich schwer, nicht die Ranghöhe bei der Arbeit zu genießen, die er sich hart mit Frost erkämpfte. Deswegen überlegten wir noch, die Paddocks zu teilen, um allen Pferden die nötige Ruhe gewährleisten zu können. Den Herren neben mir interessierte das alles jedoch überhaupt nicht. Heinz hatte zwar eine gewisse Blütigkeit mütterlicherseits geerbt, aber ihm kam auch die Ruhe seines Vaters zugute, was ihn zu einem treuen und ausgeglichenen Partner machte. Deswegen, und natürlich auch seiner Optik, war es nicht verwunderlich, dass er schnell Anhänger fand und ein schönes Zuhause in Deutschland. Brooke, eine, die mir bisher als Springreiterin bekannt war und an der einen und anderen Stelle als aufsteigender Stern angesehen wird. Zumindest hatte ich das einmal in einem der Onlineartikel gelesen aus meiner ehemaligen Heimat, neben Tratsch und Klatsch aus der Reiterszene.
      „Vriska, machst du dich dann bitte Humbria bereit?“, sagte Tyrell, der Walker zurück auf den Paddock brachte.
      Ich nickte.
      Neugierig blickte mich die dunkle Stute an, als ich mit dem Halfter in der Hand am Tor stand und ihren Namen rief. Tag täglich war Humbria motiviert mit mir zu arbeiten und auch fand meinen Reiz darin, der Stute den Weg zu zeigen in das Leben eines gesunden Reitpferdes.
      Die kleinen Steine knirschten beinah friedlich unter unseren Schritten, während die Idylle von dem Lärm der Maschinen auf der anderen Seite des Gestüts gestört wurde. Sosehr ich auch versuchte mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass sich der Hof auf kurz oder lang zu einem der renommiertesten entwickeln würde, sah ich kritisch in die Zukunft. Ich liebte das alles hier, wie es war und es gab keine Notwendigkeit etwas zu verändern, aber meine Stimme hatte kein Gewicht.
      Schwermütig seufzte ich, als ein Fuß, nach dem anderen den Betonboden betrat und ich schließlich die Stute fertig machte. Auch Lina war bereits damit beschäftigt ihre neuste Errungenschaft zu putzen. Das Pferd war ebenfalls komplett rasiert und benötigte dementsprechend nur mäßige Fellpflege. Humbria legte immer wieder die Ohren an, als Redo freundlich sie inspizierte. Einmal quietschte sie sogar auf. Konsequent ignorierte ich ihr Verhalten, das mussten die beiden unter sich klären.
      In der Sattelkammer betrachtete ich nachdenklich die Auswahl an Schabracken und Sätteln. Für gewöhnlich würde ich den Wolken-Sattel von Lubi nehmen, doch aus unerklärlichen Gründen nahm ich das Schulungspad und dazu meine Filzunterlage aus der Schweiz, die bisher wie ein gehüteter Schatz in meinem Schrank hing. Behutsam nahm ich den Schutz von ihr ab und betrachtete das kleine Vermögen. *‘Ich sollte weniger Geld ausgeben für so was’*, überlege ich augenblicklich, aber zuckte mit den Schultern und lief hinaus, nach dem ich noch die Trense vom Haken nahm.
      „Ich gehe schon in die Halle“, nickte Lina mir zu und führte die Rappstute aus der Bucht heraus. Nur kläglich folgte sie, streckte den Hals so lang sie konnte, ehe der erste Schritt nach vorne sich setzte. Dann folgte einer nach dem anderen und nur noch der Hufschlag war von den Beiden zu hören. Urplötzlich verschwand wieder meine Motivation, was vermutlich damit zusammenhing, dass Jonina mit Halli die Gasse betrat, gefolgt von Bruce, der jedoch ohne Pferd unterwegs war. Schnell drehte ich mich wieder zur dunklen Stute, um den Baumwohlgurt zu befestigen.
      „Heute wird es eine große Runde“, lachte Bruce und klopfte mir auf die Schulter.
      Ich nickte, aber schwieg.
      Noch immer konnte ich mir nicht erklären, wie ich so schnell meine Angst gegenüber großen Pferden ablegen konnte. Die Fahrt nach Kanada hatte alles verändert. Fortan setzte ich neue Ziele, versuchte mich wieder zu einer besseren Form meiner Selbst zu entwickeln. Aber was dachte ich andauernd über das nach? Der Tod meiner besten Freundin zog sich wie ein roter Faden durch mein Leben, nagte an mir und ließ mich nicht los. *Wird es jemals erträglich?*
      Von der Seite stupste mich die dunkle Stute an und versuchte mich wieder in die Realität zu holen. Ihre Augen funkelten fröhlich im warmen Licht der Deckenstrahler. Im sicheren Abstand zu den anderen beiden Damen führte ich Humbria im Schritt durch den tiefen Sand, viel mehr, um mich selbst auf diese Einheit vorzubereiten, als die Stute. Sie war ruhig und sogar deutlich geschmeidiger im Genick als die Tage zu vor.
      „Vriska, jetzt steige endlich auf. Das sinnlose Herumführen bringt dem Pferd nichts“, schnaubte Tyrell aus den Kopfhörern, aber widerwillig zog ich an den Zügel zu der Aufstiegshilfe. Das Schulungspad verfügte nicht über Steigbügel und stellte damit die erste Herausforderung dar, doch mein Trainer kam freundlicherweise dazu und drückte sanft mein Bein nach oben. Einmal schüttelte Humbria mit dem Kopf, aber wartete geduldig, bis ich vernünftig im Leder saß. Vorbereitend prüfte ich meinen Sitz, spürte direkt, dass ich rechts höher saß als links und der Kopf des Pferdes wieder nickte. Langsam setzte ich das Tier in Bewegung, wirklich langsam. Ein Tritt nach dem anderen setzte sie nach vorn, jedoch genau an meiner Hilfe. Mithilfe der Zügel holte ich den Kopf nach oben, um die Geschmeidigkeit im Genick zu behalten und setzte mich tief in den Sattel. Doch als Lina, bereits im Mitteltrab, fiel mir die Stute aus dem Rahmen. Trotzig schnaubte Humbria ab.
      „Sei geduldig mit ihr. Noch vor drei Wochen lief sie auf der Bahn, da kann sie dir auch heute keine Hochleistung im Sand bringen“, korrigierte mich Tyrell. Seine Sprüche waren mir bekannt und die Intention noch viel mehr, aber ein kleiner innerlicher Teufel versuchte mir immer ins Gewissen zu sprechen, dass es bei anderen so viel einfacherer war und ich allein diesen täglichen Kampf hatte.
      „Okay, aber was soll ich tun?“, murmelte ich in das kleine Mikrofon an meiner Brust.
      Seufzten ertönte in meinen Ohren.
      „Hör ihr zu, was sagt sie? Und im Unterschied dazu, was sagst du ihr? Gib ihr die Zeit. Am besten fernab der anderen, viel weiter im Inneren. Erst, wenn ihr auf einer Ebene kommuniziert, könnt ihr die Schiefe ausgleichen. Außerdem muss der Schub weg, aber daran bist du auch gewillt zu Arbeit, wie ich sehe“, holte er weit aus. Wie ein Anfänger fühlte ich mich, als säße ich zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferdes, aber weit davon war ich auch nicht entfernt. Drei Jahre Erfahrung machen mich nicht zu Profi, wenn auch der unter 25 Jahren Kader eine glückliche Fügung darstellte.
      Im Inneren arbeitete ich im Stillen mit Humbria, konnte von jedem Abwenden sie besser ausgleichen, bis sie schließlich geschlossen stehen bleiben konnte und mich in den Kurven nicht mehr nach Außen hob. Die anderen Beiden Reiter erschienen im Kontrast so viel weiter. Lina trabte entspannte mit Redo, galoppierte gezielt aus dem Schritt an und konnte die Rappstute durch wenige Hilfen zurücknehmen. Auch Jonina auf Hallveig konnte sich sehen lassen, wenn auch unvergleichbar. Die braune Isländerstute brachte enormen Schwung an den Tag, was Auswirkung auf die Tragkraft hatte. Im Tölt strampelte sie wie ein Weltmeister und was so wirklich das Ziel der Beiden in der Reithalle war, konnte ich nur erahnen. Als hätte Tyrell meine Gedanken erhört, kommentierte er ihre Reitweise. Bruce saß still daneben. Eine kleine Diskussion entbrannte darüber, was richtig und was falsch sein. Ich schnappte vor Verwunderung nach Luft und konzentrierte mich wieder auf den Chaoten unter mir.
      Behutsam drückte ich beide Haken in die Seite der Stute und die Gerte wedelte gezielt. Aus dem versammelten Schritt heraus, baute sich Humbria auf, bekam einen bombastischen Schwung an Energie und sprang direkt in den Galopp, den man beinah als Schulgalopp bereits ansehen konnte. Es war das erste Mal, dass sie aus sich herauskam und den Brustkorb hob, dass ich dieses Angebot nur annehmen konnte für einige Tritte und dann die Zügelverbindung beendete und lobte. Wie ein hungriges Krokodil drehte sie sich zu mir und öffnete das Maul, um auf das Leckerli zu warten. Natürlich bekam sie aus, angesichts der Tatsache, dass sie unausstehlich wurde, wenn es keins gab. Ja, es war eine schlechte Angewohnheit, woher auch immer diese Stammen sollte, aber wir arbeiteten daran. So gab es keins mehr beim Holen vom Paddock, was mittlerweile verkraftbar war.
      Ein letztes Mal auf der anderen Hand wollte ich die Energie aus ihr herausholen. Bekam sogar den gewünschten Trab, den ich mit einer weiteren treibenden Hilfe ins Arbeitstempo verstärkte und mir auf dem vierten Hufschlag die Zügel aus der Hand kauen ließ. Zur gleiche Zeit waren die anderen Beiden in einer Abteilung unterwegs, trabten auf einer Schlangenlinie mit vier Bögen und galoppierten sogar zusammen auf einem sehr großen Zirkel. Aus dem Augenwinkel betrachtete auch Humbria dies. Voller Freude sprang ich beim nächsten Halt aus dem Pad und lobte die Stute ausgiebig.
      „Gut ihr Beiden, dann kannst du mir auch die Ente fertig machen“, sagte Tyrell zu mir, bevor ich Kopfhörer rausnahm und das Mikrofon stummte. Die Ente war kein anderes Pferd als Schleudergang, eins seiner Nachzuchten. Ich verstand nicht genau, wie er auf die Idee kam, das Barock-Reitpferd neu zu erfinden, aber mein Chef tat es und das beinah radikal. Unsere Ente hatte dichtes Langhaar mit einem mittellangen Hals, die Schulter schräg und reichte markant in den Rücken hinein – rundum, dem Zuchtprogramm entsprechend. Aber was man erst bei einem zweiten, und vor allem genaueren, Blick sah, war, dass dieses Pferd sehr ungeschickt lief. Ente hatte sich nicht unter Kontrolle, wirkte wie ein junges Tier, das vor wenigen Stunden lernte sich zu bewegen. Das machte die Arbeit mit ihr zu einem großen Problem, oder wie mein Chef zu sagen pflegte: Es ist kein Problem, sondern eine Herausforderung. Deswegen war ich froh, den nötigen Abstand zur Stute zu haben.
      Northumbria fraß genüsslich ihre Kraftfuttermahlzeit im Solarium und ich hatte mich mit einem Halfter bewaffnet, um die Ente vom Paddock zu holen. Wie alle anderen stand sie mit dem Po Richtung wird vor dem Unterstand, der Kopf gesenkt und von Motivation eher weniger geprägt. Genauso verlief auch das Holen und fertig machen für’s Training. Mit mir zusammen erreichte auch Bruce die Reithalle, hatte dabei seine große Hoffnung: Spök. Die junge, und ziemlich hübsche, Stute aus Krít lief mit wippenden Ohren neben ihm her, auf dem Rücken einen Longiergurt und in seiner Hand die Doppellonge.
      „Und, wann wirst du dich draufsetzen?“, erkundigte ich mich.
      „Jonina saß gestern das zweite Mal im Sattel und nächste Woche möchte ich mit ihr eine kurze Runde in den Wald in Begleitung“, erzählte Bruce und ging weiter zum Tor.
      Die Ente hatte ich geputzt und gesattelt, bevor Tyrell kam, um sie abzuholen. Dann nahm auch ich Humbria wieder aus dem Solarium heraus. Obwohl das Pferd nahezu trocken war, legte ich ihr wieder die grüne Weidedecke auf den Rücken und stellte sie weg. Direkt lief sie in den Unterstand und begann das Heu zu knabbern. Von der Seite kam Jonina dazu, hatte offenbar Halli weggestellt und nun Milska sowie Cissa in der Hand.
      „Bruce wollte, dass du sie Korrektur reitest“, gab sie mir die gescheckte Stute. Durch den dichten Schopf funkelten ihre Augen, wovon eins blau war und das andere tiefschwarz. An der linken Ohrspitze befand sich ein kleiner Fleck, ansonsten war ihr Kopf hell. Bruce hatte mir schon von der Stute berichtet. Angeschafft für die Reitschule, stellte sie sich als eine Herausforderung dar für junge Leute, da sie zwar geduldig war und sehr zuverlässig den Hilfen folgte, hatte sie Tage, an den nichts lief.
      Aufgeregt pochte mein kleines Herz in der Brust, drohte sich den Weg ins Freie zu suchen. Cissa erfüllte beinah alle meine Anforderung, rein optisch, zu einem Traumpferd. Die Augen waren treu und groß, die Ohren Aufmerksamkeit und die Gelenke kräftig. An den Fesseln hing viel Behang und das Langhaar war dicht. Neugierig stupste sie mich an, beobachtete jeden meiner Schritte im Stall und konnte es scheinbar gar nicht abwarten, sich zu präsentieren. Glücklicherweise hatte ich meinen eigenen Sattel, musste demnach Bruce nicht stören, der mit Spök die Anforderungen einer A-Dressur vom Boden aus erarbeitete. Mit einer Lammfellunterlagen konnte ich kleinere Unebenheiten zwischen Rücken und Sattel ausgleichen und legte darunter die grüne Otter-Schabracke, die natürlich um einiges zu groß war, aber das störte mich nicht. Da ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde, legte ich ihr noch einfachere schwarze Gummiglocken an die Vorderbeine, ehe wir auch wieder in die Halle gingen.
      Die Brüder konzentrierten sich vollständig auf die Handarbeit mit den beiden Stuten, bemerkten mich nur peripher, auch Lina nickte nur, als ich „Tor frei“, rief. Auf der Mittellinie stellte ich mich auf und gurtete nach. Dabei immer im Augenwinkel die elfjährige Stute, die noch immer sehr genau meine Schritte beobachtete. Zum Kennenlernen nahm ich die Zügel in die rechte Hand auf Höhe des Widerristes und trieb sie mit der Gerte, in der linken Hand, schrittweise los. Unbalanciert taumelte sie nach vorn, wenig davon begeistert, dass ich sie einrahmte. Aber Meter für Meter, die wir hinter uns ließen, kam Cissa in ihren Schwerpunkt. Der Unterschied von einem Gangpferd ihrer Art war unverkennbar. Sie war in der Lage, die Schulter und Vorderhand zu heben, ohne dabei den Rumpf mitzunehmen und sich dabei mehr zu tragen. Jeden Schritt, den sie bei alldem in die richtige Richtung machte, belohnte ich mit einem Leckerli. Zufrieden mit der bisherigen Handarbeit schwang ich mich auf ihren Rücken und trabte auf dem Zirkel an. Mir fehlte der Vergleich, aber bequem trabte ich leicht, fühlte mich ungewöhnlich auf ihr. Für mein eigenes Vergnügen töltete ich auch einige Male die Bahnfiguren einer Anfänger Dressur in Verbindung mit vorbereitenden Seitengängen. Im Tölt fiel es ihr leichter sich in der Schulter zu wegen und mobil zu sein, während die Kruppe sehr steif an seiner Stelle blieb. Wenige Schritte kamen, wenn ich gezielt das Gewicht nach innen verlagerte, dabei die Stellung des Genicks am Zügel hielt und außen schob. Ja, seitwärts Bewegungen waren in einer so frühen Phase des Tanzes im Sand außergewöhnlich, aber durch Tyrell hatte ich es zu schätzen gelernt Pferden von Anfang an das Tragen zu vermitteln. Besonders für ein Gangpferd war es wichtig Tragkraft zu bekommen, denn Schwung und Schubkraft waren von Natur aus zu genüge da. Wie auch schon mit Humbria hörte ich auf, als es am besten lief. Ohne sie wirklich abzureiten, sprang ich ab und führte sie heraus.
      „Hufe noch“, erinnerte mich mein Bruder, der diese Sparmaßnahme auf Biegen und Brechen durchbringen wollte.
      „Das ist so unnötig“, rollte ich mit den Augen und griff nach dem Hufkratzer neben dem Tor. Zugegeben, Cissa hatte wirklich viel Sand zwischen dem Grip und zufrieden setzte er seinen Weg fort.
      „Wo willst du eigentlich, schon wieder hin?“, rief ich noch nach, aber bekam bis auf ein freches Grinsen, keine Antwort.
      Cissa hatte sich eine Portion Kraftfutter verdient und ich mir eine Pause. In der Futterkammer mischte ich die alle Zutaten laut ihres Speiseplans zusammen und mir reichte ein Apfel. Da auch sie vollkommen verschwitzt nicht auf das Paddock zurückkonnte, durfte sie eine Einheit im Rotlicht genießen. Da Lina und Tyrell noch eine Einzelstunde hatten, setzte ich mich an den Rand.
      Der Hengst hatte einen wunderschönen Zopf entlang des Mähnenkamms bekommen und sie selbst trug ihr Haar auch wie eh und je geflochten. Im Gleichklang wippten die Zöpfe im Takt des Schrittes. Rambi, oder Einheitssprache, wie er auf dem Papier hieß, machte sich seines Geschlechtes alle Ehre. Den Rumpf groß aufgebäumt trug er sich auf der Hinterhand, dabei den Schweif leicht aufgestellt und immer wieder drückte er sich von der Gebrauchshaltung weg. Dabei brummte er schrittweise, oder wieherte. Von draußen kamen mehrere Antworten der anderen Männer und auch die eine oder andere Stute beteiligte sich an dem innigen Gespräch.
      „Ihr solltet miteinander arbeiten, nicht gegeneinander“, hörte ich Tyrell sagen, bevor Lina den Hengst mit großem Kraftaufwand anhielt. Er schüttelte den Kopf und mit der Kruppe stieß er gegen die Bande, untermalt von einem leisen Brummen.
      „Und wie?“, fragte Lina. Dann begann eine ausführliche Erklärung über die Hengsterziehung und was alles dazu gehörte mit einem neuen Pferd ein Team zu werden. Gespannt hörte meine Kollegin, und auch Freundin, zu, aber mich nervte das Geschwafel. Das Glück war auf meiner Seite, so piepte das Rotlicht zweimal und Cissa hatte aufgefressen. Mit dem Handtuch neben der Bucht, wischte ich zur Kontrolle durch Fell, trocken.
      „Kann ich in den nächsten Tagen noch einmal mit ihr arbeiten?“, hoffte ich mit einem Ja beantwortet zu bekommen von Bruce, dem ich am anderen Stall begegnete, um Cissa zurück auf ihren Paddock zu stellen. Er blieb stehend und musterte uns beide. Aufgeregt fummelte meine Hand an dem kleinen Gummi, der als Etikett am Bund meiner Jacke hing. Natürlich konnte trotz aller Anspannung, das Grinsen auf meinen Lippen nicht verbergen. Die Mundwinkel zuckten vergnügt.
      „Natürlich“, lachte er mit seiner Hand auf meiner Schulter. Ein altes, aber wohlbekanntes Gefühl breitete sich durch meinen Blutkreislauf aus – Familie. *Seid ihr das?*

      Aus Schulungszwecken hatten Lina und ich zusammen mit Holy am Kappzaum gearbeitet. Die junge und trächtige Stute kannte die Grundlagen der Légèreté, umso angenehmer war es, dass sie etwas in Bewegung kam. Mit ihrem Kugelbauch konnte man kaum denken, dass erst in vier Monaten das Fohlen kommen sollte. Jeder ihrer Schritte wirkte wie eine Herausforderung, aber die Arbeit half der Stute an der Tragkraft zu arbeiten. Schließlich wollte auch das Baby getragen werden.
      „Du musst die Hilfen korrekt am Bauch setzen, da wo auch dein Schenkel liegen würde“, zeigte ich Lina noch einmal mit so viel Geduld und Freundlichkeit, wie ich aufbringen konnte. Ja, nicht jeder konnte sofort Profi sein, denn ich war es auch nicht, aber Hilflosigkeit irritiert mich.
      „Okay“, lächelte sie. Erneut legte Lina ihre Hand an das Gebiss, um das Genick der Stute in eine leichte Stellung zu nehmen und mit der Gerte am Bauch bewegte sich Holy schrittweise nach innen.
      „Kann ich euch allein lassen, oder brauchst du noch meine Hilfe?“, erkundigte ich mich einige Minuten später, als Lina mit Holy an der Haltung arbeitete.
      „Nein, alles gut“, winkte sie, aber rief mir noch nach, „Was hast du jetzt noch vor? Mit Humbi Ausreiten?“
      Lachend hielt ich an.
      „Eigentlich wollte ich mit Bruce raus, da er mit Spök nicht allein den Wald beschreiten möchte“, grinste ich fröhlich und hüpfte hinaus.
      Aus der klirrenden Kälte, deren Wind unsanft durchs Land zog, wurde zwar kein Hochsommer, aber es war trockener. Die Luft stand, erzeugte eine angenehme Frische, sodass ich in meinem Outdoor Pullover wieder in den Wald konnte. An dem dunklen Stoff der Ärmel klebten überall Pferdehaare. Ich hatte aufgegeben jeden Tag sie zu entfernen, aber warum auch? Ungewöhnlicherweise gefiel mir, die kleinen Fellmonsterreste an mir zu tragen.
      Wie ein alter Hase lief Spök neben Vrindr durch den Wald, den manch ein Pferd als den gruseligsten Teil des Gestüts empfand. Von allen Richtungen ertönte lautes knacken des Unterholz und meine sogar einen Hirsch gehört zu haben, als wir auf die Trainingsbahn abbogen. Die gescheckte Stute sah sich mit angewinkelten Ohren in der Gegend um, schien nach bekannten Orten zu suchen oder einem Gespenst, das es natürlich nicht gab. Bruce scherzte derweil.
      „Kannst dir vorstellen Cissa in deine Obhut zu nehmen bis zum nächsten Jahr?“, fragte er nach einem Stück, das wir getrabt waren.
      „Vorstellen ja, aber ich denke, meine Zeit gibt das nur schlecht her“, antwortete ich entrüstet. Tyrell schob mir im Arbeitsplan immer mehr Pferde zu und auf meinem eigenen Pony hatte ich bis heute nicht gesessen, obwohl es bei ihr mehr die Angst war, etwas falsch zu machen, als meine Zeit. Gleichzeitig benötigte Lubi sehr viel Bewegung. Morgens begann es mit einer halben Stunde Führanlage und abends stand sie häufig noch im Aquatrainer, dazwischen arbeiteten wir an der Hand oder hatten eine lange Einheit auf dem Platz. Die Stute war wissbegierig und nur schwer müde zu bekommen, kein Wunder, wenn sie in Kalmar täglich drei Stunden Training hatte vor meiner Zeit. Die Besitzer legten viel Wert darauf, dass sich der Trainingsstand ihrer Stute verbessert und dabei sollte auch die Ausdauer auf dem gewünschten Stand befinden. Außerdem hatte ich auch meinen Freund, der sich nach gemeinsamer Zeit sehnte, die ich aktuell in den Hintergrund schob und dabei selbst auch den Boden unter den Füßen verlor. Wenn es so weitergehen würde, könnte ich wieder im Teufelskreis landen oder bei Niklas.
      „Es würde schon reichen, wenn du mit ihr zwei bis drei Mal auf dem Platz arbeitest. Sie ist sehr motiviert in ihren Gängen in der Dressur und bei euch hatte ich das Gefühl, dass es passt. Also würden wir uns beide darüber freuen“, baute Bruce mich auf. Den restlichen Weg durch den Weg dachte ich darüber nach, konnte aber keine Entscheidung treffen, bevor ich mit einer außenstehenden Person die Situation besprochen hatte. Damit sei es nicht getan, auch meinen Zeitplan sollte ich dafür noch einmal genau studieren, doch zuvor sollte die Vrindr versorgt werden.
      Bei der Rückkehr in den großen Stall, durchquerte ich den Weg an den Stutenpaddocks, auf dem Holy wieder am Heu zupfte mit Girlie zusammen. Auf dem Sand daneben folgte mir der Blick von Humbria, die bereits am Morgen eine kurze, aber intensive Einheit auf dem Reitplatz genoss. Ein Lächeln huschte mir über die Lippen bei dem Gedanken, dass die Stute so große Lernerfolge zeigt. Ja, es gab Rückfälle, die sich als impulsive Ausfälle zeigten. Sie sprang hektisch durch den Sand, ignorierte ihren Reiter komplett und Tyrells Meinung zur Folge half dabei nur Absteigen und das ruhige Vermitteln der Lektion vom Boden. Dem kam ich nach und tatsächlich beruhigte sich das Rennpferd dabei.
      „Nachbesprechung ist essenziell“, erinnerte Tyrell, als wir uns im Büro versammelten. Lina und ich hingen zusammen auf einem Sessel, während Jonina allein auf dem daneben saß und mich mit ihren durchdringenden Blicken löcherte. Unauffällig versuchte ich die junge Dame zu analysieren, verstand aber nicht, welches Problem sie mit mir hatte. *Egal?*
      „Nun gut, da keiner von euch Einwände hat, fahre ich fort. Northumbria entwickelt sich großartig, so gut, dass sie sich eine Woche Pause verdient hat. Lockere Ausritte würden ihr guttun, aber keine intensiven Versammlung, lieber durchparieren in den Halt, um anschließend einige gezielte Tritte rückwärtszusetzen. Demzufolge wirst du in den Einheiten Walker bekommen. Lina, deine Stute ist großartig, aber wir sollten an einem anderen Punkt mit ihr weiterarbeiten. Die Anfänger Einheiten sind zu leicht, wodurch sie auf blöde Ideen kommt, umso wichtiger ist die Zeit mit deinem Hengst. Außerdem solltest du ihm Glocken anlegen, am besten sogar auf dem Paddock. Auch du Jonina kannst mit den Isländern gut an das Niveau der Anderen ansetzen, aber ich schätze, du schaffst das auch mit meinem Bruder. Zum Abschluss möchte ich euch noch sagen, dass wir morgen der theoretische Kurs beginnt und dabei gern dich und Rambi zum Vorzeigen hätte. Und, dein Freund kommt noch?“, erkundigte sich Tyrell, worauf Lina nickte, „sehr gut, dann sehen wir uns alle morgen um zehn Uhr in Raum 102.“
      Den freie Nachmittag nutze ich tatsächlich für ein Training mit Cissa auf dem kleinen Reitplatz, denn auf dem großen herrschte reger Wechsel der Einsteller und sogar Zickerei, wovon ich bestmöglichen Abstanden nahm. Neugierig beobachtete sie abermals jeden meiner Schritte, ein Zupfen an der Jacke hier und warmer Atem in meinem Gesicht da. Dennoch trat sie unruhig von einem Huf auf den anderen, dabei klimperten die Eisen einige Male, was mich an Tyrells Worte an Lina erinnerte. Auch Cissa sollte wohl besser Glocken zum Schutz tragen. Demnach holte ich alles Nötige aus der Sattelkammer, vergaß wie sooft den Helm, und befestigte das Zubehör korrekt.
      Für die heutige Einheit entschied ich besonders viel Wert auf Ruhe zu legen, die sie von vornherein an dem Tag nicht hatte. Es fiel ihr schwer den Schwerpunkt in der Mitte zu finden, setzte mich immer wieder nach außen, obwohl ich in den Kurven deutlich innen sitzen müsste. Im Stand nahm ich den Bügeltritt zur Hilfe, um das Gewicht gezielt zu verlagern und setzte die Einheit fort. Ihre Balance nahm zu, so legte ich mit sanften Impulsen an Geschwindigkeit zu und wiederholte die wichtigen Figuren der Anfänger Dressur. Kaum zu glauben, aber in meinem Kopf eröffnete sich, wieso auch das so wichtig war zu üben. Durch eine klare Linienführung spürte ich bei jedem Schritt, ob die Hufe ordnungsgemäß fußten, welche Defizite das Pferd unter dem Sattel vorwies und ihr leichter fiel. Cissa war rechts hohl. Besondere Auswirkungen hatte diese schiefe auf ihre Schulter. In den wenigen Metern Tölt, die sie in den Ecken im Trab zwischendurch machte, blieb das eine Bein deutlich länger am Boden und hielt sich tiefer in der Luft. Häufige Handwechsel und auch Kehrwendungen auf der Vorderhand ermöglichten es mir, die Körperteile akkurat zu mobilisieren. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, deswegen schwang ich mich nach weiteren Runden im Trab aus dem Sattel und lobte die Stute ausgiebig.
      Am Horizont verabschiedete sich die Sonne langsam, ein Zeichen, dass ich die letzte Reiteinheit des Tages in die Halle verlagern sollte. Erneut war ich mit Lina verabredet, die mit Redo noch an der Longe arbeitete und mit mir zusammen die Hengste plante zu bewegen. Klinkker hatte vor der Abreise noch ein Training und bei meiner Kollegin entwickelte sich so etwas wie Ehrgeiz, um morgen mit Rambi morgen zu glänzen. Sie sprach nicht offen darüber, aber ich sah dieses Leuchten in ihren Augen, das sich ausbreitete, wenn ich Fragen zu dem hübschen Hengst stellte.
      In der Sattelkammer durchsuchte Lina hektisch ihren Schrank, der sich mittlerweile zu einem kleinen Paradies aus Schabracken verwandelt hatte. Gut, bei mir wurden es, gefühlt, ebenfalls immer mehr. Einige der Stücke hatten sogar noch das Etikett daran. Noch bevor ich meine abschließende Wahl traf, griff ich nach meinem Handy. Der Sperrbildschirm war überseht von Benachrichtigungen, wovon die meisten uninteressant waren, doch eine Nachricht, weckte direkt mein Interesse – *Avledning*. Prüfend schwebten meine Augen von links nach rechts. Alle wussten davon, aber ich wollte besonders das Treffen in weniger als einem Monat weiterhin geheim halten.
      „Wenn es sich glücklich macht, nutze die Chance. Ich sehe keine Nachteile darin“, las ich in seiner Nachricht. Zuvor berichtete ich von Cissa, natürlich nur indirekt. Das Thema Pferd und Reiten waren für viele zu kompliziert, besonders emotional gesehen, dass ich ihm dies ersparte.
      „Okay, dann werde ich es versuchen“, schwebten meine Finger über die dunkle Tastatur.
      „Nein, du versuchst es nicht. Du machst das“, antwortete er umgehend und verlor mich selbst in der Konversation.
      Offenbar hatte ich es mir unbewusst auf den Polstern inmitten des Raumes bequem gemacht, denn Lina stand vor und tippte mich auf den Beinen an. Eingeschüchtert fuhr ich hoch, was dem Schrecken geschuldet war.
      „Eigentlich will ich dich ungern stören, aber die Pferde warten auf uns“, lächelte sie.
      Ich rollte mit den Augen. *War es ihre übertriebene Freundlichkeit oder die reine Tatsache, dass ich mein Handy weglegen sollte, die mich nervte?*
      Rambi sah einmalig aus. Lina hatte wirklich Talent dafür, das Outfit ihres Pferdes, auch wenn nicht wirklich ihr gehörte, abzustimmen. In der geflochtenen Mähne trug der Hengst ein violettes Band, die Schabracke ebenfalls in dieser Farbe und aus der Wühlkiste mit Glocken hatte sie tatsächlich auch welche gefunden, die dazu passten. Außer acht sollte man auch die Trense nicht lassen, die nach ihren Farbwünschen gemacht hatte. Das Kletterseil in dem beerigen Violett fand ich noch in meiner Sammlung aus alten Schnüren und bis auf den letzten Zentimeter hatte ausgereicht, um ihr ein schönes Zaum zu gestalten. Ich hingegen hatte eine beliebige Schabracke gewählt in Grün und sehr unpassend dazu trug Klinkker dunkelblaue Bandagen mit Wolle als Unterlage, worauf ich im Internet stieß.
      „Wenn du mich brauchst, musst du mich über das Headset kontaktieren“, sagte ich zu Lina und stellte bei den Geräten die korrekte Frequenz ein. Zustimmend nickte sie und schwang sich in den Sattel. Einige Meter entfernt reihte ich mich auf der Mittellinie auf, gurtete nach und setzte mich ebenfalls auf den Rücken des Tieres. Interessiert drehte er den Kopf zu mir, musterte genau meine Bewegungen. Gezielt setzte ich mich ins Leder. Das letzte Pferd eines Tages war immer eine Herausforderung für meine Konzentration, umso mehr hatte ich das große Ganze im Kopf.
      Klinkker brachte sich gut in die Arbeit ein. Bereits nach einigen Runden im verkleinerten Viereck balancierte sich der Hengst und brachte eine hohe Konzentration an Tragkraft auf. Daraus entschied ich mehr am Schwung anzusetzen, die Schubkraft herauszuarbeiten. Ein Ansatz dafür stellten Schritt-Galopp-Übergänge und Rückwärtsrichten.

      Erst im Nachgang erfuhr ich, wie Lina mit ihrem Hengst zu kämpfen hatte. Abermals präsentierte Rambi sich mit den schlimmsten Hengstmanieren, die ein Pferd an den Tag bringen konnte. Sie schaffte es jedoch einige Bahnfiguren mit ihm zu erarbeiten und näher an die Ansprüche der Anfänger Dressur zu rücken.
      „Was denn das für ein Kaffeeklatsch?“, lachte Niklas, der mit Smoothie an der Tribüne vorbeikam. Böse schielte ich zu ihm.
      „Weiterbildung, eine Aktivität zum Vertiefen, Erweitern oder Aktualisieren von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen“, gluckste ich. Lina stieß mir im selben Moment mit zwei Fingern in die Seite. Aua, formte ich auf meinen Lippen. Sie grinste.
      „Endlich, du kannst schließlich nicht immer das dumme Blondchen bleiben“, gab er noch hochnäsig zu verstehen und setzte sich wieder mit der Schimmelstute in Bewegung. Im Herzen brannte die Sehnsucht, wenn auch hintergründig, aber sie war da. Seufzend drehte ich mich weg, als sie aus dem Sichtfeld verschwanden.
      Tyrell hatte Samu gebeten sich auf Lego zu setzen und seine normale Dressurarbeit zu zeigen. Neben der kleinen Gruppe vom Hof saßen auch noch andere Außenstehende. Von verschiedenen Höfen kamen sie her, versuchten besser zu verstehen, was es mit der Ecolé de Légèreté auf sich hat. Einige bekannte Gesichter gab es natürlich, die regelmäßig bei Tyrell Unterricht nahmen. Anhand des Rappen zeigte er auf, welche Probleme das Pferd hatte, inwieweit eine Lektion bereits zu früh angefangen wurde und es nicht am Reiter liegt. Dann begann ein tiefsinniger Monolog über den Druck der Gesellschaft und der heutigen Turnierkultur. Wichtig war ihm der Punkt, dass er kein grundlegendes Problem mit der Turnierlandschaft hatte, sondern wie gerichtet wurde und die Rücksichtslos die Tiere ausgebildet wurden. Mit einigen Tipps konnte Legolas sich mehr Fallen lassen und Samu die Hilfen gezielter einsetzen, um dem Hengst klar und deutlich zu vermitteln, was er von ihm wollte.

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 31.853 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte Oktober 2020}
    • Mohikanerin
      Dressur A zu L | 28. Februar 2022

      Hallveig från Atomic // Vrindr von Atomic // Milska // Schleudergang LDS // British Gold // Mystic Fantasy Dahlia // Ready for Life // Einheitssprache

      Leise rieselt der Schnee, oder so. In ungebändigten Schwalle fegte der Wind die Flocken über den Hof, die bereits weit verteilt am Fell der braunen Stute hingen. Hall trottete mit straften Strick mir nach in den Stall und schüttelte sich zunächst, weniger weiß, dass ich entfernen musste. Grob putzte ich ihren Kopf sowie Sattel- und Gurtlage. Das Wetter forderte förmlich die Gymnastizierung der Nachwuchsstute, die aktuell die Grundlagen der Ausbildung begriffen hatte.
      In der Reithalle traf ich auf Bruce, der selbst Vrindr arbeitete und die junge Dame, die aktuell ein Praktikum auf dem Hof absolvierte, saß auf Milska. Unruhig pendelte die Schimmelstute mit ihrem Schweif und auch fühlte mich so eingeengt wie das Pony, als ich die Haltung der Zügel da. Aber ich hielt mich für das Erste aus der Situation heraus, schließlich war unser Chef da, der Situation im Griff haben sollte. Sie wirkte erfahren im Umgang mit Pferden, aber spezifisch für Isländer, konnte ich nicht beurteilen. Vielleicht würde sich das in den nächsten Wochen ändern. Es gab Hoffnung, soviel spürte ich.
      In der Mitte der Halle ließ ich die Stute einige Runden um mich herum Übertreten, bevor ich Gurt fester zog und mich in den Sattel schwang. Wie gewohnt trottete das Pferd mit kurzen Schritten voran. Ich griff die Zügel etwas nach und gab im Wechsel halbe Paraden, trieb dabei aktiv, um den Viertakt gleichmäßig zu spüren. Die Übergänge erleichterten mir die Arbeit daran. Auch durch den Tölt kam Hall langsam zur Ruhe. Je mehr ich mich nur auf das Pferd und mich konzentrierter, umso besser gelang mir Kontakt zu finden. Durch Schlangenlinien und weitere Wendungen setzte sich das Pferd mehr, kam zur Geraden und schließlich im Galopp bot sie sogar gezielt den Außengalopp an.
      Am Höhepunkt des Trainings gab ich ihr die Zügel und ritt im Schritt noch einige Runden, bevor ich abstieg und Hall ihr Futter mischte. Noch immer verwirrt von dem System, stand ich vor dem Monitor in der Sattelkammer und starrte die leeren Worte an. Es standen die genauen Messwerte da, doch fand ich die Eimer nicht. Die klackenden Schritte hinter mir, verrieten, dass Hilfe kam.
      “Endlich”, zeterte ich, aber rechnete nicht damit, dass urplötzlich Harlen hinter mir auftauchte. Der Eisbrocken in meiner Brust knackte und sprang wie ein junges Kaninchen durch den Schnee. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen kräftigen Atemzug zu nehmen und mir nichts anmerken zu lassen. Auf dem Gestüt gelang es mir, ihm aus dem Weg zu gehen. Sein Jammern “wollen wir mal wieder etwas machen?” nervte mich. Wollte ich es nicht akzeptieren, dass wir einander näher kamen und es genossen? Oder war es den Gefühlen meines Bruders geschuldet, der sich allerdings eine neue Liebschaft anlachte? Es sollte so keinesfalls laufen, aber noch immer stand ich vor dem Problem, das System nicht nutzen zu können.
      „Ich hätte nicht gedacht, dass du dich überhaupt noch traust, mit mir sprechen“, lachte Harlen und schenkte mir ein kurzes Lächeln.
      „Viel zu tun, tut mir leid“, tat ich es ab. Er nickte einmal, aber ließ es im Raum stehen.
      Also ergriff ich wieder das Wort: „Aber wenn du schon mal da bist, kannst du mir eventuell helfen?“, zeigte ich zusätzlich auf den Monitor.
      „Selbstverständlich.“
      Zusammen suchten wir die Eimer, um der Stute ihre Futterportion zuzubereiten. Das Rascheln blieb auch bei Hallveig nicht unbemerkt. Aufgeregt kratzte das Pferd mit den Hufen auf dem Betonboden und hörte trotz meiner Ermahnungen nicht auf. Noch heller leuchteten ihre Augen, als ich schließlich mit der grünen Schüssel aus dem Raum kam. Harlen folgte mir und stand so dicht neben mir, dass seinen Atem an meiner Wange spürte. Das Häschen erwachte wieder, lebhafter als zuvor.
      “Könntest du einen Schritt zur Seite gehen?”, versuchte ich ihn weiter aus meinem Leben auszuschließen.
      “Was passiert, wenn ich es nicht tue?”, grinste er wieder.
      “Dann melde ich dich für Belästigung am Arbeitsplatz”, zuckte ich mit den Schultern. Erst jetzt entschloss er meine Bitte nachzukommen, auch wenn ich den Schmerz in seinen Augen förmlich spürte, als würde das Kaninchen urplötzlich kraftlos im Schnee versinken. Schweigend drehte er sich weg und verschwand im schlechten Wetter vor der Tür. Schon nach wenigen Metern verschwamm seine Silhouette zwischen den Flocken.
      Während Hallveig mit vollem Genuss ihr Müsli kaute, hatte ich mich auf eine der Aufstiegshilfen platziert und mir eine Abschwitzdecke über die Beine gelegt, um keine weitere Blasenentzündung zu bekommen. Auch Neele, die Praktikantin, war mittlerweile mit der Schimmelstute in den Stall gekommen. Sie schien besser mit dem System klarzukommen, denn schon nach weniger als einer Minute kehrte sie mit der gefüllten Schüssel zurück, in die Milska ihren Kopf steckte.
      “Woran habt ihr gearbeitet?”, fragte ich freundlich und erwachte aus der Starre.
      “Versammlungen und Anlehnung. Sie war heute deutlich motivierter als gestern”, erfreute sich Neele. Natürlich, ich hatte bereits gute Ansätze erarbeitet, damit fehlte nicht mehr viel zum nächsten Schritt der Ausbildungsskala. Auch Bruce kehrte einige Zeit später mit Vrindr wieder. Die Stute machte ebenfalls Fortschritte, die man keinesfalls verschweigen sollte. Losgelassen unterhielten wir uns über die Pferde und verabredeten uns für ein Mittagessen im Gemeinschaftsraum.
      Auf dem Weg durch die große Reithalle bemerkte ich den besten Freund von Blondies Mitläufer. Ich hatte mich schon gewundert, keinen der beiden im Stall zu erblicken, auch wenn es anfangs mich nicht wunderte. Blondie, oder Vriska wie sie alle benannten, sah man nur selten im Stall und da hatte sie stets schlechte Laune. Mit Lina hingegen gab es keine Probleme, aber mehr als die herkömmlichen Floskeln tauschten wir einander nicht aus. Samu, wenn ich mich nicht irrte, sah auf ihrer Rappstute, die mit gleichmäßigen Tritten durch den Sand schwebte und einen hohen Grad der Versammlung zeigte. Genauso zuverlässig lief Redo an den Zügel heran. Zur gleichen Zeit war auch eine Frau auf Linas anderen Pferd in der Halle – die eigentliche Besitzerin, wie man mir später mitteilte. Rambi war genauso weit in der Skala, auch wenn ihm der Galopp noch sehr schwerfiel. Bei einem Kampfgewicht, wie er es aufwies, würde ich mich ebenfalls ungern bewegen. Als drittes Pferd in der Runde arbeitete Folkes Freundin mit Schleudergang.
      Ein kräftiger Geruch von Erdnuss und Koriander kam mir bereits beim Öffnen des Gebäudes entgegen, intensivierte sich, je näher wir der Gemeinschaftsküche. Das Grummeln in meinem Magen erinnerte mich daran, dass das Essen zum richtigen Moment angesetzt war. Ausnahmsweise hatte Harlen gekocht, was mir kurz den Hunger verschlug, aber beim nächsten Atemzug setzte das Gefühl wieder ein. Ich hängte meine Jacke an den Haken, zog die Schuhe aus und setzte mich auf die Bank. Elsa, die zuvor noch bei Harlen hochsah und auf Essen hoffte, kam zur mir anlaufen. Die Hündin blickte auch mich mit großen Augen an.
      “Ich habe leider nicht für dich”, präsentierte ich ihr meine leeren Hosentaschen und strich über ihren Kopf.
      “Und, wie gefällt es dir bisher?”, erkundigte sich Bruce und stellte für jeden auf den Tisch, während Neele auf ihr Handy starrte. Schnell huschten ihre Finger über den Display und auf den Lippen lag ein strahlendes Lächeln.
      “Es ist toll, danke für die Möglichkeit”, sah sie von dem Gerät hoch. Endlich legte sie es weg und widmete sich unseren Vorgesetzten.
      “Gern, wir freuen uns jemanden, wie dich im Team willkommen heißen zu dürfen”, sagte er, als wäre eine junge Dressurtussi genau das, was wir für die Isländer benötigten. Wenn es nach mir ginge, könnte man jemanden mit mehr Gangpferdeerfahrung dazu holen, aber was weiß ich. Vielleicht doch. Sie erst seit zwei Tagen auf dem Hof und Harlen hatte diesen einen Blick, den er auch mir zuwarf. Auch am Tisch fiel es mir auf.
      “Jonina, hast du dir schon überlegt, ob Glanni noch zur Fizo soll?”, schien Bruce den Unmut meinerseits zu spüren.
      “Ich bin mir nicht sicher, weil es ziemlicher Stress für ihn ist”, schluckte ich zunächst die Portion herunter, bevor ich ihm antwortete. Natürlich wäre es nur klug einen Hengst zu haben, wenn er auch zur Zucht geeignet war. Glanni entsprach den Zuchtidealen eines Isländers, aber lag es in meinem Interesse seine Gene auf der Welt zu verteilen?
      “Mit Willa oder sogar Thögn könnten tolle Fohlen zur Welt kommen und ich kenne auch jemanden, der eins der Tiere kaufen würde”, erklärte er mit leichtem Nachdruck.
      “Ich werde darüber nachdenken, aber was steht denn noch auf dem Plan?”, versuchte ich wieder zur Arbeit zurückzukommen, doch Neele erzählte freudig über Pferde, von denen am Tisch noch jemand hörte. Entgegen meiner Erwartung versuchte Harlen sogar dem Geschwafel über die beiden Dressurpferde zu folgen. Aber ganz ehrlich? Wer sollte etwas über British Gold und Mystic Fantasy Dahlia, die mit den gleichen Prozenten eine L Dressur in der regional Liga in Kanada gewannen.

      © Mohikanerin // Jonina // 8949 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte November 2020}
    • Mohikanerin
      Kein Anschluss unter dieser Nummer | 07. März 2022

      Iridium / Spooky Gun For Mister Einstein / Friedensstifter / Fly me to the Moon / Middle Ages / Kölski von Atomic / Blávör / Hawking von Atomic / Skrúður / Milska / Litfari / Kría von Atomic / Halldór von Atomic / Mondlandung LDS / Nachtzug nach Stokkholm LDS / Rainbeth / Schleudergang LDS


      Ein schlechtes und fast erdrückendes Gefühl thronte in meinem Bauch, als hätte es die Macht übernommen von meinem Körper. Es lähmte mich. Obwohl das Gestüt von meinem Bruder so viel mehr Möglichkeiten bot als das kleine Grundstück bei Stockholm, kam ich nicht voran. Schon vor Wochen wollte sich Ilja zurückmelden, wann er endlich mit seinen beiden Pferden in Schweden ankommen würde, doch er wirkte wie verschollen. Ein Grund mehr, wieso ich stundenlang nachdachte, was mit ihm sein könnte. Gab es Probleme mit der Einreise von Einstein oder Iridium?
      Wie jeden Tag kurz nach Zehn Uhr saß ich in dem Nebenraum zur Sattelkammer, trank meinen Tee und starrte durch das Fenster zum Hof. Von hieraus konnte man die Paddocks der Pferde sehen. Fried und Flyma knabberten gegenseitig an ihren Decken herum, während Middy in aller Seelenruhe danebenstand. Ihr Fohlen war abgesetzt worden. Nur noch Kölski schwirrte ihr um die Beine, der immer größer wurde.
      “Bruce, kommst du mit?”, betrat Jonina den Raum, in der Hand, ein Hufeisen. Sie legte es auf der Kommode ab und verblieb dort.
      “Klar, wieso nicht”, lächelte ich und erhob mich aus dem weichen Stuhl, “wer ist schon wieder Schuhlos?”
      “Blávör. Zumindest fehlte ihr eins”, erklärte sie. Zusammen verschwanden wir in der Sattelkammer.
      “Ich nehme Hawking heute mit. Wer muss denn heute noch?”
      “Du kannst Skrú nehmen, der hat sehr traurig aus der Box herausgeschaut, als ich mit Milska in die Halle gegangen bin”, scherzte Jonina.
      Wie gesagt, holten wir unsere Pferde, sie entschied sich für Litfari. Im Stall entfernten wir den getrockneten Matsch aus dem Fell, insbesondere den Beinen. Für die Tiere war das Wetter perfekt – Etwas feucht, kühl aber nicht kalt. Für meinen Geschmack könnten es fünfzehn Grad mehr sein. Wir sattelten die Pferde und ritten zum Wald. Jonina wollte gern die Jungpferde sehen. Also legte ich die Runde so fest, dass wir zwischen den Weiden hindurchkamen. Von allen Seiten strömten die Heranwachsenden zum Zaun. Kría und Halldór waren noch immer da. Mola, Tyrells Sonderlackierung klammerte sich an der Isländerstute, dicht gefolgt von Stokki. Alle wirkten fit, sie schnaubten, wieherten und spielten. Auch Hawking begrüßte interessiert seine Freunde, bei denen er noch vor zwei Wochen sein Leben verbracht hatte. Doch der Hengst wurde langsam groß und wollte unter den Sattel. Deshalb nahm ich ihn immer wieder als Handpferd mit, während Jonina mit der Bodenarbeit begann. Unsere Aufgabenteilung war klar und immer besser fasten die Zacken der Zahnräder ineinander, um die Abläufe fließender zu haben.
      Zurück am Hof kam mir Lina mit Betty entgegen, wohl auch auf dem Weg zum Wald. Auf dem Platz ritt Tyrell auf Schlendrine, die noch immer ihre Beine nicht sortiert bekam.
      “Was will der eigentlich mit der?”, flüsterte Jonina mir zu und zeigte dabei auf besagt Stute mit den Punkten auf dem Po.
      Ich wusste es nicht.
      “Wer weiß das schon. Ist nicht das einzige Pferd hier, bei dem die Notwendigkeit fraglich ist.”

      © Mohikanerin // Bruce Earle // 2990 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Oktober 2020}
    • Mohikanerin
      Dressur L zu M | 06. Mai 2022

      Einheitssprache / Ready for Life / Hallveig från Atomic / Schleudergang LDS

      Neugierig drückte Rambi, einer der Einsteller Hengste, seinen Kopf durch die Gitter als ich mit dem Halfter kam, um ihn für den Beritt zu holen. Der Hengst verhielt sich dominant gegenüber der Besitzerin und Reitbeteiligung, was das Training sehr kläglich gestaltete. Deshalb arbeitete ich schon einige Tage mit ihm, stellte dabei erste Veränderungen fest.
      Er folgte aufmerksam und stand sogar ruhig am Anbinder, als ich alles fertig machte für die Einheit vom Boden. Ich legte ihm das Kappzaum an sowie die Doppellonge. Dann gingen in die Halle, in der zeitgleich Jonina mit Halli arbeitete. Die braune Isländer-Stute zeigte erste Seitengänge im Schritt und kam damit immer besser ins Gleichgewicht und an den Schwerpunkt heran. Ihre Reiterin achtete sehr ganz auf die Tritte und Linienführung, was für alle zum Vorteil war.
      Rambi arbeitete ich auch viel im Schritt und an der Doppellonge. Er streckte sich, trat damit hinten aktiver unter den Schwerpunkt. Sein Rücken drückte nach oben. Nach dem Aufwärmen änderte ich die Verschnallung der Doppellonge, um näher an ihm zu arbeiten. Neugierig drehte Rambi sich zu mir um, musterte die seltsamen Schüre sehr genau, die an seinem Kappzaum befestigt waren und über den Rücken lagen.
      Auf dem hinteren Teil des Platzes setzten wir die Arbeit fort. Ich fragte Versammlungen ab und nutzte diese als Grundlage für einfachere Seitengänge wie Schulterherein und Kruppe herein zu beiden Seiten. Schwerfällig setzten die Hufe in den Sand und an seinen Ohren erkannt man die Anspannung des Pferdes. Er hatte zu kämpfen, die Aufgabe, umzusetzen. Zwischen den Abfragen bekam er eine Pause im Schritt zum Strecken und Lösen. Dennoch beendeten wir nach dreißig Minuten die Einheit und er konnte nach dem Fressen zurück auf seinen Paddock.
      Für mich stand noch ein weiteres Pferd auf dem Plan, Schleudergang, unsere Barockstute aus Waschprogramm. Das Tier stand entspannt im Unterstand und zupfte am Heu. Mit dem Halfter am Kopf führte ich sie heraus. Ungeschickt folgte sie und genoss das Putzen. Wenig später lag der Sattel auf dem Rücken und ich setzte das Training vom Vortag fort. Jonina hatte mittlerweile die Reithalle verlassen und nun war Lina drin mit ihrer Rappstute.
      „Rambi macht sich gut“, erklärte ich. Sie nickte nur halb aufmerksam, den Redo war heute typisch Stute.
      „Er ist ruhiger, wenn du ihn vorher ablongierst“, fügte ich noch hinzu, bevor ich mich der Ente unter mit zuwandte. Wie üblich stolzierte sie durch den Sand, versuchte dabei nicht über die eigenen Beine zu fallen. Zumindest fühlte es sich so an. Die Stute hatte einen ziemlichen passigen Schritt, der erst nach der Versammlung besser wurde. Zwischendurch richtete ich die Rückwärts und trabte daraus an. Auch Biegungen halfen dabei, dass sie zunehmend mehr ins Gleichgewicht kam und die Tragkraft einsetzte. Erst dann begann ich mit längeren Trabphasen und Seitengängen. Schleudergang lief aufmerksam am Schenkel und ließ sich durch die andere Reiterin nicht ablenken. Am Ende der Einheit fragte ich noch eine Schrittpirouette ab, zur Festigung der Hinterhand. Dann widmete ich mich Pferden, die noch nicht so weit in den Leistungsklassen waren und machte Feierabend.

      © Mohikanerin // Tyrell Earle // 3189 Zeichen
      zeitliche Einordnung {November 2020}
    • Mohikanerin
      Fahren E zu A / Dressurfahren | 12. August 2022

      Osvominae / Just a Bear / HMJ Holy / Schleudergang LDS / Hending / Raleigh

      „Wie groß ist die Halle?“, kam Lars auf einmal an, als ich gerade auf der Couch saß, meinen Kaffee zu einer neuen Serie genoss.
      „Dafür bist du extra hergekommen?“, wunderte ich mich an Stelle seine Frage zu beantworten.
      „Ja und nein“, sprach er in Rätseln.
      „Achtzig mal sechzig oder so“, antwortete ich schließlich.
      „Super, dann komm“, forderte er mich auf. Prüfend sah ich zur Uhr. Eigentlich musste ich erst in einer Stunde im Stall sein, aber mein Kollege war nicht aufzuhalten, also zog ich mir die Stallkleidung an und folgte ihm. In seinem Gesicht erkannt ich, dass er einen fiesen Plan verfolgte. In den Putzbuchten standen bereits Osvo und Bear, beide mit dem Gurt um, aber zusätzlich einem Brustblatt. Skeptisch sah ich zu ihm.
      „Jetzt sag endlich, was das hier soll“, wild fuchtelte ich vor den Pferden, die aufmerksam den Kopf hoben und uns beide beobachteten.
      „Wir fahren heute mal in der Halle“, lachte er und holte die Sulky.
      „Tyrell bringt uns um“, sagte ich trocken.
      „Nein, das ist besprochen.“
      Ich zuckte mit den Schultern und spannte den Rappen an. Lars widmete sich derweil seinem Hengst, der die Stute neben sich anbrummte. Sie kümmerte das nicht, wendete nur den Kopf zu mir.
      Wir liegen hinüber zum großen Eingang auf dem Sand, die Pferde ebenso verwirrt wie ich. Erst sträubte sich der Rappe neben mir, durch das Tor zu laufen, doch als Bear seinem Besitzer treu hinein folgte, kam auch sie mir nach. Ich führte sie zunächst eine Runde, um selbst zu sehen, wie sich der Sulky auf dem Sand verhielt, aber die breiten Räder, die Lars vor Tagen montiert hatte, eigneten sich auch für den Hallensand. Osvo stand ruhig, als ich auf den Sulky stieg und im langsamen Schritt ganze Bahn fuhr. Es fühlte sich seltsam an. Ich war noch nie im Bock hier. Die Perspektive, so dicht am Boden und der Blick nicht einmal über die Bande, wirkte einschüchternd. Selbst die Rappstute fühlte sich nicht ganz wohl in der Situation und winkelte den Schweif an.
      „Nimmt man nicht normalerweise vier Räder?“, fragte ich meinen Kollegen, als ich mich zunehmend sicherer fühlte.
      „Schon, aber haben wir das?“, grinste er. Bear lief in tiefster Entspannung voran. Der Hengste kannte wohl schon die seltsamen Ideen seines Besitzers oder hatte mehr Erfahrung dabei als Osvo.
      „Nicht, dass ich wüsste“, gab ich zu.
      „Siehst du. Außerdem funktioniert es doch auch so“, erklärte er. Mir war es noch schleierhaft, schließlich fehlte das Gelenk am Wagen, wodurch die Beweglichkeit eingeschränkt war. Doch irgendwie schafften wir es sogar einen Zirkel im Trab zu fahren. Immer wieder erklärte mir Lars, worauf ich zu achten hatte, bis wir schließlich nach einer Stunde aufhörten. Beide Pferde waren verschwitzt und genossen ihre Zeit unter dem Rotlicht.

      In den nächsten Tagen und Wochen trafen wir immer häufiger in der Halle zum gemeinsamen Fahren, besonders für Hending, die offenbar schon eingefahren war, stellte es eine gelungene Abwechslung zum bisherigen Ausreiten dar. Sie hatte Spaß am Sulky und zeigte sich stets motiviert, die einfachen Dressurlektionen umzusetzen. Auch Holy, die ich bisher nur an der Doppellonge hatte, kam ich voran, sodass sie in Begleitung des Fohlen auch schon das Gewicht vom Sulky kennenlernte und wir gemeinsam Spazierengehen. Lars hatte zur gleichen Zeit begonnen, Schleudergang einzufahren und an der Doppellonge zu arbeiten, sowie Raleigh, den wir im Beritt hatten. Doch das Kaltblut schüchterte sogar den gestandenen Mann ein, der dies aber ungern zugab. Seine Skepsis spürte ich dennoch, wenn wir am Morgen den Arbeitstag besprachen.

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 3573 Zeichen
      zeitliche Einordnung {April 2021}
    • Mohikanerin
      Springen E zu A | 30. Oktober 2022

      Schleudergang LDS

      Es schien, als sei ich genau im richtigen Augenblick auf dem Weg in den Stall gewesen. In genau diesem Augenblick öffnete Sam die Klappe ihres kleinen Transporters.
      “Wen hast du denn heute mitgebracht, Sammy?”, rief ich ihr zu und lief weiter auf sie zu.
      "Perfekt, dass du kommst, dann kannst du mir gerade helfen”, begrüßte sie mich freudig und zog mich in eine Umarmung. Eine hellbraune Stute mit einer langgezogenen Blesse blickte mit entgegen.
      “Den Ferrari kennst du ja bereits und die junge Dame hier ist Camille“, beantworte sie schließlich auch meine Frage. Routiniert öffnete sie die Seitenwand und führte die Stute heraus. Erst als der Freiberger im Tageslicht stand, entdeckte ich seine Besonderheit. Camilles Fell war über und über mit weißen Haaren durchsetzt, die zur Kuppe hin immer dichter wurden.
      „Die ist ja cool“, sagte ich begeistert.
      “Jap”, grinste Samantha, ‚vor zwei Wochen aus der Schweiz gekommen und sie war ein echtes Schnäppchen.” Kurzerhand drückte die Blondine mir den Strick in die Hand, um auch noch Selva abzuladen.
      “Wie kann so eine süße Maus denn ein Schnäppchen sein?”, hakte ich verwundert nach.
      “Lina, du weißt doch, wie furchtbar konservativ die Züchter sind”, kam die Antwort aus dem Transporter. Recht hatte sie, schließlich war mein eigener Hengst solche ’Ausschussware’. Als auch die Fuchsstute die Rampe runter gestiefelt war, betraten wir das gigantische Stallgebäude. Die beiden Stuten durften in einer Box einen Moment ankommen, bevor Sam mit ihnen trainieren wollte.
      “Wo ist eigentlich der werte Herr abgeblieben, der mir eigentlich helfen sollte?” Genau in diesem Moment erklang das hölzerne Klackern von Hufen, die gegen eine Stage stießen.
      “So wie es klingt, immer noch mit der Ente beschäftigt”, grinste ich. Bereits vor einer dreiviertel Stunde hatte Mateo angekündigt, mit Schleudergang ein ‘kurzes’ Training zu machen, doch da hatte er die Rechnung ohne die barocke Stute gemacht.
      “Was will mein Bruder mit einer Ente?” Ein Ausdruck der Verwirrung trat auf Sams Gesicht.
      “Nicht eine Ente, Schleudergang”, lachte ich, was nur für mehr Irritation bei ihr sorgte.
      “Komm mit, ich zeige es dir”, grinste ich und zog sie hinter mir her zum Zuschauerbereich der Reithalle. Auf dem Sand bewegte sich die Leopardschecke mit Mateo auf ihrem Rücken in einer undefinierten Mischung aus Tölt und Galopp. Aus eigener Erfahrung wusste ich bereits, dass die Ente nicht immer ganz einfach war, denn ihre liebste Gangart war der Tölt. Vriska, die deutlich mehr Erfahrung mit den Sondergängen besaß, ritt die Dressureinheiten einfach in der Gangart, die die Stute anbot, doch ich verzweifelte meist schon dran zu erkennen, was Tölt war und was einfach nur die seltsame Bewegungsart der Stute. Endlich wieder im sauberen Galopp steuerte Mateo auf das noch stehende Hindernis zu. Die Ente hatten einen gleichmäßigen Takt, doch beim Absprung striff sie die Stange dennoch. Diese Pferde wusste einfach nicht wohin mit seinen Beinen.
      “Oh, das ist er also, der berühmte Springreiter”, scherzte Sam, bewusst laut genug, dass der Hübsche in der Bahn es ebenso hören könnte.
      „Wieder herzallerliebst mein Schwesterchen“, lachte der Schweizer und hielt die gepunktete Stute vor uns an.
      “Wie immer”, feixte sie zur Antwort und grinste ihn unschuldig an. “Kann ich Selva und Cami schon putzen oder benötigst du noch lange mit dem da?” Ihr Bruder schüttelte den Kopf: “Nein, mit der Ente bin ich so gut wie durch.” Sam nahm diese Information zur Kenntnis und verschwand von der Tribüne.
      “Wie war dein Training mit Ivy, bereit für euren großen Auftritt?”, erkundigte sich Mateo. Solcher musste er mich auf dem Platz gesehen habe, wo ich seit einigen Wochen mein Dressurtraining mit meinem Hengst absolvierte, unabhängig der Witterung. Niklas hielt es zwar für übertrieben, aber ich wollte sichergehen, dass Divine sich nicht von Wind oder ungewohnten Geräuschen erschreckte.
      “Ivy macht alles super, aber ich tue mir schwer damit, mir die Aufgabe zu merken”, antworte ich wahrheitsgemäß. Hoffentlich würde ich das bis zur nächsten Woche auf die Reihe bekommen, ansonsten sah ich das Vorhaben bereits scheitern, bevor ich überhaupt angetreten war.
      “Das wirst du auch noch hinbekommen”, lächelte Mateo aufmunternd. Es war wirklich erstaunlich, wo sie allesamt die Energie hernahmen, mich zu bestärken, denn mit Sicherheit ging ich ihnen gehörig auf den Geist mit meiner Nervosität.
      “Wenn du das sagst”, lächelte ich wenig überzeugt.
      “Wird schon, mach dir nicht zu viele Gedanken”, nickte Mateo optimistisch,” Wie wärs, wenn du zu Abwechslung mal etwas Spaßiges machst.”
      “Das wäre?” Fragend zog ich die Augenbrauen hoch.
      “Du springst gleich mit Sam und mir”, schlug er vor und löste den Sattelgurt der bunten Stute. Schleudergang schnupperte derweil die Bande ab, vermutlich auf der Suche nach etwas Essbarem und wirbelte keine Staubwolken auf.
      “Ich weiß ja nicht”, murmelte ich und griff in meine Tasche, um der Ente ein Leckerbissen zu geben, “Neben euch zwei sehe ich doch bestimmt aus, als habe ich noch nie auf einem Pferd gesessen.”
      “Quatsch, du siehst super, egal, was du tust”, schmeichelte mir Mateo. Verlegen wich ich seinem Blick aus und strich stattdessen der Stute über die weichen Nüstern. “Sammy”, schallte sein Ruf durch die Halle, woraufhin seine Schwester wieder bei uns auftauchte. “Magst du dieser hübschen Dame erklären, dass sie ein Naturtalent ist.” Ich spürte, wie die Röte in mein Gesicht stieg. Es fühlte sich ganz und gar nicht richtig an derartige Worte von jemandem zu hören, der nicht mein Freund war. Ich atmete tief durch und versuchte, die ungewohnte Situation zu verarbeiten. Es war seltsam, von einem Fremden so gelobt zu werden, aber andererseits fühlte es sich auch irgendwie gut an.
      “Du springst mit uns?”, strahlte Sam sogleich.
      “Das habe ich nicht gesagt”, nahm ich ihr sogleich den Wind aus den Segeln, denn sie schien es bereits als bestätigte Tatsache zu sehen.
      “Was spricht denn dagegen? Passiert doch nichts?”, grinste sie mich an.
      “Doch, bei meinem Glück lande ich sicher im Sand”, entgegnete ich, wenig überzeugt von ihrem Vertrauen in mich.
      “Quatschi, zu Silvester hast du es auch geschafft, du springst mit uns.” Vollkommen überzeugt ergriff sie meinen Arm und zog mich mit sich in die Stallgasse. “Wo müssen wir hin?” Bereits ahnend, dass ich ihrer einnehmenden Art nicht entkommen konnte, holte ich Redos Halfter aus dem Spind und lief in ihrer Begleitung zum Paddock. Meine Stute war die Einzige, die in dem gerade eingesetzten Nieselregen am Heu knabberte. Der Rest der Herde hatte sich unter die Dächer zurückgezogen. Interessiert kam sie sogleich an getrottet und ließ sich in den Stall führen.
      “Ich muss sagen, etwas neidisch bin ich ja, dass du eine solch hübsche Stute hast”, lächelte sie und bürstete Selva den Staub aus dem Fell. Die braune daneben tug bereits ihren Sattel und wartete nur noch auf Mateo. Während wir die Pferde vorbereiteten, erzählte ich der Schweizerin, wie ich zu Redo kam und dass es wieder einmal Niklas Verdienst war, dass ich sie mein nennen konnte.
      Ich war gerade dran, Redo zu trensen, da kam auch endlich Mateo. Schleudegagng hatte er bereits zurückgebracht und ebenso die Hindernisse in der Halle wieder aufgebaut.
      „Bereit?“, fragte er mich mit freundlichem Lächeln. Ich nickte, wenn auch nicht ganz von meinen Fähigkeiten überzeugt. Zumindest optisch wirkten meine Stute und ich diesmal professioneller, denn mit Sams Hilfe hatte ich einen passenden Springsattel aus der Zubehörsammlung meines Chefs gewählt.
      In der Reitbahn erwartete mich eine lange Reihe an Hindernissen, nicht besonders hoch, dafür dicht hintereinander.
      „Wofür ist das?“, fragte ich die beiden Geschwister, während ich Redo nach gurtete und aufstieg.
      „Das ist eine Gymnastikreihe. Damit fördert man die Beweglichkeit, aber in erster Linie den Rhythmus. Das hat nämlich gerade unser roter Ferrari hier dringend nötig“, erklärte Mate, der sie beide Stuten hielt, weil seine Schwester noch ihren Helm holen musste.
      „Okay“, nickte ich etwas eingeschüchtert. Die Übung sah gar nicht so einfach aus.
      „Keine Angst, Lina. Für den Anfang liegen dahinten einige Bodenstangen und das kleine Kreuz und Rick sind auch für dich, aber wärm Redo erst einmal auf.“ Seinen Anweisungen folgend, wollte ich Redo anreiten, als Sam mich aufhielt.
      „Steigbügel kurzer, Linchen.“ Natürlich hatte ich in aller Gewohnheit meine Dressurlänge eingestellt. Das erklärte natürlich, weswegen mein Knie nicht wirklich an den Pauschen ankam. Somit ließ ich die Zügel wieder auf den Hals meiner Stute fallen und stellte unter akrobatischen Verrenkungen die Riemen kürzer. Nach dreißig Minuten in Schritt, Trab und Galopp war der Rappe locker und wurde auch allmählich ungeduldig. Bei jeder Runde, die wird die Hindernisse umrundeten, schielte Redo bereits in diese Richtung.
      “So Lina”, hielt Mateo mit einem Grinsen Camille in der Hallenmitte an, “Dann wollen wir mal starten.” Samantha und die Fuchsstute bretterten bereits mit vollem Enthusiasmus durch die Gymnastikreihe. So schnell wie sie dort entlang düsten war es wirklich wunderlich, dass sie nicht bereits die Hindernisse umnieten.
      “Galoppiere in kontrollierten Tempo erst einmal über die Bodenstangen und dann in direkter Linie zum Kreuz”, wies Mateo mich an. Ich nickte und galoppierte meine Stute aus dem Stand heraus an. Freudig spitzte sie die Ohren und steuerte zielsicher auf die bunten Stangen zu. Zur Abwechslung war sie heute gar nicht treiben, sondern bewegte sich leichtfüßig über den Sand. Gleichmäßig setzte sie über die Bodenstangen, doch zog das Tempo an, als sie das Hindernis erblickte. Mit einem gigantischen Satz sprang sie über das Kreuz und setzte gleich einen freudigen Bocksprung hinterher.
      “Versuch etwas später abspringen und behalte dein Tempo bei”, folgte seine Korrektur. Klugerweise hatte der Herr uns noch vor dem Aufsteigen mit Ceecoaches ausgestattet, was das Verständnis seiner Worte deutlich erleichterte. Auf einem großen Zirkel galoppierte ich Redo und die Stangen herum, um wieder auf die Linie zu kommen. Erneut sprang ich, Mateos Reaktion zu urteilen besser als das vorherige Mal. Einige Male wiederholten wir die Übung sowohl mit dem Kreuz als auch dem Rick. Meine Stute bewies dabei deutlich mehr Ausdauer, obwohl sie womöglich die größere Leistung vollbrachte.
      “Mateo, ich kann nicht mehr”, schnaufte ich und parierte die Stute zum Schritt.
      “Dabei macht ihr das gerade gut”, lobte er, “Aber gut, dann mach eine Pause.” Dankbar lenkte ich den Freiberger in die untere Hälfte der Halle, von wo ich die beiden Profis bei ihrem Training beobachte. Sleva war bereits stark geschwitzt und sabber unablässig, was sie nicht davon abhielt, mit vollem Tempo über die bunten Stangen zu fliegen. Ebenso galant wirkte Mateo mit der unerfahren Stute. Mit kaum sichtbaren Hilfen lenkte er sie durch die Hindernisse und vermittelte ihr ausreichend Sicherheit, dass sie fast gar nicht verweigerte. Weitere kamen hinzu, denn Nour und ihr Bruder tauchten auf der Tribüne auf. Als Camilles Ausdauer nachließ, kam der Schweizer wieder auf mich zurück und forderte mich zu einem letzten Durchgang auf. Konzentriert galoppierte ich Redo erneut an, bemüht, all die Dinge im Kopf zu behalten, auf die ich achten sollte. In gleichmäßigen Runden Sprüngen näherten wir uns den Stagen. Fokussiert zählte ich die Galopp Sprünge mit, um zielgenau den Absprung zu machen. Drei, vier und Hopp. Souverän stieß der Freiberger sich vom Boden ab, wölbte sich bogenförmig auf und flog über das Rick. Überschwänglich lobte ich Redo, war es der erste Durchgang, bei dem ich es schaffte alle Anweisungen korrekt an mein Pferd weiterzugeben. Kein Übersprungen, keine fallende Stange und auch die Distanz schien gepasst zu haben.
      „Sehr gut“, kam sogleich das Lob von Mateo, „Wir machen doch noch einen Springreiter aus dir.“ Sam grinste breit und zeigte einen Daumen hoch, als ich sie passierte. Die kleine Lok unter meinem Sattel schnaufte, als ich sie noch eine lockere Runde weiter galoppierte, aber wirkte ausgeglichen und zufrieden. Mit diesem letzten gelungen Sprung war das Training beendet, zumindest für Redo, denn ich musste noch den Parcours abbauen.


      © Mohikanerin // Lina Valo // 12.151 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte April 2021}
    • Mohikanerin
      Man wächst an seinen Aufgaben / Springen A zu L | 30. November 2022

      Schleudergang LDS / WHC’ Quatchi / Lady Moon / WHC’ Oceandis / Binominalsatz / Crystal Sky / Ready For Life / Liliada

      "Die schwedische Kälte hatte das Lindö Dalen Stuteri fest im Griff, als ich mich auf Ready For Life vorbereitete. Redo, wie ich meine Freibergerstute nannte, stand ruhig da, ein Rappe, fast unsichtbar in der morgendlichen Dunkelheit. Der Nebel schien ihre Gelassenheit zu spiegeln, als wir uns warmritten und auf das bevorstehende Training vorbereiteten.
      Mateo, mein Kollege und erfahrener Springreiter, hatte vorgeschlagen, heute im Parcours zu üben, um der Stute etwas Abwechslung zu bieten.
      Die Reithalle belebte sich mit dem Auftritt von Samantha, die auf der barocken Stute Schleudergang saß. Schlendrine oder von allen auch scherzhaft Ente genannt, war einen starken Kontrast zu Redo. Die braune Schabracktigerschecke hatte eine ungewöhnliche Erscheinung mit langen Beinen, die sie nicht immer richtig einzusetzen wusste.
      Mateo erklärte uns die heutige Aufgabe: einen Parcours, der von einfachen A-Sprüngen zu herausfordernden L-Hindernissen führte. Die Mischung aus klassischen und anspruchsvolleren Hindernissen würde nicht nur die Sprungkraft testen, sondern auch die Harmonie zwischen Pferd und Reiter. Für Sam war dies ein Witz. Wie ihr Bruder auch ritt sie bereits auf internationalem Niveau, doch für mich stellte es eine Herausforderung dar.
      Ich setzte Redo an den Parcours und spürte ihre Energie. Der erste Sprung, ein einfaches A-Hindernis, war ein Aufwärmen für das, was noch kommen sollte. Redo bewältigte es mit Leichtigkeit, ihre Nervenstärke zeigte sich in jedem Sprung, egal wie blöd ich diesen Anritt – Die Stute sprang. Wir fanden unseren Rhythmus, als wir uns den Herausforderungen des Parcours stellten.
      Schlendrine und Samantha verliehen dem Parcours eine ganz eigene Eleganz. Die barocken Bewegungen der Stute wirkten manchmal beinahe tänzerisch. Samantha meisterte die Hindernisse mit ruhiger Gelassenheit, und ich konnte die Vertrautheit zwischen den beiden spüren.
      Der Parcours führte uns durch Wendungen und Kombinationen, die unsere Kommunikation auf die Probe stellten. Redo lauschte meinen Hilfen zwar, doch entschied, des Öfteren zu unserem Vorteil etwas anderes zu tun.
      “Lina, du sollst reiten, nicht nur Beifahrer sein”, reif Mateo durch die Halle, um mich zu korrigieren.
      Ich nahm mir Mateos Worte zu Herzen und trieb Redo entschlossener voran und konzentrierte mich daruf, die Sprünge zu zählen. Ein, Zwei, Drei … und wieder entscheid mein Pferd, dass die Distanz zu weit war und quetschte einen weiteren Sprung dazwischen. “Mist, ich dachte dieses Mal wirklich richtig gezählt zu haben”, murmelte ich. Mateo lachte leise.
      “Lina komm mal her. Ich denke, wir müssen noch mal darüber reden, dass dein Pferd keine zwei Meter groß ist”, rief er mir zu, worauf hin ich meine Stute durch parierte. Im Folgenden erklärte er mir, dass die Galoppsprünge meiner Stute ungefähr drei Meter fünfzig bemaßen. Bei der vorhanden Distanz von zwanzig Metern musste ich dementsprechend vier oder sogar schon fünf Sprünge machen, damit Redo den Sprung überwinden konnte.
      “Damit du den Rhythmus erst mal ins Gefühl bekommst, lege ich die ein paar Galoppstangen hin, du wirst den Unterschied merken”, erklärte Mateo, während er einige zusätzliche Stangen in den Sand legte. Verstanden hatte ich, wo mein Fehler lag, doch ob ich das wirklich hinbekommen würde? Der Parcours wurde umgestaltet, und ich versuchte, Mateos Ratschläge umzusetzen. Die Galoppstangen schienen wie eine Choreografie auf dem Boden zu liegen. Ich setzte Redo wieder an und die Stute passte ihren Rhythmus an. Ein, Zwei, Drei, Vier ... und tatsächlich, Redo übersprang das Hindernis mit Leichtigkeit.
      “Hast du den Unterschied gespürt?”, fragte er, woraufhin ich nickte. Redo war nicht nur gleichmäßiger galoppiert, sondern auch fließender abgesprungen.
      “Gut, dann machst du das noch dreimal und dann darfst du für heute aufhören”. Lobte Mateo. Ich tat wie gesagt und begann im Anschluss Redo abzureiten. Sam kam mit der Ente neben mich geritten, mit einem strahlen auf dem Gesicht.
      “Du wirst immer besser, Lina”, sagte sie freudig und tätschelte ihrer Stute den Hals.
      “Ach, ich denke das meiste macht Redo”, lachte ich bescheiden und strich ihr über den verschwitzen Hals. Der Freiberger schnaubte und schüttelte den Kopf.
      “Du musst mehr an dich glauben”, grinste Sam freundlich. Die Reithalle leerte sich langsam, als die Pferde abgesattelt und zu ihren Boxen gebracht wurden. Redo bekam eine extra Portion Möhren, als Belohnung für ihre gute Arbeit. Ich genoss den Moment der Ruhe, während die Pferde zufrieden im Stroh knabberten.
      Später, als die Sonne über den Bäumen langsam unterging, saßen Sam, Mateo und ich am Rand der Reithalle. Wir tauschten Geschichten aus, lachten über die Eigenheiten unserer Pferde und genossen die Gemeinschaft, die der Reitsport mit sich brachte.
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    • Mohikanerin
      Elitäre Fortbildung / Fahren A zu L | 28. Februar 2023

      Schleudergang LDS / May Bee Happy

      Die ersten Wochen mit Schlendrine waren eine Entdeckungsreise. Die braune Stute mit den Punkten auf dem Po war vielseitig gefördert, doch ihre Unaufmerksamkeit und mangelnde Trittsicherheit stellten uns vor Herausforderungen. Jede Trainingseinheit begann am Lindö Dalen Stuteri mit ruhiger Pflege und einer behutsamen Annäherung an das Geschirr. Schlendrine schien ihre langen Beine oft nicht zu wissen wohin, aber wir begannen mit gezielten Übungen zur Verbesserung ihrer Trittsicherheit. Der Dressurhintergrund von Schlendrine half bei der Einführung in die Ausrüstung, aber das Fahren brachte eine neue Welt für sie. In den ersten Wochen lag der Fokus auf dem Training am Boden, um Vertrauen zu stärken und ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Geschickte Übungen, die ihre Neugier weckten, halfen, sie für das Fahren zu begeistern.
      Während Schlendrine ihre Aufmerksamkeit schärfte, richtete sich der Fokus auf Happy, den zurückgezogenen Fuchshengst. Seine Dressurkenntnisse waren beeindruckend, aber die zurückhaltende Natur erforderte einen einfühlsamen Ansatz. Jede Trainingseinheit begann mit ruhiger Annäherung und viel Zeit für Streicheleinheiten, um sein Vertrauen zu gewinnen. Happy war kitzlig und schreckhaft, also begannen wir mit sanften Bodenübungen. Das Ziel war es, seine Aufmerksamkeit zu lenken und ihn auf die Bewegungen der Kutsche vorzubereiten. In dieser Phase waren Geduld und Ruhe entscheidend, und wir integrierten viele spielerische Elemente, um seine Neugier zu wecken und ihm eine positive Verbindung zum Fahren zu geben.
      In den letzten Wochen vereinten sich die Trainingsstränge von Schlendrine und Happy. Schlendrine war nun aufmerksamer und trittsicherer geworden, während Happy seine Schreckhaftigkeit ablegte und sich mehr öffnete. Gemeinsame Trainingsstunden wurden eingeführt, um die Harmonie zwischen den beiden Pferden zu fördern. Wir begannen, kurze Strecken zu fahren, erst in langsamen Schritten, dann im Trab. Schlendrine, einst unsicher mit ihren langen Beinen, entwickelte nun einen eleganten Schritt, während Happy seine Dressurkenntnisse in die Arbeit an der Kutsche einbrachte. Jede Einheit endete mit positivem Lob und entspannten Pferden. Die Landschaft von Lindö Dalen Stuteri, mit seinen weiten Wiesen und malerischen Wegen, bot die perfekte Kulisse für das Training. Die Pferde reagierten auf die ruhige Umgebung, und die schwedische Halbinsel bei Kalmar wurde zu einem Ort der Verbindung zwischen Mensch und Tier.
      Die Reise mit Schlendrine und Happy war mehr als nur Training; es war eine Reise des Vertrauens, der Entdeckung und der Verbindung. Die Unaufmerksamkeit von Schlendrine und die Schreckhaftigkeit von Happy waren Herausforderungen, die durch einfühlsame Übungen und Geduld überwunden wurden. Schlendrine entwickelte sich zu einer aufmerksamen und vertrauensvollen Partnerin, während Happy, einst zurückgezogen, seine sanfte Seite offenbarte. Das Gestüt auf der schwedischen Halbinsel bot die perfekte Umgebung für diese transformative Reise. Als Trainer für die Nationalmannschaft Schwedens war es nicht nur mein Ziel, die Pferde auf das Fahren vorzubereiten, sondern auch, eine tiefe Bindung zwischen Mensch und Pferd zu schaffen. Durch die ruhige schwedische Landschaft und behutsame Übungen wurde jede Trainingseinheit zu einem Schritt in Richtung Harmonie und Vertrauen.

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    • Mohikanerin
      Einführungen WE Trail / Western E zu A | 31. März 2023

      Schleudergang LDS / Forbidden Fruit LDS / Aares / WHC' Delicious Donut / Ruvik

      Auf einer idyllischen Pferderanch im schwedischen Hinterland spielte sich ein Wochenende voller Abenteuer und Herzlichkeit ab. Elena, eine erfahrene Trainerin, hatte fünf begeisterte Reiterinnen und ihre ebenso vielfältigen Pferde zu einem Working Equestrian Trail Kurs eingeladen. Ihr Wunsch war es, nicht nur das technische Know-how zu vermitteln, sondern eine Geschichte zu erzählen, die Herz und Verstand gleichermaßen berührt.
      Der Wecker am ersten Morgen des Kurses hatte kaum seinen Alarmrhythmus beendet, als die Sonnenstrahlen durch die Vorhänge kitzelten. Es versprach ein episches Wochenende voller Pferde, Trail und Teamwork zu werden. Die Reiterinnen betraten die Ranch mit ihren vierbeinigen Begleitern, und die Stimmung war lebendig. Jede Reiterin hatte ihre eigene Geschichte, jede Pferdepersönlichkeit schien ein Kapitel für sich zu sein.
      Laura stand vor Schlendrine, einer barocken Schönheit, mit einem Blick, der Bände sprach. Laura hatte eine Mission: die Aufmerksamkeit ihrer charmanten Stute gewinnen. Ihr erstes Training war ein Tanz zwischen Dressur und spielerischem Vertrauensaufbau. Kimberly und ihr treuer Begleiter Fruity, ein braunfalbes Barock-Reitpferd mit blauen Augen, brachten die Energie eines frischen Frühlingsmorgens mit sich. Dana und Kimberly planten eine Trainingseinheit, bei der Dressur und Leckerlis Hand in Hand gingen, um die Aufmerksamkeit von Fruity zu fesseln.
      Eskil präsentierte uns Aares, einen temperamentvollen Lusitano. Die Kombination aus Eskils Stürmigkeit und Aares' Leidenschaft stellte die perfekte Mischung dar. Dana konzentrierte sich darauf, Aares' Energie in präzise Dressurbewegungen zu kanalisieren. Quinn brachte einen frisch angerittenen Wirbelwind namens Donut mit. Die beiden hatten ihre eigene Sprache zu finden, und Elena plante eine leichte Mischung aus Vertrauensbildung und den Grundlagen des Reitens. Tyrell trat mit dem ehemaligen Zirkuspferd Ruvik auf. Eine Geschichte von Trauma und Vertrauen, die Elena tief bewegte. Ihr Ziel war es, die beiden durch Geduld und Verständnis für die gemeinsame Reise zu führen.
      Der Abend versprach ein gemeinsames Abendessen, bei dem sich Reiterinnen und Trainerin austauschten. Geschichten von Liebe, Lachen und den kleinen Wundern, die die Welt der Pferde so besonders machen, flossen in die Gespräche ein. Am zweiten Tag versammelten sich die Reiter in Gruppen, um gemeinsam zu lernen. Die Mischung aus Persönlichkeiten und Pferdecharakteren schuf eine lebhafte Atmosphäre. Tyrell und Eskil bildeten Gruppe 1, während Laura, Quinn und Kimberly eine furchtlose Gruppe 2 bildeten.
      Elena lenkte die Gruppen durch den Parcours. Jede Reiterin hatte ihre Herausforderungen, aber auch ihre triumphalen Momente. In der Mittagspause teilten sich die Reiterinnen ihre Erlebnisse, lachten über Missgeschicke und jubelten über Siege. Der Nachmittag wurde von einem Theorieunterricht dominiert, der die subtilen Kunstfertigkeiten des Trails und die Psychologie der Pferde tiefgehend beleuchtete. Einzelreitunterricht am Abend versprach persönliche Durchbrüche. Während die Pferde ihre eigenen Geschichten flüsterten, vertiefte Dana die Bindungen zwischen Mensch und Tier. Es waren nicht nur Dressurübungen; es war eine Reise der Selbstentdeckung, des Vertrauensaufbaus und der Harmonie.
      Der letzte Tag brach an, und mit ihm die „Turniersituation“. Der aufgebaute Trail wartete darauf, bezwungen zu werden. Jede Reiterin mit ihrem Pferd trat nacheinander an, die Reihenfolge von Quinn über Eskil, Laura, Tyrell bis zu Kimberly. Quinn, mit einem breiten Lächeln, überwand Hindernisse und meisterte den Trail. Eskil, voller Stolz und Energie, führte Aares mit Leichtigkeit durch die Herausforderungen. Laura und Schlendrine tanzten durch den Slalom, jede Bewegung in perfekter Harmonie. Tyrell und Ruvik, die letzte Kombination, meisterten die Strecke mit Geduld und Vertrauen. Kimberly und Fruity schlossen die Parade ab, die Atmosphäre vibrierte vor Freude und Erfolg.
      Elena sah mit Stolz auf die bunte Gruppe. »Jede Reiterin hat nicht nur den Trail gemeistert, sondern auch eine innige Verbindung zu ihrem Pferd geschaffen. Das ist der wahre Sieg.«
      Die Sonne neigte sich, und während die Pferde mit einem zufriedenen Wiehern in ihre Boxen zurückkehrten, umarmte Elena ihre Reiter. »Diese Geschichte ist nicht nur von Trails und Hindernissen, sondern von Freundschaft, Vertrauen und dem magischen Band zwischen Mensch und Pferd.«

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    • Mohikanerin
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      kapitel fyrtiotvå | 4. April 2023

      Maxou / Anthrax Survivor LDS / Sign of the Zodiac LDS / Fire to the Rain LDS / Astronaut in the Ocean LDS / Millennial LDS / Mockup / Schleudergang LDS / Mondlandung LDS / St. Pauli’s Amnesia / HMJ Divine / Ready for Life / Northumbria / Blávör / May Bee Happy / WHC' Humanoid Crashtest / Eichkatze / Sisko / Meltdown / Pay My Netflix / Trotaholic / Crazy Love

      Seit dem Renntag, und meinem ziemlich irrelevanten Geburtstag, verflogen die Tage wie im Flug. Mein Pferd – immer noch kaum zu glauben, dass ich vollkommen allein eins besaß – beanspruchte viel Zeit, schließlich hatten wir ein ziemlich kurzfristiges Ziel. Glücklicherweise war Mocki bereits angeweidet, konnte somit in der Nacht, wie alle anderen Pferde, auf die Weide. Für ihn war es noch alles neu auf dem Hof, also zeigte ich ihm erst einmal alles. Der Osteopath hatte kurzfristig einen Termin frei und kam am Tag nach der Ankunft. Gleichzeitig zeigte er mir weitere Handgriffe, die ich täglich durchführen sollte. Es waren reine Wellenessmaßnahmen, um die Vielzahl von Verspannungen zu lösen. Besonders in der Schulter, im Genick zeigte Mockup seine schmerzlichen Stellen. Zur Unterstützung kam er trocken unter das Rotlicht für eine halbe Stunde und am Nachmittag longierte ich ihn an der Doppellonge. Bereits nach zwei Tagen konnte ich eine Verbesserung feststellen, obwohl ich die Einheiten Schrittarbeit begrenzte. Wenn er von selbst ein paar Meter traben wollte, ließ ich es zu.
      Heute war der vierte Tag unserer Arbeit. Neugierig stand er bereits an der Boxentür, als ich die Stallgasse betrat und ein neues Halfter in der Hand hielt. Bevor mein Arbeitstag begann, war ich zum Reitgeschäft nach Kalmar gefahren. Neben einem Lammfellhalfter in Grau und Blau kamen mir noch passende Gamaschen, Glocken und Bandagen zwischen die Finger, die ich natürlich auch mitnahm.
      „Na schau mal“, begrüßte ich den Fuchs in hohen Tönen. Mit aufgeblähten Nüstern nahm er den Gegenstand unter die Lupe und ließ sich brav auf halftern. Der Weg an den Boxen vorbei, war das einzige, woran wir noch, vom Boden aus, arbeiten mussten. Auf dem Untergrund rutschte er mit den Hufeisen, aber ich wollte diese ohnehin entfernen. Zufälligerweise war Lars gerade Schlendrine beschäftigt.
      „Laaaars?“, fragte ich mit großen Augen, als wir an ihm vorbeikamen. Die Pferde schnupperten interessiert aneinander, aber fanden einander nur wenig relevant für weitere Interaktionen.
      „Jaaaa?“, wiederholte er in derselben Tonart und stellte das Bein ab.
      „Würdest Mocki die Eisen vorn abnehmen?“, formulierte ich freundlich.
      „Solltest du das nicht selbst schaffen?“, wunderte er sich. Ganz Unrecht hatte er mit dieser Annahme nicht, schließlich war es ein Teil meiner Ausbildung. Jedoch stellte sich ziemlich schnell heraus, dass ich nur wenig begabt darin war.
      „Schon ja, aber ich bin doch zu doof dafür“, gab ich kleinlaut zu.
      „Na gut, in zwanzig Minuten“, ließ er sich überzeugen und setzte die Arbeit fort. Hintergründig hörte man die Schläge auf das Eisen, aber Mocki beirrte dies keines Wegs. Er folgte mit dem Blick jeden meiner Schritte, als ich die Weidedecke vom Rücken nahm und an dem Haken an der Putzbucht anhing. Kaum hatte ich die Bürste weggebracht, kam Lars dazu. Freundlich hielt er dem Pferd die Hand entgegen. Dieser blähte einmal die Nüstern auf, dann stieß Mocki die Luft hörbar aus.
      “Warum sollen die Eisen ab?”, musterte Lars den Beschlag.
      “Er rutscht und das ängstigt ihm”, erklärte ich kurz gebunden.
      „Hast du dir Gedanken gemacht, wie es dann weitergeht? Ich meine, der Gute läuft seit zwei Jahren nur auf Beschlag und wenn er mit nach Finnland soll, könnte es ungewohnt werden“, klärte er auf. Ehrlich gesagt, war die Idee auch nur von mäßigem Erfolg geprägt. Wir diskutierten Alternativen, die ebenso wenig von Erfolg gepriesen waren. Ich wollte ihn Barhuf, aber Lars riet mir davon ab. Zwischenzeitlich kam Lina dazu, mit Mola. Die Pferde waren sich zuvor schon begegnet, dennoch war der Junghengst der Artgenossin skeptisch gegenüber. Dabei machte die Stute nichts, sie stand nur da und kratzte den Kopf am Holzbalken.
      „Aber wenn du keinen Kunststoff willst, bleibt nur noch Gummi“, seufzte Lars, dem mittlerweile die Ideen ausgingen.
      „Was wäre denn so schlimm daran, wenn er nichts an den Hufen hat?“, rollte ich mit den Augen.
      “Der wird dir in spätestens zwei Tagen lahm gehen bei dem harten Boden hier am Hof. Etwas muss er gegen die Stöße bekommen, sonst kannst du dein Ziel vergessen.”
      Zunehmend war Lars genervt und machte seinen Unmut meiner Sturheit gegenüber klaren Ausdruck. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, tänzelte wie auf heißen Kohlen über den Beton.
      “Ich schätze Lars könnte recht damit haben”, wand Lina zurückhaltend ein, “vielleicht solltest du das probieren mit dem Gummi, zumindest für den Übergang.”
      “Meinst du? Seine Hufe sehen doch super aus“, sprach ich nach unten gebeugt und fuhr mit meinem Daumen über das Horn. Die Struktur war fest, kein Riss in der Wand. Wer auch immer ihm vorher beschlug, sollte eine Auszeichnung bekommen.
      „Vivi, am Ende ist es deine Entscheidung, aber sprich mit Basti, der kennt das Pferd schon länger und du fährst doch nachher ohnehin zu ihm“, seufzte Lars. Er hatte sich auf die Zwischenwand gesetzt, wissend, dass es noch eine Weile dauern würde, bevor eine Entscheidung fiel.
      “Nein, Vriska, ich bin kein Hufschmied”, entgegnet meine Kollegin ehrlich, “aber ich denke ich jetzt komplett vom Beschlag zu nehmen, könnte ihn erheblich beeinflussen. Stell dir vor, du läufst jahrelang dauerhaft mit Eisenschuhen an den Füßen herum, das ist ein ganz anderer Bewegungsablauf.”
      “Na so ein wenig kenne ich mich auch aus”, erklärte ich wahrheitsgemäß, auch wenn ich mich häufig blöd stellte, “wäre Gummi eine ernstzunehmende Alternative oder ist eine blöde Idee, die jemand auf dem Markt hatte, um Geld zu verdienen?”
      Unterhalten stieß Lars Luft aus und schüttelte leicht den Kopf.
      “Es wirkt beinah so, als hättest du nichts mit den Pferden am Hof zu tun. Ini kam mit Gummischuhe zurück und wir haben angesichts der Erfolge nichts am Beschlag geändert. Seitdem haben wir es auch bei Mill und Enigma am Huf. Besonders für junge Pferde wird es empfohlen, denn sie dämpfen die Last maximal und sollen die Durchblutung fördern”, legte er die Vorteile nah. Nebenbei hatte mein Handy hervorgezogen und überlegte, auch bei Basti mir Informationen zu holen, denn das Internet selbst, sagte genau das, was Lars mir mitteilte.
      “Sorry, wenn ich störe, aber ich brauche deine Meinung”, tippte ich. Natürlich antwortete er direkt, hatte er sonst keine Hobbys?
      “Hau raus.”
      “Was denkst du von Gummi? Sinnvoll, oder nicht?”, flogen meine Finger die Tastatur. Es dauerte. Die drei Punkte bebten in der Ecke und eine Sprachnachricht kam an. Wie immer grinste ich breit, wenn wir miteinander schrieben. Um den Unmut seiner Belegschaft nicht zu befeuern, hielt ich es bei den nötigsten Nachrichten, obwohl ich ihm jede Sekunde schreiben wollte.
      “Klingt nach ganz schön coolem Zeug, Beschlag, der die Durchblutung fördert”, überlegte Lina.
      “Ähm, was?”, horchte ich auf, bemerkte, dass ich nur halb dem Gespräch folgte. Dann tippte ich auf die Sprachnachricht, zu blöd, es allein zu hören.
      „Ach Harley“, seitdem er auf dem Kaufvertrag ermitteln konnte, dass ich einen Zweitnamen hatte und diesen im Leben mied, zog er mich damit auf, „das Gespräch über Bienchen und Blümchen sollten doch deine Eltern mit dir führen. Grundsätzlich befürworte ich die Nutzung von Gummis, außer du hast andere Vorstellungen.“ Mit hochroten stand ich in der Putzbox und wollte am liebsten im Abfluss versinken, aber eine nächste Nachricht folgte sofort: „Ich schätze jedoch, dass du Gebiss, Gurt oder Eisen meintest, aber ja, alles hat sein für und wider. Mocki kommt mit Gummi jeder Art gut zurecht.“
      “Upsi, da sollte sich jemand differenzierter ausdrücken”, lachte die kleine Brünette reichlich amüsiert über die Angeleinheit.
      “Maaaaaan”, beschwerte ich mich zutiefst in Pein gehüllt.
      “Du musst dich nicht dafür schämen, scharf auf ihn zu sein”, munterte mich Lars ungewöhnlicherweise auf.
      „Damit machst du es nicht besser“, echauffierte ich mich und lief nervös Kreise.
      „Aber er scheint dem auch ganz offen gegenüber, was man ihm nicht verübeln kann“, rief er mir noch nach, aber ich versuchte mir die Ohren zuzuhalten.
      „Vriska, ist doch nichts dabei. Beruhige dich“, versuchte Lina, zu mir durchzudringen, „du machst alle noch ganz verrückt.“
      “Okay, okay, okay”, stammelte ich losgelöst.
      Ich atmete tief durch.
      “Danke für deine Hilfe, aber so genau wollte ich deine Präferenzen nicht wissen”, tippte ich grinsend und steckte schließlich das Handy zurück in die Jackentasche.
      “Dann bekommt Mockup nun Gummi an die Hufe”, beschloss Lars. Er richtete sich auf und verschwand für einen Moment, um den gewünschten Beschlag aus dem Lager zu holen. Hintergründig hörte man ihn fluchen und krachen, als würde er die Ware nicht finden. Schließlich kehrte er zurück, als ich selbstständig begonnen hatte, die Nieten zu öffnen und hielt bereits das erste Hufeisen in der Hand in der Hand.
      “Ach, jetzt schaffst du es selbst?”, schmunzelte Lars.
      Den Rest übernahm er. Meinem Pferd ging es nicht schnell genug. Er versuchte den Huf abzustellen und erst, als ich wieder an den Kopf kam und langsam die Finger hinter den Ohren kreisen ließ, entspannte er. Lina brachte Mola weg, aber setzte sich interessiert dazu. Von der Arbeit mit meinem Fuchs bekam sie nur peripher etwas mit. Ich bemühte mich früh im Stall zu sein, wenn die anderen noch mit dem Abäppeln beschäftigt waren und am Abend sehr spät, wenn jeder in der Hütte saß.
      „Soll heute wieder nur für mich kochen?“, fragte ich Lars, als er fertig war mit dem Beschlag. Nur im Stand sah ich bereits Besserungen am Fuchs. Seine Schulter war entspannt und der Rücken weicher – Faszinierend, dieser Gummibeschlag.
      „Ich weiß es noch nicht, kommt darauf, an, ob sich noch jemand meldet“, sagte er grinsend.
      „Ach, stehen die Damen wieder Schlange?“, lächelte ich.
      „Wer weiß das schon, ein Gentleman genießt und schweigt.“ Selbst sicher stolzierte er an mir vorbei, um das Werkzeug an seinen Platz zu bringen. Ich ging meiner Routine mit dem Pferd nach. Einen Schmerzpunkt nach dem anderen behandelte ich mit unterschiedlichen Druckstärken. Die Stricke hatte ich gelöst, denn er stand ruhig und sollte sich strecken können. Das tat Mocki auch. Genüsslich kaute er, gähnte und kam der Entspannung nah.
      „Immer wieder faszinierend“, staunte Lars, der wohl schon ein paar Minuten an der Seite stand.
      „Hattest du es nicht in der Ausbildung?“, hakte ich nach und drückte etwas stärker an den Muskel am Hinterbein.
      „Doch schon, aber was du nicht gut warst beim Schmieden, war ich in Physio.“
      „Verstehe, soll ich dir was zeigen?“, bot ich an. Interessiert nickte er und ich erklärte zunächst die unterschiedlichen Druckstärken, dabei auch der Einsatz von Arm und Handfläche ein wichtiges Thema. Wie ein Kleinkind verschlang mein Kollege das Wissen und versuchte sich selbst an Mockup. Der Hengst war anfangs irritiert, aber nach einigen Wiederholungen gelang es auch ihn, das Pferd in Trance zu versetzen.
      „Ziemlich cool, danke dir“, lächelte Lars und blickte mit seinen grünen Augen zu mir hinunter, als würde er etwas erwarten.
      „Ist etwas?“, beäugte ich ihn, ohne den Augenkontakt zu lösen.
      „Kannst du das auch beim Menschen?“
      „Ein wenig, aber Pferde sind einfacher“, sprach ich.
      „Okay, dann essen wir heute zusammen“, beschloss Lars, bevor er ein Halfter holte und sich einen der aktiven Trabern fürs Training schnappte. Die Pferde vom gestrigen Renntag hatten Pause und standen noch immer auf der Weide. Sie hatten es sich verdient.
      „Mich beschleicht das Gefühl, Lars möchte mehr als nur mit dir Essen“, schmunzelte Lina, die alles interessiert, von ihrem Sitzplatz aus mitverfolgt hatte.
      „Da stößt er auf taube Ohren“, sprach ich und befestigte den Pulsmesser am Pferdebauch. Mocki wachte nur langsam aus der Entspannung auf, mit dem Gefühl des Gurtes riss er die Augen auf. Hektisch setzte er einen Schritt zurück. Ich hielt ihm noch ab Halfter.
      „Ganz ruhig“, flüsterte ich ihm gut zu und tätschelte den angespannten Hals.
      „Wie hältst du das eigentlich aus, ist das nicht anstrengend, ihm ständig Widerstand leisten zu müssen?“, erkundigte sie sich.
      “Du meinst Lars gegenüber?” Sie nickte.
      “Sagen wir es mal so”, ich atmete einmal durch, denn bisher hielt ich kommenden Informationen verschlossen, “wir haben Bedürfnisse und an manchen Tagen gibt es keinen Grund, ihm Widerstand zu leisten. Er hört sofort auf, wenn ich es ihm sage.“
      „So habe ich das nie betrachtet, aber durchaus nachvollziehbar“, entgegnete sie verständnisvoll.
      “Ich mag ihn, aber Nour hat mir von Anfang an glaubhaft gemacht, dass Lars nur auf kurzfristige Dinge aus ist. Außerdem, Basti”, die letzten Worte verschluckte ich, nicht wissend, wie ich die vorherrschende Situation formulieren sollte. Er bedeutete mir unglaublich viel, aber, wie er selbst sagte, war ich nur eine Freundin.
      „Ist aber auch immer komplex bei dir, als würdest du es geradezu anziehen“, sprach die Kleine mitleidig.
      „Es ist okay, gibt Schlimmeres“, winkte ich ab, „immerhin den Pferden geht’s gut.“
      Ich führte Mockup zur Führanlage. Er durfte sie bereits von außen kennenlernen und begutachtete das klapprige Ding. Sie war in keinem guten Zustand mehr, musste andauernd repariert werden, aber im Zuge des Umbaues hatte Tyrell bereits angekündigt, dass wir eine neue bekamen. Wann das genau sein würde, stand noch in den Sternen, aber bisher kamen die Bauarbeiten voran. Teile neuen Gebäude waren schon ausgehoben und ein Fundament gegossen. Im Wald – wo eine weitere Stallanlage entstand – konnte man schon Wände erkennen, aber ich war nicht oft dort.
      “Aber dir sollte es doch genauso gut gehen“, seufzte sie, doch gab es gleichzeitig auf, dies weiter infrage zu stellen, “aber jetzt mal wirklich, ich bin erstaunt, wie schnell du Pferde wieder hinbekommst. Erst Happy und jetzt bei Mocki auch wieder.”
      “Ich kenne die Vergangenheit der beiden nicht und fasse sie nicht mit Samthandschuhen an, insbesondere Mocki scheint mir, bis auf die Verspannungen, kerngesund. Er soll nur unglaublich langsam sein”, erklärte ich meinen Eindruck.
      “So langsam sieht er gar nicht aus”, sagte sie und betrachtete die langen Beine des Fuchses.
      “Sehr oberflächlich von dir”, schmunzelte ich. Parallel änderte ich die Richtung der Anlage. In Zeitlupe wendete er auf der Hinterhand und stieß mit dem Kopf gegen das Metall. Perplex sah er sich aber, aber begriff nur so halb, dass er selbst dagegen gekommen war. Im Schritt lief Mocki voran. Das klügste Pferd war er nicht.
      “An etwas muss man das doch festmachen”, zuckte sie mit den Schultern.
      “Die haben alle lange Beine”, stellte eine bekannte Stimme von der Seite fest. Bevor ich begriff, wer plötzlich bei uns war, bekam ich einen schwarzen Pferdekopf ins Gesicht. Mit der Oberlippe fummelte Amy das Brillengestell von meiner Nase, erst dann zog Ju sein Pferd zur Seite.
      “Ja, da hast du nicht unrecht”, nickte Lina nachdenklich, “Woran erkennt man es dann?” Neugierig inspizierte die Stute nun auch sie und begann verspielt an ihren Zöpfen zu knabbern.
      “Training und Charakter. Das Pferd muss im Aufbau Sauerstoff im Blut speichern können, oder so. Ich weiß es nicht mehr so genau, wie die physischen Belange sind, aber dafür ist Lars da. Ansonsten, es braucht diesen Funken an Lust, schwer zu erklären”, sagte ich nachdenklich. Für einen Moment wurde mir klar, dass meine Ausbildung im Islandpferdebereich die dümmste Idee von allen war, denn bis auf die zwei Berittpferde, hatte ich nichts mehr mit den Tieren zu tun. Dabei begann die Ausbildung im Trabrennsport, bevor ich Hals über Kopf wechselte.
      “Klingt kompliziert. Gut, dass das für meine Ponys irrelevant ist”, lacht sie.
      “Was machst du eigentlich mit deinen?”, mischte auch Ju sich in das Gespräch ein.
      “Sie rollen auf Vierbeinen durch den Wald”, übernahm ich kurzerhand die Antwort. Böse Blicke trafen mich.
      “Wir rollen nicht!”, entgegnete sie trotzig, bevor sie mit einem freundlicheren Ton fortsetzte, “Mit Ivy versuche ich aktuell die Basics zu verfeinern, bevor es in der Dressur weitergeht. Redo steht theoretisch ebenso im Dressurtraining, aber ich habe aktuell nicht das Gefühl, dass sie Spaß daran hat, deshalb sind wir viel im Wald.”
      “Vielleicht braucht sie nach der Dienstzeit eine richtige Pause, mit einem Baby oder so”, schlug Ju vor. Während die beiden sich über ihre Pferde unterhielt, erhöhte ich die Geschwindigkeit der Anlage. Einmal knatterte es laute, aber dann bewegte sich doch noch der Motor schneller.
      „Haustechniker wäre eine Investition wert“, dachte ich insgeheim, aber war froh, dass der Hengst nur zusammen schreckte und trabte. Auf dem Handy warf ich einen Blick auf seine Herzfrequenz, trotz der geringen Geschwindigkeit zeigte er einen hohen Wert, für ein trainiertes Rennpferd nicht zufriedenstellend. Skeptisch sah ich ihn an, aber würde es weiterhin beobachten. Hoffentlich fällt Finnland nicht ins Wasser, schließlich stand viel auf dem Spiel.
      „So, Mädels, ich muss weiter“, verabschiedete sich Ju grinsend und führte Amy in den Stall.
      Ich seufzte.
      „Er ist schon ziemlich hot“, gab ich Lina in leisen Tönen zu verstehen. Ein breites schmunzelt, trat auf ihr Gesicht: “Du stehst also noch auf ihn.”
      “Jetzt übertreiben wir mal nicht, aber ich wäre nicht abgeneigt”, holte ich sie auf den Boden der Tatsachen zurück.
      “Ja ja, nicht abgeneigt”, grinste sie, “aber kann man dir auch nicht verübeln.”
      “Du willst mich offenbar fest in den Armen eines Typen sehen”, schüttelte ich unterhalten den Kopf.
      “Ich möchte nur, dass du glücklich bist und wenn ein paar starke Arme dabei helfen, unterstütze ich das”, setzte sie ein Statement.
      “Aber nur ein paar starke Arme wären mir eine Hilfe”, grinste ich, in Gedanken wieder bei Basti.
      “Eines Tages wird er erkennen, was er gutes verpasst”, antwortete sie und es klang beinahe wie eine Versprechung.
      “Für eine Affäre wäre er offen, aber ich schaffe das emotional nicht”, seufzte ich. Allein, dass ich immer wieder auf das Thema mit ihm zurückkam, verdeutlichte mir, wie schwer die Situation war. Mit gesenktem Kopf blickte ich zum Fuchs, der schnaubend im Kreis lief.
      “Das kann ich verstehen, das könnte ich auch nicht”, stimmte sie zu, “Aber verliere die Hoffnung nicht, wenn du mich fragst, ist an Nelly etwas seltsam.”
      “Aus dem Buschfunk hörte ich, dass sie wohl nicht so treu ist, wie sie sich gibt”, zuckte ich mit den Schultern.
      In der Führanlage schepperte es, dann stand die Anlage.
      “Seriously?”, keifte ich und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Weit und breit war keiner der Männer zu sehen, also musste ich das panische Pferd selbst aus dem Käfig bekommen. Mockup stieg und trat heftig gegen die Gitter. Beruhigend sprach ich auf das Tier ein, bis er sich schüttelte und die Hufe auf dem Boden behielt. Langsam schob ich die Abteilung. Angekommen am Aus- und Eingang, befestigte ich den Strick. Wir liefen hinaus. Der Fuchs zitterte am ganzen Körper, schnaufte, als wäre er vor dem Teufel davongelaufen. Sanft tätschelte ich den Hals und führte ihn im Schritt auf dem Vorplatz.
      “Armer Mocki, wir benötigen dringend ein neue Führanlage, das ist ja eine Zumutung”, schüttelte sie den Kopf, “aber ja, was Nelly angeht, habe ich so etwas auch gehört.”
      “Aha, du bist im Buschfunk der Traber unterwegs?”, staunte ich nicht schlecht. Das Chaos um die Anlage ignorierte ich, schließlich lag das außerhalb unserer Entscheidung. Gehorsam folgte Fuchs, schaute sich in der Gegend um. Erneut lobte ich.
      “Indirekt”, lachte sie, “ viel mehr dem des weniger rasanten Fahrsports.”
      “Sie fährt Kutsche?”, fiel ich immer weiter aus allen Wolken, wieso wusste sie so viel?
      “Ja, sogar gar nicht so schlecht, habe ich gehört”, führte Lina weiter aus.
      Hörbar atmete ich aus.
      “Also eine bessere Freundin für dich”, sprach ich eher zu mir, als zu ihr gerichtet. Ihr Blick sagte mir jedoch, dass sie jedes einzelne Wort genau vernommen hatte.
      “Rede keinen Quatsch”, schüttelte sie entschieden den Kopf.
      Ein paar undeutliche Worte verließen meine Lippen, dann bogen wir in den Stall ein. Am Anbinder befestigte ich nur einen der Stricke und entfernte den Frequenzmesser. Ungeduldig wartete der Fuchs auf sein Futter. Bevor ich dieses aus der Futterkammer holte, schaltete ich das Solarium an. Mocki scharrte mit den Hufen, hörte erst auf, als Lina ihn maßregelte.
      “So, guten Appetit”, stellte ich ihm die Schüssel hin. Vorbeugend mischte ich Tonerde an, um seine Beine und Kruppe zu teilen, einzuschmieren. Lars hatte mir empfohlen – als wir mit Mockup am Stall ankamen – ihn damit zu behandeln. Lina stand an die Wand gelehnt daneben und scrollte auf ihrem Handy umher. Den Bewegungen zu Urteil hing sie auf Instagram herum. Dabei veränderte sich ihren Gesichtsausdruck von freudig, über amüsiert, bis zu genervt.
      “Menschen sind doch blöd”, rollte sie mit den Augen und steckte das Gerät wieder weg.
      „Was tun sie denn Böses?“, hakte ich nach, wissend, dass es vermutlich ähnliches war, was ich seit Wochen bekam. Statt einer Antwort zog sie das Gerät wieder hervor und zeigte mir die Kommentare ihres letzten Posts, indem sie, neben den Fortschritten ihres Hengstes, auch offen über die Motivationsprobleme von Redo berichtete. Im ersten Anblick schienen die Kommentare übersäht mit positivem, doch bei genauerem Hinsehen, tauchten immer negative Dinge auf. Einige Kommentare kamen von naseweisen Kindern, die sich aus ihrer Weltanschauung heraus bereits an Gebiss und Sattel störten. Doch was Lina vermutlich viel mehr der Dorn im Augen war, waren jene Personen, die ihre Kritik nicht nur äußerst unfreundlich ausdrückten, sondern über das eigentliche Thema hinaus, ziemlich persönlich wurden. Kritik fanden sie an eigentlich allem und zwei recht schreib freudige Damen, gingen sogar so weit über sie herzuziehen und ihr gesamtes Umfeld herzuziehen. Teilweise konnte ich die Negativität nachvollziehen, denn einige Dinge missfielen mir ebenfalls, aber kein Grund, dies zu äußern oder gar zu veröffentlichen. Vielmehr war es „wir haben unterschiedliche Ansichten“, weshalb ich mich zurückhielt.
      „Blockieren und löschen“, sagte ich distanziert und begutachtete mein Werk an den Pferdebeinen, „die werden immer so weiter machen, weil sie persönliche Differenzen haben und dich als geeignetes Opfer betrachten, schließlich bist du für sie nur Pixel und nicht aus Fleisch und Blut.“
      „Mhm, blöd nur, dass Pixel Gefühle haben“, murmelte sie unbestimmt und ließ das Handy in der Jackentasche verschwinden. Ihre sonst übertrieben gute Stimmung war von ihr gewichen.
      „Je mehr Menschen du erreicht, umso mehr mit wertlosen Charakterzügen finden dich. Du kannst es nicht jedem recht machen. Solang du hinter deiner Arbeit stehst, ist doch alles gut“, versuchte ich ihr einen anderen Standpunkt zu vermitteln. Es war unglaublich, wie Menschen es als ihr Recht erachteten, jedem die eigene Meinung im Internet zu unterbreiten. Am Ende betitelten sie es als Meinungsfreiheit, die sich allerdings auf die Straffreiheit und politischen Verfolgung bezieht.
      „Soll ich mir mal deine unmotivierte Tonne anschauen?“, schlug ich aus der Stille heraus vor, die sich im Putzbereich gelegt hatte. Mockup schlief abermals und Lina schaute undefiniert ins Nichts. Es dauerte einen Moment, bis eine Reaktion kam, doch dann nickte sie langsam: “Ja, bitte.“
      Dass sie dem zustimmte, machte mir die Dummheit dahinter bewusst. Auch wenn Lina ebenso klein wie ich war, konnte ich mir nur schwer vorstellen, dem Pferd eine klare Hilfe geben zu können.
      Ich brachte den Fuchs mit Decke zurück in seinen Laufstall, dort stürzte er sich auf seine Heulage. Zur gleichen Zeit holte Lina den Rappen. Sie befreite den Rappen vom Schmutz und ich wechselte meine Kleidung, zumindest zog ich Stiefel über die Arbeitshose und vorsichtshalber befestigte ich meine Sporen. Aus dem Schrank funkelte mich die Schutzweste an, die ich ebenfalls überwarf.
      “Du siehst aus, als hättest du großes vor”, betrachte meine Kollegin mich interessiert. Die dunkle Stute hatte bereits Gamaschen an den Beinen und ließ entspannt die Unterlippe hängen.
      „Ich möchte es nicht riskieren, schließlich steht Großes auf dem Plan“, erläuterte ich meine Intention.
      “Ich denke nicht, dass da notwendig sein wird, aber deine Sache”, sprach sie und verschwand mit einem winzigen Schmunzeln auf den Lippen in die Sattelkammer. Wenig später kehrte sie zurück, mit Sattel und Trense. Mit dem Schließen des Gurtes erwachte die Stute langsam aus ihrer Ruhephase, stellte alle vier Hufe wieder auf den Boden und streckte sich vom Hals zum Rücken.
      „Wirklich gut sieht der Sattel nicht aus“, stellte ich auf ersten Blick fest und löste den Gurt wieder. Eher teilnahmslos stand Lina daneben und beobachtete, wie ich mit der Hand am Polster entlangfuhr. Bereits in der Mitte bildete sich eine Brücke. Zudem kippte der Sattel leicht nach hinten, was ihr ebenfalls Schmerzen bei Belastung bereitete. Einzig mit einem Kopfschütteln kommentierte ich das vor mir liegende und nahm ihn herunter. Aufgrund der kurzen Sattellage sowie vergleichbar breiten Kammer würde so schnell keinen Ersatz in der Sammlung finden, stattdessen holte ich eins der dicken Korrekturpads. Hinsichtlich der Situation würde es der Stute Erleichterung bringen, aber war ganz klar, keine Lösung auf Dauer. Ich legte das Pad zwischen Sattel und Schabracke. Gebiss und Trense passten aus meiner Sicht, also schloss ich den Helm und führte das Pferd zum Reitplatz hinaus.
      Der Sand war frisch abgezogen. Ein leichter Wind wehte den Duft von Frühling an uns heran. Zum Beginn wärmte ich Redo vom Boden aus auf. Sie arbeitete konzentriert, wenn auch holprig. Vermutlich kamen ihr die Hilfen spanisch vor, aber sie versuchte es nach ihren möglichen Kräften. Dann zog ich den Gurt ein Loch fester und schwang mich in den Sattel. Wie vermutet, saß ich wie Prinzesschen auf der Erbse und um Längen breiter als auf anderen Pferden. Obwohl ich mich nicht wohlfühlte auf dem Kaltblüter, nahm ich mich dem Problem an. Von Anfang an trieb ich aktiv, hörte jedoch auf, wenn sie das geforderte Tempo erreichte. Dann lobte ich ausgiebig. Zumindest ergab sich mir, warum Lina so geschafft war, wenn sie von Redo abstieg.
      „Jetzt siehst du, was ich meine und du hast noch Glück, dass sie heute nicht auch noch die Stute raushängen lässt“, seufzte Lina, „so extrem treibig ist sie fast nur in der Bahn.“ Die Kleine wirkte ziemlich unglücklich darüber, dass sich die Rappstute bei mir nicht wirklich anders verhielt. Allerdings wärmte ich das Pferd noch auf, welche große Veränderung sollte dabei auftreten?
      „Mit Stuten kann ich umgehen, allerdings kennen wir uns nicht“, versuchte ich sie mit den Fakten etwas zufriedener zu stimmen, was keinerlei Veränderung bewirkte. Nach einem Handwechsel begann ich die Zügel kürzer zufassen und auf gebogenen Linien, die Rittigkeit zu fördern. Zwischendrin stoppte ich, richtete rückwärts und versuchte jede folgende Lektion unvorhersehbar zu gestalten. Damit kam ich voran. Redo hielt ihre Ohren bei mir und war leicht in der Hand. Je schneller die Wendungen und Figuren wechselten, umso genauer reagierte sie auf meine Schenkelhilfe. Durch das vermehrte Untertreten kam sogar ein annehmbares Tempo zustande. Schließlich trabte ich an. Energisch trieb ich sie voran und schob im Sattel das Pferd voran. Der erste Tritt ohne Hilfe folgte und ich parierte wieder durch in den Schritt, um die Hand aus der Ecke heraus zu wechseln und den Schenkel anzulegen. Es wurde deutlich besser. An meine Vorstellung von der korrekten Umsetzung der Hilfen kam das schwarze Pferd jedoch nicht heran, aber es war mein Problem. Lobend holte ich sie zurück und ließ sie abkauen. Gerade einmal zwanzig Minuten arbeiteten wir intensiv. Redo blähte aufgebracht ihre Nüstern, kam allerdings der Losgelassenheit nahe. Lina beobachte das Ganze von der Bande aus, betrachte jeden Tritt mit Argusaugen, wobei sich ihr Gesichtsausdruck nur geringfügig veränderte. Nach wie vor wirkte sie mit der Gesamtsituation nicht glücklich.
      “Ach Lina, was stört dich denn so?”, seufzte ich, den Hals der Stute tätschelnd.
      “Wozu mache ich das eigentlich …”, murmelte sie, ”das hat doch alles keinen Sinn.” Wie sie das so sagte, bekam ich das Gefühl, dass das Problem nicht allein bei der Stute lag.
      „Muss alles einen Sinn ergeben? Grundsätzlich verdienst du Geld auf dem Hof und die hier, sind deine Freizeitbeschäftigung, etwas eintönig, aber ist doch schön, wenn dich etwas begeistert“, versuche ich gewählt mich auszudrücken. Die Sorgen und Ängste anderer zogen sich durch mehrere Generationen und aus irgendwelchen Gründen suchte jeder nach einem Sinn. Vielleicht war der Sinn, Spaß zu haben und das sollte doch reichen.
      Sie seufzte: “Vielleicht hast du recht.”
      „Dann reitest du mal deine Tonne ab, ich habe noch zu tun“, sagte ich schließlich und sprang aus dem Sattel. Lina drückte ich die Zügel in die Hand, um schließlich im Stall wieder meine Ausrüstung abzulegen und in die bequemeren Stallschuhe zu steigen. Alles andere fand seinen Platz zurück in den Schrank.

      Vor Stunden überlegte ich noch, ob ich wirklich die Lust und Energie hatte, erneut nach Kalmar zu fahren. Allerdings fiel die Entscheidung recht schnell, als Lina begann an mir zu hängen wie eine Klette. Ihr fehlte die Beschäftigung, also schob ich ihr Blávör zu, die ich seit Monaten mit ritt. Max war ohnehin egal, wer seine Stute bewegte, solang sie mal vom Paddock konnte. Für Humbria stand schnelles Fahren auf dem Trainingsplan und erstaunlich gut, konnte Lina im Galopp mithalten. Zwischendurch verlor sie den Anschluss und kürzte dann ab. Auch bei den nächsten Trainingspferden wurde ich sie nicht los. Es war ein Tag, an dem auch Nour wenig Zeit für sie übrighatte und die kleine Brünette nur schwer selbstständig eine Beschäftigung fand. Im Wald trafen wir auf Alexa, die, mit einem breiten Grinsen auf den Lippen, auf Happy einen Ausritt veranstaltete.
      Mit den Worten „ich fahre gleich zu Basti“ wurde ich schließlich meinen Anhang los. Sie interessierte sich blendet dafür, was ich auf dem Hof wollte, aber konnte sich nicht dazu durchringen, danach zu fragen, ob sie mitdürfte. An der Fernstraßenauffahrt rauschte Niklas in seinem Porsche an mir vorbei, was mir zumindest beantwortete, wieso sie nicht gefragt hatte. Vor den Ställen parkte ich das Auto ab und begab mich auf die Suche nach Basti.
      „Vriska, oder?“, fragte ein junger Herr, wenige Jahre jünger als ich.
      Zustimmend nickte ich. Er stellte sich als Timo vor. Binnen kürzester Zeit ergab sich eine nette Unterhaltung. Seit ungefähr einem Jahr war er auf dem Hof, pflegte die Pferde und übernahm den Großteil der anfallenden Stallarbeit. Dabei hatte er überhaupt keine Erfahrung im Umgang, benötigte einzig etwas Geld zum Leben.
      “Basti müsste gleich so weit sein, wollen wir noch eine rauchen?”, fragte Timo und hielt mir seine Schachtel Zigaretten entgegen. Dankend nahm ich das Angebot an.
      „Über dich wird viel gesprochen“, sagte er plötzlich, als kurzzeitiges Schweigen eintrat.
      „Das passiert mir häufiger“, schmunzelte ich, um die Verlegenheit zu überspielen. Je häufiger ich es hörte, umso schlechter kam ich mir dabei vor.
      „Also kaufst du viele Pferde?“, wunderte sich Timo.
      „Nein, das nicht“, ich wollte gerade zum ‘aber’ ansetzen, als Basti hinter einem Stallgebäude hervorkam und mich angrinste. Obwohl ich versuchte, meinen Gesichtsausdruck möglichst neutral zu halten, spürte ich den Widerstand im Kiefer. Bis zum Hals schlug mein Herz, so sehr, dass die Finger aufgrund der fehlenden Durchblutung begannen zu kribbeln.
      „Schön, dass du es einrichten konntest“, begrüßte er mich. Seine Augen wanderten unentschlossen über meinen Körper, als wüsste er ebenso wenig, ob eine Umarmung angebracht wäre. Ich zog einen Mundwinkel nach oben.
      „Danke für deine Hilfe, Timo, wenn du möchtest, darfst du Feierabend machen. Den Rest schaffen wir allein“, verabschiedete er seinen Angestellten und zusammen liefen wir in den Stall. Kaum hatte Basti einen schweren Schritt auf den Beton gesetzt, hörte man das Brummen mehrere Pferde. Einige drehten sich, um den Kopf über weiß gestrichene Fronte zu strecken. In jeder Box stand eins, hauptsächlich Braune, zwischendurch ein Rapp oder Fuchs. Meltdown konnte ich nirgendwo entdecken, allerdings gab es noch zwei weitere Gebäude.
      „Dann erzähl doch mal“, wir setzten uns in einen kleinen Aufenthaltsraum. Die Wände waren mit rötlichem Holz vertäfelt, darüber hingen Bilder. Sie zeigten allerlei Erfolge der Familie und auch welche von ihm entdeckte ich dazwischen. Aktuell waren diese nicht, das aktuellste war von 2013, also lagen acht Jahre zu heute dazwischen. Basti zündete sich darin eine Zigarette an. „Wie läuft es mit Mockup?“
      “Ich dachte, dass ich hier sei, um deine Pferde zu begutachten?”, fragte ich eingeschüchtert, noch immer überwältigt von dem, was mich umgab. Auf einem Schrank standen unordentlich Pokale und Decken übereinandergestapelt, die vermutlich zu den Auszeichnungen gehörten.
      “Hast du es eilig? Abhalten von deinen Plänen, möchte ich dich natürlich nicht”, grinste er im Begriff, sich aus dem Plastikstuhl zu erheben.
      „Nein, ich habe Zeit mitgebracht“, stoppte ich sein Vorhaben. Er legte den Arm wieder locker auf die Lehne und drückte sich in das bedrohlich knackende Plastik. Leicht bogen sich die Beine nach hinten.
      Ich begann zu erzählen vom Stress in der Führanlage, aber dass er sonst, gute Fortschritte machte. Dass ich ihn bisher noch nicht gefahren war, verschwieg ich Anfangs. Durch seine immer spezifischer werdenden Fragen kam diese Tatsache zügig ans Tageslicht.
      „Also startet ihr nicht in Visby?“, hakte er skeptisch nach.
      „So genau habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Bruno fährt bestimmt samt Familie hinüber, aber wir haben bisher keine Nennung gemacht“, erklärte ich. Vorsorglich schaute ich im System nach, das meine These bestätigte.
      „Hoffentlich entscheidest du dich noch dazu. Ich würde gern Mocki mit dir sehen.“
      Basti drückte die Zigarette aus und stand auf. Interessiert folgte mein Blick, um zu erfahren, was er vorhatte. Er öffnete den kleinen weißen Schrank und holte einen dunkelblauen Fleecepullover heraus. Wie eingefroren starrte ich ihn an, als Basti den dicken Pullover über den Kopf zog und oberkörperfrei im Raum stand. Unbewusste schnappte ich nach Luft, denn obwohl er nicht dem Katalogmann in meinem Kopf entsprach, regte sich deutlich etwas in mir. Seine eher schmale Silhouette schmeichelte mir sehr und dem kurzen Blick zu mir entnahm ich, dass sich bewusster war, was er tat, als er zugeben wollte.
      Ich schluckte.
      „Wollte mich noch entschuldigen“, stammelte ich überfordert.
      „Wofür?“ Basti runzelte die Stirn, dabei zog er die Arme in die Ärmel.
      „Für die komische Nachricht vorhin“, kam es wie Balsam für die Seele von den Lippen. Meine Augen richtete ich Richtung Boden, um seinem Gesichtsausdruck zu entkommen. Ich spürte den strengen Blick förmlich auf der Haut brennen. Noch deutlicher formte sich ein Kribbeln in der Körpermitte. Langsam hob ich mein Kinn nach oben. Bedrohlich nah stand er bei mir, zumindest so nah, dass ich hätte meine Arme ausstrecken können, um ihn zu berühren.
      „Es muss dir nicht leidtun. Ich habe deine Nachricht bereits verstanden“, schmunzelte Basti und ich meine, in der Tonlage etwas Verführerisches zu entdecken. Mittlerweile hatte er den Stoff über den Körper geführt, obwohl ich mir wünschte, einen längeren Anblick auf seine freiliegende Haut gehabt zu haben. Dennoch war jeder Moment mit ihm ein inneres Blumenpflücken.
      „Gut, ich wollte das nur klarstellen, denn“, kaum hörbar, kam ein Seufzen hervor und verschluckte die letzten Worte.
      „Mh? Denn was?“, hakte er sogleich nach.
      „Nicht wichtig. Also, bei wem soll ich Hand anlegen?“, wechselte ich das Thema. Ich wusste bisher nur von Netflix, allerdings konnte ich mir vorstellen, dass mir direkt weitere Pferde zugeschoben werden, wenn ich schon mal da bin. Ebenso war es bei dem letzten Mal.
      „Du provozierst es aber auch, dass man dich falsch versteht, oder?“, scherzte Basti. Peinlich berührt schlug das Herzklopfen um und flutete mein Gesicht mit Blut. Für einen Moment vergrub ich es in meinen Händen.
      “Man, du machst mich irre”, jammerte ich und folgte ihm in den Stall.
      „Ich dachte an Netflix und Ole. Nelly wollte, dass du dir Crazy anschaust, aber ich brauche dich lebend“, sprach er ohne auf meine Aussage einzugehen. Die Worte ließen mich mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits war die bloße Erwähnung ihres Namens ein Messerstoß ins Herz, andererseits fühlte ich mich geschmeichelt, dass er mich brauchte.
      Aus der Box führte Basti den ersten Rappen heraus, putze ihn und ich fühlte ihm auf den Zahn. Gedanklich versuchte ich mich von dem mich umgebenden zu distanzieren, obwohl ziemlich schwer war, wenn er neben mir saß und jeden Handgriff beobachtete. Zwischendurch zog er das Handy hervor und tippte darauf herum. Was darauf genau geschah, sah ich nicht. Aber Basti grinste. Neugier brannte bis zu Nägeln, jedoch hatte ich die Baustellen des Pferdes zu begutachten. Die Praktik brachte Netflix bereits nach zehn Minuten Entspannung. Langsam schlossen sich seine Augen und er kaute genüsslich.
      “Meine Güte. Auf den Luxus deiner Zauber-Fingerchen kann man nur neidisch sein”, sprach Basti aus der Stille heraus, mit einem Grinsen auf den Lippen.
      “Wieso sollte man darauf neidisch sein? Jeder kann das lernen”, stellte ich mit leichter Irritation fest.
      Amüsiert schnappte er nach Luft.
      “Diese Unschuld in deinem Verständnis finde ich bemerkenswert”, gab Basti offen zu verstehen. Vermutlich war Linas Naivität ansteckend, dabei versuchte ich ein Blatt vor den Mund zu nehmen, um mich ins rechte Licht zu rücken.
      „Sag‘ doch, was du möchtest, dann kann ich dir besser behilflich sein“, schlug ich vor, ohne den Blick vom Pferd abzuwenden.
      „Woran denkst du denn?“
      „Das steht hier nicht zur Debatte“, knackend löste sich eine Verspannung im Rücken und Netflix schüttelte sich schnaubend, „ich möchte wissen, worauf du anspielst.“
      “Wir verschieben das Gespräch”, seufzte Basti überraschend distanziert und stand auf.
      “Ich warte ungern und nicht lange”, stellte ich zum Schluss noch fest.
      Es trat Schweigen ein. Mit gekonnten Bewegungen löste er den Strick und brachte Netflix zurück in die Box, um schließlich Ole zu holen. Für den Großteil meiner Beschäftigung war Basti verschwunden und kehrte erst zurück, als die letzten Griffe an der Kruppe machte. An dem Schecken war weniger verspannt, sodass wir schnell in den Zustand der Losgelassenheit kamen. Die angesprochene Stute wurde mir nicht bereitgestellt. Wir rauchten gemeinsam eine Zigarette bei mir am Auto, tauschten Floskeln und Vermutungen zum Renntag in Visby auf, bevor ich gekränkt in den Stall fuhr. Niklas’ Fahrzeug stand tatsächlich auf dem Parkplatz, also hatte ich Ruhe vor Lina.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // Vriska Isaac // 38.552 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende April 2021}
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  • Album:
    stall.
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    Datum:
    6 Dez. 2021
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  • Schlendrine ist 6 Jahre alt.

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Lindö [SWE]
    Unterbringung: Stutenpaddock


    –––––––––––––– s t a m t a v l a

    Aus: Götterdämmerung LDS (DE) [Standardbred]
    MMM: Unbekannt ––––– MM: Middle Ages (FR) [Traber] ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Attila [Gidran] ––––– MVV: Unbekannt


    Von:Waschprogramm [Barock-Reitpferd]
    VMM: Mitres (DE) ––––– VM: Millwall (DE) [Standardbred] ––––– VMV: Graf Zepplin (US)
    VVM: Donna af Stenvard KNN 1592 ––––– VV: Titan [Knabstrupper] ––––– VVV: Talisman aus der schützenden Hand



    –––––––––––––– h ä s t u p p g i f t e r

    Zuchtname: Schleudergang LDS
    Rufname: Schlendrine, Ente
    Farbe: Brauner Appaloosa
    [Ee A+a nLp]
    Geschlecht: Stute
    Geburtsdatum: August 2015
    Rasse: Barock-Reitpferd [BRP]
    [75 % Standardbred, 25 % Knabstrupper]
    Stockmaß: 161 cm

    Charakter:
    unaufmerksam, nur bedingt trittsicher, genügsam, gutmütig, vertrauensvoll

    * weiß nicht, wohin mit den langen Beinen


    –––––––––––––– t ä v l i n g s r e s u l t a t

    [​IMG] [​IMG] [​IMG]

    Dressur M [M] – Springen A [M] – Military E [L] – Fahren L [L] – Rennen E [M] – Western A [A] – Distanz E [A] – Gangreiten E [L]

    Dezember 2021 Training, Dressur E zu A
    Februar 2022 Training, Dressur A zu L
    Mai 2022 Training, Dressur L zu M
    August 2022 Dressurfahren, Fahren E zu A
    Oktober 2022 Training, Springen E zu A
    November 2022 Man wächst an seinen Aufgaben, Springen A zu L
    Februar 2023 Elitäre Fortbildung, Fahren A zu L
    März 2023 Einführungen WE Trail, Western E zu A

    Ebene: National
    Einsatz: Akademische Dressur, Working Equestrian [Dressur, Speedtrail]
    Distanz: -

    Mai 2022
    1. Platz, 387. Synchronspringen
    3. Platz, 388. Synchronspringen

    Januar 2024
    1. Platz, 694. Westernturnier


    –––––––––––––– a v e l

    [​IMG]

    Gekört durch x im x 20x.

    Zugelassen für: Barock-Reitpferd
    Bedingung: mind. 50 % Barock
    DMRT3: CA [Viergänger]
    Lebensrekord: -
    Leihgebür: Nicht gekört / Preis [Verleih auf Anfrage]

    Fohlenschau: 0,00
    Materialprüfung: 0,00

    Körung
    Exterieur: 0,00
    Gesamt: 0,00

    "x"

    Gangpferd: 0,00


    –––––––––––––– a v k o m m e r

    Schleudergang LDS hat 0 Nachkommen.
    • 20xx Name (von: Name)


    –––––––––––––– h ä l s a

    Gesamteindruck: gesund, im Training
    Krankheiten: keine
    Roentgen: - [kann erst zur Körung festgestellt werden]

    "x"

    Beschlag: Barhufer


    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Eigentümer: Tyrell Earle [100%]
    Pfleger: -
    Trainer: Tyrell E.
    Reiter: Reitschulpferd
    Züchter: Lindö Dalen Stuteri, Lindö [SWE], Tyrell Earle
    [geb. in Deutschland]
    VKR / Ersteller: Mohikanerin

    Punkte: 17

    Abstammung [4] – Trainingsberichte [8] – Schleifen [3] – RS-Schleifen [0] – TA [0] – HS [0] – Zubehör [0]

    Spind – Hintergrund

    Schleudergang LDS existiert seit dem 9. Dezember 2021.