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Canyon

Milosch

Norwegisches Fjordpferd ○ Falbe ○ Wallach ○ 19 Jahre ○ 150cm ○ 0/20

Milosch
Canyon, 6 Jan. 2021
    • Canyon
      Es gibt keinen Weg, der nicht irgendwann nach Hause führt
      19. Juli 2016 | © Canyon

      Nevada, USA - 19:37
      Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, als ich von der Red Rock Road auf den Scenic Loop Drive abbog. Trotz des frischen Westwindes von Kalifornien, arbeitete der ältere und von einer dicken Staubschicht bedeckte Jeep unter mir, als würde er jeden Augenblick den Geist aufgeben. An dieses Geräusch hatte ich mich mittlerweile gewöhnt, es war normal, vor allem bei dieser Hitze. Selbst in der Nacht sanken die Temperaturen nie unter 70 Fahrenheit, wie man hier auf diesem Kontinent so schön zu sagen pflegte.
      Links von mir tauchte nun der Pine Creek auf, welcher mich ein kleines Stückchen begleitete, bevor sich unsere Wege trennten. Mittlerweile kannte ich mich hier aus, lange hatte es nicht gedauert. Mit dem Auto oder zu Pferd, ich hatte mich an meine neue Heimat gewöhnt.
      Als sich der Scenic Loop in einem Bogen Richtung Norden wand, bog ich auf die kleinere Rock Gap Road ab. Ich merkte den Einkauf im Kofferraum, als die steinige Straße leicht bergauf ging und ich konnte mich mit all dem Eingekauften schon am verlassenen Straßenrand stehen sehen. Zum Glück würde ich nicht allzu schnell verhungern und erfrieren konnte man hier ja zu dieser Jahreszeit ebenfalls nicht. Da wir maximal einmal pro Woche in die berühmte Großstadt Las Vegas fuhren, um für die nächsten Tage Vorräte einzukaufen, war der Jeep entsprechend voll.
      Kurze Zeit später ging es dann für mich auf die La Madre Spring Road und von da aus waren es nur noch einige Meter bis zu meinem Ziel.
      Addison Moore hatte wenig freie Zeit, davon hatte ich mich in den letzten Monaten selbst überzeugen können, weshalb ich etwas überrascht war, als ich ihn und seinen treuen Gefährten Cerberus auf der Terrasse des Ranchhauses sitzen sah. Ich sah ihn nur kurz, bevor ich den Jeep etwas weiter unter den Bäumen parkte, doch sein Blick ging in die Ferne und verschwand dann in den rötlichen Felsen des Canyons.
      So gekonnt wie ich es mir vor kurzer Zeit noch nicht hatte vorstellen können, parkte ich korrekt ein, bevor ich das stickige Auto verließ.
      Mit schweren Taschen bepackt ging es für mich zum Haus, wo mich nun ein aufgeregt mit dem Schwanz wedelnder Hund begrüßte. Ich nahm mir kurz die Zeit, trotz voller Arme, um den Rüden zu begrüßen. Ich wusste wie übel er es mir nehmen würde, wenn ich es nicht tat. An meinem ersten Tag auf der Ranch hatten mich die eisblauen Augen des interessant gescheckten Louisiana Catahoula Leopard Dog eingeschüchtert, doch mittlerweile hatte ich lernen dürfen, dass Ceb der tollste Hund der Welt war, wenn man Asuka außer Acht ließ und das tat ich in letzter Zeit.
      Addison hatte sich mittlerweile aufgerichtet und mir eine der Taschen von der Schulter genommen und diese nun ins Haus trug. Ich folgte ihm und mir folgte Ceb, welcher den Geruch nach frischem Essen bestimmt schon mehrere Meilen vorher gerochen hatte. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass Addi meistens eher stumm blieb, denn ich wusste, wenn es etwas Wichtiges gab, dann konnte auch Addison sprechen. So lange er nicht sprach, war alles gut.
      Aus der Küche wehte mir ein warmer und angenehm riechender Duft entgegen: Nudeln mit Tomatensoße, genauso wie es vor vielen hundert Jahren bei meiner Oma geduftet hatte.
      Als ich mich nach dem Abstellen der Taschen wieder erhob, wurde ich schlagartig und stürmisch von einer jungen Frau umarmt, welche ihre kraftvollen und doch zierlichen Arme um mich schlang.
      „Mio! Eine Woche habe ich dich nicht gesehen und trotzdem so vermisst wie diese Landluft hier. Wie gut du immer noch aussiehst! Der Wahnsinn!“ rief sie mit heller Stimme in mein Ohr, sodass ich dachte gleich taub zu werden.
      „Hey Heather“, sagte ich um ein vielfaches ruhiger. „Ich wusste gar nicht, dass du heute kommen wolltest?“
      Schauspielerisch entrüstet ließ sie von mir los, verschränkte ihre Arme und spitzte die Lippen, dann wandte sie sich von mir ab, nahm ihre Tasche vom Stuhl und wollte mit den Worten: „Dann kochst du eben das Abendbrot!“, den Raum verlassen. Mit einem schnellen Griff am Arm zog ich sie zu mir zurück und schob sie zum Herd. „War doch nicht so gemeint, das weißt du ganz genau!“ sagte ich lachend. „Es ist schön, wenn du da bist und außerdem weißt du, dass ich nicht so ein Kochtalent bin wie du.“ versuchte ich ihr zu schmeicheln. Heather liebte es, wenn man ihr Komplimente machte. Sei es ihr Aussehen, eine neue Bluse oder ihre Kochkünste, sie war ganz vernarrt darauf, Lob zu bekommen.
      Addison hatte sich derweilen gekonnt aus unserer Unterhaltung herausgehalten, machte sich aber nun damit bemerkbar, dass er lautstark die Teller aus dem Schrank holte. „Ich will eure Begrüßungsrituale ja nicht unterbrechen, aber meiner Meinung nach riecht es hier etwas angebrannt.“
      Heather entfuhr ein spitzer und vor allem hoher Schrei und sie drehte sich erschrocken zum Herd um, wo die Tomatensoße gefährlich dampfte.
      „Wo sind eigentlich Chill und Buck?“, fragte ich Addison, da mir gerade erst aufgefallen war, dass die beiden Zwillinge beim Geruch von Essen noch nicht in die Küche gestürzt waren.
      „Bei Jon, sie wollen irgendein „Projekt“ für die Schule machen und da muss man natürlich auch übernachten“ kam Heather ihrem Neffen Addison zuvor. Sie hatte ihren hübschen Mund zu einem ironischen Lächeln verzogen, sah dabei allerdings immer noch so schön aus wie zuvor. Mich wunderte es schon lange, dass die hübsche Frau mit den langen blonden Locken und den grünen Augen noch immer keinen Partner gefunden hatte, obwohl sie in der Blüte des Lebens stand und dazu noch in der Großstadt Las Vegas wohnte. Aber wer weiß, vielleicht wartete sie noch auf den Richtigen.
      „Wann kommen die Beiden denn wieder?“ stellte ich die Frage in den Raum. Diesmal zuckte Heather nur mit den Schultern, während Addison ein „Morgen“ brummte.
      „Ach Ad“, hatte Heather wieder etwas beizutragen „Man denkt du bist schon in Rente und hast einen Bart bis auf den Boden, dabei bist du gerade erst Anfang dreißig. Versuche jedenfalls, deinen Mund etwas weiter aufzumachen, glaube mir, das geht!“ maßregelte Heather Addison, bevor sie sich wieder dem Essen zuwandte. Ich ließ mich gegenüber von Addison, welcher sich am Tisch niedergelassen hatte, auf einen Stuhl gleiten und sah gerade noch, wie der sonst so emotionslose Addison seiner Tante ein belustigtes Lächeln schenkte, was sie natürlich nicht sehen konnte.
      Ich weiß, Charly hörte es nicht gerne, aber Nevada war meine neue Heimat.

      Buskerud, Norwegen – 12:37
      Ich hätte nie gedacht, dass Kinder in den Schlaf wiegen so lange dauern würde, mittlerweile hatte ich Erfahrung darin, was es bedeutete, die Mittagspause damit zu verbringen. Bartholomäus war von Anfang an ein recht umgängliches Kind gewesen, ich hatte jedoch keine Ahnung, von wem er das haben könnte. Ich war es definitiv nicht gewesen und das was ich von Nico gehört hatte, er auch nicht. Dafür sah der Kleine genauso aus wie sein Vater. Bereits nach zwei Wochen waren ihm die ersten goldenen Löckchen auf dem Kopf gesprossen.
      Erschöpft, obwohl erst die Hälfte des Tages geschafft war, ließ ich mich auf die Couch in unserem Wohnzimmer fallen, welches, selbst einige Monate nach dem Umzug, noch bis oben hin mit Kartons vollgestopft war. Mein Laptop stand noch offen von vorhin da, ich hatte es im Laufe des Tages einfach nicht geschafft ihn zuzuklappen und mittlerweile war der Bildschirm, wie auch die Tastatur, voller Brei. Lecker. Ich konnte noch ganz genau erkennen, welches Glas ich Bartholomäus heute aufgemacht hatte. Das war bestimmt Möhre, Kartoffel und etwas Selleriegeruch, wie mir meine Nase mitteilte.
      Mit einem Ärmel, welcher den Bildschirm erst recht noch dreckiger machte, da dieser auch nicht mehr der Sauberste war, versuchte ich die groben Reste des Mittags vom Laptop zu wischen, bevor ich ihn zu mir auf den Schoß zog.
      Es war bei mir zur Angewohnheit geworden, dass ich jede freie Minute mich vergewisserte, dass ich keine Nachricht bekommen hatte. Der erste Klick ging auf Skype, eine der besten Methoden untereinander zu kommunizieren, wenn einem die Grenzen der Länder voneinander trennten. Mio schien dies aber noch nicht verstanden zu haben, seit Wochen war bei ihr kein grünes Häkchen mehr gewesen. Auch in meinem E-Mail Postfach fand ich wie immer keine ungelesene Mail von ihr. Ich gab es nicht gerne zu, aber ich vermisste sie. Ich vermisste sie so, wie ich Shadow vermisste und vor allem fehlten mir die alten Zeiten.
      Ich wollte meinen Laptop gerade zuklappen, als die Tür aufgestoßen wurde und mein Freund Nicolaus lautstark die Wohnung betrat. Mein Mund war schon halb geöffnet, um ihn ein weiteres Mal zu ermahnen, dass er gefälligst leise sein sollte, wenn sein Sohn schlief, aber er war schneller bei mir. Mir wurde ein Kuss auf die Stirn gedrückt, dann legte seine Hand auf die Meinige, welche noch auf dem Bildschirm ruhte und drückte mit mir zusammen die Klappe nach unten.
      „Charly, du weißt, dass Mio sich erst Sonntagabend melden wird und bis dahin sind es noch zwei volle Tage. Ihr geht es gut.“ Sagte er sanft, was er normalerweise nicht allzu oft tat. Ich zog meine Hand unter seiner weg und drehte mein Gesicht zum Fenster. „Du magst sie doch kaum und wirklich kennen tust du sie auch nicht. Vielleicht ist es einfach deine Schuld, dass sie sich so selten meldet?“ Kurz nachdem ich es gesagt hatte, wusste ich, dass diese Worte Nico hart getroffen hatten. Noch bevor ich die erste Träne in seinen Augen schimmern sah, war ich aufgestanden und hatte ihn umarmt. „Es tut mir leid, es tut mir leid“, versuchte ich das Gesagte wieder gutzumachen, allerdings hatte ich es trotzdem gesagt.
      Nico umarmte mich, allerdings war diese etwas steif. Ich hatte ihn verletzt und obwohl ich wusste, dass er sich selbst große Vorwürfe machte, hatte ich die Schuld auf ihn geschoben.
      Nach einiger Zeit in der Umarmung löste sich Nico von mir und zog mich zu sich aufs Sofa.
      „Charly, ich vermisse mein Füchschen genauso wie du es vermisst und auch wenn du es mir nicht glaubst, Shadow und Mio waren seit langem die beiden einzigen Freunde, die ich je besaß. Shadow werde ich nie wieder sehen und Mio ist auf der anderen Seite der Welt mit der Hälfte unserer Pferde. Fast hätte ich hier alles hingeworfen, weil mir der Gedanke, dass ich versagt habe, einfach nicht aus dem Kopf ging. Doch jetzt habe ich ein neues zu Hause gefunden, habe einen Sohn und ich habe dich. Das ist das Wichtigste.“ Er schloss seine Rede und blickte mir tief in die Augen. Ich hielt seinem Blick stand und wusste, dass er Recht hatte.
      „Du hast Recht. Mio holen wir schon irgendwann wieder zu uns.“
      Ein weiterer Kuss, dann zog mich Nico wieder auf die Beine. „Wann hast du eigentlich deinen letzten Ausritt gemacht?“
      Gute Frage, dachte ich, das war definitiv schon länger her. „Du weißt, dass ich schlecht einen Ausritt machen kann, während Bart schläft, oder?“
      „Teo ist mir noch was schuldig und außerdem muss er sowieso mal ne Pause machen, der steht seit heute Morgen um sieben im Stall.“

      Teodor war die Gutmütigkeit in Person und auch wenn er manchmal grober wirkte als er war, konnte man sich eine Tyrifjord Ranch nicht ohne ihn vorstellen. Obwohl er schon etwas älter war und eigentlich schon längst in Rente hätte gehen müssen, schuftete er Tag für Tag im Stall und das nicht zu knapp. Nico und ich wären ohne ihn schon längst verzweifelt.
      Teo hatte ein Händchen für Kinder und vor allem für Pferde, weswegen es auch nicht allzu lange dauerte, bis mein Nico den alten Herren von einer kleinen Mittagspause in unserer Wohnung überredet hatte.
      Die Tyrifjord Ranch besaß eine ganz andere Aura als Saint Gorge, ließ einem viel mehr Raum und bot natürlich auch den Pferden viel mehr Platz. Nachdem sich auf Saint Gorge so vieles verändert hatte, waren wir froh gewesen, die Möglichkeit eines neuen Gestüts zu bekommen und das war es gewesen. Ein alter kleiner Hof, mit einer neuen Reithalle, einem kleinen Reitplatz, einem Roundpen und natürlich einem Stall, der mehreren dutzend Pferden Platz zum Leben bot.
      Mit dem Kauf der Ranch hatten wir uns allerdings auch dazu verpflichtet, dem alten Bewahrer Teodor Sjöson und seiner blinden Tochter Torun weiterhin ein zu Hause zu bieten, was für uns natürlich kein Problem war. Während wir zu dritt im Haupthaus wohnten, begnügten sich Teo und Torun wie zuvor mit dem alten Bootshaus, welches zu einem kleinen Wohnhaus umgebaut worden war.
      Nachdem ich Teo kurz in seine Aufgaben eingeweiht hatte, welche er brummend hingenommen hatte, machten wir uns auf den Weg zu unserem Hauptstall, welcher am anderen Ende der Ranch stand. Für Nico stand schnell fest, welches der Pferde er auf einen Ausritt mitnehmen würde, ich musste länger überlegen. Ich war lange Zeit zu Recht sauer auf Mio gewesen, weil sie meine allerliebste Stute mit zu ihrer ach-so-tollen-Ranch genommen hatte und ich nun seitdem kein bestimmtes Reitpferd mehr hatte. Normalerweise wäre ich ja nun Grenzfee geritten, welche ich aber, laut Nico, erst wieder reiten durfte, wenn der kleine Bart nicht mehr die ganze Zeit an meiner Brust hing. Zu gefährlich, zu groß, zu wild, hieß es dann immer. Viele Pferde blieben dann ja nicht mehr, sodass ich mich für das einfachste und unkomplizierteste Pferd entschied, welches es auf unserer Ranch gab: Den Norwegerwallach Milosch.
      Nico war davon überzeugt gewesen, dass auf die Ranch ein ordentlicher Norweger gehörte und wir dringend ein Pferd für unseren Sohn brauchten, sodass Milosch der erste Neuankömmling auf unserer Ranch gewesen war. Norwegen - Norweger, wie primitiv. Nicht unbedingt sehr groß, mit dichtem Fell und typischer Stehmähne, ein Kinderpony, welches jedes Herz erweichen ließ. Ich war froh darüber ihn zu haben, denn selbst mit meinem dicken Bauch, welchen ich die letzten Monate mit mir herumgeschleppt hatte, hatte er mich noch ohne Mühe tragen können.
      Nachdem ich Milosch angebunden hatte und Nico seinen Marid, fiel ihm schlagartig ein, dass er einen Toilettengang gebrauchen könnte und verschwand schnell in Richtung Wohnhaus. Ich seufzte theatralisch. Ich verstand einfach nicht, warum ausgerechnet Nico es nicht schaffte, kurz ins Gebüsch zu gehen.

      Ich hatte das warme Fell der Pferde, den Staub aus diesem und den Geruch des Strohs vermisst, schon lange hatte ich mir nicht mehr die Zeit genommen, einfach ein Pferd zu putzen und zu striegeln, es waren einfach zu viele andere Dinge wichtiger gewesen.
      Als ich an das kleine Stutfohlen dachte, welches Jeanie vor kurzem zur Welt gebracht hatte, schwenkten meine Gedanken wieder unabsichtlich zu Mio. Excelsior und Jeanie waren immer ihre Lieblingspferde gewesen, auch sie hatte sie einfach zurückgelassen. Wie konnte sie nur so einen Stimmungswechsel gehabt haben?
      Ich schüttelte mir diesen Gedanken wie eine lästige Fliege aus dem Kopf und konzentrierte mich weiter auf meine Arbeit, denn immerhin wollte ich Teos Nerven nicht allzu lange beanspruchen.
      „Dieser blöde sprechende Papagei! Ich weiß, warum ich mich dafür entschieden habe, mein Leben mit Pferden anstatt mit Vögeln zu verbringen!“ Lautstark kam Nico zurück in den Stall gestapft, um eine Hand eine weiße Binde, durch welche das Blut auf den Stallboden tropfte. „Wie oft habe ich Petyr schon gesagt, dass dieser olle Vogel nicht frei herum fliegen soll, der ist lebensgefährlich! Und vor allem hat er nichts auf der Toilette zu suchen.“ beschwerte er sich, während er auf seinen brav wartenden Marid zulief. Marid, auch Vad genannt, schien der Einzige, welcher wirklich Mitleid mit Nico zu haben schien. Asuka, welcher hinter Nico hinterher getapst kam, Milosch und auch ich, schienen es toll zu finden, dass Nico endlich mal Parole geboten wurde. Normalerweise war Nico immer der Wortführende und der sprechende Papagei Napoleon hatte seine Freude daran gefunden, Nico über all aufzulauern.
      Mitfühlend stupste der sonst so grobe Vad seinen Freund, wie ein Hund sein Herrchen, an und es fehlte nur noch, dass er diesem mit seiner Pferdezunge übers Gesicht leckte. Mich schauderte es bei diesem Gedanken.
      "Der Vogel ist toll und ich habe nichts dagegen, dass er sich frei bewegen darf. Es gibt so selten Papageien, welche nicht in einem Käfig eingesperrt sind." meinte ich hämisch grinsend zu Nico, welcher nur etwas Unmissverständliches brummte und sich dann Vad zuwandte.
      Nachdem die Pferde gesattelt waren (und Nico mich mit Schutzweste, Reithelm und Handschuhen ausgestattet hatte (er fand es kein bisschen übertrieben)) saßen wir vor dem Stall auf und begannen unseren kleinen Ausritt. Irgendwo war es bestimmt süß, dass Nico nicht vor mir reiten wollte, um mich nicht aus dem Blick zu verlieren und ständig darauf achtete, dass es mir gut ging. Allerdings musste ich mich anstrengen, keinen Streit vom Zaun zu brechen. Bevor Nico Vater geworden war, hatte er jeden Scheiß mitgemacht, sich einen Dreck um unsere Sicherheit geschert und mich sogar dazu überredet Dinge zu tun, welche ich nie getan hätte. Ich vermisste die alten Zeiten.
      "Hast du heute Petyr eigentlich schon gesehen?" fragte ich Nico, um mich auf andere Gedanken zu bringen, als die Vergangenheit und den nun überfürsorglichen Nico.
      "Klaro, in aller Frühe im Stall. Er ist allerdings vorhin mit diesem Superhelden Richtung Süden geritten. Der wollte auch einen Ausritt machen, bei diesem Wetter."
      "Der Friese heißt Batman", korrigierte ich.
      "Batman, Superman, Spiderman, das ist doch alles das Gleiche." meinte Nico achselzuckend. Ich verkniff mir einen Kommentar, denn für mich war es nicht dasselbe. Früher hatte ich alle Comics und Filme auswendig gekannt, in welchen ein Superheld drin vorkam.
      Unser Weg führte uns am Ufer des Tyrifjords entlang, ein Stück über sandigen Boden, bevor dieser einem Trampelpfad wich. Der Weg war bereits von vielen Hufen ausgetreten und eben geworden, sodass es ein angenehmes Reiten war. Leider hatte der Fjord auch seine Nachteile. Vor allem im Sommer gab es hier Mücken im Übermaß und viele der empfindlicheren Pferde mussten deswegen auf den Weiden Decken tragen, um nicht völlig zerstochen in die Box zurückzukommen. Mittlerweile hatten wir uns angewöhnt, die Pferde nachts auf die Weiden zu bringen, wenn es nicht mehr so schwül war und der auch des Öfteren der Regen vom Himmel kam.
      Stumm bogen Nico und ich wenig später in den Wald auf der anderen Seite der Landstraße ab, wo ich meinen Freund auch davon überzeugen konnte, etwas zu traben. Milosch war hart im Nehmen und zuckte nur dann zusammen, wenn einje der nervigen Insekten ihn in blöde Stellen stach. Vad allerdings hatte mehr zu kämpfen. Der Shagya-Araber war manchmal richtig verweichlicht, auch wenn er immer wie ein übercooler Macho tat.
      Der Wind der mir entgegen kam verjagte die Mücken von meinen Beinen und ließ mich den Ritt jedenfalls etwas genießen. Als Milosch mir auch noch den Galopp anbot, kam ich ihm die Hilfen und er sprang in den Galopp um. Ich konnte hinter mir Nicos Rufe hören, auf welche ich allerdings nicht achtete, sondern den Wallach einfach weiter vorwärts trieb. Ich hatte dieses Gefühl der Freiheit vermisst. Viel zu sehr hatte ich mich in den letzten Tagen und Wochen auf den kleinen Bartholomäus konzentriert, aber ich wusste jetzt, dass ich mich seinetwegen nicht davon abhalten sollte, mich weiterhin mit Pferden zu beschäftigen.
      Erst kurz vor unseren ersten Weiden parierte ich wieder in den Schritt durch. Nico hatte sich während des Galopps an meine Fersen geheftet und ich sah, wie er erleichtert aufatmete.
      "Das hättest du nicht tun sollen, wer weiß, was alles passiert wäre!" meinte er vorwurfsvoll. Anscheinend hatte mir der Ritt Selbstbewusstsein und meine sonst so schnippische Zunge zurückgegeben, denn ich wehrte mich gegen Nicos Worte.
      "Halte dich gefälligst von nun an daraus! Ich sitze zehn Jahre länger im Sattel als du und noch nie, NIE ist etwas Schlimmeres passiert. Ich verstehe dich, wenn du dir Sorgen machst, aber das ist zu viel! Komme auf den Boden der Tatsachen zurück, sonst denke ich darüber nach, ob ich doch noch zu Mio nach Nevada ziehe, wenn du mir hier das Leben zur Hölle machst." Ich hatte es getan, ich hatte ihm meine Meinung gesagt. All das, was ich in den Hintergrund gedrückt hatte, zum Wohle unserer Beziehung, und was jetzt erst durch den Galopp wieder ans Licht gerückt ist. Ich war stolz auf mich und sah es al mein Recht an. Auch wenn es irgendwo weh tat, denn bis jetzt hatten wir erst einmal einen Streit aushalten müssen, vor knapp neun Monaten, als ich ihm erzählt hatte, dass ich schwanger war.
      Ich wendete Milosch ab und trieb ihn im Galopp zurück zum Stall. Ich preschte an den Weiden vorbei, dann auf der Landstraße entlang, auf welchen laut die Hufeisen von Milosch prallten und dann die Einfahrt zum Stall hinauf. Erst vor dem Stallgebäude bremste ich Milosch ab, welcher wie immer alles getan hatte, was ich von ihm wollte. Das war mal Liebe.
      Ich band Milosch an seiner Box fest und zog dann den neuen Westernsattel von seinem Rücken, welchen wir uns extra für ihn angeschafft hatten. Nach dem Überputzen entließ ich ihn in seine Box, pfiff Asuka zu mir, welcher brav wie immer im Heu gewartet hatte und machte mich zu Fuß auf den Weg zum Wohnhaus. Ich nahm extra den Weg am Ufer des Tyrifjords entlang, um Nico nicht begegnen zu müssen, welchen ich auf der anderen Seite der Weiden erkennen konnte.
      Klar hatte er irgendwo recht, dass ich beim Reiten jetzt nicht mehr nur mein Leben aufs Spiel setzte, sondern auch das unseres Sohnes, aber er musste mich deswegen nicht wie ein rohes Ei behandeln und das musste er lernen.
      Als ich unseren Hof betrat, sah ich Teodor auf der Bank vor dem kleinen Teich sitzen. Bart lag im Kinderwagen und schien immer noch seelenruhig zu schlafen.
      "Schläft er immer noch?" fragte ich flüstern, als ich mich neben Teo auf die Holzbank fallen ließ.
      "Immer noch ist gut, der war vorhin eine halbe Stunde wach und hat mir die Ohren vollgeheult, was bin ich froh, dass ihn die frische Luft wieder zum Schlafen gebracht hat."
      "Oh man, danke Teo, ich bin dir was schuldig! Ich kann ihn jetzt wieder übernehmen." sagte ich schuldbewusst.
      "Du siehst erholt aus, mein Kind", sagte Teo nur. "Hat dir der Ausritt gefallen?"
      "Ja sehr, er hat endlich alle überflüssigen Gedanken aus meinem Kopf befreit, ich fühle mich viel besser." sagte ich wahrheitsgetreu
      "Dann geh´ wieder spielen, ich packe das hier schon. Glaube mir, ich habe alleine ein Kind aufgezogen, welches dazu auch noch blind war, ich werde mit ihm schon zurechtkommen." brummte Teo.
      Ich blickte ihn erstaunt an. Meinte er das wirklich ernst? "Wirklich?" Die Skepsis in meiner Stimme konnte ich wohl etwas schlecht verbergen, denn Teo schien der Tonfall nicht ganz so gefallen zu haben.
      "Ja ja und jetzt hau ab, bevor ich es mir noch anders überlege!" meinte er trocken.
      Ein freier Nachmittag, das hatte ich schon lange nicht mehr gehabt. Ich drückte Teo, welcher sich in meiner Umarmung steif zurückhielt, und wollte gerade wieder in Richtung Stall verschwinden, als Teo mir noch zurief: "Dafür machst du mal einen längeren Ausritt mit Torun!"
      Ich hob meine Hand zur Stirn und machte diese "Ey ey Sir" Geste, oder wie auch immer man die nannte. Dann beeilte ich mich, dass ich zurück zum Stall kam.

      Nevada, USA – 04:55
      Die Arbeit auf einer Ranch war jeden Tag aufs Neue schweißtreibend und anstrengend, aber es war die beste Arbeit, die ich je getan hatte. Ich hatte schon so einiges gemacht, vom Pizzaliferanten, über Kellnerin bis zur Trainerin, aber noch nie, noch nie habe ich so das Gefühl gehabt, etwas richtig zu machen. Hier war das anders, hier war ich ich, genoss endlich mal das Leben und setzte mich für das ein, was ich schon immer gewollt hatte.
      Es hatte sich viel geändert, auch, dass ich jetzt des Öfteren mit einer Flasche Wein bis tief in die Nacht auf der Terrasse saß, mir lustige Geschichten von Heather anhörte und es schaffte, ganz tief in dem Ranchleben zu versinken.
      Trotzdem begann hier der Arbeitstag viel früher und dauerte meist auch bis zum Dunkelwerden.
      So klingelte auch heute mein Wecker in aller Frühe. Draußen war es noch dunkel, allerdings würde in einer halben Stunde die Sonne aufgehen, genau dann, wenn auf der Ranch die Arbeit begann.
      Ich hatte im Haupthaus, einem altertümlichen Ranchgebäude, ein kleines Zimmer für mich. Es lag in der hintersten Ecke des Dachbodens und jeder der Dielen kündigte durch lautes Quietschen Besuch an.
      Aus Südfrankreich hatte nicht viel den Weg hier her gefunden und so war das Zimmer spärlich eingerichtet, was mir allerdings recht so war. In den letzten sechs Monaten hatte ich gelernt auf alles zu verzichten, was ich nicht unbedingt brauchte.
      Einmal in der Woche war Waschtag, da wurde die Arbeitskleidung der letzten Woche gründlich gereinigt, bevor sie dann wieder eine Woche getragen wurde.
      So zog ich auch heute meine Jeans, ein Top und darüber, zum Schutz vor der Sonne, ein weites helles Hemd an. Vor allem ich mit meiner hellen europäischen Haut war gerne der erste Angriffspunkt böser Sonnenstrahlen.
      Es war Samstag und trotzdem saß Addison bereits am Tisch, als ich die Küche betrat, und schlürfte seinen morgendlichen Kaffee. Ich ließ mich ihm gegenüber auf den Stuhl sinken, zog eine Tasse zu mir heran und goss mir die schwarze Brühe in die Tasse, bis nichts mehr reinpasste. Auch das hatte sich verändert. Kaffee war früher nur ein ekliges Getränk gewesen, welches nur mit reichlich Milch und Zucker schmeckte. Jetzt war es das einzige, was mich an manchen heißen Tagen wach hielt und so war es zu meinem stetigen Begleiter geworden.
      "Was steht heute so an?" begann ich mit Addison ein Gespräch, als unserer beider Tassen fast leer waren.
      Er brauchte länger um zu antworten, schien noch zu überlegen und seine Gedanken zu versammeln, bevor er sagte: "Wichtig ist heute, dass das Wasser auf den Weiden erneuert wird. Die Wannen müssen sowieso mal wieder geschrubbt werden. Ansonsten reite ich heute gegen Mittag gen Norden zu der kleinen Herde, die wir vor wenigen Tagen entdeckt haben. Da kannst du mich begleiten, wenn du möchtest."
      Ich nickte. "Sehr gerne", meinte ich ihm Aufstehen, nahm die beiden Tassen sowie den Krug vom dunklen Holztisch und stellte beides an die Spüle. Das würde ich nachher abwaschen.
      Unser erster Weg führte uns, so wie jeden Morgen, zu einem kleinen Stallgebäude. Hier wohnten zur Zeit drei Fohlen, welche wir vor kurzem erst aufgenommen hatten. Die Fohlen waren bei Einfangaktionen, sogenannten Round-Ups, zu Tode gekommen und die drei Fohlen, welche dieses recht spät geboren waren, wären verhungert. Zum Glück hatten jedenfalls diese drei den Weg zu uns gefunden und auch wenn ihre Aufzucht die ersten Wochen viel Arbeit bedeutet hatte, so hatten sie sich schnell an Menschenhand gewöhnt und waren ein kleiner verrückter Sternenhaufen geworden.
      Bis sie an die Herde gewöhnt werden konnten, würden alle drei hier im Offenstall und später auf einer der kleineren Weiden leben.
      Der Stall hatte etwas Altertümliches, mit seinen verstaubten Holzboxen, den Strohballen in einer Ecke und jeder Menge Sättel und Zubehör, was man auf einer Ranch eben so brauchte. Der eine Teil bestand aus einer großen Box, mit genügend Platz für mehrere Pferde und einer Tür, welcher den Pferden die Möglichkeit bot, das sandige Paddock jeder Zeit zu nutzen.
      Der jüngste von den Drein war Time In A Bottle. Ein eher zurückhaltender und nachdenklicher Hengst, welcher sich mit der Gefangenschaft nicht ganz so anfreunden konnte. Der Stall war wie ein Gefängnis für ihn und selten ließ er sich drinnen blicken. Trotzdem hatte er schnell Vertrauen zu uns gefasst, was bedeutete, dass er weniger vor den Menschen Angst hatte, als vor der Enge der Box. Er war der kräftigste der Drei und verschlang bereits jetzt das meiste Futter.
      Im Gegenteil zu ihm, war Dawn eine überaus zutrauliche und anhängliche Stute, welche uns am Anfang jedoch die meisten Probleme gemacht hatte. Wenn sie nicht auf den Hänger wollte, dann wollte sie nicht und wenn sie mehr Milch wollte, dann versuchte sie das auch mit allen Mitteln durchzusetzen. Kämpferisch und engstirnig, antwortete deswegen unsere Devise.
      Der Letzte im Bunde war unser Sorgenkind gewesen. Durch irgendetwas, hatte Kwatoko bereits in den ersten Lebenstagen das Augenlicht auf der linken Seite verloren und war deswegen äußerst vorsichtig und ängstlich. Schnelle Bewegungen vertrug er gar nicht und bei ihm war es schon immer wichtig gewesen, sein Vertrauen nicht zu brechen, denn dann konnte man es nur schwer wiederbekommen.
      Addi und ich nahmen uns etwas mehr Zeit bei den Fohlen, putzten sie im trüben Licht des Stalls und holten dann unsere Milcheimer, welche, praktischerweise, einen Saugnippel besaßen und so die Zitzen einer Stute imitierten.
      Als die Arbeit im Stall beendet war, schickte mich Addison zu dem Geländewagen, mit welchem wir eine große Wasserbox zu den Weiden bringen wollten.
      Vier Wochen hatte es gedauert und ich hatte meinen Führerschein in der Tasche. Kein sinnloses Wiederholen und viel billiger als es in Europa war, hatte ich ihn mir von meinem letzten Taschengeld geleistet und mittlerweile fuhr ich, als hätte ich jahrelang nichts anderes getan. Täglich war der Jeep gefragt und vor allem die steilen und trockenen Buckelpisten waren die beste Übung für einen Einsteiger.
      Den Wassertank hatten wir bereits am Vortag mit Wasser aufgefüllt, sodass wir den Anhänger nun nur noch an den Jeep anhängen mussten, worin wir beide bereits genügen Übung besaßen. Vor allem bei den heißen Temperaturen sauften unsere Pferde die 1000l innerhalb von zwei Tagen.
      Als der Anhänger befestigt war, zog sich Addison, gefolgt von Ceberus dem stillen Begleiter, auf den Beifahrersitz und schlug die Tür des Geländewagens zu. Kaum saß er, gab ich bereits Gas.
      Ich konnte mir das immer bildlich vorstellen, wie der Jeep die trockene Steinwüste entlang preschte und hinter sich eine große Staubwolke hinterließ. Wie im Film, dachte ich dann manchmal.
      Wir hatten zwei große Weiden, unsere Stuten und unsere Hengste. Da unkontrollierte Zucht unter den adoptierten Mustangs laut BLM (Bureau of Landmanagement) nicht erlaubt war, musste unsere Hengstherde nun auf einer anderen Weide stehen, als ihre Stuten.
      Beide Weiden waren in etwa gleich groß, was bei den vielen Hektar allerdings schwer zu sagen war. Die Weiden waren sogar so groß, dass sich in der Gruppe sogar einzelne Herden abgesplittet hatten, auch wenn das richtige Herdenfeeling dank des BMI noch fehlte.
      Als Erstes führte uns unser Weg zu der Stutenweide. Die Wasserstelle befand sich hier in der Mitte der Koppel an einem etwas geschützten Platz, wo auch bei extremer Hitze das Wasser nicht zu schnell vertrocknete. In zwei großen Wannen schimmerte ein letzter staubiger Rest Wasser, Zeit, dass neues kam. Dank meines guten Auges, konnte ich zwischen einigen Sträuchern ein paar Stuten erkennen, welche schon sehnsüchtig auf neues Wasser warteten.
      "Das ist Quicksilvers Herde", meinte Addison, als er meinem Blick folgte. "Da hinten sind Valhalla und Atius Tirawa." Er deutete auf zwei auffällig gefärbte Stuten im Vordergrund. Kaum hatte er es gesagt, trat auch schon eine dritte Stute aus den Büschen hervor. Quicksilver war eine hübsch geschecktes Pferd mit zweifarbigen Augen und einem lebensfrohen und intelligentem Charakter, welche bereits, kurz nachdem sie auf der Ranch angekommen war, eine der beiden Herden an sich gerissen hatte und diese mit viel Anmut führte.
      Die Stuten hielten vorsichtig Abstand, während Addi und ich mithilfe einer Bürste die Algen und den Staub aus den Wannen kratzten, bevor wir beide mit neuem Wasser auffüllten. Als Silver und ihre Freundinnen das neue klare Wasser sahen, überwanden sie ihre Vorsicht und standen kurze Zeit später um das Wasser gedrängt. Addi und ich hatten uns etwas zurückgezogen, um die Pferde nicht unruhig zu machen.
      Auch dieses Mal wartete ich vergebens auf ein Zeichen von zwei Stuten, welche die weite Reise von Europa mit mir zusammen bestanden hatten. Anaba hatte vor wenigen Tagen ein Fohlen von Chosposi zur Welt gebracht und sich seitdem nur kurz zum Trinken blicken lassen. Laut Addison war es normal, dass die Stute die erste Zeit etwas abseits lebte, aber trotzdem machte ich mir Gedanken um eins meiner liebsten Pferde.
      Auch Flotten von Mutanten hatte die Eingewöhnung in die Gruppe gut überstanden, gehörte aber einer der Pferde an, die sich nur selten blicken ließen und eher die Nacht zum Trinken nutzten. Es war erstaunlich, was Flotte wiedereinmal für eine Veränderung durchgemacht hatte. Erst hier in Nevada war ihr richtiges Ich ans Licht gekommen und auch wenn sie immer noch nicht Reitbar war, hatte sie mittlerweile einen großen Schritt nach vorne gemacht.
      Als die drei Stuten wieder ihren Weg zurück in die Büsche einschlugen, stiegen auch Addison und ich ins Auto, denn auch die Hengste würden bereits auf frisches Wasser warten. Auch diese Wasserstelle hatten wir so eingerichtet, dass sie sich im Innern der Weiden an einem schattigen Platz befand, wo die Pferde in Ruhe trinken konnten, ohne Angst vor Menschen oder Autos haben zu müssen. Hier herrschte eine ganz andere Stimmung, denn auch wenn die Hengste zusammen auf einer Weide lebten, so machte doch jeder von ihnen eher sein eigenes Ding. Einen Anführer gab es trotzdem: Cloud besaß einen muskulösen, jedoch trotzdem zarten Körper, welcher ihm die Gabe verlieh, schnell und vor allem wendig zu sein. Auch wenn er nicht der Größte war, so hatte er doch das Sagen und die Hengste richteten sich auch nach ihm.
      Um die Senke hatten sich mehrere Pferde verteilt, geschützt von hohem Gras oder trockenen Büschen, beobachteten sie jeden unserer Schritte und als auch ihre Wasserstelle wieder mit frischem Wasser aufgefüllt war, sah ich ihnen an, dass sie alle großen Hunger hatten. Unruhig spielten sie mit den Ohren, scharrten auf dem trockenen Boden und ließen somit kleinere Staubwolken entstehen, welche von dem Westwind jedoch recht schnell weggetragen wurden.
      Addison und ich hatten uns bis zu dem Jeep zurückgezogen und warteten nun darauf, dass der Hengst auftauchte, welcher jedes Mal zuerst trank. Lange mussten wir nicht warten, denn einige Minuten später stieg ein schneeweißes Pferd die Senke herab und ließ seinen eleganten Kopf mit der langen Mähne zu den Tränken sinken.
      Nach und nach kamen nun auch die anderen Pferde hinzu, je nachdem, wie hoch ihr Rang war.
      Der nächsten war ein vollkommen brauner Hengst namens Silent Bay, welcher durch sein Alter und seiner Ruhe sich mit der Zeit einen Rang knapp unter Cloud erarbeitet hatte.
      Hinter einem gescheckten Hengst namens Frekur kam dann einer meiner Hengste, Morrigans Hidalgo und ich konnte es nicht verhindern, dass mein Herz einen kleinen Hüpfer machte.
      Nachdem er getrunken hatte, löste er sich auch aus der Herde und kam auf mich zu getrottet.
      "Hallo Hidalgo", flüsterte ich, als er seinen weißen Kopf gegen mich stieß und um eine Streicheleinheit bettelte. Vor allem bei ihm sah ich den Unterschied, den die Wildnis machte. Auch wenn seine Mähne ein einziger Knoten war, so hatte sein Körper jede Menge Muskulatur aufgebaut und seine Trägheit war vollkommen verschwunden.
      Hidalgo blieb einige Zeit bei mir stehen. In der Zwischenzeit beobachtete ich die anderen Hengste, welche nach und nach die Wasserstelle wieder verließen und ein paar Nachzügler kamen, um zu trinken. Darunter war eine kleine Junghengstbande, in welcher ich drei weitere Pferde von mir erkennen konnte. Nicht nur Varys und Imagine There´s No Heaven, auch der neuere Triumph, hatte sich perfekt in die Herde eingegliedert und so waren alle drei zu stattlichen Junghengsten geworden, welche ihr Leben in allen Zügen genossen.
      Als es für uns Zeit wurde aufzubrechen, kraulte ich Hidalgo ein letztes Mal hinter den Ohren, bevor ich wieder hinter das Steuer des Jeeps stieg und vorsichtig das Auto samt Anhänger wendete und zurück zur Ranch fuhr.
      Mittlerweile war die Sonne vollständig aufgegangen und erwärmte die Erde jede Sekunde mehr. Heute Mittag würde die Sonne die Erde so erhitzt haben, dass man barfuß nicht mehr laufen konnte.
      Zurück auf der Ranch sah ich als erstes Heather, welche gerade die Tür des Haupthauses hinter sich zuzog und die Verandatreppe herunter hechtete.
      "Guten Morgen Heather!" rief ich aus dem offenen Autofenster, bevor ich es auf dem Parkplatz neben dem Haus abstellte und Addison und ich aus dem Auto stiegen.
      "Ach Gott sei Dank, ich treffe euch noch", war Heather erleichtert. "Ich wollte gerade nach Las Vegas und Chill und Buck abholen, außerdem muss ich gleich darauf zur Arbeit. Ich komme wohl erst nächste Woche wieder und wollte euch noch verabschieden." erzählte sie in solch flottem Tempo, dass selbst ich Probleme hatte hinterher zu kommen. Dann umarmte sie mich kräftig, bevor sie das gleiche auch bei Addison tat. "Wir werden uns nachher wohl nicht sehen, ich schmeiße die Jungs nur raus und fahre gleich wieder. Ich werde sowieso zu spät kommen!"
      Sie rannte zu ihrem kleinen Roten, winkte uns nochmal hektisch zu, bevor sie in einem Affenzahn von der Ranch düste, den man ihr gar nicht zugetraut hätte. Ich grinste ihr hinterher und merkte gar nicht, dass mich Addi von der Seite beobachtete.
      "Du magst sie wirklich, oder?", fragte er und ich nickte nur erstaunt. Solche Gespräche mit Addi waren selten, Gespräche über Gefühle und Vergangenheit. Mir war das meist nur recht, auch ich wollte das Geschehene hinter mir lassen, aber trotzdem vermisste ich es manchmal, mit jemanden darüber reden zu können.
      Addi sprach weiter. "Sie ist wirklich eine Gute. Ich hätte das nie alles ohne sie geschafft und auch wenn sie in Vegas wohnt, so war sie bis jetzt doch immer da, wenn ich sie gebraucht habe." Plötzlich brach Addi ab, fast so, als schien er sich bewusst geworden zu sein, dass das nicht sein Stil war, über so etwas zu sprechen, und wendete sich zum Haupthaus um. "Kommst du? Ein kleines Frühstück wartet auf uns. Ich habe Hunger."

      Norwegen, Buskerud - 14:49
      Als ich zurück im Stall ankam, hatte er sich in der kurzen Zeit meiner Abwesenheit wesentlich gefüllt. Ich traf nicht nur Nico, welchem ich allerdings keines Blickes würdigte, sondern auch noch die junge Torun, sowie unsere beiden weiteren Hofbewohner Malte und Petyr. Malte und Petyr leiteten zusammen einen Ausbildungsbetrieb und waren so recht viel auf Achse. Wenn sie allerdings auf dem Hof anzutreffen waren, packten sie immer mit an. Auf ihre Hilfe war immer verlass.
      Petyr sattelte gerade einen großen Friesen ab. Batman gehörte dem jungen Mann und die beiden waren genauso ein Herz und eine Seele wie Marid und Nico.
      Torun saß in der Mitte der Stallgasse auf einem Heuballen und ließ die Beine schlenkern. Sie schien mit Malte zu erzählen, welcher in eine Schubkarre Stroh auflud. Nicos blonden Schopf konnte ich in der Box von Marid ausfindig machen, um welche ich einen großen Bogen machte. Meiner Meinung nach musste er spüren, dass er übertrieben hatte.
      Ich grüßte dafür umso ausführlicher die beiden jungen Herren und dann Torun, neben welche ich mich auch niederließ.
      "Ich hoffe, ich störe euer Gespräch nicht?" fragte ich Malte, welcher aber nur abwinkte und meinte: "Ich habe sowieso zu tun, alles gut."
      Als er seine Schubkarre davon geschoben hatte, fragte ich das junge Mädchen neben mir: "Du Tori, was hältst du von einem Ausritt?" Wie ein kleines Mädchen hörte ich mich vermutlich an, allerdings hatte mich der Erkundungswillen wieder gepackt und ich wollte unbedingt noch einen weiteren Ausritt machen. Pferde hatten wir ja genügend, welche etwas Bewegung brauchten.
      Ohne mich anzuschauen, ich war dies mittlerweile gewöhnt, antwortete mir Torun erfreut. "Wirklich? Wir können zusammen ausreiten?" Ich merkte, wie das Mädchen aufgeregt mit den Beinen zu wippen begann. Ich lachte. "Klaro, und das am besten jetzt sofort! Teo hat bereits zugestimmt, es steht uns also nichts mehr im Wege. Machst du Abs fertig? Dann treffen wir uns in zwanzig Minuten vor dem Stall."
      "Oh ja!" rief Torun wie ein kleines Kind freudig und sprang gekonnt von dem Ballen. Trotz ihrer Blindheit, welche sie durch eine Impfung in jungen Jahren langsam erlangt hatte, bewegte sie sich im Stall genauso sicher wie ein Sehender. Jahrelang hatte sie von ihrem Vater Reitunterricht auf dem großen Wallach Abs bekommen und nicht nur das Mädchen, auch das große Pferd hatten sich auf die Situation eingestellt und bei kaum etwas brauchte Torun nun noch Hilfe. Sie bewies es, in dem sie gezielt eine der hinteren Box anstrebte und dort den Riegel zur Seite schob. Sofort kam eine dunkle Schnauze hervor geschossen, welcher ihr ins Gesicht schnaubte. Ich freute mich für das Mädchen, welches trotz ihrer Behinderung ihr Leben genießen durfte.
      Ganz unbewusst hatte auch ich mich vor ein Problem gestellt: Welches Pferd sollte ich reiten?
      Ich sprang vom Ballen herunter und ging dann zu einer der Boxenseiten. Mit einer Hand strich ich an den Boxenwänden entlang, schaute in jede rein und überlegte mir ganz genau, ob ich nicht dieses Pferd reiten wollte. Viele der Pferde gehörten gar nicht uns, sondern Petyr oder Malte, sodass gar nicht mehr ganz so viele übrig blieben.
      Bei Jeanies Box blieb ich länger stehen, allerdings nur, um die kleine Jelda zu bestaunen, welche auf dem Boxenboden lag und sich genüsslich entspannte. Rechts und links von Jeanie und Jelda standen die beiden kleinen Ponys Excelsior und Braum van Ghosts. Excelsior sah sich als Ersatzvater und der junge Braum schien seit seiner Ankunft vor wenigen Monaten in die Stute verliebt zu sein. Leider sollte er erstmal ein Hengst bleiben, sodass wir ihm nicht die Ehre hatten erweißen können, mit der Stute zusammen auf einer Weide zu stehen.
      In den nächsten Boxen standen die großen Barockpferde Petyrs. Flame, Ezio, Esmeralda, Fenicio, Wild Cherry, El Montino und die kleine Sacarina. Alles wunderschöne Pferde, aber ganz bestimmt nicht das Temperament, welches mir zusagte. Da gefielen mir die beiden Friesenhengste Xinu und Batman schon viel besser, welche gleich daneben standen.
      Nach diesen Pferden kamen ein paar Boxen mit Jungtieren. Tysbe, Scion d'Or, Aspantau und Sleipnir.
      Bei dem etwas langsameren Leiðtogi sagte mein Gefühl auch nein und die beiden Vollblutstuten Grenzfee und Teufelstanz waren auch nichts für einen gemütlichen Ausritt mit Torun. Na super. Entweder war ich zu wählerisch oder wir hatten zur Zeit wirklich kaum Pferde zum Reiten. Ocarina of Time konnte ich zur Zeit auch vergessen und der Rest der Pferde waren kleine Shetlandponys, welche vor allem zum Fahren ausgebildet worden waren.
      Erst in den letzten beiden wurde ich fündig. Ich hatte mich lange davor gesträubt, eine der beiden Stuten zu reiten, denn nie hatte sich wer anders auf die zarten Tekkiner gesetzt, als Shadow. Er hatte seine Liebe für die orientalischen Distanzpferde entdeckt und so hatten wir es nicht übers Herz gebracht, die beiden Stuten zu verkaufen.
      Im Gang entdeckte ich eine vereinsamte Putzbox, welche ich mir gleich als mein Eigentum annahm und aus dieser das benötigte Putzzeug für Charelle herausholte.
      Nelly, wie sie immer Fürsorglich von Shadow genannt worden war, betrachtete mich etwas skeptisch, wahrscheinlich hätte sie nicht erwartet, dass ausgerechnet ich sie reiten wollte. Trotzdem blieb sie ruhig. Sie hatte sehr an Shadow gehangen und vor allem die ersten Wochen waren so für sie überhaupt nicht einfach gewesen.
      Ich war gerade dabei den linken Vorderhuf von Nelly vom Dreck und Mist zu säubern, als jemand zaghaft gegen die Boxentür klopfte. Ich ließ Nellys Huf fallen, richtete mich etwas ungelenkig auf und wischte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Zum Friseur musste ich dringend auch mal wieder.
      "Hey du, möchtest du noch einen Ausritt machen?" Nicolaus stand an der Boxentür angelehnt und beobachtete mich etwas bedrückt, so als würde er es wirklich bereuen.
      Ich nickte. "Ja, etwas dagegen?" Ich machte mich bereits bereit für einen Gegenangriff, doch Nico schüttelte nur stumm den Kopf und griff dann zu meiner Hand. Erst hatte ich das Bedrängnis mich befreien zu müssen, Nico hielt diese jedoch standhaft fest und so gab ich schnell nach.
      "Nein überhaupt nicht. Du hattest Recht, ich habe übertrieben. Das wird nicht wieder vorkommen. Ich lasse dir von nun an deine Freiheit, versprochen!" sagte er und ich sah, wie eine kleine Träne in seinen Augen schimmerte.
      In diesem Moment überwältigte mich das Gefühl, ihn ganz fest umarmen zu müssen und das tat ich auch. Er schien erstaunt, dass ich ihm so schnell vergab, aber ich brauchte ihn, ich brauchte ihn vor allem jetzt und auch wenn ich vor kurzem noch si getan hätte, als wäre ich taff genug, so hatte ich immer irgendwo gewusst, dass ich ohne ihn nicht konnte.
      Nico erwiderte meine innige Umarmung und schien genauso erleichtert wie ich, dass wir das geklärt hatten. Wahrscheinlich hätten wir hier in der Boxentür auch noch einen weiteren Tag so gestanden, wenn uns nicht ein lautes: "Du hast ja noch gar nicht gesattelt Charly!" abrupt auseinander hätte fahren lassen. Torun stand neben uns, hatte sich wahrscheinlich so langsam angeschlichen, dass weder ich noch Nico diese mitbekommen hatten.
      "Woher weißt du das?" fragte Nico sie etwas erstaunt. Schon immer hatte er sich vieles nicht erklären können, was Torun alles schaffte. Immer wieder hatte er mich am Anfang gefragt, wie sie es schaffte, sich jeden Tag aufs Neue perfekt kombiniert anzuziehen und nicht mit gestreiften Hosen und einem gestreiften Hemd im Stall aufzukreuzen.
      Torun zuckte mit den Schultern. "Das merke ich", meinte sie nur. "Kommst du etwa auch mit?" ging ihre Frage an Nico. Dieser blickte mich kurz fragend mit großen Augen an und da konnte ich nicht anders, als zu nicken.
      "Ja, komme ich."

      Ein paar Minuten später standen wir zu dritt vor dem Stallgebäude. Nico hatte nicht lange mit sich fackeln lassen uns sich für die andere Stute von Shadow entschieden, April Rain.
      Torun ritt wie immer ihren Abs, einen großen Mix, welcher fast das größte Pferd im Stall war. Dafür war Abs das perfekte Pferd für Torun. Ruhig, gelassen und voller Verständnis für seine blinde Freundin. Perfekt mit einem bequemen Wanderreitsattel gesattelt stand er da. Torun hielt seine Zügel in der Hand und wartete darauf, dass man ihr in den Sattel half. Der aufmerksame Malte ließ deswegen seine Schubkarre stehen und ging zu Torun, welche seine Hilfe gerne in Anspruch nahm.
      Malte Tordenværson, ein junger Schwede, welcher bereits in jungen Jahren mit seinem Freund Petyr Holmqvist einen Ausbildungsbetrieb eröffnet hatte und seitdem um die ganze Welt reiste, um Pferde zu trainieren.
      Malte hatte das Aussehen eines Winkingers, blonde Haare, an den Seiten leicht gestutzt und den Rest mit einem Lederband zusammengebunden. Sein blonder Bart, war das ein Zehntagebart?, war stets gut gestutzt und saß immer perfekt.
      Wenn er nicht gerade Pferde trainierte, war er mit seinem schwarzen Wolfshund Geri unterwegs, oder kümmerte sich um seine Zackelschafe. Ja, Zackelschafe. Eine gefährdete Rasse, welche vor allem für ihre langen Hörner bekannt waren. Die kleine Herde stand einige Kilometer weiter auf einer Weide und dort durften sie ihr Leben genießen.
      Auch Nico und ich zogen uns, nachdem Torun sicher saß, in unsere Distanzsättel. Ich dankte Malte mit einem kurzen Nicken, bevor wir uns zu dritt vom Hof bewegten.
      Auch wenn man es nicht glaubte, auf dem Pferd bewegte sich Torun noch sicherer, von ihrer Blindheit war hier kaum noch etwas zu spüren.

      Nevada, USA - 10:49
      Nach einem gemütlichen und ausführlichen Frühstück, zogen Addison und ich unsere Stiefel wieder an und liefen zu zwei Weiden, welche etwas versteckt hinter dem Haus lagen. Auf jeder dieser Weiden standen nur zwei Pferde, zwei Hengste und zwei Stuten. Einen der Hengste kannte gut, besser gesagt sehr gut. Mein Chosposi. Cho teilte sich die Weide mit einem hübschen Hengst namens Apokalypse. Die Weiden lagen gleich nebeneinander, waren nicht so groß wie die der anderen Pferde, boten jedoch trotzdem genügend Platz, um sich frei bewegen zu können.
      Auf der anderen Weide standen die beiden Stuten. Beide waren Rappschecken, vom Charakter her aber extrem unterschiedlich. My Canyon war das private Pferd von Addison. Bereits vor vielen Jahren hatte er die verängstigte und verletzte Stute bei sich aufgenommen und mit viel Mühe zu dem Reitpferd gebracht, welches sie jetzt war. Candy, wurde sie zärtlich genannt. Die andere Stute fiel vor allem durch ihr überaus blaues Auge auf, aber auch durch ihren aufdringlichen und anhänglichen Charakter. Battle Cry und Apokalypse waren die beiden Pferde von Addisons Söhnen. Mit ihnen zusammen hatte er die Mustangs gezähmt und man glaubte es kaum, aber Buck und sein Apo und Chill und seine Cry waren so feste Freunde, wie man es wohl nicht ganz so schnell finden würde.
      Alle vier Pferde erwarteten uns bereits, als wir die Halfter von den Pfosten nahmen. Ich öffnete das Gatter zur Hengstweide, Addi das Gatter zu den Stuten. Apo bekam von mir eine ausführliche Begrüßung, bevor ich mich meinem Chosposi zuwandte. Ich hatte ihn mir als Reitpferd ausgesucht, weil ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte. Zärtlich strich ich ihm das Halfter über die Ohren und führte ihn dann von der Weide. Auch Addi hatte seine Candy aufgehalftert und zu zweit führten wir die beiden dann zurück zur Ranch.
      Nachdem beide Pferde gesattelt waren, stiegen wir auf und Addi führte mich von der Ranch hinunter in die verzweigte Landschaft des Red Rock Canyons.
      Erst vor einigen Tagen hatten wir bei einem unserer Rundfahrten eine neue kleine Herde wilder Mustangs entdeckt, welche wohl noch nicht allzu lange bei uns in der Gegend weilte. Addison wollte nun die Pferde zählen, sowie Aufzeichnungen machen, wer sich alles in der kleinen Herde befand.
      Cho und Candy waren mittlerweile ein eingespieltes Team und auch Addi und ich hatten gelernt, zusammenzuarbeiten.
      Als wir das schroffe Gebirge des Canyons verließen und auf dem trockenen Boden der Wüste weiter ritten, war ich froh, mir vorhin nicht nur jede Menge Sonnencreme ins Gesicht geschmiert zu haben, sondern auch den überaus praktischen Cowboyhut auf dem Kopf zu haben.
      Nachdem wir einiger Zeit einem kleinen Trampelpfad gefolgt waren, parierte Addi in den Stand durch und gab auch mir das Zeichen zum Anhalten.
      "Siehst du da vorne?" flüsterte er und reichte mir ein kleines Fernglas. Gut gedeckt von trockenen Büschen, standen drei braune Pferde einige hundert Meter vor uns.
      Ich nahm das Fernglas entgegen und versuchte die Pferde zu erkennen.
      "Das sind nur drei Junghengste", meinte ich, als ich Addison das Fernglas zurückgab. "Die scheinen zu keiner Herde zu gehören."
      Auch Addison warf einen Blick durch das Fernrohr, bevor er nickte und es wieder zurück in seine Tasche steckte. "Hast recht, das ist nur die kleine Junghengstherde."
      Einen kleinen Bogen schlagend umritten wir die drei Mustangs, um diese nicht zu stören. Wir hielten uns weiterhin nach Norden und achteten angestrengt Ausschau, nach einer Herde.
      "Vielleicht sind sie bereits weitergezogen", meinte ich Addi, als wir einen der westlichen Ausläufer des Canyons erreichten.
      "Gut möglich, aber es wäre seltsam, wenn sie ihren Weg so schnell fortgesetzt hätten. Wir reiten etwas weiter in den Canyon, vielleicht haben sie dort nach Schutz gesucht."
      Die Mittagssonne prallte auf uns und unsere Pferde und so war es recht angenehm, als die großen Wände und Steinfelsen des Red Rock Canyons uns etwas Schatten spendeten. Die Pferde waren die langen Touren durch den Canyon bereits gewöhnt und trotzdem hatten sie mit der Hitze arg zu kämpfen.
      Addison schien die Hoffnung schon fast aufgegeben zu haben, dass wir die Herde noch finden würden, als ich einige Bewegungen hinter einigen Steinen vor uns entdeckte. Das Tal, durch welches wir ritten, führte einen kleinen und fast ausgetrockneten Bach mit sich und so war es nicht verwunderlich, dass die Herde sich hier verstecken könnte. Diesmal gab ich Addi das Zeichen zum Stehenbleiben und deutete langsam auf einige Mustangs, welche im Schatten eine Mittagspause eingelegt hatten.
      "Das müssen sie sein." flüsterte Addi, bevor er sich aus dem Sattel von Candy gleiten ließ. Die Stute blieb ruhig stehen und Addi machte sie wie immer nicht die Mühe, seine Stute anzubinden. Schon immer hatte ich das Vertrauen bewundert, welches der Mann in seine Pferde hatte.
      Auch ich kletterte vorsichtig aus dem Steigbügel, überlegte kurz, was ich mit Cho tun sollte und schenkte ihm dann mein Vertrauen, dass auch er sich nicht aus dem Staub machen würde, bevor ich Addi langsam folgte.
      Addi bewegte sich still und langsam voran und trotzdem blieb er aufrecht. Die Pferde mussten merken, dass wir uns nicht anschlichen, also nichts Böses wollten. Der Wind wehte auf die Herde zu, ein kleiner Nachteil für uns, sodass die Mustangs uns schon recht früh bemerkten. Das erste Pferd, welches den Kopf hob, war ein hübscher, aber von vielen Narben gekennzeichneter Falbhengst, wahrscheinlich das Alphatier. Es blähte die Nüstern auf und ließ uns nicht aus seinem Blickfeld, machte jedoch keine Anzeichen abzuhauen. Er schien uns zu akzeptieren, solange wir nicht näher an seine Herde kamen.
      Außer dem Hengst konnte ich noch fünf Stuten erkennen, von welchen drei einen keinen Nachwuchs bei sich trugen. Auch Addison hatte sich mittlerweile auf dem steinigen Boden niedergelassen und machte sich erste Aufzeichnungen über die Herde. Aussehen, Alter und besondere Merkmale, gegliedert nach Rangordnung. Ich versuchte stetig von ihm zu lernen, denn Addison besaß ein besonderes Auge dafür, wie die Herde aufgebaut war und konnte mir genau sagen, wer von den Pferden neben dem Alphatier den höchsten Rang hatte und wer den niedrigsten.
      Einige Minuten saßen wir schweigend da und beobachteten die Pferde, bevor sich ganz unerwartet ein Jungtier von der Herde löste und auf uns zu getippelt kam. Es war erst wenige Wochen alt, war aber hübsch gescheckt mit blauen Augen, in welchen das Verlangen nach Abenteuer glitzerte.
      Einige Meter vor uns blieb es stehen, streckten den Kopf nach vorne und schnüffelte an der Hand, die ich ihm hinhielt. Das Fohlen schüttelte den Kopf, sprang ihn die Luft, drehte sich um und flitzte in einem Affenzahn zurück zur Herde, sodass ich laut auflachen musste. Addi warf mir einen warnenden Blick von der Seite zu, lächelte aber trotzdem leicht, als er sich wieder umdrehte.
      "Komm lass uns zurück, ich habe alles Wichtige." meinte Addison, bevor er aufstand und mir die Hand hinhielt. Etwas verblüfft nahm ich seine Hand an und ließ mich von ihm auf die Beine helfen.

      Als wir am späten Nachmittag zurück auf die Ranch geritten kamen, wurden wir von zwei überaus quicklebendigen Jungs begrüßt, welche nichts anderes zu tun hatten, als auf dem Hof Fußball zu spielen. Chill und Buck waren zwei Zwillinge wie aus dem Bilderbuch. Abenteuerlustig, verspielt und beide bauten des Öfteren Mist. Trotzdem waren sie so gut erzogen, wie kaum ein anderer. Sie liebten das Leben auf der Ranch und packten, trotz ihrer knappen zehn Jahre, schon mit an, wenn etwas zu tun war. Dazu konnten sie noch reiten wie ein Weltmeister und ich war mir sicher, dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten würden, sobald sie alt genug waren.
      Da sie weit außerhalb wohnten, mussten sie nur dreimal in der Woche zur Schule, um dort in den wichtigsten Fächern wie Englisch und Mathe unterrichtet zu werden. Alles andere mussten sie zuhause in Eigenarbeit lernen. Zum Glück hatte Heather und auch Addison viel Ahnung von den wichtigsten Dingen, sodass beide in der Schule kaum Probleme hatten.
      Ohne das Addison etwas sagen musste, hörten die beiden auf zu spielen, als wir auf den Hof kamen und machten uns Platz, damit wir die Pferde absatteln konnten.
      "Hey Dad!" rief Chill und beide kamen auf uns zu gerannt. "Habt ihr die Herde gefunden?" Addison nickte nur und wuschelte seinen beiden Jungs durch die Haare. "Ja haben wir, das können wir euch nachher erzählen. Habt ihr Lust die beiden Pferde zurück zur Weide zu bringen? Ich mache euch in der Zwischenzeit einen Kakao, ja?"
      Ganz so begeistert schienen die Beiden nicht zu sein, allerdings nahm mir Buck trotzdem meinen Chosposi ab und Chill schnappte sich My Canyon von Addison und brachten die beiden Richtung Weide.
      Währenddessen folgte ich Addison ins Haupthaus, wo wir in einem Topf Milch für einen Kakao erhitzten. Auch ich hatte unendlich Durst und konnte es kaum erwarten, meine trockene Kehle mit etwas leckerem wie Kakao zu füllen.
      "Mio?" richtete Addi eine Frage an mich. Ich gab ihm mit einem kleinen "Mhm?" zu verstehen, dass ich ihm zuhörte. "Am Montag ist ein Vereinstreffen, da will ich Heather auch mitnehmen. Kannst du zufällig Chill und Buck zur Schule bringen?"
      Ich seufzte knapp und nickte dann aber. "Ja klar, kein Problem."
      "He", Addi stupste mich an. "Lüge nicht, es ist ein Problem für dich, aber mir fällt gerade keine andere Lösung ein. Du weißt, dass ich Heather als Journalistin brauche."
      Ich nickte. "Jaaa, ich weiß." Natürlich verstand ich ihn, aber vor allem zu dieser Jahreszeit waren die Vereinstreffen immer die spannendsten. Seit einigen Tagen hatten die vom BLM organisierten Round-Ups wieder begonnen, was bedeutete, dass wilde Mustangs mit Hilfe von Hubschraubern zusammengetrieben wurden, um dann in sogenannten Holdingfacilities auf eine Adoption zu hoffen, denn sonst endete ihr Weg wohl oder übel in einer der Schlachtereien in Kanada, Europa oder China, denn dort war es noch erlaubt, Pferden den Kopf abzuhacken.
      Mittlerweile hatten sich viele Vereine gegründet, welche gegen diese Misshandlung kämpften und natürlich war Addi seit Jahren bei einer solchen im Vorstand. Heather begleitete ihn deswegen des Öfteren, denn die Journalistin arbeitete für eine freie Zeitung, welche immer Interesse daran zeigte, über die Mustangs zu informieren. Natürlich verstand ich, warum ausgerechnet ich nicht mitkonnte.
      Addi strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und lächelte mich mitfühlend an. "Beim nächsten Mal Mio, da darfst du wieder mit, versprochen!"

      Buskerud, Norwegen - 16:29
      Der Ausritt mit Nico und Torun war, im Gegenteil zu heute Morgen, etwas ganz besonderes gewesen. Wir hatten eine andere Strecke gewählt, hatten viel erzählt und gelacht und ich hatte es tatsächlich geschafft, Nico vollends zu vergeben.
      Nelly schien endlich mal wieder losgelöst und entspannt laufen zu können und auch ihre beste Freundin April, schien den Ritt zu genießen. Abs und Torun waren, wenn der Weg breit genug gewesen war, zwischen uns geritten, um nicht vom Weg abzukommen.
      Gesund und munter waren wir so nun zurück auf dem Gelände angekommen und wurden auch schon von einem etwas gestressten Teodor und einem breit grinsenden Bartholomäus erwartet, welcher, sobald ich vom Pferd abgestiegen war, seine Hände nach mir ausstreckte. Ich machte mit Teo einen passenden Tausch, nahm ihm den kleinen Bart ab und gab die Zügel von Nelly an ihn weiter.
      Normalerweise wäre ich jetzt mit Bart zurück zum Haus gegangen, doch ich entschied mich dafür, das Tragetuch aus dem Kinderwagen zu kramen und mir den kleinen Bart recht geschickt auf den Rücken zu binden. So konnte der kleine alles beobachten und ich hatte die Hände für andere Aufgaben frei.
      Mittlerweile war es später Nachmittag und unsere Pferde traten mit den Hufen gegen die Boxentüren, denn das Verlangen nach den großen Weiden war in ihnen erweckt worden.
      Malte und Petyr waren auch noch im Stall, sodass wir uns kurz darauf zu einer kleinen Besprechung trafen, bei welcher wir klärten, wer welche Pferde auf die Weiden bringen würde.
      Zusammen mit Nico sollte es meine Aufgabe sein, unsere kleineren Pferde und die Fohlen rauszubringen, während Petyr sich der Stutenweide vornehmen würde und Malte und Teodor den Hengsten.
      Nico und ich trafen die Entscheidung, erst Jeanie und die kleine Jelda, zusammen mit California's Small Caramel Candy und der etwas zickigen Ocarina of Time auf die kleine Stutenweide direkt vor dem Stall zu bringen. Jelda wusste ganz genau wo es hinging und versuchte deswegen mit Umwegen die Umgebung zu erkunden, bevor sie ihrer Mutter dann hinterher galoppiert kam. Als die vier auf der Weide standen, nahmen wir uns die anderen vier Ponys vor. Excelsior, Braum, Braddock 'The Parrot' und Slaughterhorse. Auch diese kamen auf eine nicht allzu weit entfernte Weide, von wo aus Exel und Braum die gemeinsame Freundin Jeanie gut im Blick hatten.
      Als wir gerade zurück im Stall waren, hatte Malte zwei Pferde von Petyr an der Hand. Es waren zwei Hengste, Jupiter und White Face, welche Petyr beide nur als Freizeitpferde besaß. Ich nickte Malte nur kurz zu, bevor dieser mit den beiden Pferden um die Ecke verschwunden war.
      "Und nun?" fragte ich Nico, welcher auch schon zu überlegen schien.
      "Jetzt wären die ganzen Jungpferde an der Reihe, aber das sind so viele, dass wir das wohl nicht alleine schaffen werden. Vielleicht warten wir noch auf die Anderen und füttern in der Zeit unsere Minis." meinte Nico und deutete auf das andere Ende des Stalls, wo wir zwei größere Boxen für die ganz Kleinen unter uns hergerichtet hatten.
      Irgendwie hatten sich bei uns so einige Shetlandponys angesammelt, aber auch ein kleiner Falabellahengst von Torun war dabei. Lange Zeit hatten der kleine Hengst namens Treebeard und Abs alleine auf einer Weide gestanden. Dieses Bild von dem großen Wallach und dem kleinen gepunkteten Hengst ging mir einfach nicht aus dem Kopf und immer wenn ich daran dachte, musste ich grinsen.
      Die Minis waren auch hier natürlich in Stuten und Hengste geteilt. Während auf der einen Seite Batida de Coco, Belle und My Hope Nymeria, stand auf der anderen Seite die kleine Hengstbande, bestehend aus dem kleinen Marshmallow, Vipke van de Zandhoven, Treebeard, Lambardo und Happy teilten sich den Platz auf der anderen Seite. Die Kleinen hatten ganztägig Auslauf und lebten sozusagen in einem Offenstall. Während ich Wasser und Heu bei den Damen kontrollierte, tat Nico das Gleiche bei der männlichen Fraktion. Solche kleinen Pferde waren schon überaus niedlich.
      Genau richtig kamen wir von den Minis zurück, denn auch die anderen hatten sich mittlerweile eingefunden, sodass wir nun fünf Leute waren, die die Jungpferde auf die gemeinsame Weide bringen konnten.
      Ich schnappte mir zwei Vollblutfohlen, die hübsche Scion und den abenteuerlustigen Aspantau. Leider würde irgendwann die Zeit kommen, wo wir beide trennen mussten. Aspantau sollte ein Hengst bleiben und auch so Leid es mir tat, durfte Scion ab einem gewissen Punkt nicht mehr mit ihrem Freund zusammenleben.
      Nico schnappte sich die beiden kleineren Sleipnir und Imagine Dragons, während Malte sich Seattle's Scarlett vornahm und Petyr sich seine Tysbe und Sacarina schnappte. Für Teo blieb deswegen nichts übrig, was er aber nicht allzu tragisch fand.
      Fast hatte ich den kleinen Bart auf meinem Rücken vergessen, welcher das Geschehen mit großen Augen beobachtet hatte und sich nun durch lautes Geräusche machen wieder bemerkbar machte. Ihm schien der Trubel und die Arbeit nichts auszumachen, stellte ich erleichtert fest.
      Die Jungpferde kamen auf eine der Weiden, welche umringt von Bäumen etwas geschützter auf der anderen Straßenseite lag. Dort entließen wir diese, bevor wir zurück zum Stall schlenderten. Stallarbeit war dann morgen früh angesagt, bevor die Pferde über die Mittagszeit wieder zurück in den Stall kamen.
      "Hast du Lust auf einen Spaziergang?" fragte mich Nico. Er nahm meine Hand und zog mich, ohne auf meine Antwort zu warten, am Stallgebäude vorbei zum Ufer des Tyrifjords. Asuka schloss sich uns an, anscheinend hatte er das Wort "Spaziergang" vernommen und das war eines seiner Lieblingswörter.
      Bart war mittlerweile auf meinem Rücken eingenickt und sein gleichmäßiger Atem pustete mir in den Nacken.
      Ich ließ meinen Blick über den Tyrifjord hinaus schweifen. Schwach konnte man die andere Uferseite erkennen und fast fühlte es sich so an, als ständen wir am Meer. Eine einsame Möwe kreiste über uns, zu hoch, um sie genau erkennen zu können und ein kleines Fischerboot ratterte wellenschlagend auf dem oberen Ende des Tyrifjords. Asuka patschte schwanzwedelnd durchs Wasser und Nico, Bart und ich schlenderten über den sandigen Boden.
      So gut es mir in Südfrankreich gefallen hatte, hier hatte ich mein Zuhause gefunden und ich hoffte, dass es Mio in Nevada genauso gehen würde.
    • Canyon
      Ankunft zweier Fellkugeln
      8. August 2016 | © Canyon

      Buskerud, Norwegen - 06:56
      "Du siehst aus wie Frankenstein höchstpersönlich!" Verschlafen und mit geschwollenen Augen wurde ich am frühen Morgen von Petyr begrüßt, welcher natürlich putzmunter und fröhlich bereits mit der Stallarbeit begonnen hatte. Träge nahm ich mir eine Mistgabel zur Hand und schlurfte dann weiter zu meinem Freund.
      "Ich hoffe, ich bin noch nicht grün im Gesicht." murmelte ich und stieß die Boxentür neben der von Petyr auf. "Solange mir noch keine Schraube aus dem Kopf schaut und mich die Pferde noch erkennen, ist alles gut."
      Petyr lehnte sich lachend auf seinen Stil der Mistgabel und blickte durch die Gitterstäbe der Box zu mir herüber. "Wenn du schon nicht geschlafen hast, dann musst du mir jedenfalls erzählen, WARUM du nicht geschlafen hast." meinte er und grinste. Wahrscheinlich vermutete er eine geheime Liebesaffäre oder was weiß ich. Leider musste ich ihn jedoch enttäuschen.
      "Geschlafen habe ich, aber anscheinend nicht genug." Abwartend blickte Petyr mich an und ich seufzte. Eigentlich hatte ich noch keine Kraft und Lust jetzt so viel zu erzählen, aber ich kannte meinen Freund, so schnell würde er nicht locker lassen.
      "Julie ist gestern wieder zufrieden in Amsterdam gelandet. Nach einem Jahr ohne feste WLAN-Verbindung haben wir natürlich die Chance ergriffen und geskypet und das, wie du ja bereits mitbekommen hast, bis tief in die Nacht hinein." Ich gähnte.
      "Uuund? Was hat sie erzählt?" harkte Petyr nach.
      "Jaja, kein Stress!" sagte ich leicht genervt, während ich die Arbeit in der Box aufnahm. Dabei musste ich meine Stimme allerdings erhöhen, damit mich Petyr weiterhin verstand. "Sie meinte, sie wäre dunkler als die verbrannten Plätzchen, die ihr Tante Annika zur Begrüßung gebacken hatte und auch wenn das Bild sehr unscharf war, kann ich das nur bezeugen. Leider passt dieser Hautton so gar nicht zu ihren roten Haaren."
      Ich legte die Mistgabel in die Schubkarre und wechselte die Box. Petyr tat es mir gleich und sobald wir wieder in einer Box standen und Mist schaufelten, erzählte ich weiter.
      "Ansonsten schwärmte sie vor allem von Indien, da war sie den letzten Monat, und von der Reise mit dieser Eisenbahn da, die durch ganz Sibirien rollt. Der Name ist mir entfallen, aber auch nicht so wichtig." Ich legte eine kurze Pause ein, in welcher ich kurz verschnaufte und meine Gedanken sammelte. "Sie war überglücklich und hat beständig über beide Ohren gestrahlt. Aber wie wäre es, mein Lieber Petyr, wenn du sie das einfach selbst fragst, wenn sie mich in ein paar Tagen besuchen kommt?"
      Petyrs Kopf erschien vor den Boxengittern. Sein Blick sprach Bände, wie man es so schön sagte. "Sie kommt? Sie hat dich doch schon seit Jahren nicht mehr besucht!" Ich zuckte die Schultern. " Übertreibe nicht, etwas öfter hast du sie schon gesehen, sonst wärst du nicht so vernarrt in sie. Sie will ja sowieso weiter zu unserem Vater nach Östersund, da ist der kleine Umweg hier her ja kein Problem. So und nun lass uns diese Schubkarre zum Mist bringen, so langsam ist sie übervoll!"
      Petyr nickte, schien jedoch ganz woanders in Gedanken zu sein. "Du, Malte, ist sie wirklich noch so eine Schönheit, wie sie es früher schon immer gewesen war, ich meine so mit langen gelockten Haare und strahlenden grünen Augen – ?" verträumt blickte er in den Himmel und ich seufzte theatralisch. "Ich möchte mit dir jetzt NICHT über meine Schwester sprechen, da gibt es jetzt wichtigere Themen. Du weißt was heute für ein Tag ist?" Mit einem kräftigen Stoß stieß ich die Schubkarre den Misthaufen hinauf und entleerte sie, bevor ich sie Petyr wieder in die Hand drückte, er konnte sie schön zurückfahren! Geistesabwesend nahm er sie einfach an.
      "Äh vielleicht dein Geburtstag? Aber der war doch im Winter oder?"
      Ich schüttelte den Kopf. Was für ein toller Freund, der noch nicht mal meinen Geburtstag wusste. "Neeeein, es ist nicht mein Geburtstag!"
      "Tut mir leid, dann weiß ich es nicht Malte." meinte Petyr und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Schon wieder seufzte. Heute war wohl so ein Seufztag und das, obwohl ich eigentlich über beide Ohren strahlen sollte. "An was erinnern dich die Worte Kalifornien, pelzig, warm und Isländer?" Petyr schien einen Moment überlegen zu müssen, bevor es ihm eeendlich einfiel. "Deine beiden Pferde kommen heute an?" Ganz entgeistert blickte er mich an "Warum hast du das denn nicht schon früher gesagt!"
      "Da war ich noch zu müde und dann wolltest du ja, dass ich dir alles von Julie erzähle und deswegen bin ich erst jetzt dazu gekommen."
      Freudig wie ein kleines Kind hüpfte Petyr zurück zum Stall und rief mir über die Schulter entgegen: "Na worauf wartest du denn noch? Wir haben noch viel zu tun!"
      Tatsächlich hatten wir viel zu tun. Boxen fertig machen, alle Pferde von den Weiden holen, jeden mit seiner eigenen speziellen Futtermischung füttern und dann ein paar der Pferde noch ihre Medikamente geben.
      Petyr untersuchte die kleinsten Fohlen Mios Jelda und Aspantau nach Verletzungen, während ich Teufelstanz ihre Medikamente gegen die vielen Beschwerden gab. Sie hatte sich gut geschlagen, die Vollblutstute, aber Nico wollte ihr noch mehr Ruhe gönnen, bevor wir versuchen wollten, sie wieder zu reiten. Nach einer gescheiterten Renn- und Zuchtlaufbahn war sie mit einigen Verletzungen und Krankheiten und einem kleinen ungewollten Fohlen zu uns gekommen und ich war schon stolz darauf, was wir zusammen geschafft hatten.
      "MALTE!" laut schallte Petyrs Stimme durch den Stall. "Komm mal her und hilf mir! Diese verfluchte Jeanie will einfach nicht ihre Schnauze von mir lassen."
      Vorsichtig schloss ich die Box von Teufel, streichelte ihr noch einmal kurz übers Maul und folgte dann Petyrs Hilferuf. Dieser hatte meine Hilfe auch dringend nötig; Er lag fast in der Box, um die zierlichen Hufe der kleinen Jeanie untersuchen zu können und Jeanie hatte nichts anderes zu tun, als immer wieder zu versuchen seine Haare aufzufressen, diese waren ja auch genau auf der richtigen Höhe für so etwas.
      "Himmelherrgottnochmal!" schimpfte Petyr, während er versuchte Jeanie mit einer Hand fernzuhalten und mit der anderen einen Huf von Jelda zu heben. Zum Glück war die kleine Stute noch entspannter als ihre Mutter!
      "Ach Petyr", ich seufzte (schon wieder!), "Lass mal den Chef hier ran." Vom Hacken nahm ich Jeanies Halfter, band sie damit an den Gitterstäben fest und kniete mich neben Petyr ins Stroh. "So und jetzt erzähle mir, was daran so schwer war." Petyr boxte mir nur kurz in den Oberarm und schob mich dann aus der Box. "Mach, dass du wegkommst du Blödi!" schimpfte er und als Gegenschlag streckte ich ihm die Zunge raus. Ja so war er, unser Petyr.

      Obwohl ich es nicht vermutet hätte, war Petyr am Nachmittag aufgeregter als ich und das, obwohl die beiden jungen Isländer seit langem meine ersten Pferde waren, die ich mir kaufte. Petyr war es auch, der alle fünf Minuten aus dem Stall blickte und nach einem Transporter schaute, welcher die beiden zu uns bringen sollte.
      Es war ein angenehmer Mittwochnachmittag. Die Sonne schaute immer wieder hinter den Wolken hervor und kein Lüftchen wehte, sodass man die 17 Grad doch ganz gut vertragen konnte. Ein perfekter Tag, welcher zwar nicht ganz so gut begonnen hatte, aber das taten die guten Tage doch sonst auch. Die schlechten begannen gut und endeten schlecht, die guten fingen schlecht an und wurden erst später richtig gut. So war es jedenfalls immer bei mir.
      Ich hatte mich gerade zu einer kleinen Pause auf die Bank vor dem Stall niedergelassen und ein gutes Buch, ein Krimi (Tote, Fingerabdrücke, Blut und so ein spannendes Zeug) in die Hand genommen, als Petyr ganz aufgeregt neben mir auftauchte und meinte: "Da da, so schau doch, sie kommen!"
      "Petyr, du klingst wie eine Prinzessin, die ihren langersehnten Prinzen endlich wiedersehen kann. Ehrlich, du hättest auch Schauspieler werden können." meinte ich und stand mühsam auf. Meine armen Knochen!
      "Und du hast zwei Pferde gekauft und bis lustloser als je zuvor! Das ist auch nicht besser." verteidigte sich Petyr und verschränkte die Arme vor der Brust.
      "Glaube mir, ich freue mich auch, sehr sogar, ich weiß nur noch nicht, ob es wirklich der richtige Weg war. Ich bin immer noch viel unterwegs, auch wenn Evangeline und du mir mittlerweile viel Arbeit abnehmt-" Ich brach ab und blickte dem Transporter entgegen, der die buckelige Straße entlang holperte. Da hinten drinnen, da waren sie. Zwei junge Isländer, der eine erst knapp ein Jahr, der andere perfekte 6 Jahre. Ich wusste immer noch nicht, ob es richtig gewesen war, aber jetzt war es zu spät, sie waren angekommen und ich hoffte, dass die Tyrifjord Ranch für immer ihr zu Hause sein würde.
      Der Pferdetransporter war Silber und bot Platz für mehrere Pferde, in dem Moment sollten sich darin allerdings nur zwei befinden, zwei, die mein Leben nochmal in eine ganz andere Richtung lenken würden. Das wusste ich jetzt schon.
      Sie hatten eine weite Reise hinter sich; Erst von Kalifornien mit dem Flugzeug nach Vikersund zum Flughafen und dann von dort mit dem Transporter bis hier her. Sie taten mir verdammt Leid.
      Der Fahrer schaltete den Motor auf dem Parkplatz vor dem Stall aus, stieß dann seine Tür auf und kletterte heraus. Zu meinem Erstaunen war es kein älterer Mann, welcher sein Leben lang bereits Pferde von einem Ort zum anderen kutschierte, sondern eine junge Frau, vielleicht Ende dreißig, welche ihre langen braunen Haare zu einem Zopf geflochten hatte und nun elegant aus dem Transporter sprang. Sie lächelte uns beide freundlich an und winkte uns dann wie ein kleines Mädchen zu, bevor sie über den Parkplatz rief: "Ist einer von euch beiden Malte?"
      Ich schüttelte meine kurze Ungläubigkeit von mir ab und hob dann die Hand. "Ja ich, warten sie, ich komme."
      Petyr neben mir grinste und blickte mich von der Seite an. "Das ist aber eine Hübsche, pass auf, dass dir deine Augen nicht aus dem Kopf fallen, lieber Malte." Ich sagte nichts, hoffte allerdings das ich nicht allzu rot im Gesicht wurde.
      Als ich bei der jungen Frau angekommen war, hatte sie bereits die automatische Rampe an der Seite des Transporters heruntergelassen und war zu den beiden Pferden in den Anhänger geklettert. Ich folgte ihr und warf einen allerersten Blick auf meine Pferde. Meine Pferde, wie sich das anhörte, es löste ein ganz neues Gefühl in meinem Magen aus, welches ich schon lange nicht mehr gespürt hatte.
      Beide waren erschöpft und verschwitzt, waren jedoch genau das, was ich mir schon immer gewünscht hatte: Einfach nur perfekt.
      Ich starrte die beiden noch vollkommen überfordert an, als mir die Frau neben mir die Hand reichte. "Hey, ich bin Halla!"
      Ich wandte meinen Blick von den Pferden ab und ergriff ihre Hand. "Malte."
      Sie lachte und dabei leuchteten ihre Augen noch mehr und an ihren Mundwinkeln erschienen kleine Grübchen. "Ich weiß doch." Ich musste auch lachen. Oh man war ich manchmal peinlich, da machte ich ja sogar Petyr den ersten Platz der Peinlichkeitsrangliste streitig.
      Als ich darauf nichts sagte, meinte Halla etwas eingeschüchtert: "Vielleicht sollten wir die Pferde hier heraus holen, sie waren jetzt lang genug hier drinnen." Ich nickte zustimmend und ging zu dem größeren der Beiden hin.
      Óslogis Fellfarbe war etwas ganz besonderes und ich musste ehrlich zugeben, dass ich so ein Pferd schon lange nicht mehr gesehen hatte. Und ich, ich der einfache Pferdetrainer Malte, ich besaß jetzt diesen schmucken Hengst. Ich band Óslogi los und führte ihn die Rampe hinunter. Hinter mir kam Halla mit dem kleinen Félagi. Beide Pferde standen wohl noch zur Hälfte unter den Narkosemitteln für den Flug, denn beide Isländer stolperten über jeden größeren Stein und schafften es nicht, ihre Hufe höher als Handhoch zu heben. Ich lächelte durchweg, als ich Óslogi in den Stall führte.
      Die Boxen der Beiden lagen ganz am Anfang und waren natürlich nebeneinander. Ich zeigte Halla, welche sich staunend in dem großzügigen Stall umschaute, Félagis Box, während ich Óslogi in seine brachte. Petyr stand natürlich nur daneben und schaute uns zu, wie wir die Pferde von Transportgamaschen und Decken befreiten. Heu, frisches Wasser und Kraftfutter zur Erholung hatten wir beide natürlich schon vorbereitet, sodass es den Beiden erstmal an nichts mangelte.
      Halla und ich ließen die Pferde auch so schnell wie möglich in Ruhe und gaben ihnen genügend Zeit anzukommen. "Lust auf einen Kaffee?" fragte ich Halla und ignorierte dabei Petyrs breites Grinsen. Heute konnte ich ihn mal wieder überhaupt nicht ausstehen.
      "Klaro, Kaffee ist immer gut!" meinte sie lächelnd und schon wieder lächelte ich zurück.
      "Machst du uns einen?" Ich schaute Petyr bittend an, welcher laut seufzte und dann in Richtung "Reiterstube" verschwand, welche bei uns lediglich aus einem Abstellraum mit Kaffeemaschine bestand.
      Halla holte aus dem Transporter die Papiere und setzte sich dann neben mich auf die Bank vor dem Stall. Sie schien jedoch Zeit zu haben, denn sie ließ die Mappe noch geschlossen und genoss mit geschlossenen Augen die warmen Sonnenstrahlen.
      Ich tat es ihr gleich, wurde aber kurz darauf von ihr angesprochen. "Sag mal, ist das eigentlich dein Stall?"
      Ich lachte und schüttelte dann den Kopf. "Nein nein, der gehört einem jungen Paar, die sind gerade nur in Sylling Verwandte besuchen, ich wohne hier nur und bin Pferdetrainer und Angestellter. Einen eigenen Stall, und vor allem nicht so einen großen, könnte ich mir niemals leisten." sagte ich und zuckte mit den Schultern. "Dafür braucht man so einiges an Geld."
      Halla neben mir seufzte und nickte dann. "Jaaa," sagte sie gedehnt, "Diese Erfahrung durfte ich auch schon machen."
      In dem Moment kam Petyr mit drei dampfenden Tassen zurück. Unterm Arm hatte er eine Milchpackung und Zucker stecken. Wie ein Butler reichte er uns beide jeweils eine Tasse und fragte dann stumm nach Zucker und Milch. Halla hob dankend die Hand und auch ich verneinte. Petyr wusste ganz genau, dass ich meinen Kaffee immer schwarz trank. Er selbst quetschte sich noch neben Halla auf die Bank und schüttelte sich gefühlt die halbe Milch- und Zuckerpackung in die Tasse. Dann nahm er mit gespitzten Lippen einen Zug des heißen Gebräus. "Sag mal, Halla richtig? Wie kommt eine junge Frau wie du eigentlich auf die Idee, Fahrerin für ein Transportunternehmen zu werden?"
      Halla schien mit der Frage gerechnet zu haben und ich war mir sicher, dass sie diese nicht zum ersten Mal in ihrem Leben hörte. Deswegen antwortete sie auch dementsprechend resigniert. "Mein Vater leitet unsere Firma. Wir hatten vor einigen Jahren einige Geldprobleme und deswegen bin ich aushilfsweise bei ihm eingestiegen, weggekommen bin ich dort nie und jaaa, auch ich bereue es manchmal - Das musst du mich jetzt nicht noch fragen."
      Ich blickte Petyr böse an. Das hätte er auch etwas besser fragen können, da konnte er sehen, was er angerichtet hatte.
      Ich versuchte das Thema zu wechseln. "Hast du denn eigentliche auch eigene Pferde?"
      Wieder musste Halla eine Antwort geben, die ihr nicht gefiel. "Nein, besser gesagt saß ich noch nie auf einem größeren Pferd als einem Reitpony vom Rummel. Und auch wenn ich Tag für Tag Pferde von einem Ort zum anderen bringe, reiten kann ich nicht." Traurig blickte sie in die Weite und ich sah, wie eine Träne in ihren Augen glitzerte.
      So hatte ich mich täuschen können. Noch vor wenigen Minuten hatte ich geglaubt, noch nie einen glücklicheren Menschen getroffen zu haben und jetzt saß eine traurige junge Frau mit Tränen in den Augen neben mir. So war die Welt, die Wahrheit blieb einem meistens verborgen.
      Kurz gefasst: Der Tag endete damit, dass ich mit Halla die Nummern ausgetauscht hatte und sie zu uns zum Kaffee eingeladen hatte, mit anschließendem Reiten, verstand sich natürlich von selbst.
      Erst als am späten Nachmittag Petyrs Handy klingelte und Nico am Telefon fragte, ob die Pferde bereits versorgt waren, lösten wir unsere Kaffeerunde auf und jeder ging wieder seines Weges.
      Auch hatten sich Félagi und Óslogi in der Zeit prächtig erholt und beide blickten nun munter über die Gitterstäbe der Box hinweg. Beide würden die Nacht noch zur Sicherheit in der Box verbringen, morgen Abend würden sie jedoch mit hinaus auf die Weiden dürfen und mit eigenen Augen die prächtigen Weideflächen von Norwegen sehen können. Ich hoffte ja, dass Óslogi sich mit dem junge Leiðtogi anfreunden würde, die beiden Isländer würden sich bestimmt gut verstehen. Auch auf Félagi wartete ein Spielgefährte: Der junge Sleipnir, auch er stammte aus der gleichen Zucht wie Félagi, war nur wenige Monate älter und ich war mir sicher, dass die beiden sich gut verstehen würden.
      Ich war verliebt und überglücklich und konnte es noch nicht so ganz fassen, dass alles so reibungslos geklappt hatte. Ich hatte lange an mir gezweifelt, auch jetzt natürlich noch, ob es richtig gewesen war. Aber das konnte man vorher nie wissen, das würde die Zeit bringen.

    • Canyon
      Kommt zu Tisch und hört die News!
      18. September 2016 | © Canyon

      „Malte?“ Meine Stimme klang etwas kratzig, als ich nach unserem Mitarbeiter rief, welchen ich gerade zufällig vor seiner Haustür entdeckt hatte. Die Nacht war für mich mehr als kurz gewesen, denn erst in den frühen Morgenstunden hatte Bart Ruhe gefunden und da Nico zur Zeit unterwegs war, hatte ich das diese Nacht alleine schaffen müssen.
      Malte blickte auf, als er meine Stimme vernahm und überquerte dann den Hof, um zu mir zu kommen. Fragend blickte er mich mit seinen kastanienbraunen Augen an und auch wenn ich versuchte mir den Gedanken zu verkneifen, fragte ich mich abermals, warum er, laut seinem Freund Petyr, seit Jahren keine feste Freundin mehr hatte. Diesen Augen konnte sogar ich nicht widerstehen, dabei war ich seit geraumer Zeit glücklich mit Nico zusammen und auch wenn wir beide keine, oder jedenfalls nicht so früh, Kinder haben wollten, hatte unser Bartholomäus unser Leben nochmal ganz schön auf den Kopf gestellt.
      Ich riss mich von seinen Augen los und sammelte meine Gedanken. „Es gibt ein paar wichtige Dinge zu besprechen“, erklärte ich ihm. „Ich würde dich deswegen bitten, und Petyr auch noch zu Bescheid geben, heute Mittag um eins zu kommen. Es wird euch bestimmt interessieren, vor allem dich.“ Ich wartete seine Antwort nicht mehr ab und schloss sachte mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen vor ihm die Tür. Ich kannte ihn mittlerweile recht gut und wusste, dass er kommen würde.
      Teodor und Torun hatte ich gestern bereits Bescheid gegeben und so fehlte jetzt nur noch Nico, welcher jedoch auch bald und hoffentlich pünktlich zurückkommen würde.

      Den restlichen Vormittag blieb mir wohl nichts anderes übrig, als mich mit Bart zu beschäftigen. Auf dem Plan stand also aufräumen und putzen, mit meinem Sohn spielen, dann einen kleinen Spaziergang am Ufer des Tyrifjords und dann Mittagessen kochen. Ich war mehr als erleichtert, als Bart wenig später in seiner Hängematte einschlief und doch tatsächlich nicht mal wach wurde, als ich ihn in den Kinderwagen hiefte und mit ihm das Haus verließ. Die Mittagszeit war meiner Meinung nach die beste Zeit. Jetzt schlief Bart und auch all die anderen Hofbenutzer waren meist in ihren Wohnungen.
      Mit Bart schlug ich den Weg zum Stall ein. Da bei uns die Pferde über Nacht auf den Weiden waren und den Tag in den Boxen dösten, war der Stall mehr als gefüllt. Auch wenn wir bis jetzt noch einige leere Boxen hatten, so war es jetzt schon reichlich Arbeit, all die Pferde zu versorgen.
      Bart ließ ich am Eingang des Stalls stehen. Sollte er aufwachen, würde er sich schon bemerkbar machen.
      Mir fiel auf, dass der junge Óslogi nicht in seiner Box stand und daraus schloss ich, dass Malte, nicht wie erwartet, in seiner Wohnung sein würde, sondern mit seinem Hengst irgendwohin unterwegs war. Das Wetter war dazu ja wirklich perfekt, denn auch wenn die Sonne heute schien, so war es nicht zu warm und ein kleiner Westwind trieb ein kühles Lüftchen vom Atlantik zu uns.
      Meine Schritte lenkten mich weiter zur Box von Braum, allerdings war auch dieser nicht in seiner Box zu finden, weswegen ich, mit meinem überaus klugen Kopf daraus schloss, dass auch Braum mit Óslogi unterwegs war. Entweder als Handpferd, oder auch Petyr hatte sich Malte angeschlossen Das würde ich leider nicht so schnell erfahren, weswegen ich nach einem Plan B suchte.
      Schließlich entschied ich mich dafür, statt Braum mich mit der Jungstute Scion zu beschäftigen. Sie war ein wahres Prachtexemplar und ich war froh, sie vor einiger Zeit aus einer so berühmten Zucht gekauft zu haben. Es zerbrach mir jetzt schon das Herz, dass ich sie bald von ihrem besten Vollblutfreund Aspantau trennen musste. Die beiden waren dickste Freunde, nur leider hatte ich nicht vor, Aspantau zu kastrieren und bevor wir ungewollt Nachwuchs bekamen, mussten wir sie trennen.
      Ich legte der jungen Stute ihr hübsches Halfter um und führte sie dann aus der Box nach draußen ans Tageslicht. Bart schlief natürlich immer noch, nur hatte sich zu ihm noch jemand dazugesellt. Capucine. So sehr ich die alte verfilzte Katze mochte, genauso wenig erfreut war ich, dass sie sich zu Bart in den Kinderwagen gelegt hatte.
      Cap war eine Straßenkatze gewesen, welche wir aus Südfrankreich mit nach Norwegen genommen hatte. Kein Hund, nicht mal die beiden Wolfshunde Gery und Edda konnten ihr Angst einjagen. Sie wusste genau was sie wollte und ließ sich davon dann auch nicht abbringen.
      Ich seufzte tief, klemmte mir dann trotzdem den Führstrick von Scion unter den Arm und hob die dicke Katze aus dem wagen. Hübsch war sie ja, so caramellfarben mit dunkleren Flecken, aber wenn sie einem ihre Krallen zeigte, gab es nichts mehr zu lachen.
      Diesmal fauchte sie jedoch nur kurz, bevor sie mir vom Arm sprang und mit erhobenem Schwanz majestätisch im Stall verschwand.
      Auch Scion fand den Kinderwagen einfach nur interessant und streckte ihre helle Schnauze tief ins Innere.
      Ich musste lächeln, schob jedoch ihren Kopf zurück, bevor ich sie am Kinderwagen anband und mit beiden den Hof verließ.
      Scion liebte Spaziergänge. Jeder Stein, jeder Busch und jede Rose am Wegesrand musste unbedingt von ihr beschnüffelt werden und dafür nahm sie sich auch genügend Zeit.
      Auch ich genoss es, einfach nur dahin zuschlendern, Scion zu beobachten und meinen Gedanken nachzuhängen. Allerdings konnte das natürlich nicht immer so weiter gehen. Kaum war Bart aus seinem tiefen Mittagsschlaf aufgewacht, wurde auch Scion unruhiger. Bart bewegte sich immer wieder, wollte auch etwas sehen und gab lautstark Geräusche von sich, sodass ich unseren gemeinsamen Spaziergang bald abbrach und zurück zum Stall ging.
      Viel Zeit hätte ich sowieso nicht mehr gehabt. Es war kurz vor eins und ich wollte die anderen nicht warten lassen. Auch Braum und Óslogi waren mittlerweile wieder in ihren Boxen, sodass also auch Malte wieder da sein sollte.
      Ich brachte Scion in ihre Box und ging dann den kleinen Uferweg am Tyrifjord zurück zu unserem kleinen Hof.
      Bereits aus der Ferne erkannte ich Nicos schwarzes Auto und auch wenn ich es nur ungerne zugab, so freute ich mich doch, ihn nach nur drei Tagen endlich wiederzusehen. Mal wieder war er mit Asuka und seinem auf einem Lehrgang gewesen und so sehr wie ich ihm das gönnte, genauso öde und anstrengend waren die Tage ohne ihn. Wäre Mio nur noch da, dann wäre das kein Thema gewesen, aber jetzt-.
      Erstaunt stellte ich fest, dass ich wohl die Letzt war, die ankam. Die anderen hatten bereits ein paar Stühle zusammengesucht und bei uns im Garten einen kleinen gemütlichen Kaffeetisch gedeckt.
      Es war mir peinlich, dass ich sie alle einlud und dann noch nicht mal pünktlich war. Allerdings schien das niemanden zu stören. Von allen wurde ich freundlich begrüßt und natürlich auch Bart, welcher gleich nach unserer Ankunft aus dem Wagen gehoben und von allen beknuddelt wurde.
      Laut bellend stürzte sich mein kleiner Schützling Asuka auf mich und es freute mich zu sehen, wie sehr der kleine Whippet mich vermisst hatte. Bevor ich ihn allerdings begrüßte, nahm mich Nico in den Arm und drückte mir sanft einen Kuss auf die Lippen. Auch wenn er manchmal, nein, sehr oft ein großes Ar***loch war, hatte ich ihn mehr als lieb.
      Ich ließ mich neben Teo am Tisch nieder und neben mich setzte sich Nico. Wir waren nun also alle vollzählig. Torun, Petyr und Malte saßen auf der anderen Seite des runden Tischs.
      Während Malte sich entspannt zurück gelehnt hatte und alles mit ausdruckslosem Gesicht beobachtete, hatte Petyr wie immer ein freches Grinsen auf dem Gesicht und schaute mich erwartungsvoll an. Die blinde Torun schien etwas nervös und kaute unablässig auf ihrer Lippe herum, während ihr Vater Teodor sich mit dem kleinen Bart beschäftigte, welcher dem alten Mann im Bart herum spielte. Bei dem Gedanken musste ich mir ein Grinsen verkneifen, denn mein Bart spielte im Bart, eine witzige Vorstellung.
      Jetzt, wo es soweit war, fand ich nicht die Worte, welche ich mir den ganzen Vormittag bereitgelegt hatte und das ärgerte mich extrem. Ich war früher immer sehr wortgewandt gewesen, seitdem das allerdings mit Shadow und Mio gewesen war und all die Verantwortung nun auf meinen Schultern lag, war dieses Talent erheblich geschrumpft.
      »Okay, danke erst mal, dass ihr alle gekommen seid.« fing ich ahnungslos an, ohne zu wissen, was ich als nächstes sagen sollte. »Nico und ich haben in letzter Zeit uns oft darüber Gedanken gemacht, was wir verbessern können und uns fiel auf, dass wir zwar mit unseren Pferden viele erfolgreiche Turniere gehen, aber trotzdem kein Ziel vor Augen haben. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, nun auch ganz aktiv in die Zucht einzusteigen.« Ich beobachtete die Reaktionen am Tisch genau. Petyr schien sich zu freuen, denn seine Grübchen wurden noch tiefer und seine Augen noch strahlender als sonst. Malte zog nur eine Augenbraue in die Höhe und Torun hörte auf, auf ihrer Lippe zu kauen. Teo zeigte mit keinem Finger, dass er uns verstanden hatte, sondern beschäftigte sich immer noch mit Bart.
      »Wir haben viel überlegt, viel geplant und trotzdem wurde uns die Entscheidung von jemandem erleichtert. Nico und ich waren letztes Wochenende auf einem Gestüt, wo einige Pferde zum Verkauf standen. Besser gesagt, einige Achal Tekkiner und zwei davon stammen auch noch aus der berühmten Reuthlinie. Die Besitzerin überlegte nicht lange und verschenkte« dieses Wort betonte ich extra stark, »verschenkte drei Stuten und einen Hengst an uns.«
      Hier blickte ich kurz zu Nico, welcher mir zunickte und sich so bereiterklärte, weiterzuerzählen. »Ihr wisst alle, dass Nelly und April unserem alten Freund viel bedeuteten und nun werden wir genau das tun, wovon er immer geträumt hatte. Eine kleine Zucht mit diesen überaus majestätischen und eleganten Geschöpfen. Zwei der Stuten sind bereits erfolgreich geritten wurden, die eine ist fast vier und wird nun so langsam eingeritten. Ich weiß, wenn ich euch jetzt erzähle, dass der Hengst das Spiegelbild von meinem Marid ist, werdet ihr uns für verrückt halten, aber ich bin mir sicher, dass es nicht lange dauern wird, bis auch er vernünftig wird. Ich kenne mich ja so langsam mit solche Pferden aus.« Ein breites angeberisches Grinsen tauchte auf seinen Lippen auf. Gerade hatte ich noch gedacht, dass er es jedenfalls einmal schaffen würde, nicht der große Angeber zu sein, sondern ein ganz normaler Junge. Da hatte ich wohl umsonst gehofft.
      »Schön und gut«, hängte sich nun Malte ins Gespräch, »Aber mit den neuen Pferden haben wir fünf Stuten und einen Hengst, das Verhältnis ist etwas unausgeglichen.«
      »Sechs Stuten, um genau zu ein.« antwortete ich ihm. »Ich habe bereits seit längerem eine weitere Stute im Blickfang und der Verkäufer hat sich gestern nun endlich zurückgemeldet und dem Kauf zugesagt.«
      Zweifelnd blickte Malte mich an. Ich hatte zwar gewusst, dass er etwas kritisch an die ganze Sache heran gehen würde, aber so schwer musste er es mir nun wirklich nicht machen. »Keine Angst Malte. Cascar, die Vorbesitzerin der Tekken, hat drei weitere Hengste bei sich stehen. Diese will sie behalten, möchte mir diese allerdings zur Verfügung stellen, sodass wir erst mal genügend Hengste haben und trotzdem keine weitere Arbeit. Zufrieden?«
      Er nickte leicht mit dem Kopf und ich atmete erleichtert aus. Ich wollte gerade weitererzählen, als ich sah, wie Torun leicht ihren Mund öffnete und so wartete ich ab, bis das zierliche Mädchen auch gesprochen hatte.
      Mit sanfter und verträumter Stimme, welche ich schon immer so toll fand, fragte sie: »Wann kommen diese neuen Pferde denn an?«
      »Aller Wahrscheinlichkeit bereits morgen, wenn nichts dazwischen kommt und sie alle Kontrollen gut überstehen. Cascar wollte sie so schnell wie möglich zu uns bringen, denn ihr fehlt gerade einfach die Zeit, sich um die Tiere zu kümmern.« Antwortete ich ihr.
      »Da werden wir aber einige Decken für den Winter brauchen, wenn wir uns im hohen Norden Vollblüter aus dem tiefen Süden anschaffen«, meinte Petyr und grinste frech in die Runde.
      »Darüber haben wir uns auch schon Gedanken gemacht,« ging Nico auf Petyrs Kommentar ein und auch auf seinen Lippen breitete sich ein Grinsen aus. »Wir werden einen Waschdienst brauchen und dieser hat dann eine Woche die Aufgabe, die Decken zu waschen und aufzuhängen und da haben wir gleich an dich gedacht, lieber Petyr, weil wir wussten, dass du dich darüber freuen wirst.«
      Bevor Petyr zurückschießen konnte, ging ich diplomatisch dazwischen und erzählte weiter. Immerhin wollte ich heute noch so einiges schaffen.
      »Klar wird es mit ihnen anstrengender als mit felligen Pony, aber nichtsdestotrotz werden wir auch dies gemeinsam schaffen.
      Wie ihr wisst, haben wir in letzter Zeit einige Pferde verkauft und so sehr es mich schmerzt, werden auch Leiðtogi und Ocarina uns bald wieder verlassen. Linn hat sich dazu entschlossen, Togi in ihre Zucht aufzunehmen, jetzt wo er kurz vor seiner Kür steht. Oca wird zurück zu Verena auf die Gips Reminder Ranch gehen und sich dort hoffentlich wohler fühlen als hier in Norwegen. Im Gegenzug haben wir ja vor einigen Tagen Bijou und Modjo bekommen. Ich finde, dass in beiden ein großes Talent schlummert und vielleicht werden wir sie ja irgendwann kören lassen können.
      Außerdem wollen wir unsere EV-Zucht wiederbeleben und da wir nun mit Lady Gweny auch hier Stuten im Übermaß haben, habe ich einen perfekten Hengst gefunden, welcher auch in einigen Tagen bei uns eintreffen wird. Bitte habt Verständnis mit ihm und stempelt ihn nicht gleich als böse ab, ja?« Bittend schaute ich in die Runde und außer Nico machten alle ein verwirrtes Gesicht. »Glaubt mir, das werdet ihr schon früh genug erfahren!«
      Genau als ich meinen Satz beendet hatte, kam Bart auf Teos Schoß ein freudiger Schrei aus dem Mund und die ganze Aufmerksamkeit am Tisch richtete sich auf ihn. Darauf schien er nur gewartet zu haben, denn als ihn alle anblickten, grinste er breit und fing an zu lachen.
      In die dadurch entstandene Pause fragte Malte: »Wie wird denn der Hengst heißen?«
      »Cotsworlds Eik«, sagte Nico stolz. Auch er hatte den Hengst von Anfang an toll gefunden und sich genauso gefreut wie ich, dass das mit dem Kauf so gut geklappt hatte.
      »Das klingt irgendwie nach Kotze.« lachte Petyr und konnte kaum noch aufhören. Ich verdrehte nur die Augen. Dieser Kerl! Jedenfalls hatte noch einer etwas Humor.
      Bevor ich weitererzählen konnte, ergriff abermals Nico das Wort. »Und um unseren Plan einer Vollblutzucht noch komplett zu machen, habe ich eine perfekte Stute für meinen Marid gefunden. Und ob ihr es glaubt oder nicht, sie ist bereits gekrönt und dazu noch überaus hübsch.« Stolz blickte Nico in die Runde und ich freute mich, dass er endlich ein weiteres Pferd gefunden hatte, welches ihm etwas bedeutete. Niemand in der Runde schien etwas dagegen zu haben und diesmal war die Atmosphäre um einiges positiver. Eine Stute für Marid, dass war perfekt und das schienen auch alle zu finden.
      »Charly was hast du eigentlich für deinen Geburtstag geplant?« Teo hatte sich einen Moment von Bart losgerissen und blickte mich nun fragend an.
      »Woher weißt du von meinem Geburtstag?« Erstaunt blickte ich Teo an. Mein Geburtstag war nichts besonderes und ich hatte nicht geplant mit allen eine große Feier zu veranstalten.
      »Na steht doch ganz groß am Stallkalender«, brummte Teo und ich sah wie er die Augen verdrehte.
      Ungläubig drehte ich mich zu Nico um und blicke ihn dann wütend an. Dieser zuckte allerdings nur mit den Schultern und schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. Na super!
      »Geplant ist nichts, ist sowieso mitten in der Woche, da hat sowieso niemand Zeit.« Bevor das Thema weiter vertieft werden konnte, erzählte ich einfach weiter. »Das nächste wird eich bestimmt sehr interessieren! Da wir nun einige Pferde auf dem Gestüt haben, brauchen wir dringend Hilfe! Ich habe mich also im Internet nach jemandem umgeschaut, der einen Job braucht und tatsächlich! Ich habe den perfekten Mann gefunden. Er kommt ursprünglich aus Namibia und hat bereits sein ganzes Leben mit Pferden zu tun. Er ist vom Beruf her eigentlich Reitlehrer und hat nicht nur von Westernpferden, sondern auch von Vollblütern und Galopprennen jede Menge Ahnung. Er wird erst mal bei uns im Gästezimmer wohnen und sobald dann der Schuppen fertig ausgebaut ist, wird er dort einen Teil bewohnen. Ihr anderen werdet also nicht wirklich davon beeinflusst, außer, dass es endlich zwei weitere helfende Hände im Stall gibt!«
      Alle nickten zustimmend und vor allem Malte, welcher in letzter Zeit sehr viel unterwegs gewesen war und deswegen reichlich gestresst erschien, schien erleichtert.
      »Der letzte Punkt ist, dass wir eine weitere Bewohnerin bekommen und das wird vor allem dich, Malte, interessieren.« Diesmal wandte ich mich genau an ihn. »Ich hoffe es ist für dich in Ordnung, dass ich die noch leere Wohnung neben dir an ein junges Mädchen vermietet habe. Sie hat in Sylling eine Arbeitsstelle gefunden und ich habe sie letztens beim Einkaufen ganz zufällig kennengelernt. Sie wird dir gefallen, glaube mir. So ein besonderes Mädchen hast du wahrscheinlich noch nie gesehen.«
      Malte hatte die Augenbrauen hoch gezogen, seine Mundwinkel hatten sich allerdings nicht bewegt. »Das bedeutet, dass ich meine Küche und mein Klo nun teilen muss?«
      Ich nickte leicht mit dem Kopf. »Ich weiß, ich hätte dich vorher fragen müssen, aber so ein Mädchen, das brauchte ich unbedingt bei uns. So fröhlich, so hübsch und so intelligent, glaube mir, dass wird uns allen gut tun!«
      »Wie heißt sie? Wie alt ist sie? Hat sie einen Freund?« mit leuchtenden Augen hatte sich Petyr vorgebeugt und blickte mich nun fasziniert an. Ich musste bei seinem Anblick lachen und freute mich über die Entscheidung, sie nicht zu Petyr auf den Dachboden einquartiert zu haben.
      »Tjarda Winter, 22 Jahre und das andere musst du sie selbst fragen. Sie will sich uns in den nächsten Tagen vorstellen, da könnt ihr sie kennenlernen.«
      Petyr zog eine Schmolllippe und ließ sich mit verschränkten Armen zurück in den Stuhl sinken.
      »Ich hoffe, ihr seid alle jedenfalls einigermaßen mit den Neuigkeiten zufrieden. Ich freue mich darauf, mit euch allen unsere Ziele zu erreichen! Wir schaffen das und ich bin mir sicher, dass das eine tolle Zeit werden wird!« Ich versuchte alle aufzumuntern, während mein Blick auf Bart fiel und sich mein Herz bestimmt um einige Grad erwärmte. Ich liebte diesen Ort, die Menschen und die Tiere und ich hatte es geschafft, die Trauer um Shadows Ableben und Mios Verschwinden zu überwinden. Jetzt hatte ich alles in der Hand und ich freute mich riesig auf all die Dinge, die ich hier noch erleben würde
    • Canyon
      Heimlicher Besuch
      9. Oktober 2016 | © Canyon

      Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten, als ich endlich da war. Wochenlang, nein, Monatelang hatte ich die Tränen verdrückt und versucht meine Entscheidung nicht in Frage zu stellen. Doch nun, nun da ich hier war, schienen all meine Vorhaben und Pläne in Luft aufgelöst zu sein. Wie sehr wünschte ich mir doch, dass noch alles so wie früher wäre, dass wir alle noch zusammen lebten, dass Shadow nicht gestorben wäre. Wie sehr wünschte ich mir, alles rückgängig machen zu können und doch merkte ich, dass ich die letzten Monate nicht gerade unglücklich gewesen war.
      Ich parkte den gemieteten Wagen auf dem Parkplatz vor einem großen Stallgebäude. Natürlich war ich noch nie hier gewesen, aber das Internet und Google Maps hatten mir genügend Informationen ausgespuckt, um den Weg hier her zu finden.
      Niemandem hatte ich etwas gesagt, nur Addison hatte ich erzählt, dass ich nicht länger ahnungslos in Nevada sitzen konnte. Einmal, einmal musste ich nochmal meine Freunde sehen, das Baby und natürlich all die Pferde die ich zurückgelassen hatte.
      Mir schossen die Tränen schon wieder in die Augen, welche ich mit letzter Kraft gerade erst verbannt hatte, als ich die Wagentür öffnete und ohne diese wieder zu schließen, in Richtung Stall stolperte.
      Es war bereits pure Nacht, die genaue Uhrzeit wusste ich nicht, und der Mond schien über dem Gestüt. Hinter dem Stall konnte ich einen Blick auf ein großes Gewässer erhaschen, bevor ich das Stalltor leise aber hastig aufschob und in den Stall schlich.
      Er war unbeschreiblich schön, mit genau der Art von Boxen, welche ich mir schon immer gewünscht hatte. Groß, luftig und mit so wenig Gitter wie möglich, es war einfach perfekt.
      Lange musste ich nicht suchen, wie eh und je, seit Anbeginn der Zeiten, lag Excelsiors Box ganz am Anfang des Stalls auf der linken Seiten. Er war schon immer der Torwächter gewesen, hatte jeden Freund freundlich begrüßt und jeden unerwünschten Besucher mit bösen Blicken davon abgehalten, näher zu treten. Er döste in seiner Box, während er einen Kopf auf der Tür abgelegt hatte. Mein Exel, mein kleiner, unbeschreiblicher Exel. Wie sehr hatte ich ihn vermisst, wie sehr…
      Das Mondlicht fiel durch die vielen Fenster im Dach und beschien genau die lange Stallgasse, sodass ich genügend Licht hatte, um alles gut erkennen zu können. Ich traute mich nicht näher zu treten, aus Angst, dass genau jener Wallach mich nicht wiedererkenne würde oder mir vielleicht sauer war, dass ich ihn allein gelassen hatte. All das verstand ich, ich konnte es selbst nicht fassen, dass ich es getan hatte und trotzdem hatte ich gedacht, dass es für mich die beste Entscheidung gewesen war und die war es auch. Ich hatte gemerkt, was das Leben in Nevada mit mir gemacht hatte, es hatte mich gemacht. Mich, die endlich ihren Schatten übersprungen hatte und zurückgekehrt war. Zwar nur für einen kurzen Moment, aber ich war wiedergekommen und endlich das abzuschließen, wovor ich vor einem dreiviertel Jahr nicht die Möglichkeit gehabt hatte.
      Ich lehnte mich an das Holztor und nahm meine Hand zum Mund. Bereits als Schülerin hatte ich immer den Tick gehabt, mir mit dem Finger gegen die Lippen tippen zu müssen, wenn ich nicht weiter wusste und leider hatten das die Lehrer sehr schnell herausgfunden und mich dann immer extra dran genommen.
      Als auch meine letzte Träne versiegt war, stieß ich mich vom Tor ab und ging mit leisen und langsamen Schritten auf die Box von Excelsior zu. Ich behielt ihn genau im Blick, als dieser jedoch die Augen öffnete und mich ansah, musste ich seinem Blick weichen und schaute wie ein kleines Kind hinab auf meine Schuhe. Ich stand nun so nah vor ihm, dass wir in Reichweite waren und mit angehaltenem Atem wartete ich auf eine erste Reaktion des Pferdes. Des Pferdes, mit welchem alles begonnen hatte, wegen welchem ich jetzt genau an diesem Fleck stand.
      Nach einer gefühlten Ewigkeit fühlte ich die feuchte Schnauze in meinen Haaren und atmete erleichtert aus. Und wieder einmal kamen mir heute die Tränen, allerdings waren es Freudenstränen, Tränen, die mir zeigten, dass ich nicht alles falsch gemacht hatte.
      Natürlich war auch Excelsior irgendwo nur ein Pferd, aber für mich war es DAS Pferd und ging sogar hinaus über Chosposi und das musste erst mal jemand schaffen.
      Nun völlig übermütig schob ich den Riegel der Boxentür zur Seite und fiel dem grauen Pferd um den Hals. Sein Duft hatte sich nicht verändert und auch wenn sein Haar nochmal etwas länger und sein Fell dichter geworden war, so war es eindeutig noch mein Exel, welchen ich vor so vielen Monaten in Südfrankreich zurückgelassen hatte.
      Ich hatte es nicht gemerkt, dass ich zu Boden gesunken und auch dort eingeschlafen war. Wahrscheinlich war es die Müdigkeit oder die Erschöpfung, oder eben beides gewesen, aber erst als mich kräftige Arme hoch hoben und aus dem Stall trugen, wachte ich so langsam wieder auf. Es war noch immer tiefste Nacht, auch wenn ich hätte schwören können, dass es bereits morgen sein müsste.
      Mit einem Erschreckensschrei bemerkte ich, dass ich den Mann nicht kannte, welcher mich in seinen Armen hielt und versuchte mich so schnell wie möglich daraus zu befreien. Der Mann schien nichts dagegen zu haben und setzt mich auf dem Boden ab, wo ich dann einige Meter zurück stolperte.
      Er sagte nichts und ich konnte seinen genauen Gesichtsausdruck in der Dunkelheit nicht erkennen, auch wenn mir mein Gefühl sagte, dass er nichts Böses wollte. Meinem Gefühl vertraute ich jedoch schon lange nicht mehr.
      Einige Sekunden schauten wir uns stumm an, bevor ich vorsichtig auf englisch fragte: »Wer bist du? Arbeitest du hier?« Ich wusste nicht genau welche Sprache er sprach, immerhin waren wir hier mitten in Norwegen und ich hatte noch nie ein Wort dieser Sprache gesprochen. Er schien mich auf jeden Fall zu verstehen und das war schon mal ein Anfang.
      »Allerdings«, meinte er mit tiefer und ruhiger Stimme, bevor er sich umdrehte und den schmalen Weg entlang vom Stall wegging. »Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne alles weitere mit dir im Haus besprechen.«
      Ich wusste nicht was ich tun sollte und hätte ich es gewusst, wäre ich ihm wahrscheinlich gefolgt. Ich war schon immer ein Angsthase gewesen und diese Angst hatte sich noch nicht mal gelegt, als ich alleine nach Amerika ausgewandert war. Jeder vermutete von mir, dass ich eine mutige und starke Persönlichkeit war, dabei war ich einfach nur ich. Ich Mio, die vor jedem Angst hatte, den sie nicht kannte. Super.
      Ich schaffte es dem jungen Mann hinter her zu stolpern und mir einen Weg über den unebenen Pfad zu suchen.
      Er musste auch auf dem kleinen Hof wohnen, den auch Charly und Nico bewohnten, denn er steuerte zielgerichtet darauf zu.
      Still, einsam und unbeleuchtet lag das kleine Gut in der Nacht. Die weitläufigen Weiden waren verlassen und das sanfte Rauschen des Fjords vervollständigte das perfekte Bild eines perfekten Platzes. Ich konnte verstehen, warum sie sich genau hier niedergelassen hatten. Es war perfekter als perfekt, wenn man es eben so mochte. Ich könnte mir nie vorstellen, wieder so zu leben. Nicht jetzt, nachdem ich all das in Nevada erlebt hatte. Hier würde ich verrückt werden, in dieser kleinen, perfekten Welt.
      Der Mann führte mich zu einem kleinen Nebengelass, bei welchem er die Tür aufschloss und mich hinein winkte. Der leere Flur wurde nur spärlich von einer alten und dazu noch flackernden Lampe an der Decke beleuchtet und war für mich persönlich ein Albtraum. Am Ende des Flur gab es zwei Türe. Links und rechts. Während die Rechte nur so von Spinnenweben verhangen war, schien die linke frisch gestrichen zu sein, was ich allerdings in dem Dämmerlicht nur erahnen konnte.
      Der Mann stieß die Tür grob auf und ich sah noch, wie er einige Briefe und Papiere vom Sofa wischte und in einem Schubfach verschwinden ließ.
      Die Wohnung, wenn man sie überhaupt so nennen konnte, bestand nur aus einer Wohnküche und einer kleinen Toilette. Ein größeres Bad konnte ich nirgends finden. Es war nicht dreckig oder muffig, aber unaufgeräumt und etwas chaotisch. Zum Glück brachte der brennende Kamin an einer Seite etwas Wärme in das Durcheinander. Vor dem Kamin auf einem alten Teppich lag ein ebenso alter Hund. Oder sollte ich lieber Wolf sagen? Sein Fell war ursprünglich bestimmt schwarz gewesen, doch jetzt mit dem Alter war es mit jeder Menge weißen Strähnen durchzogen. Er schien dazu auch noch taub zu sein, denn er zuckte nicht mal mit den Ohren, als der Mann die Tür hinter mir wieder schloss und auf das Sofa deutete, welches vor dem Kamin stand.
      Jetzt war ich sowieso einmal hier drinnen gefangen, es war also zu spät, weswegen ich mich nicht lange bitten ließ und mich auf diesem niederließ.
      Der Mann schien sich noch nicht mit mir unterhalten zu wollen, sondern drehte sich einfach nur zu der kleinen Küchenzeile um und setzte Wasser auf.
      Ich konnte ihn damit endlich von nahen und im Licht betrachten. Er war nicht allzu groß für einen Mann, vielleicht 1,80m, wenn ich schätzen musste. Seine rotblonden Haare waren an den Seiten abrasiert und die restlichen zu einem Zopf auf seinem Kopf zusammen gebunden. Er sah nicht gefährlich aus, jedenfalls nicht auf den ersten Blick, und auch wenn ich damit keine Ahnung hatte, so würde sich ein Vergewaltiger wahrscheinlich als erstes nicht einen Tee kochen, so wie er es gerade tat.
      »Fenchel?« fragte er mich und ich brauchte etwas länger, um zu verstehen was er meinte. Ich sprach mittlerweile so perfekt Englisch, dass mir manche nicht mehr abkaufen wollten, dass ich ursprünglich Deutsche war und erst seit wenigen Monaten in den USA lebte. Aber dieser Mann hier hatte wahrscheinlich nie so gut Englisch sprechen gelernt, weswegen sein Englisch durch den Akzent schwer verständlich war.
      Ich nickte nur auf seine Frage und wandte meinen Blick dann von ihm ab. In Gedanken versunken schaute ich ins Feuer. Auch wenn ich durch den Schock beim Erwachen meine Erschöpfung vergessen hatte, so kehrte diese nun langsam zu mir zurück. Die wohlige Wärme des Feuers und das bequeme Sofa luden einfach dazu ein.
      Meine Augen wollten mir gerade zu fallen, als der Mann zwei dampfende Tassen vor uns auf den kleinen Holztisch abstellte und sich dann selber in einen Sessel auf der anderen Seite des Tischs fallen ließ. Jetzt endlich blickte der Hund am Boden auf und seine großen braunen Augen und schauten fragend zu seinem Herrchen hinauf. Dieser kraulte seinen Hund nur kurz, bevor er ihm das Zeichen gab, dass er sich wieder hinlegen konnte.
      Um nicht noch länger schweigen zu müssen, übernahm ich die Offensive. »Ich bin Mio und es tut mir Leid, dass ich ohne zu fragen den Stall betreten habe.«
      »Ich weiß wer du bist, es hängt ein Bild von dir bei uns im Stall.« sagte der Mann zu mir. »Ich bin Malte. Ich muss dich nur leider enttäuschen, denn Charly unf Nico sind für mehrere Tage verreist.«
      Endlich wusste ich seinen Namen. Malte, das klang nordisch, was ja nicht weiter verwunderlich war, wenn er in Norwegen wohnt. Ich winkte nur ab, es war mir sogar recht, dass sie nicht da waren. Ich wusste selbst, dass es nicht fair ihnen gegenüber war, aber das Leben war nun mal nicht fair und das hatte ich bereits vor langer Zeit gelernt. Aber der Satz von Malte, dass ein Bild von mir im Stall hing, der schallte noch etwas länger in meinem Kopf nach.
      »Danke«, meinte ich dann nur, als mir auffiel, dass ich Malte noch gar nicht geantwortet hatte.
      Auch Malte schien nicht gerade ein Mann großer Worte zu sein. Ihm schienen die Worte genauso ausgegangen zu sein wie mir und deswegen schob er mir einfach eine der beiden Tassen auf dem Tisch zu und fing dann in Gedanken versunken seinen Hund zu seiner rechten zu streicheln.
      Mein Blick verfing sich wieder im Feuer. Die Flammen flackerten in allen möglichen Farben und es sah so aus, als würde nicht nur der Kamin brennen, sondern auch der Teppich, der Hund und Malte, welche genau davor saßen.
      Ich fand es komisch, dass es gerade mal Ende September war und hier bereits geheizt werden musste. In Nevada waren es immer noch jeden Tag etwa 70 Fahrenheit und so würde es auch noch eine ganze Zeit lang bleiben. An die Wärme hatte ich mich mittlerweile gewöhnt, weswegen die Kälte hier für mich noch unerträglicher war als ohnehin schon.
      Ruckartig setzte sich Malte gerade hin, griff mit seiner Hand in seine Hosentasche und zog seinen Autoschlüssel, nein, es war ja meiner, heraus. Dann reichte er ihn mir über den Tisch sagte: »Hätte ich fast vergessen, den habe ich aus deinem Auto geholt und gleich abgeschlossen, das hattest du anscheinend vergessen.«
      Dankend nickte ich ihm zu und nahm ihm die Autoschlüssel ab. Kurz berührte ich seine Hand und ich war erstaunt, wie weich sie sich anfühlte, denn im schwachen Licht sah sie aus, als wäre sie von der täglichen Arbeit rau geworden. Ich steckte den Autoschlüssel in meine Jackentasche und nahm dann die immer noch dampfende Tasse Tee vom Tisch. Tee, auch so etwas, was ich schon lange nicht mehr getrunken hatte.
      »Wie lange hast du vor zu bleiben?« fragte mich Malte, während er aber den Blickkontakt zu mir vermied. Es löste ein seltsames Gefühl in meinem Magen aus, dass wir hier gemeinsam saßen, uns erst einige Minuten kannte und trotzdem keine Themen zum Reden hatten.
      »Weiß nicht, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Einen Tag, vielleicht auch zwei?« meinte ich achselzuckend. Dabei sah ich zu, wie Malte beide Augenbrauen nach oben zog.
      »So kurz nur? Charly und Nico kommen erst in zwei Tagen wieder.«
      Ich wusste nicht was er von mir halten sollte, aber ich wollte ehrlich sein. »Ich weiß, dass ich Charly damit mal wieder verletze, aber ich werde vor ihrer Ankunft wieder weg sein. Ich bin schon lange nicht mehr die Freundin, die ich einmal war und ich mache es Charly nur noch schwerer, wenn ich wieder gehe. Ich gehe nun meinen eigenen Weg.«
      Ich konnte nicht erkennen, welche Emotionen Malte nun durchflossen, überhaupt konnte ich keine Reaktion in seinem Gesicht erkennen. Er zuckte nur mit den Schultern und wandte sich dann wieder seinem Tee zu.
      »Du kannst gerne die beide Nächte bei mir schlafen, es sieht so aus, als bräuchtest du dringend mal wieder etwas Schlaf.«
      »Danke, das nehme ich gerne an.« Meinte ich und lächelte wahrscheinlich das erste Mal an diesem Tag.

      Auch wenn das Sofa nicht gerade das größte und bequemste war, so schlief ich doch gut und auch recht lange. Das war ja auch kein Wunder, immerhin hatte ich den ganzen letzten Tag im Flieger gesessen und war dementsprechend ausgelaugt gewesen.
      Als ich von den Sonnenstrahlen geweckt wurde, welche durch die kleinen Fenster zu mir herein schienen, blieb ich nicht mehr lange liegen, sondern begann den Tag mit neuer Motivation und Freude. Gestern hatte ich nur Augen für Excelsior gehabt, aber es gab ja auch noch einige andere Pferde, welche ich vermisst hatte. Vor allem Jeanie, Ocarina of Time und Happy, aber auch Grenzfee und Teufelstanz, Charelle und April Rain. Ich war gespannt was auch aus Marid dem Idioten geworden war und ob es ihn überhaupt noch gab.
      Malte konnte ich nirgends finden, weswegen ich davon ausging, dass er bereits unterwegs war. Ein Blick auf die Uhr bestätigte diese Vermutung, denn es war bereits kurz nach zwölf.
      Als ich das kleine Haus verließ, brauchte ich einen Moment um mich orientieren zu können. Bei Tag sah das Ganze schon etwas anders aus und ich war erstaunt, welch freundliche Aura das Anwesen hatte.
      Rechts von mir lag eine purpurrote Scheune mit schwarzem Dach, genau vor mir stand ein prächtiges kleines, weiß gestrichenes Gutshaus und links konnte ich zwei weitere Häuser erkennen. Eines davon sah eher nach einem Schuppen und das andere nach einem Fischerhaus aus, aber wahrscheinlich würde auch Maltes Haus nicht sehr stattlich aussehen.
      Als ich einige Schritte zurücktrat und mir das kleine Häuschen genauer ansah, sah ich auf den ersten Blick nichts als Efeu. Das ganze Haus war davon überwuchert und ich verliebte mich auf den erstes Blick. Ich seufzte. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir hier oben im Norden in der Kälte tatsächlich so gut gefallen würde.
      Den Weg in den Stall fand ich tatsächlich schneller als gedacht, sodass ich wenige Minuten später am großen Haupttor stand und zum ersten Mal den Stall im Licht der Tagessonne sah. Wie mir auch gestern schon aufgefallen war, war es ein überaus stattlicher und von hellem Licht durchfluteter Stall, welcher mich vor allem mit seinen modernen und offenen Boxen überzeugte.
      Nun waren die Boxen jedoch leer und nur das aufgeregte Zwitschern der Schwalben im Gebälk gaben Geräusche von sich.
      Ich hatte meinen Blick nach oben gewandt, sodass ich nicht mitbekam, wie der große pelzige Hund von gestern Abend auf mich zu kam. Dementsprechend erschreckte ich mich, als sich die großen dunklen Augen zu mir hinaufwandten und mich zu durchbohren schienen. Wie hieß er nochmal? Ich und mein Namensgedächntnis!
      Ich streichelte ihn kurz und begab mich dann auf die Suche nach bestimmten Pferdenamen an den Boxentüren.
      »Excelsior, Jeanie - «, murmelte ich vor mich hin und ging Box für Box ab. Nach Jeanie hielt ich kurz inne, denn der Namen an der Boxentür versetzte mir einen kleinen Stich in der Magengegend. Klar hatte mir Charly von Jelda erzählt, Jeanies erstem Fohlen, aber nie hatte sie auch nur erwähnt, dass ihr ganzer Name ‚Mios Jelda‘ hieß. Ich war zu Tränen gerührt und zum ersten Mal seit vielen Monaten fühlte ich wieder diese innige Freundschaft, welche Charly und ich so viele Jahre lang gehabt hatten.
      Braum van Ghosts kannte ich tatsächlich noch aus den letzten Wochen meiner Zeit auf Saint Gorge, Hendersin, wie auch Braddock 'The Parrot' waren mir unbekannt.
      »So viele unbekannte Pferde«, murmelte ich, als ich auch an Óslogis, Félagis und Dynurs Box vorbeiging. Isländer, dem Namen nach. Aber warum Isländer? Weder Charly noch Nico hatten sich je für diese Gangpferde interessiert!
      »Oh ha!« Sagte ich überrascht, als ich tatsächlich ein Boxenschild mit dem Namen Marid fand. Den gab es also auch noch. Ich blieb einen Moment davor stehen und versank in Gedanken bei dem Tag, an dem ich Marid das erste Mal gesehen hatte, bevor ich mir noch die anderen Boxen ansah.
      Da gab es eine Rubina und einen Khadir, sowie eine Zanyah und einen Tiramisu. Auch Bijou, Abs und Milosch kannte ich nicht. Besonders freute ich mich, dass es Charelle und April Rain überlebt hatten, immerhin hatten sie ihm gehört. Vor allem Nelly war sein absolutes ein und alles gewesen. Aber gewesen.
      Nach den beiden folgte eine Reihe Namen, die ich nie und nimmer aussprechen konnte. Worgait war davon noch der normalste, aber wer ließ sich bitteschön Himmawallajugaga, Sysahlreuth und Devrienterreuth einfallen?! Das waren doch keine Namen! Zwischendurch gab es zum Glück etwas einfaches, Raja zum Beispiel.
      So viele Namen und zu kaum einem Pferd hatte ich ein Bild im Kopf. Ein Stein fiel mir allerdings vom Herzen, als ich an den letzten Boxen die Namen Grenzfee, Teufelstanz und Aspantau und Seattle‘s Scarlett laß. Auch sie hatten es also bis hier her geschafft! Scion d‘Or und Lady Gweny kannte ich jedoch wieder nicht.
      Schmunzeln musste ich, als ich ganz am Ende, oder eigentlich auch wieder am Anfang der Stallgasse den Namen Cotsworld Eik las. So interessant er war, vor allem mich als gebürtige Deutsche erinnerte er mich extrem an K*tze.
      Besser hätte es der Zufall nicht planen können, doch kaum hatte ich meinen Rundgang beendet und war mir bewusst geworden, dass weder Happy, noch Leiðtogi oder Sleipnir, noch Ocarina of Time bei den Namen dabei gewesen waren, als ich Malte den Parkplatz überqueren sah. An seiner rechten Seite lief das hübscheste Pony was ich je gesehen hatte und das sagte ich wahrlich nicht oft. Ein hübscher Perlino Splash mit blauen Augen, dicker Mähne und dichtem Fell. Das pure Traumpferd für mich! Wäre es jedoch ein Mustang und kein Isländer, dann wäre es noch perfekter als perfekt gewesen.
      Malte sagte nichts, bis er direkt neben mir anhielt. »Du musstest anscheinend wirklich viel Schlaf nachholen. Hast du jedenfalls auch gut geschlafen?«
      Ich nickte. »Danke, so gut wie lange nicht mehr.« Bedankte ich mich und lächelte kurz. »Ist das dein Pferd?«
      Stolz blickte Malte auf den Hengst hinunter. »Ja, mein kleiner Prinz. Soll ich dir noch die anderen Pferde zeigen? Ich komme zwar gerade erst von den Weiden, aber wenn du mir nachher bei der Stallarbeit hilfst, sollte das kein Problem sein.«
      Ich nickte. »Gerne doch, es gibt einige Pferde, welche ich gerne mal wieder sehen würde.

      Die Weiden in Südfrankreich waren nichts im Vergleich zu denen hier in Norwegen. Geschützt, windsicher und umringt von Bäumen waren sie das pure Paradies für die Pferde. Ich war wirklich erstaunt, welch gutes Konzept und mit welch guter Planung Charly und Nico den Hof führten und versuchten, es jedem Pferd so recht wie möglich zu machen.
      Ich lernte all die Vollblüter kennen, vor allem Achal Tekinner, aber auch viele Araber und Englische Vollblüter, dufte die Friesen irgendeines Petyrs bestaunen und mich darüber freuen, dass mein Excelsior haufenweise Freunde um sich gescharrt hatte.
      Was mich jedoch wirklich entzückte waren die Zackelschafe. Sieben Stück und ein kleines Lämmchen, welche auf einer der Weiden lebten. Auch Malte schien von seinen Schafen begeistert und stellte mir gleich jeden mit Namen vor. Alle besaßen Cocktailnamen, das fand ich extrem witzig.
      Die große Jungpferdeweide befand sich direkt am Ufer. Der Boden war hier um einiges sandiger und auch der Wind kühler, jedoch hatten die sieben Pferde mehrere Unterstellmöglichkeiten, um sich vor der kühlen Seeluft schützen zu können.
      Meine Jeanie besuchten wir als letztes. Zusammen mit ihrem Fohlen und einer kleinen Shettystute stand sie so Gestütsnah wie nur möglich, da sie hier am sichersten waren.
      Einen Moment verweilte ich noch am Zaun und beobachtete die kleine Jelda dabei, wie sie immer wieder versuchte, die beiden anderen Stuten zum Spielen zu ermutigen. Jeanie und Belle schienen jedoch die Lust zum Toben verloren zu haben und drehten sich immer wieder weg.
      Malte musste meinen Blick gesehen haben, denn ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Keine Angst, es dauert nicht mehr lange und da kann die kleine Jelda mit zu den anderen Jungpferden. Sie scheint nur etwas früh entwickelt zu sein und es kaum abwarten zu können, endlich von ihrer Mutter loszukommen.«
      Ich grinste zurück und zog Malte dann mit zum Stall. »Los komm schon, die Arbeit wartet!«

      Ich hätte nicht gedacht, dass der Stall so viel Arbeit war. Meine anfängliche Motivation war schnell wieder geschrumpft und auch die norwegische Musik im Radio, welche ich als mega witzig eingestuft hatte, wurde schnell nur noch zu einer Qual. Fast schien es, als hätte ich im letzten ¾ Jahr verlernt, was es bedeutete, so viele Boxen sauber machen zu müssen.
      Malte schien dies jedoch gar nicht zu stören. Die Arbeit im Stall schien sein Leben zu sein, so als könnte er sich nie etwas anderes vorstellen.
      Erst nach mehreren Stunden hatten wir die fünfzig Boxen von jeglichem Mist befreit, die Stallgase gekehrt und allen Pferden das Heu für den Abend vorbereitet.
      »Kaffee?« fragte mich Malte, als wir beide unseren Besen an die Wand lehnten. Ich nickte und kletterte erschöpft und sehr ungelenkig auf einen Heuballen in der Stallgasse. Daraufhin verschwand Malte in der kleinen Reiterstube und kurz darauf hörte ich das vertraute Geräusch einer Kaffeemaschine. Ja Kaffee, das war wohl eines der wichtigsten Mittel, welche mich jeden Morgen auf den Beinen hielt, wenn ich in aller Frühe mein Bett verlassen musste.
      Die Zeit nach dem Kaffee verging um einiges schneller. Nachdem die Arbeit im Stall geschafft war, verlief der Tag viel angenehmer. Ich wich Malte nicht von der Seite, beobachtete ihn dabei, wie er eine junge Ponystute von der Weide holte, diese putzte und sattelte und sie dann zur Reithalle führte. Auch diese lag versteckt mitten im Wald und nur ein kleiner Pfad führte dorthin.
      Staunend beobachtete ich ihn, wie er die Stute mit viel Geduld und vor allem Gefühl an die Lektionen heranführte und wenn etwas nicht klappte, versuchte er es einfach nochmal. Er schien ein richtiges Talent fürs Trainieren zu haben und irgendwo in meiner Magengegend spürte ich einen kleinen Eifersuchtsknoten, welchen ich jedoch erfolgreich wieder verbannen konnte.
      Auch der restliche Nachmittag war vor allem pure Entspannung. Pferde und Natur, mehr gab es eigentlich nicht, was mich glücklich stimmen konnte.
      Zusammen mit Malte und seinem großen Hund, machten wir einen Spaziergang mit einigen der Jungpferden. Während Malte seine beiden Isländer Félagi und Dynur nahm, entschied ich mich für Scion und Aspantau. Vor allem Aspantau hatte sich gigantisch entwickelt und ich freute mich, dass es ihm so gut ging.
      Fast zwei Stunden waren wir unterwegs und als wir zurück zum Gestüt kamen, dämmerte es bereits leicht. Die Pferde putzten wir noch ab und brachten sie dann zurück auf die Weide.
      »Holst du sie heute nicht über Nacht in den Stall?« fragte ich Malte, als dieser gerade das große Tor des Stalls schloss. Er schüttelte nur den Kopf. »Nein, heute nicht. Die Arbeit erspare ich mir. Morgen Nachmittag kommen alle wieder, dann machen wir das zusammen.«
      Ich fragte mich, ob er mit „wir“ auch mit meinte, denn ich hatte bereits etwas anderes geplant.

      Den Abend verbrachten wir, eingehüllt in warme Decken, unten am Strand. Auf Klappstühlen, mit einer heißen Tasse Tee in der Hand und einer flackernden Kerze zu unseren Füßen blickten wir auf den Tyrifjord, über welchem bereits der helle Mond aufgegangen war und sich nun in dessen Oberfläche spiegelte.
      Ich war erstaunt, als Malte nach einer Zeit des Schweigens anfing, mir von dem Leben auf der Ranch zu erzählen, seinen Freunden und seiner Geschichte. Ich hatte Malte heute als einen überaus stillen und schweigsamen Menschen erlebt und deswegen verwunderte es mich, dass er mir nun so freizügig erzählte.
      Irgendwann fing auch ich an, ihm vom Leben in der Wüste zu erzählen und es schien ihn ehrlich zu interessieren, so als ob er mich und meine Entscheidung verstand. Ich war ihm überaus dankbar, mit wie wenig Vorurteilen er an mich heran getreten war, obwohl er wusste, dass ich Charly und vielleicht auch Nico enttäuscht hatte.
      Es war bereits spät nach Mitternacht, als wir unseren schönen Platz aufgaben und zurück zum Hof gingen. Diesmal kam mir der Flur bereits gar nicht mehr so unheimlich vor und auch an das flackernde Licht schien ich mich gewöhnt zu haben. Ohne viel Umschweife zog ich mir meine dreckigen Kleider aus und schlüpfte unter die warme Decke des Sofas. Malte wünschte mir noch eine gute Nacht und bevor er das Licht gelöscht hatte, war ich eingeschlafen.

      Am nächsten Morgen wachte ich in aller Frühe auf. Perfekt, genau zur richtigen Zeit. Malte schlief auch noch und so zog ich mir langsam meine Kleidung wieder an, schnappte mir meine Tasche und wollte die kleine Wohnung verlassen. Kurz bevor ich jedoch die Türklinke nach unten drückte, überlegte ich es mir nochmal anders und kritzelte mit zitternder Hand auf einen kleinen Zettel:
      Danke für alles!
      Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann nochmal wieder.
      Mio
      Es tat mir Leid, dass ich ihn ohne ordentliche Verabschiedung wieder verlassen würde und doch war das mein neues ich. Ich war sprunghaft geworden, wollte mich mit keinem anderen Ort mehr verbinden und am besten mich mit keinem anfreunden. Ich lebte nur noch für Nevada, für die Mustangs, für Addison und für mich.
      Der Mietwagen brauchte etwas länger um zu starten, der Motor schien etwas eingefroren zu sein. Doch als er endlich startete, verließ ich die Ranch ohne einen Blick zurück zu werfen. Hätte ich es getan, so hätte ich bestimmt den jungen Man gesehen, welcher vor seiner Haustür stand und mir mit einem kleinen Lächeln nachlächelte.

      Etliche Stunden später landete der Flieger auf dem Flugplatz in Las Vegas. Es war ein Las Minute Flug gewesen und dementsprechend ramponiert und unbequem war der Flug gewesen. Zum Glück hatte ich so die verlorenen Schlafzeit jedenfalls etwas wieder aufholen können.
      Vor dem Gebäude, angelehnt an seinen dunklen Jeep, wartete Addison auf mich. Er hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen und ich konnte sehen, wie er jeden an ihm vorbeikommenden Passanten mit zusammengekniffenen Augen musterte.
      Ich musste bei seinem Anblick lächeln und als auch er mich erblickte, streifte sein Blick als die Erlebnisse von Norwegen von mir ab. Ich hatte mein Gewissen mit diesem Besuch nun endlich beruhigt und es war Zeit, nun nur noch hier und jetzt zu leben.
      Ich stieg auf der Beifahrerseite ein und kurz darauf schlängelte sich das brummende Gefährt durch die vollen Straßen von Las Vegas, genau auf den Red Rock Canyon zu.

    • Canyon
      Überforderung bei Petyr
      19. März 2017 | © Canyon

      Völlige Überforderung. Genau dies zeigte Petyrs Blick, als er mich am sah. Es war früher Morgen, wie immer brachte der Nahe Fjord den Nebel mit sich, welcher sich auf die Felder und Wiesen rund um die Ranch ausbreitete. Petyr hatte am Stalltor gelehnt und ziemlich elegant an einem Grashalm gekaut, welchen er immer dann im Mund hatte, wenn er früher eine Zigarette angesteckt hatte. Als ich nah genug vor ihm stand, damit er mich betrachten konnte, hatte er sich überrascht vom Tor abgestoßen und blickte mich nun mit großen Augen an. „Was – ist – das?“ Wollte er wissen und deutete auf meine Haare.
      „Ein geflochtener Zopf, besser gesagt ein „Bun Bread“, wie ich herausfinden konnte. Und ja, ich habe dafür ziemlich lang gebraucht und sehe es nicht ein, dass du mein Kunstwerk nun mit deinem vernichtenden Blick in Frage stellst!“ Gab ich meinem Freund deutlich zu verstehen.
      „Aber das ist ein Zopf! Ich meine, einen Dutt trägst du ja schon immer und den Lederband müsste eigentlich auch längst verfault sein, aber meinst du nicht, dass es etwas gewagt ist, dein komplettes Aussehen so abrupt zu ändern? Ich meine, ein geflochtener ZOPF?“ Petyr hörte gar nicht mehr auf zu reden und mittlerweile wusste ich selbst nicht mehr, ob er das ernst meinte, oder nur gerade wieder in witziger Stimmung war. Klar, ich hatte seit zehn Jahren die gleiche Frisur, aber sich nun darüber aufzuregen, dass ich ausnahmsweise einen Strähne eingeflochten hatte, ne, das war übertrieben.
      „Krieg‘ dich wieder ein, das ist kein Weltuntergang!“

      Während des gesamten Weges zum Gebäude der Schulpferde in südlicher Richtung, merkte ich Petyrs Blick auf mir, oder besser gesagt auf meinem Kopf. Zum Glück schien es weder meinen Gery, noch Edda zu stören, was ich natürlich auch nicht erwartet hätte.
      „Hat dir Tjarda wohl gesagt, dass sie auf Männer mit Zöpfen steht, oder woher kommt dein plötzlicher Sinneswandel?“ Petyr konnte anscheinend nicht locker lassen. Ich seufzte.
      „Nein Petyr, niemand hat mir etwas in der Art gesagt und vor allem nicht Tjarda! Ich habe ein Bild gesehen und gedacht, dass meine Haare gut dazu geeignet sind und es einfach mal ausprobiert und um die ganze Arbeit nicht sofort wieder zu ruinieren, habe ich es drin gelassen. Ok?“
      Petyr schüttelte nur ungläubig den Kopf, schien dann jedoch erstmal den Mund zu halten.
      Da Vuyo, dieser Faulsack, mal wieder seinen freien Tag hatte, waren Petyr und ich für den Stalldienst bei den Ponys (und einem Großpferd) eingeteilt. Es war zum Glück nicht viel Arbeit, denn mittlerweile beherbergte der Stall nur noch fünf Pferde. Are und Bo hatten vor kurzem unerwartet aber mit schwerem Herzen Elliot und Nabiri an ein Gestüt verkauft, wo sie es hoffentlich gut haben würden. Die nun noch kleinere Herde verbrachte so zusammen den Tag auf der Weide und die Nacht im Stall und schien ihr gemütliches Ponyleben gut zu genießen.
      „Du fütterst Excelsior und Valentines Jeanie, ich kümmere mich um die anderen drei.“ Wies ich Petyr seine Aufgaben zu und wollte mich bereits umdrehen, als von Petyr wieder ein Kommentar zu meinen Haaren kam.
      „Pass auf, dass die drei dich erkennen, du weißt, dass Braum Veränderungen gar nicht mag.“
      „Haha, wie witzig“, lachte ich trocken und seufzte dann genervt.
      Braum, Milosch und Abs waren schnell versorgt. Wasser kam aus neu angelegten Wasserspendern und frisches Heu war ohne Probleme nachgelegt. Nachdem alle Pferde ihr Müsli gefressen hatten, schnappten wir uns die Halfter und führten die fünf nach draußen auf die gemeinsame Koppel.
      „Ich hatte übrigens Glück“, meinte ich zu Petyr, „Die Pferde haben sich, im Gegenteil zu dir, deutlich zurückgehalten, was ihre Meinung zu MEINER Haarfrisur anging.“
      „Ach, was du nicht sagst.“ Petyr lachte hämisch. „Noch nicht mal Milosch wollte mit dir Reden? Krass Alter!“ Ich boxte Petyr in die Seite und schlug dann den Weg zurück zum Hauptstall ein.
      Die zwei leuchtenden Augen hinter den lichten Holzbrettern des Stalls, welche mich und Petyr bis wir außer Sichtweite waren, beobachteten, bemerkte ich nicht.

      Den restlichen Tag verbrachte ich wie immer damit, alle Pferde zufrieden zu stellen und zu versuchen, alle wichtigen Dinge auf meiner To-Do-Liste abzuarbeiten. Petyr genoss wie immer sein unbeschwertes Leben und nur Charly, welche ich mittags im Stall antraf, merkte man die viele Arbeit an.
      „Ich brauche dringend mehr Angestellte! Ich schaffe das einfach nicht mehr...“ Sagte sie, bereits zum wiederholten Male zu mir und strich sich eine von ihren mittlerweile wieder schokoladenbraunen Haaren aus dem Gesicht. Sie war ziemlich hübsch und selbst ich musste mich anstrengen, ihr nicht allzu lange hinterher zu blicken.
      Jedenfalls schien Tuva mein kleines Haarexperiment zu gefallen, als sie am Nachmittag ihren Hengst Abraham van Helsing zu einem Ausritt vorbereitete und ich ihr dabei über den Weg lief. Teodor hielt sich wie immer gekonnt zurück und natürlich merkte es die blinde Torun gar nicht, dass sich bei meinem Aussehen ausnahmsweise etwas verändert hatte. Nur Petyr, welcher sich damit einfach nicht abfinden konnte, kam, nachdem er längere Zeit unauffindbar gewesen war, mit einem Stapel alter Bilder von mir zurück und zeigte mir, wie lange ich bereits schon so aussah, wie ich jetzt aussah und, dass er mich nicht verstehen konnte, wie ich sowas nur tun konnte. Heute war ein Tag, da wurde mir abermals bewusst, dass Petyr ein ganz schön komischer Kauz war. Ich selbst war erstaunt, dass ich das jetzt erst merkte, immerhin kannte ich ihn schon – wie viele Jahre?
      Auch ich fand kurz vor der Dämmerung Zeit, mich mit einigen meiner Pferde zu beschäftigen. Da Charly und Striga die Halle komplett mit ihren Bodenarbeitszeug belegten und ein mir unbekannter Mann, angeblich irgendein Freund von Nico, mit der schwierigen Ocarina of Time einen Schreckparcours auf dem Platz aufgebaut hatte, blieb mir nichts anderes als das Gelände übrig. Bo, welcher die Tränen nach dem Verkauf ihres Pferdes ganztägig in den Augen standen, freute sich jedenfalls ein bisschen, als sie von mir das Angebot bekam, auf Black Lemontree, dem alten Heeren, mit auf den Ausritt zu kommen, sodass ich mich selber auf Óslogi setzen und den mittlerweile genauso großen Félagi führen konnte. Der gute alte Are erklärte sich bereit, uns zu Fuß zu begleiten und nebenbei gleich Dynur mitzunehmen. Auch Dynur würde wohl bald ins Training müssen, vielleicht war da der nahende Frühling gar kein so schlechter Startpunkt. Nach einer dreiviertel Stunde taten Are seine Füße so weh, dass wir auf dem schnellsten Weg zur Ranch zurückgingen und wir zusammen die Pferde absattelten. Ich versprach der kleinen Bo, dass sie ab nun gerne öfter auf Blacky reiten durfte und das zauberte ihr jedenfalls ein kleines Lächeln ins Gesicht.
      Als am späten Abend die Halle endlich leer wurde, halfterte ich meinen neuen großen Freund und Begleiter Angus auf und ging, über den Schultern einen Halsring hängend, in die Halle. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, auf einem großen felligen Kaltblut zu sitzen, mit nichts weiter als einem Halsring in der Hand. Bei Angus hatte ich schnell bemerkt, dass er der perfekte Partner dafür war und da Ĺogis harter Gang leider nicht so perfekt dafür war, war ich umso glücklicher, nun endlich
      Angus dafür zu haben.
      Am Ende des Tages wartete nur noch ein warmes Bad auf mich und als ich gerade die Lampe neben meinem Bett ausschalten wollte, suchte mein Handy, oder besser gesagt Petyr, nach Aufmerksamkeit.
      „Petyr.“ Fast hätte ich bereits damit rechnen müssen, dass sich mein Freund nochmal bemerkbar machen würde. Meine Haare schienen ihm wirklich zuzusetzen.
      „Ja hey Malte, mein Freund. Sag mal, hast du den Zopf nun eigentlich raus gemacht? Oder lässt du ihn drinne? Drückt das nicht ein bisschen?“
      Ich musste lachen und ich lachte ziemlich selten so laut. Diesmal blickten mich Gerys verwirrte Augen vom Fußende des Bettes doch ziemlich perplex an. „Ja, der Zopf ist draußen, aber weißt du was? Ich habe mir gedacht, dass ich mir morgen früh einfach zwei Zöpfe flechte!“ Ich grinste in die Dunkelheit und stellte mir Petyr aufgerissene Augen bildlich vor. „Was hältst du davon, mein Freund?“
    • Canyon
      Ein Brief an Dich
      1. Mai 2017 | © Canyon

      Liebste Mio

      Da du mittlerweile weder per Telefon, noch per Skype oder gar per E-Mail erreichbar bist, muss es nun also über den langen Weg gehen, nämlich per Post. Die Vorstellung ist witzig, dass dieser Brief einen weiteren Weg zurücklegen wird, als ich es je getan habe und das für wenige Euro.
      Seit mittlerweile mehreren Monaten herrscht Funkstille. Was ist nur passiert? Was ist mit der alten Zeit geschehen? All die Jahre, in denen du mir nie von der Seite gewichen bist, verweht vom Winde. Ich konnte dich gut verstehen, aber mittlerweile ist eine lange Zeit seit dem vergangen. Ich will meine beste Freundin nicht verlieren!

      Allerdings will ich dir nicht schreiben, um dich mit Vorwürfen zu bewerfen. Ich brauche dich, dich meine Freundin und ich hoffe, dass du mir die Ehre erweist und diesen Brief nicht ignorierst. Es ist mein letzter Versuch, das Alte zu erhalten und trotzdem neu zu beginnen.

      Bei uns auf der Tyrifjord Ranch hat sich in den letzten Monaten so einiges getan. Wir sind gewachsen und gewachsen, haben unsere Können bewiesen und erste Fohlen gezogen. Die Ranch würde dir gefallen, glaube mir. Ich weiß, dass du in Nevada glücklich bist, aber auch Norwegen ist etwas ganz besonderes.
      Bart kann mittlerweile von einer Box zu nächsten laufen und vor allem die Katzen haben es ihm angetan. Endlich kann er zu ihnen ins Heu krabbeln und sich auf die Kleinen stürzen. Capucine hat sich mittlerweile damit abgefunden, dass auch Asuka einen Platz im Schlafzimmer hat, auch wenn alles auf dem Bett ihr gehört und sie dieses Gebiet agribisch verteidigt.
      Seit Weihnachten habe ich endlich einen Ersatz für meine geliebte Anaba gefunden. Es war ein Geschenk des ganzen Hofes und ich kann mich an kein Weihnachten erinnern, welches so überraschend für mich war. Striga ist noch jung und ziemlich unerfahren, jedoch habe ich endlich wieder ein Pferd gefunden, welches es mit meiner heiß geliebten Anaba aufnehmen kann.

      Auch Nico hat endlich etwas gefunden, was ihn antreibt. Mittlerweile beherbergen wir auf unseren Hof sechs Warmblüter für den Vielseitigkeitssport. Nicos Auswahl: Nur Pferd mit Macke ist Pferd. Vielleicht kennst du Bijou noch. Kurz vor Weihnachten zog seine Freundin Shari ein und kurz darauf auch schon Colour Splash. Beide Stuten sind nicht nur hübsch, sondern auch ziemlich zickig, zeigten jedoch von Anfang an Talent. Die Krönung wollen wir auch nicht mehr lange hinauszögern, nur fehlte uns bis jetzt die Zeit für die Reise. Shari ist mittlerweile trächtig und du glaubst es nicht, aber Nico sprüht nur so vor Vorfreude!
      Seit einigen Tagen kamen dann auch die letzten drei Sportpferde hinzu. Unsere gemeinsame Freundin Bracelet überließ Nico ihren Hengst Deo Volente und wir nutzten die Chance, sie gleich in Schweden zu besuchen. Nicos größtes Heiligtum: Ghostly Phenomenon. Du weißt gar nicht, wie er aus dem Häuschen war, als das Pferd seiner Träume dann endlich in unserem Stall stand. Meine Freude hielt sich etwas in Grenzen, so hübsch er auch ist, es wird eine Menge Arbeit kosten, ihn auszubilden. Über Sweet Prejudice kann ich dir leider noch nicht so viel erzählen, interessant ist das einzige, was mir zu ihr einfällt.

      Ach Mio, wie sehr vermisse ich deine Stimme und wie sehr hoffe ich, dass es dir gut geht! Irgendwann komme ich dich besuchen meine Kleine, irgendwann. Vielleicht nehme ich Malte mit, auch er wollte schon immer einmal Wildpferde sehen. Ich glaube, mit Malte würdest du dich gut verstehen, er ist ein guter Freund.

      Habe ich dir schon erzählt, dass Bella und ihr, mittlerweile Ex-Freund, Robin nach Norwegen gekommen sind? Es gab einige Komplikationen in Dänemark und ich glaube, mittlerweile ist auch Bella mit ihrer Entscheidung zufrieden. Sie hat ziemlich oft nach dir gefragt, sagen konnte ich ihr leider nicht sehr viel.

      Leider gibt es auch schlechte Neuigkeiten. Grenzfees Hufehe haben sich wieder bemerkbar gemacht, sodass sie nun wieder in der Box leben muss. Ich habe so gehofft, dass sie es für immer überstanden hat... Damit sie nicht alleine ist, steht nun auch Teufelstanz wieder im Stall. Ich hoffe jedoch auch, dass wir diesmal früh genug eingegriffen haben und der Tierarzt bis zum Beginn des Frühlings wieder grünes Licht für die Weide gibt.

      Außerdem ist vor wenigen Tagen Nicos Vater gestorben. Ein Autounfall, ich will nicht tiefer ins Detail gehen, es weckt zu viele Erinnerungen. Unerwartet hat Nico den Großteil des Vermögens geerbt und auch wenn noch nicht genau geklärt ist, wie viel es sein wird, kann dies ein weiterer Schritt für uns sein! Du weißt, von Nicos Vater habe ich nie viel gehalten und auch Nicos Verbindung war nie allzu tief, aber er trauert doch ganz schön. Gestern früh habe ich ihn nach Drammen zum Flughafen gebracht, mittlerweile sollte er gut gelandet sein. Er will sich bis zum Abend bei mir melden.

      Ich weiß nicht, was in Zukunft auf uns zukommen wird, aber ich bin mir sicher, dass es ziemlich spannend wird!

      Es tat gut dir zu schreiben, auch wenn ich nicht weiß, wann und wo er dich erreicht. Vielleicht sinkt das Schiff oder das Flugzeug stürzt ab, ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich genau: Ich will dich nicht verlieren.

      Von ganzem Herzen,
      Deine Charly


      Liebe Charly,

      Ich empfing deinen Brief gestern Abend mit großer Verwunderung. Hast du jemals vorher einen Brief geschrieben?
      Du hattest Glück, dass ich ihn noch erhalten habe, denn mittlerweile sollte ich auf dem Weg nach Utah sein. Sei mir also nicht böse, wenn meine Antwort aus Zeitgründen ziemlich knapp ausfällt.
      Ich freue mich sehr von dir, deiner Familie und den Pferden zu hören und sobald ich die Zeit finde, werde auch ich dir berichten, weshalb ich in den letzten Monaten eine so unzuverlässige Freundin gewesen war. Ich hatte wichtige Gründe und ich bin mir sicher, dass du sie verstehen wirst.

      Fühle dich gedrückt,
      Mio


      Liebste Mio

      Es erwärmte mir dein Herz, das kleine Stück Papier von dir in den Händen halten zu dürfen. Dir geht es also gut, das ermöglicht mir meine erhoffte Erleichterung. Und ja, vor wenigen Jahren schrieb ich einen Brief an meine Großmutter, obwohl ich leider zugeben muss, dass dieser nie ankam.
      Viel verändert hat sich bei uns noch nichts. Noch nicht. Gestern kam Nico ziemlich erschöpft aus London wieder. Ich merkte jedoch sofort, dass ihn etwas anderes beschäftigte, was nicht mit seinem Vater zu tun hatte. Am Abend unterbreitete er mir dann seine Idee: Ein neues Gestüt. Diese Vorstellung passte gerade so überhaupt nicht in mein Leben. Ich bin hier doch glücklich? Unsere kleine verträumte Ranch mitten am See. Aber Nico schwärmte so sehr von einem internationalen Sportgestüt, einer kleinen Zucht und einer eigenen Reitschule, dass ich ihm nicht lange widersprechen konnte. Er meinte, dass wir jetzt das Geld und die Kraft hätten, dies zu tun und wer weiß, wann dies nochmal der Fall sein sollte.
      Ach Mio, so viel Veränderung, schon wieder! Bereits heute morgen ist er in seinen Wagen gestiegen und gen Norden gefahren. Zurückgekommen ist er noch nicht. Ich spüre die Entdeckungslust und die Vorfreude in mir. Es wäre wieder ein Umzug für die Pferde, aber diesmal ein endgültiger, das steht für mich fest!
      Aber was rede ich da. Erst einmal muss ein Ort gefunden werden und das Gestüt muss gebaut werden. Das wird dauern, ziemlich lange dauern.

      Ansonsten hat sich nicht viel geändert. Malte hat sich in den letzten Tagen intensiv mit Prejudice beschäftigt und versucht, die eigenwillige Stute besser kennenzulernen. Ein bisschen mag ich sie mittlerweile ja auch, sie hat etwas besonnenes an sich, vor allem dann, wenn sie auf der Weide ist. Sie scheint das Leben abseits des Stalls zu lieben und plötzlich eine ganz andere zu sein.
      Rubina steht kurz vor der Geburt des Fohlens. Nico leidet darunter, dass er sie und seinen Marid in den nächsten Tagen unbedingt trennen muss, er hat es schon viel zu lang hinausgezögert.

      Weißt du, ich glaube Excelsior und Jeanie vermissen dich immer noch. Ich habe eine gute Reitbeteiligung für beide gefunden und Vuyo tut sein bestes, die beiden zu beschäftigen. Er gibt jetzt hin und wieder Reitunterricht und scheint voll in seinem Element gelandet zu sein. Den Pferden scheint es zu gefallen und auch von den Schülern bekommen wir nur positive Rückmeldungen. In der Hinsicht wäre es gar nicht so schlecht, auch die Reitschule zu erweitern. Allerdings bräuchten wir dazu noch einige weitere Pferde. Nur Abs, Milosch, Jeanie und Exel sind einfach zu wenig. Zum Glück haben wir die Befugnis, auch noch Elliot ab und zu einzusetzen und der junge Braum macht immer größere Schritte in Richtung Schulpferd. Trotz seines unerfahrenen Alters fliegen dem Süßen die Mädchenherzen nur so zu! Er suhlt sich richtig in der Aufmerksamkeit. Aber ich muss wirklich zugeben, dass er ein hübscher Kerl geworden ist.

      Du glaubst es nicht, aber letztens hat Nico tatsächlich nach dem Verkauf eines Pferdes geweint. Das Pferd hieß Eik und auch ich habe den großen Kerl geliebt. Allerdings mussten wir einsehen, dass wir uns etwas überschätzt hatten, was ihn betraf. Er war echt ein guter Kerl, jedoch brauchte viel Aufmerksamkeit und die konnten wir ihm leider nicht geben. Immerhin haben wir mit Worgait, Marid und Co bereits so einige Pferde, welche es nicht scheuen, ihre Meinung offen kundzutun.
      Aber natürlich gibt es auch andere Kunden. Unsere drei Vollbluthengste Golden Ebano, Valentines Alysheba und Osgiliath haben sich gesucht und gefunden. Die drei bleiben mittlerweile auch über Nacht, wenn die Temperaturen nicht in den Minusbereich sinken, auf der Weide und verstehen sich trotz ihrer Hengstmanieren prächtig.

      Ach Mio, wie sehr wünschte ich dich zu mir. Bei einem Glas Wein auf der Veranda könnten wir uns unsere Geschichten austauschen, lachen und das Leben genießen. Es fällt mir schwer, ohne eine Freundin wie dich, das Leben vollkommen zu lieben. Klar, mit Tuva verstehe ich mich sehr gut und es hat nicht lang gedauert, bis wir bemerkten, dass wir den selben Alkoholgeschmack teilen, aber sie ist nur eine Freundin.

      Ich will deine Zeit nicht allzu sehr verbrauchen, aber es freut mich, dass wir nun einen Weg gefunden haben, unsere Freundschaft aufrechtzuerhalten.

      Die wärmsten Grüße,
      Deine Charly


      Liebe Charly,

      Wieder habe ich dich warten lassen. Allerdings sind wir erst vor wenigen Tagen aus Utah zurückgekehrt und wie du dir vorstellen kannst, ist der Weg nach Vegas zum nächsten Briefkasten nicht der kürzeste. Da ich heute morgen jedoch für uns einkaufen war, habe ich gleich die Chance genutzt und den Brief auf die Reise geschickt.

      Irgendwo in deinen Worten versteckt sehe ich noch die alte Ranch, welche wir beide zusammen entstehen lassen. Saint Gorge, wenige Boxen, nur ein alter Reitplatz, dafür das Meer gleich vor den Füßen. Warum ist es euch beiden so wichtig geworden, alles immer größer werden zu lassen? Gibt es nicht bessere Möglichkeiten so viel Geld einzusetzen?

      Es freut mich allerdings zu hören, dass auch meine liebste Bella den Weg zu euch gefunden hat. Richte ihr die liebsten Grüße aus! Vielleicht werde ich mich in den nächsten Tagen mal bei ihr melden. Hast du auch etwas von Linn gehört? Wie geht es ihr auf Island?

      Addison versucht mich ständig dazu zu überreden, dass wir euch mal besuchen kommen. Er möchte dich und natürlich auch die Pferde selbst einmal kennenlernen. Ich bin noch nicht soweit Charly, noch nicht. Lass mir die Zeit, lass mich abschalten, lass mich wer anders sein. Nevada und die Mustangs geben mir all das, was ich so lange gesucht habe. So lang. Ich will es noch nicht hergeben oder teilen, erst wenn ich all das schöne hier in mir aufgesogen habe. Verstehe mich bitte.

      Der kleine Kuckunniwi entwickelt sich prächtig. Endlich hat Anaba ihn freigegeben. Ich merke die Veränderung die er gerade durchlebt, merke, wie er sich und seine Freiheit findet und wie sehr Anaba ihn liebt. Fast schmerzt es mich, dass sie mich nicht an ihn heranlässt, aber wir wollten es ja so. Er sollte so aufwachsen, wie es die Pferde auf den weiten Weiden Amerikas tun sollten.
      Für Hidalgo, Morrigans Hidalgo, und Chosposi tut es mir Leid, dass sie aufgrund ihres Hengststatus nicht mit zu den anderen Pferden dürfen. Dafür haben sie sich beide und die Verbindung zu ihnen hat sich in letzter Zeit um einiges verstärkt.
      Du glaubst es nicht, aber Varys und Imagine There's No Heaven sind mittlerweile, du wirst es nicht glauben, ausgewachsen. Zusammen mit Triumph genießen sie die Jugend, auch wenn Addi vor hat, im Sommer anzufangen sie jedenfalls etwas auszubilden.

      Ach ja, Addi, er ist ein guter Freund für mich geworden. Wir sind uns näher, als ich mich jemals bei einem Menschen gefühlt habe, näher als Shadow mir je gewesen war und doch sind wir kein Paar. Wir sind Gefährten, welche zusammen das tun, was sie für richtig erhalten. Wir wollen die Wildpferde erhalten und die Menschheit davon abhalten, diese wunderbaren Tiere wie Müll zusammenzutreiben, wieder auseinanderzureisen und dann auf dem ganzen Erdball zu verteilen.
      Wenn wir einmal bei diesem Thema sind, so werde ich dir gleich erzählen, was ich in Utah zu suchen hatte. Eine Freundin von Addi rief an. Sie meinte, dass sie ein komisches Paar entdeckt hatte. Ein weißer Hengst und eine junge braune Stute, verletzt. Amy, seine Freundin, erzählte, dass die beiden neu in der Gegend sind und es so schien, als wären sie extra so nah an die Auffangstation gekommen, um Hilfe zu suchen. Anfänglich wusste ich nicht, was Addi so in Aufregung versetzte. Ich sollte ihm vertrauen und da ich das sowieso tat, vertraute ich ihm. Erst im Nachhinein, nachdem Hengst und Stute mithilfe von Addi eingefangen wurden, erzählte er mir die ganze Geschichte. Vielleicht werde ich dir die Geschichte auch irgendwann erzählen können, heute würde der Brief jedoch zu lang werden. Es war ein Abenteuer pur und auch jetzt, nachdem beide Pferde wohlbehalten auf einer Weide bei uns stehen, fühle ich immer noch das Adrenalin der Freiheit in meinen Adern pochen. Für dich wird es unverständlich sein, für mich war es das Beste, was mir je passiert ist. Der Hengst heißt Cloud, während seine hübsche Freundin den Namen Zonta trägt. Ihre Beine schienen von einem Zaun verletzt wurden zu sein, in welchem sie sich verfangen hatte. Obwohl sie viel Blut verloren haben muss, steht sie immer noch sicher auf allen Vieren und lässt sich nichts anmerken. Anbei schicke ich dir ein Bild von den Beiden, damit du die Schönheit verstehen kannst, welche sie ausstrahlen.

      Ich habe dir auch noch nicht erzählt, dass seit einiger Zeit ein Paint Horse bei uns wohnt. Vielleicht hast du schonmal von ihr gehört. Sie stand lange bei Rachel und später bei Verena, welche ja auch... du weißt es ja, ich muss es nicht erwähnen. Raised from Hell steht deswegen zusammen mit Addis My Canyon und Battle Cry auf einer Weide und auch wenn Canyon oft genervt von Raised ist, hat sie sich hier doch ganz gut eingelebt. Ich bin gespannt, wie sie allerdings im Sommer mit den Temperaturen zurecht kommen wird.

      Ansonsten gibt es auch hier nicht allzu viel neues. Chill und Buck sind von der Schule genervt und Heather ist immer noch eine bemerkenswerte Frau. Sie hat es uns ermöglicht nach Utah fahren zu können und hat Tag für Tag alleine die Pferde versorgt. Zum Glück sind unsere drei Jüngsten, Dawn, Time In A Bottle und Kwatoko, mittlerweile soweit, auch einige Tage alleine überleben zu können. Das hätte ich mir nie erträumt. Sie waren unsere Sorgenkinder und mittlerweile benehmen sie sich genauso wie Kuckunniwi.

      Nun bist auch du auf dem neuesten Stand, was die Triple R Ranch angeht. Ich erwarte bereits jetzt deinen nächsten Brief und auch wenn ich es nur ungern zugebe, so hat es doch seinen Reiz, per Brief eine Konversation zu führen.

      Mit aller Liebe,
      Mio


      Liebste Mio

      Was für eine Geschichte und vielleicht ist es dir ja schon bald möglich, mir die Vollversion davon anzuhören! Clouds und Zontas Bild hat mich tief berührt. Diese Anmut und Wildheit, sie steckt den beiden in allem Knochen. Aber was habt ihr nun mit ihnen vor? Cloud ist ein Wildpferd, Zonta ebenso. Wollt ihr gegen euer Ziel arbeiten und die beiden eingesperrt lassen?
      Da du mir Bilder geschickt hast, muss auch ich dich mit welchen von unseren Pferden erfreuen. Rubina hat vor zwei Tagen erfolgreich ihren zweiten Sohn zur Welt gebracht. Ich hätte Nico filmen müssen, als er ihn das erste Mal gesehen hat! Er war begeistert und begeistert, aber das war ich auch, denn der kleine ähnelt nicht nur stark seiner hübschen Mutter, sondern hat auch interessante Markierungen an Kopf und Flanke, welche auch Marid im Gesicht trägt. Der kleine Mytos ist ein wahrer Prachtkerl geworden und ein guter Start in die Fohlensaison dieses Jahr!

      Auch hat sich wegen des neuen Gestüts einiges ergeben. Sicher war, dass wir am Tyrifjord bleiben wollen. Wir lieben ihn und es wäre sinnlos, diese Heimat bereits aufzugeben. Drei Tage dauerte es nur, bis Nico mit einer faszinierenden Idee zurück kam. Im nördlichen Teil vom Tyrifjord liegt eine recht große Insel namens Sorøya. 1.7qkm groß und nahezu unbewohnt. Nur ein paar wenige Bauernhäuser stehen dort, der Rest ist Wald, Wiese und Feld. Nico schaffte es, genau diese Insel für uns zu gewinnen! Es tut mir fast Leid um dieses Paradies, aber noch mehr freue ich mich darauf, eine eigene kleine Welt nur für uns und unsere Pferde.
      Die Verhandlungsgespräche laufen bereits und ich bin, wie du dir sicherlich vorstellen kannst, ziemlich gespannt, was das betrifft.

      Das Training mit den Pferden läuft nun langsam wieder an. Einen Großteil übernimmt natürlich Malte, da Petyr nun öfter wieder in der Welt unterwegs ist. Ihn zieht es hinaus, während Malte das ruhige und stetige Leben auf dem Gestüt genießt. Ich bin ganz erstaunt, dass Nico mittlerweile ordentlich zupackt und auch wenn sein Fokus nur auf seinen eigenen Pferden liegt, so ist seine Aufenthaltszeit im Stall in den letzten Wochen um einiges gestiegen.

      Am Wochenende war uns meine Schwester besuchen. Sie wohnt, wie du ja weißt, in Oslo und hat leider mit Pferden nichts am Hut. Dafür konnte ich ihren neuen Freund, sowie ihren Adoptivsohn endlich kennenlernen. Etwas enttäuscht bin ich schon, dass Alexandra so lange gebraucht hat, mich hier zu besuchen, der Weg ist ja nicht unendlich weit! Trotzdem ist sie meine Schwester und man liebt seine Schwester. Dimitri schien ganz fasziniert von dem Gestüt, während Alex natürlich nicht begeistert war. Ich kann das gar nicht verstehen, dass es Menschen geben kann, die diese fantastischen Geschöpfe nicht mögen. Wie kann man in einem Pferd nichts weiter sehen als ein Pferd?

      Ansonsten nimmt hier alles seinen gewohnten Lauf. Die Sonne geht auf, und sie geht wieder unter. Genauso wie es immer war.

      Ich vermisse dich!
      Deine Charly


      Liebe Charly

      Der kleine Mytos berührt mir mein Herz, denn in ihm sehe ich seinen Vater. Auch wenn ich mich nie mit Marid verstanden habe, so ist es doch ein Stück Erinnerung und ein Teil meiner Vergangenheit.

      Wieder habe ich länger gebraucht, um dir zu antworten. Aber bei uns wird die Arbeit wieder mehr, denn die Winterpause ist vorbei und schon bald beginnt wieder die Zeit des Einfangens und da müssen wir bereit sein.
      Cloud und Zonta werden so lange bei uns bleiben, bis Zontas Wunden verheilt sind. Addi hat sich die größte Mühe gegeben und auch wenn es nicht immer einfach war ein Wildpferd zu versorgen, schien auch Zonta mit der Zeit zu bemerken, dass wir nur helfen wollen.
      Addi ist seit Clouds Ankunft anders. Oft liegt er draußen auf der Weide und beobachtet den Hengst. Er scheint tief in Gedanken versunken zu sein und in Erinnerungen zu schwelgen. Er erzählte mir, dass er Cloud bereits kannte. Es verwunderte ihn, wie der Hengst nach Utah kam, da er Cloud hier in Nevada kennengelernt hatte. Er meinte, dass Cloud es gewesen war, welcher ihm nach dem Tod seiner Frau wieder Kraft gegeben hatte. Er selbst konnte es nicht erklären, aber er erzählte mir von dem Bild eines leuchtenden weißen Pferdes, so anmutig und edel, so ehrlich und voller Hoffnung, dass ich nicht daran zweifelte, dass es so gewesen war. Cloud bedeutet für Addi alles und vielleicht ist es ein Zeichen, dass genau dieser Hengst jetzt wieder aufgetaucht ist.
      Natürlich forschten wir weiter, denn Addi hatte Fragen. Wie kam Cloud nach Utah? Wo war seine Herde? Es dauerte nicht lange und wir fanden beim BLM unsere Antwort. Mittlerweile haben wir dort einige Kontakte, mit welchen wir wegen der Mustangs in Verbindung stehen und mit der Hilfe einer Freundin, fanden wir heraus, dass Cloud und eine braune Stute, vermutlich Zonta, die Flucht geschafft hatten, kurz nachdem sie transportiert worden waren.
      Vielleicht hat Addi gar nicht so unrecht. Vielleicht ist dieser Hengst wirklich ein Zeichen der Hoffnung und wahrscheinlich ist es Absicht, dass er bei uns gelandet ist. Cloud scheint sich nicht unwohl zu fühlen, obwohl er von den Zäunen umgeben ist. Trotzdem ist er noch ein freies Pferd und sobald der Zeitpunkt gekommen ist, werden wir uns von ihm verabschieden müssen.

      Allerdings muss ich dir dringend noch etwas erzählen! Heather hat, du glaubst es kaum, ihren Neffen aufgenommen. Das ist nicht irgendein Neffe, nein, dass ist ein entlassener Häftling mit einigen Vorstrafen und hinzu kommt, dass er genauso alt ist wie ich. Problem des Ganzen: Er sieht ziemlich gut aus und ist natürlich ein riesiges Arsch. Heather meint, dass die Ranch die beste Möglichkeit sei, Jacob wieder auf die Bahn zu bringen, auch wenn ich mich frage, ob das bei ihm überhaupt noch möglich ist. Er ist ein Angeber und ein ziemlich fauler Idiot. Chill und Buck freuten sich natürlich über „ihren großen Bruder“ und dank Jacob ist die Aufmüpfigkeit der beiden nochmals gestiegen.
      Addi freute sich gar nicht über den plötzlichen Einzug. Verständlich. Er kennt Jac nicht und hat Angst um seine Pferde. Jedoch konnte er Heather den Gefallen nicht abschlagen, immerhin ist auch Jac sein Neffe und auch wenn Addi lange keinen Kontakt mehr zu seiner zweiten Schwester hatte, sind sie trotzdem miteinander verwandt.
      Ich selbst weiß noch nicht genau, wie ich zu Jac stehe. Bis jetzt hat er mich meist ignoriert und etwas enttäuscht bin ich schon, dass solch nette Menschen wie Addi und Heather solche unhöflichen Verwandte haben.
      Jedenfalls versucht Addi nun, Jac mit in die tägliche Arbeit einzugliedern. Etwas Erfahrung mit Pferden hat er bereits, da auch seine Mutter Pferdebesitzerin gewesen ist. Anscheinend liegt das in der Familie. Bis jetzt hat er sich nur meistens um die Arbeit gedrückt, ob er selbst auch Pferde mag, weiß ich also noch nicht so genau.
      Ich bin gespannt, wie sich das Ganze entwickelt. Immerhin ist Jac der erste Fremde seit meiner Ankunft auf der Ranch und das birgt für uns alle ein Gefahrenrisiko. Jacob Moore, ich bin ziemlich gespannt, ob das gut ausgehen wird.

      Mit den besten Grüßen,
      Mio


      Liebste Mio!

      Oho! Ein junger, gut aussehender Mann, welcher total unhöflich ist? Na wenn das kein Anfang einer Liebesgeschichte sein kann! Auch ich habe daran nie geglaubt, bis es mir selbst widerfahren ist. Und schau, wo ich jetzt gelandet bin. An meiner Seite ein Mann, der genauso ein Idiot ist wie die Jungs, die mich früher in der Schule immer bloßgestellt haben und mit so einem habe ich auch noch ein Kind. Pass‘ also ja auf dich auf!
      Aber ich meine das wirklich ernst. Solche Männer sind meist so von sich überzeugt, dass sie nicht auf eventuelle Opfer achten.

      Die Geschichte mit Cloud, puh, da musste ich mir die Tränen von der Wange wischen. Das Ganze hat sich fast wie ein Film vor meinen Augen abgespielt. Ich stelle mir das wahrhaftig vor, wie ein weißer und reiner Hengst, einem zerstörten jungen Mann wieder ein Ziel zum Leben gibt. Fast könnte ich darüber ein Buch schreiben, oder, warum schreibst du kein Buch darüber?
      Grüße Addi von mir, ich mag ihn, er scheint ein anständiger Kerl zu sein und er scheint dafür verantwortlich, dass du wieder so lächeln und nach vorne schauen kannst!

      Vuyo hat sich nun auch endlich wieder ein Pferd gekauft und erstaunter hätte ich nicht sein können, als er da mit einer zierlichen Edelhaffi Stute stand, welche auch noch den Namen Curly Lure trägt und als ob das noch nicht genug wäre, ist sie auch noch ziemlich eigensinnig und zickig. Aber er hat vor, sie mit in die Reitschule zu nehmen und sie dort vielleicht zu einem anständigen Reitpferd ausbilden.

      Mittlerweile haben auch die Planungen für das neue Gestüt begonnen. Die Insel ist bereits vermessen und wir machen uns zur Zeit auf die Suche nach Pferdebesitzern, welche mit auf die Insel ziehen wollen und uns so unterstützen. Nico hat einen Freund in der Türkei, welcher mit einer Freundin zusammen ein kleines Arabergestüt leitet. Sie scheint ziemlich still und einzelgängerisch zu sein, jedoch will sie wegen der Unruhen in ein sicheres Land und wird wahrscheinlich zu uns nach Norwegen ziehen. Ihre Forderungen waren jedoch, dass sie ein eigenes und beheiztes Stallgebäude für ihre Araber bekommt, in welchem sie auch wohnen kann. Das wird sie jetzt wohl auch bekommen. Nico meint, dass sie dem Gestüt gut tun wird und ich bin gespannt, wie er das meint.
      Auch kommt Fiona mit ihren Pferden aus den USA zurück zu uns. Petyr freut sich natürlich höllisch auf sie und auch ich bin froh, wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen. Wir werden so viel Hilfe wie möglich gebrauchen, wenn es soweit ist.

      Nicos angehende Zucht nimmt zur Zeit krasse Ausmaße an. Anstatt es bei ein paar wenigen Pferden zu belassen, ist die Anzahl seiner Stuten mittlerweile auf sechs gewachsen, wobei jedoch eine weitere bereits gekauft ist. Zum Glück sind es bis jetzt nur drei Hengste und ein Jungpferd, welche tatsächlich auch alle mal recht anständig sind.

      Ich freue mich auf deinen nächsten Brief!
      Deine Charly


      Liebe Charly,

      Bei uns wird es wieder wärmer und im Sonnenuntergang kann man wunderbare Bilder der Pferde schießen. Ich habe leider nicht viel Zeit, deswegen wird dies ein sehr kurzer Brief. Ich hoffe trotzdem, dass du dich über die Bilder freust!
      Anbei natürlich noch kleine Erklärungen zu den hübschen Pferden, welche du siehst.
      » Varys und Imagine There‘s No Heaven kennst du natürlich noch. Hier endlich mal ein aktuelles Bild von ihnen. Der gefleckte Popo gehört natürlich zu Triumph.
      » Unsere Jüngsten: Time In A Bottle, Dawn und Kwatoko. Seit einigen Tagen dürfen sie mit auf die große Weide, es ist erstaunlich, wie schnell sie sich an ihre Herde gewöhnt haben.
      » Es ist das erste Bild von Anaba und Kuckunniwi, dass ich dieses Jahr schießen konnte. Immer noch hält Anaba Abstand zur Herde und selbst Addi ist so langsam verwundert. Dafür geht es dem kleinen Kucku blendend und so langsam sieht man auch den Vater in ihm.
      » Raised from hell zusammen mit Aquena. Na? Kennst du Raised noch? Sie ist ein tolles Pferd und selbst ich sehe kaum, dass sie eigentlich kein Wildpferd ist. Zusammen mit Flotten von Mutanten erobert sie die Wildnis, wie ich es anfangs nicht für möglich gehalten hatte.
      » Hier eine kleine Hengstherde im Sonnenuntergang. Silent Bay sieht man nur sehr schlecht hinter dem Strauch, dafür steht Imoad, oder eigentlich In the Middle of a Dream gut sichtbar im Vordergrund, wie immer. Daneben siehst du Frekur und etwas weiterhinten Quisquilloso, obwohl du den wahrscheinlich schon von meinen letzten Bildern kennst, er ist ziemlich fotogen.
      » Auf dem letzten Bild sind, von links nach rechts, die drei restlichen Stuten zu sehen. Valhalla, Quicksilver und Atius Tirawa.

      Ich hoffe, du freust dich über die Bilder!
      Mio


      Liebste aller Mios!

      Die Bilder sind der Hammer! Ich vermisse deine fotografischen Künste auf unserer Ranch, auch wenn Tjarda auch ziemlich gute Bilder schießt, malt sie trotzdem besser.
      Da auch meine Zeit wegen Umzug ziemlich knapp ist, habe ich es dir gleichgetan und in den Umschlag einfach einige Bilder gesteckt, in der Hoffnung, dass sie dir gefallen.
      » Na, erkennst du, wer hier auf der Weide abgebildet ist? Charelle und April Rain müsstest du erkennen, bei den anderen habe ich Nachsehen mit dir. Die Namen sind auch nicht leicht zu merken. Himmawallajugaga, Devrienterreuth, Sysahlreuth, Zuckerschock und Raja, sie bilden unsere Vollblutherde und zeigen auch mit aller Macht, wie viel Energie sie besitzen.
      » Malte. Anfangs wehrte er sich gegen ein Foto, aber als er hörte, dass es für dich ist, konnte ich ihn endlich umstimmen. Das wunderhübsche Tier auf dem er sitzt heißt Angus, ein Suffolk Punch und der neue Liebling aller. Am Strick sind natürlich seine Schätze Félagi und Óslogi. Jeden Sonntag macht er einen Ausritt mit ihnen. Du würdest ihn wirklich mögen.
      » Und schon wieder Malte. Diesmal jedoch heimlich geschossen, wie man an der schlechten Qualität unschwer erkennen kann. Zu seiner rechten siehst du Black Lemontree, während das junge Mädchen, eine Reitschülerin, seinen Junghengst Dynur hält.
      » Hier nochmal unsere Jungpferde Aspantau, Abe‘s Aelfric und Mios Jelda, sowie ein hübsches Portrait von I‘ve got a blue soul.
      » Und zum Schluss nochmal ein unbekanntes und ein bekanntes Gesicht für dich. Einmal Abraham van Helsing, sowie natürlich deine Ocarina of Time, welche bei den Bildern nicht fehlen durfte. Auch sie entwickelt sich so langsam prächtig!

      Ich hoffe, dass wir beide endlich mal wieder mehr Zeit für einander finden!
      Deine Charly!


      Charly, ich komme! Ich komme zu dir! Ich habe es getan, ein Flugticket ist gekauft, erwarte mich...
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  • Album:
    Gnadenweide
    Hochgeladen von:
    Canyon
    Datum:
    6 Jan. 2021
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    EXIF Data

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    Width:
    600px
    Height:
    400px
     

    Note: EXIF data is stored on valid file types when a photo is uploaded. The photo may have been manipulated since upload (rotated, flipped, cropped etc).

  • Milosch

    ● ○ ● ○

    Hengst | 06-09-2001 | 150cm
    Norwegisches Fjordpferd
    Braunfalbe

    ● ○ ● ○


    Von

    Von | Aus der

    Aus der

    Von | Aus der

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    verfressen | fröhlich | ausgeglichen
    Milosch ist eine herzensgute Seele. Nie würde er jemanden etwas tun oder seinen Reiter in Gefahr bringen. Stets gut gelaunt, immer trittsicher und natürlich ausgeglichen und ruhig in jeder Situation. Der Wallach ist ein pures Verlasspferd, welches nicht nur kleine Kinder freiwillig durch die Gegend scchaukelt, sondern auch alte Menschen immer gut ans Ziel bringt.
    Er liebt lange Streicheleinheiten und wenn er dann noch eine leckere Belohnung bekommt, ist er zufrieden.


    ● ○ ● ○

    Besitzer: Canyon
    VKR/Ersteller: Nuray
    im Besitz seit: 05-06-2016
    Kaufpreis: x Joellen

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    Schleifenaufstieg Trainingsaufstieg Potential

    Gang E A L M S S* S** S***


    Western E A L M S

    Distanz E A L M S

    Dressur E A L M S

    Springen E A L M S

    Military E
    A L M S

    Fahren E A L M S

    Galopprennen E A L M


    ● ○ ● ○

    Fohlen ABC | Eingeritten | Eingefahren ✔

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    57. Wallachschau (grün)

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    Schleife
    [Thema]

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