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Rhapsody

Kobik

Holsteiner -- im Besitz seit 03/2020 -- von Levistino -- aa Ee Gg

Kobik
Rhapsody, 28 März 2020
Elii und AliciaFarina gefällt das.
    • Rhapsody
      Steenhof, März – April
      Quintessenz, Blitzkrieg Bop, Quantensprung, Dark Necessities, Antares, Painted Gold, Amalthea, Kobik, Dark Innuendo, Contia Socks, Calista, Ballroom Blitz, Quarterback, Andromeda, Benihana, Ares, Bucky, Painted Blur
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      Seit Wochen hatte ich an fast nichts anderes gedacht als an die bevorstehende Fohlensaison. Die Abfohlboxen waren vorbereitet, die Geburtmelder warteten nur auf ihren Einsatz – und doch wurde ich nervös, als es dann losging.

      In einem kleinen Notizbuch hatte ich die errechneten Geburtstermine fein säuberlich aufgeschrieben, um etwas den Überblick zu behalten, in welcher Reihenfolge die Stuten etwa abfohlen würden. Aber Stuten wären ja nicht Stuten, wenn sie solche Pläne nicht gerne über den Haufen schmeißen würden.

      Eines Morgens, während meiner normalen Kontrollrunde, bemerkte ich die ersten Harztropfen. Nicht bei Golden Lights, wie es mein schlaues Notizbuch eigentlich wollte, sondern bei Bucky. Bei der Palominostute hingegen war bis auf ein gefülltes Euter noch keine Anzeichen zu sehen. Nach kurzer Absprache mit Hauke, der das absolute Glück hatte, dass er im Gegensatz zu den anderen in meiner Nähe war, durfte die Holsteinerstute noch am selben Abend die erste Abfohlbox beziehen. Und für mich bedeutete das, dass auch ich mein Quartier für die nächsten Wochen vorbereiten musste.

      Theoretisch gab es über dem Laufstall ein kleines Zimmer – theoretisch. Praktisch war es nach wie vor unbewohnbar; kein Bett, kein Strom und schlecht isoliert. Also räumte ich mir eine kleine Ecke in der angrenzenden Sattelkammer frei, stellte ein Feldbett auf und machte es mir dort mit drei Decken, vier Kissen und zwei Corgis bequem. Der Schlaf war alles andere als erholend – Bucky hatte den Geburtmelder um den Bauch geschnallt und das Empfangsgerät lag direkt neben meinem Kopf, aber trotzdem lauschte ich immer mit einem halben Ohr in den nächsten Raum.

      Das Fohlen ließ ein paar Tage auf sich warten – ich hatte schon Angst, dass schon bald die nächste Stute soweit war und womöglich zwei Fohlen gleichzeitig kommen würden – aber dann wurde ich eines Nachts doch von einem Piepen aus meinem Halbschlaf gerissen. Schnell in die Stiefel geschlüpft und eine Jacke drüber geworfen war ich dann auch schon im nächsten Raum.

      Viel zu tun hatte ich nicht, da war Bucky mittlerweile schon mehr Profi als ich. Wie gewohnt ging die Geburt schnell vonstatten – kaum eine halbe Stunde, nachdem ich aufgewacht war, war die kleine Stute schon auf der Welt. Noch ein bisschen verknittert und mit einem angepissten Gesichtsausdruck, aber das würde sich schnell legen. Verhältnismäßig schnell war die Kleine auch schon auf den Beinen. Ein schönes großrahmiges Fohlen, musste ich bemerken, das kaum eine halbe Stunde nach der Geburt schon neugierig seine Welt beobachtete. Nachdem es auch das erste Mal gesaugt hatte, betrat dann auch ich die Box, um unter Argusaugen den ersten kleinen Check durchzuführen. Soweit sah alles gut aus – sowohl Mutter als auch Kind sahen erschöpft aus, aber das war ganz normal. Die Nabelschnur war ganz von alleine gerissen, so wie es sein sollte; ich desinfizierte den Nabel nur noch mit einer Jodlösung, damit er sich nicht entzündete. Alles in allem eine absolute Bilderbuchgeburt – und weil Bucky sich den perfekten Zeitpunkt ausgesucht hatte, konnte ich mich sogar noch ein bisschen aufs Ohr legen.

      Am nächsten Morgen war die kleine Stute schon wach und auf den Beinen, während Bucky noch im Stroh döste. Das machte aber gar nichts – immerhin mussten Hauke und Jette den kleinen Neuzugang ja auch noch begrüßen, und eine entspannte Mutterstute war da nur zu begrüßen. Auch da zeigte sich das Fohlen als extrem neugierig – solange der Mensch ihm gegenüber so still wie möglich blieb. Dann beschnupperte sie die Arme, die Klamotten, die Knie. Machte der Mensch aber eine Bewegung zu viel, versteckte es sich sofort hinter der Mutter. Ich war mir aber sicher, dass sich schon in ein paar Tagen ein komplett anderer Charakter zeigen würde – würde diese kleine Stute auch nur irgendwie nach ihrer Mutter kommen, würden wir in ein paar Tagen schon ein ganz anderes Fohlen von uns haben: frech und zickig.

      Am frühen Vormittag kam dann auch Dr. Maartens zum ersten Check Up vorbei. Noch in der Box kontrollierte er die Gelenke und löcherte mich mit allen möglichen Fragen zur Geburt. Als die kleine Stute dann ihre erste Spritze überlebt hatte – mit viel Tamtam, aber überlebt – bekamen wir auch die offizielle Erlaubnis, Mama und Baby rauszulassen.

      Bevor Bucky wieder in die bestehende Herde kommen würde, sollte es noch ein paar Tage dauern – das kleine Fohlen konnte in den ersten Tagen noch nicht gut sehen und sollte seine Mutter im Laufstall nicht verlieren. Damit vor allem die Kleine aber ihre Beine ausstrecken und später auch mit Gleichaltrigen spielen konnte, hatte ich eine meiner Weiden dafür vorgesehen. Glücklicherweise spielte auch das Wetter mit; der Regen war über Nacht abgeklungen und auch, wenn es keine Sonne gab, war es trocken und windstill und daher perfekt für ein neugeborenes Fohlen. Die kleine Stute nutzte das auch voll aus, und in den ersten Runden galoppierte auch Bucky über die Wiese, bis sie sich den ersten Grashalmen des Jahres widmete.

      Die nächsten Tage über zerbrach ich mir den Kopf über den möglichen Namen. Für jede Anpaarung hatte ich theoretisch schon ein paar passende Namen aufgeschrieben – mit jedem Tag, den ich das Fohlen beobachtete, passte aber keiner so wirklich. Noch war genug Zeit – gechippt wurde erst, wenn alle anderen Fohlen da waren und wir uns auf die Fohlenschauen vorbereiteten. Bis dahin würde sie wohl erst einmal „Buckys Fohlen“ bleiben.

      Nachdem das Stutfohlen auf der Welt war, kehrte erst einmal für ein paar Tage so etwas wie Normalität ein. Ich entspannte mich wieder ein bisschen, widmete mich wieder den jungen Pferden. Peace würde die nächsten Monate aktiv in den Beritt gehen; die ersten Reiteinheiten mit mir waren super verlaufen, sodass ich die Scheckstute an Greta weitergegeben hatte. Langsam bauten die beiden genug Kondition auf, dass Peace schon bald auf den ersten Turnieren vorgestellt werden konnte. Davon noch etwas entfernt waren Contia Socks und Dark Innuendo. Das Longieren war kein Problem mehr, jetzt ging es daran, die zwei Stuten an die Ausrüstung und auch langsam an das Reitergewicht zu gewöhnen. Das Gebiss nahmen beide relativ gut an, den Sattel etwas weniger. Erst, als sie nicht mehr wie verrückt durch die Halle preschten, sobald sie mit Sattel longiert wurden, stemmte ich mich versuchsweise in die Steigbügel. Contia machte beim ersten Versuch einen großen Schritt zur Seite, hatte aber schnell kein Problem mehr damit. Ich erwartete, dass ich in wenigen Wochen schon einmal auf der Stute sitzen konnte.

      Etwa eineinhalb Wochen nach Buckys Fohlen erblickte auch die nächste kleine Stute das Licht der Welt. Andromeda war noch ein bisschen verwundert über das kleine dunkelbraune Ding im Stroh, das legte sich aber schnell – als hätte sie nichts anderes gemacht leckte die Fuchsstute das Fohlen ab, sah ihm bei den ersten Aufstehversuchen zu und ließ es dann auch problemlos ans Euter. Bei dieser Geburt war ich nicht allein gewesen – als es die ersten Anzeichen gab, dass das Andromeda-Fohlen bald kommen würde, hatte es sich Hauke auch im Stutenstall gemütlich gemacht. Von ihm kam auch der Namensvorschlag für die kleine Stute: Amalthea, ein Mond des Jupiters. Das passte zu Andromeda und auch ein bisschen zum Vater des Fohlens, Cloud Nine.

      Typisch Fohlen verhielt auch Amalthea sich zunächst neugierig und doch scheu. Sie wich ihrer Mutter nicht von der Seite – nicht, als die zwei nach der Erstuntersuchung zum ersten Mal alleine auf den Paddock durften, noch, als das andere Mutter-Tochter-Paar dazu kam. Während Buckys Fohlen Haken schlug, drängte sich Amalthea an Andromedas Flanke. Ein paar Tage dauerte es, bis sie sich das andere Fohlen genauer ansah – sie blieb aber immer in fast direkter Nähe zu ihrer Mutter.

      Das nächste Fohlen – dieses Mal ein Blurry-Fohlen aus der Golden Lights, die mir von einer Züchterin für dieses Jahr zur Verfügung gestellt wurde – ließ nicht lange auf sich warten, deswegen mussten Bucky und ihr Fohlen wieder zurück in den Laufstall. Ich machte mir wenig Sorgen; die Mutterstute konnte richtig eklig werden wenn es sein musste, und so ließ sie auch erst mal keine der neugierigen Tanten näher an das Fohlen heran. Angesichts der neuen Situation schien das Fohlen aber auch ein bisschen weniger vorwitzig und frech – sie drängte sich dicht an Buckys braune Flanke und schien bedacht, dass zwischen ihr und den anderen Stuten immer ihre Mutter stand, vor allem, wenn die kleine Stute schlafen wollte. Ich vermutete aber stark, dass sich das in den nächsten Tagen legen würde und dass sie die anderen Stuten genauso nerven würde, wie sie es mit ihrer eigenen Mutter machte.

      Bucky und Golden Lights machten fast einen fliegenden Wechsel; nachdem die Abfohlbox ordentlich ausgemistet und desinfiziert war, zog die Palominostute ein. Und während Buckys und Andromedas Geburten fast schon wie aus dem Lehrbuch waren, hatte Golden Light das Glück leider nicht. Der Geburtenmelder weckte mich um halb fünf morgens – der löste aus, wenn sich die Stute hinlegte, doch als ich eine Minute später an der Abfohlbox stand, war Golden Lights wieder aufgestanden. Das helle Fell war an einigen Stellen schon nassgeschwitzt und sie lief unruhig in der Box umher. Soweit nichts Außergewöhnliches – und trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl.
      Beschäftigungstherapie sollte helfen; ich griff also nach einer Schweifbandage und wickelte den Schweif ein. Währenddessen legte sich die Stute immer wieder hin, stand aber sofort wieder auf. Auch immer noch nichts Unnormales. Mein Bauchgefühl sagte mir aber, dass ich vielleicht vorsorglich Dr. Maartens anrufen sollte – seit Bucky zu anfangs in die Abfohlbox gezogen war, war auch er schon auf die Geburten vorbereitet und hob schon beim zweiten Klingeln ab. Ich beschrieb ihm kurz die Situation, die auch er bis jetzt noch als normal empfand, doch trotzdem stolperte er etwa zwölf Minuten später in den Laufstall. Mittlerweile hatte Golden Lights mit dem Pressen begonnen; ich war wieder aus der Box gegangen, um die Stute nicht zu stören. Denn nichts gab den Anschein, dass es Komplikationen geben würde – vielleicht war mein Bauchgefühl auch nur so schlecht, weil Golden Lights ja nur geliehen war und nach dem Absetzen auch wieder zurück nach Kanada ging.

      Letzten Endes hatte mein Bauchgefühl dann aber doch recht. Denn als Golden Lights sich dann schlussendlich zur Geburt hinlegte, die Fruchtblase platzte und dann die Vorderfüßchen zu sehen waren, waren sowohl der Tierarzt als auch ich sofort in der Box. Statt nach unten zeigten die nämlich nach oben – das Fohlen lag falsch. Dr. Maartens ordnete mir an, die Stute wieder zum Aufstehen zu bewegen und dann nach Verstärkung zu telefonieren. Während ich nach Hauke telefoniert, griff der Tierarzt nach dem Fohlen, um es zu drehen. Das konnte funktionieren – konnte ebenso aber auch in die Hose gehen.

      Nach zehn Minuten kam Hauke dazu und Golden Lights durfte sich wieder ablegen; so wie es aussah hatte Dr. Maartens das Fohlen wenigstens ein bisschen in die richtige Lage drehen. Während ich weiterhin am Kopf der Stute blieb, um sie so gut wie möglich zu beruhigen, zogen Dr. Maartens und Hauke dann mit jeder Wehe das Fohlen heraus. Erst als ich mich selbst vergewissern konnte, dass es am Leben war, nahm ich die ganzen anderen Umstände war: ein cremefarbenes, fast weißes Bündel Fell lag im Stroh, zerknittert und sichtlich geschafft – aber es atmete. Jetzt mussten wir die Box räumen – Golden Lights hatte sich bereits zu ihrem Fohlen umgedreht und begann mit dem Abschlecken der Eihaut.

      Dafür, dass es einen ziemlich dramatischen Start ins Leben gemacht hatte, rappelte sich das Fohlen schnell zusammen und unternahm die ersten Aufstehversuche schon zwanzig Minuten nach der Geburt. Die ersten Versuche landeten wieder im Stroh – da konnte ich immer fast nicht hinsehen, mit den langen dünnen Beinen – aber sie kämpfte sich letzten Endes auf alle vier Beine. Für den Fall der Fälle hatte ich Golden Lights kurz abgemolken, nachdem die Stute aufgestanden war; das stellte sich aber als überflüssig heraus, als das Fohlen kurz darauf zielstrebig ans Euter ging.

      Nachdem Dr. Maartens dann noch die Nachgeburt auf Vollständigkeit kontrollierte, verabschiedete er sich wieder. Erst dann fiel mir auf, dass es bereits dämmerte. An Schlaf war also nicht mehr zu denken; in weniger als einer Stunde wäre ich eh schon auf dem Hof unterwegs gewesen, um die morgendliche Fütterung zu übernehmen. Auch Hauke machte sich nicht mehr die Mühe, nach Hause zu fahren; stattdessen starteten wir den Tag damit, Jettes Ausbildungspferde zu füttern.

      Das Blurry-Fohlen hatte seinen Namen tatsächlich als erstes gekriegt, nämlich schon wenige Wochen, nachdem bestätigt wurde, dass Golden Lights aufgenommen hatte. Damals wusste ich natürlich noch nicht, ob es ein Hengst- oder ein Stutfohlen werden würde – der Name war zum Glück ziemlich geschlechtslos. Das einzige, was wichtig war, war die Farbe. Glücklicherweise hatten sich alle Planeten richtig angeordnet und es war wirklich eine kleine Palominostute dabei herausgekommen, die fortan auf den Namen Painted Gold hören sollte. Für Buckys Fohlen waren wir nach wie vor planlos, denn auch Hauke und Jette stimmten mir zu, dass die vorher ausgesuchten Namen plötzlich gar nicht mehr passten. Zwar hatten die beiden massig eigene Vorschläge, die reichten aber von akzeptabel (Beyond Expectations) bis hin zu dem größten Müll, den ich je gehört hatte (Bundeskanzlerin – danke dafür, Hauke). Die beiden schieden also aus und durften nie wieder ein Fohlen benennen. Nie wieder.

      So wechselte der März dann in den April – die drei Mütter kamen täglich inklusive Fohlen entweder auf die Koppel oder auf den Springplatz, um sich ordentlich zu bewegen. Painted Gold war mittlerweile komplett angekommen und bewegte sich schon wenige Tage nach der Geburt wie eine junge Göttin; Blurry vererbte ausgezeichnete Gänge. Wenn ich der kleinen Stute zusah, freute ich mich schon riesig darauf, wenn ich in ein paar Jahren selbst drauf sitzen konnte.

      „Sag mal, hast du da aus Versehen ein Dressurpferd gezogen?“ war Haukes Kommentar eines Nachmittags. Er gab es ungern zu, aber die Fohlen hatten jedes Mal einen besonderen Platz in seinem Herzen und so machte er beim Misten gerne den ein oder anderen Abstecher zu der Koppel, auf denen die Mutterstuten grasten und die Fohlen spielten. So auch heute – ich selbst kam gerade von einer weiteren Session mit Contia und war ebenso angezogen worden von den kleinen Fohlen.

      Ich zuckte mit den Schultern. Dass aus der Anpaarung kein neuer Springcrack rauskam, hatte ich schon gewusst. Blurrys Paradedisziplin war nun mal die Dressur, genauso wie Golden Lights‘. „Wir müssen uns ein bisschen breiter aufstellen,“ erklärte ich Hauke mit wichtiger Mine. „Etwas neues ausprobieren.“ Auf der Wiese schlug Painted Gold einen Haken, vor dem Amalthea ehrfürchtig zurückwich.

      „So kann mans auch sagen,“ antwortete Hauke. Wir verfielen wieder in angenehme Stille und sahen den Fohlen beim Spielen zu. Amalthea schien langsam ein bisschen warm zu werden und von Painted Gold und Buckys Fohlen anstecken und entfernte sich auch mal mehr als zwei Schritte von Andromeda. Die hatte sich aber auch zur wahren Glucke entwickelt – kaum kam eine der anderen Mutterstuten zu nah an ihr Fohlen, wurde gegiftet was das Zeug hielt. So wurde auch die Herdenzusammenführung ein bisschen turbulent, denn auch Andromeda und Amalthea mussten ein paar Tage später die Abfohlbox räumen, um Platz für die nächste kugelige Dame zu machen. An das Fohlen ließ Andromeda keine Stute so richtig ran – und die anderen Stuten waren schwer begeistert von der frischgebackenen Mutter, die sich früher einfach so durch die Gegend scheuchen ließ.

      Die nächste Geburt war eine volle Punktladung. Pünktlich am errechneten Geburtstermin brachte Benihana ein schickes hellbraunes Fohlen zu Welt – und auch den ersten Hengst dieses Jahres. Schon am nächsten Tag beobachtete er uns gespannt, schien aber absolut keine Scheu vor den komischen Zweibeinern zu haben, die in seine Box kamen, ihn untersuchten und anschließend auf die Weide führten. Im Gegenteil: er beschnupperte jeden ausgiebig und ließ sich ohne größere Probleme schnell anfassen. Aus dem Kleinen würde später sicherlich einmal ein sehr menschenbezogener Hengst werden.

      Auch sein Name stand eigentlich schon fest, ehe überhaupt sicher war, dass Benihana tragend war. Ares‘ erstes Hengstfohlen auf meinem Hof musste einfach Antares heißen. Hauke beschwerte sich, dass ihm der Name eigentlich schon wieder viel zu lang war – wie so ziemlich jeder Name, der momentan schon auf der Koppel rumhüpfte – und ich würde schon sehen, was ich davon haben würde. Wenige Tage nach der Geburt fing er dann an, den kleinen Hengst Ari zu rufen – für mich ein absoluter Horrorname für einen so schönen kleinen Hengst, aber ich hatte schon wieder die nächste Geburt vorzubereiten.

      Die nächste Leihstute aus Kanada, Dark Rubin, hätte nämlich eigentlich schon weit vor Benihana und fast zeitgleich mit Golden Lights Termin gehabt. Das Fohlen hatte aber keine Anstalten gemacht, herauszuwollen, und die Stute war auch noch sehr agil durch den Laufstall getrabt. Mir fiel also ein Stein vom Herzen als ihre Beckenbänder zu Pudding wurden und die Milch zu tropfen begann. Nur einen Tag später purzelte auch ihr Fohlen dann endlich auf die Welt. Wieder ein kleiner Brauner, doch dieses Mal mit einer schicken weißen Brille um die Augen – da würde es nicht allzu lange dauern, bis der Schimmel durchkam.

      Die kleine Stute brauchte eine ganze Weile um auf die Beine zu kommen, und mit jedem Plumps ins Stroh schien die Kraft zu schwinden. Ich fackelte also nicht lang – ich hatte sie vor der heißen Fahrt der Geburt noch schnell ein wenig abgemolken, damit das Fohlen bei Problemen trotzdem so schnell wie möglich das Kolostrum bekam. Und Hunger hatte die kleine Stute: innerhalb von Minuten war die Flasche leer, die Energiereserven aufgetankt und schlussendlich schaffte sie das Aufstehen dann auch noch. Dark Rubin hatte zuvor schon ein Fohlen gehabt und schien sofort in die Mutterrolle zu schlüpfen. Was aber auch bedeutete, dass ich mit Adleraugen beäugt wurde, als ich das Fohlen noch ein letztes Mal durchcheckte.

      Leider hatte sich das Stütchen keine schöne Woche ausgesucht, um geboren zu werden. Nach dem schönen Wetter der letzten Tage kam der Regen zurück. Die anderen Fohlen kamen nur noch stundenweise auf die Koppel und wurden im Laufstall von ihren Müttern kontrolliert in den warmen Stall abgelegt. Ordentliche Bewegung war mir aber vor allem in den ersten Tagen extrem wichtig – also blockte ich mir kurzerhand für einen Nachmittag die Halle. Da konnte das Fohlen dann mal zeigen, was es konnte.

      Dark Rubin selbst stammte aus einer deutlich springbetonten Linie – zu der auch übrigens meine eigene Dark Innuendo gehörte – und auch der Vater des Fohlens, Flavor of the Weak, machte keine schlechte Figur über dem Sprung. Schon weniger als 24 Stunden nach seiner Geburt bewegte sich das Fohlen schon sicher durch die Halle. Ihr Trab war schön federnd, der Galopp noch ein bisschen verhalten, aber daran konnte man arbeiten. Bei solchen Aussichten freute ich mich schon fast auf die Fohlenschauen im Sommer.

      Wie ihre Mutter und gewissermaßen auch wie ihr Vollbruder in Kanada sollte der Name der kleinen Stute mit Dark beginnen. Den passenden Namen lieferte Hauke, in dem er mir den Link zu einem YouTube Video schickte. Kurz darauf konnten wir den Namen mit Sekt und ein paar Schnäpsen begießen: die Kleine würde Dark Necessities heißen – das ließ sich zwar auf der Weide nicht gut rufen, aber da würde man schon noch eine Lösung finden.

      Nach Dark Necessities wartete ich ungeduldig auf die Fohlen von Jettes Quarterback. Der Hengst überzeugte durch Talent, aber auch durch Farbe – ich hoffte also, dass die Fohlen das auch ein bisschen mitkriegten. Um richtige Trakehner zu züchten, hatte ich mir für das zweite Fohlen auch eine Roanstute aus Kanada geliehen. Minstrel war doppelt veranlagt und ging erfolgreich Dressur- und Springwettbewerbe – genau wie Quarterback. Das zweite Fohlen sollte aus unserer eigenen Calista kommen, und auch da rechnete ich mir große Chancen für ein Prachtexemplar aus, auch, wenn beide Fohlen in einer Grundfarbe geboren würden.

      Tatsächlich war die nächste Kandidatin Calista, die mich in tiefster Nacht weckte. Doch bis ich aufgewacht, schnell in die Schuhe geschlüpft und mir noch einen Pullover angezogen hatte, war das Fohlen schon beinahe auf der Welt – als ich an die Abfohlbox kam, lag das schwarze Fohlen schon halb im Stroh. Wenige Augenblicke später rappelte es sich dann schon einmal in die Brustlage und bekam die erste Massage von Mama. Damit konnte ich das zweite Hengstfohlen dieses Jahr begrüßen.

      Der Vater ließ sich wirklich nicht leugnen: das Hengstfohlen hatte genauso ein weißes Gesicht und ein Fischauge, fast genau wie Quarterback. Das Fell war von einem dunklen Grau durchzogen; ob hier das Roan-Gen vom Vater noch zuschlagen würde, war abzuwarten – oder zu testen.

      Gemeinsam mit Dark Rubin und ihrer Tochter durften Calista samt Sohnemann am darauffolgenden Tag wieder in der Halle freilaufen, während ich die Boxen mistete und verzweifelt nach einem Namen mit Q suchte. Zum Glück half Regen, frische Luft und nasses Stroh beim Nachdenken – und ausnahmsweise waren Hauke und ich einer Meinung, was den Namen anging. Der kleine Hengst war nicht einmal 24 Stunden auf der Welt und hatte einen Namen – während Buckys Fohlen nach wie vor namenlos war. Der Quarterback-Sohn würde ab sofort Quantensprung heißen. Und dafür, dass der Name entstand, während ich stinkige Boxen ausmistete, war er ja gar nicht so schlecht.

      Im Gegensatz zu anderen Fohlen – so zum Beispiel Painted Gold oder auch Dark Necessities – konnte Quantensprung sich am ersten Tag noch nicht so grazil bewegen. Als es dann aber wieder auf die Koppel ging, zeigte er auf jeden Fall schon einmal, dass er gerne galoppierte. Trotzdem machte ich mir keine Gedanken über seine Zukunft; selbst wenn er nur das absolute Minimum von seinen Eltern bekommen hatte, würde er auf jeden Fall zu einem gehobenem Freizeitpartner werden.

      Mittlerweile ging es auf Ende April zu, als die letzten zwei Fohlen fast zeitgleich kamen. Colored Belle, die Stute, die mit jedem außer mir ein kleines Problem hatte, und Minstrel, die Roan-Stute, zeigten am gleichen Tag erste Anzeichen, dass es bald soweit sein könnte. Und die Fohlen wurden innerhalb von etwas mehr als zwölf Stunden geboren; beide Stuten standen zu dem Zeitpunkt schon in den Abfohlboxen, Belles Fohlen wurde also unter Top-Bedingungen geboren. Auch sie brachte einen kleinen Hengst von unserem Barney zur Welt – die Jungs holten also langsam auf. Auf den Charakter des Fohlens war ich wirklich außerordentlich gespannt. Colored Belle galt laut Züchterin früher als wahres Problempferd und auch Barney war an seinen schlechten Tagen nur mit Vorsicht zu genießen. Ich konnte aber kaum glauben, dass das kleine Hengstfohlen mit seinen tiefbraunen Augen und treudoofen Blick es faustdick hinter den Ohren haben sollte.

      In der Nacht sah der kleine Hengst natürlich schwarz aus – ich ärgerte mich also schon ein bisschen über eine so dunkle Fohlensaison. Rappen waren zwar wirklich schick, vor allem, wenn sie speckig in der Sonne glänzten, aber wenn fast die Hälfte der Fohlen Rappen waren, sah man sich daran auch irgendwann satt. Erst am nächsten Tag erkannte ich die dunkelbraunen Flecken am Maul, ums Auge und an der Flanke – ein kleiner Schwarzbrauner also. Damit konnte ich leben. Dieser kleine Mann würde – um ganz dem Papa nachzukommen – als Blitzkrieg Bop eingetragen werden. Ich hoffte natürlich, dass er ähnlich erfolgreich wie Papa und Mama sein würde. Bis sich das aber herausstellte, musste der Kleine erst mal noch ein kleines Stück wachsen und größer werden.

      Und wie vorhin schon erwähnt: das letzte Fohlen des Fohlenjahrgangs 2020 kam um 16:42 Uhr am nächsten Tag auf die Welt. Während alle Stuten verlässlich nachts gefohlt hatten, hatte sich Minstrel ausgesucht, ihr Fohlen am helllichten Tag zu bekommen. Eher zufällig bekamen wir dann überhaupt mit, dass da wirklich gleich ein Fohlen auf die Welt kommen sollte. Ich hatte ein bisschen Angst um das Würmchen in der großen Herde und bugsierte die werdende Mama noch schnell in ihre Abfohlbox – denn seit wenigen Tagen wurden die Stuten angegrast, was natürlich auch für die werdenden Mama Minstrel galt. Das Wetter war wechselhaft, das Gras nass, der Boden kühl; das musste nun wirklich nicht sein. Also durfte Minstrel genau wie die sechs anderen Mamas ihr Fohlen in der geschützten Box zur Welt bringen.

      Und, oh Wunder, es war noch ein Rappe. Im Gegensatz zu ihrem Halbbruder war die kleine Stute aber stahlgrau; hier fehlte noch ein bisschen schwarzes Pigment. Und auch bei ihr würde sich erstmal nur durch Warten oder einen Gentest herausstellen, ob das Roan-Gen auf sie übergesprungen war; die Chancen standen eigentlich gar nicht so schlecht mit zwei Roan-Eltern. Zusätzlich hatte sie noch einen kleinen Fleck auf dem Bauch; das einzige Merkmal, dass Quarterbacks Scheckung vererbt wurde.

      Auch ihren Namen fand ich ganz ohne fremde Hilfe, und war ebenso verzückt wie vor wenigen Tagen noch vor Quantensprung – Quintessenz ging einfach runter wie Öl.

      Und mit Quintessenz war die Fohlensaison dann auch schon vorbei. Das Endergebnis von 3 Hengst- zu 5 Stutfohlen war auch allererste Sahne, vor allem, wenn man als Züchter von einer 50:50-Quote ausging. Außerdem keine Totgeburt, sondern acht kerngesunde und quietschfidele Fohlen, die das Frühjahr und den Sommer mit ihren Müttern und der restlichen Herde auf den großen Weiden verbringen durften. Natürlich mit lästigen Störern zwischendrin – die Fohlen sollten sich gleich mal dran gewöhnen, dass man sie anfasste, ich wollte bis zum Absetzen im Herbst auch schon einmal am Hufe geben arbeiten, dann die Tierarztbesuche, die Fohlenschauen, die Fohleneintragung mit Brennen – da kam ganz schön was auf die kleinen Purzel zu.

      Und dann war da ja noch immer das Dilemma mit dem Namen für Buckys Fohlen. Fast 6 Wochen war die Gute jetzt schon alt und wurde nur mit „Kleine“ angesprochen. Aus dem Spitznamen wuchs sie aber langsam im wahrsten Sinne des Wortes heraus. Außerdem hatte sich etwas entscheidendes in den letzten Wochen geändert – ähnlich wie Nessie hatte auch Buckys Fohlen eine kleine Brille aufgesetzt bekommen. Der Vater Levistino konnte sich also durchsetzen – früher oder später würde das Fohlen weiß werden. Und wenn ich weiter so rumtrödelte, passierte das eher, als dass ich einen Namen für sie hatte.

      Gerne hätte ich natürlich einen Namen, der sich irgendwie entweder auf den Vater oder die Mutter bezog. Alle Namen, die ich mit B fand, waren entweder zu sanft, gefielen mir nicht oder waren kompletter Kuhmist (ich erinnere hiermit noch einmal an Bundeskanzlerin). Mittlerweile war ich schon so weit, dass ich zumindest nur einen passenden Rufnamen für die Kleine finden wollte – der offizielle Zuchtname konnte dann spätestens im Juni beim Fohlenbrennen noch festgelegt werden.

      Nach gefühlt endlosen Nächten, die ich mit Scrollen verbrachte, schien ich dann auf des Rätsels Lösung gestoßen zu sein. Und auch Hauke (und Jette, die ich pro Forma ebenfalls dazu befragte, aber erst, nachdem der Name eigentlich sicher war) schien Gefallen dafür zu finden – auch, wenn ich ihm das Ganze erst einmal erklären musste.

      „Kobik? Ist das russisch?“

      Wir waren gemeinsam ausreiten – jetzt, wo alle Fohlen auf der Welt waren, konnte ich mir eine kleine Auszeit nehmen, ehe es an die Jungpferdeausbildung ging. Ich thronte auf Ares‘ Rücken, während Hauke auf Blurry durch den Wald ritt. So konnte ich schön von oben herab seufzen und die Augen verdrehen.

      „Kobik kommt wahrscheinlich von Cube. Weil … Kobik von Teilen des Cosmic Cube entstanden ist. Du verstehst?“

      „Nein. Nein, tue ich wirklich nicht.“

      Wieder seufzte ich. „Und ich dachte, du hast deine Jugend mit Comicheften verbracht. Jedenfalls wird Kobik zuerst mit schwarzen Haaren dargestellt, später nach … etlichen Storylines die mir die Website nicht verraten hat, hat sie dann weiße Haare. Und wer stellt sich gerade als Schimmel im Rappenpelz heraus?“

      „Buckys Fohlen,“ murmelte Hauke. Er hatte sein Handy gezückt; ich konnte nur das Google-Logo sehen. Wahrscheinlich musste er sich vergewissern, ob er dieses Kobik-Zeug nicht doch kannte.

      „Ganz genau. ‘nen ordentlichen Zuchtnamen finden wir dann schon, dann müssen wir uns beim Brennnen nicht so blamieren. Oh! Und Kobik kann man super rufen. Dann hört sie vielleicht auch besser.“

      Von Hauke kam keine Antwort – als ich wieder auf ihn hinabsah, sah ich, wie er ein blödes Grinsen unterdrückte.

      „Was?“ fragte ich ihn und dann prustete er auch schon los. „Was denn?!“

      Ein paar Augenblicke lang konnte er sich nicht fassen, geschweigedenn einen Satz formulieren. Dann aber, immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen, las er wichtig vor: „Kobik. Die schweizerische nationale Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität.“

      „Sowas passiert auch nur mir,“ murmelte ich. „Aber egal. Beschlossen ist beschlossen. Sie heißt Kobik.“

      Geposted am: 31.03.2020
      Von: Rhapsody
    • Rhapsody
      Steenhof, 15. Juli
      Quintessenz, Blitzkrieg Bop, Quantensprung, Dark Necessities, Antares, Painted Gold, Amalthea, Kobik, Charon, Bohème, Balboa, Simplicity of Sophistication, Painted Basquiat, PFS' Gamble Away, Dante's Wild Lady, Painted Taloubet, Dark Innuendo, Contia Socks, A Touch Of Peace, HGT's Saevitia, Dark Royale, Cover the Stars, Cobain, Buchanan, Cobie, Rosewood, Cassiopeia Z, Mania, Shotgun, Seattle Slew, Hallelujah, Equinox II, Callisto, Calista, Ballroom Blitz, Quarterback, Andromeda, Smooth Gravity, Samarra, Benihana, Ironic, Ares, Bucky, Painted Blur, Calina
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      Als Besitzer eines Reitstalls verbrachte man leider viel zu wenig Zeit bei den Pferden – vor allem im ersten Halbjahr. War die Decksaison erst einmal abgeschlossen, konnte ich es schon eher mal vertreten, mir einen halben Zeit Büroauszeit zu nehmen. Und selbst dann warteten unzählige Arbeiten auf mich, die ich aber wesentlich lieber machte, als von früh bis spät am Laptop zu sitzen.

      Neben Vorbereitungen auf Fohlenschauen, Turnieren und dem ganz normalen Trainingsalltag gab es auch ein paar Neuzuwächse. Während ich mit Manias Besitzerin immer noch am Überlegen war, wie wir die Stute am besten dauerhaft auf dem Steenhof behalten konnten, war Cassiopeia Z schon so gut wie in meinem Besitz – es fehlten lediglich noch die Formalien. Dazu kamen dann noch Jettes neue Trainingspferde, zwei braune Vollblüter aus England. Cobain und Gambit – eigentlich Gamble Away aber wer hatte schon Zeit für den kompletten Namen? Ich ganz sicherlich nicht – sollten in Deutschland als Reitpferde verkauft werden und von Jette jetzt zu genau dem gemacht werden; beides waren Ex-Galopper, die aber eine fundierte Grundausbildung genossen hatten. Beide gefielen mir aber so gut, dass ich überlegte, ob wir sie nicht selbst behalten sollten.

      Zu diesen beiden Herren gesellte sich auch noch ein dritter: ein Sohn von Bucky aus einem wundervollen Dominant-White-Hengst. Ein Palomino names Buchanan, der wundervoll in der Sonne glänzte und hoffentlich ganz viele Schleifen in der gleichen Farbe wie sein Fell mit heimbringen würde. Sechsjährig kannte er schon die Grundlagen – jetzt würden wir ihm beibringen, wie er auch toll übers Hindernis kam. Die Veranlagung dafür war auf jeden Fall da.

      Und damit ich irgendwann nicht nur noch Hengste hatte, würden auch drei neue Stuten einziehen dürfen: zwei Trakehner und ein Holsteiner. Neben einer noch recht unerfahrenen Schimmelstute names Rosewood kam auch die Tochter eines bekannten Trakehnervererbers dazu; Rosewood und Cover the Stars würden später hoffentlich mal die kleine Trakehnerzucht bereichern. Rosewood musste sich da noch mehr unter Beweis stellen; bis jetzt war die Stute nur auf wenigen Turnieren vorgestellt worden, was Jette und ich aber ändern wollten. Und Cover the Venus, die Zweite im Bunde, war noch frisch unterm Sattel. Die dritte Stute, ebenfalls ein Schimmel, hatte schon Einiges mehr an Erfahrung. Cobie hatte ich schon selbst im Parcours erleben können - dementsprechend fackelte ich gar nicht lange, als ich ihre Verkaufsanzeige fand.

      Und apropos Zucht: drei unserer Hengste waren auch langsam für ihre Leistungsprüfung bereit. Seattle Slew unter Marieke hatte sich toll auf dem Hof gemacht und das auch auf den Turnieren gezeigt. Ebenso wie Equinox – während Seattle vor allem in Vielseitigkeiten glänzte, war Equinox Springer durch und durch. Ich freute mich also schon auf die ersten Fohlen aus dem schicken Smoky Cream – die würden dann mit Farbe und Können auftrumpfen. Auch Jette und Shotgun hatten die Saison die ein oder andere Springschleife mitgebracht. Auch bei der Stute träumte ich schon von den kleinen Flugzeugen, die mal von ihr abstammen sollten – Jette war mit ihr auch in der schweren Klasse erfolgreich gewesen, und Shotgun sprang über die 1,60m hohen Stangen, als wäre es das leichteste auf der Welt.

      Insgeheim freute ich mich auf den restlichen Sommer und den Rest des Jahres – jetzt würde es wieder ein bisschen entspannter werden. Ich konnte mich mit Hingabe um die neuen Pferde kümmern, Jette wieder mehr beim Training unterstützen und auch die Jungpferde in der Aufzucht mehr besuchen – das kam in den letzten Wochen leider ein bisschen zu kurz.

      Geposted am: 06.07.2020
      Von: Rhapsody
    • Rhapsody
      Steenhof, 10. November
      Молотов, Quintessenz, Blitzkrieg Bop, Quantensprung, Dark Necessities, Antares, Painted Gold, Amalthea, Kobik, Charon, Bohème, Balboa, Simplicity of Sophistication, Painted Basquiat, PFS' Gamble Away, Dante's Wild Lady, Painted Taloubet, Dark Innuendo, Contia Socks, A Touch of Peace, Cover the Venus, HGT's Saevitia, Dark Royale, Cobain, Buchanan, Cobie, Rosewood, Cassiopeia Z, Mania, Shotgun, Seattle Slew, Hallelujah, Equinox II, Callisto, Calista, Ballroom Blitz, Quarterback, Andromeda, Smooth Gravity, Samarra, Benihana, Ironic, Ares, Bucky, Painted Blur, Calina
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      Irgendwann war auch leider die schönste Weidezeit vorbei. Die Hengste tummelten sich in Kleingruppen auf den Paddocks und veranstalteten Wettbewerbe, wer sich am schnellsten und effektivsten dreckig machen konnte; die Stuten hingegen wurde noch ein kleines Stück Gras gegönnt. Das Winterfell war fleißig am Wachsen, die ersten Pferde wurden geschert, die Ställe hingen wieder voll Abschwitz- und, nach dem Mistwetter der letzten Tage, auch Regendecken.

      In diesem grauen und regnerischen Novemberwetter fiel das Absetzen der Fohlen. Ein halbes Jahr oder mehr hatten sie mit ihren Müttern in der großen Gemeinschaft verbracht, jetzt ging es in das erste eigene Abenteuer. Und dieses Jahr würde ich sogar teilweise die Aufzucht übernehmen; mit fünf Stutfohlen hatte ich eine schöne kleine Gruppe beisammen. Die drei Hengstfohlen Quantensprung, Antares und Blitzkrieg Bop, hatte ich in der gleichen Aufzucht untergebracht, in der auch schon Charon vor zwei Jahren einen Platz gefunden hatte.

      Die größeren Fohlen, also Kobik, Painted Gold und auch Amalthea, hatten sich schon länger ein bisschen von den Müttern abgekapselt; sie waren sieben, fast acht Monate alt und gingen größtenteils ihren eigenen Weg. Mit ihnen hatte ich das allein bleiben auch schon intensiver geübt, sodass sie kaum noch mit der Wimper zuckten, als ich Bucky, Andromeda oder Golden Lights aus dem Stall führte. Als ich also Anfang November die drei Fohlen aufhalfterte und zum Übergang in eine umgebaute Box im Ausbildungsstall führte, war da wenig Abschiedsschmerz; die Fohlen folgten mir gespannt über den Hof, die Mütter riefen einmal kurz nach ihnen, aber dann war das Ganze auch schon vorbei.

      Bei anderen Fohlen lief das schon ein bisschen anders ab. Benihana, die ja eigentlich schon eine mehr oder weniger erfahrene Zuchtstute war und nicht zum ersten Mal durch das ganze Absetzen ging, stellte sich als wahre Glucke heraus. Das bedeutete, dass auch Antares das alles nicht so mitmachte, wie ich es mir erhoff hatte – im Endeffekt gab es dann nur viel Aufregung im Offenstall, weil sich natürlich alle anderen Stuten davon anstecken ließen und wie kopflose Hühner über den Paddock rannten. Da war also besondere Vorsicht geboten; Antares war eigentlich ein sehr neugieriges und aufgeschlossenes Fohlen, was wir uns zu Nutze machen konnten. Während Benihana am Putzplatz blieb und dort von Jette oder Cat betüddelt wurde, lenkten Hauke und ich Antares so gut wie möglich ab, damit er gar nicht größer mitbekam, wenn seine Mutter wieder in den Stall verschwand. Mit viel Übung wurde dann die Zeit, die er alleine verbrachte, immer länger, und auch an diesem Novembermorgen gab es nur ein kurzes Abschiedskonzert, ehe die Neugierde überwog und er mir mehr oder weniger freudig in die Box im Ausbildungsstall folgte. Quantensprung und auch Bobby folgten kurz darauf; die Hengstgruppe war also schon einmal fertig zusammengestellt. Alle drei würden heute Nachmittag dann zum Aufzuchtstall gefahren werden – erst, wenn das passiert war, würde ich entspannen können.

      Zu den Stutfohlen gesellten sich dann auch noch Quintessenz und Dark Necessities mit mehr oder weniger Problemen; kurz darauf ging es dann – noch am Halfter, damit kein Fohlen noch schnell auf Weltreise ging – Richtung Weide. Die Stutfohlen würden eine der Weiden beziehen, die an der Auffahrt zum Steenhof lag; dort war genug Platz für die fünf zum Rennen und Toben, bei komplettem Mistwetter konnten sie sich unterstellen und Heu würde auch zu gefüttert werden. Ein kleines Paradies für Jungspunde. Ein paar herzzerreißende Wieherer gingen noch in Richtung Hof; nach einer halben Stunde hatten sich dann aber alle Stutfohlen mit der neuen Situation angefreundet; immerhin kannten sie sich ja untereinander schon und hörten dort auf, wo sie vor einer Stunde im Laufstall aufgehört hatten.

      Ich beschloss, dass ich mir eine kleine Mittagspause verdient hatte. Und nach dem Lärmpegel, der mir bei Betreten meines Hauses entgegenschlug, zu urteilen, hatten sich auch die anderen eine kleine Auszeit gegönnt. In der Küche saßen Cat, Jette, Hauke und Levi, in der Mitte vom Tisch lagen Pizzaschachteln; vier davon bereits aufgeklappt und halb leer, einer noch komplett unangetastet – zielstrebig schnappte ich ihn mir, ließ mich auf einen leeren Stuhl fallen und inhalierte das erste Stück.

      Die anderen diskutierten über das letzte Geländetraining des Jahres, das vor zwei Wochen stattgefunden hatte, und welche Pferde vielleicht von Indoor-Training profitieren könnte – denn natürlich blieb in der Mittagspause das Trainings-Thema nicht aus. Ich klinkte mich da ein bisschen aus und konzentrierte mich lieber auf die Pizza; immerhin musste ich schauen, wie ich ohne großen Schaden drei übermütige Hengstfohlen transportieren sollte. Hänger fahren hatten wir natürlich bereits den ganzen Sommer über geübt, allerdings hatte das nur einwandfrei geklappt, wenn die Muttis dabei waren.

      Während ich noch abwägte, ob ich lieber drei Fahrten machen sollte oder im großen Hänger alle drei Fohlen packen konnte, ohne dass sie sich auf der Fahrt zerfleischten, merkte ich gar nicht, wie die Konversation am Tisch verstummte. Erst, als mir Hauke aufs Schienbein kickte, merkte ich, wie mich vier Gesichter hoffnungsvoll anstarrten.

      „Äh. Was?“

      Cat räusperte sich und blickte mich unsicher an. „Ich hab gerade von meinem Bruder erzählt. Und dass er sich ein Fohlen gekauft hat.“

      „Oh,“ machte ich. Cats Bruder … da klingelte etwas. „Der, der dich hergebracht hat? Mit dem großen Hund? Meintest du nicht, dass er absolut nichts mit Pferden am Hut hat?“

      „Bis vor ein paar Jahren zumindest,“ gab sie zu.

      „Hat ihn nicht davon abgehalten, sich mal eben ein Pferd zu holen,“ kommentierte Levi mit hochgezogenen Augenbrauen, was von Cat mit einem Blick quittiert wurde, der soviel wie „Ich stimme dir zwar zu aber sag bloß nichts Böses mehr über meinen Bruder sonst knallt’s“ sagte. Das schien bei Levi auch soweit anzukommen; er hob beschwichtigend beide Hände in die Höhe.

      „Auf jeden Fall hat Lesja jetzt dieses Hengstfohlen in Mecklenburg stehen, aber er sucht noch einen Aufzuchtsplatz.“ Cat machte eine kleine Pause, sah mich mit großen, runden Augen an. „Und da dachte ich sofort an dich, Fritzi.“


      Ich blinzelte ein paar Mal. „Mich? Ich fahr meine Hengstfohlen doch selber später weg zur Aufzucht.“

      „Und da wäre kein Platz mehr frei?“ bohrte Cat nach.

      „Äh, ich kann höchstens mal anrufen…?“

      Jetzt hatte Hauke die Stirn gerunzelt. „Hast du nicht noch ‘ne Weide frei? Im Wald hinter den Hengsten?“

      „…Theoretisch. Auf was wollt ihr hinaus?“ fragte ich schließlich; langsam beschlich mich das Gefühl, dass da noch mehr dahintersteckte. Hauke schlug sich daraufhin die flache Hand auf die Stirn, Cat und Jette lachten nervös.

      „Was?“ meinte ich, etwas indigniert. „Was habt ihr da schon wieder ausgemacht?“

      Hauke lehnte sich nach vorne und sah mich an, als wäre ich ein kleines Kind, dem er gerade erklären musste, warum man keinen Dreck essen sollte. „Du hast Platz. Du hast vier Hengstfohlen.“

      Jetzt runzelte ich die Stirn. „Ihr wollt, dass ich mich selber um die Aufzucht kümmere?“

      Jette zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Dann sind sie trotzdem unter deinem wachsamen Auge, du bist sofort da, falls was ist, die Babys haben genug Spielkameraden,“ Jette breitete die Arme in einer Voilà-Geste aus. „Es wäre dumm, wenn du es nicht machen würdest.“

      Das musste ich jetzt erst einmal gründlichst überlegen. Klar, Platz war da, und ich hatte selbst die Hand über die weitere Erziehung meiner Hengste; allerdings war mir bei Hengsten vor allem die Sozialisation in einer großen Gruppe wichtig, damit aus den Fohlen später einmal normal funktionierende Pferde würden. Vier waren zumindest schon einmal mehr als drei (wow, Mathegenie coming through!), aber im Aufzuchtstall waren etwa acht bis zehn Fohlen in einer Herde.

      Nach dem Mittagessen gingen alle wieder an ihre Arbeit zurück; für mich bedeutete das erst einmal ein bisschen rumtelefonieren. Zum einen mit dem Besitzer des Stalls, in den ich meine drei Fohlen fahren wollte; der konnte das Fohlen von Cats Bruder definitv nicht noch mit aufnehmen. Und weil ich eine so soziale Person war, setzte ich mich an den Laptop und postete eine Anzeige in diversen Facebookgruppen und Foren, dass ich ein paar Plätze zur Fohlenaufzucht frei hatte.

      Toll. Jetzt durfte ich mich auch noch mit anderen Pferdebesitzern rumschlagen. Danke dafür, Team.

      Als ich Cat davon erzählte, fiel sie mir quietschend um den Hals und rannte dann zurück ins Haus, um sofort ihren Bruder anzurufen. Ich hingegen machte mich auf die Suche nach Hauke; immerhin hatten wir eine Weide auf Vordermann zu bringen.

      Quantensprung, Antares und Bobby kamen für die nächsten Tage doch noch einmal zurück zu den Stuten, bis alles fertig war. Auf die Anzeige meldeten sich tatsächlich eine ganze Handvoll Leute, sodass gegen Ende der Woche sowohl die Stut- als auch die Hengstfohlen auf eine Gruppe von jeweils rund zehn Fohlen angewachsen war. Für die ich jetzt alle die Verantwortung trug. Na klasse.

      Der Tag der Tage kam am Wochenende; Hauke und Cat fuhren früh samt Hänger los, um das Fohlen ihres Bruders in Mecklenburg abzuholen. Jette wäre gerne mit Quarterback ausreiten gegangen, wurde von mir aber dafür verdonnert, mir bei der Ankunft der restlichen Fohlen zu helfen. Ein zweites Mal wurden die drei restlichen Hengstfohlen aus dem Laufstall geholt; dieses Mal ging es sofort auf die Weide. Ich hoffte ja nur, dass sie auch noch so kleine Engel waren, wenn auch die restlichen Fohlen dazu stoßen würden.

      Gegen Nachmittag waren dann auch fast alle Neuzugänge verräumt; gegen 15 Uhr rollten dann auch Hauke und Cat samt vollem Transporter auf den Hof. Sie hatten auch Cats Bruder gleich mitgebracht, der motiviert aus seinem eigenen Auto sprang, sobald dieses hinter dem Hänger zum Stillstand kam. Nach ihm kletterte auch ein langbeiniger Hund mit zotteligem Fell und langer, schmaler Nase hinterher; er blieb jedoch am Wagen stehen und beobachtete sein Herrchen mit einem fast schon entnervten Blick.

      Cat half ihrem Bruder beim Ausladen eines feuerroten Fohlens, das sich neugierig auf dem Hof umguckte und gleich einmal laut alles zusammenschrie; Antwort kam aus dem Laufstall und dem Ausbildungsstall, und auch von dort nicht zu leise.

      Cats Bruder hatte mich entdeckt und stellte sich wie ein Riese vor einem Zwerg vor mich hin. „Hi, du musst Fritzi sein? Vielen Dank nochmal für die schnelle Hilfe.“ Dabei schüttelte er mir die Hand so stürmisch, dass ich fast das Gleichgewicht verlor.

      „Da kannst du deiner Schwester danken,“ meinte ich. „Dank ihr bin ich jetzt Kindergärtnerin.“

      Cats Bruder runzelte die Stirn, aber Cat, die meine mit Sarkasmus und Desinteresse maskierte Nervösität schon von Anfang an als solche erkannt hatte, winkte ab. „Hör nicht auf sie, sie liebt es. Und sie wird den kleinen Molotov genauso mögen.“

      „…Molotov?“ hakte ich nach, das Grinsen stark zurückhaltend. „Wirklich? Molotov?“

      „Passt zumindest von der Farbe gut,“ meinte Hauke, der jetzt dazu gekommen war, ebenfalls mit einem leichten Schmunzeln.

      Cats Bruder ignorierte das entweder oder bekam es gar nicht mit; stolz zeigte er auf das Hengstfohlen, das sich an Cats Hand vor allem schon einmal mit dem Gras am Wegrand bekannt machte, dann auf den langbeinigen Hund, der mittlerweile zu seinen Füßen lag, und anschließend auf sich selbst: „Molotov, Misha, Jelisej. Die rote Gefahr.“

      „Gott, du bist ungefähr genauso ein Jelisej wie ich eine Jekaterina. Fritzi, Hauke, das ist Lesja,“ schaltete sich schließlich Cat ein, mit einem leicht entnervten Tonfall. „Lesja, das sind Fritzi und Hauke.“

      „Freut mich dich kennenzulernen,“ meinte ich trocken. „Sollen wir noch länger hier dumm rumstehen oder wollen wir dein Fohlen aufräumen?“

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      Molotov etablierte sich schnell als Anführer der kleinen Truppe, auch wenn sich Bobby davon erst noch ein bisschen überzeugen lassen musste. Auf dieser Weide, die halb im Wald lag, hatten die acht Hengstfohlen viel Platz zum Spielen und konnten sich auch einmal aus dem Weg gehen. Zum Unterstellen hatten Hauke und ich noch schnell in den letzten Tagen einen kleinen Unterschlupf zusammengezimmert, sodass die Hengstfohlen auch bei Wind und Wetter trocken bleiben konnten.

      Während Cat ihrem Bruder noch den restlichen Hof zeigte und Hauke neugierig hinterherschlappte, machte ich mich noch auf den Weg zur kleinen Stutenherde. Auch hier war die größte Aufregung der Neuzugänge mittlerweile abgeebbt. Auf der großen Weide konnte ich vom Zaun aus nur ein paar der Fohlen in der Distanz erkennen, die nebeneinander grasten; zwei erkannte ich noch an der kleinen Hütte. Kurzerhand kletterte ich unter dem Zaun hindurch und machte einen kleinen Rundgang, um mir sicher zu sein, dass alle Stutfohlen auch noch da waren, wo sie hingehörten. Neben meinen eigenen fünf Fohlen hatten sich noch fünf weitere junge Stuten dazugesellt; drei Warmblüter, ein Reitpony und eine junge Schleswigerstute. Viele der neuen Fohlen waren mir gegenüber noch ein bisschen skeptisch, aber die würden schon auch noch herausfinden, wer die Möhrchen verteilte.
      Nach meiner kurzen Zählrunde – alle Stutfohlen waren an Ort und Stelle – fand ich Hauke, Cat und ihren Bruder Lesja an der Reithalle, in der Jette gerade mit Hallelujah trainierte. Cat gestikulierte wild, während Lesja anscheinend aufmerksam zuhörte. Hauke hingegen war der erste, der mich entdeckte und mir entgegenkam.

      „Cat hat gerade vorgeschlagen, dass wir alle noch eine kleine Runde um den Hof machen. Damit ihr Bruder alles nochmal besser kennenlernt. Bist du dabei?“

      Ich guckte auf die Uhr, dann kritisch zum Himmel hinauf. Noch keine Anzeichen von aufsteigender Dunkelheit, aber die Tage wurden immer kürzer. „‘ne kurze Runde bin ich dabei. Jette auch?“

      Hauke sah kurz in die Halle hinein, in der Jette gerade Galoppwechsel übte. Hallelujah, der für ein Warmblut ziemlich gut Winterfell geschoben hatte, war bestimmt schon ziemlich nassgeschwitzt. „Wenn wir noch kurz warten, ist Jette bestimmt zum abreiten dabei.“

      „Na dann los,“ sagte ich.

      Für Cats großen Bruder ein passendes Pferd zu finden, war gar nicht so leicht. Kurzerhand setzten wir ihn – mit Jettes Einverständnis – auf Shotgun. Recht viel größer ging es nicht, und im Gegensatz zu Cassiopeia war Shotgun durchaus verlässlicher. Hauke sattelte sich Dark Royale, Cat wartete mit Saevitia schon auf dem Hof; sie würde Shotgun locker als Handpferd nehmen, für alle Fälle. Lesja hatte nach eigenen Angaben zwar schon die ein oder andere Reitstunde genommen (was Cat wie ein Honigkuchenpferd grinsen ließ vor lauter Stolz), aber sicher war sicher.

      Ich selbst hatte mich für Contia Socks entschieden; die junge Stute hatte tolle Fortschritte gemacht. Mittlerweile konnte man sie schon in der großen Halle reiten und erste leichte Trainingseinheiten üben. Im Gelände war sie noch etwas schreckhaft, aber das wurde von Mal zu Mal besser.

      Nach dem Ausritt beanspruchte Cat noch einen gemeinsamen Filmabend mit Burger und Horrorfilmen. Da zeigte sich, dass sie ihren Bruder komplett um den Finger gewickelt hatte; während Jette und Hauke sich durchaus für die Idee aussprachen, sah man Lesja deutlich an, dass er sich eigentlich auf den Weg machen sollte.

      Kurzerhand schritt ich ein. „Ich glaub, der Tag war aufregend genug. Und Lesja muss ja auch noch heimfahren.“ Über Cats Kopf warf mir Lesja einen dankbaren Blick zu. „Das holen wir wann anders nach.“

      Kurz schob Cat ihre Unterlippe vor und war auch kurz davor, die kleine-Schwester-Karte auszuspielen; dann seufzte sie aber und zuckte mit den Schultern. „Ja, Fritzi hat Recht. Ich bring dich noch zum Auto.“

      Wir verabschiedeten uns kurz, ich versicherte Lesja nochmals, dass ich mich um seinen Molotov kümmern würde wie um meine eigenen und er natürlich so oft zum Besuch kommen durfte, wie er wollte (was Cat dann noch einmal unterstrich, indem sie ihm anordnete, innerhalb der nächsten zwei Wochen wieder aufzukreuzen). Während Cat ihren Bruder also zum Auto begleitete, gingen Hauke, Jette und ich zurück zu den Ställen; für Jette standen noch mindestens zwei Pferde auf dem Plan für heute, Hauke war dafür zuständig, die Pferde auf den Paddocks langsam einzusammeln und ich wollte noch mit Dark Innuendo eine kleine Trainingseinheit starten. Ähnlich wie Contia wurde auch Uno immer sicherer unter dem Sattel und wir arbeiteten schon fleißig an der Losgelassenheit. Wenn das noch etwas mehr gefestigt war, dann sollte auch die ersten kleineren Cavaletti-Sprünge mal dazu genommen werden.

      Nach dem Reiten mit Uno, dem Füttern der Pferde und dann dem Füttern der Menschen (wir holten uns doch noch Burger und machten einen Mini-Filmabend, sorry Lesja), machte ich mich nachts noch einmal zu einer letzten Runde über den Hof auf. Jelly war mir bereitwillig aus dem Haus gefolgt; bei der Abendrunde konnte ich Peanut nur selten dazu überreden, mit rauszukommen; Jelly hingegen schien jetzt erst richtig wach zu werden. Die Nase fest auf den Boden gedrückt, rannte sie gute zehn Meter vor mir umher, einmal in die Büsche, dann wieder zurück zu mir. Gemeinsam gingen wir kurz durch den Ausbildungsstall, Laufstall und den Hengststall, deckten das ein oder andere Pferd noch ein und kontrollierten, ob auch alles in Ordnung war. Auf dem Weg zur Waldweide blieb Jelly dicht bei mir; das war ihr auch nicht so ganz geheuer. Der Weg war nicht ausgeleuchtet, die Bäume wurden immer größer und blockten den Großteil des Mondlichts ab. Mit der Handytaschenlampe kletterte ich durch den Zaun und machte eine mentale Notiz, Hauke morgen mit der Beleuchtung der Weiden zu beauftragen. Das Licht der Taschenlampe reichte nicht weit, also ging es noch einmal quer über die Weide – aber alle Hengstfohlen, die hier sein sollten, waren es auch. Kurz kontrollierte ich noch einmal, ob sie noch genug Heu hatten und ob die Tränken auch funktionierten, dann ging es wieder zurück Richtung Hof, am Haupthaus vorbei, zu den Stutfohlen. Auch hier war alles ruhig und die Fohlen vollständig; das ließ sich schnell zählen, weil sie sich alle schon in die kleine Hütte in einen Kreis gestellt hatten. Auch hier war es nicht besonders hell, auch wenn vom Straßenrand ein kleines bisschen an Straßenlicht ankam. Mentale Notiz Nummer 2: auch hier wegen Beleuchtung anfragen.

      Langsam stieg Nebel auf und umhüllte den Hof. Ich zog meine Jacke enger um mich herum, ignorierte meinen sichtbaren Atem und pfiff nach Jelly, die auch schon kurz darauf angerannt kam. Dann ging es zurück ins Haus – Schluss für heute.

      Geposted am: 07.11.2020
      Von: Rhapsody
    • Rhapsody
      Steenhof, 18. Februar
      Calina, Painted Blur, Bucky, Ares, Ironic, Benihana, Samarra, Smooth Gravity, Andromeda, Quarterback, Ballroom Blitz, Calista, Razita, Callisto, Equinox II, Hallelujah, Fiebertraum, Seattle Slew, Possy Pleasure Mainstream, Shotgun, Mania, Cassiopeia Z, Rosewood, Exciting Force, Cobie, Buchanan, Cobain, Dark Royale, HGT's Saevitia, Cover the Venus, A Touch Of Peace, Contia Socks, Dark Innuendo, Painted Taloubet, Dante's Wild Lady, PFS' Gamble Away, Painted Basquiat, Simplicity of Sophistication, Balboa, Bohème, Charon, Kobik, Amalthea, Painted Gold, Antares, Dark Necessities, Quantensprung, Blitzkrieg Bop, Quintessenz, Молотов
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      Wer behauptete, die Wintermonate waren ruhig und liefen so still vor sich her, der hatte den Winter noch nicht auf dem Steenhof verbracht. Von ruhig und still waren wir so weit entfernt, dass es schon nicht mehr lustig war.

      Neben dem Trainingsbetrieb, bei dem Jette immer wieder meine Unterstützung brauchte, musste ich natürlich auch ein Auge auf meine Mommys-to-be werfen. Der Fohlenjahrgang 2021 würde wahrscheinlich nicht ganz so groß wie der aus dem vorherigen Jahr, aber darum war ich ganz froh. Bis es aber soweit war, dauerte es auch noch eine gute Weile; während Kobik bald schon ihren ersten Geburtstag feierte, würden die Fohlen dieses Jahr hoffentlich in eine etwas wärmere Zeit purzeln. Ob die Stuten dann natürlich auch bis dahin abwarteten, stand auf einem anderen Blatt geschrieben. Aber Anfang März machte keine der Damen Anschein, dass sie von jetzt auf gleich fohlen wollen würde – vielleicht fruchteten meine allabendlichen Ansprachen im Laufstall, die ich vor versammelter (Stuten-)Mannschaft abhielt. Vielleicht gefiel den Stuten auch einfach nur das Programm, das sie momentan bekamen; sowohl die trächtigen als auch die fohlenfreien Stuten genossen leichtes Training, abgewechselt mit gediegenen Ausritten um den Hof. Denn, und hier kam ich zum Punkt Nummer 2: Unsere Jungpferde wollten sich ja auch langsam mal ein bisschen in der Welt bewegen.

      Während Contia Socks höchstwahrscheinlich im Frühjahr schon in Jettes Trainingsrotation kam und dann ordentlich gearbeitet wurde, musste Unos Vertrauen in den Reiter und ihre Umgebung noch ein bisschen gestärkt werden – wir ritten also aus, bis wir die ganzen Strecken nicht mehr sehen konnten, meistens mit einer routinierten Stute, die der Kleinen Ruhe vermittelte. Ähnlich fuhren wir auch bei Taloubet und bei Dante – denn auch die zwei waren über den Winter langsam angeritten worden. Während Taloubet aber bereits einigermaßen frei vor sich hin stapfte, war Dante meist noch als Führpferd mit Reiter unterwegs. Sie würde aber auf jeden Fall den Sommer noch einmal auf der Weide verbringen – noch hatten wir keine Eile und ich war mir sicher, dass sie die Zeit noch einmal gut verkraftete, um dann im Herbst richtig durchstarten zu können. Bei Taloubet hingegen war ich mir noch etwas uneins; der Hengst schien als Reitpferd regelrecht aufzugehen, und früher oder später sollte er ja auch auf die HLP vorbereitet werden. Andererseits war er auf der momentanen Prioliste noch ziemlich weit unten – höchstwahrscheinlich würde ich also auch ihn noch einmal einen Sommer auf die Weide stellen oder zumindest mehr an den Grundlagen feilen, ehe es ans richtige Training ging. Und auch Gambit, das junge Vollblut, war langsam für sein Reitpferdeleben bereit; er war ja bereits auf der Rennbahn gewesen, man musste also nicht komplett von Null auf anfangen, aber daraus ein super Vielseitigkeitspferd zu machen, war dann doch eine Heidenarbeit. Ich hatte mich zwar für die ersten Springstunden bereit erklärt, doch bis jetzt fehlte Jette noch die Ruhe, bis sie den jungen Vollbluthengst an die Stangen ließ.

      Und jetzt zu Punkt 3 und der wichtigste Grund, warum dieser Winter doch mehr Arbeit machte, als ich eigentlich dachte: Der Steenhof wuchs so gesehen exponentiell. Neben ein paar neuen Zuchtpferden – zwei Warmblutstuten, ein Vollbluthengst – und einem neuen Vollbluthengst für Jette hatte ich nämlich eines verhängnisvollen Tages eine Schicksalsnachricht von meinem Vater bekommen.

      Schon als ich seinen Namen auf dem Display sah, machte mich das stutzig. Lasse Tersteegen war ein typischer Technik-Feind, hatte nur unter großem Murren ein Smartphone akzeptiert und nutzte es auch eigentlich nur im äußersten Notfall. Und Telefonieren war eh nie sein Metier gewesen – das überließ er lieber Mama. Als ich also seinen Namen auf dem Display sah, fiel mir fast das Handy in den Matsch. Ich konnte es aber gerade noch so fangen und nahm so schnell wie möglich ab. „Was ist los?“

      Ein paar Sekunden Stille, dann die grummelige, tiefe Stimme meines Vaters. „Mach dir nicht in die Buchse, alles gut. Aber – ich hab doch erst mit Janssen geredet, nicht?“

      Ich stutzte ein wenig. „Ja, das hast du wohl mal erwähnt…?“ Wollte mein Vater jetzt mit mir über seine alten Arbeitskollegen sprechen? Dann war heute deutlich unpassend – ich war gerade dabei, die Jährlinge auf ihren Koppeln mit neuen Heuballen zu versorgen, war gerade erst vom Trecker geschrieben und hatte Hauke noch fünf Minuten zuvor versprochen, mich zu beeilen, damit wir noch den Platz abziehen konnten, der mittlerweile wieder aufgetaut war und dementsprechend eine einzige Seenplatte war. „Papa, sorry, aber ich hab echt zu tu–“

      „Ist wichtig, solltest also dran bleiben,“ meinte mein Vater sofort. Also gut. Hauke würde sich ein paar Minuten gedulden müssen. Ich kletterte auf den Trecker und schaltete ihn aus. Die kleinen Hengste sahen mich vorwurfsvoll an – immerhin warteten sie auf ihr neues Futter. Aber auch die mussten sich wohl kurz gedulden.

      „Janssen hat da einen alten Freund, der seine Ponys irgendwo unterstellen muss. Sind insgesamt zehn. Schon, oder?“

      Mir dämmerte es. „Papa, was hast du gemacht?“

      Und so kam es, dass ich von heute auf morgen eine meiner Koppeln abgeben musste, weil mein Vater dem Bekannten eines alten Freundes und seinen Welsh-Ponys versprochen hatte, dass sie auf dem Steenhof Platz finden würden. Insgesamt waren es sechs Stuten und vier Hengste. Und ausnahmsweise waren die Hengste das kleinste Problem; im Hengststall waren noch genug Boxen frei, und auch auf die Paddocks und Weiden konnte man sie irgendwie verfrachten. Aber sechs Stuten wollten auch noch einen Platz finden. Der Laufstall selbst platzte eigentlich schon aus allen Nähten. Es blieb also nichts anderes übrig, als auf eine der verbliebenen Wiesen einen Unterschlupf zu bauen. Ich konnte Haukes Begeisterung dafür jetzt schon spüren. Wenigstens hatten wir noch genug Zeit, um alles noch herzurichten, einen ordentlichen Unterstand zu bauen und Papa weiterhin ein schlechtes Gewissen zu machen, bis er mir schließlich eine seiner eigenen Weiden zur Verfügung stellte; im Herbst würden dann die bis dahin einjährigen Stuten umziehen, um Platz für die diesjährigen Fohlen zu machen.

      Doch langsam aber sicher musste ich mir bewusst machen, dass sich der Steenhof wohl vergrößern musste. Und das ging einher mit neuem Personal.

      Yay, Bewerbungsgespräche.

      Geposted am: 31.03.21
      Von: Rhapsody
    • Rhapsody
      Steenhof, 17. Mai
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      Ich hatte seit Neustem einen Schoßhund.

      Dabei handelte es sich aber weder um Peanut, die Knuddeln nur in den wenigsten Fällen genoss, höchstens duldete. Und es war auch nicht Jelly, die ihre Liebe ein bisschen generöser verteilte, für die “Liebe” aber auch selten als Kuscheln interpretierte, sondern viel lieber als Spielen, Toben, Herumrennen. Nein, meine Corgis hatten keine plötzliche Sinneswandlung und ploppten sich bei jeder Gelegenheit in meinen Schoß. Mein Schoßhund wog an die 38 Kilo und hatte mit 83 cm Schulterhöhe eher die Größe eines Minishettys oder Ponyfohlens.

      Die meiste Zeit bekam ich nicht einmal mit, dass Lesja auf dem Hof war – bis sein Hund plötzlich auftauchte und sich wie selbstverständlich auf meine Oberschenkel platzierte und Liebkosungen einforderte. Die ersten paar Male hatte ich mich kaum bewegen können; Misha sah keine Notwendigkeit, wieder abzudampfen, und ich wollte einen Windhund der Größe nicht ruppig von mir wegschieben (denn ich war immer noch ein bisschen fasziniert von dieser Rasse – sie hatten etwas Aristokratisches an sich, so dass ich jedes Mal, wenn ich Misha sah, das komische Bedürfnis hatte, ihn mit “meine Hoheit” anzusprechen). Das einzige, was mir übrig blieb, war also, damit zu leben; um den Hund herum zu arbeiten und zu warten, bis sein Herrchen auftauchte.

      An diesem Tag hatte Misha mich auf meiner kleinen Terrasse am Gutshaus gefunden, auf der ich die ersten Sonnenstrahlen genoss (gut), Quarterback und Callisto auf der Koppel im Blick hatte (gut) und Bewerbungen durchsah (nicht so gut). Bis jetzt hatte sich da noch nicht viel getan, und das war absolut mein Fehler; sobald ich gehört hatte, dass wir einen ganzen Haufen Ponys bekommen würde, hatte ich zwar den Entschluss gefasst, noch ein oder zwei Pfleger einzustellen – die Stellenanzeigen hatte ich aber erst drei Wochen später veröffentlicht. Was bedeutete: die Ponys waren da – der zusätzliche Pfleger noch nicht.

      Gerade wollte ich Misha um seine fachkundige Meinung bitten – würde sich euer Hoheit, Baron Mikhail von Bad Oldesloe, eher für Verena Franke, 35 Jahre alt, gelernte Bürokauffrau aber mit zehn Jahren Erfahrung als Groom auf einem großen Gestüt in Niedersachsen oder eher für Martin Koenig, 48 Jahre, Pferdewirt entscheiden? – da hörte ich laute Schritte aus dem Wohnzimmer. Misha schien den Gang seines Herrchens zu erkennen, zumindest spitzte er kurz die Ohren, machte aber keine Anstalten, seinen Thron zu verlassen.

      “Schon wieder da?” fragte ich Lesja anstelle einer normalen Begrüßung. Normalerweise kam er ein-, höchstens zweimal in der Woche, um sich nach Molotov umzusehen; für mehr Besuche war der Weg zu weit. Diese Woche war er aber schon das vierte Mal hier; langsam wurde ich misstrauisch.

      Lesja ignorierte die Frage komplett. “Guten Tag, Fritzi, ich hoffe dir geht es gut?” sagte er in einem überzogen freundlichen Ton. Er kam um den Gartentisch herum und ließ sich in einen Stuhl fallen, ein Grinsen auf den Lippen. “Ich hab Urlaub und Cat hat angeboten, dass ich bei ihr bleiben kann.”

      “Dass die Wohnung noch voller wird?” meinte ich. Cat wohnte in einer 3-Zimmer-Wohnung mit zwei anderen Mädels. Da dann noch ein Kerl mit locker 1,85m und seinem übergroßen Schoßhund dazu – “Ich glaub, ich weiß warum Cat so viele Überstunden macht.”

      Lesja grinste in sich hinein. “Nein, ich glaub, das hat einen anderen Grund.”

      Ich ließ alle Bewerbungsmappen, die ich in der Hand hielt, auf den Tisch fallen und drehte mich abrupt – so abrupt wie das mit einem 40 Kilo Hund auf dem Schoß ging – zu Lesja um, der sofort die Hände in einer beschwichtigenden Geste hob. “Ich wusste es!” – worauf er nur mit Lachen antwortete.

      Mir war es zuerst um die Weihnachtszeit aufgefallen; komischerweise fand man Cat auffallend oft in der Nähe von Levi. Levi sah zufälligerweise immer öfter beim Training zu – um sich selbst “weiterzubilden”, sagte er, und doch nahm er nicht mehr Unterricht von Jette und überhaupt schien er sich nur “weiterbilden” zu wollen, wenn er Cat zusehen konnte. Sie ritten gemeinsam aus, übernahmen Stallaufgaben grundsätzlich zusammen und schienen im Großen und Ganzen einfach so viel Zeit miteinander verbringen zu wollen, wie nur möglich. Und das bedeutete eben auch, dass beide plötzlich viel länger auf dem Hof anzutreffen waren, als sonst. Cat hatte ich vor wenigen Tagen bei meiner Abendrunde durch die Ställe getroffen (und Levi kurz darauf noch in der Sattelkammer). Und wenn man wie ich war und viel Arbeit, die keinen Spaß machte, zu tun hatte, dann konnte man das Puzzle schneller zusammensetzen. Und jetzt hatte ich meine Bestätigung.

      Als er sich wieder beruhigt hatte, hob Lesja drohend den Finger. “Du weißt nichts. Wir haben nie miteinander gesprochen.”

      “Vielleicht erwische ich sie ja demnächst in flagranti und kann sie dazu zwingen, es wenigstens offiziell zu machen,” meinte ich. Lesja rümpfte die Nase. “Außerdem rede ich nie mit dir. Ich würde mir lieber die Augen ausreißen als mich mit dir zu unterhalten.”

      “Gut, mir geht’s genauso.” Um seine Lippen spielte immer noch ein Grinsen, als er aufstand und wieder um mich herum ging. Kurz pfiff er, woraufhin sich Baron Mikhail von Bad Oldesloe dazu entschloss, seinen Thron (meine Beine) zu verlassen, um gemeinsam mit dem Pöbel (Lesja) die Ländereien zu begutachten. Ich saß also wieder alleine auf der Terrasse und so ganz plötzlich hatte ich auch keine Lust mehr auf Bewerbungen. Genug Bürozeit für heute.

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      Seit wenigen Wochen war der Steenhof das Zuhause der Welsh-Ponyzucht von Waldorf. Papas Bekannter eines Bekanntens hatte die zehn Ponys vor zwei Wochen angeliefert; die Unterstände waren gerade noch rechtzeitig fertig geworden und um ein Haar hätte es auch überhaupt nicht geklappt – die lange Kälte im März bedeutete, dass die Wiesen ein paar Wochen länger gebraucht hatten – aber letztendlich hatte doch alles geklappt. Die Ponys waren mittlerweile angekommen und schreckten nicht mehr bei jedem Vogel oder Menschen auf. Die Stutenherde war ziemlich bunt gewürfelt; neben erfahrenen Zuchtpferden waren auch zwei achtjährige Stuten dabei, die noch relativ grün hinter den Ohren waren – eingeritten und -gefahren, aber doch noch nicht so an die tägliche Arbeit gewöhnt, wie andere Pferde in dem Alter. Bis jetzt wollte das der Besitzer selbst übernehmen, aber Greta hatte schon Interesse bekundet, mit Acariya und Nandalee arbeiten zu wollen. Bis das in trockenen Tüchern war, hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, den beiden Grünschnäbel einmal täglich eine Tour um den Hof zu geben. Beide schienen noch ein bisschen unsicher, weg von der Herde und in fremden Wäldern, aber jeden Tag wich die Spannung der Entspannung und langsam konnten die beiden Stuten auch etwas genießen. Als sie wieder zurück auf der Welsh-Koppel waren, wurden sie von den älteren Stuten lautstark in Empfang genommen.

      Nachdem ich noch kurz kontrolliert hatte, ob die Welshstuten noch genug Wasser hatten, schlenderte ich entspannt zum Laufstall meiner eigenen Stuten. Auch die Ladies hatten ihr Sommerdomizil endlich beziehen dürfen und das fanden sie so toll, dass keine einzige Stute im Stall anzutreffen war. Als ich durch die Lamellen nach außen blickte, sah ich die ganze Horde mit den Schnauzen im saftigen Gras – alles gut also. Und mittendrin staksten auch schon drei Fohlen mit herum; Cassiopeia hatte dieses Jahr den Anfang gemacht und eine hochbeinige Buckskinstute zur Welt gebracht. Für mich stand der Name der kleinen Stute schnell fest – Clio, eine der neun Musen aus der griechischen Mythologie – aber, wie auch letztes Jahr, musste ich diesen Namen erst einmal durchboxen. Während ich bei Clio an eine wunderschöne Frau mit Liebe zur Dichtung dachte, war Haukes erste Assoziation der Renault Clio.

      “Ich mache Gebrauch von meinem vertraglich geregelten Veto-Recht,” versuchte er, die daraufhin entbrannte Diskussion zu beenden.

      “Vertraglich gere- was?”

      Im Endeffekt hatte ich mich durchgesetzt – ich war die Züchterin, ich war die Besitzerin des Hofes, ich war allen voran Haukes Chefin. Und wenn ich wollte, dass ein Fohlen von mir nach einer Muse und einem kleinen, schnuckeligen, französischen Automodell benannt war, dann war das eben so. Süß war sie trotzdem und mit den Eltern auf jeden Fall prädestiniert für die hohen Springklassen – so wie ich meine Fohlen eben mochte.

      Ein paar Tage nach Clio kam dann Calamity auf die Welt. Mutter war eine Zuchtstute unseres Zuchtpartners in Kanada, Vater unser Equinox. Couleur du Deuil hatte ebenfalls sehr viel Trakehnerblut in sich, sodass ich mir schon bewusst war, dass diese Anpaarung einen kleinen Wirbelwind produzieren würde. Der Name war also Programm – und wurde vom gesamten Steenhof-Team kommentarlos akzeptiert. Vom Auftreten erinnerte mich die kleine dunkle Stute ein bisschen an Bobby aus dem letzten Jahr – allerdings nicht ganz so unberechenbar. Aber sie konnte kaum still stehen – ähnlich wie ihre Mutter, Couleur du Deuil – und galoppierte am liebsten über die Wiese. Da durfte man dann auch manchmal nicht so genau hinsehen, denn nicht jede Kurve funktionierte auch so. Ein paar Schrammen hatte die Kleine sich also schon eingeheimst, aber mit jedem Tag nach der Geburt wurde sie sicherer. Ich konnte es kaum erwarten, sie in ein paar Jahren im Gelände zu sehen.

      Das dritte Fohlen, das bereits in der Herde integriert war, war ebenfalls von einer Gaststute. Räuberschatz, wie ich die dritte kleine Stute taufte, war ähnlich wie ihre Mutter Räubertochter noch ein bisschen reserviert; sie hatte kein Problem mit Menschen und hatte mit mir auch schon Freundschaft geschlossen, aber von selbst würde der kleine Fuchs nicht auf mich zukommen. Ihre Mutter war aber ein durchaus soziales Pferd und lieber mittendrin als irgendwo am Rand, worüber ich sehr froh war – so lernte Räuberschatz schon einmal den richtigen Umgang mit den Artgenossen und ich hoffte, dass das auch im Erwachsenenalter blieb.

      Vor ein paar Tagen erst war Shotguns Fohlen auf die Welt gekommen; einen kleinen Fuchshengst, der schon jetzt, nur rund drei Tage nach seiner Geburt, eines der neugierigsten Fohlen war, die ich je gesehen hatte. Nichts war sicher vor ihm, überall musste er seine kleine süße Nase reinstecken. Und während die drei Stutfohlen beim Führen noch brav bei ihren Müttern blieben, würde es bei dem kleinen Hengst nicht lange dauern, bis er stiften ging. Noch wollte ich mich noch nicht größer mit dem Kleinen beschäftigen – er war ja auch wirklich erst drei Tage alt – aber sobald ich das Gefühl hatte, dass er angekommen war und langsam seine Umwelt wahrnahm, würde ich wohl oder übel mit dem Halftertraining anfangen. Einen Namen hatte der Kleine noch nicht, und da es Shotguns Fohlen war, war es eigentlich Jettes Aufgabe – die hatte mich aber regelrecht angebeten, ihr bei der Entscheidung zu helfen. Noch schwankte sie zwischen Celsius, Caravaggio und Caponi, und ich war ein Fan aller drei Namen. Ich war also eine tolle Hilfe.

      Vier von fünf Fohlen waren also schon auf der Welt; jetzt warteten wir nur noch auf Samarra. Die Dunkelfuchsstute hätte schon vor Shotgun ihren Termin gehabt, machte allerdings keine Anstalten, sich mit der Geburt zu beeilen. Die Nächte verbrachte sie in der Abfohlbox, tagsüber stellte ich sie zu den anderen Stuten auf die Koppel – auch in der Hoffnung, die zusätzliche Bewegung würde den ganzen Vorgang ins Rollen bringen; bis jetzt hatte sie kaum aufgeeutert und nichts sprach dafür, dass es bald losgehen könnte. Auch bei meinem heutigen Check Up war alles im Lot – keine Anzeichen für eine baldige Geburt. Samarra würde ihre Kugel also lieber noch ein paar Tage durch die Gegend schieben. Für mich bedeutete das eine weitere fast-schlaflose Nacht; sobald der ET einmal verstrichen war, saß ich jede Nacht mit einer Kanne Kaffee in der anliegenden Sattelkammer – das Zimmer über dem Laufstall war immer noch nicht renoviert worden – und wartete darauf, dass das Fohlen endlich purzelte.

      Das würde heute meine fünfte Nacht werden. Wie lange konnte ein Mensch mit kaum Schlaf überleben? “Wenn ich vor Schlaflosigkeit sterbe und ihr alle verkauft werdet, ist das nur deine Schuld,” flüsterte ich Samarra drohend ins Ohr, was sie aber nicht sonderlich störte; sie öffnete kaum die Augen, döste weiter in der noch etwas frischen Mai-Sonne und ließ sich von nichts beirren. Pferd müsste man sein.

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      Mittlerweile ging es auf die Abendbrotzeit zu. Shotgun und ihr Fohlen kamen zurück in die Box neben Samarra, wo auf alle drei schon ein Haufen Heu wartete. Hauke füllte gerade die Raufen auf dem Paddock des Laufstalls mit dem Frontlader; auf dem Weg zu den Junghengsten und der zweiten Welsh-Wiese sprang ich hinten auf. Die Welsh-Hengste sahen mittlerweile nicht einmal mehr auf, wenn ein riesiger Traktor in ihre Wiese fuhr, um einen Ballen Heu abzuliefern. Auftakt, Bonny, Single Malt und Fürst (eigentlich Fürst der Finsternis – für ein Welshpony der Sektion B?) hatten sich gut eingelebt und genossen bis jetzt ihr neues Leben auf dem Steenhof sehr; auf ihrer Koppel waren sie fernab des Trubels, aber mit den Junghengsten in der Nähe kam immer wieder jemand vorbei, bei dem man nach Leckerlis betteln konnte. Schlaraffenland, wirklich.

      Auch die Junghengste, mittlerweile alle ein Jahr alt und fest in dem Glauben, sie wären die Könige der Welt, schauten nur noch kurz auf, als der Frontlader plötzlich auf ihrer Wiese stand. Das hatten sie schnell kapiert, dass das Futter bedeutete, und fast schon wie ferngesteuert liefen sie Richtung Raufe und warteten, bis der Ballen abgeladen war. Ein oder zwei der Jungs waren auch immer noch unheimlich verschmust, was dann schnell bedeutete, dass die halbe Herde Halbstarker einem plötzlich hinterher lief als wären sie Hunde – da war ich froh, dass Futter wichtiger war als die Menschen, die noch irgendwie auf der Weide rum rannten.

      Danach kümmerte Hauke sich noch um die Welsh- und einjährigen Stuten, während ich im Hengst- und Ausbildungsstall fütterte. Letzterer war eigentlich für Jettes Berittpferde reserviert; gerade waren wir aber in einer kurzen und seltenen Zeit, in der die Boxen fast leer waren. Lediglich die Vollbluthengste X, Gambit, Cobain und Seattle hatten Boxen bezogen. Auch sie freuten sich über die Gabeln Heu, die ich ihnen brachte. Anschließend ging es für mich zurück zum Gutshaus, um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu haben, ehe es für die Nachtschicht zurück in den Laufstall ging.

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      Gegen halb 10 stolperte ich in meine Küche. Hauke hatte die letzten Stunden noch aufgepasst, ob es bei Samarra womöglich los gehen konnte, doch auch er wollte irgendwann nach Hause. Ein dreistündiges Nickerchen machte einen aber nicht wirklich wach, sodass ich auf den Weg zur Kaffeemaschine über einen schwarzbraunweißen Teppich stolperte, der dazu noch laut aufjaulte. Erst eine Sekunde später registrierte mein Gehirn, dass ich gar keinen Teppich in der Küche hatte und stattdessen über einen Hund gefallen war, der sich jetzt mit eingeklemmter Rute bei mir entschuldigte, als wäre es seine Schuld gewesen.

      So schnell wie möglich begab ich mich auf Augenhöhe und nahm Mishas aristokratisches Gesicht in beide Hände. Während ich mich überschwänglich bei dem Rüden entschuldigte, leckte er mir die Nase und über die Lippen – seine Art der Entschuldigung.

      Nach ein paar Augenblicken räusperte sich jemand am Küchentisch. Machte Sinn – wenn Misha noch hier war, dann war Lesja auch noch hier.

      “Immer noch?” fragte ich ihn nur und rappelte mich langsam wieder auf, auch, um Lesja am Küchentisch zu sehen. Er sah nicht besonders genervt aus, und vor ihm stand ein Teller, leer bis auf ein paar rote Streifen, die auf Tomatensoße schließen ließen. Bevor er mir antworten konnte, deutete ich auf den Teller. “Sag mir bitte nicht, dass du mein Stück Lasagne gegessen hast.”

      Schlagartig war ihm das schlechte Gewissen wie ins Gesicht geschrieben. “Das war für dich?”

      “Du bist in meiner Küche,” meinte ich platt und sah ihn ein paar Sekunden lang an. “Das gehört hier alles mir.”

      “Wenn das so ist,” sagte Lesja und schob den Teller demonstrativ weg, “dann ist das auch alles nur Cats Schuld.”

      “Und das soll ich jetzt glauben,” murmelte ich und machte mich wieder an der Kaffeemaschine zu schaffen. Das Stück Lasagne war mir nicht mal sonderlich wichtig. Ich würde schon irgendwo etwas anderes zum Essen finden. Aber Lesja ließ sich viel zu schnell aufziehen und das konnte ich nicht einfach nicht tun. Während ich den Filter in meine Uralt-Kaffeemaschine legte und das Pulver abmaß, erzählte er mir, warum es ausnahmsweise wirklich Cats Schuld war – sie war vor etwa zwei Stunden noch zu einem “kurzen Spaziergang, einmal um den Hof” aufgebrochen und als ihr Bruder dagegen protestierte, weil er “endlich nach Hause wollte, verdammt nochmal”, hatte sie ihn einfach Richtung Küche geschoben und gemeint, da würde er schon irgendwas zum Essen finden und überhaupt wäre sie ja eh nur kurz noch unterwegs, dann könnten sie in ihre Wohnung fahren und Pizza bestellen und –

      “Ist es nicht ein bisschen spät für ‘ne Kanne Kaffee?” unterbrach er sich schließlich selbst. “Oder brauchst du den, um einschlafen zu können…?”

      Mein Gehirn war anscheinend doch noch im Halbschlaf, denn ich suchte verzweifelte Sekunden nach einer blöden Retoure, schüttelte dann aber kurz den Kopf und sagte einfach die Wahrheit. “Ich hab’ heut Nachtschicht, falls unsere letzte Stute sich dazu bequemt und endlich fohlt.”

      “Klingt spaßig,” meinte Lesja in einem flachen, ironischen Ton. Ein paar Sekunden Pause, in denen keiner von uns beiden etwas sagte, nur das Plink-plink-plink der ersten Kaffeetropfen, die in die Kanne liefen. Ich überlegte mir schon einmal, was ich mir schnell kochen könnte, was ich ohne Besteck und Teller im Stall essen konnte.

      “Vorschlag,” schaltete sich dann Lesja wieder ein, stand auf und stellte seinen benutzten Teller in die Spüle. Na schön, wenigstens hatte er einen Hauch Manieren. “Ich besorg dir schnell einen Döner und dann machen wir zusammen Nachtschicht.”

      “Pff,” meinte ich spöttisch, “als ob.”

      “Ich mein’s ernst.” Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Spüle. “Ich bin ein Glücksbringer. Wenn das Fohlen auf die Welt kommt, dann nur in der Nacht, in der ich dabei bin.”

      Ich vergrub mein Gesicht in beiden Händen. “Vielleicht will ich dich nicht dabei haben, schon mal daran gedacht?” sagte ich in meine Hände und ließ sie dann wieder fallen. “Außerdem bringst du mir absolut gar nichts, wenn du in ein paar Stunden weggeschlafen bist und ich dann alleine rumsitzen darf.”

      In Lesjas Augen blitzte etwas auf. “Das klingt nach einer Challenge.”

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      Eine Stunde später hatte ich meinen Döner und um einen weiteren gewettet. Sollte Lesja einschlafen, würde er mir einen schulden. Würde das Fohlen wirklich heute Nacht kommen, müsste ich ihm einen besorgen. Nachdem bei Samarra aber nach wie vor alles gut aussah, machte ich mir da wirklich keine großen Gedanken.

      Als wir unser Quartier für die Nacht beziehen wollte, rümpfte Lesja aber wieder die Nase. “Du schläfst seit Tagen hier auf dem Boden?”

      Ich zuckte mit den Achseln. “Hier ist es wenigstens wärmer als direkt im Stall. Und das Zimmer über dem Stall ist nach wie vor unbewohnbar.”

      Mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er gerade in eine Zitrone gebissen, ließ sich Lesja auf die alte Luftmatratze nieder. “Absolut unakzeptabel,” murmelte er. “Ich kenn mich ja da echt nicht aus, aber macht es nicht Sinn für ein Zuchtgestüt, so etwas zuerst zu renovieren? Bevor man mit anderen Sachen anfängt?”

      “Sonst hat es auch immer funktioniert,” meinte ich trocken, “als ich alleine war und nicht noch auf den Komfort eines Unwissenden achten musste.” Misha und die Corgis, die zunächst erst einmal die Sattelkammer auf mögliche Leckerlis untersuchen mussten, gesellten sich zu uns; Peanut auf dem Boden der Kammer, Jelly eingerollt neben mir und Misha zurück auf seinem Thron. Lesja kommentierte das nur mit einem Augenrollen, das wohl so viel wie treulose Tomate bedeuten sollte – was mich erst recht stolz machte, als Thron seiner königlichen Hoheit, Baron Mikhail von Bad Oldesloe auserwählt worden zu sein. Kurzerhand drückte ich ihm den Geburtsmelder in die Hand und schob ihm den Bildschirm mit den Kamerafeed zu. Noch sah alles aus wie immer; Shotgun stand in einer Ecke mit gesenktem Kopf, während ihr Fohlen sich im Rest der Box breit machte, und auch Samarra döste im Stehen vor sich hin.

      Und so begann die Nacht. Die erste Zeit unterhielten wir uns noch recht angeregt über alles und nichts. Gegen zwei wurden meine Augenlider immer schwerer – Lesja hielt mich aber wach, um auszudiskutieren, ob er die Wette auch gewinnen würde wenn ich einschlafen würde. Das war aber nur von kurzer Dauer (natürlich würde er nicht gewinnen – immerhin ging es bei der Wette um ihn, von mir war keine Rede, und ich hatte es auch verdient, denn immerhin hatte ich seit Tagen kaum geschlafen), dann lullte mich das Halbdunkel der Sattelkammer und das rhythmische Atmen der Hunde wieder ein. Ganz eingeschlafen war ich nicht, eher weggedöst, und das auch nicht lang – dann vibrierte der Geburtsmelder und jemand schüttelte mich wach.

      Ich warf einen verschlafenen Blick auf die Kamera – Samarra hatte sich hingelegt, nichts außergewöhnliches aber wahrscheinlich der Auslöser für den Alarm, wie schon die letzten Tage – und wollte mich gerade wieder in meinen Schlafsack mummeln, als mich wieder etwas schüttelte. Ich öffnete meine Augen wieder und funkelte Lesja wütend an. Er wedelte mit dem Geburtsmelder vor meiner Nase herum.

      “Bleib ruhig, sie hat sich nur hingelegt, da geht das Ding auch an.”

      “Aber sie bleibt nicht liegen. Sie steht immer wieder auf, läuft Kreise und wirft sich dann wieder hin,” sagte Lesja im aufgeregten Flüsterton. “Laut Google sind das erste Anzeichen!”

      Misstrauisch sah ich auf den Kamerafeed – ja gut, da hatte er wirklich recht. Samarra war schon wieder aufgestanden und lief unruhig in der Box herum. Es ging also hoffentlich los. “Endlich.”

      Lesja sah mich erwartungsvoll an und fuchtelte wild mit den Händen, als ich mich nicht weiter bewegte. “Das ist alles? ‘Endlich’ und fertig?”

      Langsam schälte ich mich aus dem Schlafsack. “Ja, das ist alles. Sie muss ein Kind zur Welt bringen, nicht ich,” sagte ich und deutete auf den Feed. “Und solange es keine Probleme gibt, macht sie das auch schön alleine.”

      Lesjas Gesichtsausdruck verriet, dass er sich das Ganze wohl anders vorgestellt hatte. “Oh,” meinte er nur, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf den Display des Mini-Fernsehers. In der Position verharrte er dann, während ich ihn den Geburtsablauf kurz schilderte: Zuerst einmal würden die Wehen einsetzen, dann sollte die Fruchtblase platzen, dann würde innerhalb von vielleicht einer halben Stunde das Fohlen geboren und schließlich wartete man noch auf die Nachgeburt. Und als Mensch sollte man so wenig wie möglich in den ganzen Ablauf eingreifen und der Stute einfach Ruhe geben. Als Samarra dann aber offensichtlich mit dem Pressen begann, tapsten wir auf leisen Sohlen in den Laufstall. Wenig später lag ein dunkles Fohlen im Stroh, noch ziemlich zerknittert und noch nicht so ganz sicher, wo es denn jetzt war. Die ersten unsicheren Stehversuche folgten auch schon schnell und ohne fremde Hilfe fand es auch den Weg zur Milchbar selbstständig.

      Als schließlich die Geburtscheckliste abgearbeitet war – Nabel desinfiziert, Nachgeburt abgegangen, Fohlen hatte getrunken – holte ich die Hunde aus der Sattelkammer und scheuchte dann Lesja, der noch an der Boxentür stand und dem Fohlen zusah, aus dem Stall.

      “Und jetzt?” fragte er aufgeregt. “Ich kann jetzt unmöglich schlafen.”

      “Das ist schade,” entgegnete ich trocken. “Weil das genau das ist, was ich jetzt tun werde.” Der Himmel verfärbte sich schon zu einem dunklen Indigo, aber ein paar Stunden waren drin. Ich schloss das Gutshaus auf, stolperte hinein und schlüpfte aus meinen Stallschuhen heraus.

      “Und ich?” fragte Lesja von der Haustreppe aus. Ich musste mein Augenrollen unterdrücken.

      “Mi Sofa es su Sofa,” antwortete ich stattdessen. “Und jetzt Gute Nacht.”

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      Ein paar Tage später saß ich in meinem Büro mit Ausblick auf die Hengstkoppeln und füllte die Geburtsmeldungen für den Verein aus. Jette hatte sich endlich auf einen Namen festgelegt – Shotgungs kleiner Hengst würde auf den Namen Caravaggio, benannt nach dem berühmten italienischen Maler, heißen. Und auch für Samarras kleines dunkles Stutfohlen hatten wir schon einen Namen. Sie sollte zumindest auf dem Papier Sommernachtstraum heißen – auf welchen Namen sie dann einmal hören würde, würden wir sehen.

      Und so ging auch die Fohlensaison 2021 zu Ende.

      Geposted am: 03.05.21
      Von: Rhapsody
    • Rhapsody
      Steenhof, 31. Oktober
      Painted Blur, Ares, Ironic, Quarterback, Ballroom Blitz, Callisto, Equinox II, Hallelujah, Fiebertraum, Seattle Slew, Calina, Bucky, Benihana, Flashlight, Smooth Gravity, Samarra, Andromeda, Calista, Razita, Possy Pleasure Mainstream, Shotgun, Cassiopeia Z, Mania, Rosewood, Exciting Force, Cobie, Buchanan, Cobain, Dark Royale, HGT’s Saevitia, Cover the Venus, A Touch Of Peace, Contia Socks, Dark Innuendo, Painted Taloubet, Dante’s Wild Lady, PFS’ Gamble Away, Painted Basquiat, Simplicity of Sophistication, Balboa, Bohème, Charon, Kobik, Amalthea, Painted Gold, Antares, Dark Necessities, Quantensprung, Blitzkrieg Bop, Molotov, Clio, Calamity, Räuberschatz, Caravaggio, Sommernachtstraum, Auftakt, Fürst der Finsternis, Single Malt, BonnyBoy, Herbsttraum, Alice von Landwein, Sally, Nesquik, Nandalee, Acariya
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      Die Tage wurden langsam kürzer, die Nächte länger. Und auch auf dem Steenhof bereiteten wir uns auf den Winter vor. Statt Koppel hieß es für die Pferde Paddock. Nur die Jüngsten blieben auf ihren Aufzuchtweiden; die Jährlinge aus dem letzten Jahr, die mittlerweile schon mehr Pferd waren als Fohlen, und auch der diesjährige Fohlenjahrgang. Das Absetzen ging ohne großen Herzschmerz über die Bühne. Ich hatte auch das Gefühl, dass die Muttis ganz froh waren, die Bälger endlich loszusein. Denn seien wir mal ehrlich: Fohlen sind zwar abnormal süß, aber 24/7 sind sie dann auch abnormal nervig. Da ich dieses Jahr nur ein Hengstfohlen hatte, hatte ich mich nach einen tollen Aufzuchtplatz für Caravaggio bemüht, der nicht allzu weit weg war. Dort blieb er jetzt den Winter über, und im Frühjahr würde ich mir das Ganze noch einmal anschauen und gegebenenfalls mir etwas Neues einfallen lassen.
      Aber auch personell gab es auf dem Steenhof Veränderungen. Mittlerweile war ich Chefin von mehreren Angestellten, die sich um Hof und Vieh kümmerten. Und auch fürs Büro hatte ich jemanden gefunden: Cats Bruder Lesja hatte sich als überaus talentiert in der Buchhaltung und Organisation entpuppt, dass ich ihn dafür jetzt bezahlte. Und auch Jette hatte sich breiter aufgestellt und noch den ein oder anderen Bereiter angestellt. So lief das Gestüt wie eine Maschine und so würde das Ganze auch hoffentlich im neuen Jahr weiterlaufen.

      Geposted am: 31.10.21
      Von: Rhapsody
    • Rhapsody
      Steenhof, 28. Juni
      Painted Blur, Ares, Ironic, Quarterback, Ballroom Blitz, Callisto, Equinox II, Hallelujah, Fiebertraum, Seattle Slew, Calina, Bucky, Benihana, Flashlight, Smooth Gravity, Samarra, Andromeda, Calista, Razita, Possy Pleasure Mainstream, Shotgun, Cassiopeia Z, Mania, Rosewood, Exciting Force, Cobie, Buchanan, Cobain, Dark Royale, HGT’s Saevitia, Cover the Venus, A Touch Of Peace, Contia Socks, Dark Innuendo, Painted Taloubet, Dante’s Wild Lady, PFS’ Gamble Away, Painted Basquiat, Simplicity of Sophistication, Balboa, Bohème, Charon, Kobik, Amalthea, Painted Gold, Antares, Dark Necessities, Quantensprung, Blitzkrieg Bop, Molotov, Clio, Calamity, Räuberschatz, Caravaggio, Sommernachtstraum
      Auftakt, Fürst der Finsternis, Single Malt, BonnyBoy, Herbsttraum, Alice von Landwein, Sally, Nesquik, Nandalee, Acariya

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      Nicht nur der Frühling, nein, auch der Sommer hatte sich langsam nach Holstein geschlichen. Was natürlich bedeutete, dass das höchste der Temperaturgefühle um die 23 Grad waren, während der Rest Deutschlands bei etwa 10 Grad mehr schwitzte - aber das war schon warm genug. Die Pferde verbrachten ihre Zeit größtenteils auf den Weiden und ließen sich dort das Fell wärmen, wenn sie dann nicht doch reingeholt wurden und arbeiten mussten. Fohlen hatten wir dieses Jahr keine - es wären nur zwei oder drei geplant gewesen und meine Mädels hatten mich hier ziemlich im Stich gelassen, aber so genoss ich es, dass ich im Frühling auch einmal ungestörte Nächte hatte. Außerdem konnte ich so den schon bestehenden Jungspunden genaustens beim Aufwachsen zusehen; Charon, Bohème und Balboa bei den ersten Schritten Richtung Reitpferd; Kobik beim Ausschimmeln, Quantensprung beim munteren Farbwechseln; den anderen 2020ern, wie sie langsam aber sicher vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan wurden und wie Pferde aussahen, nicht mehr wie komisch proportionierte Esel; und den Jährlingen dabei, wie sie in alle Richtungen, nur nie gleichzeitig, groß wurden. Und nebenbei schmiedete ich natürlich auch schon Pläne für die Zukunft - wie würden wohl die nächsten Fohlen aussehen? Welche Hengste konnte ich auf ihre Körung vorbereiten, welche Stuten eigneten sich als Zuchtstuten? Und wie konnten wir den Steenhof weiter vergrößern? Das würde sich zeigen - irgendwann. Noch nicht in diesem Sommer.
      Geposted am: 28.06.22
      Von: Rhapsody
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  • Album:
    3 | Steenhof
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    Rhapsody
    Datum:
    28 März 2020
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    Kobik
    ”Koby”
    benannt nach einer Comic Figur


    PEDIGREE
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    von: Levistino

    von: Levisto Z

    von: Levisto's Boy
    aus der: Moonlight Serenade

    aus der: Amandara

    von: Crosong
    aus der: Amendmend

    aus der: Bucky

    von: Bad Benzedrine

    von: unbekannt
    aus der: unbekannt

    aus der: Waldsteins Honeybee

    von: unbekannt
    aus der: unbekannt


    EXTERIEUR & INTERIEUR

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    Stute
    Holsteiner
    1 Jahr

    151 cm
    Rappe (Schimmel)
    Blesse | h.l., h.r. weiße Stiefel

    Neugierig, selbstständig, frech.


    TRAINING

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    Fohlen ABC

    Dressur

    E A L M* M** S* S** S**

    Springen

    E A L M* M** S* S** S**

    Military

    E A L M* M** S* S** S***

    ERFOLGE

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    Dressur: -, Springen: -, Military: -


    Turniere


    Andere


    ZUCHTINFORMATIONEN

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    HK/SK Schleife
    HK-/SK-Gewinnerthema


    Decktaxe/Leihmutterschaft:
    Genotyp: Ee aa Gg
    Aus der Zucht: Steenhof (St. Margarethen, DE)
    Nachkommen:


    GESUNDHEITSZUSTAND

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    Chipnummer
    Chronische Krankheiten:
    Letzter Tierarztbesuch:

    Fehlstellungen:
    Beschlagen:
    Letzter Hufschmiedbesuch:


    STALLINTERN

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    Besitzer: Rhapsody
    Ersteller: Rhapsody
    VKR: Rhapsody

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    Offizieller Hintergrund