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Mohikanerin

Mondlandung LDS [7/20] *11.24

v. Wunderkind, a.d. Fly me to the Moon

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Mondlandung LDS [7/20] *11.24
Mohikanerin, 6 Apr. 2023
Stelli, Veija und Wolfszeit gefällt das.
    • Wolfszeit
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      kapitel fyrtiotre | 13. Juni 2023

      Jokarie / St. Pauli’s Amnesia / Ready for Life / Mockup / HMJ Divine / Mondlandung LDS / Binomialsats / Small Lady / Glanni frá glæsileika eyjarinnar / Erlkönig / Ermgravin / Aares / Maxou / Form Follows Function LDS / Satz des Pythagoras / Tjelvar

      17:45 Uhr
      Giraffen Kreisel, Kalmar
      Vriska
      “Liiiinaaaa”, jammerte ich wie ein Schlosshund und hielt den Vorhang fest. Nach dem vierten Kleid war mein Durchhaltevermögen am Ende. Obwohl ich das Stückstoff bereits an einer Schaufensterpuppe bewundert hatte, konnte ich es an mir nicht genau einordnen. Immerhin Schuhe hatte bereits gefunden, zwei Paar, um ehrlich zu sein, und weitere Kleidungsstücke wie Pullover und eine Weste. So oft fuhren wir nicht in die Innenstadt.
      “Wo liegt nun das Problem?”, tauchte sie sogleich auf.
      “Das sieht auch bescheuert aus. Wir werden nie was finden und warum will er unbedingt, dass ich im Kleid komme?”, zerrte ich weiter, ohne mich zu präsentieren. Nur mein Kopf schaute heraus.
      “Ich weiß es doch nicht”, entgegnet sie, “aber ich bin mir sicher, dass wir irgendwo in diesem Laden etwas für dich finden.”
      “Aber er holt uns in zwei Stunden am Hof ab. Das schaffen wir nie”, seufzte ich unentschlossen. Vorsichtig huschten die Augen zu den Haken, an dem bereits die Pullover hingen.
      “Wenn du so weitermachst, ja. Was genau gefällt dir denn an den ganzen Kleidern nicht”, bemühte sich problemorientiert an die Situation ranzugehen.
      “Ich sehe so fett aus”, stellte ich bei einem weiteren Blick in den Spiegel fest. Noch immer mied ich, vor ihre Augen zu treten. Sie seufzte und schüttelte kaum merklich den Kopf: “Das kann ich mir kaum vorstellen. Lass mal sehen.”
      In einem Ruck öffnete sie den blauen Vorhang. Wie ein vom Licht geblendetes Damwild starrte ich sie an, um mich im nächsten Atemzug zu schütteln und hektisch am Kleid zu zupfen. Unwohl fühlte ich mich nicht, nur selten zog ich derartig kurze Kleidung an. Der Blick auf meine vernarbte Beine war damit unumgänglich.
      “Sieht doch süß aus”, beurteilte sie nach einer kurzen Betrachtung meiner Erscheinung.
      „Klingt dennoch wenig überzeugt“, stellte ich nüchtern fest. Alles wollte ich sein, nur nicht süß, sonst würde man mich zum wiederholten Mal als minderjährig einordnen.
      “Ist aber auch schwierig mit dir”, seufzte sie, “Wenn es das nicht ist, was möchtest du denn?”
      “Seine Freunde sollen neidisch sein”, murmelte ich und zupfte erneut am Ende des Kleids. Zunehmend gewöhnte ich mich an den Anblick im Spiegel.
      “Nicht mein Spezialgebiet, aber sollten wir schaffen”, überlegte sie, “aber das ist schon ein guter Anfang, was du da anhast. Das muss nur gescheit kombiniert werden.”
      “Schuhe habe ich schon”, zeigte ich ihr, die Buffalo Boots an meinen Füßen, “vielleicht nehme ich es einfach, wer weiß, wie lange wir für dich suchen.”
      “Na, wenigstens eine Sache, bei der du sicher bist”, grinste sie, “Wie du meinst, noch hätten wir ein wenig Zeit zu suchen.” So wie sie sprach, klang sie deutlich zuversichtlich, dass sie schneller etwas finden würde.
      “Bei einer Sache? Das nimmst du zurück!”, lachte ich und schloss den Vorhang, um mich wieder in die Straßenkleidung zu schmeißen. Immerhin konnte ich das Kleid selbstständig ausziehen. Mit all den Sachen über dem Arm, die ich kaufen wollte, folgte ich Lina. Relativ zielstrebig bewegte sie sich zwischen den Kleiderständern hindurch und hatte relativ schnell eine kleine Auswahl an Kleidung zusammengesammelt. So ging es zurück zu den Umkleiden, wo ich ein wenig ungeduldig auf sie wartete.
      “Und was meist du?”, zog sie den Vorhang auf und trat ein Stück heraus, um sich sogleich erneut im Spiegel zu betrachten. Ihre Figur wurde von einem schlichten schwarzen Kleid umschmeichelt, dessen hauchdünne Träger auf dem Rücken zu einem X zusammenliefen. An den Füßen trug sie geschnürte Stiefeletten, die sie um einige Zentimeter größer schummelten.
      „Damit schindest du auf jeden Fall Eindruck“, stellte ich sogleich fest.
      “Will ich das denn?”, überlegte sie und drehte sich dabei weiter vor der reflektierenden Oberfläche hin und her.
      “Das kannst du dir nur selbst beantworten, aber du würdest einiges an Geld für Getränke sparen”, schmunzelte ich. Für einen Moment wich mein Blick zur Seite, als das Handy in meiner Hosentasche vibrierte. Vorsichtig legte ich Kleidungsstücke zur Seite. Auf dem Bildschirm leuchteten mich viele Benachrichtigungen an. Als eine der ersten war eine von Markus: „Super, schon was gefunden? Die Jungs freuen sich bereits.“
      Ein verschmitztes Lächeln huschte über meine Lippen. Ich hatte ihm tatsächlich geschrieben, schon, als ich Lina am Morgen erzählte, dass ich verspürte, ihn erneut zu treffen. Er hatte ein Gefühl tief in mir erregt, dass ich schwer einordnen konnte. Ich fühlte mich schuldig und schwer, aber zu gleichen Teilen geerdet, angekommen. Diese Erfahrung eröffnete mir emotional ganz neue Welten und ich wollte mich mehr testen. Dabei meinte ich nicht einmal die physische Überbelastung, die mich zeitweise an meine Grenzen brachte, sondern die Losgelassenheit und Freiheit. Mit einer Euphorie ließ ich ihm eine Nachricht zu kommen, auf die er tatsächlich reagierte. Später würde er Lina und mich abholen, denn Markus war ursprünglich mit Kollegen verabredet, einen Absacker zu trinken. Zudem schlug er vor, dass ich eine Freundin mitbrachte.
      „Potenzielle Kleidungsstücke trage ich bei mir“, antwortete ich und verließ den Chat wieder. Basti hatte mir ebenfalls geschrieben, bemerkte ich erst jetzt, seit meinem kurzen Video im Sulky und seiner Antwort lagen Stunden, zwischen meiner nun auch.
      „Er macht sich ziemlich schief“, beantwortete ich seine Frage, wie es gewesen sei.
      „Was hattest du für ein Gebiss?“, antwortete er umgehend, als hätte er nur darauf gewartet, dass ich mich endlich melden würde.
      „Baucher“, tippte ich kurz und steckte das Gerät, ungeachtet der Vibration, weg. Wie zuvor erwähnt, Schuldgefühle zerfraßen mich, aber ich musste der Realität ins Auge blicken und anerkennen, dass wir nur Freunde waren. So stellte sich Markus als eine hervorragende Ablenkung heraus.
      „Na gut, ich denke, du hast mich überzeugt“, grinste Lina und verschwand hinter dem Vorhang, um wieder in die Alltagskleidung zu wechseln.
      „Wunderbar, dann wäre das auch abgehakt. Brauchst du sonst noch etwas?“, fragte ich nach.
      “Nein, ich denke nicht”, kam die Antwort hinter dem Vorhang hervor und wenig später auch die kleine Brünette.
      Ich, deutlich mehr bepackt mit Kleidungsstücken, folgte ihr zum Kassenbereich, als ich plötzlich etwas Interessantes im Vorbeigehen sah. Wie eine Motte vom Licht zog es mich an den Ständer und betrachtete den schwarzen Mantel. Am Kragen hing ein Schal, den man offenbar abnehmen konnte. Die Schulterpartie war lässig und auf Überlänge geschnitten, mit großen seitlichen Taschen. Eine Fütterung gab es nicht, was das Tragen in der aktuellen Übergangszeit äußerst geeignet war. Bei dem Preis schluckte ich.
      “Was siehst du dir da an?”, kam Lina neugierig zurück, da sie offenbar nicht direkt bemerkt hatte, dass ich zurückfiel.
      “Ein sehr langer Wollmantel, schau”, zeigte ich mit dem Finger auf den Gegenstand.
      “Hübsch, dich könnte ich mir gut darin vorstellen”, beurteile sie das Objekt.
      “Jeder wird nur Mantel sehen”, lachte ich und zog die XS über. Tatsächlich wirkte kleiner, als ich dachte. Ohne darüber nachzudenken, nahm ich diesen mit.
      “Gut, bald bin ich arm”, stellte ich fest an der Kasse stehend. Vorsichtig begutachtete ich Preisschilder und überschlug den Preis im Kopf – knappe 5600 Kronen. Lina war als Erstes an der Reihe, hatte sich nicht nur deutlich weniger ausgesucht, sondern auch bezahlt. Ich schaute vorsichtshalber weg. Das hintergründige piepen des Scanners, der über die Barcodes huschte, ließ mich nur erahnen, wann die Kassiererin fertig war. Ich hielt die Karte an das Gerät und war nun weniger flüssig unterwegs.
      „Das tat weh“, murmelte ich Lina zu und zog die Papiertüte vom Tresen hinunter.
      “Was ist denn los, solche Preise haben dich doch sonst nicht gestört?”, fragte sie leicht verwundert.
      “Papa zahlt nicht mehr. Habe ich dir das nicht erzählt?”
      “Nein”, entgegnete sie, “wie kommt es dazu, bist du in Ungnade gefallen?”
      “Keine Ahnung. Mit dem Typen habe zuletzt gesprochen, als Harlen zu uns flüchtete”, zuckte ich mit den Schultern. Wir liefen aus dem Bekleidungsgeschäft hinaus. Die Menschenmassen waren weniger geworden und die Atmosphäre wurde angenehmer.
      “Verstehe ich, Väter erscheinen mir nicht so als müsse man mit denen reden”, sprach sie geradeheraus, ein wenig Missmut mitschwingend.
      „Dem kann ich nur zustimmen“, seufzte ich. Ein Gefühl von Leere schwang in dem Moment mit, das ich in der Form nie bewusst wahrnahm. Vielleicht war es der Umstand, dass mein Bruder immer sein Lieblingskind darstellte oder ich selbst für meine Brötchen zahlen musste. Zumindest fiel ich in eine Grube, die jedoch überwunden werden konnte.
      “Alles okay?” fragte Lina sanft. Der Stimmungsumschwung entging ihr offenbar nicht.
      „Natürlich. Mir wurde nur klar, dass die Vaterfigur fehlte bis heute“, schmunzelte ich und schob die Tür zum Parkplatz auf.
      “Offenbar kommt man auch einigermaßen ohne durchs Leben”, war es nun an ihr zu seufzen.
      Ich begann zu lachen.
      „Ohja, sieht man ziemlich gut bei mir mit den stabilen und innigen Beziehungen“, sagte ich und schnappte immer wieder nach Luft.
      “Du bist aber auch der Inbegriff von Selbstironie”, schmunzelte sie und schüttelte den Kopf, “aber dein Beziehungsproblem bekommen wir schon noch auf die Reihe.”
      „Offenbar dreht sich dein Leben nur darum, dass ich langfristige Beziehung finde. Bin wirklich gespannt, wie sehr du mich mit Markus verkuppeln willst“, gab ich unveränderter Stimmung zurück. Den Kofferraum des kleinen Polo öffnete ich und lud die Papiertüten ein.
      “Ich bin ganz unschuldig,” beteuerte sie, hatte allerdings ein vieldeutig interpretierbares Grinsen auf den Lippen, als sie auch ihre Tüte hinzugab.
      „So unschuldig wie ich, versteh‘ schon.“ Mit ernsten Blick schielte ich über die Brille. Dann schloss ich den Kofferraum. Gleichzeitig setzten wir uns in das Fahrzeug.
      “Natürlich”, grinste sie, “außerdem … wenn ich sowas rein hypothetisch vorhätte, wüsste ich schon gerne mehr über den Kerl, außer dass er gut im Bett zu sein scheint.”
      „Nun, du weißt, wie er aussieht und dass er Anwalt ist. Reicht das nicht aus?“, argumentierte ich, denn zugeben. So viel mehr wusste ich auch nicht, obwohl die Gespräche mit ihm mit als sympathisch im Kopf blieben, erinnerte ich mich nur an Bruchstücke. Markus war intelligent und gebildet, hochgestochen in seiner Sprache und sich dessen vollends bewusst. Das machte ihn zu einem guten Redner, auch wenn die Inhalte dabei an Bedeutung verloren.
      „Mhm, das ist zumindest ein guter Anfang“, überlegte sie.
      Wir fuhren durch den Stadtteil am Hafen hinaus, folgten der Hauptstraße, um den deutlich mehr befahrenen Asphalt des Weges nach Hauses unterm den Reifen zu haben. Im Radio dudelte Standartmusik, die Lina zwischendurch lauter drehte und mich in den Wahnsinn trieb. So sehr ich die Arbeit und Leidenschaft der Musiker auch zu schätzen wusste, konnte ich die gleich klingenden Lieder nicht ertragen. Selbst die Inhalte der Text fühlten sich bedeutungslos an, als gäbe es ein internes Bingospiel – je mehr Worte von einer Liste verwendet wurden, umso höher war die Ausschüttung des Gewinns.
      „Lina, ich ertrage das nicht mehr“, säuselte ich und krallte mich in das Lenkrad, „gefällt dir vielleicht etwas anderes genauso?“
      “Ja, ich mag vieles, aber wir müssen auch nicht hören, was mir gefällt”, entgegnete sie kooperativ.
      „Perfekt“, ich lenkte das Auto zur Seite, um die neueste Podcastfolge zu starten. Kaum dudelte das Intro ein, wurde das Thema der Folge vorgestellt: Bandenkriminalität in den Großstädten in Zusammenhang der Flüchtlingsströme Europas. Der Inhalt war eine politische Diskussion und eine Betrachtung anhand von erhobenen Daten. Lina runzelte ein wenig irritiert die Stirn, doch sagte nichts. Auf der Weiterfahrt schien sie nur mit halbem Ohr zuzuhören, blickte stattdessen in die Landschaft, die am Fenster vorbeizog.
      Wie lange ich schließlich im Badezimmer stand, um ausgehfähig auszusehen, konnte ich nicht einordnen. Allerdings klopfte Lars an der Holztür, nicht hektisch, aber bestimmt.
      „Kommst du klar?“, in seiner Stimme schwang ein Hauch von Sorge mit.
      „Ja, alles wie immer“, summte ich und versuchte weiterhin, die passende Frisur zu finden.
      Schließlich fertig, lief ich in den Flur. Mein Kollege stand dort, wollte vermutlich ins Badezimmer.
      „Wo willst du denn hin?“, wunderte er sich, den ausschweifenden Blick von oben bis unten.
      „Lina und ich gehen mit ein paar Leuten etwas trinken“, erzählte ich.
      „Mh?“
      „Mit Markus und seinen Freunden.“
      „So so“, Lars schaute mich skeptisch an und nuschelte schließlich etwas: „war klar“, aber genau verstand ich es nicht. Allerdings wirkte das spitze Grinsen im Gesicht weniger verärgert als vermutet.
      Vor der Hütte stand bereits Lina, eine dicke Jacke über den dünnen Stoff gezogen und die Arme verschränkt. Von einem Bein tänzelte sie auf das andere. Ich hingegen stolzierte, mit beiden Händen tief in den Taschen des neuen Wollmantels, ihr entgegen. Obwohl die schwarzen Boots nur einen kleinen Absatz hatten, fühlte ich mich so viel größer. Meine Haare hatte ich teils in einem Zopf und die anderen locker auf dem Rücken. Nach einer gefühlten Ewigkeit trug ich keine Brille, sondern entschied mich für Kontaktlinsen.
      “Wow, gut siehst du aus”, lächelte meine Kollegin erfreut, als sie einen Blick über meine Erscheinung schweifen ließ.
      “Das sagst ausgerechnet du”, würdigte ich sie. Hintergründig hörte man Reifen über den Kies rollen.
      “Danke”, entgegnete sie charmant. Ein herabwürdigender Kommentar ihrer selbst schien ihr bereits auf der Zunge zu liegen, doch anders als häufig sprach sie diesen nicht aus.
      Langsam lernte sie daraus.
      Wie bereits angekündigt nährten sich abgedunkelte Scheinwerfer und schließlich hielt der dunkle Wagen vor uns an. Vom Fahrersitz stieg Markus heraus in einem dunklen Anzug, der Kragen leicht geöffnet. Meine Augen schielten zu Lina, um ihr eine Reaktion zu entlocken, aber sie schwieg.
      „Fabelhaft siehst du aus“, schmeichelte er mir und drückte sich an mich, „und du auch“, richtete er sich zu Lina. Mit kurzen Worten berichtete er von seiner Person, bevor er uns ins Auto bat, ihr frösteln bemerkend.
      “Schön dich kennenzulernen, ich bin Lina”, stellte sie sich zurückhaltend vor, bevor wir seiner Aufforderung nach kamen und in den Wagen kletterten. Zusammen saßen wir auf der Rückbank, still, als würde die Fahrt im Gefängnis enden und ähnlich fühlte sie sich vermutlich. Menschen waren wenig ihr Lieblingsumfeld, aber sie musste sich auch unangenehmen Situationen stellen.
      “Und du bist die Kanadierin?”, begann Markus ein freundliches Gespräch.
      „Kann man so sagen, ja“, bestätigte sie die Aussage in Teilen. Gesprächsbereitschaft wirkte Lina nicht, was ich mir bereits denken konnte. Aber auch er schien es zu spüren und stellte keine weiteren Nachfragen, richtete sich stattdessen an mich.
      „Wie war dein Tag?“
      Ich überlegte kurz. Dabei entging mir nicht, dass meine Kollegin auf ihr Handy schielte, als würde sie sehnsüchtig auf eine Nachricht warten. An dem starren und eher kühlen Gesichtsausdruck meine ich zu erkennen, dass diese auf sich warten ließ.
      „Erfolgreich, denke ich“, sprach ich schließlich, „mein Rennpferd macht Fortschritte.“
      „Dein Rennpferd?“, hakte er nach, natürlich. Über mich hatten wir bis dato kaum gesprochen.
      „Genau, ich habe vor einiger Zeit mir selbst eins zugelegt. Er wurde als ‘unfähig’ bezeichnet, nur bisher spüre ich nichts davon“, erklärte ich ruhigen Gewissens, ihn nicht mit Thema zu belasten.
      „Also ein Außenseiter?“, zumindest ein paar Fakten kannte er, was mich zunehmend beruhigte.
      „Genau.“
      „So, wir sind da“, sagte Markus, als der Wagen vor einem hell erleuchteten, gläsernen Gebäude hielt. Nach einer Bar sah es nicht aus, ganz im Gegenteil. Ein roter Teppich mit goldenem Zaun thronte davor, Menschen in hochwertiger Kleidung liefen hinein und wurden von zwei schwarz gekleideten kontrolliert.
      „Das hatten wir nicht besprochen“, murmelte ich und verschränkte die Arme, nicht willen, auf ein Getümmel zu treffen. Auch Lina betrachtete den großen Anlauf skeptisch. Markus lehnte sich nach hinten, einen Arm um die Kopflehne des Beifahrersitzes.
      „Schau es dir wenigstens an, wenn du nicht willst, fahre ich euch nach Hause. Versprochen“, versuchte er, einen Kompromiss zu finden.
      “Ein wenig neugierig bin ich ja schon”, tuschelte Lina mir zu als, wolle sie mich vom Hineingehen überzeugen.
      “Sicher?”, fragte ich irritiert nach. Ihre Neugier kannte ich, aber was genau erhoffte sie sich dort? Für mich wirkte es nach reichen, jungen Leuten, die den Bezug zum Leben verloren hatten und das Geld der Eltern verpulverten – eine typische Feier, wie ich sie noch aus der Schulzeit kannte. Dementsprechend konnte ich mir zu gut vorstellen, worin das enden könnte.
      “Ja”, brachte sie hervor, allerdings wirkte sie dabei nicht hundertprozentig von sich selbst überzeugt.
      “Du hast deine Freundin gehört. Sie möchte ein Abenteuer erleben”, grinste unser Fahrer. Kaum hatte er sich zurückgedreht, öffnete erst mir dann Lina die Tür. Kalte Luft zog am Stoff vorbei und unterschwelliges Kribbeln lag auf meiner Haut. Einmalig zuckte ich zusammen, aber folgte meiner Begleitung. Nebeneinander kamen wir zu den zwei Herren, die Markus kurz musterten, um dann den Weg freizugeben. Im Inneren standen viele Menschen, die Musik war leiser als erwartet und spielte nur sanfte Töne. Es wirkte wie eine Gala oder Eröffnung. Interessiert schweifte mein Blick durch den Raum. Auf der rechten Seite war eine Theke an der Leute standen, tranken und sich unterhielten. Zur Linken tanzten einige und auf der Galerie wurde getuschelt.
      “So elegant das alles”, nuschelte Lina leise, die sich ebenso neugierig umblickte, wie ich.
      Friedfertig drückte Markus mich an sich heran, als ein mir unbekannter Mann, deutlich älter als wir es waren, näher kam.
      „Wundervoll, das du doch noch entschieden hast zu kommen und zwei so herzerwärmenden Damen mit dabei“, schmutzig grinste er in seinen Worten.
      „Ich bin nicht deinetwegen da, Vater“, machte Markus ihm klar. Immerhin waren Lina und ich nicht die einzigen mit einem gestörten Verhältnis zum Vater. Zusammen liefen wir zur Terrasse, auf der ebenfalls eine kleine Bar stand.
      „Was wollt ihr trinken?“, fragte er, als wir einen freien Stehtisch gefunden hatten, etwas abseits des Getummels.
      „Äh, ich fange mit einem Rotwein an“, überlegte ich.
      “Für mich bitte auch”, schloss Lina sich meiner Wahl nach einer kurzen Bedenkzeit an.
      Markus kehrte uns den Rücken und sah ihm nach. Für einen Mann lag die Kleidung deutlich zu eng an, als dass es irgendjemand entgehen konnte. Einen Moment sah ich ihm nach und drehte mich rasch zurück.
      “Man muss dir zugestehen, du hast wirklich Geschmack bei der Männerwahl”, schmunzelte die Brünette. So verschmitzt wie dieses war, war ihr mein Blick definitiv nicht entgangen.
      “Sagen wir es so, in dem Umfeld bin ich groß geworden”, seufzte ich und drehte mich ein weiteres Mal um, nach meiner Begleitung zu schauen. Auch er blickte zu uns, an der Bar wartend.
      “Du klingst nicht gerade froh darüber”, stellte sie fest, “ist es denn so schlimm?” Es war wieder ihre Art, in der sie in allem etwas Gutes zu finden erhoffte, von der ich mir nicht sicher war, ob es mangelnde Erfahrung oder Naivität waren, die dies möglich machte.
      “Es sollte doch auffällig sein, wie oberflächlich all das ist. Obwohl man einander nicht kennt, tut jeder so, als wäre man seit Jahren bekannt”, versuchte ich wenigen Worten klarzumachen.
      „So genau habe ich das nie betrachtet“, überdachte sie meine Worte, ließ gleichzeitig den Blick etwas schweifen, als könne sie meine Worte auf diese Weise überprüfen. Leicht war es nicht, den Gesprächen anderer zu folgen, aber tiefsinnig wirkten diese nicht. Stattdessen zog ich für einen Moment mein Handy heraus. Eine weitere Nachricht von Basti, nach dem ich auf die letzte nicht geantwortet hatte. Wirklich überrascht oder aufgeregt fühlte ich mich nicht und tippte nur zögerlich auf den Chatverlauf.
      “Alles in Ordnung? Du bist heute ziemlich still”, stellte er fest.
      “Ja, alles fit, aber ich bin auf einer Veranstaltung, also beschäftigt”, antwortete ich wahrheitsgemäß. Sofort bebten die drei Punkte und eine Nachricht rollte an.
      “Okay. Mit einem Typen?”
      Mir entglitten die Gesichtszüge. Kurz dachte ich nach, aber konnte nicht einordnen, wie ich mich dabei fühlte. Lina reichte ich das Handy.
      „Da ist jemand ja ziemlich interessiert daran, was du tust“, fasste sie zusammen, „ein wenig zu interessiert für einen Freund, wenn du mich fragst.“
      “Das Gefühl werde ich ebenfalls nicht los”, stellte ich fest und tippte die ehrliche Antwort – Zumindest, dass Lina und ich auf dieser Feier waren nach der Einladung einer Bekanntschaft. Er las, aber antwortete nicht. Hinter uns kam Markus dazu, stellte unsere Gläser auf dem Tisch.
      “Und, seid ihr klargekommen?”, fragte dieser.
      Ich nickte.
      „Da wir noch da sind, macht es den Anschein, ja“, scherzte Lina.
      „Welch Glück ich doch habe“, schmunzelte er und stieß an auf einen schönen Abend. Eine ganze Weile standen wir allein am Tisch, unterhielten uns tatsächlich über Rennpferde, denn zumindest für das Wettgeschäft interessierte er sich. Deswegen war die Sache ziemlich klar, wieso er weitere Fragen über mein Pferd stellte und versuchte mir zu entlocken, wann wir starten würden. Ein Datum gab es aktuell nicht, nur vom Finlandia Ajo konnte ich genaueres übermitteln. Nebenbei machte sich Markus Notizen, was mich mit leichter Verwunderung traf. Auf ungewisse Art und Weise kamen mir Zweifel, ob das Gespräch in die richtige Richtung ging. Glücklicherweise kamen Leute dazu, die ich erst auf den zweiten Blick erkannt. Kurz schnappte ich nach Luft und griff nach Linas Arm.
      „Das ist Eriks bester Freund“, flüsterte ich ihr zu, als Antoine mit Majvi ankam, die ich ebenfalls bei der Festlichkeit kennenlernte.
      „Oha, größer hätte der Zufall wohl kaum noch sein können“, wisperte sie zurück, mit großen Augen.
      “Hoffentlich ist er nicht da, sonst weiß ich wirklich nicht, was ich tun soll”, stammelte ich in die Stille.
      “Ach, die Pferdelady”, scherzte Antoine und begrüßte mich wohl damit. Ich setzte ein unzufriedenes Lächeln auf. Seine Begleitung hob nur die Hand. Ein leises Hallo kam heraus, doch viel mehr, sagte sie nicht.
      “Ihr kennt euch? Spannend”, merkte Markus dazu an, meine Reaktion prüfend.
      “Ja, sie hatte was mit Erik, als er sich ausprobieren wollte”, lachte er. Schmerzerfüllt drückte ich Augen zusammen und minimal den Kopf schüttelte. Plötzlich erschien das Angebot, wieder nach Hause zu fahren, sehr erlösend. Lina drückte sanft meinen Arm, als wollte sie damit signalisieren: Alles gut, ich unterstütze dich.
      „Aber wir kennen uns noch nicht, ich bin Lina", brachte sie sich sogleich ein, um das Thema galant abzulenken.
      “Freut mich, Antoine”, reichte er seine Hand, “kommt ihr mit? Wir wollen etwas spielen.”
      “Spielen? Woran dachtet ihr?”, erkundigte sich Markus direkt, aber die Lust brannte förmlich in seinen dunklen Augen. Mir hingegen war gar nicht gut dabei, denn so gut wie ich solche Veranstaltungen in Erinnerung hatte, wusste ich vom übermäßigen Alkoholkonsum.
      „Bier Pong“, sagte Majvi mit ihrer leisen aber piepsigen Stimme.
      „Also ich wäre dabei“, stimmte der Herr neben mir zu und sah uns beide eindringlich an. Ich schüttelte in Zeitlupe den Kopf, doch Lina stimmte bereits voller Elan zu. Gemeinsam liefen den Weg in den Garten entlang, der in der Dunkelheit bis zum Horizont reichte. Kleine Lampen erhellten das Anwesen und aus reichlicher Entfernung sah das verglaste Haus noch imposanter aus. An der aufgebauten Tischtennisplatte standen schon einige Menschen, die sich uns vorstellten, aber die Namen waren mir noch im selben Atemzug erloschen.
      „Ich glaube so nah bin ich dem Spiel nach nie gekommen“, raunte sie mir aufgeregt zu, was mich wirklich erstaunte. Da hatte sie offensichtlich ein Kapitel in ihrer Jugendphase ausgelassen.
      „Dann kann ich Abstand nehmen“, bemerkte ich pflichtbewusst und übergab Markus den Platz. Es spielten zwei gegen zwei, während alle anderen mitfieberten. Die ersten sechseckigen Becher waren binnen Minuten geleert, schließlich wurde zusammengeschoben. Wieder einmal wich die Aufmerksamkeit zum mobilen Gerät. Basti hatte nicht geantwortet, also schrieb ich ihm: „Habe ich etwas falsches gesagt?“
      Anhand der Uhrzeit stellte ich fest, dass er wohl erst am Morgen antworten würde. Fix steckte ich es zurück in den Mantel. Wirklich wohl fühlte ich mich in der Runde nicht, aber Lina hatte ihren Spaß, mit Markus, der ihr zwischendurch ziemlich nah kam. Parallel mit der Anzahl der Becher sank zudem ihre Reserviertheit, was sie dazu treib noch mehr Elan in das Spiel zu bringen.
      „Yes, Volltreffer“, rief sie erfreut an, als sie erstaunlich zielsicher den Ball in einem der gegnerischen Becher versenkte, der daraufhin geleert wurde. Damit waren nur noch jeweils zwei Becher pro Seite übrig.
      „Sicher, dass du nicht auch mal möchtest, Vriska?“, nahm die Kleine sich das zum Anlass, mich doch noch in das Spiel zu integrieren.
      „Nein, alles gut. Offenbar scheine ich später zu fahren“, bemerkte ich nebenbei und schloss den Mantel. Kalte Luft zog an mir vorbei, ebenso legte sie sich über den gesamten Körper. Die Ignoranz schmerzte zutiefst. Ich wollte Basti nicht verärgern und erst recht nicht in Bedrängnis bringen, deshalb schaute ich immer wieder auf den Bildschirm, der unverändert blieb. Enttäuscht seufzte ich.
      „Was guckst du wie ein trauriger Karpfen? ", fragte Lina, die nur kurz den Blick auf mich lenkte, bevor sie Markus verfolgte, wie er drauf und dran war, das Spiel mit einem präzisen Wurf zu beenden.
      „Unwichtig“, versuchte ich meine Stimmung zu überspielen, schließlich war ich hier, um ihn weitestgehend zu verwerfen. Es gab keine Zukunft, oder doch? Erneut bewies er, dass Freunde eine seltsame Bezeichnung für uns beide war. So konnte ich förmlich spüren, wie seine Lippen auf meinem Hals lagen oder meine Finger seinen Arm strichen. Wie würde Basti nur reagieren, wenn er von der Nacht erfuhr?
      Die Freude der beiden am Tisch spürte ich in den Beinen. Laut ließen sie den Erfolg erklingen, hüpften dabei ein wenig.
      „Ich schätze, ich möchte nach Hause“, beschloss ich in Schmerz gehüllt.
      „Okay, wenn du nicht mir hier bleiben möchtest, gehen wir“, nickte Lina entgegenkommend.
      „Das wäre aber traurig“, zog Markus einen Schmollmund. Obwohl er versuchte, mir gegenüber ziemlich unauffällig zu sein, bemerkte ich, dass seine Hand von Linas Rücken langsam hinunterwanderte. So unbedarft wie sie manchmal wurde, schien es sich heute noch in Grenzen zu halten. Zeitgleich, wie sie einen Schritt zu Seite trat, gab das Telefon in ihrer Jackentasche zeitgleich ein leises, kaum merkliches Summen von sich. Kurz darauf erleuchtete der Bildschirm ihr Gesicht, wobei sich ihr Ausdruck veränderte, zu etwas hin was wirkte, als sei die Nachricht bereits sehnsüchtig erwartet worden. Damit konnte ich mir vorstellen, wer sich soeben meldete.
      „Ich denke, Vriska hat nicht unrecht, wir sollten so langsam nach Hause. Es ist schon spät“, widersprach sie Markus.
      „Es ist halb elf und Sonntag. Seid ihr euch sicher?“, gab dieser misstrauisch entgegen, nach einem flüchtigen Blick zur Uhr.
      „Der Abend fängt doch jetzt an“, kam Majvi näher, die offenbar vom Gespräch Wind bekam. Auch sie hatte die Arme vor dem Mantel verschränkt.
      “Unser Leben ist nun mal ein Ponyhof, das ist”, stockte sie mitten im Satz, ihr Blick an allen vorbei in die Menschenmenge im Hintergrund, “zeitintensiv.” Das letzte Wort stolperte über ihren Lippen, als wäre ihr Hirn wieder abgestürzt. Neugierig folgte ich ihrem Blick, konnte allerdings nicht ausmachen, was ihr derartige Aussetzer bescherte.
      „Also gut, dann werden wir wohl gehen“, beschloss ich ihren Gedanken zu beenden. Markus nickte beiläufig und fummelte aus der Tasche Schlüssel heraus.
      “Ähm, bevor wir das tun, müsste ich noch für kleine Mädchen”, wandte Lina ein, wirkte plötzlich nicht, als sei sie es sonderlich eilig nach Hause zugekommen.
      „Muss man das verstehen?“
      Markus war ebenso verwundert wie ich, aber verschwendete keinen weiteren Gedanken daran. Stattdessen packte er den Schlüssel zurück. Gemeinsam liefen wir hinein, denn der kalte Wind auf dem offenen Land wurde zunehmend unerträglicher.
      „Möchtest du noch etwas trinken? Du schaust aus, also könntest du es brauchen“, schmunzelte er. Kaum hatte ich zugestimmt, verschwand er zur Bar. Ich sah mich verloren im Raum um, noch immer standen und saßen überall unbekannte Gesichter, unterhielten sich rege über diverse Themen. Doch als ich genauer eine Person musterte, riss ich die Augen auf. Bevor mein Hirn die Information verarbeitet hatte, kam Lina zurück, dicht gefolgt von Markus.
      “Doch noch nicht Heim?”, fragte sie mich, als sie feststelle, weswegen sich Markus entfernt hatte. Gleichzeitig ließ sie unauffällig ihren Blick schweifen.
      “Du schienst es nicht eilig zu haben”, merkte ich provokant an.
      “Ich … bin doch ganz normal”, lächelte sie unschuldig und konnte ihre Augen dafür von unserer Umgebung lösen.
      “Oh ja, alles wie immer”, bestätigte ich, ohne mich von ihr zu lösen, stattdessen versuchte ich mehr Informationen aus ihr zu entlocken, denn diese plötzlichen Stimmungswechsel kamen bei ihr nur selten vor.
      “Ja”, nickte sie, während ihre Augen wieder abwanderten. Ein verräterisches Lächeln zuckte auf ihren Lippen, als diese zum Stillstand kamen.
      Markus übergab mir das Glas, entgegen meiner Erwartung war es kein Wein. Offenbar sollte es länger werden, denn der Vodka-E stieg mir bereits nach dem ersten Schluck in Kopf. Leichter Nebel legte sich vor meine Gedanken. Eine gewisse Losgelassenheit kehrte zurück und ich lehnte in die dunklen Polster der Couch.
      “Ist eigentlich nur mir so warm?”, fragte die Kleine beiläufig und befreite sich von ihrer Jacke. Ich verstand die Welt nicht mehr.
      „Warte, dir ist warm? Sollte ich besser einen Arzt rufen?“, wurde es zunehmend besorgniserregend. Unverständlich flüsterte mir Markus etwas ins Ohr. Wenn ich genauer darüber nachdachte, verabschiedete er sich kurz, um Freunde zu begrüßen, die dir den Eingang hinein stolzierten. Unbewusst zwickte ich mir ins Bein.
      „Nein, mir geht's prima“, versicherte sie mir und schielte zu mir hinüber.
      „Das besorgt mich noch mehr“, murmelte ich. Langsam folgte ich mit den Augen der Person, die ich an der Tür entdeckt hatte, versuchte mir zu überlegen, welche Reaktion angemessen wäre, sollten wir einander über den Weg laufen. Wie das Donnern der Artillerie am Horizont spürte ich mein Herz in der Brust.
      „Was besorgt dich daran?“, fragte sie irritiert, schien allerdings gleichzeitig mit dem Großteil ihrer Aufmerksamkeit bereits wieder woanders zu sein.
      „Du magst Menschenmengen nicht und dir ist immer kalt, außer“, kurz stoppte mir der Atem und ich versuchte ihn zu finden, nur war von Niklas nichts zu sehen. „Okay, nein, nicht in Sichtweite.“ Wie ein Hund, den man beim Zerlegen eines Möbelstücks ertappt hätte, schielte sie zu mir.
      „Ich, ähm …“, errötete sie leicht, „kann das erklären.“
      „Auf die Erklärung bin ich gespannt.”
      Kurz prüfte ich die Vibration in der Tasche. Auf dem Bildschirm leuchtete eine Nachricht von Lars auf. Mockup hätte im Stall ziemlich randaliert, weshalb er ihn auf die Weide gebracht hat. Ich tippte einen knappen Dank ein. Lina druckste etwas herum, schien allerdings zu spüren, dass sie um eine Antwort nicht herum kommen würde.
      “Sieh mal da geradeaus, der in dem dunklen Hemd da”, flüsterte sie und deute leicht rechts von uns in den Raum hinein. In Zeitlupe setzte ich das Glas an meine Lippen, nahm einen kurzen Schluck, der sich im Mund verteilte. Ihren Männergeschmack konnte man nichts absprechen, ganz im Gegenteil.
      „Gewagt“, sprach ich nach spannungsvoller Stille. Für einen Moment zu lang sah ich hinüber, sodass sein Gesprächspartner auf mich aufmerksam wurde und ihm am Arm anpackte, um auf uns zu zeigen. Sofort wich mein Blick zu Lina.
      “Oh Gott, was hast du getan”, quietschte sie leise, krallte sich an meinen Arm und wendete eilig ihren Blick ab.
      “Was denkst du, was passiert? Dass er uns nun umbringt, weil wir ihn auf einer Feier angeschaut haben”, scherzte ich, wohl wissend, wie sie sich fühlen musste. Allerdings war der Abend noch jung und ihr Alkoholgehalt im Blut auf einer guten Stufe.
      “Weiß ich doch nicht, das ist nicht lustig”, jammerte sie, schielte gleichzeitig wieder hinüber.
      “Wenn du so weiter machst, steht er gleich neben dir.”
      Natürlich kam es, wie es kommen musste. Markus kehrte zurück, mit einer weiteren Runde Getränke. Mein Glas war noch gar nicht leer, da hielt er mir das nächste entgegen. Lina wirkte der Lieferung sehr dankbar gegenüber und nahm einen kräftigen Schluck, als wüsste sie genau, was passieren würde. Immerhin bekam sie im regen Gespräch mit Markus über ein Buch, das ich zuvor noch nie gehört hatte, nicht mit, dass er plötzlich hinter ihr stand. Erst als ich zu ihm hoch grinste und Markus stoppte im Erzählflow, um ihn zu begrüßen, vernahm sie den ungebetenen Besuch. Langsam drehte sie sich um, blickte ihm für den Bruchteil einer Sekunde an. Jedoch wendete sie sich, die Farbe einer Himbeere annehmend, sogleich wieder ab, um einen weiteren großen Schluck aus ihrem Glas zu nehmen.
      “Sehe ich so schauderhaft aus?”, scherzte der Neuankömmling, was Lina noch mehr zum Erröten brachte. Derart in Verlegenheit erlebte man sie selten.
      “Nein, sie empfindet eher das Gegenteil”, übernahm ich die Antwort für sie, da es ihr offenbar die Sprache verschlagen hatte. Der Unbekannte schmunzelte und trat so um uns herum, dass er sich nun vollständig in unser aller Blickfeld befand.
      „Ich bin Tjelvar“, stellte er sich vor und hielt erst mir freundlich die Hand hin, denn sie Kleine neben mir schien noch nach den menschlichen Verhaltensweisen zu suchen.
      “Ach, wie ein Pferd bei uns am Hof”, lachte ich und stellte uns alle der Reihe nach vor.
      „Vriska, was soll das?", murmelte sie und versuchte, sich hinter ihren Haaren zu verstecken. Immerhin hatte sie ihre Sprache zurückerlangt.
      „Wie ein Pferd?“, lachte Tjelvar und schien das ganz eher gelassen aufzunehmen, „Das sagt man mir zum ersten Mal.“
      “Kaum zu glauben, dass wir dir ein erstes Mal bescheren können”, schmunzelte ich. Mittlerweile versank Lina emotional im Holzboden des Hauses, verschluckte einige Worte und versuchte bei Markus eine Reaktion zu fordern. Er hingegen genoss die Situation, schien zumindest so etwas gewohnt zu sein. Leicht beugte er sich zu mir und flüsterte, kaum hörbar in mein Ohr: “Oh ja, dem kann nur zustimmen.” Mir huschte schmeichelnd ein Grinsen über die Lippen, gab mir jedoch Mühe, die Bilder im Kopf zurück in die Kiste zu schieben, in der sie verstaut waren.
      „Ich muss mich für meine Freundin entschuldigen, die ist nicht immer so“, sprach Lina an Tjelvar gewandt.
      „Ist doch okay“, grinste er und blickte ihr dabei bewusst in die Augen. Sie hielt diesem stand, doch ich spürte die Nervosität und Anspannung in ihr.
      “Ihr seid also Pferdemenschen, arbeitet ihr dann in Kalmar auf dem Hof?”, fragte er höflich und versuchte damit ein Gespräch aufzubauen.
      “Nein, wird dort zwar des Öfteren mal, aber auf dem großen Trabergestüt”, antwortete sie langsam, schien die Worte im Kopf noch sortieren zu müssen, um einen sinnigen Satz zu erzeugen, “In Revsudden.”
      “Lindö”, korrigierte ich, “aber ja, Kalmar ist groß und hat mehr als einen Hof.”
      “Ja? Ich blicke da immer nicht ganz durch bei dem, was Silja immer erzählt”, gestand er seine Unwissenheit ein.
      “Mir geht es da meistens genauso. Ich bin immer froh, dass ich mitgenommen werde, sonst würde ich wohl niemals zum richtigen Hof finden”, stimmte Lina ihm zu.
      “Reitest du denn auch oder”, bevor ich den restlichen Teil zu Ende sprechen durfte, drückte Markus seine Finger, um meinen Oberschenkel und begann langsam nach oben zu wandern. Deutlich schluckte ich.
      “Nein, dieses Hobby liegt anderen Familienmitgliedern näher”, entgegnete er, ”Ich bevorzuge es aktiver.”
      “Du gehörst doch nicht etwa zu denjenigen, die behaupten, dass wir nur auf dem Pferd sitzen und nicht tun?”, hakte Lina sogleich nach, “Wenn doch.”
      “Nein, nein, ich sehe schon, dass dem so ist”, fiel er ihr ins Wort und ließ seinen Blick langsam über ihren Körper wandern. Ein Ausdruck des Schmeichelns trat auf ihr Gesicht, zusammen mit einem zarten Rosa. Lina nahm einen Schluck aus ihrem Glas, bevor sie ihn fragte: “Was sind denn deine ‘aktivieren’ Hobbys?”
      “Ich trainiere viel, gehe joggen, das bring einen guten Ausgleich zu meinem Arbeitsalltag.” Ein spitzbübisches schmunzelt, trat auf seine Lippen, was verriet, dass es definitiv noch mehr in der Reihe gab. Zunehmend wurde es spannender, dem Gespräch zu folgen. Samu wäre sicher stolz, dass sie sich mit Fremden in ein solches verwickelt. Alle weiteren Umstände würde ich ausklammern, aber sah ich als bereichernd an.
      “Arbeitsalltag”, wiederholte ich seine Worte leise, dass kaum einer hätte verstehen können, “worin arbeitest du denn?”
      Als würde Tjelvar eine Gefahr für Markus bedeuten, wurde dieser deutlicher mit seiner Handbewegung. Unter dem Kleid kämpfte er zur Unterwäsche voran, um für andere uneinsehbar den Stoff herunterzuziehen und sich den Weg freizumachen. Das ohnehin präsente Kribbeln bildete erste Detonationen im Körper aus. Nur durch konzentrierte Atmung war es mir möglich, unbemerkt der Umstände zu bleiben.
      “Ich mache Marketingmanagement in der Musikbranche. Ziemlich viel Bürokram und so”, beantwortete Tjelvar meine Frage und führte diese ein wenig aus. Lina hing förmlich an seinen Lippen und schien mit jeder verstreichenden Minute entspannter zu werden. Nur für mich setzte sich eine emotionale Achterbahn fort. Zunehmend wurde es schwieriger mir nichts anmerken zu lassen, wie gezielt Markus mit seiner Hand umgehen konnte. Atemzüge wurde schwerer, die Kehle trocken und das Zucken intensiver denn je.
      „Können wir uns eine ruhige Ecke suchen?“, säuselte ich ihm leise ins Ohr, doch er grinste nur frech.
      „Könnten wir, aber ich finde das Gespräch sehr interessant“, sprach er ruhig. Die freie Hand legte Markus an meinen Hals, um den Kopf zu sich zu drehen und mich zu küssen. In sinnesbetäubenden Ekstasen bewegten sich unsere Lippen aufeinander, bis ich Druck nicht mehr standhalten konnte und intensives Zucken durch meinen Körper zog. Seine Abenteuerlust übertrug sich auf mich und ich übergab ihm die vollständige Kontrolle. Für einen Augenblick blieb die Welt für mich stehen. Erst als er sich vollständig von mir löste, und ich die Beine sofort überschlug, wurde ich mir bewusst, dass einige Blicke auf uns gerichtet waren. Allerdings behielt mir den Gedanken vor, dass es nur dem Kuss geschuldet war. Vollkommen entspannt legte ich meinen Kopf auf seiner breiten Schulter ab und verspürte das Bedürfnis, gleich einzuschlafen.
      „Da braucht man wohl nicht fragen, ob der Spaß vorhanden ist“, vernahm ich Lina, die gedämpft zu Tjelvar sprach und in sich hinein kicherte. Die Lippen des jungen Mannes umzuckte nur ein Schmunzeln und ich bekam die Vorstellung davon, was er sich für den weiteren Verlauf des Abends ausmalte als sein Arm, wie zufällig von der Rückenlehne, auf der er bereits eine Weile ruhte, abwanderte und Körperkontakt aufnahm.
      „Ich kann dich hören“, brummte ich erschöpft und versank noch weiter an meiner menschlichen Lehne, die mittlerweile auch den Arm um mich gelegt hatte. Was auch immer das mit Markus war, etwas in mir hoffte, dass es noch weitergehen würde. Allerdings wusste ich, dass weder ich noch er uns die Zeit nehmen konnten, einander zu sehen. Er war nur zum Besuch hier, bis morgen.
      Stunden vergingen und ein Teil Gäste lösten sich in Luft auf. Die verbliebenen hatten sich ebenfalls im Inneren niedergelassen. Mittlerweile war ich mehrfach eingeschlafen, nur aufgewacht, als Markus jemanden verabschiedete und laut begann zu lachen in der Unterhaltung. Lina lag noch immer in Tjelvars Arm, lauschte seinen Worten voller Begeisterung. Ich wurde erst richtig wach, als immer Leute sich zu uns setzten und damit der Geräuschpegel höher. Langsam öffnete ich die Augen, was nur für einen kurzen Augenblick unbemerkt blieb.
      „Oh, Vriska ist wach“, sagte Markus liebevoll und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Ich angelte mich aus der niedrigen Position nach oben, bemerkte erst jetzt, dass mein Slip noch immer auf Kniehöhe hing. Schnell zog ich ihn hoch.
      „Sehr schade“, kommentierte er leise und schielte erst zu meinen Beinen, dann in mein Gesicht.
      „Du hättest mich in der brenzlichen Lage unterstützen können“, darf ich ihm direkt vor, was Markus einzig mit einem Lächeln kommentieren.
      „Möchtest du etwas zum Trinken?“, bot er direkt an, als ich wie jeder andere saß. Ich nickte und er reichte mir ein Glas Wein. Obwohl ich geneigt war, abzulehnen, nahm ich einen kräftigen Schluck, der bitter die Kehle herunterfloss. Seine Hand fuhr langsam über meinen Rücken.
      „Was ist dein Plan?“, fragte ich nach einem weiteren Schluck, wissend, dass Markus durch jene zarte Berührung mehr herauskitzeln wollte. Dafür war mir dieses Verhalten zu bekannt, als dass ich die Zeichen nicht deuten könnte.
      „Lass uns die ruhige Ecke aufsuchen“, schmunzelte er selbstbewusst und stand auf, „ich habe eine Überraschung.“
      Neugierig und willig folgte ich so gleich, informierte nur Lina, dass ich gleich wieder da wäre. Mit deutlicher Abwesenheit nahm sie es in Kenntnis und antwortete Tjelvars Kumpel, der eine Geschichte aus dem Arbeitsalltag erzählte.
      „Überraschung?“, hakte ich voller Spannung nach, ohne mich von seiner Hand zu lösen.
      „Es ist so“, Markus seufzte kurz, „bitte, rege dich nicht auf.“ Er öffnete die Tür zu einem Zimmer, in dem eine sportliche, junge Dame saß, kaum älter als ich und leicht bekleidet. Grundsätzlich sahen wir einander ähnlich, zumindest was Körpergröße betrifft und Stil. Die dunklen Haare lagen offen über ihren Schultern und sie lächelte mich höflich an. Dann stand sie auf, um näherzukommen.
      „Das ist Caroline, meine Freundin.“
      Zum wievielten Mal mir an dem Tag die Gesichtszüge entglitten, hatte ich aufgegeben zu zählen oder zu hinterfragen, ob nur ich von einem Fettnäpfchen ins nächste sprang.
      „Keine Sorge kleines, es ist alles so wie es sein soll“, versucht mich besagte Caroline zu beruhigen, „ich wusste von euch und auch allen anderen, die er hatte.“
      Ich verstand die Welt nicht mehr, hörte jedoch zu, denn meine Beine schienen wie betoniert im Boden.
      „Wir haben etwas vor“, langsam schielte Markus zu seiner Freundin, die den BH öffnete, „wäre das etwas für dich?“
      Hilfesuchend sah ich ihn an, wusste auch nicht genau, was ich davon halten sollte. Stattdessen zog ich das Kleid über meinen Kopf, womit das Thema wohl geklärt war. Caro, wie ich sie nennen durfte, kam näher und strich mir zart mit den Fingern am Schlüsselbein entlang. Ich musterte ihren bebenden Körper, um zu begreifen, wie es weitergehen würde. In meinem Kopf wirkte es so, als hätte ich Stunden auf dem Holz gestanden, doch es handelte sich um wenige Sekunden, bis sich unsere Lippen berührten. Zugegeben, ich hatte oft mit dem Gedanken gespielt und auch mich mit Jenni probiert, ob es etwas für uns wäre, stand dem allerdings verschlossen gegenüber. Mit dem Anstoß durch Markus – und vermutlich Ereignis der letzten Nacht – war das Abenteuer in mir geweckt. Eine ganze Weile sah er dem Treiben nur zu, die Hand an sich selbst angelegt und vollkommen faszinierend von der Situation. Caro übernahm den größten Teil der Verwöhnung, verlangte nur wenig von mir. Allerdings wusste ich so gut wie Markus, wie der weibliche Körper funktionierte und konnte innerhalb kürzester Zeit auch Caro auf andere Gedanken bringen. In dem Moment kam er dazu. Für ihn gab es zunächst nur seine Freundin, die er mit kräftigen Bewegungen belohnte. Im vollkommenen Rausch wusste ich nicht mehr, was noch geschah, spürte allerdings, dass ich Markus lieber in meinem Leben haben wollte, als jemand anderen. Zumindest fühlte ich das eine ganze Weile.
      „Willst du?“, fragte er mit einem Grinsen auf den Lippen und drückte mich hinunter. Bevor ich ernsthaft hätte Einspruch erheben können, schluckte ich. Erleichtert massierte er meinen Kopf, den ich an sein Becken gelehnt hatte. Ich hörte wie das Blut durch seine Adern rauschte. Er legte den Kopf in den Nacken, hatte kräftig ein und aus, um ruhiger zu atmen. Caro lag erschöpft in der Decke eingerollt, schien bereits eingeschlafen zu sein.
      Markus zog mich langsam zu sich hoch.
      „Du bist das Beste, was mir passieren konnte“, flüsterte er mir ins Ohr und half mir, aufzustehen. Als wäre nichts geschehen, wünschte er seiner Freundin eine gute Nacht und wir liefen, wieder bekleidet hinaus.
      „Das sagst du nur so“, seufzte ich. Die kurze Euphorie war vergangen und zu Teilen fühlte ich mich benutzte, aber ebenso losgelassen.
      „Nein, ich meine es so“, wendete er den Blick ab. An der Galerie blieben wir stehen, sahen hinab zu den anderen. Keiner bemerkte uns, zu sehr waren sie auf ihr Spiel konzentriert.
      „Es läuft nicht mehr gut. Caro ist“, wieder atmete er hörbar ein, „schwierig und eigensinnig. Ich tue alles für sie – auch das – aber vermutlich wird sie mir morgen wieder vorhalten, wie undankbar ich sei.“
      „Okay, und was habe ich damit zu tun?“, versuchte ich mich zu distanzieren, was mir angesichts der Situation schwerfiel.
      „Vriska. Ich finde dich erfrischend und überlege, für einige Zeit bei Vater zu bleiben“, in seinen Worten schwang ein Hauch Traurigkeit mit.
      „Ich werde kein Spielzeug für dich sein, das du nehmen kannst, wenn sonst keins gut genug ist“, nahm der Ärger in meiner Stimme zu.
      „Das möchte ich nicht“, zuckte ein Lächeln über seine Lippen, „ich möchte zwar Spaß, aber auch, dir zur Seite stehen, wenn es schwierig ist.“
      Damit überschritt er eine Grenze, dass jene Worte ausgesprochen, die ich vor Stunden noch für unrealistisch hielt.
      „Markus, so funktioniert das nicht. Wir kennen uns nur ein paar Stunden und es fühlt sich plötzlich so an, als würdest du mich heiraten wollen“, begann ich mich zu erklären, aber er bremste mich aus, in dem er mich an sich heranzog, an der Hüfte.
      „Hilfe, alles nur das nicht“, ehrlich lachte Markus, „ich meine, eine fantastische Zeit haben, wie du und deine Freundin.“
      „Aber ich schlafe nicht mit ihr“, sprach ich, die Stirn runzelnd.
      „Was? Nicht? Das wundert mich.“
      „Wie kommst du darauf?“ Mit einem unehrlichen Lachen überspielte ich meine Unsicherheit.
      „Du schaust sie manchmal an, wie mich, deswegen kam mir auch die Idee, aber wenn es so ist“, er schien zu überlegen, aber kam zu keinem Entschluss.
      „Wollen wir zurück?“
      Dem stimmte er zu. Hand in Hand liefen wir zur Truppe zurück, die ein Kartenspiel zusammenspielten. Mein Handy vibrierte, überraschender Weise. Als ich es herauszog, stellte ich allerdings fest, dass es bereits halb fünf war. Basti hatte mir tatsächlich geschrieben.
      „Dich in Sorge versetzen wollte ich nicht. Unabhängig von dir hatte ich Streit mit Nelly, was mir viel Energie kostete und Schmerz. Ich hoffe, du hattest einen schönen Abend. Guten Start in Tag.“
      Mit einem warmen Gefühl ums Herz steckte ich das Gerät zurück und setzte mich auf Markus‘ Schoß. Er legte die Hände übereinander auf meinen Beinen, drückte mich dabei leicht an sich heran. Der warme Atem kitzelte am Nacken.
      „Da seid ihr ja wieder“, nahm Lina Notiz von uns, ein Grinsen auf den Lippen. Für die Tatsache, dass sie in der Regel sehr viel Wert auf ihren Nachtschlaf legte, wirkte sie erstaunlich wach, was ich allerdings mehr auf das ungewohnte Umfeld und die sie umgebenden Menschen schob.
      “Tjelvar, wie ist das eigentlich – hast du noch die kleine Hütte in Drag?”, fragte Markus so gleich nach. Verwundert sah ich zwischen den beiden Herren hin und her. Drag war ein kleiner Vorort von Lindö, wenn man mit dem Auto zum Festland wollte, musste man der einzigen Straße dort entlang. Dass Linas neue Bekanntschaft offenbar dort ein Wochenendgebäude besaß, konnte nur Schicksal sein.
      “Ja, aber der Strom fällt in letzter Zeit dort aus, deswegen waren wir ewig nicht da”, erklärte dieser, kurz schielte er zu mir und fügte dann hinzu: “wollt ihr etwa Pärchenurlaub machen? Dann ist also Caro wieder auf dem Markt?”
      Spitz lächelte er und der Freund neben ihm rieb sich die Finger.
      “Tut mir leid, aber auf deine Freundin war immer scharf”, gab dieser zu verstehen.
      “Ganz ruhig mit den jungen Pferden, noch sind wir zusammen”, bei den Worten begann Markus meinen Hals zu liebkosen. Es wirkte beinah so, als wolle er mir gegenüber sicherstellen, dass alles gut sei und den anderen, dass es sich nur noch um eine kurze Zeit handeln würde. Jedoch wusste ich mittlerweile, dass sie eine offene Beziehung führten. Die zarten Berührungen seiner weichen Lippen versetzte mich erneut in einen Rauschzustand. Meinen Kopf legte ich ins Genick, um mich noch tiefer in seinen Armen wiederzufinden.
      “Du kannst nie genug bekommen, stimmt das?”, raunte er, mit süßen Worten der Verführung, mir ins Ohr, als wäre er bereit für eine weitere Runde.
      “Wie lustig, das ist ja fast bei uns um die Ecke”, sprach Lina ein wenig zusammenhanglos. Offenbar war sie doch nicht mehr so fit, wie sie schien, solange, wies sie für die Einordnung brauchte.
      “Darum geht es”, mischte Markus im Gespräch wieder mit und ermöglichte mir, kräftig durchzuatmen. Obwohl meine Lider schwer hingen, versuchte ich besten Gewissens den Beteiligten zu folgen. Er hielt nur wenig davon, mir meinen Augenblick des Friedens zu lassen. Eine seiner Hände strich sanft über die aufgestellten Härchen meiner Oberschenkel. Das Kribbeln löste erneute Hitzewellen aus.
      “Erzähl mehr, was hast du vor?”, hakte Lina nach. Natürlich hatte er mit solch undefinierten Worten ihre Neugierde getriggert.
      “Ich möchte nicht ewig bei Vater bleiben”, sprach er laut, um deutlich leiser mir zuzuflüstern: “Schließlich verzichte nur ungern auf dich”, und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Aufmerksame Zuhörer sollten es jedoch mitbekommen haben.
      “Und Feiern kann man dort super, denn die Nachbarn sind etwa fast tot oder nie da”, fügte der blonde Herr hinzu.
      “Das verstehe ich gut. Mein Vater wäre für mich absolut keine Option”, lächelte die Kleine schief.
      „Eigentlich wohne ich bei meinen Großeltern, jedoch sind die meisten Klienten hier im Småland, deswegen habe ich länger darüber nachgedacht“, erzählte er und stoppte plötzlich. Seinen Blick richtete Markus hoch zur Galerie. Caro stand dort, lediglich mit einem Hemd bekleidet.
      „Schätzchen, soll ich hochkommen?“, scherzte Sven, der blonde Typ neben Tjelvar, mit lüsternem Blick.
      „Zisch ab“, fauchte sie augenrollend, „ich hätte gern, wen mit ausreichend Ausstattung bei mir.“
      Damit konnte sie nur Markus meinen, der bereits mich bat, aufzustehen. Er richtete sich.
      „Ich denke, es ist schon spät“, sprach er zu den verbliebenen.
      „Plötzlich ist es also zu spät“, provozierte Sven.
      „Jetzt lass es gut sein“, nahm sich Tjelvar dem Problem an und maßregelte ihn.
      „Und wie sollen wir nach Hause kommen?“, hakte ich skeptisch nach, denn noch vor Stunden wollte er uns fahren.
      „Ich rufe unseren Fahrer an, der macht das“, erklärte er. Kurz tippte er auf dem Handy und schon war die Situation in wenigen Worten geklärt.
      „Es tut mir leid“, flüsterte Markus mir noch zu, bevor zu seiner Freundin verschwand. Wie ein Hund an der Straße sah ich ihm nach und senkte deprimiert den Kopf.
      “Ich hoffe man begegnet sich eines Tages noch einmal”, wand Lina die funkelnden blauen Augen ein letztes Mal zu ihrer Bekanntschaft und für eine Sekunde glaubte ich etwas darin zu sehen, was sonst nur Niklas vorbehalten war. Die Worte, die Tjelvar ihr daraufhin zuflüsterte, waren zu undeutlich, um sie zu verstehen, doch als sie sich schließlich aus seinem Arm löste, lag ein zartes Lächeln auf ihren Lippen.
      “Na, komm lass uns nach Hause gehen”, ergriff sie meine Hand und zog mich sanft in Richtung der Haustür, als ich keine Anstalten machte ihr zu folgen.
      In mich gekehrt, entfloh mir ein Seufzen. Kaum standen wir auf dem Gehweg, auf den Fahrer wartend, zündete ich mir eine Zigarette an. Das warme Kratzen beim Ein- und Ausatmen brachte den hektischen Herzschlag in angenehmere Frequenzen.
      “Ich habe mit seiner Freundin rumgemacht”, sprudelte es im nächsten Augenblick heraus, aber ich fühlte es ihr schuldig. Vielleicht war es das, wovon Markus gesprochen hatte.
      “Das habt ihr also so lange gemacht”, schmunzelte sie. Wie eine Katze wurde sie von einer Motte abgelenkt, die im anbrechenden Tageslicht durch die Luft taumelte. Ähnlich wie der Falter verlagerte sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, summte dabei eine leise Melodie.
      “Vriska, darf ich dich etwas … persönliches fragen?”, kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, setzte sie die wunderliche Melodie fort.
      “Klar, warum solltest du das nicht dürfen?”, stellte ich verwundert fest und aschte ab.
      “Wie ist das mit einer Frau zu schlafen, fühlt es sich sehr anders an?”, sprach sie die Worte fast beiläufig, als spräche sie den ganzen Tag über nichts anders.
      “Ach ja, das entnimmst du direkt dieser Information? Verstehe”, sprach ich provokant, aber keineswegs verärgert.
      “Ja, Nein. Ich dachte viel mehr … Du wirkst auf mich, als hättest du schon viel ausprobiert”, erklärte sie das, was ihr durch den Kopf ging, blickte mich dabei nun direkt an.
      “Mag sein, kann ich schlecht beurteilen. Aber für Geld gibt man sich den unterschiedlichen Dingen hin”, seufzte ich und trat die Zigarette aus. Wo blieb nur der Fahrer?
      “Es war eine Erfahrung, sagen wir es so und Ahnung von, dem, was sie tat, hatte sie auf jeden Fall. Jedoch gefiel mehr, dass Markus … sagen wir, seinen Spaß an dem Anblick hatte”, teilte ich mit ihr mein Empfinden.
      “Interessant”, nickte sie nachdenklich, schien den ersten Part meiner Antwort allerdings bewusst zu übergehen.
      “Ich meine, wenn es dich interessiert”, damit sprach wohl der letzte Hauch Alkohol aus mir, “Markus ist davon ausgegangen, dass wir etwas miteinander haben.”
      “Ja, denkt er das?”, schmunzelte sie. Ein abenteuerlustiges Funkeln lag in ihren Augen, als sie diese auf mich heftete.
      “Durchaus. Er sagte, ich schaue dich immer so … keine Ahnung, wie ich sagen soll, an”, zuckte ich mit den Schultern, wenig involviert in dem Gespräch.
      „Da muss er dich aber intensiv beobachtet haben, wenn er das innerhalb einiger Stunden erkennt“, lachte sie leise.
      “Aber mit dem jetzt mal bei Seite. Der heiße Kerl bei dir”, sprach ich ohne eine wirkliche Frage zu stellen oder Satz herauszuarbeiten.
      „Ganz ehrlich? Tjelvar hätte ich gerne in seine einsame Hütte begleitet“, schielte sie leicht zum Haus hinüber,„Naja, du weißt schon, wenn da nicht Niklas wäre.“
      „Weißt du, allein, dass du diesen Willen empfindest, zeigt auf, dass das in dem Rahmen nicht mehr funktioniert“, seufzte ich, wieder nach dem Wagen gucken. Langsam fehlte mir die Geduld. Während ich überlegte, über Niklas Ausrutscher zu erzählen, tippte ich Markus eine Nachricht, der allerdings nicht reagierte. Dabei fiel mein Blick auf Bastis Nachricht. Zumindest war er wach. Sollte ich ihn fragen? Eine Weile hing ich über dem Chat und bemerkte, dass die beiden Männer waren auch noch nicht an uns vorbei. Irgendwer sollte doch in der Lage sein, uns von hier weg zu bringen.
      „Quatsch, das ist doch nur … Luft und Fantasie“, wehrte sie meine Worte ab.
      „Dein Freund denkt anders über Luft und Fantasie“, gab ich kleinlaut zu verstehen. Mein Daumen hing noch immer über der Tastatur am Handy. Ich wollte Basti vergessen, aber Freunde würde man doch an einem Montag nach Hause fahren nach dem Feiern, oder nicht? Mich rief man häufig an und ich war für jeden Spaß zu haben.
      „Was willst du damit sagen?“, hakte sie nun etwas misstrauisch nach.
      „Ich sollte nichts sagen, aber“, mir fiel es nun doch schwerer als ich es in meinem Kopf klang und ich brauchte einige Anläufe, bis mir letztlich der ganze Satz über die Lippen huschte. „Er hatte etwas mit einem Typen. Wie weit es genau ging, weiß ich nicht, aber es wurde intim und so wie mit einigen Damen bei sich am Hof spricht. Keine Ahnung. Das fing mit seinem plötzlichen Drama mir gegenüber an.“ Lina fiel buchstäblich alles aus dem Gesicht und sie starrte mich wie zu Stein erstarrt an. Mit solch einer Offenbarung hatte sie definitiv nicht gerechnet.
      „Ganz ehrlich, ich habe nichts anderes erwartet – gut, dass er sich nun bei Männern umsieht, erscheint mir neu – aber ihm geht es schon eine ganze Weile nicht gut. Ich weiss, mit dir spricht er nicht darüber. Es ist ihm sehr unangenehm“, sprach ich frei heraus. Die aktuelle Situation schätzte ich als die einzige ein, in der ich hätte es ihr erzählen können.
      „Ich schreibe Basti“, sagte ich aus heiterem Himmel und antwortete zunächst auf seine Nachricht, um dann noch hinzufügen: „Sebastian, es ist wichtig.“ Ohne überhaupt mein Anliegen mit anzugeben, aber ich hatte ihn noch nie mit seinem kompletten Namen angesprochen.
      „Mir egal. Ich will nur noch nach Hause“, murmelte sie verschlossen. Damit traf sie deutlich meinen Wundenpunkt. Meine, durch Müdigkeit eingetretene, Teilnahmslosigkeit wandelte sich in tiefe Bosheit.
      „Na, wenn es dir so egal ist, kannst du deinen Musiker fragen“, zischte ich, denn aus dem Eingang kam er zusammen mit Sven heraus, die uns bereits bemerkten.
      In meiner Hand vibrierte es.
      „Okay, Harley, Wann und Wo soll ich dich abholen?“, konnte er auf den Kontext schließen. Gott, intelligente Menschen sind so attraktiv!
      Ich tippte ihm die genaue Adresse und beschrieb die Uhrzeit als, so schnell es geht. Er würde gleich losfahren, antwortete er.
      „Ist das dein Ernst jetzt?“, ihre Stimme klang piepsig und zitterte deutlich.
      „Natürlich, wenn es so egal ist, brauchst du nicht den Luxus genießen, bei ihm mitzufahren. Außerdem ist dein neuer Freund fast hier“, schielte ich über ihre Schulter hinweg zu Tjelvar. Mit einer Hand fuhr er sich durchs Haar und grinste mich schief an. Sven war weniger gut auf den Beinen unterwegs, schwang von einer Seite zur anderen. Ein Zittern ergriff ihren Körper und sie schnappte hysterisch nach Luft. Enttäuschung, Bestürzung, Panik – all das zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab, als sie sich von mir und den beiden Männern wegdrehte.
      „Ihr seid ja immer noch da, alles in Ordnung bei euch Mädels?“, fragte Tjelvar freundlich nach.
      „Der Fahrer kommt nicht, aber ich habe einen Fahrdienst organisiert“, erklärte ich, ohne Linas Zustand zu beleuchten. Er nicke, als Zeichen, dass er mich vernommen hatte.
      “Lina?”, sprach er die Kleine an, die noch immer mit dem Rücken zu uns stand und berührte sie sachte an der Schulte. Nur sehr zögerlich wandte sie sich ihm zu, Tränen in den Augen, was sie hinter den langen Haaren zu verbergen suchte.
      “Was ist denn los?”, hakte der junge Mann nach und versuchte den Blickkontakt zu ihr herzustellen.
      “Kümmere dich nicht um mich”, wies sie ihn ab und wich seinem Blick aus.
      “Hat es mit heute Abend zu tun, war jemand … war ich zu aufdringlich?”, blieb er hartnäckig und kramte ein altmodisches Stofftaschentuch aus seinem Mantel und reichte es ihr. Sie schüttelte stumm den Kopf, schniefte in das Tuch hinein.
      “Tjelvar, hör auf”, wisperte sie, als er erneut nachhaken wollte. Ein Scheppern ertönte, als die Mülltonne umfiel, auf der Sven sich abgestützt hatte, der daraufhin bedrohlich schwankte. Kurz blickte Tjelvar zu seinem Kumpel und seufzte: “Ich fürchte, ich sollte ihn nach Hause bringen, bevor er noch weiter randaliert. Kommt ihr zwei alleine klar?” Zärtlich strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht, suchte erneut Linas Blick. Für einen winzigen Moment blickte sie auf, die Tränen rannen noch immer über ihre Wangen, doch sie nickte.
      “Okay”, nickte er ebenfalls und begann etwas in seinen Manteltaschen zu suchen. Hervor zog er einen Stift und einen zerknitterten Kassenbon, wo er etwas hinauf kritzelte.
      “Hier, falls du mich brauchst”, legte Tjelvar ihr den Zettel in die Hand und schloss ihre Finger darum, “Ich bin jederzeit erreichbar.” Lina nuschelte etwas Unverständliches, dann wanden sie sich einander ab.
      “Kommt gut nach Hause, ihr zwei”, lächelte er freundlich zum Abschied auch an mich gewandt, bevor er aufräumte, was sein Kumpel verursachte. Wenn ich diesen nur nicht, also einen geistig weniger betuchten, kennengelernt hätte, wäre er eigentlich ganz niedlich.
      Ein unerträgliches Schweigen trat ein, nur leise vernahm ich das Schluchzen. Mir fehlten die Worte, wusste genau, dass ich es mir auf die Fahne zu schreiben hatte, allerdings wurde es Zeit. Zu lang trug ich die Informationen geschützt. Ihre kleine Schwärmerei für Mateo weckte erste Überlegungen, wie ich es umsetzen werden würde.
      Die Kurve entlang kam ein in die Jahre gekommener weißer VW Bus. An allen möglichen Stellen platzte der Lack ab und brüchiger Rost entblößte sich. Bedrohlich langsam fuhr er an uns heran und hielt. In der Morgendämmerung würde wohl nur einer durch diese Gegend fahren. Basti beugte sich hinüber, um die Beifahrertür zu öffnen. Kräftig zog ich an der Tür.
      “Danke, dass du gekommen bist”, schmunzelte ich und stieg ein. Nur zögerlich folgte Lina in das verrauchte Auto. Von Innen wirkte es noch mehr danach, als würde es jeden Augenblick auseinander fallen.
      “Wie siehst du eigentlich aus?”, musterte Basti. Mit rollenden Augen schüttelte er Kopf, ließ sich jedoch nicht nehmen, einen weiteren ausschweifenden Blick über meinen Körper zu werfen.
      “Ich war auf einer Feier, was denkst du, was man dort trägt?”
      Während ich meine Frage stellte, startete er den stotternden Motor, der im Rhythmus aufdröhnte und grunzte. Ob wir wirklich ankommen würde, wurde zunehmend fragwürdig.
      “Unrecht hast du nicht”, erkannt er an und versuchte Lina ebenfalls in ein Gespräch zu verwickeln, “und du? Freust dich schon auf’s Schlafen?”
      „Ja“, murmelte sie monoton, „dass dieser Tag endlich ein Ende hat.“
      “Ich beeile mich”, beschwichtigen Basti.
      Tatsächlich kamen wir gut durch. Nach einer knappen viertel Stunden fuhr er die Einfahrt entlang und hielt vor den Hütten.
      “Dann ruht euch aus. Du bist dann wohl erst wieder in Kalmar?”, hakte er nach. Lina kletterte bereits aus dem Fahrzeug.
      “Schätzungsweise, ja, aber wir reden später. Mein Kopf ist woanders”, seufzte ich und folgte ihr.
      “Warte”, rief er mir nach. Beinah sehnsüchtig drehte ich mich um, warf die Haare über meine Schulter und blieb stehen. “Wo ist denn dein Kopf?”


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      zeitliche Einordnung {Mitte April 2021}
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      Renntag / Rennen A zu L | 30. Juni 2023

      Anthrax Survivor LDS / Spaceshuttle / Shake that Bubble LDS / Mondlandung LDS / Financial Secret / Alfa Flamel

      Ein aufregender Renntag lag vor uns, als ich mit unseren Pferden und meinem Team auf der Rennbahn ankam. Die Atmosphäre war voller Spannung, während sich die Trainer, Besitzer und Jockeys auf die bevorstehenden Rennen vorbereiteten. Es war ein Treffen von Gleichgesinnten, die ihre Leidenschaft für den Pferderennsport teilten. Nacheinander führten wir – zum Teil – sehr jungen Pferde aus dem Transporter führten.
      Das Team kümmert sich zunächst allein um die Pferde. In einem persönlichen Gespräch habe ich mich mit den anderen Trainern über die Herausforderungen und Chancen dieses Renntages ausgetauscht. Wir diskutierten über die Konkurrenz, die Streckenbedingungen und die strategischen Entscheidungen, die wir treffen mussten. Es war eine Gemeinschaft von Menschen, die alle dasselbe Ziel vor Augen hatten: ihre Pferde zu Höchstleistungen zu bringen.
      Flamel der in der Vergangenheit mit Problemen zu kämpfen hatte, überraschte mich an diesem Renntag mit einer außergewöhnlichen Leistung. Keiner von uns hatte erwartet, dass er den Stress so gut wegsteckte und sich, ohne großen Einfluss auf das Geschehen, an die Spitze kämpfte und mit Weile den Sieg holte.
      Er gewann sein Rennen mit Leichtigkeit und stellte unter Beweis, dass harte Arbeit und Ausdauer sich auszahlten. Die Freude und der Stolz, den ich in diesem Moment empfand, waren unbeschreiblich. Es war ein Beweis dafür, dass wir als Team die richtigen Entscheidungen getroffen hatten und dass das Vertrauen, das wir in das Pferd und in uns selbst gesetzt hatten, gerechtfertigt war.
      Doch während Flamer triumphierte, erlebte ich auch die Höhen und Tiefen des Renntags. Bubble, von dem ich hohe Erwartungen hatte, hatte unerwartete Probleme und wurde disqualifiziert. In der letzten Kurve sprang er in den Galopp und war kaum zu bremsen. Die Enttäuschung war spürbar, aber ich musste meine Emotionen im Zaum halten und meine Strategie für die kommenden Rennen anpassen. Als wäre es nicht genug Belastung gewesen, zog ein unerwarteter Sturm auf und verursachte Verzögerungen im Renntag. Regen prasselte auf den Boden, und der Wind peitschte um uns herum. Es war eine Herausforderung, die Pferde ruhig zu halten und sie vor den Elementen zu schützen. Doch mein Team und ich waren vorbereitet. Wir beruhigten die Tiere und suchten Schutz vor dem Unwetter. Geduld und Flexibilität waren gefragt, während wir auf besseres Wetter warteten. Kurzzeitig wurden die Rennen unterbrochen, denn das Geläuf formte sich zu einer einzigen Matsch-Piste.
      Nach einer Weile flaute der Sturm ab und der Renntag konnte fortgesetzt werden. Mit neuer Energie und Entschlossenheit traten wir in die folgenden Rennen ein. Ich passte unserer Strategie an die veränderten Bedingungen an und vertraute auf die Fähigkeiten meiner Pferde.
      Der Renntag verlief nicht immer wie geplant, aber ich war stolz auf mein Team und die Pferde. Wir hatten unser Bestes gegeben und uns den Herausforderungen gestellt. Am Ende des Tages war es nicht nur der Ruhm oder die Siege, die zählten, sondern die Reise, die wir als Team unternommen hatten, um das Potenzial unserer Pferde zu entfalten.

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      Höher, Schneller, Weiter / Rennen L zu M | 12. Juli 2023

      Financial Secret / Anthrax Survivor LDS / Spaceshuttle / Alfa Flamel / Mondlandung LDS / Shake that Bubble LDS

      Die nächsten acht Wochen sollten von intensivem Training, spannenden Rennen und der ständigen Suche nach Perfektion geprägt sein. Mit großer Vorfreude und einer Mischung aus Aufregung und Stolz betrachtete ich meine Schützlinge, als sie aus den Transportern kamen und ihre neuen Boxen bezogen. Sie waren beeindruckende Tiere, ihre muskulösen Körper strahlten Stärke und Eleganz aus. Die Augen der Pferde funkelten vor Energie und Vorfreude, und ich konnte ihre leidenschaftliche Begeisterung förmlich spüren.
      In den ersten Tagen begannen wir mit der Grundlagenarbeit. Jedes Pferd wurde behutsam an das Geschirr und die Longe gewöhnt. Ich beobachtete ihre schnellen Lernfortschritte mit großer Freude. ""Gut gemacht"", lobte ich Bubble. Seine dunkle Mähne schimmerte im Sonnenlicht, während er fleißig die Befehle befolgte. Nachdem die Pferde die Grundlagen gemeistert hatten, gingen wir zum Konditionstraining über. Frühmorgens brachte ich sie auf die Rennbahn und spürte die kühle Morgenluft auf meiner Haut. Die Pferde tänzelten vor Aufregung, bereit, ihre Grenzen zu überschreiten. Als ich auf dem Sulky Platz nahm und die Leinen fest in der Hand hielt, stieg die Anspannung. Wir begannen mit langsamen Runden, um ihre Ausdauer zu steigern. Mit jedem Tag steigerten wir das Tempo und die Distanz, und ich konnte die Kraft und den Kampfgeist meiner Pferde förmlich spüren. ""Zeig ihnen, was du drauf hast"", rief ich Anti, einem beeindruckenden Hengst mit einem buntem Fell und einer eisernen Entschlossenheit zu.
      Das Geschwindigkeitstraining war eine Herausforderung für uns alle. Die Pferde mussten lernen, mit hoher Geschwindigkeit zu laufen, während sie ihre Balance und Technik bewahrten. Ich trieb sie zu Höchstleistungen an und spürte, wie sie sich immer weiter verbesserten. ""Los, los, mein schneller Junge, zeig mir, wie schnell du wirklich bist!"", feuerte ich Spacy an, während sie mit beeindruckender Geschwindigkeit über die Bahn flog.
      Aber das Training war nicht nur körperlich anspruchsvoll, sondern erforderte auch mentale Stärke. Ich arbeitete eng mit meinen Pferden zusammen und beobachtete ihre Reaktionen, um ihre Grenzen zu erkennen. Ich musste ihre Ängste beruhigen und ihr Vertrauen gewinnen, um das Beste aus ihnen herauszuholen. Es war eine Verbindung, die auf Verständnis und Respekt basierte.
      Die Wochen vergingen wie im Flug, und mit jedem Tag wurden meine Pferde schneller und stärker. Die Leidenschaft und der Ehrgeiz in ihren Augen spiegelten meine eigenen wider. Gemeinsam hatten wir eine starke Bindung aufgebaut, eine Partnerschaft, die auf Vertrauen und harter Arbeit beruhte. Als die Rennerfahrung in den Vordergrund rückte, wurden die Trainingseinheiten spannender. Wir nahmen an mehr Rennen teil und zeigten der Welt, wozu wir in der Lage waren. Das Adrenalin floss durch meine Adern, als ich den Sulky lenkte und die Zügel fest umklammerte. Die Pferde waren bereit, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, und ich war stolz darauf, wie weit sie gekommen waren. In den Rennen kämpften sie hart und zeigten ihre Geschwindigkeit und Ausdauer. Der Stolz erfüllte mein Herz, als ich ihre Anstrengungen und Leistungen beobachtete.
      Am Ende dieser intensiven acht Wochen hatte sich jedes Pferd in meinem Team weiterentwickelt und seine Fähigkeiten verbessert. Sie hatten gelernt, auf meine Hilfen zu reagieren, ihre Grenzen zu überwinden und als einheitliches Team zu funktionieren. Wir hatten gemeinsam Herausforderungen gemeistert und uns als Sieger erwiesen, nicht nur in den Rennen, sondern auch in unseren Herzen. Der Abschied von den Pferden fiel schwer, doch ich wusste, dass sie mit einem starken Fundament an Fähigkeiten und Erfahrungen zurückkehrten. Ich verabschiedete mich von jedem einzelnen Pferd mit einem Klaps auf den Hals und einem Versprechen: ""Bis zum nächsten Mal. Ihr habt Großartiges geleistet, und ich bin stolz auf euch!""
      Als ich den Heimweg antrat, erfüllte mich ein Gefühl der Dankbarkeit und Erfüllung. Diese acht Wochen waren ein Abenteuer gewesen, das uns alle gefordert und gleichzeitig wachsen lassen hatte. Die Erinnerungen an das Training mit diesen außergewöhnlichen Pferden würden für immer in meinem Herzen bleiben, und ich konnte es kaum erwarten, das nächste Kapitel unserer gemeinsamen Reise zu beginnen.

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      Intervalle im Fokus / Rennen M zu S | 04. September 2023

      Financial Secret / Mondlandung LDS / Alfa Flamel / Spaceshuttle / Anthrax Survivor LDS

      Die Sonne stand tief am Horizont, als ich die fünf Rennpferde für ihre heutige Trainingseinheit auf die heimische Trainingsbahn führte. Findus, der temperamentvolle Fuchshengst, schnaubte aufgeregt, während Flamel, der ruhige und erfahrene Braune, gelassen seine Umgebung scannte. Anti, die junge Fuchsscheckstute, hüpfte vor Energie, als wäre sie ein Flummi. Mola, die erdfarbene Stute, zeigte sich ruhig und fokussiert, während Spacy, die elegante Schimmelstute, sich mit einem anmutigen Hüpfer in Position brachte.

      Die Bahn lag vor uns, eine breite Schleife aus feinem Sand, von Bäumen gesäumt, die im Wind flüsterten. Heute stand das Tempo-Training auf dem Programm, eine der wichtigsten Phasen in ihrer Vorbereitung auf die kommende Rennsaison. Kein Galopp heute, nur Schritt und Trab in hohem Tempo – das war die Devise.

      Wir begannen mit einer gemütlichen Aufwärmrunde im Schritt, um die Muskeln der Pferde zu lockern und ihre Gelenke zu mobilisieren. Ich konnte das Rauschen der Blätter im Wind hören, während wir uns um die Bahn bewegten. Findus und Anti traten energisch vorwärts, als ob sie die Zeit nicht erwarten konnten, in der sie ihre Beine richtig ausstrecken konnten.

      Nach der Aufwärmphase erhöhten wir das Tempo auf Trab. Flamel nahm die Führung, sein starker Körper bewegte sich in gleichmäßigem Rhythmus. Die anderen folgten seinem Beispiel und fanden ihren Platz in der Formation. Mola, ruhig und konzentriert, zeigte eine perfekte Trabtechnik, während Spacy mit ihrem schneeweißen Fell und den grauen Flecken eine majestätische Erscheinung war.

      Nach einer Weile forderte ich die Pferde auf, das Tempo zu steigern. Die Bahn verschwamm vor meinen Augen, als wir schneller und schneller wurden. Die Hufe der Pferde hinterließen tiefe Spuren im Sand, und ihre Atmung wurde schneller. Findus' Augen blitzten vor Aufregung, während Anti's Mähne wild im Wind wehte.

      Wir durchliefen diese Intervalle mehrmals, und jedes Mal schienen die Pferde besser zu werden. Ihre Muskeln spannten sich, ihre Hufe trafen den Boden im perfekten Takt, und ihre Augen zeigten Entschlossenheit. Flamel, der erfahrene Lehrmeister, schien den jüngeren Pferden den Weg zu weisen.

      Schließlich verlangsamten wir das Tempo auf einen gemütlichen Trab, um die Pferde abkühlen zu lassen. Ihre Köpfe senkten sich, und ihr Atem beruhigte sich. Die Bahn war gezeichnet von unseren Spuren, Zeugen einer harten, aber erfolgreichen Trainingseinheit.

      Ich streichelte die schweißnassen Hälse der Pferde und dankte ihnen für ihre Anstrengungen. Sie hatten heute alles gegeben, und ich war stolz auf ihre Leistung. Wir waren ein Team, ein eingeschworener Kreis von Athleten, die sich darauf vorbereiteten, auf der Rennstrecke zu glänzen.

      Die Sonne sank tiefer, und wir machten uns auf den Rückweg zum Stall. Die Pferde schnaubten zufrieden, und ich wusste, dass sie heute einen Schritt weiter auf ihrem Weg zu erfolgreichen Rennpferden gegangen waren. Die Saison mochte noch einige Wochen entfernt sein, aber ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie bereit waren, die Konkurrenz zu dominieren.

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    Note: EXIF data is stored on valid file types when a photo is uploaded. The photo may have been manipulated since upload (rotated, flipped, cropped etc).


  • Mola ist 4 Jahre alt.

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Lindö [SWE]
    Unterbringung: Stutenpaddock


    –––––––––––––– s t a m t a v l a

    Aus: Fly me to the Moon (DK) [Standardbred]
    MMM: Unbekannt ––––– MM: Unbekannt ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Unbekannt ––––– MVV: Unbekannt


    Von: Wunderkind (DE) [Standardbred]
    VMM: Unbekannt ––––– VM: Unbekannt ––––– VMV: Unbekannt
    VVM: Unbekannt ––––– VV: Unbekannt ––––– VVV: Unbekannt



    –––––––––––––– h ä s t u p p g i f t e r

    Zuchtname: Mondlandung LDS
    Rufname: Mola
    Farbe: (Sooty) Buckskin Schecke
    [Ee Aat nCr nSty nW?]
    Geschlecht: Stute
    Geburtsdatum: Juli 2017
    Rasse: Standardbred [STB]
    Stockmaß: 164 cm

    Charakter:
    neugierig, frech, aufmüpfig, regelbar, temperamentvoll

    Mola erstaunte bei ihrer Geburt alle. Ihre Scheckung wirkte ungewöhnlich
    und als die Testergebnisse des Musters da waren, folgte der nächste Schock.
    Sie ist auf alle Scheckungen negativ getestet und zeigt sich als erstes
    Fohlen dieser Art ihres Vaters.

    * Mola läuft derzeit keine Trabrennen


    –––––––––––––– t ä v l i n g s r e s u l t a t

    [​IMG] [​IMG]

    Dressur A [L] – Rennen (S) ['S] – Gangreiten E [L]

    April 2023 Balance und Takt, Dressur E zu A
    Juni 2023 Renntag, Rennen A zu L
    Juli 2023 Höher, Schneller, Weiter, Rennen L zu M
    September 2023 Intervalle im Fokus, Rennen M zu S

    Ebene: National

    Oktober 2023
    SW 564


    –––––––––––––– a v e l

    [​IMG]

    Gekört durch x im x 20x.

    Zugelassen für: Traber aller Art; Speed Racking Horse
    Bedingung: Rennen mind. S
    DMRT3: AA [Fünfgänger]
    Lebensrekord: -
    Leihgebür: Nicht gekört / Preis [Verleih auf Anfrage]

    Fohlenschau: 0,00
    Materialprüfung: 0,00

    Körung
    Exterieur: 0,00
    Gesamt: 0,00

    Gangpferd: 0,00


    –––––––––––––– a v k o m m e r

    Mondlandung LDS hat 0 Nachkommen.
    • 20xx Name (von: Name)


    –––––––––––––– h ä l s a

    Gesamteindruck: gesund, im Aufbautraining
    Krankheiten: keine
    Beschlag: Barhufer


    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Eigentümer: Lindö Dalen Stuteri [100%]
    Pfleger: Lina Valo
    Trainer: -
    Fahrer: -
    Züchter: Lindö Dalen Stuteri, Lindö [SWE], Tyrell Earle
    [geb. in Deutschland]
    VKR / Ersteller: Mohikanerin

    Punkte: 7

    Abstammung [2] – Trainingsberichte [4] – Schleifen [1] – RS-Schleifen [0] – TA [0] – HS [0] – Zubehör [0]

    Spind – HintergrundFohlen

    Mondlandung LDS existiert seit dem 20. November 2021.
    Sie wurde Großgemalt am 06. April 2022.