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Mohikanerin

Just A Bear [18/20]

a.d. Unbekannt, v. Unbekannt

Just A Bear [18/20]
Mohikanerin, 10 Juni 2022
Gwen und Wolfszeit gefällt das.
    • Mohikanerin
      Dressur E zu A | 30. Juni 2022

      Osvominae / Just A Bear / Aares / Verita / Helix

      Noch vor dem ersten Kaffee hielt ich mein Handy an Ohr, um Eskils Beschwerde über seinen Fuchs zu lauschen. Der Lusitano war alles andere als einfach. Er begann mit ihm am Anfang, einfache Lektionen zur Vorbereitung auf mehr. Selbst dabei weigerte er sich.
      “Das wird schon”, seufzte ich, schließlich war Eskil auch mein Trainer. Wieso sollte ich eine Lösung wissen, wenn ich selbst häufig zweifelte?
      Nach einer gefühlten Ewigkeit fühlte er sich besser, während mein Hirn nur die Hälfte seiner Aufregung verstanden hatte. Dennoch versuchte ich ihm zu helfen. In der Hütte trank ich meinen Kaffee und begann mit der Stallarbeit. Zwischendrin traf ich auf Lina und Sam, die zwei ihrer Pferde hier zum Dressurtraining hatte. Natürlich konnte meine Kollegin sich diese Freiberger nicht entgehen lassen. Tyrell stand im Sand und gab Anweisungen. Ich war allerdings auf dem Sprung. Osvo wartete auch auf mich für eine Einheit. Dabei unterstützte mich Lars auf Bear. Wir wählten den Dressurplatz vor der Halle, der gut getrocknet war unter den wärmenden Strahlen der Sonne. Im Schritt und Trab ritten wir einfache Bahnfiguren, wie Zirkel und Schlangenlinien. Die Rappstute zeigte sich heute unbalancierte und ich konzentrierte mich darauf. Lars hingegen hatte seinen Traber gut im Griff, ein genaues Ziel vor Augen, dass sie schließlich auf erreichten. Damit beendete auch ich die Dressur.
      Im Stall berichteten die beiden Mädels von den Freibergen, die heute wohl besonders schön gelaufen sind. Die Stute sogar noch besser als der Schimmel Hengst, aber wie immer, konnte ich mir die Namen nicht merken.

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 1598 Zeichen
      zeitliche Einordnung {März 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel tjugotre | 12. Juli 2022

      Glimsy / Just a Bear / Anthrax Survivor LDS / Osvominae / Maxou / HMJ Divine / Legolas / Binominalsats / Satz des Pythagoras / Caja

      Vriska
      Mit dröhnendem Kopf öffnete ich die Augen. Nicht nur ein Hund lag auf meinen Beinen am Bettende, sondern auch ein kräftiger Arm auf der Brust. Nur schwammig erinnerte ich mich an die Nacht, was wohl weniger an den zwei leeren Weinflaschen neben dem Bett lag und diversen Bieren am Feuer, viel mehr, war es die Trance, in der mich befand. Vollkommen übermüdet huschten einzelne Bilder durch den Kopf, die von Lars über mir gebeugt, dominiert wurden. Sagen wir es: Wir mochten uns.
      Durch die nur halb zugezogenen Vorhänge, bemerkte ich das Chaos im Raum. Überall lagen unsere Kleidungsstücke und dazwischen sehr viele benutzte Kondome, die wir wohl sehr ungeschickt zum Müll schafften. In meinem Magen zog es sich beängstigend zusammen, denn so erinnerte ich mich wieder, dass irgendwann mein Karton aus dem Schrank leer war. Das erklärte zumindest das feuchte Bett. Vorsichtig hob Lars an, der müde den Kopf hob.
      „Wie spät ist es“, wisperte er heiser.
      „Kurz nach Elf“, stellte ich mit erschrecken fest. Leise brummte er und zog sich die Decke über den Kopf. Aber bei der Unordnung konnte ich mich nicht wieder umdrehen.
      „Wo willst du hin?“, jammerte er, als ich den ersten Fuß aus dem Bett setzte und direkt etwas Schleimiges zwischen den Zehen spürte. Das fehlte mir noch! Ich zuckte zurück und setzte ihn woanders ab.
      „Aufräumen“, erklärte ich und erhob mich. Lars verharrte unter Decke, aber meinetwegen konnte er noch weiterschlafen. In der Schublade des Schreibtisches waren Mülltüten. Leise riss ich eine ab und sammelte die Gummis auf. Dann sortiere ich noch unsere Kleidung und öffnete das Fenster. Mein Zimmer war zu einem Tiergehege mutiert.
      Zu meinem Entsetzten roch es hinter der Tür nicht besser. Ein säuerlicher Geruch kroch an meinem Schleimwänden hinauf und hielt sich fest wie ein Parasit. Erst nach weiteren Schritten ins Wohnzimmer erblickte ich das dortige Chaos. Auf dem Tisch standen unzählige leere Weinflaschen, Biere und sogar Schnaps. Lange musste die Truppe noch dort gesessen haben. Selbst Teller mit Essensresten begrüßten mich. Flink trugen mich meine Füße ins Badezimmer, wo ich mich Lars Shirt entledigte und unter die Dusche sprang. Ich versuchte geschehenes Revue passieren zu lassen, aber immer wieder schwebte Lars vor und entflammte damit selbiges Feuer vom Abend. Alles an ihm war perfekt, ohne auf jede seiner Einzelheiten einzugehen, denn ich wollte ihn nicht auf sein Aussehen reduzieren, obwohl es bei Gott kein Geheimnis war.
      Gerade als ich den Duschvorhang zog, öffnete sich die Badezimmertür. Nackt stand plötzlich Niklas im Rahmen und schluckte nervös, als auch sein Blick auf mich fiel. Mit dem feuchten Stoff bedeckte ich mir, nur er verharrte wie eingefroren.
      „Du hast ein neues Tattoo“, bemerkte ich, um die Situation erträglicher zu machen.
      „Ja“, murmelte er rau. Ihm schien jedoch alles egal und lief einfach weiter zum Porzellanthron. Für mich war die Sache klar. Gerade als ich den Vorhang wieder schließen wollte, verfingen sich die kleinen Rollen der Duschvorhanghalterungen und nichts bewegte sich mehr.
      „Das wird nichts, lass es einfach“, fühlte sich Niklas durch das Kratzen des Metalls gestört. Ich schwieg und nahm mir ein Handtuch zumindest. Warum musste das alles am ersten Feiertag so furchtbar beginnen?
      Während mir die Situation mit jedem Atemzug unangenehmer wurde und frischen Schweiß auf den Rücken trieb, kümmerte ihn das seltsame Aufeinandertreffen gar nicht, nein, viel mehr schien er den Raum gar nicht mehr verlassen zu wollen. Er stand entspannt am Waschbecken, das Wasser bereits ausgeschalten, und starrte mich erwartungsvoll an. Sein Blick auf den meinen gerichtet, der immer wieder über seine Brust und Arme wandert. Zögerlich klopfte mein Herz, während im Kopf Altes an die Oberfläche drang. Von einem auf den anderen Moment verspürte ich Verlangen nach ihm, das, was mich in der Gegenwart von Erik antrieb und nicht loskommen wollte. In der Therapie wurde das Gefühl als ‘normal’ betitelt, aber so fühlte es sich nicht an.
      “Warum bist du wieder da? Hättest du nicht bleiben können, wo du warst?”, Niklas Stimmenfarbe klang noch immer rau und nun verärgert.
      “Tatsächlich dachte ich, dass es dir angenehmer ist, mich wiederzusehen. Aber gut, ich suche mir was anderes”, gab ich umgehend nach. Ihn als Feind wollte ich nicht und umzuziehen könnte auch dabei helfen, ihm aus dem Weg zu gehen.
      “Du bist seltsam”, merkte er an und hielt mich auf, den Raum zu verlassen. Etwas wollte er klären, aber ich konnte mir nur schwer vorstellen, was. Eine Weile standen wir noch im Badezimmer herum, das durch die Fußbodenheizung eine angenehme Temperatur hatte. Zu meiner Dankbarkeit legte sich Niklas ein Handtuch um die Hüfte und setzte sich auf den Deckel der Toilette. Ohne große Umschweife erzählte ich ihm, was in der Heimat passierte, von meiner Wiederaufnahme der Therapie, dass ich entschied meine Tabletten zu nehmen und auch mehr auf mich zu achten. Geduldig hörte er zu und stellte seine Fragen erst in Sprechpausen.
      “Und mit Erik hast du alles geklärt?”, kam Niklas auf das einzig Schwierige zurück.
      “Ich weiß es nicht genau. Ehrlich gesagt, vermisse ich ihn sehr, aber er hat es sich selbst zuzuschreiben und ich warte auch nicht. Worauf auch? Dass er sich spontan dazu entscheidet, dass glückliche Familie spielen, doch ziemlich doof für ein Kind ist?”, erhob ich die Stimme, was den Hund aus dem Schlafzimmer an die Tagesordnung brachte. An der Holztür kratzte es sanft, aber ich schickte ihn wieder weg. Das Klappern der Krallen auf dem Holzboden verstummte wieder.
      “Von mir wirst du keinen Tipp bekommen, schließlich sagte ich von Anfang an, dass der nichts für dich ist”, zuckte Niklas mit den Schultern und erhob sich schließlich von dem Porzellan.
      “Danke, sehr reizend”, ich wollte mit den Augen und drehte mich auch zur Tür.
      “Auch wenn ich den Kerl in deinem Bett nicht mag, wird der sicher nicht spontan zu seiner Ex zurückrennen, wenn es ihm gerade passt”, setzte er seine Ansprache fort, als gäbe es einen Anlass dafür, “dann hält er sich wenigstens von Lina fern.”
      Verblüfft sah ich Niklas nach, der zurück ins Zimmer lief und die Tür schloss. Lina und Lars? Wirklich? War da etwas gelaufen? Zumindest würde es einiges Erklären, aber ich konnte es mir kaum vorstellen, denn sie war blind vor Liebe und könnte ihrem Freund nie etwas antun. Erst recht nicht, mit einem anderen zu flirten.

      Lars schlief noch immer tief und fest, als ich mich umzog. Die Decke lag neben ihm und nur ein kleines Stück davon, bedeckte seinen sonst freien Körper. Vorsichtig nahm ich den Stoff, um ihn zu wärmen. Aber er bemerkte meine grobmotorischen Züge und drehte sich auf den Rücken.
      “Möchtest du nicht wieder ins Bett kommen?”, lächelte Lars schief und griff liebevoll nach meiner Hand.
      “Doch, aber ich muss erst mal Ordnung machen”, erklärte ich, aber er gab mir keine Chance, es weiter zu erläutern. Stattdessen löste er das Handtuch von meiner Brust und zog mich geschickt auf seine Hüfte. Kaum saß ich, breitete sich wohlige Wärme in mir aus, die nur von leichten Schmerzen durchbrochen wurde. Meine Hände waren überall, strichen über seine breiten Schultern und Rücken, ohne dass sich unsere Lippen voneinander lösten. Wir drehten und wendeten uns im Bett, bis ich die offene Tür bemerkte.
      „Gibt es ein Problem oder haben wir seltsame Vorlieben?“, fauchte ich Niklas an, der sich mittlerweile eine Hose übergezogen hatte und im Rahmen lehnte.
      „Ich wollte noch mal mit dir Reden, aber du scheinst beschäftigt“, lachte er.
      „Jetzt nicht mehr.“ Ich war genervt und meine Lust vergangen. Lars grinste nur belustigt, als gäbe keinen Grund für meinen Ärger. Die Decke legte er sich fein säuberlich über die Hüfte und kreuzte die Arme über den Kopf.
      „Jetzt hau ab, ich bin gleich im Wohnzimmer“, meckerte ich und warf ihm ein Kissen entgegen. Endlich drehte er sich weg.
      „Das fängt schon gut an“, sprach zu Lars und rollte mit den Augen.
      Er lachte.
      „Ach, ist doch alles gut. Wir machen später weiter.“ Er erhob sich und haben ihm ein flüchtigen Kuss. Kurz überlegte ich, ob es überhaupt vernünftig war, ihn zu küssen, als wären wir ein Paar, aber sein höfliches und zufriedenes Lächeln vertrieb diesen.
      „Geduld gehört wohl nicht zu deinen Stärken“, bemerkte ich beiläufig und reicht ihm sein Shirt, als mir ein frisches aus dem Schrank nahm.
      „Worauf sollte ich denn warten?“, fragte er.
      Ich zuckte mit den Schultern und verließ das Zimmer.
      Eigentlich wollte ich nach dem Aufräumen noch etwas schreiben, denn erst um vierzehn Uhr sollte ich die Boxenpferde füttern und im Anschluss hatte ich geplant, Bruce im Ponystall zu besuchen. Allerdings stellte sich das Chaos als noch größer heraus, nun auf den zweiten Blick. Niklas hatte es sich auf der Couch bequem gemacht, starrte auf sein Handy und lachte zwischendrin. War das seine Definition von ‘noch einmal reden’? Zumindest schwieg er und ich begann die leeren Gläser und Flaschen zu verräumen, möglichst leise, um Lina nicht zu wecken. Glücklicherweise kam mir unserer Spülmaschine entgegen, die jegliches dreckiges Geschirr schluckte.
      „Was sitzt du hier eigentlich so nutzlos herum? Hast du nicht irgendwas zu tun?“, fragte ich Niklas, der mich mittlerweile durch seine reine Anwesenheit nervte.
      „Doch schon, aber ich warte auf Lina“, antwortete er nüchtern ohne sich vom Bildschirm zu lösen. Entschieden warf den feuchten Lappen über seine Schulter und dieser landete sogar auf dem Gerät. Ich lachte leise.
      Er setzte gerade an, sich zu beschweren, als Lars den Raum betrat.
      „Kleines, ich helfe dir.“ Selbstsicher huschte ein Lächeln über seine Lippen. Ich schnappte mir wieder den Lappen und überreichte ihn. „Du kannst den Tisch abwischen.“
      Er nickte und begann sofort. Im nächsten Augenblick waren wir sogar wie fertig. Neben der Haustür stellte ich noch das letzte leere Konservenglas ab und damit sah das Wohnzimmer inklusive Küche aus wie neu.
      „Frühstücken wir noch, bevor wir reiten?“, bewusst legte er den Schwerpunkt auf das Satzende. Mit seinen Händen packte Lars an meine Hüfte und zog sich näher an mich heran. Instinktiv drehte ich mich. Sanft zog sich die Mundwinkel in seinem Gesicht nach oben und in seinen Augen trat wieder das Funkeln auf, das mir erneut den Atem raubte. In meinem Bauch wollte das Kribbeln nicht aufhören und drückte meine Lippen auf seine. Es fühlte sich verdammt gut mit ihm an, erst recht, weil es vollkommen ungezwungen war.
      „Ihhhh“, ertönte es von der Seite, als wäre Niklas ein Kleinkind.
      „Geh du mal deine Freundin holen, oder wollt ihr allein Essen?“, wechselte ich das Thema.
      Er zuckte mit den Schultern und setzte sich provokativ auf einen Stuhl am Tisch. Genervt stöhnte ich. Offenbar hatte ich ziemlich viel verpasst, denn so seltsames Verhalten von Niklas, war mir neu. Also stampfte allein zu Linas Tür und klopfte vorsichtig. Sie stand ohnehin einen Spalt offen, der reichte, um meinen Kopf durchzustecken. Dahinter bewegte es sich nicht nur, nein, sie stand sogar schon unentschlossen vor ihrer Kommode.
      “Wie komme ich zur Ehre deiner Anwesenheit?”, fragte sie, ohne nennenswert den Kopf zu wenden. Stattdessen zog sie eine andere Schublade auf, um scheinbar willkürlich hineinzugreifen.
      “Guten Morgen”, sagte ich zunächst, “ich wollte fragen, ob du mit frühstücken möchtest oder lieber allein mit Niklas. Dein Kerl zeigt nur wenig Interesse, mir zu antworten.”
      “Lügnerin!”, ertönte es sogleich aus dem Hintergrund von Besagtem.
      “Ihr Frühstück gleich? Dann frühstücken wir mit euch”, entschloss sie kurzerhand und griff sich weitere Kleidungsstücke aus der Schublade. “Oder hast du andere Pläne, Niki?”, beteiligte sie ihren Freund doch noch an der Entscheidung.
      „Eigentlich würde ich lieber dich frühstücken, dafür brauchen wir die anderen nicht“, gab er mit ernster Tonlage zu verstehen. Dennoch konnte ich mir mein Lachen nicht verkneifen, angesichts der Umstände, dass Niklas meins unterbrach.
      „Ich glaube, das wird nicht passieren“, sprach sie befangen, die Wangen Schweinchenrosa angelaufen und wühlte hastig in der Schublade herum.
      „Du glaubst?“, setzte der Kerl seine Mission fort, „wir sind doch nicht in der Kirche.“
      „Schätzungsweise hat er keine Lust auf Lars und mich“, zuckte ich mit den Schultern. „Aber es kann nicht immer nach ihm laufen. Also, willst du oder nicht?“
      „Ich will“, sprach sie rasch, aber wühlte weiterhin wie ein Eichhörnchen beim Nestbau in ihrem Klamotten herum, „Also mit euch Frühstücken."
      “Geheiratet hätte ich dich auch”, scherzte ich. Nun kam auch der Andere im Wohnzimmer auf wahnwitzige Idee.
      “Ein Traum, zwei hübsche Damen”, noch bevor er seine innigsten Wünsche mit uns teilte, unterbrach ich ihn: “Das wollen wir gar nicht wissen, was du dir nachts im Bett vorstellst.”
      Selbst Niklas lachte kurz auf.
      Glücklicherweise fand meine Mitbewohnerin endlich ein Ende in ihrer Schublade und hatte sich Stoff übergeworfen. Dieser schmeichelte er ihr sehr. Der hellblaue Wollpullover bildete nicht nur einen hell-dunkel Kontrast zu den, noch offenen, dunklen Haaren, sondern untermalte ihre leuchtenden Augen. Zudem konnte sie mit ihrem Körper einfach alles tragen und wirkte wie jeden Tag perfekt durchgestylt. Oft war ich neidisch und fühlte mich wie die hässliche Freundin, aber verbog die böse Stimme in meinem Kopf hinter einer stählernen Pforte.
      Zusammen liefen wir die fehlenden Meter zum Tisch, der in einem klösterlichen Schweigen gehüllt war. Niklas hatte wieder sein Handy zwischen den Fingern, sodass er seiner Freundin keinerlei Beachtung schenkte, obwohl sie neben ihm stand und ein Guten-Morgen-Kuss erwartete.
      „Ehrlich gesagt, raubst du mir meinen Schlaf“, sagte Lars mit tickenden Gesichtszügen. In seinem lieblichen Worten fühlte ich mich Zuhause, wie nie zuvor. Ich konnte mir nicht erklären, was ihn so sehr an mir lag. Am liebsten wäre ich im Bett geblieben, nur er, ich und die Decke. Allerdings gab es noch Dog, der auf der Couch ruhte.
      „Ihr seid doch eklig“, fauchte Niklas, als hätten wir unbeschreibliches gesagt oder getan. Langsam wurde ich mir sicher, dass seine Andeutung im Bad ernst gemeint war, dass ich verschwinden sollte. Meine eigentlicher Arbeitskollege erhob sich, sah abfällig zu Hulk, bevor wir uns zusammen dem Frühstück widmeten. Während er Zwiebeln schälte und Schnitt, holte ich oder viel mehr, wollte ich meinen Haferjogurt aus dem Kühlschrank holen. Da wurde mir bewusst, dass überhaupt nichts für mich gab. Lina konnte nicht wissen, dass ich kommen würde und bei unserer Ankunft hatten alle Geschäfte geschlossen.
      „Was suchst du?“, fragte Lars und das Haken auf dem Brettchen verstummte.
      „Etwas Essbares für mich“, antwortete ich niedergeschlagen und stellte fest, dass selbst mein Lager an Zutaten aufgebraucht war.
      „Aber da war ganz viel?“
      „Ja, alles mit Tier.“
      Bedauerlich nickte er.
      „Dann lass uns Brunch bestellen. Da finden wir sicherlich für dich das Richtige“, schlug er vor und gab mir im selben Atemzug einen Kuss auf die Stirn.
      „Das kannst du dir gar nicht leisten“, mischte sich auf einmal Niklas ein, als gäbe es keine anderen Sorgen, „dein Vater muss schließlich noch Glimsy abbezahlen. Oder du gibst dein hässliches Vieh ab, damit ihr Überleben könnt?“
      Wovon auch immer der hochnäsige Typ sprach, das ging zu weit.
      „Du kannst dich nicht immer in das Leben anderer einmischen, nur weil du in Geld schwimmst“, tadelte ich Niklas.
      „Natürlich kann ich das, siehst du doch. Außerdem sei du doch mal ganz ruhig. Du bumst meinen Vater und lässt dich von deinen für deine Jungfräulichkeit versteigern“, preschte er in volle Wucht mit seinen Worten auf mich zu. Vom letzten Fakt wusste niemand etwas, nicht einmal meine Mutter. Gerade, als ich ihn fragen wollte, woher er das wusste, fiel es mir wie Schuppen von den Augen – Erik. Doch auch ihm hatte ich nichts davon erzählt. Getränkt in Scham, kullerten die ersten Tränen über meine Wangen, die ihn zum Grinsen brachten, aber Lars zu noch mehr Fürsorglichkeit. Aggressiv richtete er sich gegen Niklas, der das alles nur als einen schlechten Scherz auffasste. Was sie genau sprachen, konnte ich nicht mehr hören, zu stark drängten sich all die alten Gefühle und Bilder an die Oberfläche und verstopften den Gehörgang.
      „Kleines, wir gehen ins Zimmer. Du brauchst Abstand zu dem“, sagte Lars klar zu mir und zog mich mit. Der Hund sprang von der Couch auf, folgte uns ebenso. Lina konnte ich es nicht übelnehmen, dass sie schwieg. Für sie war es sicher zu viel und ihr fehlten die Worte, außerdem konnte ich sie nicht, für die Taten ihres Freundes verantwortlich machen.
      Lange saß ich nehmen Lars auf der Bettkante und weinte in seine Schulter. Dabei strich er mir beruhigend über den Rücken, sang dabei ein schwedisches Volkslied. Aber verstummte schließlich.
      „Okay, genug Selbstmitleid. Zumindest eine Tatsache geschah aus freien Stücken, oder nicht?“, zur Aufmerksamkeit tippte Lars mich an, damit ich ihn ansah. In mich gekehrt, nickte ich.
      „Na siehst du, also was ist schlimm daran?“, versuchte er mir Mut zuzusprechen.
      „Das er es weiß und es als Vorwurf formuliert hat“, schluchzte ich heiser.
      „Der ist nur ein verwöhntes, reiches Kind. Wie soll der sonst durchs Leben kommen, als anderen ihres schwerzumachen und Taten vorzuwerfen?“
      „Er hat es auch nicht leicht“, versuchte ich trotzdem Niklas in Schutz zu nehmen, wofür es keinen Grund gab.
      „Kleines, entweder du sprichst mit mir darüber, um einzusehen, dass es nichts gibt, wofür du dich schlecht fühlen sollst oder ich gehe jetzt zu den Pferden, damit du weiter dich im Bett herumrollst und weinst“, zuckte Lars mit den Schultern, als wäre er genervt. Dass seine Hand weiter auf meinem Oberschenkel lag und meine Finger umspielte, zeigte mir allerdings das komplette Gegenteil.
      Ich seufzte.
      „Dass ich was mit seinem Vater hatte, stört mich nicht, denn es hat Spaß gemacht, aber das sollte nie an die Öffentlichkeit kommen, weil es in Form einer geschäftlichen Abmachung entstand. Und …“, es schauerte mir überhaupt die Worte in den Mund zu nehmen, aber ich musste, wenn ich mich verändern wollte, „es waren andere Zeiten. Ich hatte mit verschieden Umständen zu kämpfen und da kam die Angelegenheit gut, also es war aus freien Stücken.“
      „Beruhigend, dass wir nicht zur Polizei gehen sollten.“ Ein höfliches Lächeln huschte über seine Lippen. „Aber, was für Umstände?“
      „Du gibst auch keine Ruhe, oder?“, kam nun auch ein Lachen von mir.
      „Ich möchte mein Gegenüber kennen und du gefällst mir, also muss ich wissen, mit was für Absurditäten Niklas noch ankommen wird.“
      Von meinem Stuhl nahm die Jacke, in der noch eine Schachtel Zigaretten steckte, lief zur kleinen Terrassentür, die zum Zimmer gehörte. Daran stellte ich mich, dass Lars mich weitersehen konnte. Zu meiner Überraschung erhob er sich und nahm ebenfalls eine heraus. Noch hielt inne, bevor es wie ein Wasserfall aus mir heraussprudelte. Ich erzählte ihm von den Drogen, meiner ersten Liebe und wie alles zerbrach. Auch Erik erwähnte ich. Zwischendrin stellte Lars Fragen, die ich ihm geduldig beantwortete.
      „So, und jetzt? Das ist alles Vergangenheit. Es liegt hinter dir. Natürlich sind es keine schönen Dinge, auch traurig, wie wenig deine Familie dich in den Schutz nahm, aber an deinen Aufgaben wächst du. Wenn auch nicht mehr körperlich“, ich lachte bei seinen Worten. Aber Lars hatte vollkommen recht und gab mir das erste Mal das Gefühl, dass meine Geschichte angesprochen werden musste.
      „Danke, dass du für mich da bist“, schmiegte ich mich eng an ihn und er legte die Arme um meinen Rücken.
      „Selbstverständlich, du brauchst mich.“
      Wieder im Zimmer, schloss die Tür hinter uns und Lars reichte mir den kleinen Schieber mit den Wochentagen, in dem meine Medikamente waren. Am Bett stand, wider Erwarten, eine Wasserflasche und schon, hatte ich die größte Herausforderung am Morgen gemeistert, obwohl es mittlerweile bereits Mittag war.
      „Fühlst du dich bereit für Osvo?“, kam es aus heiterem Himmel. Kurz dachte ich nach.
      „Noch nie bereiter“, sagte ich voller Tatendrang, nahm seine Hand und stolzierte durchs Wohnzimmer mit ihm. Die beiden aßen, ohne uns. Wer weiß, wie lang wir im Zimmer gesessen hatten, aber mir war der Hunger vergangen.
      „Lina“, sprach ich bewusst nur sie an, „Lars und ich machen jetzt Osvo fertig, also wenn es dich interessiert, kannst du in einer halben Stunde zur Halle kommen.“ Eilig nickte sie. Als Niklas sich dazu äußern wollte, reichte ein böser Blick ihrerseits, dass Hulk verstummte.
      Dog folgte uns unauffällig, als wir durch die Tür traten, in die Kälte. Am Himmel stand die Sonne und brachte die oberste Schicht des Schnees zum Schmelzen, dennoch so schwach, dass es sofort wieder gefror. Ein rutschiges Unterfangen begrüßte uns, aber mit den Händen ineinandergeschlungen, kamen wir heil am größten Stallgebäude an. Lautes Gewieher begrüßte uns und besonders laut, musste sich Anti Gehör verschaffen, der seine bisherige Lebenszeit auf der Weide verbrachte. Zunächst stand er allein, bis der richtige Partner gefunden wurde. Ich ging auf ihn zu. Neugierig hob Anti den Kopf, beschnupperte die seltsame Sache, die wir im Volksmund als Hand bezeichneten. Mit aufgeblähten Nüstern wieherte er mir schrill ins Ohr, bevor er eine kleine Runde durch die Box drehte. Den Paddock dahinter, beachtete er gar nicht.
      Obwohl die vorletzte Box im Gang schon am Tag zuvor mit einer hellen Stute belegt war, verspürte ich erst jetzt einen stechenden Druck im Herzen. Lubi würde ich wohl nur noch auf dem Turnier sehen, im Stall von jemand anderes. Vermutlich brauchte ich einen Augenblick, bis dieser Umständen wirklich in meinem Kopf ankam, besonders, wo ich nun Klarheit empfand. Seufzend legte ich meine Hand an die Gitter. Das Stütchen, dass sonst bei den Einstellern stand, kam interessiert zu meiner Hand, um daran zu lecken. Von der anderen Seite streckte mir Maxou ihren Kopf entgegen, doch ihr Hals war nicht ansatzweise lang genug, um mich zu erreichen. Stattdessen wählte sie den Nächstmöglichen und fummelte mit der Oberlippe an Lars‘ Kapuze.
      “Dein Pony hat mich gehasst, bis du plötzlich da warst”, erwähnte er dann aus dem Nichts.
      “Ich glaube kaum, dass ein Tier solch starke Emotionen empfinden kann”, sprach ich ungläubig, auch wenn ich mir vorstellen konnte, was er meinte, schließlich wollte Maxou auch am Anfang nichts mit mir zu tun haben.
      “Doch, deinem Pferd traue ich das zu”, Lars trat näher an mich heran, “sie ist auf mich losgegangen, wenn ich ihr die Decke wechseln wollte.”
      “Das tut mir leid.”
      Kaum hatte ich Maxou begrüßte und ausgiebig an ihrer Lieblingsstelle am Hals gekratzt, kam ein Sulky in den Stall gefahren, mit Nour im Bock. Sie trug ihr dunkles Haar offen über den Schultern, das Gesicht vollkommen verdreckt, aber sie strahlte. Angespannt war ein sehr kräftig anmutendes Pferd, deutlich schmaler als ein Freiberger, wie Lina sie immer mehr anschleppte, aber breiter als unsere Traber.
      „Wer ist das?“, flüsterte ich Lars ins Ohr und zupfte an seiner Jacke.
      „Das Pferd? Glimsy“, erklärte er, bevor seine Schwester bei uns hielt.
      „Ach, der Herr hat auch den Weg zum Stall gefunden“, scherzte Nour. Sie nahm die Leinen in eine Hand, um mit der anderen sich die Brille abzunehmen und das Gesicht abzuwischen. Jetzt bei Tageslicht mutete sie genauso elegant an, wie ihr Bruder, auch wenn ich Lina deutlich attraktiver fand.
      „Natürlich“, nickte Lars, „dennoch musste ich zunächst andere Angelegenheiten klären.“ Dabei schaute er schief zu mir.
      “Angelegenheiten also. So, so. Ich verstehe. Dann mein Glückwunsch, du durftest einen Lars haben, aber gewöhne dich nicht daran”, schmunzelte sie. Normalerweise reagierte ich schnell, doch für den Augenblick erschien mir mein Kopf begriffsstutzig. Ihre Worte konnte ich nur schwer einordnen. Die Rappstute tänzelte derweil gelangweilt auf der Stelle und versuchte Maxou zu begrüßen, die nicht einmal mit der Wimper zuckte.
      “Was meint sie?”, richtete ich meine Frage zu Lars, der verärgert seine Schwester anblickte.
      “Kleines, darüber sprechen wir noch, aber nicht jetzt”, versuchte er abzulenken, aber ich wollte das Thema nicht im Sand verlaufen lassen. Entschlossen legte ich die Arme auf seinen Schultern ab, gekreuzte hinter seinem Kopf und suchte innigen Augenkontakt. Zunächst wich der große Mann aus, bis die Situation unausweichlich wurde.
      “Tut mir leid Brüderchen, aber ich möchte nicht das nächste nette Mädchen zugrunde gehen sehen, weil du ihr das Herz brichst”, lehnte sich Nour zu ihm, bevor sie das verschwitzte Pferd in Bewegung setzte. Obwohl ich genau hörte, was sie ihm sagte, ignorierte ich es.
      “Vivi, ich mache mir nur nicht viel aus festen Beziehungen“, erklärte er mit bestimmten Unterton, gerade als ich meine Arme lösen, fügte er noch hinzu: „Aber du darfst natürlich trotzdem bei mir bleiben.“
      “Vielleicht will ich das gar nicht”, nuschelte ich, ohne den Blick von seinen Augen zu lösen. Lars gab sich besonders viel Mühe dabei, seine Stimmung hinter einem Vorhang aus Starrheit zu verstecken, doch je länger ich ihn musterte, umso weiter wurden die Pupillen. Ebenso spannte es an meiner Hüfte.
      “Nun, dann muss ich mir wohl jemanden anderes suchen, der mit mir in der Sattelkammer verschwindet”, scherzte er.
      “Musst du wohl.”
      Zu beschreiben, was zwischen uns knisterte, konnte ich nicht. Stattdessen verfiel ich ihm komplett und das lag eher weniger, an der erfreulichen Nacht. Lars hörte zu und schob mich nicht in eine Schublade, denn auf mich war ohnehin keine zugeschnitten. Sein Lächeln verzauberte mich in jedem Moment, den wir teilten und löste dabei eine Flut von Gefühlen aus, die meine Sehnsucht nach Erik wegspülten und vergruben. Manchmal tauchte ein Bild zwischen den Trümmern auf, aber es war nicht mehr, als eine schöne Erinnerung an alte Zeiten, die Zukunft stand vor mir.
      Immerhin konnten wir unsere Lust zügeln, denn Osvo wartete uns, obwohl es mir leichten Druck in den Magen setzte, in seiner Anwesenheit auf einem Pferd zu sitzen. Und wenn dann noch Zuschauer da sein würden – Nein, Vriska, du schaffst das, versuchte ich mir weiß zu machen. Und als ich dann von ihm ein Halfter in die Hand gedrückt bekam, setzte ich vollkommen aus. Stumm folgte ich ihm nur und auf dem Paddock hinter dem Roundpen strahlte mich besagte Rappstute an. Auf dem Nasenrücken trug sie eine große Blesse und an den Beinen drei äußerst niedliche Socken. Kaum bemerke Osvo uns, lief sie mit gespitzten Ohren den Zaun entlang. Das Tor öffnete er und etwas überfordert, hielt ich das Halfter in die Luft. An der Schulter stupste mich ein weiteres Pferd an, eine braune Stute, die allerdings zügig das Interesse verlor.
      „Einfach über die Ohren ziehen, oder hast du gar keine Ahnung?“, schmunzelte Lars.
      “Würde ich dir näherkommen, wenn ich keine Ahnung habe?”, versuchte ich den Funken aufrechtzuhalten, aber er schüttelte nur den Kopf mit unverständlichen Worten in den hohen Kragen seiner Jacke zu brabbeln. Vorsichtig zog ich das über ihr Maul und drückte die Ohren nach unten. Osvo schenkte dem Ganzen keine Aufmerksamkeit, sondern wartete, bis ich fertig war. Auf dem Weg zurück in den Stall erklärte Lars die Feinheiten der Stute. In den Ecken kürzte sie gern ab, wenn man den Schenkel nicht rechtzeitig anlegte und über den Sitz die Tritte verkürzte. Am Maul war sie empfindlich und bevorzugte eine konstante Haltung mit wenigen Paraden, eine Sache, die schwierig für mich werden konnte.
      In der Gasse putzte ich das dunkle Fell ausgiebig, bis der Großteil des Drecks auch auf dem Boden verteilte. Osvo hatte eins ihrer Hinterbeine angewinkelt und lehnte entspannt in den beiden Stricken. Dann kam auch Lars wieder, mit einem Sattel im Arm und einer Trense über der Schulter.
      „Könnte ich Gebisslos reiten?“, fragte ich unsicher.
      „Du kannst es versuchen, klar“, nickte er und übernahm das Satteln. Ich huschte unter dem Strick hindurch, um die Treppe auf die Tribüne zu nehmen. Von da aus kam ich am schnellsten in die Sattelkammer, in der mein Schrank stand. Schon aus der Ferne lächelte mich die Neon-Pinke Hackemore an. Erst, als ich danach griff, bemerkte ich eine Karte neben meinem Helm. Ungewöhnlich trocken wurde meine Kehle, als ich das handgemalte Motiv sah, das nur von einem Kleinkind stammen konnte. Langsam fasste ich nach hier und starrte eine Weile auf die Vorderseite. Obwohl die Zeichnung eher einer Schmiererei glich, erkannt ich sofort mein Pferd darin. Maxou hatte ihre lustige Kappe auf, die zum Schutz und Polstern des Genicks war, wenn sie ein Halfter trug. Meine Finger zitterten, während alles in mir schrie, die Klappkarte nicht zu öffnen. Aber die Neugier übertönte das alles. Sie war von Erik, der mir nur das Beste wünschte. Er wählte seine Worte wie immer sehr bewusst und versuchte von den Umständen abzulenken, die uns trennten. Stattdessen vermittelte er mir das Gefühl, noch immer nah in meinem Leben zu stehen und noch bevor ich überhaupt alles gelesen hatte, legte ich sie zurück. Wieder flossen Tränen, über meine Wangen, die ich mit einem Blick zur Decke versuchte aufzuhalten. Nichts in der Welt würde ihn aus meinem Leben verbannen können, auch wenn ich ihn nicht mehr an meiner Seite haben wollte, für den Augenblick.
      “Irgendwann”, murmelte ich in mich gekehrt und trampelte aufgewühlt aus dem Raum. Kaum war ich von den Treppen herunter getreten, sah ich Lina neben Osvo stehen mit einem zufriedenen Grinsen von einem Ohr zum anderen. Der Herr hatte bestimmt seinen Willen noch bekommen, nach dem mir meiner verwehrt wurde. Unfair. Würde ich fragen, käme keine spezifische Antwort, deswegen schwieg ich, auch, dass ich die Karte im Schrank fand. Sie sprach ohnehin mit Lars über einen der Hengste, den sie wohl in letzter Zeit arbeitete. Also wandte ich mich ab, um der Stute den gebisslose Zaum anzulegen. Beinah automatisch öffnete sie das Maul und sie schaute nicht schlecht, als kein Metall in ihrem Maul landete.
      Im Augenwinkel sah ich Nour auf der Tribüne, die sich ein Brot in den Mund stopfte und Samu mit seiner Freundin. Die beiden hingen eng aneinander, bestimmt froh, mal etwas Zeit füreinander zu haben. Am Abend, wenn es im Zimmer etwas ruhiger wurde, konnte ich Gespräche belauschen, die problemlos durch die Tür hallten. Zudem war die Runde alles andere als leise.
      „Was ist denn? Möchtest du nicht aufsteigen?“ Lars stand schon auf der anderen Seite des Pferdes und hielt den Steigbügel gegen, aber ich haderte mit mir, ob ich wirklich so weit war, aufzusteigen.
      „Ich weiß nicht“, sprach ich meine Zweifel an.
      „Du schaffst das, schließlich bist du gestern sogar gefahren. Keiner verlangt von dir, Pirouetten zu drehen, aber etwas Schritt und Trab sollte im Rahmen deiner Möglichkeiten sein“, dann lehnte er sich über den Sattel zu mir und sprach etwas leiser: „Außerdem haben wir doch schon geübt, vielleicht stellst du dir das einfach vor.“
      „Ein ziemlich absurder Gedanke“, warf ich ihm vor, aber er zuckte belustigt mit den Schultern.
      „Aber los, sonst schläfst du heute Nacht allein“, noch bevor das letzte Wort über seine schmalen Lippen wirbelte, hatten meine Hände flink den Gurt um ein Loch fester gezurrt und ich schwang mich auf das Pferd. Osvo war kaum größer als ich, also eine Leichtigkeit für mich.
      „Na bitte. Offenbar bist du bestechlich.“ Lars lief die ersten paar Runden noch mit, einerseits um mir Tipps zu geben, andererseits um mir Sicherheit zu schenken. Wie ein Anfänger versuchte ich die richtige Position im Sattel zu finden, setzte mich andauernd um. Lars hielt den Arm vor Osvos Kopf, wodurch sie abbremste.
      „Etwas weiter nach vorn und Beine lockerer im Bügel“, wies er mich an. Mit einem tiefen Atemzug durch die Lungen versuchte ich meinen Puls wieder zu normalisieren, aber in der Brust trommelte es wie bei afrikanischen Urvölkern.
      „Nicht so“, lachte Lars und legte selbst Hand an. Bestimmt legte er mein Bein zurecht, schaute sich auch, das andere an, das ich selbst platzierte. „Viel besser und so bleiben. Denk an den Wassereimer in der Hüfte, der darf nicht überlaufen.“
      Durch leichten Druck am Bein setzte sich Osvo in Bewegung. Sofort verspürte ich einen Unterschied. Gleichmäßig schob ich mich durch den Sattel und meine Begleitung kletterte gekonnte die Bande hoch, um sich oben auf den Rand zu setzen. Allein der Schritt war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Zu viele Emotionen prasselten auf mich ein, um es genauer benennen zu können und als ich prüfend noch einen Blick zur Tribüne warf, wurde mir bewusst, dass es immer mehr Leute dazu kam. Der Druck kam wieder, Druck wie bei meiner Abfahrt. Es gab keinen Grund dafür, zumindest redete ich mir das ein. Selbst meine Schwester und Mutter tauchten aus heiterem Himmel auf, auch wenn die kleinste nur Augen für Niklas hatte. Dass er nach Lina noch kam, löste vermutlich das Zittern meiner Hände aus. Auf einer großen Volte versuchte wieder ein Gefühl für das Pferd zu bekommen und mich von der Massenansammlung abzulenken. Ich schloss die Augen, um tief Luft zu holen. Auch Osvo schnaubte in dem Moment ab. Meine Hand klopfte ihr sanft den Hals.
      „Bei A auf den Zirkel und antraben“, rief mir Lars zu. Ohne weiteres Versagen zu schnüren und damit eventuell auf Widerstand zu stoßen, trabte ich die dunkle Stute. Locker ließ sie den Hals fallen. In ihrem Sattel fühlte ich mich ganz anderes, im Vergleich zu Lubi. Ihre Schritte waren kürzer, aber ebenso gefedert und weich. Obwohl wir nur auf dem Zirkel blieben, schwebte ich auf Wolke sieben, in meinem Kopf, jeden Sieg ergattern zu können. Nach einem Handwechsel holte ich Osvo wieder zurück in den Schritt und kam langsam auf meinen Ausgangspunkt. Meine Zuschauer waren wie gelöscht, sodass ich im Sattel sicherer wurde. Lars korrigierte noch einige Male meinen Sitz, durch freundliche Zurufe und sorgte dafür, dass Osvo nicht nur aktiver vorwärts trat, sondern auch die Balance fand. Volten fielen ihr schwer. Erst in der Versammlung im Schritt setzten sich ihre Hinterbeine mehr in den Schwerpunkt und jede Wendung auf der kleinen Kreislinie, unterstützte sie. Zum Ende galoppierte ich sogar noch und wurde mit einem ungefragten fliegenden Wechsel überrascht.
      Vollkommen durchgeschwitzt glänzte das blau-schwarze Fell in der Deckenbeleuchtung und an den hellen Abzeichen zeichnete sich die Farbe des Sandes ab. Wie Grisu, der kleine Drache, traten Dampfwölckchen aus ihren Nüstern und die Abschwitzdecke erfüllte ihren Zweck, als Lars sie in den weichen, dunkelblauen Stoff hüllte. Breddlopp - Daley Lovin 2018 stand in großen Buchstaben an der Seite aufgedruckt.
      „Ihr habt das Potenzial füreinander“, stellte er begeistert fest.
      „Hat wirklich Spaß gemacht, danke.“
      Mir fehlten die Worte, einzig ein leuchtendes Grinsen schmückte meine Lippen. Auf der rechten Seite lief Osvo vollkommen entspannt und augenscheinlich ebenso glücklich, auf linken Lars. Im Augenwinkel bemerkte ich seine prüfenden Blick. Ihn so plötzlich nah zu haben, bedeutete mir unbeschreiblich viel.
      „Ich wusste gar nicht, dass du so gut reiten kannst“, merkte Mama an, als ich an ihr vorbeikam.
      „Okay.“ Mein Lächeln erlosch. So wie ich diese Frau kannte, interessierte sie sich ohnehin nicht viel für meine Leistungen. Selbst als wir mit dem Cheerleader Team bei der Landesmeisterschaft waren, schenkte sie mir keinen Augenblick, viel wichtiger war der Zoobesuch mit meiner kleinen Schwester.
      Durch das Tor verließ ich die Reitbahn und sattelte mit Lars’ Hilfe die Stute ab. Sie fraß genüsslich den Inhalt ihrer Schüssel, verteilte mehr als die Hälfte auf dem Beton. Eine kleine Sauerei lag unter dem Maul.
      „Also, darf ich sie öfter reiten?“, beugte ich mich zu Lars hinüber, der gerade die Trense im Eimer reinigte.
      „Mh?“, brummte er zwischen dem Geklapper.
      „Ob das Angebot steht?“, spezifizierte ich.
      „Papa muss noch zustimmen, aber meinerseits steht dem nichts im Weg“, er hob sich und legte seine Arme an meine Hüfte, „ihr saht super aus und denk daran, nie dein Lächeln zu verlieren.“
      “Da muss ich Lars zustimmen”, trat Lina freudestrahlend von der Halle her ran, “Schön, dich wieder auf dem Pferd zusehen.”
      „Stimmt schon, aber ich halte mich erstmal zurück“, stellte ich klar, damit sie nicht von mir erwartete, eins der schwierigen zu nehmen.
      “Alle gut, ich erwarte nicht, dass du dich gleich an eines der Monster wagst”, beschwichtigte sie augenblicklich, “außer vielleicht an das, was sich als süßes kleines Pony tarnt.”
      „Maxou ist kein Monster“, protestierte ich umgehend, die sofort den Kopf aus der Box streckte.
      „Hör nicht zu, die sind blöd zu dir“, flüsterte ich in das kleine helle Ohr, das sich interessiert in meine Richtung drehte.
      „Du hättest sie mal die vergangenen Monate erleben sollen, dein Pony war an Wechsellaunigkeit kaum zu übertreffen. Du musst irgendwelche Zauberwirkung auf sie haben“, begründete Lina ihre Aussage, „Sie hat es einem wirklich nicht immer leicht gemacht.“
      “Na, wenn du das sagst”, knurrte ich beleidigt. Aus der Jackentasche wühlte ich nach einem der Leckerlis, die ich für gewöhnlich in jeder fand, so natürlich auch in dem Augenblick. Gierig fummelte sie ihre Belohnung von der Handfläche wie eine Schnapsschildkröte.
      “Immerhin versucht sie nicht, dich loszuwerden”, fügte ich schulterzuckend hinzu. Lars schielte mir zu, mit tiefer Stirn, als hätte er Wind von dem Gespräch bekommen mit Niklas. Für einige Sekunden schien sie irritiert, wirkte fast so als läge ihr bereits ein Kommentar auf der Zunge, doch augenscheinlich fügten sich die Puzzlestücke schnell zusammen. Postwendend wurde ihre Ausstrahlung zurückhaltender.
      „Tut mir leid, dass Niklas vorhin so eklig zu dir war“, sagte sie kleinlaut. Kurz kam mir in den Sinn, vom Zwischenfall zu sprechen, doch wollte ihr nicht den Tag versauen. Die Worte rutschten wie ein hartes und trockenes Brot meine Kehle herunter.
      “Schätzungsweise wäre es ihm lieber, wenn ich wieder gehe”, versteckte ich seine Aussage hinter einer Vermutung. Da mischte sich auch Lars wieder ein: “Dann kommst du halt zu mir, ich freu mich.”
      “Hättest du wohl gern.”
      „Ich weiß nicht, was los ist mit ihm, aber natürlich bleibst du, wo du bist, schließlich ist es auch dein Haus“, sprach sie zu mir.
      „Er möchte sicher bei dir sein und ich störe dann halt, erst recht, wenn“, der Klumpen kehrte im Hals wieder, denn ich ging davon aus, dass es mit Lars mehr werden würde. Diesen Zahn zog mir seine Schwester allerdings.
      „Wenn was?“, kam er zu Wort, als würde Lars genau wissen, was in meinem Kopf herumschwebte.
      „Wenn du mehr Zeit mit mir verbringst“, stammelte ich unsicher, wie es bei meinem Gegenüber ankommen würde. Aber Lars lachte.
      “Aber das ist doch nicht dein Problem, wenn er oder wir uns an dir stören”, versuchte Lina offenbar noch den Grund zu verstehen, “Nein, nein, du bleibst schön, wo du bist, sofern du dich nicht aktiv anders entscheidest.”
      „Dass es für mich okay wäre, eins der anderen Häuser zu nehmen, bist du dir bewusst?“, merkte ich noch an, dann wurde Osvo dringlicher mit ihrem Scharren auf dem Boden. Noch immer tropfte Schweiß förmlich aus dem Fell, deshalb löste ich die Stricke, schaltete die roten Lampen an und stellte sie ohne Decke darunter. Skeptisch hob sie den Kopf, bemerkte allerdings in der nächsten Sekunde, wie wohltuend das Licht war.
      “Mmm, ja …”, überlegte sie kurz, “aber ich möchte nicht, dass du dich vertreiben fühlst.”
      “Du treibst sie nur in meine Arme und damit kann wohl jeder leben”, zuckte Lars mit den Schultern. Langsam nervte mich seine selbstverliebte Art, die mich bei Niklas in den Wahnsinn trieb. Kaum zischte dieser Gedanke durch Kopf, musste dieser natürlich auch erscheinen, mit einem nervigen Anhängsel namens Madly. In seinem Blick sah man deutlich die Verzweiflung und einfach, war meine Schwester nicht loszuwerden.
      „Jetzt sage es doch“, jammerte sie, aber ohne Kontext, wusste ich nicht, was sie von ihm wollte.
      „Kannst du die Erwachsenen kurz allein lassen?“, bat ich Madly.
      „Nö“, kam es aus der Pistole geschossen.
      “Bring das mal bitte in die Sattelkammer”, intervenierte Lina und drückte ihr kurzerhand den durchnässten Fleecehaufen in die Hand, der vor Kurzem noch auf dem Rücken der Stute verweilt hatte. Diese sprang mit einem panischen Schrei zurück, um den Geruch zu entfliehen.
      “Ihr werdet schon noch sehen, was ihr davon habt”, rief sie übermütig zu uns, aber verschwand zur schützenden Tribüne, auf der gerade jemand anderes auf einem Pferd beobachtet wurde.
      “Was werden wir sehen? Dass es ohne sie nervenschonender ist?”, scherzte Lina mit gesenkter Stimme, sich wohl bewusst, dass die fehlenden Wände, den Raum ziemlich hellhörig machten.
      “Weiß nicht”, zuckte ich mit den Schultern. Lars hatte sich wie in Luft aufgelöst, auf einmal stand ich zwischen Lina und Niklas, der mich genauso böse anblickte, wie meine Schwester zu vor.
      „Ich bringe das Pferd weg, offensichtlich bin nicht erwünscht“, entschloss ich dann kurzerhand.
      „Du hast es erfasst“, grinste Niklas unverfroren. Eine Frechheit!
      “Niklas!”, tadelte Lina ihn sofort, “Sie hat doch gar nichts getan.”
      “Doch”, er verschränkte die Arme und sah zu mir. Ich versuchte das Gespräch der Beiden zu ignorieren, aber zu sehr interessierte es mir, was sein Problem war. Erst recht, nachdem wir eigentlich ein sehr freundliches Gespräch im Badezimmer gehabt hatten.
      “Ihr versteht es nicht, aber ich kann nicht mit ihr und dir in einem Raum sein, also entscheid dich”, stellte er ihr ein Ultimatum.
      “Du willst ernsthaft, dass ich mich zwischen euch entscheide?”, fragte sie entsetzt, als könne sie seine Worte nicht begreifen.
      “Engel, ich möchte nur mit dir allein sein, aus Gründen. Wir können das gern besprechen, aber versprich mir, dass wir erst einmal Zeit füreinander haben”, hallte es durch die Halle, zwischendurch durchbrochen von Hufschlag.
      “Okay, ja”, willigte sie nach einem kurzen Moment der Stille in die Worte ihres Freundes ein, eine diffuse Gefühlslage in ihrer Stimme mitschwingend.

      Am Abend in der Reithalle

      Lina
      Vor einer viertel Stunde war die Luft erfüllt von Frohsinn, von Musik bis in die Herzen der Leute getragen. Auch ich war erfüllt von Glück und Stolz. Bereits beim Aufwärmen, merkte ich, dass Ivy heute in Höchstform war und vor den Zuschauen schien er noch mal eine Schippe daraufzulegen. Er wirkte nahezu, als sei der junge Freiberger dafür geschaffen worden, unter den Blicken der Zuschauer über den Sand zu schweben. Divines Bühnenpräsenz übertrug sich auch auf mich. Das erste Mal fühlte ich mich annähernd wohl unter den Blicken des Publikums. Enya und Lego hatten selbstverständlich auch geglänzt. Es war schade, dass sie nur so selten auf dem Pferd saß, sie hatte ein Händchen für die Tiere, sicher einer der Gründe, weshalb sie so gut in ihrem Beruf war.
      Mittlerweile saß anstelle der blonden Schwedin, allerdings Samu im Sattel seines Hengstes, denn seine Freundin wurde zu einem Notfall in die Klinik gerufen. Anstelle der fröhlichen Musik war die Halle nun erfüllt von einem nüchternen Viertakt von den Hufen, die gleichmäßig im Sand aufsetzen.
      Abwesend starrte ich auf die aufmerksam nach hinten gerichtet weißen Ohren, die in meinem Blickfeld aufragten. In mir herrschte ein Chaos aus Empfindungen, die unter dem schwinden Adrenalin, an die Oberfläche schwappten. Die Schutzschilde nach außen hin waren hochgefahren, doch der sensible Hengst unter mir spürte es dennoch. Behutsam setzte er die Hufe in den Sand, bei jedem Schritt nachspürend, ob sich etwas veränderte. Noch immer hing mir das Gespräch mit Niklas beziehungsweise eher ein Monolog seinerseits im Kopf. Nur langsam konnte ich all die Bruchstücke zu einem Gesamtbild zusammenfügen, die Verbindungen herstellen und all die Zusammenhänge erkennen.
      > Haluatko kertoa minulle, mitä sinulla on mielessäsi?
      “Möchtest du mir erzählen, was dich beschäftigt?”, durchbrach Samus sanfte Stimme die Stille in der großen Halle. Ich seufzte, es war alles zu viel auf einmal, um den Berg an Informationen allein bewältigen zu können.
      So begann ich also all das wiederzugeben, was Niklas mir offenbarte. Angefangen bei dem Grund, der seine Zeit fraß, Binomialsats. Ein Hengst, der von seiner geliebten Schimmelstute abstammte und seinen Erzählungen nach, ähnlich aufbrausend und Verhaltens-kreativ war. Noch am selben Tag, wie der Tierarzt bestätigte, dass Smoothie nicht aufgenommen hatte, war Niklas wohl den Schritt gegangen, den Hengst zu kaufen. An sich sprach nicht dagegen. Zu gut konnte ich nachvollziehen, dass mein Freund etwas haben wollte, was seine Stute überdauern würde, sollte sie eines Tages mal nicht mehr, sein, auch wenn sie mit ihren gerade einmal zehn Jahren noch weit entfernt davon war. Sicher würde ich einiges geben, um etwas mehr als Erinnerungen an meinen kleinen Vili zu haben, aber bei einem Wallach gestaltete sich das schwierig. Nein, der Grund für das lange Schweigen war nicht das Tier an sich, es war die Art, wie er zu dem Pferd kam. Bino hatte nicht zum Verkauf gestanden, aber wie er so war, hatte er mit den bunten Scheinchen gewedelt, um seinen Willen zu bekommen. Für mich war es nicht vorstellbar, wie es zu rechtfertigen, war einem jungen Menschen sein Pferd wegzunehmen. Es betrübte mich, dass mein Freund so handelte, aber Menschen sind nun mal nicht unfehlbar, erst recht nicht, wenn sie von Emotionen getrieben werden.
      Als sei dies noch nicht genug gewesen, hatte Niklas noch mehr zu beichten gehabt, Vriska betreffend. Tief in meinem Inneren hatte ich bereits eine Vorahnung gehabt, dass zwischen den beiden noch eine gewisse Anziehung herrschte, doch es so deutlich zu hören tat weh, auch wenn ich mittlerweile wusste. Gleichzeitig wusste ich nicht, damit umzugehen. Vriska war zu diesem Zeitpunkt nicht ganz sie selbst gewesen, aber wer war denn die wirkliche Vriska? Sie nicht wirklich abgewiesen zu haben, begründete Niklas damit, dass er schon lange Kenntnis davon gehabt hatte, was sich zwischen Erik und Moa anbahnte und er sie somit nicht verletzen wollte.
      > Sinulle tapahtui taas jotain, vai mitä?
      “Da ist ja wieder einiges passiert bei dir, hm?”, stellte Samu am Ende der Erzählung fest.
      Ich seufzte, mir all das von der Seele zu reden half, das wirbelnde Durcheinander in mir ein wenig abzubremsen, aber es wurde nicht klarer, was ich fühlte.
      > Kyllä ja nyt... En tiedä
      “Ja und jetzt weiß ich nicht …”, murmelte ich und strich durch das lange Fell, welches seidig zwischen meinem Finger entlang glitt.
      > Mitä mieltä olet Vriskasta ja miten edetä
      “Wie du zu Vriska stehst und wie es weitergehen soll”, beendete er meinen Satz, als hätte er meine Gedanken gelesen. Volltreffer, bezüglich des verlorenen Schäfchens tat sich ein gigantischer Zwiespalt in mir auf. Auf der einen Seite hatte sich, trotz des holprigen Starts, eine Freundschaft zwischen uns entwickelt, auf der anderen fühlte sich mit den neuen Fakten an, als sei es nicht aufrichtig gewesen.
      > Sinun pitäisi puhua hänelle, mutta olen varma, että tiedät sen.
      “Du solltest mit ihr reden, aber das weißt du sicher”, fügte er hinzu, nach einem Moment der Stille hinzu.
      > Ei tänään, en voi
      “Nicht heute, das kann ich nicht”, wisperte ich und nickte langsam mit dem Kopf. Eine ganze Stunde war mittlerweile vergangen und die beiden Pferde mehr als trocken und runtergekühlt. Tiefenentspannt schnaubte Ivy, als ich mittels einer winzigen Gewichtsverlagerung auf die Mittellinie lenkte, wo ich hielt. Die letzten zehn Minuten war er bereits mit hängendem Kopf herum getrottet und schlief beinahe dabei ein. Verständlich, für gewöhnlich saß ich nicht länger als eineinhalb bis zwei Stunden im Sattel, Warm- und Abreiten inklusive. Dieses Limit war mittlerweile bei Weitem erreicht.
      > Oletko jäämässä?
      “Wie lange bleibst du noch”, fragte ich meinen besten Freund, als ich aus dem Sattel glitt. Obwohl ich mich innerlich zurückzog, war menschliche Nähe ein Anker, den ich jetzt benötigte, um nicht den Bezug zu Realität zu verlieren.
      > Niin kauan kuin tarvitset minua, pikkuinen, mutta etkö olisi mieluummin ystäväsi kanssa?
      “So lang wie du mich brauchst, Kleines”, sprach er sanftmütig, “aber willst du nicht lieber bei deinem Freund sein?” Mit den Augen folgte ich seiner angedeuteten Kopfbewegung in Richtung der Tribüne, von denen sich nach dem kleinen Ritt das Publikum schnell verstreute. Nur ein Beobachter war verblieben, Niklas. Saß er tatsächlich die ganze Zeit dort, anstatt sich eine sinnvolle Beschäftigung oder zumindest einen gemütlicheren Ort zu suchen? Wow, beeindruckendes Durchhaltevermögen. Aus dem konfusen Mischmasch schien sich bei seinem Anblick ein schwaches Gefühl heraus zu kristallisieren, welches sich wie Nebel einschlich und alles weiter in den Hintergrund rücken ließ. Mein Gesichtsausdruck schien offenbar eindeutig, denn der Finne begann Legos Sattelgurt zu locker und die Steigbügel hochzuschlagen.
      “Na, dann komm Lina, bevor dein Pony noch einschläft”, lachte er schließlich und setzte den großen Rappen in Bewegung. Divine hatte tatsächlich die dunklen Augen geschlossen und döste erschöpft. Auf das leichte zupfen am Zügel, reagierte er nicht. Erst als ich ihn ansprach, hob sich der Kopf und die helle Statur erwachte langsam wieder zum Leben. Wäre es nach dem Hengst gegangen, hätte ich ihn wohl auch einfach an Ort und Stelle stehen lassen können.
      “Du sahst wundervoll aus mit Ivy. Du solltest ihn öfter vor Publikum zeigen ”, lächelte Niklas, der von seinem Platz aus hinzukam. Geschmeichelt lächelte ich, verspürte doch eine leichte Unsicherheit, ob der kräftige Warmblüter tatsächlich so ansehnlich war.
      „Das sagtest du jetzt nicht nur, weil du mein Freund bist?“, brachte ich meinen Zweifel zum Ausdruck. Immerhin war Ivy ein kleiner Trampel, was er auch sogleich bewies, indem sein Huf in der Bewegung unangenehm mit meinem Knöchel kollidierte. Ein leichter Schmerz schoss wie ein Blitz durch den Knochen und ließ mich leise fluchen.
      “Alles in Ordnung?“, fragte Niklas, von den mehr als eindeutig ausfälligen Worten in Besorgnis versetzt.
      „Ja“, presste ich zwischen den Zähnen hervor, „geht schon wieder.“ Ebenso schnell, wie es gekommen war, ebbte das Stechen ab, ließ nur ein schwaches Pochen zurück. Das würde, trotz der dicken Winterstiefel, ein hübsches Andenken geben. Leicht lädiert setzte ich die letzten Meter zum Putzplatz fort, wobei Ivy ein wenig besser darauf achtete, was seine Füße taten.
      „Du bist dir sicher, dass ich mir den Fuß nicht anschauen soll?“, hakte mein Freund nach und nahm, noch bevor ich überhaupt die Gelegenheit dazu hatte, den Sattel von Divines Rücken und hängte ihn auf einen der Halter.
      “Ja, ich werde es knapp überleben”, nickte ich und löste das Leder vom Kopf des Pferdes.
      “Da habe ich aber Glück gehabt”, schmunzelte Niklas und legte seine Hände an meine Taille. Unter seiner zärtlichen Geste verdichte sich der wabernde Nebel in meinem Inneren und verdeckte all die Sorgen, die wie kleinen Dämonen mit ihren glühenden Augen am Rande lauerten.
      “Und ich kann mich glücklich schätzen, dass du mir jetzt sicher verraten willst, ob du das ernst meintest, was du eben über Ivy sagtest”, blickte ich ihn fragend an. Meine Hände machten sich derweil selbstständig auf den Weg über seine Brust, die er mal wieder mit kaum mehr verhüllte als mit einem Shirt und einer leichten Jacke darüber.
      “Natürlich, Engelchen”, sprach er und zog mich noch ein Stück weiter an ihn heran, “Von dem, was ich bisher gesehen habe, schätze ich dein Kleiner bringt L bis M Potenzial mit, vielleicht auch mehr. Und was dich angeht, du solltest dich öfter aus deiner Komfortzone hervorwagen und der Welt deine Fähigkeiten zeigen. Versteckt dich nicht, nur weil dir keiner deine Fähigkeiten auf einem Blatt Papier bescheinigt hat.” Es erfüllte mich mit Stolz, wie er über mein Pferd sprach, auch wenn ich kein Stück weit zu seiner Veranlagung beigetragen hatte. Noch viel mehr wurde mein Herz erwärmt von seinen letzten Worten. Nur selten sprach jemand so deutlich aus, dass er an mich glaubte.
      “Du meinst also, ich sollte auf Turnieren reiten?”, blickte ich fragend zu ihm hoch.
      “Oder du musst mehr Weihnachtsfeiern organisieren”, feixte er und ein Funkeln trat in seine strahlenden Augen.
      “Hör auf mich auf den Arm nehmen zu wollen“, beschwerte ich mich und wollte ihn von mir schieben, doch das ließ ihn unbeeindruckt. Stattdessen grinste er frech, beteuerte seine Unschuld und machte nicht mal Anstalten seinen Griff zu lockern.
      “Ich will euch zwei Schnukis ja nicht den Spaß verderben, aber Lina, dein Pferd hat noch Bandagen daran und sicherlich möchte er auch die Zöpfchen loswerden”, unterbrach Samu just in dem Augenblick. Meine Augen schielten zu Lego, der brummelte und die Nase bereits nach den Plastikschüsseln in den Händen des Finnen ausgestreckte. Bandagen trug der Rappe nicht mehr, aber bezüglich der Frisur war er auch noch nicht weiter. Allerdings zeugte die Schere, die aus seiner Gesäßtasche ragte, davon, dass er das nun ändern wollte. Beiden Hengste stellte er eine Schüssel mit Futter vor die Nase, die auch augenblicklich inspiziert wurde.
      “Na gut, seist du freigesprochen”, säuselte ich an meinem Freund gewandt, “aber nur weil das Einhörnchen ins Bett möchte.”

      Etwas später in der Hütte

      Der Moment, wenn man die Dusche ausstellte und die vergleichsweise kühle Luft einem über die Haut strich, war ausnahmslos der unangenehmste Teil dieses Prozesses. So ergriff ich unverzüglich eines der Handtücher von der Halterung neben der Dusche und hüllte meinem Körper in den weichen Stoff. Angenehm warm empfing der Boden meine Füße und ich tapste hinüber zu dem beschlagenem Spiegel, griff nach der Bürste und begann das wirr war auf meinem Kopf zu ordnen.
      “Ich dachte, du wirst da drinnen noch zum Fisch”, feixte Niklas, als ich zwanzig Minuten später die Tür zum Wohnzimmer öffnete. Seine Worte wurden begleitet von einem gleichmäßigen Klackern, was ich im ersten Moment nicht ganz einzuordnen wusste.
      “Ein Fisch in der Dusche? Das wäre aber unpraktisch, ist doch viel zu wenig Wasser drin”, lachte ich und trat um die Ecke herum. Der Herr stand an der kleinen Küchenzeile und schnippelte geschäftig etwas.
      “Dann ist es ja gut, dass du dich nicht verwandelt hast”, grinste er, zerschnippelte weiter die Tomaten auf seinem Schneidebrett. In einer Pfanne auf dem Herd brutzelte bereits etwas vor sich hin, was ich als Omelett identifizierte. Ungeduldig, wie ich war, wollte etwas von dem Gemüse aus der Schüssel stibitzen, da hatte er schon mein Handgelenk umfasst. Warum musste er denn auch so hervorragende Reflexe haben?
      “Nicht so ungeduldig, Madame, hier wird nichts geklaut”, mahnte er mich.
      “Aber das sieht so lecker aus”, jammerte ich und befreite meinen Arm aus seinem Griff, ” und ich habe Hunger.”
      “Es ist doch gleich fertig, Engelchen”, schmunzelte er vollkommen ungerührt von meinem Einwand. Stattdessen widmete er sich seiner Pfanne, wendete den Inhalt und holte schließlich sogar ein weiteres der metallen Behälter aus dem Schrank.
      “Ich hoffe doch stark, mit gleich meinst du nicht erst in zwanzig Minuten, denn bis dahin bin ich bestimmt verhungert”, hielt ich ihm vor, verzog mich aber dennoch auf die Couch. Huch, was war denn das dort? Auf dem kleinen Tischchen, neben dem Sitzmöbel, stand ein rechteckiger Karton, sorgfältig eingeschlagen in blaues Geschenkpapier, welches mit bunten Sternchen und kleinen Einhörnern mit grüner Mähne bedruckt war. Doch das Auffälligste daran war die große pinke Schleife, die obendrauf thronte. Neugierig inspizierte ich das Geschenk. In der linken oberen Ecke klebte ein kleines Schild, worauf unverkennbar in Vriskas Handschrift mein Name stand. Aber wie war es hier nur plötzlich hingekommen? Auf dem Weg ins Bad war ich dort, doch bereits vorbeigekommen und ich hätte schwören können, es wäre noch nicht dort gewesen.
      “Schatz, stand das hier schon die ganz Zeit?”, fragte ich voller Verwunderung meinen Freund.
      “Ja, hast du es vorhin nicht bemerkt?”, stellte er eine eher rhetorische Gegenfrage und widmete sich wieder dem Herd. Den Indizien nach konnte der Karton nur von meiner Mitbewohnerin stammen. Mit Neugierde, die weiterhin anstieg, kamen allerdings auch die Gefühle wieder hervor, die an den Rand gedrängt worden waren. Unentschlossen starrte ich das Päckchen an. Angesicht der Lage konnte ich nicht einordnen, ob dies ein Geschenk aus Höflichkeit sei oder ob eine ernsthafte Motivation dahintersteckte. Ebenso war die Gefühlslage Vriska betreffend noch immer ungeklärt. Mir fielen ungefähr ähnlich viel pro wie kontra Argumente ein, doch letzten Endes siegte die Neugierde. Wissbegierig hob ich den Karton an und schüttelte leicht. Kein Mucks drang daraus, auch war er von geringem Gewicht, was dafürsprach, dass sich etwas Weiches darin befinden musste. Zaghaft zupfte ich am Ende der Schleife, die sich daraufhin löste und auseinander glitt. Sorgsam löste ich den Klebefilm an den Seiten, wickelte den Karton aus. Heller, blau-grauer Stoff kam unter der Pappe zum Vorschein. Eingefasst war die Schabracke in einem zarten Grün, doch der wirkliche Hingucker, war der Aufdruck. Im rechten Drittel prangte ein stilisiertes weißes Einhorn mit einem Regenbogen, als Hula-Hoop-Reifen. Neben der Schabracke lag auch eine kleine Karte in dem Karton. Neben ein paar freundlichen Weihnachtsgrüßen waren nur wenige Worte darauf geschrieben, aber aus diesen konnte ich entnehmen, dass die Schabracke ein wahres Unikat war. Beeindruckt strich ich über den gesteppten Stoff, dass Vriska Trensen bastelte, war mir bereits bekannt, aber dass sie ebenso wunderschöne Schabracken zustande brachte, war etwas Neues. Sie hatte wahrhaftig ein Talent für das Gestalten und herstellen solcher Dinge. Es war ein wundervolles Geschenk, doch es änderte nur geringfügig etwas an meine Gefühlslage. Samu sagte bereits, dass es wohl eine Weile benötige, bis die negative Assoziation verschwinden würde. Doch im gleichen Zug ermutigte er mich dazu, Vriska die Chance zu lassen, zu zeigen, dass dies Vergangenheit war und bleiben würde. Glücklicherweise akzeptierte sie, dass ich vorübergehend etwas Freiraum benötigte und verschwand zu Lars.
      “Lina, kommst du, Essen ist fertig”, forderte mich Niklas auf und stellte zwei Teller auf den Tisch. Ich ließ den Deckel wieder auf die Schachtel sinken und lief hinüber zum Esstisch.
      “Das sieht wie immer hervorragend aus”, sprach ich ein Lob aus und nahm den bunten Teller genauer in Augenschein. Auf einem Omelett breite sich eine Vielfalt an Gemüse aus, mit einigen leicht angeschmolzenen Stücken Feta durchmischt.
      “Von wem war nun das wundersame Päckchen?”, fragte mein Freund interessiert nach.
      “Vriska, eine Schabracke”, antworte ich nur knapp. Dies war kein Thema, was ich heute weiter ausweiten wollte. Er nickte nur und steckte sich einen großen Bissen in den Mund. Ich tat es ihm gleich, verbrannte mir beinahe die Zunge an einer heißen Tomate, aber abgesehen davon, schmeckte es so lecker, wie es aussah.
      “Anderes Thema”, fing ich an, “wie ist dein wundersamer Hengst, ist er auch so temperamentvoll wie Smoothie?” Es interessierte mich ernsthaft, ob die Andersartigkeit in den Genen lag oder womöglich doch etwas war, was ein Alleinstellungsmerkmal der Schimmelstute war.
      “Ähnlich auf jeden Fall, aber ziemlich verzogen”, umschrieb ihn knapp. Ein wenig mehr Informationen hatte ich mir schon erhofft, aber offensichtlich war es kein Gesprächsthema, welches ihm recht war.
      “Klingt nach einer Herausforderung”, lächelte ich freundlich, hielt mich aber mit weiteren Fragen zurück. Der weitere Verlauf des Gespräches handelte eher von alltäglichen Dingen, wie beispielsweise, dass Caja mich früher oder später noch in den Wahnsinn trieb. Mal hatte die ängstliche Stute einen guten Tag und machte riesige Fortschritte und dann folgten meist viele Tage, in denen das Training rückläufig war. So hatte ich aufgehört, die blauen Flecken zu zählen, wenn sie mit ihren Zähnen mal wieder schneller war als ich.
      Nach Beendigung der Mahlzeit sammelte ich das Geschirr ein, brachte es direkt zur Spüle und ließ sogar Wasser hinein. Schließlich konnte ich nicht immer so ein Chaos wie am geistigen Abend hinterlassen. Niklas war dabei nur wenig hilfreich, denn anstatt abzutrocknen begnügte er sich damit mich zu beobachten.
      “Wartest du noch auf eine schriftliche Einladung?”, versuchte ich es mit einer letzten Aufforderung, die allerdings eher wirkungslos schien.
      “Nein”, grinste er verschmitzt und trat heran, um mir die Arme um den Körper zu schlingen, “eher auf den Nachtisch.” Zärtlich strichen seine Hände über meinen Körper, erweckten das schlummernde Feuer in meinem Inneren.
      “Nicht so eilig”, sprach ich bestimmt und löste seine Hände von mir, “ich habe vorher noch etwas anderes für dich.” Interessiert blickte er mich an: “Wirklich, was denn?”
      “Na, wir haben Weihnachten. Hast du das schon vergessen?”, scherzte ich und lief zu meinem Zimmer.
      “Natürlich nicht”, hörte ich Niklas noch sagen, bevor ich in den Raum trat. Zielstrebig lief ich zu dem Regal, wo ich den Umschlag hinter ein paar Bücher versteckt hatte und holte selbigen hervor. Golden schimmerten die Verzierungen, mit denen ich zumindest versucht hatte, den eher weniger hübschen Umschlag ansehnlich zu gestalten. Mit einem breiten Grinsen kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, wo Niklas es sich auf der Couch bequem gemacht hatte. Ich tat es ihm gleich und überreichte ihm den Umschlag erfreut: “Frohe Weihnachten, Niklas.” Begierig beobachtete ich, wie er den Umschlag geschickt öffnete und einen ersten Blick hineinwarf.
      “Was genau soll ich mit einem Haufen Papier?”, fragte er irritiert und zog die Blätter hervor.
      “Das ist nicht nur Papier”, begann ich zu erklären, “Das ist die Einwilligungserklärung und die nötigen Informationen zu einer Studie zu einer neuartigen, aber sehr Erfolg versprechenden Therapiemethode bei belastungsbedingter Arthrose und Spat. Du müsstest nur noch unterschreiben und dann könnte Smoothie ein Teil der Studie sein, sie ist eine perfekte Kandidatin.”

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 61.743 Zeichen
      zeitliche Einordnung {25. Dezember 2020}
    • Mohikanerin
      Rennen E zu A | 12. Juli 2022

      Drivblesa / Trotaholic / Just A Bear

      “Wir fahren mit Bear nach Kalmar, weil er dort drei Stuten decken soll. Kommst du mit?”, fragte mich Nour, als ich Drivblesa zurückbrachte. Sie hatte mir die Stute heute überlassen, was eine ziemlich große Ehre darstellte. Meine Kollegin gab ungern ihre Trainingspferde ab, aber sie wollte, dass ich Erfahrungen sammle. Blessa wechselte binnen Sekunden ihre Stimmung. Wenn man nicht aufmerksam den Blick auf das Pferd und Umgebung hatte, sprang sie panisch zur Seite oder riss einem die Leinen aus der Hand. Dennoch begriff ich schnell, wie ich mit der Fuchsstute umging. Leckerlis waren ebenfalls eine Hilfe.
      “Was soll ich da?”, hakte ich nach und bürstete währenddessen das Gurtzeug ab, das von Matsch Sprenkeln übersät war. Ich sah nicht besser aus, aber mit dem nächsten Pferd, wäre alles wie zuvor.
      “Manchmal bist du wirklich schwer von Begriff. Was sollst du da wohl?”, grinste sie und nahm mir die Bürste weg.
      Ich seufzte.
      “Sag’ es mir, ich habe keine Ahnung”, zuckte ich mit den Schultern.
      “Man! Du bist blöd”, stöhnte Nour sich auf der Stelle drehend, “Basti, natürlich.”
      In meiner Brust legte sich eine Schwere ab, die mich fesselte und erdrückte. Noch immer war seine bloße Anwesenheit schwierig, da auch noch sinnlos herumstehen, würde es nicht besser machen.
      „Du musst nicht“, lief Nour schließlich los nach minutenlangen Schweigen.
      „Warte“, säuselte ich unentschlossen. Freudig drehte sie sich um.
      „Ich wusste es“, triumphierte sie und half dabei Blessas Zeug aus dem Weg zu räumen. Zeitgleich packte Bruno den Hengst ein und hängte einen Sulky an. Vorher sollte dieser noch einen Heat fahren, ein Wunsch der Stutenbesitzer.
      Schließlich in Kalmar angekommen, putzte ich Bear, während die anderen Beiden ein Gespräch führten. Ich bekam davon nicht viel mit, nur, dass Basti plötzlich mit einem hübschen Rappen am Stall vorbeikam. Er bemerkte mich nicht, umso mehr Sicherheit legte sich auf meine Brust. Von meiner Position sah man die Bahn und immer wieder huschte mein Blick zu ihm. Der Hengst Ole war ungezügelt, beinah verspielt. Er biss in die Leine und versuchte diese in der Luft zu wirbeln, aber sein Fahrer hatte ihn fest im Griff. Verärgert zog er am Gebiss.
      “Vriska, kommst du bitte?”, sagte Bruno. Ich löste die Stricke und führte Bear heraus. Der Trainer trug bereits seinen Helm, um den Hengst zu zeigen. Sie wollten auf die Bahn, was erneutes Herzrasen auslöste.
      Mir wurde schlecht.
      Wir standen am Geläuf. Nour säuselte offen über den hellen Hengst, der mit keuchenden Geräuschen über die Bahn fegte. Viel mehr bekam ich nicht mit. Zu sehr vertiefte ich mich in den Rappen, oder eher Basti, der versuchte das Pferd in seine Schranken zu weisen. Es gelang ihm eher schlecht als recht. Jedes Mal, wenn Bear an dem Paar vorbeikam, legte auch Ole an Tempo zu. Was sein Fahrer davon hielt, interessierte das junge Pferd nur wenig. Er wollte sich mit seinem Artgenossen messen. Kopf an Kopf zogen sie über den Sand. Der Bauch schon vollkommen bedeckt mit Matsch, die Sulkys ebenfalls eine reine Schlammschlacht. Ich hoffte inständig, im Boden zu versinken, als alle bei uns hielten. Den Blickte senkte ich sogleich zu Boden. Hatte er mich bemerkt? War ich zu offensiv? Tausende Fragen durchlöcherten meine Gedanken und plötzlich schienen die Pferde, als Grund meiner Anwesenheit, so marginal.
      Einer der Stutenbesitzer klopfte Bears Hals, der mit pulsierenden Nüstern vor uns stand. Auch Ole, der Rapphengst, atmete schnell.
      “Ein Prachtstück”, murmelte der Mann, “der passt gut zu meiner Stute. Ihr fehlt es an Anmut.”
      Schlagartig drehte es sich in mir. Diese Oberflächlichkeit in der Zucht widerte mich an. Obwohl, ich wählte auch meine Pferde anhand ihrer Niedlichkeit aus, aber ich fand alle niedlich. Deshalb züchtete ich nicht. Anklang mit einem Fohlen von Humbria, auch als mögliche Geldanlage, fand ich in meinem Kopf trotzdem.
      „Wir sind auch sehr stolz“, gab Bruno zu verstehen, klopfte dabei Bears Po. Der Hengste zuckte zusammen.
      Basti versuchte währenddessen Ole von uns wegzubekommen, aber weder die ziehende Leine am Gebiss noch die Peitsche interessierten ihn dabei sonderlich. Mir gefiel das Bild so gar nicht und ohne groß darüber nachdenken, stieg ich durch den weißen Zaun auf die Bahn. Ich zupfte dem Rappen zart am Gebiss und er folgte mir. Einige Meter lief ich mit, ließ dann aber los. Weit kamen die zwei nicht, denn der Hengst drehte sich unbeeindruckt wieder mit dem Sulky und trottete zurück. In Bastis Gesicht zeichnete sich klare Verärgerung. Nach Hilfe fragen, wirkte allerdings ebenso unmöglich, wie das Pferd von der Gruppe zu lösen. Ole hatte ein dickes Fell. Wer weiß, was das arme Tier schon alles ertragen musste, auch wenn es mir kaum vorstellbar, dass Basti ein schlechter Mensch war. In meinen Gedanken strahlte er wie ein Stern am Nachthimmel, durch nichts zu erschüttern und weist jedem den Weg. Nun musste ich sein Stern sein.
      „Komm‘ mein Kleiner“, flüsterte ich dem Pferd zu und zupfte ein weiteres Mal am Gebiss. Dem folgten wieder Meter, bis wir von der Gruppe entfernt waren. Gerade, als ich wieder zurücklaufen wollte, rief mir Basti zu: „Warte, kannst du noch ein Stück weiterlaufen?“
      Mit einem Lächeln, das ich versuchte zu unterbinden, kam ich die fehlenden Schritte zum Pferd und lief auf der linken Seite mit. Interessiert knabberte Ole an meiner Schulter, zwischendurch kam sogar die Zunge auf den Stoff. Das Pferd war niedlich, vielleicht sogar mehr mein Fall als Netflix. Bewirkte ihr Fahrer diese Wirkung, oder gefielen mir die Hengste wirklich? Gefangen in Gedanken versuchte ich eine Entscheidung zu treffen, aber ich fand keine.
      “Du bist schon wieder … du”, stellte Basti lachend fest.
      „Tut mir leid“, murmelte ich verschlossen. Er hielt den Hengst an, der wie von Zauberhand seinem Fahrer wieder Beachtung schenkte.
      „Geh besser wieder zu den Anderen. Ich sollte ihn im Griff haben.“ Stechen traf mich in der Brust. Nickend zog ich mich wie ein verletztes Tier zurück, blickte ihm dabei für einen Moment sehnsüchtig nach.
      „Hast du toll gemacht“, zischte ich mich selbst an und kam bei der Gruppe an. Sie hatten Bear bereit hinuntergeführt und Bruno war damit beschäftigt, ihn zu entkleiden. Nour erklärte mir den Vorgang, aber trat dabei aufgeregt auf der Stelle. Ihr Blick huschte zwischen Basti, auf dem Geläuf, und mir Hin und Her. Es plagte sie buchstäblich, nicht zu wissen, was gesprochen wurde. Der Inhalt war ohnehin belanglos, deshalb sah ich keinen Grund, überhaupt zu erwähnen. Aber ihre Aufregung platzte. Sie stellte tausende Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Glücklicherweise endete das alles, als Bear decken sollte an der Hand und wir dabei halfen.

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 6674 Zeichen
      zeitliche Einordnung {März 2021}
    • Mohikanerin
      Fahren E zu A / Dressurfahren | 12. August 2022

      Osvominae / Just a Bear / HMJ Holy / Schleudergang LDS / Hending / Raleigh

      „Wie groß ist die Halle?“, kam Lars auf einmal an, als ich gerade auf der Couch saß, meinen Kaffee zu einer neuen Serie genoss.
      „Dafür bist du extra hergekommen?“, wunderte ich mich an Stelle seine Frage zu beantworten.
      „Ja und nein“, sprach er in Rätseln.
      „Achtzig mal sechzig oder so“, antwortete ich schließlich.
      „Super, dann komm“, forderte er mich auf. Prüfend sah ich zur Uhr. Eigentlich musste ich erst in einer Stunde im Stall sein, aber mein Kollege war nicht aufzuhalten, also zog ich mir die Stallkleidung an und folgte ihm. In seinem Gesicht erkannt ich, dass er einen fiesen Plan verfolgte. In den Putzbuchten standen bereits Osvo und Bear, beide mit dem Gurt um, aber zusätzlich einem Brustblatt. Skeptisch sah ich zu ihm.
      „Jetzt sag endlich, was das hier soll“, wild fuchtelte ich vor den Pferden, die aufmerksam den Kopf hoben und uns beide beobachteten.
      „Wir fahren heute mal in der Halle“, lachte er und holte die Sulky.
      „Tyrell bringt uns um“, sagte ich trocken.
      „Nein, das ist besprochen.“
      Ich zuckte mit den Schultern und spannte den Rappen an. Lars widmete sich derweil seinem Hengst, der die Stute neben sich anbrummte. Sie kümmerte das nicht, wendete nur den Kopf zu mir.
      Wir liegen hinüber zum großen Eingang auf dem Sand, die Pferde ebenso verwirrt wie ich. Erst sträubte sich der Rappe neben mir, durch das Tor zu laufen, doch als Bear seinem Besitzer treu hinein folgte, kam auch sie mir nach. Ich führte sie zunächst eine Runde, um selbst zu sehen, wie sich der Sulky auf dem Sand verhielt, aber die breiten Räder, die Lars vor Tagen montiert hatte, eigneten sich auch für den Hallensand. Osvo stand ruhig, als ich auf den Sulky stieg und im langsamen Schritt ganze Bahn fuhr. Es fühlte sich seltsam an. Ich war noch nie im Bock hier. Die Perspektive, so dicht am Boden und der Blick nicht einmal über die Bande, wirkte einschüchternd. Selbst die Rappstute fühlte sich nicht ganz wohl in der Situation und winkelte den Schweif an.
      „Nimmt man nicht normalerweise vier Räder?“, fragte ich meinen Kollegen, als ich mich zunehmend sicherer fühlte.
      „Schon, aber haben wir das?“, grinste er. Bear lief in tiefster Entspannung voran. Der Hengste kannte wohl schon die seltsamen Ideen seines Besitzers oder hatte mehr Erfahrung dabei als Osvo.
      „Nicht, dass ich wüsste“, gab ich zu.
      „Siehst du. Außerdem funktioniert es doch auch so“, erklärte er. Mir war es noch schleierhaft, schließlich fehlte das Gelenk am Wagen, wodurch die Beweglichkeit eingeschränkt war. Doch irgendwie schafften wir es sogar einen Zirkel im Trab zu fahren. Immer wieder erklärte mir Lars, worauf ich zu achten hatte, bis wir schließlich nach einer Stunde aufhörten. Beide Pferde waren verschwitzt und genossen ihre Zeit unter dem Rotlicht.

      In den nächsten Tagen und Wochen trafen wir immer häufiger in der Halle zum gemeinsamen Fahren, besonders für Hending, die offenbar schon eingefahren war, stellte es eine gelungene Abwechslung zum bisherigen Ausreiten dar. Sie hatte Spaß am Sulky und zeigte sich stets motiviert, die einfachen Dressurlektionen umzusetzen. Auch Holy, die ich bisher nur an der Doppellonge hatte, kam ich voran, sodass sie in Begleitung des Fohlen auch schon das Gewicht vom Sulky kennenlernte und wir gemeinsam Spazierengehen. Lars hatte zur gleichen Zeit begonnen, Schleudergang einzufahren und an der Doppellonge zu arbeiten, sowie Raleigh, den wir im Beritt hatten. Doch das Kaltblut schüchterte sogar den gestandenen Mann ein, der dies aber ungern zugab. Seine Skepsis spürte ich dennoch, wenn wir am Morgen den Arbeitstag besprachen.

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 3573 Zeichen
      zeitliche Einordnung {April 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel tjugonio | 07. September 2022

      Maxou / Northumbria / Wunderkind / Moonwalker LDS / WHC’ Golden Duskk / Planetenfrost LDS / Global Vision / Satz des Pythagoras / Pay My Netflix / Osvominae / Just A Bear

      Lina
      Mit dröhnendem Schädel erwachte ich, als ein Vogel unmittelbar vor meinem Fenster sein schrilles Lied anstimmte. Mühsam öffnete ich die Augen, blinzelte in das Sonnenlicht, welches sich durch die Vorhänge zwängte. Gestern Abend mussten rege Mengen an Alkohol, denn alles in meinem Kopf war verschwommen, was den gestrigen Abend betraf und der Weg in mein Bett komplett verschwunden. Schwerfällig kugelte ich mich zur Seite und angelte mein Handy vom Nachttisch. Acht Uhr siebenundzwanzig leuchte auf dem Bildschirm. Darunter eine Benachrichtigung von der bekannten App mit dem Telefonhörer in der Sprechblase. Mein Freund hatte sich endlich auch mal bei mir gemeldet, teilte mit, dass er gegen zehn hier sein wollte. Ebenso entschuldigte er sich, dass er mir nicht antwortete, aber er habe ein wenig Abstand gebraucht. Wie ich Niklas Worte las, lichte sich der Dunst in meinem Kopf ein wenig. Relativ spät gestern Abend meldete er sich bei Vriska, erklärte sein absonderliches Verhalten ihr Gegenüber und erbat letztlich einen Rat von ihr. Einen solchen bekam er auch, allerdings wollte mein Kopf, die Worte, welche Nour auf mein Anraten schrieb, nicht freigeben.
      “Fuck”, murmelte ich, als mir dafür ganz andere Bilder in den Kopf kamen. Im Laufe des Abends hatte ich Mateos Annäherungsversuche nicht nur zugelassen, sondern war offenbar selbst offensiver geworden. Wäre Samu dabei gewesen, wäre spätestens das der Punkt gewesen, an dem er mir aus guten Gründen den Alkohol wegzunehmen pflegte. Hoffentlich hatte ich gestern nicht dummes getan. Verzweifelt versuchte ich den Dunst in meinem Kopf aufzulösen, doch das Einzige, was ich wahrnahm, war das schrille Gezwitscher von draußen. Warum mussten die Viecher denn so furchtbar laut sein.
      Langsam quälte ich mich aus dem Bett und tapste schnurstracks ins Badezimmer, wo ich zielsicher in den Medikamentenschrank griff. Aus dem Blister drückte ich eine der weißen Tabletten heraus, schluckte sie mir reichlich Wasser. Das sollte schnell gegen das Hämmern hinter meiner Stirn helfen. “Okay, Lina, denk nach”, murmelte ich zu meinem Spiegelbild und spritze mit etwas kaltes Wasser ins Gesicht, “Wenn du dich nicht erinnerst … “ Es dauerte wirklich lange, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Mateo könnte meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Diese Erkenntnis ließ meinen inneren Drang zu erfahren, was gestern Abend passiert, wieder aufleben. Eilig lief ich zurück in mein Zimmer, um mir schnell etwas überzuwerfen. Gerade als ich aus der Tür getreten war, hörte ich bereits Schritte, die sich näherten.
      “Ah, das Dornröschen ist bereits erwacht. Guten Morgen”, grüßte der Schweizer freundlich, nach dem ich mich gerade auf die Suche machen wollte. Doch er war nicht allein, denn Vriska lief an seiner Seite.
      “Guten Morgen”, entgegnete ich ein wenig irritiert, was die beiden vor meine Haustür brachte,” Was führt euch zu mir?” Es konnte schließlich nicht möglich sein, dass sie meine Gedanken lesen konnten. Oder waren Vriskas Hexenkräfte doch so weitreichend?
      “Ich wollte sehen, ob du mittlerweile lebendig bist, nachdem du vorhin nicht wach zu bekommen warst”, erklärte Mateo.
      “Nicht wach zu bekommen?”, wiederholte ich seine Worte. Hieß das etwa, er hatte bei mir geschlafen? Warum erinnerte ich mich daran nicht? “Warum wolltest du mich überhaupt wecken?” Kaum hatte ich die Frage ausgesprochen, kam sie mir auch gleich ein wenig doof vor.
      “Schon mal auf die Uhr gesehen?”, lachte er, “Die Pferde hatten Hunger und die Prinzessen hätten eigentlich füttern sollen, aber lass uns doch erst einmal hereingehen, bevor du weiter unnötige Fragen stellst.” Mit diesen Worten schob er mich zurück in die Hütte und auch Vriska trotte hinterher und ließ sich direkt auf einen Stuhl fallen.
      “Hast du schon gefrühstückt?”, fragte Mateo und war einen Blick in den Kühlschrank, als fühle er sich hier ganz wie zu Hause. Ich verneinte, woraufhin er die Kaffeemaschine einschaltete und begann verschiedene Dinge zusammenzusuchen. Früchte, Haferflocken, Joghurt.
      “Möchtest du auch etwas essen, Vriska? Dann mache ich für dich etwas extra”, bot er ihr zuvorkommend an.
      „Lieb gemeint, aber nein“, schüttelte sie den Kopf, „habe genug an mir.“ Dabei deutete Vriska auf ihre Beine, die noch immer dünn wie Streichholz waren, kein Vergleich zu Mateos Muskulatur.
      “Rede doch nicht immer so einen Quatsch. Du vollkommen in Ordnung, wie du bist”, tadelte ich sie. Es war immer wieder besorgniserregend, wie hart sie über sich selbst urteilte, obwohl es nicht mal einen wirklichen Grund dafür gab.
      „Lars hat gesagt, dass ich zugenommen habe, deswegen lasse ich Frühstück wieder weg“, murmelte sie in sich gekehrt und seltsam abwesend. Schon als beide ankamen, wirkte sie eine wandelnde Leiche und hing ebenso im Holzstuhl mit einem Arm über der Lehne, ihren Kopf darauf abgelegt.
      “Hat Lars noch mehr doofe Sachen gesagt oder was ist los mit dir, Vriskalein?”, versuchte ich ihr einfühlsam auf den Zahn zu fühlen.
      „Als er wiederkam, bin ich ihm aus unerklärlichen Gründen um den Hals gefallen und dann… es ging alles so schnell. Ich fühle mich schuldig und dreckig, obwohl wir nur das Bett noch teilen“, seufzte sie niedergeschlagen. Beinahe wäre mir herausgerutscht, dass sie im Gegensatz zu mir wenigstens wusste, wie ihr Abend endete, doch das wäre hier nur wenig zielführend und ehrlich gesagt, schämte ich mich dafür.
      “Dafür brauchst du dich nicht schuldig dafür fühlen. Gefühle und Bedürfnisse sind nicht immer logisch und es ist ja nicht so als hättest du Lars dazu genötigt”, versuchte ich sie aufzumuntern.
      „Es ist wegen Basti!“, jämmerlich zitterte Vriskas Stimme, wie die eines alten Schlosshundes.
      “Ach Süße, der Mann weiß gerade einmal so, dass du existierst. Es ist demnach ein wenig früh, sich Gedanken darum zu machen, was er davon hält, dass du auch noch etwas mit einem anderen hast”, versuchte ich ihr näherzubringen, dass es keinerlei Grund für ihr Empfinden gab. Wenn sich hier jemand schlecht fühlen musste, war das wohl eher ich, schließlich hatte ich, trotz meiner Beziehung, meine Finger nicht unter Kontrolle. Ein unangenehmes Drücken entstand in meinem Bauch, wenn ich daran dachte, dass ich Niklas betrogen haben könnte.
      „Dennoch fühlt es wie Verrat an. Aber immerhin ihr beide seid vernünftig geblieben“, seicht legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Unsicher schielte ich zu Mateo hinüber, versuchte eine Reaktion abzulesen. Entweder hatte der Kerl ein verdammt gutes Pokerface oder es war wirklich nicht viel passiert, denn er schnippelte fröhlich sein Obst, unterbrach nur kurz, um Vriska eine aromatisch duftende Tasse hinzustellen. Die Option, dass er nicht zugehört hatte, schloss ich kategorisch aus, da man keine zwei Meter mitbekommen musste, was gesprochen wurde.
      “Ja, genau”, nickte ich und versuchte meine Unwissenheit über diese Aussage zu überspielen, doch ich spürte, wie mein Puls ein wenig anstieg.
      „Wenn man nur sinnig entscheiden könnte, bei dem ganzen Testosteron“, warf Vriska mit Floskeln um sich, nur, um die verbrühte Zunge an der Luft zu kühlen.
      “Ja, wenn das nur so einfach wäre”, sprach ich zustimmend, denn Unrecht hatte sie nicht. Es gab Tage an denen wusste man nicht, wo einem der Kopf stand. Mateo hatte die Schüsseln mit dem Frühstück inzwischen fertig, stellte beide auf den Tisch.
      “Mädels, ich kann euch sagen, als Mann hat man es auch nicht so viel einfacher”, brachte er sich nun auch in die Konversation ein und setzte sich mit seinem Kaffee dazu. Interessiert beschaute ich den Inhalt meiner Schüssel. Aus den paar einfachen Zutaten hatte der Schweizer eine simple, aber recht ansehnliche Fruchtbowle gezaubert, einzig die Menge schien mir für ein zartes Persönchen wie mich ein wenig überdimensioniert.
      „Wer weiß das schon, ihr bleibt hinter verschlossenen Türen, als wären Gefühle eine unantastbare Sache“, zuckte Vriska mit den Schultern. Unter dem Tisch wippte unterdessen ihr Bein und die Finger zitterten an der Tasse. Um ihr ein Gefühl von Ruhe zu vermitteln und in der Hoffnung, dass sie die Bewegung unterließ, legte ich meine Hand auf ihr Knie. Ein Stillstand trat ein, doch hielt er nur für wenige Sekunden, bis das Wippen erneut begann.
      „Also so gefühlskalte Wesen sind wir nun auch wieder nicht“, versuchte der Schweizer sein Geschlecht zu verteidigen, „viele von uns sind nur … emotional unbeholfen.“
      „Von kalt war nie die Rede, sondern unantastbar, verschlossen“, merkte sie erneut an. Den Oberkörper drehte sie wieder weg, irgendwie war Vriska seltsam, verändert, aber zum Alten.
      “Ist sonst alles in Ordnung bei dir?”, probierte ich der Sache auf den Grund zu gehen, “du wirkst so unruhig heute.”
      „Es ist das schlechte Gewissen. Tut mir leid“, murmelte sie mir zu, wohl wissend, dass wir bereits darüber sprachen, seufzte Vriska laut und warf einen leidenden Blick über den Tisch. Ich war mir beinahe sicher, dass mehr bewegte, als sie offenbarte.
      “Schon okay”, entgegnete ich sanft, “Sag einfach, wenn man dir etwas Gutes tun kann.” So gerne würde ich etwas tun, dass sich Vriska nicht mehr so mies fühlte, doch es schien nicht leicht.
      „Erik hat mir vorhin geschrieben. Schon wieder“, kamen wir der Sache langsam näher. Es wirkte nachvollziehbarer, warum sie auf dem Sprung war, die Tür im Auge hatte und kaum stillsaß.
      „Er vermisst mich. Aber er soll einfach nur … sich in Luft auflösen“, erklärte Vriska im nächsten Atemzug, bevor ich spezifische Fragen stellen konnte. Mateo blickte fragend von dem Mobilgerät auf, dem er sich zwischenzeitlich widmete. Natürlich wusste er nicht, warum es ging, schließlich geschah das ganze Drama vor seiner Ankunft auf dem Hof. Doch jetzt war nicht die Zeit für Erklärungen.
      „Kann ich verstehen“, sagte ich zustimmend. Nach all dem, was sie durchmachte, war es zu gut nachzuvollziehen, dass sie sich das Ende seiner Existenz wünschte. Dass er gerade jetzt wieder auftauchte, wo sie begann nach vorzusehen und sich neu zu orientieren, brachte in ihrem Inneren sicher einiges durcheinander. Zumindest würde es mir so ergehen würde mein Ex plötzlich wieder auftauchen.
      „Aber warte … Schon wieder, seit wann schreibt er dir?“, fragte ich nach, als mein Kopf die Information vollständig zu erfassen begann.
      „Einmal die Woche kommt mal eine Nachricht, Anfang des Jahres habe ich auch noch geantwortet, aber mittlerweile …“, Vriska seufzte abermals und wühlte das Handy aus der Tasche, „nur über Bilder von Trymr freue ich mich.“ Sie zeigte mir den Chat, der sehr dominant von Nachrichten ihres Ex-Freundes war. Aber recht hatte sie, die Bilder waren niedlich. Zwischendrin gab es Antworten von ihr, wenn eine spezifische Frage gestellt wurde, oder ein ‚ich dich auch‘.
      „Du hängst noch an ihm, nicht?“, fragte ich vorsichtig. Es musste so sein, anders konnte ich mir nicht erklären, warum sie die Nachrichten nicht einfach ins Leere laufen ließ.
      “Er war, nein ist, ein toller Mensch, nur sollte er an seiner Offenheit arbeiten. Vermutlich kamen zu viele Sachen auf einmal, dass es nicht funktioniert hat”, schönte Vriska die Realität. Noch weitere Ansätze kamen, die alle darauf hinausliefen, dass sie das Problem war und Erik von nichts alle dem wollte.
      “Darf ich mich kurz einmischen?”, unterbrach Mateo den schier endlosen Schwall an Begründungen, der ihren Mund verließ, “Ich weiß zwar nicht, was genau zwischen euch vorgefallen ist, aber Vriska, wenn eine Beziehung nicht funktioniert, gehören immer zwei dazu. Mach’ dich nicht selbst schlecht, indem du all die Schuld auf dich nimmst.”
      “Mh?”, brummte sie überrascht, als hätte sie nicht damit gerechnet, dass jemand sie unterbrechen würde. Ihre Stimmung ungewöhnlich versöhnlich. “Ach, ich bin nun mal so.”
      “Ja und du bist gut, wie du bist. Auch wenn du manchmal herausfordernd und anstrengend sein magst, aber ganz ehrlich, eine bessere Freundin als dich könnte ich mir kaum wünschen,” sprach ich, obwohl es dem Gespräch vermutlich nur wenig zuträglich war. Doch der Drang überkam mich, die Worte auszusprechen, die Vriska lang schon einmal hätte, hören müssen. Auffällig langsam beugte sie sich zu Mateo hinüber, ohne die Augen meinen zu lösen.
      „Hast du etwas in ihr Essen gemischt? So kenne ich sie gar nicht“, murmelte sie ihm zu.
      “Nein, weder Zucker noch Zaubermittel”, schüttelte dieser nur lachend den blonden Schopf. Verdrießlich rollte ich mit den Augen und stopfte mir einen beladenen Löffel in den Mund. Wirklich schön, wie solche Worte hier wertgeschätzt wurden.
      „Nun gut“, richtete Vriska sich wieder an mich, „ich könnte dir mindestens drei Gründe nennen, wieso man mich nicht als Freundin haben sollte, aber gut. So sei es.“
      Sie erhob sich aus dem Stuhl und tigerte um die Couch, als würde sie etwas suchen. Unter jedem Schritt knarrten die Dielen, die Haare schwangen locker von einer Seite zur anderen. Auch mit den Armen spielte sie, nur um uns zu zeigen, dass wir uns beeilen sollten.
      „Imitierst du eine Koralle oder was wird das?“, scherzte ich. Obwohl ich nach gerade einmal der Hälfte der Schüssel beinahe satt war, sah ich nur wenig ein, warum ich schneller machen sollte ohne einen ersichtlichen Grund.
      „Nein, es ist nur komisch hier zu sein. Vor allem, wenn du nachts auch noch anderen Männerbesuch hast“, merkte sie trocken an und schielte zu Mateo. Während ich versuchte Vriska aufzumuntern, hatte ich beinahe vergessen, dass neuen ursprünglichen Mission etwas anderem galt und begann heftig zu husten bei der plötzlichen Erwähnung dieses Sachverhaltes, weil ich aus Versehen einige Haferflocken einatmete.
      „Nicht ablenken!“, lachte Vriska.
      „Tu ich nicht“, japste ich nach Luft und nahm einen großen Schluck aus dem Wasserglas, welches Mateo mir anreichte. Vriska blickte mich die ganz Zeit dabei an, wie ein hungriges Krokodil, welches seine Beute ausspähte. Ich seufzte, sie würde nicht aufgeben, bevor sie nicht wenigstens ansatzweise erfuhr, was gestern geschah.
      „Also was das angeht, muss ich gestehen …, dass mir möglicherweise … entfallen ist, was gestern noch so passierte“, murmelte ich undeutlich und spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Noch peinlicher, dass gestern überhaupt etwas passierte war, dass ich es vergaß.
      „Dabei kann ich dir wohl aushelfen“, grinste Mateo und blickte mich unmittelbar an, mit seinen geheimnisvollen Augen.
      „Maaateo, jetzt sag schon“, jammerte ich. Es war mir noch nie passiert, dass ich so vollständig eine Nacht vergaß wie diese, denn normalerweise fehlten mir, wenn, nur wenig Minuten.
      „Sicher, dass du das nicht deiner Fantasie überlassen willst?“, schmunzelte er und schien seine Überlegenheit regelrecht zu genießen.
      „Ja, weil meine Fantasie sagt, dass ich ein ganz schrecklicher Mensch bin“, beklagte ich, als der Knoten in meinem Bauch zurückkehrte. Was, wenn ich wirklich mit Mateo geschlafen hatte? Wie sollte ich das nur meinem Freund erklären? Und was wäre … Nein, an die Konsequenzen wollte ich lieber gar nicht erst denken.
      “Süße, du kannst gleich aufhören, so ein Quatsch zu denken. Es ist gestern nämlich gar nichts passiert, weswegen du dir Sorgen machen müsstest”, sprach er, doch ich war noch nicht komplett beruhigt. Wer wusste schon, wie der Schweizer “nichts passiert” definierte.
      “Könntest du ein wenig konkreter werden?”, nuschelte ich. Es war bereits unangenehm genug mit Mateo darüber reden zu müssen, doch dass Vriska hoch interessiert am Sofa lehnte, brachte mein Blutdruck nicht gerade runter.
      “Soll Vriska gehen? Du siehst so danach aus”, fragte er rücksichtsvoll. Wenn ich richtig lag, hatte mein Kopf vermutlich die Farbe einer Tomate, doch ich schüttelte nur hektisch mit dem Kopf. Selbst wenn man Vriska hieraus bekommen würde, fragte sie sicher ohnehin noch einmal nach.
      “Na dann”, zuckte er nur mit den Schultern, “aber mach dir keine Sorge, die Klamotten sind angeblieben, die meisten zumindest.” Bei den letzten Worten zwinkerte er schelmisch. Was gestern passierte, schien demnach zumindest einem Spaß bereitet zu haben. Mateo erzählte weiter von dem Abend. Offenbar saßen wir alle noch eine ganze Weile in der Küche, bevor Vriska sich schließlich ins Bett verabschiedete und auch Nour ihr Hochgestimmt folgte. Unser beider Weg führte dann wohl hierher, genauer gesagt auf das Sofa, wo wir noch eine halbe Flasche Wein leerten, bis ich schließlich auf seinem Schoß einschlief.
      Mit seinen Worten blitzten verschwommen in meinem Gedächtnis auf. Seine Finger, die sanft über meine Haut strichen, Worte der süßen Verführung … und wow, was sich unter dem lockeren Pulli verbarg, konnte sich sehen lassen. Hör auf, du hast einen äußerst ansehnlichen Freund, bot ich mir selbst Einhalt, bevor mein Gedanken abdriftete.
      Ein Rest eines schlechten Gewissens verblieb, auch wenn eine gewisse körperliche Grenze nicht überschritten wurde. Mein Handeln war moralisch definitiv nicht einwandfrei und passte ebenso wenig in mein stark romantisiert Vorstellung vom Leben. In meine kleine Traumwelt gab es keinen Platz für Fehltritte. Doch ich musste immer wieder einsehen, dass die Realität so nicht funktionierte.

      Später im Stall
      Vriska
      Eigentlich wollte ich Eriks Nachrichten nicht lesen oder gar zu Herzen nehmen, aber Zuge meiner geistigen Umnachtung, fiel es mir schwer, überhaupt klar zu werden. Ich stand vor Maxous Box, hoch motiviert, die Ponystute herauszuholen an der Doppellonge etwas zu tun, doch da setzte mir Lars einen Strich durch die Rechnung.
      „Wunderkind müsste noch bewegt werden“, sagte er mir, die Stimme gereizt und der Gesichtsausdruck kühl. Vor knapp einer Stunde war noch alles okay, wie konnte er derart verärgert sein?
      „Aber wollte Nour …“, meinen Satz durfte ich nicht zu Ende sprechen, denn er unterbrach mich sogleich, „die jammert wieder wegen ihres Arms und sitzt auf der Couch. Papa hat auch keine Lust. Also sagst du mir nicht auch noch ab.“
      „Natürlich bewege ich ihn, kein Problem, aber was hat dich denn gebissen?“, versuchte ich ihn zu besänftigen.
      „Es nervt einfach“, seufzte Lars und ließ sich laut auf die Bank hinter sich fallen. Die Augen sprachen mehr als Worte. Beinah geblendet von dem anziehenden Grünton, bemerkte ich seine Enttäuschung und quälende Gedanken.
      „Was nervt dich denn?“, fragte ich, setzte mich schließlich zu ihm.
      „Danke, dass du fragst. Ganz ehrlich“, liebevoll legte sich ein zartes Lächeln auf seine Lippen, während Lars einen Arm um meine Schultern legte und mich zu sich heranzog. „Es ist ziemlich viel zu tun und es gibt Interessenten aus Amerika an ihm. Die wollen jedoch aktuelle Rennergebnisse und Wunder lief zuletzt im Oktober. Nour weigert sich mehr als ein Rennen zu fahren, sieht es auch nicht ein, dass Walker am Sonntag zu Hause bleibt. Ich habe bereits Vision, Plano, Dustin und Eifellust. Natürlich könntest du ihn fahren, aber ich weiß nicht, ob du das nötige Etwas herauskitzeln kannst aus ihm.“
      „Und wenn du es mir zeigst? Wir müssen doch erst morgen die Nennungen einreichen“, schlug ich vor. Nachdenklich nickte er langsam.
      „Aber dann müsstest du mit Humbria noch warten, denn es gibt nur ein Amateurrennen“, erklärte er dann. Darüber hatte ich bis dato nicht nachgedacht, aber klar, zerteilen in einem Rennen konnte ich mich nicht.
      „Das wird ihr sicher guttun, eine Woche zu warten“, stimmte ich wohl wissend zu, dass es für die Stute keinen Unterschied machen würde, an welchem Wochenende ihr erstes Rennen sein würde.
      „Du weißt, dass es dann in Visby wäre, und bisher hatten wir nicht eingeplant, dass du mit auf die Insel kommst“, kam Lars nächste Hiobsbotschaft.
      „Nun gut, dann“, unentschlossen überlegte ich, bevor ich weitersprach, „dann muss ich wohl neue Orte kennenlernen.“ Natürlich kam mir direkt in den Sinn, dass Basti auch da sein würde und ich keine zwei Wochen auf ein Wiedersehen hoffen musste. Somit strahlte auch ich.
      „Das ist toll, wirklich. Dann holte ich mir Vision und du machst Wunder fertig“, sagte Lars beim Aufstehen. Während er sich ein Halfter holte, führte ich den Schecken bereits aus der Box.
      „Du kommst vielleicht nach Amerika“, erklärte ich dem neugierigen Hengst, der interessiert an meiner Hosentasche zupfte, in der mein Handy sich in Form herausdrückte. Besonders die abgerundeten Ecken schienen ihn nicht loszulassen. Erst als ich seicht wegschob, hörte er auf, mit der Oberlippe mich schmutzig zu machen. Ich putzte ihn dann und war noch lange vor meinem Kollegen fertig, der erst ankam, als ich schon den Schecken gegurtet hatte und getrenst. Wunderkinds Ohren stellten sich auf, als Vision ihn interessiert musterte. Es folgte ein Quietschen und Schlag gegen die Brust. Der Kaltblut-Verschnitt wirkte nicht sonderlich begeistert von dem Schecken. Lars zog ihn ein Stück zurück, denn Verletzungen kurz vor dem nächsten Rennen, waren vermeidbar.
      Zusammen fuhren wir vom Hof. Die Sonne kitzelte sich durch die dichte Wolkendecke und leichtes Lüftchen wehte mir kalt ins Gesicht. Ich hätte meine Maske aufsetzen sollen, dachte insgeheim und sortierte die Leine neu, auf der ich saß.
      „Er muss motiviert werden und locker angefahren werden, sonst zeigt Pass“, erklärte Lars, als wir auf der Bahn ankamen. „Auch im Schritt solltest du ihn lieber etwas zu lang halten.“
      „Verstanden“, sagte ich und ließ etwas vom Leder ab. Wunderkind begann sich mehr zu strecken und wölbte dabei den Hals, auch seine Schritte verlängerten sich.
      „So ist schön“, grinste er neben mir. Vision warf immer wieder prüfend einen Blick zu dem Schecken und schlug dabei nervös mit dem Schweif. Aber Wunderkind nahm diese Manieren hin, ohne sich beirren zu lassen. Im ersten Trab gab Lars mir noch weitere Tipps, dazu zählte auch, besonders sanft an der Leine zu sein, jede noch zu harte Parade könnte den Hengst in den Pass umstellen, deshalb fuhr ich ihn ohne Peitsche. Einzig die Stimme blieb mir zum Treiben, auf die Wunder sehr fein reagierte. Nach der dritten Kurve legten wir im Tempo zu, dass ein Gefühl für ihn bekam. Natürlich rutschte er mir einige Male in den Pass, aber nach dem Zurückholen und neu Antraben kam die Wunschgangart wieder. Mein Kollege setzte sich vor uns, damit jeder für sich in Ruhe trainieren konnte. Der Braune an seinem Wagen brachte viel Potenzial mit, diskutierte dauerhaft, doch Lars war hartnäckig.
      Mit beiden Pferden kamen wir verschwitzt auf den Hof zurück. Zu meiner Enttäuschung stand gerade Niklas mit Smoothie in der Putzgasse und schielte leicht zu mir. Höflich begrüßte Lars ihn, aber bekam keine Rückmeldung. Stattdessen drehte sich Hulk zu seiner Stute. Kaum erblickte Vision die weibliche Gleichgesinnte hob der Hengst erregt den Kopf und prustete aufgebracht mit weiten Nüstern. Leicht tänzelte er auf der Stelle, doch Lars zog ihn am Gebissring neben sich her. Auch Smoothie reagierte auf den Flirt mit zutraulichem Brummen, streckte dabei den Kopf neugierig nach vorn. Niklas drückte sie unsanft weg.
      „In deinem Umfeld darf wohl niemand soziale Kontakte haben“, merkte mein Kollege unberührt an. Erst jetzt drehte sich Linas Freund zu ihm, die Augen leicht zusammengedrückt und tiefe Falten bildeten sich. Er schnappte einmal nach Luft, als ich ihm ein Zeichen gab, einfach die Klappe zu halten. Doch das Prinzesschen dachte gar nicht daran.
      „Immerhin jage ich kein Pferd auf der Rennbahn in den Tod“, zischte er boshaft.
      „Genau, weil dein komischer Sport auch so viel gesünder für die Gelenke ist, wie man sieht“, lachte Lars daraufhin nur, sichtlich überlegen fühlend.
      „Männer, es reicht“, mischte ich mich schließlich ein, wurde damit, aber das möchte Opfer Niklas‘.
      „Du bist am besten ganz ruhig. Dein Scherbenhaufen kann niemand ertragen, also geh‘ endlich.“ Die Worte trafen mich mit roher Gewalt und in meiner Magenregion fühlte es sich ebenso an, als hätte er mich eine Klippe hinunter geschubst.
      „Niklas, am besten gehst du, wenn du mit uns allen ein Problem hast“, kam Lars zurück, nachdem er den Hengst an die Stricke gelegt hatte, „im Gegensatz zu dir, arbeiten wir hier. Niemand zwingt dich, auf dem Gestüt dein Pferd unterzustellen. Außerdem“, nun warf einen prüfenden Blick zu mir, „solltest du nicht so hart über ihr Leben urteilen, wenn deins nicht so viel besser ist.“
      In Niklas‘ Augen erkannte man, dass er nachdachte und sich dessen bewusstwurde, was mein Kollege versuchte ihm klarzumachen. Mit Schweigen ging er dem Gespräch aus dem Weg. Ich stand währenddessen wie gelähmt neben Wunderkind, der sich den Kopf an einem Holzbalken scheuerte.
      „Vivi, komm‘“, Lars legte sein Arm auf meine Schultern, „lass uns Wunderkind wegbringen, damit du noch Maxou und Osvo reiten kannst.“

      Gesagt, getan. Ich löste mich aus der Starrte und zusammen legten wir alles von dem Schecken ab. So lange wartete Vision in der anderen Putzbucht. Erst als ich Maxou zurückkam, begann Lars den Braunen alles abzunehmen und zufüttert. Giftig schielte meine Ponystute hinüber, nicht sonderlich begeistert von dem Hengst, der mit gleichen Flirt-Versuchen ankam, wie bei Smoothie. In aller Ruhe putze ich sie und kontrollierte alle Wehwehchen, die sie in der Zeit angesammelt hatte. Ihre Beule wurde schon besser, lediglich ihre Hufe bräuchten mal wieder einen Schmied. Die Hufwand war brüchig und an den Vorderhufen deutlich zu lang. Ich erinnerte mich daran, dass Lars die Pferde seines Vaters machte und warf einen prüfenden Blick zu Vision. Er stand neben dem Hengst am Handy und grinste schief.
      „Du? Hast du kurz Zeit?“, fragte ich.
      Lars senkte das Telefon und richtete den Kopf zu mir.
      „Klar“, er trat einige Schritte auf mich zu, „wie kann ich dir helfen?“
      Ich zeigte auf Maxous Hufe.
      „Könntest du grob was machen?“
      „Ja, lass mich nur Vision wegbringen und das Werkzeug holen“, antwortete er zustimmend und löste die Stricke. Mit großen Schritten traten sie an mir vorbei, ohne dass Maxou zuckte. Stattdessen versuchte sie mir aus der zu weiten Jacke ein Leckerchen zu klauen. Doch der Reißverschluss hinderte sie daran. Ihren Kopf drückte sie an meinem Rücken.
      „Kannst du aufhören zu betteln?“, die Stute hörte sofort auf, legte stattdessen sich auf meine Schulter, „danke.“ Der waren Atem aus ihren Nüstern kitzelte mich am Ohr und während wir auf die Rückkehr Lars‘ warteten, wagte ich einen Blick auf mein Handy. Einsamkeit überkam mich unmittelbar, als ich den leeren Sperrbildschirm betrachtete. Niemand wollte etwas, nur Basti lag verschwommen vor mir auf dem Bild vom Rennen mit Netflix. Zur Kontrolle, auch wenn ich wusste, dass ich nichts finden würde, öffnete ich eine Social-Media-Plattform nach der anderen. Aber bis auf einen Post von Nour fand ich nichts vom Renntag. Sie zeigte sich glücklich mit dem hellen Hengst, dazu im Karussell noch mehr Bilder von Walker und eins mit Lars. Da er noch außerhalb der Sichtweite war, klickte ich mich interessiert durch sein Profil – Natürlich präsentierte er sich so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Lauter Oberkörper freier Bilder strahlten mich vom Bildschirm an und keine Spur von einem Pferd, allerdings entdeckte zwei Storyhighlights, eine mit Rennbildern und die andere von seinem Hengst Bear. Viele davon waren schon vor Jahren online, andere recht neu, aber keins auf unserem Hof aufgenommen. Bevor ich annähernden Schritte hörte, war es bereits zu spät. Er stand mit einem breiten Lächeln neben mir.
      „Ach, doch noch Interesse?“, lachte Lars und stellte klirrend die Werkzeugkiste neben der Ponystute ab, die sofort drohend in die Luft schnappte.
      „Nur gucken, nicht anfassen“, sagte ich schelmisch und steckte das Handy weg.
      „Denkst du das wirklich, oder versuchst du, dein Verlangen zu unterdrücken?“
      „Wer weiß das schon“, ich machte einen Schritt von ihm weg, um Maxou fester zu binden. Die Stute mochte es nicht sonderlich, wenn an ihren Hufen gearbeitet wurde, aber reiten wollte ich sie so ungern. „Erfahren wirst du das nicht.“
      „Wir werden sehen“, stimmte Lars mit seinem Lachen mit ein. Dann nahm er die Raspel und entfernte größtenteils das eingerissene Horn. Ich beruhigte die Stute dabei am Kopf, tätschelte etwas unbeholfen ihren Hals und hielt mit der anderen Hand sie am Halfter. Sie war nur wenig dafür zu begeistern, versuchte lieber ihm den Huf wegzuziehen oder den Schweif in sein Gesicht zu schlagen. Von beidem ließ sich Lars nicht beeindrucken.
      „Hatte sie mal Hufrehe?“, fragte er nach. Dabei tastete er die ausgeprägten Ringe auf der Hufwand ab, die mir auch schon aufgefallen waren.
      „Ich weiß nicht so viel über Krankheitsgeschichte“, beantwortete ich oberflächlich.
      „Wie alt ist sie denn?“, informierte Lars sich weiter, während er sich dem nächsten Huf widmete.
      „Vierzehn wird sie dieses Jahr.“ Ich musste kurz durchrechnen, hatte aber noch im Kopf, dass sie zweitausendsieben geboren wurde, im Juni, wenn ich mich nicht irrte.
      „Dann hat Maxou noch einiges vor sich. Sie gehört dir, oder?“
      „Fast, also … halb. Erik gehört eine Hälfte und er hat sie auch bezahlt. Wer weiß, wie lange sie noch bei mir ist“, seufzte ich. Die Wände hatten Ohren, dementsprechend senkte ich meine Stimme. Niklas putzte noch immer sein Elitepferd, aber ich war fest davon überzeugt, dass er einzig und allein uns belauschte. Gerade, als ich diesen Gedanken bekam, führte er Smoothie, schwarz einbandagiert, an uns vorbei und sah abfällig zu mir. Nach der Nachricht mitten in der Nacht hatte ich eigentlich eine Veränderung seiner Art erhofft, aber offensichtlich entschied er sich dagegen, freundlich zu mir zu sein.
      „Viel Spaß“, wünschte ich ihm dennoch und bekam nur entrüstetes Schnauben als Antwort. Nun gut, sein Problem und nicht meins. Einen Moment später huschte auch Lina durch den Gang, begrüßte freundlich Lars und mich, um die Tribüne hinaufzuverschwinden.
      „So, dein Pony ist wieder hübsch“, sagte mein Kollege nach verrichteter Arbeit.
      „Danke dir“, umarmte ich ihn entschlossen und spürte, dass es mehr als eine dankbare Geste wurde. Wie ein Äffchen hing ich um seinen Hals und langsam bewegten sich seine Hände von meinen Rippenbogen abwärts. Verführerisch funkelten seine Augen. Gefangen in den Grüntönen, wie sie nur die Natur zu bieten hatte, verlor ich abermals die Kontrolle. Noch enger legte ich mich an ihm, als würde es keinen morgen geben, kochte das Blut in meinen Adern. Wieso Lars eine derartige Anziehungskraft für mich hatte, konnte ich mir für den Moment nicht erklären. Stattdessen drückte ich die Lippen auf seine. Ein merkwürdiges Geräusch gesellte sich dazu und verdrängte das Gefühl etwas Falsches zu tun. Dennoch löste ich mich nach wenigen Sekunden wieder, als mein Kopf die Situation begriff.
      „Das kam unerwartet“, schmunzelte er und setzte zu einem weiteren Kuss an, den ich ihm verwehrte.
      „Tut mir leid“, stammelte ich verwirrt. Gefangen im eigenen Chaos versuchte ich mich von ihm loszureißen und verspürte die aufkommenden Schuldgefühle. In Lars‘ Gegenwart konnte mein Kopf nicht mehr unterscheiden, wer er war und assoziierte all die Freude mit ihm. Meine Medikamente nicht mehr zu nehmen, stellte sich zum ersten Mal für mich selbst, als eine schlechte Idee heraus.
      „Vivi, ganz ruhig“, er legte seine Hände auf meinen Schultern ab. Das Herz in der kleinen Brust dröhnte zu explodieren und meine Lunge versuchte nach Sauerstoff zu Ringen, aber es fühlte sich an, als würde nichts davon in meinem Körper ankommen. In dem kargen Gebäude suchte ich krampfhaft nach roten Gegenständen, aber bis auf den Strick auf der Bande, entdeckte ich keinen. Ebenso wenig blau war zu sehen.
      Lars begann zu zählen und ich sollte mit ihm ein- und ausatmen. Äußerst gekonnt, ging er mit meinem Anfall um, bis ich mich wieder beruhigt hatte. In der Zwischenzeit war auch Lina dazu gekommen und stand unbeholfen neben ihm. Ihrem Gesichtsausdruck nach musste ich fürchterlich aussehen in dem Augenblick.
      “Alles okay? Was ist passiert?”, fragte sie besorgt.
      “Ähm”, stöhnte ich erhitzt und schielte zu Lars.
      “Sie hat mich geküsst und hatte dann eine Panikattacke”, erklärte dieser wahrheitsgemäß.
      “Was machst du nur für Sachen”, fragte sie, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten, “Das ist doch kein Grund für Panik.”
      “Das sagst ausgerechnet du”, schnaubte ich verärgert, aber schluckte den restlichen Satz trocken herunter. Dabei nahm ich einen kräftigen Atemzug. Lina sollte von allen am besten wissen, woher dieses Gefühl rührte, bloß hatte Niklas ihr offenkundig das Gedächtnis gelöscht. Mir lag es buchstäblich auf der Zunge, einen vernunftwidrigen Spruch zu drücken. Lars vernahm jene Wut und drückte kräftiger die Finger in meine Schulter. Doch mein Körper hatte sich dieser angepasst, als würde die Hitze wie ein Parasit an mir festhalten. Einzig Maxou, die nun auch mit kurzen Berührungen versuchte, mich in die Wirklichkeit zu holen, senkte den Blutdruck.
      “ ‘Tschuldigung, war wohl ein wenig unsensibel”, murmelte sie kleinlaut, “Ich verstehe dich ja.”
      Nach dem kleinen Missverständnis mit Lina sattelte ich Maxou und überlegte, in den Wald zu gehen. Mit unserem Sahnetörtchen in der Reithalle wollte ich ungern sein und hinüberlaufen und die kleinere Halle könnte mir Ärger mit Jonina einbringen, die aus unerklärlichen Gründen noch immer auf Krawall gebürstet war, wenn sie mich sah. Somit blieb mir nur Matsch übrig. Kaum ritt ich vom Hof, klingelte mein Handy. Vollkommen überrascht, dass das Gerät überhaupt in der Lage war, Geräusche von sich zu geben, zog ich es aus der Jackentasche heraus. Doch als ich den Bildschirm erblickte, sah ich nur, dass eine unbekannte Nummer versucht hatte, mich zu erreichen. Zurückrufen konnte ich nicht. Im Fortlauf des Ausrittes dachte ich ununterbrochen darüber nach, wer wohl etwas von mir wollte und vor allem, was. Die Antwort auf jene Fragen wurde mir verwehrt, denn es folgte kein zweiter Versuch, mich zu erreichen. Versunken in meinen Gedanken schenkte ich meinem nervösen Pony kaum Aufmerksamkeit, sodass sie immer wieder auf die Vorderhand rutschte, ohne dass ich es korrigierte. Es war alles so viel, dass ich auf halber Strecke einfach umdrehte und denselben Weg zurücknahm.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 33.794 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang März 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel trettio | 08. September 2022

      May Bee Happy / Aares / Maxou / Fjärilsviol / Schneesturm / Nachtschwärmer / Rainbeth / Lotti Boulevard / Anthrax Survivor LDS / Caja / Yumyulakk LDS / Mondlandung LDS / Nachtzug nach Stokkholm LDS / Just A Bear / Jokarie / Sign of the Zodiac LDS

      Freitagabend, vier Tage später
      Lindö Dalen Stuteri

      Vriska
      Die größte Sorge lag darin, dass Happy keinesfalls den Hänger betrat, nach dem der Einstieg in Malmö eine Herausforderung war, doch vergeblich. Wie ein alter Hase lief er die Rampe hinauf und stand binnen Sekunden darin, wodurch wir am Vormittag rasch in Kalmar ankamen. Gespannt wartete Eskil auf mich, auch, um mir seinen eigenen neuen Fuchs zu zeigen. Aares hieß der Riese und harmonierte optisch sehr mit meiner Leihgabe. Eine Weile unterhielten wir uns, bis die Halle frei war und ich meinen Unterricht bekam. Hier und da kamen Schwierigkeiten auf, doch im Gesamtbild machte Happy eine gute Figur.
      “Herr Holm hat vorhin gesagt, dass Happy viel Potenzial für das Team hat”, erzählte ich am Tisch, an dem die Stammbelegschaft saß, ohne die Ponymenschen von nebenan. Dann tunkte ich das Brot in die Linsensuppe, um es mir im Anschluss in den Mund zu stopfen.
      “Dann willst du es dieses Jahr noch zur schweren Prüfung schaffen?”, fragte Tyrell, der wieder nach Hengsten Ausschau hielt und davon aufsah.
      “Ich weiß nicht genau. Die Motivation fehlt dafür, aber der Hengst macht sich wirklich toll”, schwärmte ich weiter.
      “Dennoch, die aktuellen Besitzer würden ihn dort gern sehen”, fühlte er mir weiter auf dem Zahn, aber es kümmerte mich nur wenig.
      “Freut mich, dann sollen sie sich doch an ihn trauen und nicht kleine Mädchen vorschicken”, antwortete ich unbeeindruckt. Lars neben mir musste sich das Lachen verkneifen, aber verschluckte sich dabei an der Suppe. Fürchterlich begann er zu Husten, dass ich ihn den Rücken klopfte.
      “Ja, ja, kleines Mädchen. Äußerlich vielleicht”, feigste Lina.
      „Psst, das weiß doch keiner“, grinste ich, doch als Lars begann zu lachen, setzten auch die anderen mit ein. Es dauerte nicht lange, da kamen die erste Wahlmöglichkeit ans Licht, was ich stattdessen war. Vom bissigen Terrier, über mörderischer Prinz und alten Mann in der Rente stellte sich alles heraus. Nur mein Bruder hielt sich bewusst aus dem Gespräch heraus und verließ auch wenig später den Raum. Seit Wochen ignorierte er mich, aber das sollte nicht mein Problem sein. Ich hatte besten Gewissens die Spannung zwischen uns zu lösen, aber er konnte ein ziemlicher Sturkopf sein und wollte es augenscheinlich dabei belassen, dass ich das schwarze Schaf der Familie war. Nun gut.
      „Also keine Dressur mehr?“, kam Tyrell auf das ursprüngliche Thema zurück und zuckte dabei mit der Augenbraue, „schließlich beginnen demnächst die Turniere.“
      „Ehrlich gesagt, bin ich mir sehr unsicher“, gab ich offen zu. Mein Blick fiel zu Lars, der auch keine Antwort dazu hatte. Nur Nour grinste mich verschmitzt an.
      „Ich glaube, dass sie lieber den Berufsfahrerschein anstrebt“, legte sie eine steile These vor, die ich nicht wusste zu verteidigen.
      “Wirklich starke These, aber ich glaube, das wird nicht passieren. Dafür glitzern die Schleifen und Schabracken viel zu schön”, stellte Lina eine Gegenbehauptung auf.
      “Mhm”, summte Nour unschlüssig, “die sind aber auch in der Prüfung nicht zulässig.”
      “Ihr seid beide nicht ganz hell”, lachte ich kopfschüttelnd.
      “Entschuldigung, was soll das den jetzt heißen?”, beschwerte sich die Kleine sofort.
      “Warum kann ich nicht einfach machen? Außerdem kann Humbria auch schön glitzern”, stellte ich fest, “Vielleicht springe ich auch morgen.”
      “Du springst morgen? Oha, das komme ich mir anschauen”, grinste Mateo, “Mit welchem Pferd gedenkst du das zu tun?” Dass meine blöde Idee im nächsten Augenblick bereits Wurzeln setzte, hatte ich nicht bedacht. Selbst unser Chef schaute überrascht zu mir hinüber. Kurz dachte ich darüber nach, wieder zurückzurudern, aber vielleicht war es Zeit, mich meiner Angst zu stellen.
      „Ich kann mal schauen, was Happy bei dem bunten Holz empfindet“, schlug ich entschlossen vor und sah es bereits kommen, dass ich schneller wieder am Boden lag, als es mir lieb war.
      “Mhm … ja, so rein körperlich könnte das was werden mit deinem Fuchs”, überlegte der Schweizer.
      “Vriska, hältst du das wirklich für eine gute Idee?”, äußerte Lina zweifelnd, “Erinnerst du dich nicht, wie es das letzte Mal endete? Und da hattest du keinen launischen Fuchs unter deinem Sattel.”
      „Aber klein Vivi möchte doch mal wieder allen beweisen, dass sie alles kann“, scherzte Lars und gab mir einen zarten Kuss auf die Wange, als wären wir mehr als Freunde. Zugegeben, seit unserem Kuss im Stall gab es jeden Abend Momente, die meiner Einschätzung Zweifel boten. Seine Schwester schien es zu unterhalten, dass ihr Bruder mir unauffällig schmeichelte und holte jedes Mal ihr Handy heraus, um in Windeseile etwas zu tippen. Brennend interessierte mich, was genau auf dem Bildschirm passierte, aber sie gab es an niemanden preis.
      “Du übertreibst vollkommen”, schnaubte ich teils belustigt, teils verärgert, “Maxou traue ich es weniger zu als ihm und dass eins der Rennpferde hinüber stolpert, fehlt mir gerade noch.”
      “Viola kann springen”, mischte sich Tyrell mit ein, “und Schneesturm ist auch noch da. Ach, Fly, der Haflinger macht seinem Spitznamen auch allen Ehren.”
      Keines der genannten Pferde interessierte mich sonderlich, nicht, dass die Pferde schlecht waren, viel mehr, waren sie langweilig. Die Warmblutstute lief brav und den Haflinger kannte ich nur vom Sehen. Einzig Schneesturm war ein Spaß, doch Mateo ritt sie bereits vier- bis fünfmal die Woche und hatte somit angemessenen Auslauf. Zudem hatte ich in meiner Recherche herausfinden können, dass Happy für die Körung Freispringen musste, also wusste das Pferd Bescheid, wie man die Beine hebt.
      Während wir philosophierten, welches Pferd ich springen könnte, holte ich zunächst für jeden ein kaltes Bier und Lars entschied, dass nach dem Essen ein Kurzer angebracht war. Nur Lina weigerte sich vehement. Kaum floss es mir die Kehle herunter, brannte es unangenehm im nächsten Augenblick. Dennoch hatte es etwas Befreiendes.
      “Mir egal, ich werde Happy nehmen”, entschied ich entschlossen und glaubte an den Fuchs, der bisher sehr fein unter mir lief.
      “Mach’ halt, aber bei mir brauchst du dich dann nicht beschweren”, blieb die kleine Brünette bei ihrem Standpunkt, dass sie es für keine gute Idee hielt.
      “Pff, so viel zu guter Freundin”, rollte ich mit den Augen und füllte mir das Glas nach. Auch Lars hielt mir seins nach. Dann war es auch schon wieder leer. “Du hast bestimmt auch morgen anderes zu tun, also machen wir das allein.” Meine Stimmte zitterte, aber nach einem kräftigen Atemzug konnte ich mich zusammenreißen.
      “Ja, ist okay”, entgegnet sie kiebig. Welche Laus ihr wohl über die Leber gelaufen sein mochte, dass sie gleich so empfindlich war. Vermutlich hatte es mit Niklas zu tun, aber ich entschied, es erst einmal dabei zu belassen, solang noch so viele am Tisch saßen. Vorrangig sollte Tyrell davon nichts mitbekommen, das würde nur Bedenken auslösen. Dieser hing noch immer über dem Papier. Mit Lars brach abermals eine Diskussion über Hengste aus, die sich in den Sand verlief. Sie wurden sich nicht einig, ob Betty noch gedeckt werden sollte oder in den Verkauf ging. Auf Rennen bot die siebenjährige Stute ohnehin keine ausreichenden Leistungen und ging für gewöhnlich als vorletzte durchs Ziel, deshalb lag das letzte auch mehr als ein halbes Jahr zurück, noch unter Folke. Seit dem Stand sie herum. Ähnliches Bild war auch bei Lotti zu sehen und Nachtschatten, doch die Rappstute hatte bereits einen Käufer gefunden, der sie abholen würde, sobald ihr Fohlen abgesetzt sei, das in einem Monat kommen sollte.
      “Wie läuft es eigentlich mit Anti?”, fragte Tyrell, als auch wir weniger wurden und Bruno sich in die Hütte aufmachte, nur unsere Schnüfflerin saß noch da, sowie meine persönlichen Turteltauben.
      “Gut, wenn er so weiter macht, kann er in zwei Monaten in einen Probelauf”, erzählte der groß gebaute junge Mann neben mir. Ich enthielt mich dem Gespräch, holte stattdessen mein Handy heraus und bekam prompt eine Nachricht von Nour.
      “Schau mal”, schrieb sie und schickte ein Bild mit. Mir blieb für einen Moment die Luft weg. Über den Bildschirm hinweg schielte ich böse zu ihr hinüber, musste auch das Telefon auf den Tisch legen, um nicht an einer Atemnot einzugehen. Allerdings konnte ich es nur für einen Wimpernschlag da belassen und hob es wieder hoch. So gut ich konnte, versuchte ich ihr eine Nachricht zu tippen, aber meine Augen konnte sich nur schwer von dem attraktiven Bild lösen, was unbewusst ein Lächeln auf meine Lippen zauberte.
      “Lass das! DU bist gemein”, formulierte ich schlussendlich und sie lachte. Dem folgte ein weiteres Bild, selbes Motiv, aber deutlich bekleideter.
      “Du nimmst du das alles her?”, tippte ich noch, bevor wieder die Atmung sich verabschiedete, denn sie konnte es nicht lassen, mich weiter zu zuspammen. Durch die ständige Vibration wurde auch Lars aufmerksam, aber in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit wechselte ich den Chat zu Eskil. Damit erlosch sein Blick auf mein Gerät. Von nun an tippte ich mit Nour, die mir erklärte, dass es Storys aus dem Messenger waren, die sie für mich abgespeichert hatte und nur auf den richtigen Moment wartete, um sie mit mir zu teilen. Etwas neidisch war ich schon, denn seine Nummer hätte gern, aber in wenigen Worten vermittelte Nour mir, dass ich schon mehr Mühe geben sollte. Vordergründig ermutigte sie mich, mit ihm zu sprechen, denn das würde Erfolg mit sich bringen, außerdem wäre es ungewiss, ob sonst überhaupt eine Antwort bekäme. Leider hatte sie recht.

      Eine Stunde später verabschiedete sich dann auch Tyrell und wir saßen in gewohnter Runde beisammen. Lina schwieg noch immer, die Arme verschlungen und das Gesicht sah nach zehn Jahre Regenwetter aus. Während ich mich an den Bildern nicht satt sehen konnte, versuchte ich auch irgendwie die Kleine aus der Reserve zu locken. Es war nicht einfach ein Wort ihr herauszubekommen, doch als sie aufstand zur Toilette, folgte ich wenige Sekunden später und wartete an der Tür. Überrascht trat sie heraus, zuckte dabei erschrocken zusammen.
      „Du erklärst mir jetzt, weshalb du so schlecht gelaunt bist. Das Wetter war doch heute toll mit fast elf Grad Celsius!“, sprach ich offensive und direkt auf sie ein.
      „Ja, das war auch das einzig Schöne an dem Tag heute“, brummte sie unwirsch.
      „Was denn los?“, erinnerte ich sie an meine Frage, minimal zittrig, denn für gewöhnlich strotzte sie vor Energie auch noch zu später Stunde.
      „Der ganze Tag war heute einfach blöd, angefangen bei heute Morgen“, rückte sie nun endlich mit der Sprache raus, „Ich war absichtlich früh bei Caja, dass wir die Halle allein haben. Einerseits, weil sie ja immer noch nicht so umgänglich ist und andererseits, weil sie super rossig ist.” Nachdem was ich so von Caja mitbekommen hatte, war ‘nicht so umgänglich’ noch milde ausgedrückt. Vier Monate stand die Fuchsstute mittlerweile hier auf dem Gestüt und duldete trotzdem kaum jemanden in ihrer Nähe. “Heißt also, sie war heute ohnehin schon schlecht gelaunt und dann kam da so ‘ne Trulla rein und die hatte ihren blöden Hengst nicht unter Kontrolle. Infolgedessen konnte ich nur das Training vergessen, nein, gebissen hat sie mich dann auch, obwohl ich das so langsam im Griff hatte”, sprach sie frustriert und ließ das Sweatshirt von der Schulter gleiten. Darunter zum Vorschein kam ein blau-violett schimmernder Fleck in der Größe eine 2-Euro-Stücks.
      „Blöder Vorschlag, aber hast du mal über eine Fressbremse nachgedacht?“, schlug ich vor aus dem Dunst heraus, dass bissige Hunde auch einen Maulkorb trugen.
      “Mmmm, nein”, sprach sie langsam, als würde sie noch darüber nachdenken, ob es eine Option sein könnte, “Aber vielleicht sollte ich das mal probieren.”
      “Sonst kommt zum Hengst und sollte mal eine Pause von dem ganzen Kram bekommen”, gab ich als weitere Möglichkeit, so hatte Bruce seine chaotische Isländerstute wieder auf den richtigen Weg gelenkt.
      “Mmm, wenn das nur in meiner Entscheidung läge”, seufzte sie. So wirklich glücklich wirkte sie noch immer nicht, wenn auch weniger angespannt als vor wenigen Minuten.
      “Dann sprich mit Tyrell morgen, der reißt dir nicht Kopf ab” zuckte ich schließlich mit den Schultern, “keiner ist dir hier für Versagen sauer, zu dem kann es auch mal mehr werden als ein blauer Fleck am Arm.”
      “Weiß ich doch …”, murmelte sie und zog an ihrem Ärmel herum, “Ihr habt eure Turniere und Rennen … Ach, ich will doch auch nur mal etwas erreichen.”
      „Verstehe ich“, gestand ich offen. Für sie musste es noch schwieriger sein als für mich. Während ich von einer Disziplin zur anderen sprang, um das Richtige zu finden, fehlte ihr der Reiz für mehr. Ebenso fehlte auch die wirkliche Gemeinschaft auf dem Hof, denn jeder von uns hatte Pferde vorzustellen.
      „Was wäre, wenn wir mal raus zur Weide gehen und dir ein Jungpferd holen? Da stehen teilweise vierjährige und fünfjährige, die aktuell nicht in den Trainingsplan von uns allen passen“, kam es als letzte Idee, ihr eine sinnvolle Aufgabe zu geben. Denn die Arbeit mit Ivy hatte sie bisher erfüllt und mir Leben ausgestattet, doch nun machte der Hengst nur noch Kinderschritte, die natürlich ebenso wichtig waren wie den Anfang zu finden. Zaghaft nickte sie: “Mhm, Ja?” In ihrer Antwort schwang noch ein letzter Rest von Unsicherheit mit.
      “Ja”, sagte ich überzeugend und zog die Augenbrauen hoch, “sonst kaufen wir irgendwas für dich.” Darüber musste ich erst einmal lachen, als würde ein Pferd kaufen, ein Problem lösen anstelle welche zu schaffen.
      “Okay”, entgegnete sie und ein winziges Schmunzeln zuckte in ihren Mundwinkeln, “Aber wen auch immer du bei ‘wir’ implizierst, mich kannst du nicht meinen.”
      “Dann hauen wir den Schweizer an. Du kannst mir nicht verschweigen, dass da Funken fliegen”, zwinkerte ich ihr zu und sprach bewusst etwas lauter.
      “Vriskaaaa, sei doch still”, beschwerte sie sich sogleich und eine zartrosa Färbung trat auf ihre Wangen. “Aber ja, er ist ganz niedlich”, gestand sie mit deutlich gesenkter Stimme.
      “Das ist meine Rache”, flüsterte ich scherzhaft und klopfte ihr leicht auf die Schulter, wer wusste schon, wo sich weitere blaue Flecken verstecken. “Aber komm, wir gehen zurück. Dann kannst du ihn länger genießen.”

      Samstag, nächster Tag
      An der Jungpferdeweide

      Selbstverständlich musste es anfangen zu regnen, als wir aus dem Auto ausstiegen. Die Pferde hatten uns schon aus der Ferne gehört und standen neugierig am Zaun. Auch die Zuchtstuten mit ihren kugeligen Bäuchen konnten unseren Besuch kaum fassen, obwohl jeden Tag mindestens zweimal jemand in den Wald fuhr zur Kontrolle. Es war eine bunte Herde, bestehend aus allen Altersgruppen und Rassen. Auch die Isländer standen dabei, die wohl eher weniger für Lina sein würden. Zwei Weiden weiter rechts, tummelten sich die jungen Hengste, die bereits mit schrillem Wiehern auf sich aufmerksam machten, besonders Yu wollte unbedingt gestreichelt werden. Lina drückte ich ein Halfter in die Hand.
      „So, dann suche dir mal etwas aus“, sagte ich. Wir hatten bereits mit Tyrell gesprochen, der meine Idee mit einem ‘macht, was ihr wollt‘ lachend hinnahm. Ich lehnte derweil am Auto und prüfte das vierte Mal an dem Tag, die Starterlisten für den morgigen Renntag. Noch nicht ganz entschlossen stiefelte die Kleine in die Herde hinein und wurde augenblicklich von einigen der Tiere umringt und neugierig inspiziert. Lina ließ sich Zeit, nahm einige der Jungstuten in Augenschein, streichelte sie und schien sich keineswegs an dem Nass stören, welches rhythmisch auf das Blech schlug. Eines der Tiere drängte sich immer wieder in den Vordergrund, steckte die Schnauze in Linas Jackentaschen und verfolgte sie regelrecht, sobald sie einige Schritte tat.
      “Die ist niedlich, ich glaube, sie soll es werden”, grinste Lina und kraulte der hellen Stute die Stirn. Mein Handy steckte ich zurück in die Innentasche, nach dem ich keine neuen Informationen über meinen Angebeteten fand. Dabei seufzte ich leise und trottete mit riesigen Gummistiefeln durch das hohe Gras. Mit genauem Blick sah ich das blauäugige Pferd an.
      “Das ist Mola”, stellte ich fest, “die wird vier dieses Jahr, also, passt dir das?”
      “Ja, das ist gut”, nickte sie, “Jung, aber schon alt genug, dass man auch damit ein wenig was anfangen kann.”
      “Sollten ihre langen Beine es noch nicht verraten haben: Sie ist ein Traber”, erklärte ich zuversichtlich und öffnete den Beiden das Tor. Die anderen Pferde schubste ich zur Seite, damit kein weiteres versuchte zu fliehen. Stokki drückte den Kopf gekonnt an Lina vorbei, doch ich scheute die Rappstute im richtigen Moment zurück und mit einem großen Sprung floh sie vor dem Stromzaun.
      “So, dann steig mal ein, dann gebe ich dir den Strick. Sie wird schon nachlaufen”, sagte ich zu der Brünetten, die unsicher den Strick in der Hand hielt, während Mola lange Grashalme zupfte.
      “Okay, du wirst schon wissen, was du tust”, entgegnete sie ein wenig zweifelnd, reichte mir aber dennoch das Pferd und tat wie geheißen. Unwillig folgte mir die junge Stute, aber als Lina das Fenster heruntergefahren hatte, gab ich den Strick zurück. Zunächst musterte das Pferd den Seitenspiegel und steckte schließlich auch den Kopf hinein.
      Den Motor ließ ich langsam und möglichst leise angehen, dennoch zuckte das Jungpferd, aber gewöhnte sich direkt an das seltsam trommelnde Geräusch aus der Motorhaube. Im Schritttempo fuhren wir an. Mola folgte im selbigen und schnaubte sogar einige Male ab, was sie jedoch nicht daran hinderte, an einigen Grashalmen zu zupfen.
      “Das funktioniert ja wirklich”, staunte Lina, “und sie ist so brav.” Dem Grinsen auf ihrem Gesicht zu urteilen, war sie bisher zufrieden mit ihrer Auswahl.
      “In Island wird es nicht anders gemacht. Deswegen hat Bruce schnell entschieden, dass das der bequemste Weg ist”, informierte ich sie freundlich, als auch schon die Gebäude des Gestüts am Ende des Weges auftauchten. Heute wurde der erste Kran aufgebaut, nachdem alles nicht mehr Brauchbare dem Erdboden gleich gemacht wurde. Ein Schwall von Melancholie lag in der Luft, aber ich versuchte durch ein kräftiges Ausatmen, aus meinem Kreislauf zu bekommen.
      “Ja, bequem ist das wohl”, nickte sie zustimmend.
      Vor der Halle kamen wir zum Stehen, aus der gerade Lars seinen schneeweißen Hengst führte, deren Brust und Hals geschoren war. Ihm dicht folgte Mateo, allerdings ohne Vierbeiner.
      „Na Mensch, ihr wart schnell“, stellte der Dunkelhaarige fest und blieb auf Abstand mit dem Hengst, der den Damenbesuch bewunderte.
      „Sie hat sich recht schnell entschieden, oder viel mehr Mola“, grinste ich ihm zu. Zeitgleich half ich Lina beim Aussteigen.
      „Schau mal, dein bald Freund ist auch gekommen“, flüsterte ich leise.
      “Glaubst auch nur du”, wisperte sie und verdrehte die Augen. Dann huschte sie auch schon an uns allen vorbei, um die Stute auf den Paddock zu verfrachten. Ich brachte noch das Auto zurück auf dem Parkplatz.
      Im Stall lief ich zunächst zu dem Fuchs, der mit dem Kopf in der Ecke stand und mich erst bemerkte, als ich seinen Namen sagte. Die Ohren drehten sich in alle Richtungen und schließlich bewegte er sich mit kargen Schritten auf mich zu. Vorsichtig strich ihm über die große Blesse. Aus der Jackentasche kramte ich ein Leckerli hervor, dass er dankbar von der flachen Hand griff. Ihn aus der Box zu holen, war heute wieder eine Herausforderung. Immerhin akzeptierte er direkt sein rosafarbenes Halfter, für das jeder am Hof eine Meinung hatte. Die meisten mochten es nicht, aber ich wollte seine Männlichkeit unterstreichen und damit gelang es mir ziemlich gut.
      “Happy, komm schon”, zog ich kräftig am Strick, ihn interessierte das aber nicht im Geringsten. Auch als ihn noch einmal drehte, setzte er keinen Huf aus der Einstreu. Stattdessen machte er seinem Traberanteil allen Ehren, wurde immer länger und länger. Hoffentlich würde er nicht vor den Sprüngen parken, dass könnte gefährlich werden.
      “Sieht so aus, als wäre dein Pferd nicht so überzeugt von deinem Vorhaben”, stellte Mateo fest, der plötzlich neben mir stand.
      “Kein Wunder, der mag Männer nicht”, gab ich sogleich zurück und als würde Happy zustimmen, schnaubte er ab.
      “Na, dann kommst du wohl gut allein klar”, zuckte der Schweizer mit den Schultern, ”Ihr könnt ja dann kommen, falls ihr es jemals da rausschafft.”
      Offenbar hatte er meinen Scherz in den falschen Hals bekommen, aber er mochte Männer wirklich nicht. Ich lockte den Strick etwas. Dann setzte der Hengst voran, als würde er Mateo folgen wollen. Selbst ohne Hending kamen wir voran.
      In der Putzbucht kam der Hengst zur Ruhe und genoss das ausgiebige Putzen. Da er über eins siebzig war, nur etwas kleiner als Lubi, brauchte ich den Hocker, um an alle Stellen zu gelangen. Das ständige Auf- und Absteigen nervte, aber leider würde ich mit Anfang zwanzig nicht mehr wachsen. Als er schließlich sauber war, setzte ich mich in Gang, um einen Sattel zu finden. Aus der großen Sattelkammer nahm ich mir ein Martingal, das in einer der Metalkisten herumschwirrte, sowie Fesselkopfgamaschen und Glocken aus meinem Schrank. Bei der Schabracke begannen die ersten Zweifel. Obwohl ich mittlerweile eine schöne Sammlung aufgebaut hatte - ja, meine Kaufsucht schlug wieder zu – gab es keine einzige zum Springen. Wozu auch? Dennoch fand ich eine, die zumindest etwas runder geschnitten war und nahm sie mit.
      „Tyrell?“, fragte ich und streckte den Kopf ins Büro.
      „Ja, was ist denn?“, kam es sogleich wenig begeistert. Ich kam für gewöhnlich nur, wenn ich etwas wollte.
      „Wir haben doch sicher einen Springsattel, oder?“, hakte ich nach.
      „Einige, aber der von Schneesturm wird seinen Fuchs nicht passen“, begriff er sofort den Tatbestand, „aber unten in der Kammer müssten einige hängen.“
      Dankend nickte ich und verschwand nach unten. Tatsächlich hingen dort gefühlt tausende. Was ich an Schabracken besaß, sammelte mein Chef an Sättel, der Großteil davon wurde nie genutzt, dementsprechend staubig hingen sie auf den Sattelhaltern.
      „Hmm“, überlegte ich laut und streifte durch den Raum, der im Gegensatz zu dem Rest des Gebäudes, schlecht beleuchtet war. Kurzerhand holte ich eine Schubkarre und legte alle vielversprechenden Modelle mit zum Fuchs. Das Klappern des Metalls weckte ihn auf. Mateo, der sich mit Lars unterhielt, schaute nicht schlecht, als ich ankam.
      „Was hast du denn vor?“, hinterfragte Lars verwundert.
      „Einen passenden Sattel finden, was denkst du denn? Ich laufe doch nicht tausendmal“, erklärte ich.
      „Das sieht aus wie eine Flohmarkt Versteigerung“, merkte er an.
      “Soll man dir bei deinem Ausverkauf da helfen?”, bot Mateo an und fasste bereits die Lederstücke kritisch ins Auge.
      “Gern”, lächelte ich. Dabei hob ich das erste Modell heraus. Das Leder wirkte schon sehr mitgenommen und vor allem ungepflegt, aber die Polster unter dem Baum waren noch weich und ohne Knoten. Der Blonde nahm erst den Sattel und dann Happys Rücken näher unter die Lupe, welches der Fuchs Zähneknirschen und mit angelegten Ohren erduldet.
      “Der hat einen ziemlich schmalen Wirbelkanal, dass wir zu knapp schätze ich”, urteilte er.
      “Dann schaust du am besten durch”, schlug ich vor, beruhigte, währenddessen den Hengst, der zu dem Schweizer schielte. Fachkundig beschaute Mateo das Sammelsurium, legte nacheinander zwei Sättel auf den Hengst. Seine Wahl fiel letzten Endes auf ein zweifarbiges Modell, welches aussah, als wäre es noch nie im Einsatz gewesen.
      “Nicht ganz ideal für dich, aber zumindest für dein Pferd sollte der funktionieren”, ergänzte er erklärend. Die Sitzfläche war groß, aber für einen Tag kein Problem.
      “Danke für eine Hilfe”, sagte ich und nahm zunächst das Leder wieder vom Rücken, um alle anderen in der Schubkarre zurückzubringen.

      Wenig später saß ich im viel zu großen Sattel, den ich mit einem Lammfellüberzieher etwas bequemer gemacht hatte und ritt den Fuchs warm. Mateos Parcours stand bereits, als von einem zur anderen Sekunde Happy begann zu tänzeln. Im richtigen Augenblick fasste ich die Zügel nach. Seine Ohren drehten sich hektisch, während er versuchte, sich meinen Hilfen am Bein zu entziehen. Laut schepperten seine Eisen an der hölzernen Wand, bis ich den Grund seiner Aufregung bemerkte. Lina kam mit einem breiten Grinsen auf den Lippen durch den Sand stolziert, am Zügel hielt sie Mateos Stute Karie. Dass sie einen Helm auf dem Kopf hatte, konnte nur bedeuten, dass er sein Pferd nicht reiten würde. Happy spielte sich währenddessen weiter auf, als hätte er nur eine Aufgabe im Leben. Ich erinnerte mich daran, wieso ich keinen Hengst wollte.
      “Hör auf”, knurrte ich ihm ins Ohr und wie aus dem Nichts blieb er stehen. Allerdings bewegte sich nun gar nichts mehr, weder vor noch zurück. Sicherer, als plötzlich die Kleine umzureiten.
      “Welch verzückte Überraschung”, rief ich ihr lachend zu und tätschelte den Hals meines Riesen.
      “Ja, finde ich auch”, strahlte sie, “diese Gelegenheit konnte ich mir auch einfach nicht entgehen lassen.” Die kräftige Stute störte sich nur wenig an der Gegenwart des Hengstes, folgte Lina artig in die Zirkelmitte, wo sie den Gurt enger zog. In meinem Kopf leuchtete eine kleine Lampe auf, aus einem Bereich, den ich versuchte, geschlossen zu halten. Doch plötzlich stand die Tür offen und unterbreitete mir ein teuflisches Gefühl von Neid, Angst und Zweifel an mir. Dabei konnte die Kleine nicht einmal etwas dafür, einzig meinem Hengst fehlte es an benehmen. Dabei merkte ich, dass mein Geist noch immer nicht gefasst war, Veränderungen hinzunehmen. Seufzend legte ich die Beine an den Bauch des Pferdes. Er bewegte sich schließlich aus der Starre, aber spielte sich sogleich auf Höhe der Stute auf. Den Kopf streckte Happy in die Luft und entzog sich komplett dem Zügel. Gleichzeitig spürte die wegtretende Hinterhand. Damit verlor ich die Kontrolle über ihn und im Trab legte er zu, bis der Fuchs seine Runden drehte. Ich hätte ihn vermutlich ablongieren sollen, obwohl er gestern eine intensive Einheit hatte. Müde sollte er sein und nicht wie ein abgestochenes Schwein durch den Sand rasen. Der positive Nebeneffekt kam, dass Happy sich abreagierte und schließlich abschnaubte. An dem Punkt parierte ich durch und gurtete nach.
      Lina ritt zur gleichen Zeit die Dunkelfuchsstute warm, weiterhin mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. Vermutlich hatte meine eigene Unsicherheit dafür gesorgt, dass sich das sensible Pferd derart extrem verhielt. Im Schritt lobte ich ihn ausgiebig. Die Stute beachtete er gar nicht mehr, nur Mateo war ihm weiterhin ein Dorn im Auge.
      “Dein Pferd mag mich ja wirklich nicht. Kommst du damit zurecht oder müssen wir nach einer Lösung schauen?”, erkundigte sich dieser rücksichtsvoll.
      “Wir holen eine Schere und berauben ihm seiner Männlichkeit, so einfach”, lächelte ich bewusst. Auf rätselhafter Weise konnte er jedes meiner Worte genau verstehen, denn seine Schritte verlängerten sich und er senkte den Kopf. Dabei schwang der Rücken mit. Tatsächlich verspürte ich endlich seine Ausbildung, das, was Happy auch gestern zeigte.
      „Der hat dich genau verstanden“, lachte der Schweizer. Lina, die derweil im Hintergrund herumzirkelte, wurde nun ebenso aufmerksam und kam locker herangetrabt. Happy zuckte nicht einmal, kaute stattdessen auf seiner Stange aktiv.
      „Worüber amüsiert ihr euch?“, fragte sie interessiert.
      „Offenbar ist Happy seine volle Männlichkeit überaus wichtig“, grinste ich und strich ihm durch die lange Mähne.
      „Dann ist ja gut, dass er seine Halfterfarbe nicht erkennt“, lachte sie.
      „Ja, ja. Schon klar“, rollte ich mit den Augen und trabte ebenfalls an. In gleichmäßigen Tritten federte er durch den Sand und wölbte dabei bilderbuchmäßig seinen eher kurzen Hals. Die Schwebephase auszusitzen war mit den kurzen Bügeln ein noch schwierigeres Unterfangen, sodass ich lieber leicht trabte. Nach einigen Schlangenlinien und Seitengängen legte ich das äußere Bein heran, stellte das Genick leicht nach innen und der Hengst sprang in den Galopp um. Geschwungen setzte er voran und ich entschied in der letzten Sekunde, doch noch über das niedrige Kreuz zu setzen. Den Höhenunterschied spürte ich kaum, so sehr versuchte das Pferd vor weiblicher Anwesenheit sich zu präsentieren. Auch beim zweiten Mal konnte ich nicht genau abschätzen, ob wir das Hindernis absolviert hatten und lenkte letztlich auf das höhere Rick zu. Nun musste ich genau aufpassen und wie ich es die wenigen Male in der Ausbildung hatte, gab ich eine halbe Parade, um schließlich mit mäßig gutem Abstand abzuspringen. Deutlich weiter flog er über die Stange, als würden wir einen Wassergraben springen, zumindest sagte mein Hirn mir, dass er sich verschätzt, hatte in der Weite. Freundlich tätschelte ich den Hals und holte ihn in den Trab zurück, nur der Schritt schien in weiter Ferne. Der potente Hengst strotzte vor Energie und legte mächtig an Tempo zu, ohne aus dem Rahmen zu fallen. Wirklich Hilfen waren dabei nicht nötig, denn Happy entschied selbst, sein Können zu präsentieren. Ich fühlte mich etwas unbeholfen im Sattel, aber konnte ihn schließ doch noch für Schritt begeistern.
      „Der springt ja wirklich“, staunte Lina, „Das sah gar nicht so schlecht aus.“
      „Ich frage besser nicht, wie du meinst“, scherzte ich. Sie meinte es nicht böse, dennoch vernahm einige Zweifel in ihrer Stimme, die ich versuchte zu überhören. Nach einigen Runden über die Stangen am Boden übernahm auch Lina das Ruder und flog über die aufgebauten Hindernisse. Die Stute war ebenso motiviert für das bunte Holz wie mein Hengst. Sie galoppierte deutlich hektischer, aber sprang deutlich gleichmäßiger ab und zog dabei kräftig an. Mir war es bis heute ein Rätsel, wie die etwas dicklich anmutende Stute, so flink unterwegs war. Unauffällig schielte ich zu Mateo, der mit seinen Augen fest an Lina gehaftet war und jeden Absprung anpeilte, als säße er selbst im Sattel.
      Nach einer ausgiebigen Pause galoppierte ich wieder an. In der Zwischenzeit hatte sich die Höhe etwas verändert und lag nun auf achtzig Zentimeter. Vom Rücken des Riesens wirkte es noch immer niedrig, aber meine Vernunft sagte mir, dass ich mich nicht überschätzen sollte. So sprang ich nur einmal hinüber und Ritt schließlich ab. Das Schicksal wollte ich nicht herausfordern, außerdem schwitzte Happy, als hätte ich ihn geduscht. Auch Lina nahm Karie in den Schritt zurück. Tatsächlich benahm sich der Kerl unter dem Sattel und reihte mich neben ihr ein.
      „Und, immer noch der Meinung, dass es nicht sein Bald-Freund ist?“, zwinkerte ich überzeugt zu ihr hinüber, „schließlich überlässt er dir sein Lieblingspony.“
      „Ja, dafür müsste ich nämlich erst einmal auf der Suche sein“, blieb sie standhaft, „und jemanden seinem Pony reiten zu lassen, ist noch lange kein Liebesbeweis.“
      „Ach, ich denke schon, dass er sich abends im Bett vorstellt, wie sich sein Pony wohlfühlen muss“, konnte ich mich nicht zurückhalten, unpassende Sprüche zubringen. Schließlich musste auch ich Lars ertragen, der bei jeder Fahrt im Wald, an nichts anderes dachte.
      „Was ist denn los, dass hier alle nur das eine im Kopf haben“, schüttelte sie den Kopf.
      „Der Frühling kommt, mein Schatz“, grinste ich.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 30.952 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang März 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel trettiotre | 18. September 2022

      HMJ Divine / Hendrikus von Stalburck / May Bee Happy / Wunderkind / Maxou / WHC‘ Golden Duskk / Moonwalker LDS / Caja / HMJ Holy / Kölski von Atomic / Snotra / Kempa / Glymur / Lotti Boulevard / Just A Friend / Just A Bear / Genesis / Global Vision

      Dienstag
      Lindö Dalen Stuteri

      Lina
      Gedankenverloren striegelte das dichte Fell meines Hengstes. Ivy hatte sich heute mal wieder besonders viel Mühe gegeben, mit dem Matsch, welcher in Sprenkeln und Flecken über seinen Körper verteilt war. Hoffentlich würde dieses elendige Matschwetter bald wenig werden, allmählich nervte es mich, dass Divine häufiger aussah wie eine Kuh, als dass er sauber blieb.
      “Meinst du nicht, diese Stelle ist allmählich sauber”, erklang eine Stimme hinter mir, die mich regelrecht zusammenzucken ließ. Blitzartig fuhr ich herum. Über den Rücken des dunklen Pferdes hinweg beobachteten mich zwei strahlend blaue Augen.
      “Samu, du kannst mich doch nicht so erschrecken”, beschwerte ich mich, worauf hin er nur anfing zu lachen. Wie konnte er samt Pferd einfach dort erscheinen?
      “Also, dass du mich übersiehst, okay, aber ich dachte, du hättest zumindest Hendrik bemerkt”, schmunzelte die Finne und strich besagtem sanft über den eleganten Hals.
      “Offensichtlich habe ich das nicht”, brummte ich, ”wie lange steht ihr da schon?” Sanft pustete mein Hengst mir seinen warmen Atem in den Nacken und platzierte seine Schnauze auf meiner Schulter. Der Helle mochte es nicht besonders, wenn ich in solch unwirsche Stimmungslagen geriet und versuchte stets, mit seiner Sanftheit dagegen anzugehen.
      “Ungefähr seit zehn Minuten”, überlegte Samu und bedeute nicht nur darauf, dass Hendrik keine Decke mehr trug, sondern ebenso sämtliches Sattelzeug herangeschafft war.
      “Oh, solange schon und dann sagst du nichts?”, entgegnete ich erstaunt.
      “Ja, ich wollte herausfinden, wie lange du wohl diesen Fleck putzt”, lachte er und begann seinerseits seinen Hengst zu striegeln. Im Gegensatz zu Ivy, war Hendrik nahezu sauber, einzig den hellen Kopf schien er irgendwo entlang gerieben zu haben, denn ein grüner Streifen zierte seine Stirn.
      “Du bist doch blöd”, rollte ich mit den Augen, legte die Bürste weg und griff dafür zum Hufkratzer.
      “Ach, Linchen, sei doch nicht gleich beleidigt”, grinste er, “dafür ist die Stelle jetzt besonders weiß”
      “Definitiv besser aus Moosgrün”, kicherte ich und hob einen der Hufe von Ivy auf.
      “Ich weiß auch nicht, wie er das geschafft hat”, schüttelte Samu den Kopf und verschwand, um einen feuchten Schwamm aus der Waschbucht zu holen.
      “Vielleicht war ihm einfach langweilig und er dachte sich auf diese Art müsstest du dich länger mit ihm beschäftigen”, stellte ich eine, mir logisch erscheinende, Theorie auf.
      “Ja, ich weiß, dass er einen Boxenpartner benötigt und ich habe auch bereits mit Alec darüber gesprochen”, ging Samu auf meine Anmerkung ein.
      “Warum stellst du nicht Lego wieder rein. Wäre das nicht die schnellste Lösung?”, wand ich ein. Da Alec den Rappen konnte ich mir kaum vorstellen, dass er ein Problem damit haben würde.
      “Wäre es”, stimmte mein bester Freund zu,” allerdings hat er sich so gut in der Herde eingelebt und scheint dort auch zufrieden, dass ich ihn ungern dort herausnehmen würde.” Dies stellte tatsächlich ein schlagkräftiges Argument dar, so erkundigte ich mich, was Alec dazu sagte. So wie Samu es wiedergab, hatte er im Grunde freie Entscheidung, darüber, wie er die Problematik löste, was sich darin begründete, dass das Whitehorse Creek offenbar große Pläne hatte, die Alec vereinnahmten.
      “Wenn dir nichts einfällt, könnte ich Tyrell fragen. Er hat sicherlich einen Hengst, der der großen Gesellschaft leisten kann”, überlegte ich. Der Finne nickte und ich verschwand zur Sattelkammer, um Sattel und Schabracke zu wählen. Als Unterlage griff ich zu der hübschen blaue, die Vriska mir schenkte, mir die Wahl des Sattels dauerte heute länger, denn der, den ich sonst für Ivy nutze, war nicht da. Nervig, es wurde wirklich Zeit, dass Divines Sattel endlich fertig wurde. Vielleicht sollte ich mal im Büro nachhaken, ob es Neuigkeiten diesbezüglich gab. Gesagt, getan. Nach der Auswahl eines anderen Sattels, der hoffentlich passen würde, lud ich alles bei meinem Hengst ab, und wuselte unmittelbar die Stufen hinauf. An der Tür hielt ich mich nicht lange damit aufzuklopfen, doch irritierenderweise fand ich nicht die erwarteten Personen darin vor. Hinter dem riesigen Bildschirm des iMac saß Nour, mit den Füßen an Polstern, führte dabei murmelnd ein Selbstgespräch. Auf der Couch langweilte sich Vriska, hing am Handy, aber starrte es mehr an, als es ernsthaft zu verwenden.
      “Muss ja spannend sein, was hier geschieht”, sprach ich irritiert, als ich eintrat, “Was tut ihr hier?”
      „Die Idioten von der Baustelle haben doch gestern das Glasfaserkabel durchtrennt. Seitdem haben wir das blöde Kupferzeug“, seufzte Nour lautstark.
      „Die Renntag Anmeldung dauert ewig oder viel mehr, bis die Seite geladen hat“, erklärte Vriska zusätzlich, die Stimme monoton und der Blick weiterhin am Mobilgerät.
      “Verstehe, deswegen diese maßlose Motivation hier drinnen”, nickte ich. Ich konnte mir ungefähr vorstellen, wie lange die beiden hier bereits sitzen mochten, denn ohne das gute Kabel glich die Browsergeschwindigkeit, wohl möglich der einer Schnecke.
      „Ja, ich durfte auch noch nicht gehen, bevor wir nicht fertig sind“, schnaubte die Blonde.
      „Oh! Da ist die Seite“, schrie Nour plötzlich und hampelte wild auf dem Stuhl, „also Humbria?“
      „Mh, wenn du es für richtig hältst“, zweifelte sie sofort. Für einen Augenblick wich sie von ihrem Gerät, bevor es wieder in ihren Mittelpunkt stand. Dafür, dass sie nichts daran tat, wirkte es ungewöhnlich interessant.
      “Was ist da so interessant?”, fragte ich und trat neugierig an sie heran, denn ein solch unbegründetes Interesse brachte Vriska nur selten für irgendetwas auf. Zumindest so lang kein begehrenswerter Kerl seine Finger im Spiel hatte. Sie versteckte das Display nicht, aber sonderliche Spannung erweckte es auch nicht. Sie hatte einen Chat offen, die Nachrichten noch ganz frisch, sodass sie gerade einmal die volle nutzten. Als ich den Kontaktnamen Sebastian Göransson wurde mir zumindest klarer, worauf sie wartet oder hofft.
      „Auf jeden Fall, da fehlte nur etwas Pfeffer, dann wird das“, motivierte Nour sie, wieder auf den Renntag zurückkommend.
      „Na gut“, Vriska seufzte, „aber ich würde auch gern noch, was mit Wunder machen.“
      Hektisch scrollte sie mit der Maus hoch und runter am PC.
      „Wunder? Wir hätten eine Langstrecke. Da müsstest du dich mit Papa hinsetzen und noch mal die Taktik mit ihm überdenken. Aber grundsätzlich, wenn du nicht auf Sieg aus bist“, berichtete sie.
      „Dann mache ich das. Wer weiß, wofür das gut ist“, beschloss Vriska wagemutig. Nour grinste breit und lehnte sich im bequem aussehenden Bürostuhl zurück.
      „Der Grund fängt nicht zufällig mit B an und endet mit Asti, weshalb du so eifrig bist?“, preschte die schwarzhaarige amüsiert voran. Vriska antwortete nicht, blickte mich allerdings mit großen Augen an, bevor sie das Gesicht in den Händen versteckte.
      „Und …“, Nour baute extra Spannung auf, „da denkt sie direkt wieder an. Es ist schon niedlich, wie verknallt du bist.“
      „Das stimmt doch gar nicht“, eingeschnappt verschränkte Vriska die Arme.
      „Ne, gar nicht“, schmunzelte ich, „dein Handy ist nur so in deiner Hand festgewachsen.“ Augenblicklich rollte sie mit den Augen.
      „Oh doch, Madame! Wenn ihr heiratete, nimmst du dann seinen Namen an?“, konnte Nour sich gar nicht mehr mit Thema aufhören.
      „An was für absurde Situationen denkst du bitte?“, stellte die Blonde verwundert fest und legte schließlich das Handy zur Seite.
      “Nour ist offenbar schon drei Jahre weiter”, grinste ich, “Aber ganz so absurd finde ich den Gedanken eigentlich nicht, so in Zukunft.”
      „In drei Jahren?“, ihre Augen drohten vor Schreck aus dem Kopf zu fallen und sie selbst von der Couch. Kaum hatte Vriska sich wieder aufgerappelt, stand sie im Türrahmen. „Ist noch etwas, oder kann ich meinen Fuchs in den Aquatrainer packen?“ Grandios, wie sie wichtigen Themen aus dem Weg ging. Wobei sie selbst doch immer recht unnachgiebig bei solchen Themen war.
      “Nimm doch nicht alles wörtlich, aber geh, du kannst uns nicht ewig davonlaufen”, schüttelte ich schmunzelnd den Kopf.
      „Stopp, du bleibst!“, stürzte sich Nour dazwischen. „Willst du immer noch mit dem zur Meisterschaft? Ich meine, Elitloppet und schwedische Meisterschaft sind schon ziemlich hohe Ziele.“
      Vriska warf erst mir, dann ihr, skeptische Blicke zu.
      „Was sollte ich bei dem Elitloppet?“, trat weitere Verwunderung ein.
      “Das würde mich nun auch interessieren, was ist das überhaupt?”, hakte auch ich neugierig nach.
      „Eins der preis trächtigsten Trabrennen der Welt. Nur auf Einladung kann man teilnehmen, aber Papa hat seine schon mit Vision und ich hoffe“, begann sie wie ein Wasserfall zu sprechen. Ich wusste nun, dass es Stockholm stattfindet wie jedem Jahr.
      „Dann viel Erfolg“, grinste sie.
      „Vriska! Du kommst gefälligst auch mit. Es kann doch nicht sein, dass du so geringe Ansprüche hast. Sonst muss Basti dir ins Gewissen reden“, gab Nour sich weiterhin Mühe, mich für so ein Event zu motivieren.
      “Das wäre doch etwas für dich, du bist doch sonst nicht aufzuhalten, wenn es um die utopischen Ziele geht”, stimmte ich zu. Schließlich steckte sie sich auch in der Dressur die Ziele immer recht hoch, was bei den Pferden, die ihr immer zuflogen, auch immer Erfolg brachte.
      „Ich kann es versuchen, aber Happy hat Priorität“, nickte Vriska, „aber Lina, was wolltest du eigentlich? Wohl kaum einen Gastfahrerschein beantragen.“
      “Da liegst du vollkommen richtig. Ich wollte eigentlich nachforschen, was mein Sattel macht”, erklärte ich den Grund für das Aufsuchen des Büros.
      „Ähm“, Nour klickte wild herum, bis sie vor dem Bildschirm wieder auftauchte, „drei Wochen ist der letzte Stand. Also, das Warten hat bald ein Ende.“
      “Das ist toll”, grinste ich. Somit würde zumindest für eins meiner Pferde das tägliche Sattelspiel ein Ende finden, “Vielen Dank für die Auskunft, aber jetzt entschuldigt mich, mein Pony wartet.“ Ohne den beiden Mädels noch eine Chance zu lassen, mich weiter aufzuhalten, tippelte ich zurück zu meinem Pferd.
      „Ich dachte schon, du kommst nie wieder“, empfing mich Samu, der gerade Ivy Sattelgurt zu zog und sogar an die Hufglocken hatte er gedacht. „Was hast du denn so ewig gemacht?“ Freundlich von ihm mein Pferd zu Sattel dabei hätte er nicht einmal auf mich warten müssen. Ehrlich gesagt lag meine Erwartung eher darin, dass er bereits seine Runden in der Halle dreht, denn er hatte sicher Wichtigeres zu tun.
      „Neuigkeiten eingeholt“, erklärte ich wage und bedankte mich selbstverständlich, für seine Mühe auch mein Pferd zu satteln.
      „Worüber?“, fragte der Blonde interessiert, während er dem braunen Warmblut das Metallstück vor das Maul hielt. Artig senkte Hendrik den Kopf, nahm dieses von selbst und warte, bis auch das Genickstück hinter seinen Ohren lag.
      „Über meinen neuen Sattel, genauer gesagt, wann dieser endlich ankommt“, erklärte ich, „Ich wollte eine Runde raus, kommst du mit?“ Samu nickte und folgte mir hinaus, wo wir unsere Tiere bestiegen.
      „Ich kann mir kaum vorstellen, dass es so lange dauert, oder holst du deine Informationen per Brieftauben?“, scherzte er und lachte. Von der Heiterkeit angesteckt, machte seinen Hengst einen kleinen Hüpfer
      „Das wär’s noch“, grinste ich, „Nein, Nour und Vriska waren im Büro.“ Bevor ich weitersprach, ließ ich den Blick schweifen, ob jemand in Hörweite war. Vriska würde es sicher schätzen, wenn sie nicht gleich der neue Stalltratsch sein würde. Wie hungrige Hyänen stürzten, sich die Einsteller auf jeden Fetzen, der interessant sein könnte. Manchmal bekam man wirklich das Gefühl, sie hätten nichts Besseres zu tun, als die Handlungen und Leben anderer zu bewerten. Insgeheim glaubte ich, dass dies einer der Gründe war, weshalb es mit Caja nicht funktioniert hatte. Mein innerer Druck war zu hoch. Die sensible Stute spürte das und spannte sich dadurch noch mehr an. Somit gerieten wir in einen Teufelskreis, indem wir einander stressten.
      „Na ja, weißt du, Vriska hat einen neuen Schwarm“, schmunzelte ich und setzte meinen besten Freund über das Gröbste in Kenntnis, ohne wirklich detailreich zu werden. Interessiert lauschte der Finne, warf gelegentlich einen Kommentar ein, bleib aber mit der Konzentration bei dem Hengst. Hendrik schien heute ziemlich spritzig. Bereits beim Aufsteigen tänzelte er unruhig auf der Stelle und auch jetzt drängte er voran und schüttelte ungeduldig mit dem Kopf, wenn Samu ihn mit sanften Paraden zügelte. Divine interessierte das Spektakel wenig, mit wachem Blick stiefelte er gemütlich voran, aber benötigte nicht einmal Zügelkontakt, um sein Tempo zu halten, sodass diese locker auf seinem Hals hingen.
      “Linchen, du darfst gerne gleich weiter quatschen, aber mein Pferd explodiert gleich”, unterbrach er mich, als ich gerade von unserem Besuch bei den wilden Ponys erzählen wollte. Die scheuen Geschöpfte waren wohl das niedlichste, was mit seit Wochen untergekommen war.
      “Dann zeig mal, ob dein edles Tier auch anders kann”, grinste ich herausfordernd und nahm Ivys Zügel auf. Hendriks Körper war bereits so gespannt wie eine Bogensehne kurz vor dem Abschuss,
      “Ach, deine Kugel schafft Hendrik mit links”, feixte er frech und gab seinem Hengst den Weg frei. Wassertröpfchen stoben auf, als der Braune aus dem Stand heraus ansprang, direkt in eine Pfütze.
      “Dem zeigen wir, wer langsam ist”, murmelte ich meinem Hengst zu und drückte ihm die Waden in die Flanken. Leicht verzögert machte Divine zwei Trabtritte, bevor er in den Galopp übersetzte. Sein Schnauben erklang synchron zum Dreitakt seiner trommelnden Hufe, unter denen der Boden erbebte. Mit jedem Galoppsprung, den ich näher an Samu und seinen Hengst herankamen, spritze mir Klumpen aus Matsch entgegen, hinterließen dunkle Sprenkel auf dem hellen Fell und legte sich feucht auf meine Haut. Die raue Landschaft flog nur so an uns vorbei und für einen Moment spürte ich als sei die Freiheit grenzenlos. Stetig schob Divine seine Nase voran, sodass er mit Hendrik fast gleichauf war, als wir die Hengste wieder abfingen. Mit bebenden Flanken fielen die Tiere in den Schritt.
      “Dein Kleiner ist ziemlich flott geworden”, sprach Samu mir seinen Respekt aus.
      “Danke, einen Erfolg muss ja nach einem Jahr sichtbar werden”, lachte ich fröhlich und wuschelte meinem Hengst durch die dichte Mähne.
      “Jetzt untertreib mal nicht, du hast richtig viel geschafft mit Divine. Oder hast du schon vergessen, wie er zu Beginn aussah.”, schüttelte Samu den Kopf.
      “Ja …”, nickte ich unbestimmt. Optisch sah ich auch definitiv einen Unterschied, aber reiterlich schien sich seit Dezember nicht mehr zu tun.
      “Lina, ich merke doch, dass da noch ein ‘aber’ ist”, sagte der Finne und blickte mich scharf an,” brauchst du erst eine Auszeichnung für deinen Erfolg?” Ich zuckte mit den Schultern, woraufhin er sein Handy zückte. Seinem Gesichtsausdruck konnte ich entnehmen, dass er etwas im Schilde führte. Dass er verdächtigt, lange auf darauf herum scrollte, bestätigte meine These.
      “Samu, was tuts du da?”, hinterfragte ich langsam misstrauisch werdend.
      “Ich schaue”, sagte er und klickte etwas an, “für welches Turnier ich Ivy und dich melden werden.” Ein selbstsicheres Grinsen lag auf seinen Lippen, als er dies aussprach.
      “Nein, das geht nicht”, quietschte ich beinahe und riss panisch die Augen auf. Unmöglich konnte ich auf ein Turnier gehen und dann auch noch mit Divine. Das würde doch sicherlich in einer Katastrophe enden.
      “Doch und wie das geht. Ist ganz einfach”, grinste er und tippe auf dem Bildschirm umher.
      “Nein, nein, nein”, protestierte ich und wollte ihm das Handy wegnehmen. Geschickt ließ er Hendrik zur Seite weichen und geriet dabei außer Reichweite. “Ich habe das doch noch nie gemacht und … und Ivy auch nicht. Das kann gar nicht klappen.”
      “Gut, dann nicht mit Divine”, sprach er den Blick noch immer auf dem Viereck in seiner Hand, “Ich nehme an du hast keine Turnierlizenz?” Fragend blickte er mich an, bevor er Hendrik ein wenig in seinem Tempo regulierte, um mir nicht einfach davonzureiten.
      “Ähm, was …”, blinzelte ich perplex. Samu schien entschlossener zu sein, als mir lieb war.
      “Okay, dann müssen wir dir erst einmal eine organisieren”, murmelte er und notierte sich etwas in seinem Handy, bevor es wieder in seiner Tasche verschwand.
      “Ich habe noch gar nicht gesagt, dass ich das mache”, versuchte ich es mit einem letzten Widerstand, doch es half nichts. Samu blieb fest bei seiner Überzeugung und begann damit auszuführen, was alles auf mich zukam, um besagte Lizenz zu erwerben. Irgendetwas von einer … Green Card. So richtig zu hören, ich ihm nicht, versuchte eher zu überlegen, wie ich aus der Nummer rauskommen konnte, ohne tausend Tode zu sterben oder mich vollständig zu blamieren …
      „Du musst aber mitkommen, sonst mache ich das nicht“, stellte ich meine Forderung, als er erneut dazu ansetze, dass es keinen Grund für meine Verunsicherung gab. Er hatte leicht reden, sein Leben war auch stet von Prestige und Erfolg gekrönt gewesen.
      Der Finne grinste breit: „Natürlich, du brauchst schließlich einen Fanclub.“
      „Soweit ich mich entsinne, besteht ein Fanclub, aber aus mehr als einer Person“, entgegnete ich kritisch.
      „Richtig, aber ich gehe davon aus, dass dein Freund und Vriska, ebenfalls als emotionale Unterstützung mitkommen werden“, sprach Samu wohl gestimmt. Der braune Hengst unter seinem Sattel brummelte zufrieden, fast so als habe er zugehört und wollte uns damit seine Zustimmung vermitteln.
      „Mhm, Vriska bewundert, zweifelsohne, lieber ihren Basti auf der Bahn, als mir zuzusehen, wie ich bei einem Einsteigerturnier versage“, sprach ich pessimistisch. Ich hatte in letzter Zeit nicht wirklich das Gefühl, dass jemand ein ernstes Interesse an dem pflegte, was ich tat. Zuschauer ließen sich nur selten blicken und außer Niklas fragte kaum jemand nach meinem Alltag. Dies verursachte das Gefühl in mir, mich wie einer diese Fake-Anzeigen an einer Uhr zu fühlen. Den einzig den Zweck hatten einen schicken, teuren Look zu erzeugen, ohne dass dem Produkt einen tiefen Sinn verlieh. Ich seufzte leise und strich Divine durch die dichte Mähne.
      „Sag schon, was brennt dir auf der Seele“, sprach Samu sanft, „du bist doch sonst nicht so still.“ Wie immer erkannte der Finne, dass es mehr gab als das ausgesprochene.
      „Nichts Wichtiges“, murmelte ich verschlossen. Wie so häufig, kam es mir nicht richtig vor meinen besten Freund in meine banalen Probleme einzuweihen. In den meisten Fällen konnte er ohnehin nicht helfen. Den braunen Hengst hatte Samu so dicht an den Freiberger herangetrieben, dass die Steigbügel klirrend aneinanderschlugen.
      „Linchen, wenn es dich so beschäftigt, kann es nicht so unwichtig sein. Sprich mit mir“, drängte er weiter darauf, die Ursache meiner Stimmung zu finden. In einer ermutigenden Geste strich er mir über meine Schulter. Ich druckste ein wenig herum, während ich zu erklären versuchte, was in mir vorging. Obwohl es mit Mola relativ gut funktionierte, versetzte eine Tatsache, die mir Nour letzten Freitag vor Augen führte, der anfänglich Euphorie einen ordentlichen Dämpfer. Die junge Stute war ein Rennpferd und für die Rennen musste, sei nun mal eingefahren werden. Genau in dieser Tatsache lag das Problem. Mal ganz davon abgesehen, dass meine Grundkenntnisse bezüglich des Themas ziemlich eingeschränkt waren und bereits eine Weile zurücklagen, brach mir allein beim Gedanken daran auch nur Leinen in die Hand zu nehmen, der kalte Schweiß aus. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, wenn es das Ziel war ein Pferd auszubilden. Demnach würde meine Zeit, mit Mondlandung, wohl ziemlich kurz werden.
      Gerade als ich Samu darin einweihen wollte, dass Niklas inzwischen eine Wohnung in der Stadt suchte, genauer gesagt, mittlerweile eine solche gefunden hatte und er jetzt eine Entscheidung von mir verlangte, begann das Handy in meiner Tasche wie wild zu zappeln und wollte gar nicht mehr damit aufhören. Ein eingehender Anruf von Vriska war der Grund, wie ich bei einem Blick auf den Bildschirm feststellte.
      „Liiiina“, schallte mir direkt ihre Stimme ins Ohr kaum hatte ich den grünen Hörer bestätigt, „wo steckst du?“ Allein an der Klangfarbe konnte ich mir vorstellen, wie sie ruhelos umherlief.
      „Ich bin mit Samu Ausreiten“, entgegnete ich und wollte noch den Grund für ihren Anruf erfragen, das fiel sie mir bereits ins Wort. „Wie schnell kannst du bei den Stuten an der Weide sein?“
      „Fünfzehn Minuten, wenn ich mich beeile, vielleicht … Acht“, schätze ich, die Entfernung zur Winterweide ab und überlegte gleichzeitig, was so wichtig sein konnte, dass es nicht warten konnte, bis ich von allein wieder zurückgekehrt wäre.
      „Perfekt, dann beeil dich“, war alles, was ich noch vernahm, bevor das Gespräch abrupt abbrach. Mist, der Mobilnetz war abgebrochen. Fragend hob Samu die Augenbrauen, als ich das Handy nach einem verzweifelten Versuch den Funk wiederzuerlangen, wegstecken.
      „Vriska möchte, dass wir zurückkommen. Ich glaube, es war wichtig“, erklärte ich knapp und versetzte meinen Hengst in den Trab. Ohne Protest tat Samu es mir gleich und wir folgten, dem schmalen Trampelpfad, der auf direktem Weg zum Hofende führte, als der Hauptweg.

      Vriska
      Rhythmisch bebte die Flanke der Stute, die auf der matschigsten Stelle im Gras lag. All das Weiß in ihrem Fell färbte sich braun-grau und mittlerweile auch Rot an den Fusseln der Hinterbeine. Ihren zerzausen Schweif hatte Lars in der Eile eingeflochten, um dem Fohlen den Weg auf die Welt zu erleichtern. Doch nun hing ich an seinem Arm. Die keuchende Atmung des Tinkers am Boden verunsicherte mich, gleichzeitig wusste ich, dass es ein Geschenk der Natur war. Keiner von uns ahnte, dass die Stute Beifang hatte, umso faszinierender, wie aus einem Pferd zwei wurden. Kleine Hufe ragten heraus und ich war mir nicht mehr sicher, ob ich weiter hier stehen wollte am Zaun.
      “Wo bleibt die nur?”, murmelte ich ihn Lars’ kräftige Schulter, an der ich nach Sicherheit suchte.
      “Lina kommt gleich”, aufmunternd strich er mir über den Rücken, “aber das Fohlen ist schon fast draußen. Hoffentlich verpasst sie das Aufstehen nicht. Das ist das Beste.”
      Er konnte nicht riechen, wie viel Kraft mir dieser Umstand raubte. Die letzte Geburt fiel auf schlechte Zeiten, für die Kölski nichts konnte und dass er ein Zwilling wurde, auch nicht. Der Stute nahm es viel und mir noch mehr, dass Krít derartig litt. Zeitgleich musste ich mit dem Tod meiner besten Freundin kämpfen. Zu viel für mein kleines Hirn, dass ohnehin Probleme schuf, die es nicht gab. Offenbar drückte sich das Chaos nach außen, denn Lars legte seinen Arm um mich.
      “Das wird schon und Lina kommt auch”, sagte er und zeigte zum Wegesrand. Ich richtete mich etwas auf. Holys Kind, rabenschwarz, mit kleinen Abzeichen an den Beinen, hing nur noch mit den Hinterbeinen in ihr.
      Von der Seite schallte gleichmäßiger Hufschlag auf dem nassen Waldboden. Das Trommeln drückte mir auf die Ohren. Kalte Luft zog wie eine Meeresbrise durch mein Haar, bevor warmer Atem mir am Ohr kitzelte. Eine weiche, helle Pferdenase drückte sich nah in mein Gesicht, obwohl ich eigentlich in Lars‘ Arm schützend lag.
      “Gerade noch rechtzeitig”, grinste ich Lina an, die sofort vom Hengst sprang. Ohne darüber nachzudenken, ließ sie die Zügel los und Samu griff direkt danach, mit einem unverständlichen Seufzer auf den Lippen. Sie stellte sich zu uns, schenkte meiner ungewöhnlichen Position keinerlei Beachtung, sondern blickte mit funkelnden Augen zur Stute.
      „Da ist der kleine Fratz ja schon“, stellte sie begeistert fest, „und so dunkel, gar nicht wie die Mama.“
      “Wer weiß, was sich auf ihr verirrt hatte”, lachte Lars, den Blick begierig auf mich gerichtet.
      „Los, geh‘ auch schauen. Wir haben so lange auf sie gewartet“, flüsterte er mir dann zu und gab mir einen kleinen Schubser, dass ich mich auch zum Fohlen bewegte.
      Holy stand auf, um ihr Neugeborenes zu säubern und der Rest der Herde kam langsam dazu. Dabei war auch Snotra, die ebenfalls ein Geschenk ankündigte. Unsere Vermutung aus Kanada hatte sich bestätigt. Glymur schaffte es in der kurzen Zeit zwei Stuten zu decken, zu meinem Enttäuschen war Kempa die andere. Von Milena hatte ich lange nichts mehr gehört und ich war froh, dass Tyrell ihr diese Nachricht überbrachte. Seiner Aussage zur Folge hatte sie keine Bedenken und freute sich sogar – kein Wunder, Glymur gehörte schließlich zu den guten Pferden.
      Ich scheute die Isländer etwas zur Seite, denn Holy wirkte alles andere als zufrieden mit der Situation. Ihre Ohren lagen im Genick und zwischendurch quietschte sie leise. Lina nährte sich dabei langsam dem Fohlen, um es genauer inspizieren zu können. Leise murmelte sie einige fremdländische Worte und behielt dabei die Körpersprache der Stute im Blick. Der Tinker schenkte ihr allerdings das nötige Vertrauen, sodass Lina sich mit geringem Abstand vor Holy mit dem Neugeborenen hocken konnte. Erschöpft lag das kleine Wesen im Gras und erhob langsam den Kopf und richtet zum ersten Mal die kleinen Ohren auf. Die Augen blinzelten langsam. Meine Beine standen wie verwurzelt auf der Stelle. In mir zerrte die Neugier, aber Angst und Schuld lag im Vordergrund meiner Bewegungsunfähigkeit.
      “Ivy scheint nicht der Vater zu sein, auch wenn es dich zu mögen scheint”, flüsterte ich mit einem zarten Schmunzeln.
      „Es scheint so“, nickte sie ein Lächeln auf den Lippen, „aber sicher hat Holy sich einen ebenso hübschen Hengst ausgesucht.“
      “Vielleicht erfahren wir es noch.”
      Eine Weile standen wir in der Herde. Tätschelten all die neugierigen Stuten. In kleinen und vorsichtigen Schritten kämpfte sich das junge Pferd auf die Beine. Zittrig stand es im Dreck, das Fell nass, aber sauber geputzt von der blutverschmierten Stute. Alle Augen waren auf es gerichtet und eine angenehme Stille hing in der Luft an diesem kühlen Märztag. Weiterhin nuschelte Lina in ihren hohen Kragen hinein, während ich die Stuten mit Mineralien aus meiner Jackentasche versorgte, um sie vom Fohlen fernzuhalten. Die Männer unterhielten sich am Zaun, nicht sonderlich angetan von der Situation.
      “Wann kommt denn der erste Traber?”, fragte Lars. Ich löste mich von den Stuten. Neugierig liefen sie mir nach, schließlich hatte ich noch immer die Leckereien bei mir.
      “Mitte, Ende April. Lotti war als Erstes trächtig geschallt worden”, klärte ich ihn auf. Langsam wurde mir kalt. Durch meine gefütterte Neoprenjacke kroch der Wind an meine verschwitzte Haut und Kleidung. Selbst die Winterreithose hielt nicht, was sie beim Kauf versprach. Wirklich passend gekleidet war ich somit nicht für einen so langen Aufenthalt auf der Weide, zu dem wollten wir nur kontrollieren, wie es den Pferden geht. Wer hätte es kommen sehen können, dass plötzlich ein Tinker im Dreck liegt?
      „Hat Nour dir schon erzählt, was Papa für eine Idee hatte?“, wechselte Lars das Thema. Ich schüttelte den Kopf und stieg durch den Zaun zu ihm. Samu drehte sich ebenfalls etwas ein, um dem Gespräch zu lauschen, denn seine beste Freundin war in ihrer eigenen Welt abgetaucht.
      „Er möchte ein oder zwei Pferde kaufen.“ In seinen Augen leuchtete es, als hätte er im Jackpot gewonnen.
      „Oh, das ist toll“, versuchte mich freundlich gesinnt auszudrücken, aber der ironische Unterton schwang mit. Woher mein Unmut rührte, erklärte sich mir nicht, aber vermutlich war es meine allgemeine Stimmung.
      „Auf jeden Fall und für Bear gibt es bereits Deckanfragen“, erzählte er weiter.
      “Und selbst ein Fohlen von ihm ziehen?”, schlug ich vor. Der Frühling stand bevor. Zugvögel kehrten aus dem Süden zurück, obwohl wir gerade einmal an den zehn Grad Celsius kratzten und das auch nur an wirklich heiteren Tagen. Noch deutlicher spürte man eine Leichtigkeit, ein beschwingtes Gefühl, das über den Hof zog, wie eine Welle aus Hormonen, von denen niemand verschont blieb. Es schien, als würde es in unserer Natur liegen, doch ich wusste es besser. Jahreszeiten beeinflussten uns nur in die Stimmung.
      “Nun”, er atmete stark aus, “wir haben noch einen Dreijährigen in Visby stehen, der von Bear abstammt.”
      Verblüfft drehte ich mich deutlich zu ihm.
      “Wieso habt ihr ihn nicht mitgebracht?”, hakte ich nach.
      “Er gehört uns nur zur Hälfte und bisher gab es keinen Grund den Trainer zu wechseln. Ihm geht es gut dort”, erklärte Lars zuversichtlich.
      “Schade, kein kleiner Bear am Hof”, theatralisch drückte meine Unterlippe über die andere.
      “Die beiden haben keine Ähnlichkeiten”, merkte er an. Aus der Innentasche seiner Jacke holte er das Handy heraus. Die Finger huschten zügig über den Bildschirm, bevor er mir das Gerät reichte. Irritiert drehte ich es. Überall waren Risse im Glas, die noch frisch wirkten. Durch die Folie sah ich, dass auch der Bildschirm betroffen war.
      “Mh”, seufzte ich in mich hinein.
      “Jetzt schau dir die Bilder an, nicht das Handy”, rollte er mit den Augen. In der Zeit verdunkelte sich die Oberfläche.
      “Geht nicht”, gab ich es ihm zurück. Lars schüttelte schmunzelnd den Kopf und tippte seinen Bildschirm-Code ein. Schon sah ich, was er mir präsentierte. Auf den Bildern war ein junges Pferd, schmale Beine, mit einem breiten Kopf und Rumpf. Den Nasenrücken zierte eine zarte Blesse. Nur ein Bein zeigte ein kleines Abzeichen. Von dem vielen Weiß des Vaters übertrug sich nichts auf das braune Tier und eine solche imposante Ausstrahlung hatte es ebenfalls nicht.
      „Cool“, sagte ich unbeeindruckt.
      “Was ist cool?”, schnappte Lina das Wort auf. Die Kleine beschloss wohl, dass das kleine dunkle Pferdebaby nun ausreichend Beachtung hatte. Möglicherweise lag ihre Wiederkehr aber auch an den herrschenden Temperaturen, die allmählich auch sie erreichten. Ivy hob den Kopf, als auch die Schritte seiner Besitzerin hörte. Einzelne kurze Grashalme ragten aus seinem Gebiss heraus.
      “Lars hat mir ein Bear-Kind gezeigt, aber es ist”, bewusst verstummte ich und biss mir auf die Lippe.
      Skeptisch hob er eine Braue.
      “Es ist was? Wolltest du etwas hässlich sagen?”, legte er mir nicht gesagt Worte in den Mund.
      Jetzt hob ich eine Braue, aber lächelte stolz zu ihm.
      “Das hast du gesagt, nicht ich”, scherzte ich.
      “Aber du hast es gedacht?”, fragte sie feixend und strich dem weichen Hengst, der sich ungestüm näher an den Zaun drängte, durch die dichten Haare auf seiner Stirn.
      “Noch nicht fertig. Das war mein Gedanke”, klärte ich die Situation auf, obwohl sie recht hatten. Samu hielt sich weiterhin aus der Sache heraus, aber folgte uns gespannt. Dabei fraß sein Berittpferd im Grünstreifen die wenigen Halme.
      “Ich denke, wir sollten zurück. Es wird kalt”, stelle Lars monoton fest.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 30.405 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte März 2021}
    • Mohikanerin
      Dressur A zu L | 30. September 2022

      Helix/ Connerys Brownie/ Glimsy/ Just a Bear/ Minelli/ Maxou/ Monet/ Aares/ Curly Lure/ Don Carlo

      asziniert beobachte ich, wie Lars mit seinem weißen Hengst über den Sand flog. Soweit wolle ich mit Ivy auch einmal kommen. Obwohl er mit Bear heute nur leichte Lektionen machte wirkte es leicht und mühelos, doch auch Neele und ihr Pony machten keine schlechte Figur.
      “Wen bewunderst du, ihn oder das Pferd”, kam Sam schmunzeln, mit einem Schimmel am Zügel angelaufen.
      “Beide”, murmelte ich versonnen und konnte die Augen kaum von meinem Kollegen und dem Hengst lösen.
      “Ihr würdet hübsch zusammen aussehen, vor allem mit euren Pferden”, grinste sie, bevor sie mit Helix die Bahn betrat. Die Vorstellung, mit Lars und seinem majestätischen Hengst Seite an Seite zu reiten, faszinierte mich. Sams Worte hallten in meinen Gedanken wider, während ich weiterhin Lars und seinen Hengst beobachtete. Mit der Zeit wurde die Halle allmählich voller, als auch noch Vriska mit ihrem Pony dazu kam. Maxou wirkte zwar noch immer nervös, doch je länger sie hier war, desto ruhiger wurde sie. Es war inspirierend zu sehen, wie jeder Reiter in der Halle seine eigenen Ziele verfolgte und mit Leidenschaft an ihnen arbeitete. Jeder von uns hatte seine eigenen Herausforderungen und Ängste zu überwinden, aber wir waren auch füreinander da, um uns zu unterstützen und zu ermutigen. Die Halle war erfüllt von der rhythmischen Klangkulisse der Hufe und den konzentrierten Gesichtsausdrücken der Reiter. Jeder von ihnen arbeitete hart daran, die feinen Nuancen der Dressurlektionen zu meistern.
      Lars und Bear zeigten eine beeindruckende 8-Meter-Volte, bei der sie harmonisch und präzise um die Wendepunkte schwebten. Die Leichtigkeit, mit der sie diese anspruchsvolle Lektion ausführten, war bewundernswert. Es war offensichtlich, dass Lars zu seinem Pferd eine enge Verbindung hatten und sie sich blind aufeinander verlassen konnten.
      Neele demonstrierten mit Monet einen eleganten Außengalopp, bei dem sie in harmonischer Einheit durch die Bahn schwebten. Die Anmut und Geschmeidigkeit, mit der sie sich bewegten, zeugten von jahrelanger Hingabe und harter Arbeit. Nach einer Weile fand ein Wechsel der Pferde in der Halle statt, was auch für mich bedeute zurück an die Arbeit zu gehen.

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    • Mohikanerin
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      Rennen A zu L
    • Mohikanerin
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      kapitel fyrtio | 03. November 2022

      Maxou / Northumbria / Mondlandung LDS / Anthrax Survivor LDS / Forbidden Fruit LDS / Legolas / HMJ Divine / Just A Bear / Heldentum LDS / Astronaut in the Ocean LDS / Harlem Shake LDS / Outer Space / Moonwalker LDS / Meltdown / Pay My Netflix / Henade / Millennial LDS

      Vriska
      Nicht anders als erwartet, klingelte der Wecker wahnsinnig früh. Lars sprang beinah aus dem Bett, der Gesichtsausdruck ebenso müde wie meiner. Wir schwiegen, aber stellten durch reinen Augenkontakt sicher, dass es auch besser war. Während er zunächst das Badezimmer besuchte, schaltete ich die Kaffeemaschine ein. Sie piepte.
      „How dare you”, murmelte ich und füllte den Wassertank auf, wie sie es mir auf kleinen Display als Fehlermeldung ausgab. Einige Wassertropfen gingen daneben. Seufzend griff nach dem Küchentuch am Haken und wischte jene weg. Beide Kaffees waren bereits umgefüllt in Thermobecher, als mein Kollege endlich aus dem Bad kam. Jeder, der mir vorwarf, dass ich am Morgen Stunden darin verbrachte, kannte Lars nicht! Ich ärgerte mich noch etwas darüber, als ich im Anschluss den Raum betrat und wir wenig später zum Stall trödelten.
      „Wie immer?“, fragte er mit kurzen Worten. Damit meinte er, dass wir erst die Tröge in den Boxen füllten und im Anschluss ihre Bewohner holten. Es folgten die Hengste von den Paddocks und zum Schluss die Stuten.
      Die ersten zwei Arbeitsstunden vergingen. Nur langsam näherte sich die Sonne, an dem eher kühlen Tag und ich überlegte, womit ich anfangen sollte. Aus den wenigen aktiven Rennpferden wurden gefühlt immer mehr. Beinah wöchentlich kam Tyrell auf die Idee, ein weiteres Jungpferd von der Weide zu holen und uns damit zu beauftragen, es anzufahren. Immerhin beschäftigte er sich ebenfalls mit den Tieren bei der Bodenarbeit. Hinten und vorn kam ich durcheinander und war froh, wenn nur zwei Tiere für den Tag an mich zugeteilt wurden. Humbria hatte Pause, schließlich stand ein Rennen morgen an. Um mich zu gewissermaßen, wer noch mitkommen würde, holte mein Handy hervor. Tatsächlich waren es mehr als sonst. Sieben Pferde standen auf der Liste, zwei mehr, als wir durchschnittlich transportierten. Vielleicht lag es auch am Standort. Die Konkurrenz in Mantorp war überschaubar, mittelmäßig, ebenso die Dotierungen – dafür war die Stallanlage wunderschön und gepflegt. In der kleinen Gemeinde selbst gab es kaum etwas, neben der Trabrennbahn und Rennstrecke.
      „Was sitzt du hier herum, nichts zu tun?“, trat mein Bruder unverhofft in den Mitarbeiter-Raum herein.
      „Ich habe geschaut, welche Pferde morgen mitkommen“, erklärte ich.
      „Einige, soweit ich weiß“, sprach er, „ihr bleibt über Nacht, oder?“
      „Meiner Kenntnis nach, ja. Wieso?“, skeptisch schielte ich über meine Brille zu ihm hinüber. Mit verschränkten Armen stand er an den Küchentresen gelehnt, als gäbe es ein Problem.
      „Du hast Geburtstag. Willst du diesen nicht feiern?“, rückte er mit der Sprache heraus.
      „Nein?“, schrie ich beinah hysterisch und drückte mich mit den Händen von der Tischplatte ab, um aufzuspringen.
      „Schon gut. Ich wollte nur nachgefragt haben“, zuckte Harlen zurück. „Nimmst du deine Freundin wenigstens mit?“
      „Wir haben nicht darüber gesprochen“, gab ich achtlos zu verstehen und stürmte hinaus. Auf Gespräche wie diese hätte ich verzichten können, primär meinen Bruder sollte klar sein, dass dies ein schlechtes Thema am frühen Morgen. Oder allgemein.
      Verloren irrte ich durch den Stall, versuchte eine Aufgabe zu finden, was hinsichtlich der Müdigkeit und des allgemeinen Befindens alles andere als leicht erschien. Mehrmals lief ich den langen Gang an den Boxen vorbei, schaute zwischendurch zu den Pferden, bevor ich vor Frust den Weg zur Hütte einschlug. Allerdings kam ich nur bis zum Ende der Boxen, denn da stand Lars, mit Mola am Strick. Diesen übergab er mir.
      „Hier, du fährst mit ihr“, sagte er.
      „Warum? Lina arbeitet doch mit ihr“, wunderte ich mich zugleich und strich der neugierigen Stute über die Nase. Sie musterte mich mit ihren treuen Augen. Sanft spürte ich den warmen Atem aus den Nüstern auf meiner Haut, verwehte dabei einige Strähnen aus dem Gesicht.
      „Sie fährt aber nicht und du kannst besser mit Stuten umgehen als ich. Auch, wenn ich das ungern zugebe“, grinste mich mein Kollege an.
      „Na gut, hoffentlich nehme ich dir nicht die Arbeit weg“, gab ich mit einem Schmunzeln zurück.
      „Oh nein, wie schade, ein Pferd weniger. Da werde wohl wieder schlecht schlafen“, lachte Lars, dann verfinsterte sich die Miene, „Ich bin dir tatsächlich sehr dankbar, weil Anti sprang, abermals in das Gitter der Führanlage und nun spinnt der Motor.“
      „Und warum macht dein Papa das nicht?“
      „Der hat anderes zu tun“, erklärte er im Gehen, „bei den Stuten ist schon wieder die Heizung ausgefallen, deswegen funktionieren die Tränken nicht.“
      „Langsam bräuchten wir einen Haustechniker“, rief ich ihm noch nach. Nur unklar schwang eine Antwort an mich heran, die allerdings im Windzug und zwischen den Pferdegeräuschen unterging.
      „Und was machen wir beide?“, tätschelte ich Mola am Hals. Zusammen standen wir in der Putzbucht, die Stricke am Halfter befestigt und ich suchte mal wieder nach einer Bürste. Seit einigen Tagen lagen die Dinge nicht mehr Regal, sondern überall verteilt. Unglaublich, wer hinterließ nur so ein Chaos? Letztlich holte eine der Putztaschen aus der Sattelkammer und befreite das Pferd vom Staub. Schwer waren ihre Augenlider und der Atem ruhig. Ebenso still wie der Stall – keine blöden Sprüche aus der Halle, keine gezwungenen Gespräche – nur der Wind an den Scheiben und das Hufgetrappel auf dem Beton.
      Mola war sauber, trug den kürzesten Gurt, den ich fand und eine schwarze Unterlage. Über das Vorzeug dachte ich nur einen Moment nach, griff nach dem Erstbesten. Es fehlte nur noch der richtige Beinschutz sowie ihre Trense.
      Mit dem Sulky eingehängt, führte ich sie hinaus. Wir lenkten in den Wald ein. Frische Spuren mehrerer Pferde zeichneten sich in Sand, was sich nur auf Lina und ihre Gefolgschaft zurückführen ließ. Durch leichtes Zupfen an den Leinen blieb Mola stehen, spitzte die Ohren und ich versuchte ebenfalls herauszufinden, wie weit sie entfernt waren. Im Surren der Baumkronen flatterten Vögel hervor und leise schwebten einige Nadeln herunter. Mola lief auf Kommando wieder an. Ich wollte niemandem begegnen, also ging ich auf die mittlere Grasbahn, auf der für gewöhnlich nicht geritten wurde. Mich belastete der bloße Gedanke, dass ich Linas Pferd am Wagen hatte, obwohl sie es nur pflegte. Jede Begründung in meinem Kopf ergab nur wenig Sinn, dennoch konnte ich mich nicht davon lösen. Mir fiel es zwar leicht, ein Pferd abzugeben, dennoch bedeutete die Abgabe meistens den generellen Verlust. Fruity, die mittlerweile in Kalmar stand, war eins davon. Sie zu sehen, schmerzte, obwohl sie bei der Familie gut aufgehoben war. Manchmal erzählte Eskil mir vom gemeinsamen Training, aber ich hörte nie richtig zu.
      Nach einer Runde im Schritt trabte ich locker an und hielt das Tempo. Mola streckte sich. Wie die meisten unserer Traber, zog sie nicht an den Leinen, sondern wartete darauf, dass man nachgab. Ihren Kopf hielt sie selbst und fand damit selbst die Balance, sodass ich nur ihr Tempo über die Stimme regulierte. Meinen Blick richtete ich auf den kleinen Monitor vor mir. Gleichmäßig blieb ihre Herzfrequenz. Besonders bei den jungen Tieren war es wichtig auf Ausdauer zu setzen, damit sich der Herzmuskel langsam stärkte, sonst konnte es zu bösen Verletzungen kommen. Eine halbe Stunde später kamen wir zum Hof zurück. In der kalten Luft dampfte sie und wirkte dabei wie ein kleiner Drachen. Schmunzelnd stieg ich vom Bock und führte sie in die Stallgasse hinein. Dort herrschte ein reges Treiben, denn offenbar war Lina mitsamt ihrem Hofstaat bereits zurückgekehrt. Lego döste entspannt unter dem Rotlicht, während sein Reiter die Beine vom Dreck bespritzten Stoff befreite. Alle weiteren Pferde standen ordnungsgemäß zwischen den Anbindepfosten. Oder besser fast alle. Divine schob, begleitet von einem kratzenden Geräusch seine Futterschüssel, quer über die Stallgasse und hinterließ dabei einen Spurt aus Hafer, als wolle er wie Hänsel und Gretel seinen Weg markieren. Leicht schockiert blickte ich in die Menge, beinah erstarrt, doch Mola stupste mich an, als würde sie mich erinnern wollen, dass ihr kalt war.
      „Oh, Hallo“, lächelte Sam, die als erste Notiz von mir nahm. Freundlich stellten sich die Ohren des rundlichen Fuchses zu ihrer Linken auf.
      „Godmorgon“, murmelte ich überfordert von der Situation, schließlich bin ich bis zur letzten Sekunde davon ausgegangen, niemanden anzutreffen. Doch nun musste ich mich dem stellen, dass ich Mola gefahren war. Hitze stieg in mir auf, trotz der Kälte.
      „Wer ist denn das hübsche Tierchen?“, fragte die Schweizerin interessiert und hielt der Stute die Hand zum Beschnuppern hin. Neugierig bewegte sie ihre Lippe in die Richtung, aber begann dann, sich an ihr zu reiben. Mit dem Finger im Gebissring zog ich sie weg.
      „Mola“, antwortete Lina ihr, „das Jungpferd, was ich ausbilde. Na ja, zu teilen zumindest.“ Sie klang freundlich, wie immer, doch das standardisierte sanfte Lächeln ließ eine Regung nur schwer erkennen.
      „Und heute musste ich sie fahren“, murmelte ich gedrückt, bewusst den Augenkontakt meidend.
      „Wie war’s, hat die Kleine sich benommen?“, erkundigte sie sich interessiert. Falls es sie störte, dass jemand bei „ihrem“ Pferd mitmischte, ließ sie sich das nicht anmerken. Laut schepperte es, als Ivy auf seinem Weg eine Boxentür rammte. Lina zupfte leicht an seiner Mähne, woraufhin er den Kopf hob und sie ihn zurück dorthin führte, wo er ursprünglich gestanden haben musste, zumindest ließen die Hufglocke mit den Ottern dies vermuten. Von seinem neuen Standort aus ging nun die Suche nach den Futterkrümeln los. Warum konnte sie nicht wie jeder andere das Pferd befestigen? Innerlich schüttelte ich mit dem Kopf.
      „Ja, alles gut. Die Herzfrequenz schwankt noch, aber es geht Bergauf“, erklärte ich zuversichtlich, „in zwei Monaten spätestens soll sie in die Qualifikation.“
      „Das ist schön zu hören“, nahm sie die Information zur Kenntnis und befestigte inzwischen doch die Halteseile an ihrem Pferd, welches geradewegs eine fremde Futterschüssel ansteuert. Nach kurzem Schweigen führte ich Mola schließlich vor den neugierigen Blicken aller vorbei, selbst Niklas stand dabei und sah beinah mitleidig aus.
      „Ich gehe dann“, verabschiedete ich mich zittrig in der Stimme.
      „Ist alles in Ordnung mit dir?“, kam Lina mir nachgelaufen.
      „Ja … nein, keine Ahnung. Hat Niklas dir nichts erzählt?“, flüsterte ich. Am Gurt löste ich die Sicherheitsschnallen und drückte den Verschluss hinunter, um den Sulky herauszunehmen. Mola drehte sich einmal neugierig zu mir um, aber verharrte auf der Stelle. Erst dann befestigte ich sie in der Gasse.
      „Erzählt?“, fragte sie irritiert, „Ich weiß nicht …“
      „Interessant … nun, ich hatte gestern sehr freundlichen Besuch“, seufzend rollte ich mit den Augen und fummelte die Leinen auf dem Geschirr heraus, „Nelly ging davon aus, mir ihre Meinung zu unterbreiten, auch wenn sich mir noch nicht ganz erschließt, wie sie herausfinden konnte, wo ich wohne.“
      „Was? Das ist ja heftig“, mit weit geöffneten Augen blickte sie mich an.
      „Joa. Ich soll mich von Basti fernhalten, aber er antwortet mir ohnehin nicht, also passt schon“, murmelte ich. Den Gurt hob ich vom Rücken und legte ihn über die Mauer. Das Gebiss hängte ich an den Verschluss. Erleichtert schüttelte sich die verschwitzte Stute.
      „Oh nein, das tut mir leid“, entgegnete sie mitfühlend, „kann man dir irgendwie beistehen?“
      „Keine Ahnung“, ich zuckte mit den Schultern und schaltete den Wasserhahn. Ich wartete, bis es wärmer war und begann, den Schweiß aus dem Fell zu waschen. Lina ging einen Schritt zurück, um dem Strahl auszuweichen.
      “Was hältst du davon, wenn wir uns heute einen netten Abend machen, nur wir zwei?”, schlug sie vor, “Oder möchtest du lieber Zeit für dich?”
      „Kommst du morgen nicht mit?“, umging ich ihre Vorschläge. Mit weichen Knien tastete ich mich wieder zum Hahn vor und stellte diesen ab.
      “Es fragte mich bisher keiner gefragt, aber gerne komme ich mit”, entgegnete sie.
      “Jemand muss doch die Pferde trocken führen”, grinste ich.
      “Ach, du suchst noch einen Sklaven”, lachte sie, “Na gut, weil du es bist.” Sanft strich sie Mola über die nach vorn gestreckter Schnauze.
      “Es zählt zum Arbeiten, also bekommst du dein Geld”, nahm ich ihr den Wind aus den Segeln. Am Ende des Tages kamen wir alle gut klar, natürlich, Tyrell gab uns auch Verpflegungsgeld mit.
      “Ist ja gut, darum geht es doch gar nicht”, lächelte sie, “Ich wäre auch so mitgekommen.”

      15:30 UHR

      Nachdem Mola aufgefressen hatte und trocken war, konnte sie zurück auf dem Paddock. Von dort nahm ich das nächste Pferd mit in den Stall, um erneut zur Bahn zu fahren. So ging es noch ein paar Mal, bis der Plan mir keine weiteren Tiere anzeigte. Zwischendrin traf ich auf Lars, der sich den Hengsten widmete. Gerade, als ich Feierabend machen wollte, holte er mich zurück.
      „Wo willst du hin?“, fragte er verwirrt und ich drehte auf der Ferse um.
      „Auf die Couch“, antwortete ich trocken.
      „Aber Lina darf doch den Bären kennenlernen“, lachte Lars. Mir erschien kein Licht, als dass mir diese Information bekannt war.
      „Okay, schön. Was habe ich damit zu tun?“, hakte ich unbeteiligt nach.
      „Wir hatten gestern darüber gesprochen“, runzelte er die Stirn, „du kannst natürlich auch gehen, aber sie freut sich sicher. Außerdem ist Hulk mittlerweile nach Hause.“
      Lars tat beinah so, als wäre der Kerl ein Problem für mich, obwohl er in letzter Zeit ganz erträglich war – insbesondere, wenn ich an die Nacht dachte. Ein zartes Lächeln zuckte über meine Lippen und ich entschloss, noch zu bleiben. Zusammen liefen wir zum Anbinder, an dem Lina bereits, wie ein Reitschüler um das helle Pferd huschte, mit einem breiten Strahlen im Gesicht. Es schien beinah so, als wäre ihr Traum in Erfüllung gegangen, obwohl der Gedanke ziemlich weit hergeholt war.
      “Schön, beehrst du mich auch, Vriska?”, sprach sie beschwingt.
      „Natürlich, der Teddy bringt dir sicher neue Perspektiven“, brachte mich ihre Art ebenfalls auf Glücksgefühle, obwohl ich vor Minuten noch überlegt hatte, wie ich für ein paar Monate erneut verschwinden könnte. Lars, der sonst seine Blicke auf mich richtete, hing an Lina. Das Funkeln in seinen grünen Augen und diese gewissen Züge im Gesicht ließen nur erahnen, woran er gerade dachte. Ich beobachtete ihn nur für kurzen Moment, bevor ich ihn in die Seite zwickte und er sich krümmte.
      „Ey, was soll das?“, empörte er sich. Bears Ohren drehten interessiert in unsere Richtung und auch Lina drehte sich um. Da meinerseits keine Antwort kam, richtete sie sich dem Pferd hin und zurrte den Gurt fest.
      „Sie hat seinen Freund. Denk gar nicht daran“, flüsterte ich ihm ins Ohr.
      „Weiß ich doch“, schmunzelte er selbstsicher und zog eine Augenbraue verdächtig hoch.
      Lina und Bear waren so weit. Sie klickte den Verschluss des Helmes zu. Zusammen liefen die drei vor, ich folgte stumm. Aus dem Schrank hatte ich mittlerweile mein Handy geholt, scrollte die Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm durch, aber entdeckte nichts, das meine Aufmerksamkeit bedarf. Lars gab Lina noch wichtige Tipps an die Hand, bevor er die Hand in den rechten Bügel drückte und sie sich in den großen Sattel schwang. Behutsam drückte sie die Beine in die Seite, während ihre Hände noch die langen Zügel sortieren. Der stämmige Hengst wurde mit vier an der Zahl geritten. Zwei davon führten zum Gebiss, die anderen zum Kappzaum.
      Von der Seite kam Nour angelaufen.
      „Oh, Lina reitet das Bärchen!“, stellte sie mit Begeisterung fest und setzte sich neben mir auf das Holz. Ihre schwarzen Haare hatte sie heute mal wieder offen, wie auch alle anderen Damen am Hof, bevorzugte sie einen Pferdeschwanz und an manchen Tagen trug sie diese sogar geflochten. Meistens war Lina der Grund dafür, denn sie diente ihr häufig – in Bezug auf die Haarpracht – als Vorbild. Tatsächlich bemerkte ich immer häufiger, wie wir uns alle an Lina orientierten.
      „Aber was sitzt du denn hier wie ein nasser Sack?“, fragte Nour nach Minuten der Stille. Lars war beschäftigt mit dem Reitunterricht, denn im Gegensatz zu den Freibergern, erwies sich Bear als sehr fein an den Hilfen. Jeder Druck zu viel am Bein bewegte den Hengst dazu, das Tempo zu erhöhen.
      „Ich weiß auch nicht, Nour. Es ist ziemlich viel im Moment“, hielt ich mich bedeckt, ihr Gegenüber, wissend, dass es sonst jeder wusste binnen Stunden.
      „Nelly hat es erzählt“, blickte sie mich mitleidig an.
      „Was denkst du denn? Bin ich zu weit gegangen?“, begann ich tatsächlich Rat bei ihr zu suchen, aber sie war mir das auf eine gewisse Weise auch schuldig. Schließlich war Nour es, die unbedingt eine Verbindung zwischen uns aufbauen wollte.
      „Nein, du hast dich richtig verhalten. Dass Basti wieder ankam, war doch auch nur eine Frage der Zeit“, sagte sie und lächelte.
      „Wie meinst du das?“, nachdem mir erzählt wurde, dass er kalt sei und kaum Gefühle zu ließ, hätte mich nicht darauf schließen lassen. Viel eher ging ich davon aus, ihn unglaublich nerven zu müssen, um Kontakt aufzubauen.
      „Vivi, der steht auf dich. Was denkst du, wieso er mit dir Essen geht und bei seinen Freunden auch dich dahaben möchte?“, sprach sie die Umstände aus, vor denen ich Angst hatte, zu denken.
      Unklar seufzte ich.
      „Es bringt nur nichts, wenn er eine Freundin hat“, murmelte ich.
      „Das stimmt. Hast du ihm das gesagt?“, hakte Nour weiter nach, die Worte mit Bedacht gewählt. Etwas war anders an ihr, tatsächlich fühlte es sich wie ein freundliches Gespräch an. Sonst lag eine gewisse Neugier in der Luft, die nun versteckt, im Inneren verstaut war.
      „Indirekt, aber er hat mir bereits klargemacht, dass er Nelly nicht verlassen wird. Damit ist das Thema für mich durch und ich muss ihn ziehen lassen“, sprach ich gedrückt zu Ende und starrte zum wiederholten Mal auf mein Handy, dass ich mittlerweile aus der Hose herausgeholt hatte. Lag mit dem Bildschirm nach unten auf dem Holz. Nour bemerkte dies natürlich.
      „Du vermisst ihn, stimmt das?“
      „Sehr, ja“, gab ich zu, „aber Lars hat gesagt, dass ihm Zeit geben soll. Wenn er mich braucht, wird er sich melden.“
      „Das klingt aber nicht danach, dass du ihn ziehen lassen möchtest“, scherzte sie.
      „Ich habe meinen Namen gehört“, drehte sich Lars auf der Reitbahn zu uns. Auf dem Zirkel bei A galoppierte Lina gerade, versuchte die großen Sprünge des Hengstes zu sitzen, aber wurde im zu großen Sattel nach vorn geschoben. Die starke rote Färbung ihres Gesichtes ließ mich nur ahnen, wie viel Kraft sie aufwenden musste.
      „Vergiss nicht zu atmen“, rief er ihr noch zu und stand dann mit den Armen auf der Bande vor uns.
      „Tatsächlich ja“, grinste ich, auf seine Anmerkung antwortend.
      „Aber es dreht sich nicht alles um dich“, trug Nour dazu bei. Die Geschwister sahen einander mit abschätzigen Gesichtszügen an, als würden sie genau die Gedanken des anderen hören können, während ich nichts verstehend daneben saß.
      „Worüber quasselt ihr? Vivi scheint mir ziemlich fröhlich“, blickte er skeptisch zu mir, als dürfte ich nur schlechte Laune haben.
      „Ihre Beziehung“, grinste Nour überzeugt.
      „Du meinst wohl eher, die Wunschvorstellung von einer“, zischte er. Aua. Das saß tief. Wie eine Diva drückte Lars sich vom Holz weg und stiefelte zurück in die Mitte.
      „Es gibt Tage, da ist er komisch. Hör nicht auf den“, versuchte sie mich wieder auf bessere Laune zu stimmen, aber das Thema war emotional durch. Schweigend saßen wir im Zuschauerbereich und beobachteten Lina, bis sie fertig war mit Bear. Lars wurde ungnädig, forderte viel von ihr und brachte sie ans Äußerste. Vermutlich konnte meine Kollegin damit einiges lernen, aber deutlich spürte ich die Frustration, die in Form von weiteren Fehlern ans Tageslicht kam. Endlich gab er nach und ließ sie allein Abreiten.
      „Wir bringen dann die Pferde raus“, verabschiedete sich Lars für den Augenblick und begann, mit Nour die ersten Tiere aufs Grün zu bringen.
      “War das anstrengend und ich dachte bereits Nikis Ansprüche seinen hoch”, erschöpft hielt sie mit dem hellen Hengst vor mir an. Sabbert tropfte aus seinem Maul, während er zufrieden das Metall in seinem Maul bearbeitete.
      “Mit Lars ist nicht gut Blumen pflücken”, scherzte ich. Wenn ich es verglich mit meinen Stunden bei ihm, musste Lina deutlich mehr hinnehmen. Eine Einordnung war schwierig.
      “Ich merke schon”, lächelte sie matt, ”aber Bear hat Spaß gemacht.” Sanft klopfte sie dem Traber den Hals und wuschelte durch die bunte Mähne. Zum Sauber machen begleitete ich sie. Seitdem ich mehr mit den Rennpferden arbeitete, bevorzugte ich es, die Pferde komplett abzuspülen, dass der Schweiß zum Abfluss lief. Lina war mit dem Füttern beschäftigt und ich reinigte das weiße Pferd. Bevor das Wasser durchsichtig wurde, spülten sich Massen an Dreck heraus.

      20:40 UHR

      Inzwischen saß ich bei Lina, oder eher meinem Häuschen, auf dem Fußboden, ziemlich abseits der Gespräche. Auf dem Wohnzimmertisch standen mehrere leere Gläser und Flaschen, die wir bis dato getrunken hatten. Die Stimmung war locker, nur ich fühlte mich noch immer fehl am Platz. In meinen Händen hielt ich fest die braune Flasche mit einem halben Etikett, starrte durch den Hals auf den Grund. Ein letzter Schluck darin schäumte sanft und ein bitterer Geruch stieg in meine Nase. Leise seufzte ich.
      “Ist dir heute nicht nach Gesellschaft?”, fragte Lina sanft, die auf dem zum Kühlschrank an mir vorbeigeschlendert kam.
      “Weiß nicht. Ich kann leider nichts Sinnvolles beitragen”, klagte ich.
      “Das erwartet doch auch niemand von dir”, sprach sie gutmütig. Im Hintergrund klirrte es, als ein Glas umfiel. Glücklicherweise bestand der Inhalt nur aus wenigen Tropfen, die sich auf dem Tisch verteilten. Auf der Zunge zuckte ein Kommentar, aber die Worte verklebten meine Lippen.
      “Vielleicht sollte ich wieder gehen”, redete ich leise vor mich hin, ohne wirklich zu erwarten, dass es jemand mitbekam. Wie eine alte Frau drückte ich mich mit den Händen vom Parkettboden ab und stellte die leere Bierflasche beiseite, um meine Jacke zu holen.
      “Du willst schon gehen?”, rief Sam plötzlich quer durch den Raum, offenbar hatte sie nicht nur Augen für den einzigen Mann in der Runde.
      “Ja, ich störe doch nur mit meiner Laune”, grinste ich selbstironisch.
      “Du störst doch nicht”, leugnete sie meine Aussage. Wie zur Untermauerung dieser Aussage nickten Lina und auch Nour grinste freundlich.
      „Jetzt lass dich doch nicht so runterziehen, das wird schon“, stimmte Lars‘ Schwester an, obwohl sie genauso gut wusste, dass die Worte nicht mehr als hohle Phrasen waren. Natürlich musste ich da durch, aber es war leichter, als er mich beim ersten Mal ignorierte.
      „Ist doch schon gut“, rollte ich mit den Augen und holte mir ein weiteres Bier. Schließlich setzte ich mich mit in die Runde.
      “In welchem Semester studierst du jetzt, Enya?”, nahm die Schweizerin, das Gespräch wieder auf, während Lina die Gläser mit roter Flüssigkeit befüllte.
      “Ich bin jetzt im Elften. Im Mai bin ich endlich fertig”, erklärte sie und unterstrich dies mit theatralischen Gesten.
      “Oh, schreibst du also gerade deine Doktorarbeit?”, fragte Lina interessiert.
      “Nicht ganz”, lachte Enya, “Ich mache gerade mein Staatsexamen und die Doktorarbeit kommt erst danach. Aber ich weiß bereits, worüber ich schreiben werde.” Erwartungsvoll blickten die anderen drei Mädels die Schwedin an.
      “Wer hätte es gedacht, über Pferde”, grinste sie, “genauer gesagt soll es eine Forschungsarbeit über bisher unbekannte Farbphänomene werden.”
      “Oh, das klingt cool”, sprach Lina begeistert, “Wäre Mola nicht perfekt dafür?” Aufgeregt sprang sie auf und suchte wie wild nach ihrem Mobilgerät, das augenscheinlich nicht in näherer Umgebung zu liegen schien.
      “Was hast du vor?”, rief Samu der Brünetten hinterher, als sie aus dem Zimmer wuselte. Er bekam keine Antwort, stattdessen krachte es wenig später besorgniserregend.
      “Die fährt bestimmt wieder ihren Film”, schüttelte ich mit dem Kopf und formte die Beine in den Schneidersitz.
      “Renoviert sie da drin?”, scherzte Sam, als weitere undefinierte dumpfe Geräusche aus dem Zimmer erklangen. Ich zuckte mit den Schultern. Kurz darauf kam sie aus der Tür getreten und lief ins Badezimmer.
      “Ha, ich hab’s”, rief sie triumphierend und kehrte mit ihrem Handy in der Hand zurück, welches sie sogleich Enya vor die Nase hielt.
      “Langsam Lina, der genau Rahmen ist noch gar nicht festgelegt”, bremste sie die Kleine in ihrem Enthusiasmus aus, “aber es ist ein wirklich hübsches Pferd.”
      “Wir hatten auch noch einen weiteren Nachkommen, aber der ist mittlerweile in Kanada”, warf ich in die Runde.
      “Ihr verkauft sogar außerhalb Europas? Respekt”, sprach Sam anerkennend. Ich wusste, dass sie selbst züchte, allerdings wohl in deutlich kleinerem Rahmen, als wir es hier taten.
      “Traber werden versteigert und da weiß man nie, wo der Jährling landet”, erklärte ich wahrheitsgemäß, “und besonders die Tiere aus Schweden sind beliebt auf dem Markt. Ein Grund mehr, weshalb Tyrell hierher wollte.”
      “Taktische Standortwahl, wirklich geschickt”, nickte sie, “das kann ich nicht gerade behaupten.” Sie lachte selbstironisch.
      “Dass es keinen Kredit mehr gab, weil das Gestüt abgebrannt ist, gehört auch dazu und Freiberger als Freizeitpferde mit Sportpferden ist schwierig”, zischte ich teils zickig, teils genervt.
      “Jetzt reiß dich doch mal zusammen”, flüsterte Nour mir ins Ohr, aber ich schwieg. Die Schweizerin sagte nichts weiter, schüttelte nur kaum merklich den Kopf, doch Lina schienen die Worte förmlich auf der Zunge zu liegen. Eindringlich blickte der Finne ihr in die Augen, als wisse er genaustens, was sie tun wollte.
      > Anna sen olla
      “Lass gut sein”, sprach Samu, bevor auch nur ein einzelner Buchstabe ihre Lippen verließ. Es folgte ein intensives Blickduell, was beinahe wirkte wie eine stumme Diskussion, bis die Kleine schließlich aufgab und den Blick abwendete.
      “Möchte noch jemand was zu trinken?”, fragte sie in die unangenehme Stille hinein, leerte ihr Glas in einem Zug, um es gleich darauf wieder aufzufüllen.
      “Besser nicht, ich fahre morgen den Transporter”, erklärte ich und stellte die leere Bierflasche auf dem Tisch ab. Auch Nour, die bisher nur ein Glas getrunken hatte, lehnte ab. Bei den anderen erübrigte sich die Frage aufgrund der nahezu noch gefüllten Gläser, genauer gesagt der etwas längeren Heimreise, die Samu und seine Freundin zurückzulegen hatten.
      “Welche Pferde nehmen wir morgen eigentlich mit”, nahm sie den Themenwechsel auf und drückte den Korken wieder auf den Flaschenhals.
      „Viele“, beschloss ich, nicht jedes aufzuzählen.
      „Mill fährt morgen ihr erstes Rennen mit Papa. Und ich habe mir wieder Walker“, schloss Nour sofort dem Thema an. In ihren Augen funkelte es, schließlich ging es um ihren Liebling.
      „Klingt, als hätten wir morgen einiges zu tun“, stellte Lina fest, „Da bin ich gespannt, wie Milli sich schlägt bei ihrem ersten Mal.“
      „Vor allem ist es ein Bänderstart. Grundsätzlich konnten wir das gründlich üben, aber bei der Qualifikation zog sie sich wirklich gut ans Auto, also mal sehen. Sie fährt gegen sechs andere Pferde, also überschaubar“, erläuterte Nour näher, „ach Vivi, du fährst morgen den Heat mit Shaker.“
      „Wieso muss ich das machen? Kannst du nicht?“, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen.
      „Nein, kann ich nicht. Der muss nach dem zweiten Rennen laufen und ich bin mit meinem im dritten“, zog sie einen schärferen Ton an. Dazu sagte ich nichts mehr, aber konnte mir schon ausmalen, welche Lachnummer es werden würde. Der Falbe hatte viel Temperament und war im Heat sehr angefixt.
      „Shaker klingt nach einem außerordentlich schnellen Pferd", brachte Sam sich in das Gespräch ein.
      „Geht so“, spielte ich ihn herunter, „er verliert schnell die Kraft. Deutlich mehr Power haben Astro und Walker.“
      „Vergiss Alfi nicht“, fügte Nour hinzu.
      „Warte, der alte Bock kommt auch mit?“, wunderte ich mich. Sie zuckte nur mit den Schultern, hatte wohl auch nicht viel mehr Informationen.
      „Das ist ja interessant, den hattet ihr doch ewig schon nicht mehr mit“, überlegte Lina.
      „Er war eigentlich verkauft, vielleicht hat es damit zu tun“, warf ich ein.
      „Gute Frage, aber ich glaube, der Typ ist abgesprungen. Zudem wird er es nicht leicht haben gegen Netflix und Melt“, fügte Nour hinzu.
      „Das sind doch die beiden von Nelly “, sprach Sam unbeirrt den Namen aus, den ich am aller wenigstens hören wollte. Sofort richtete sich große Schwarzhaarige neben mir zu mir. Ihre Augen blickten tief in meine, dabei bewegte sie den Kopf von links nach rechts.
      „Stimmt, aber schwieriges Thema gerade“, erklärte sie der Schweizerin. Die Fragezeichen standen ihr ins Gesicht geschrieben, doch sie wagte nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Damit hatte sich aber beantwortet, wie die Olle mich finden konnte.
      „Lina, wann fahrt ihr denn morgen?“, fragte sie stattdessen.
      „Um zwölf Uhr wollen wir eingepackt vom Hof“, nahm sich Nour der Frage an, denn Lina wusste nicht einmal, wann der Renntag begann.
      “Perfekt, dann kannst du mir morgen früh ja noch das Problem bei Hanni zeigen ”, schloss sie daraus, woraufhin Lina zustimmend nickte. Das Gespräch nahm seinen Laut, während die Zeiger der Uhr unaufhörlich weiterwanderten.
      “Wir würden uns so langsam verabschieden”, erhob sich Enya, was auch ihren Freund in Bewegung brachte. Vor den Fenstern war schon lange die Dunkelheit eingekehrt und den meisten von uns, waren die Anstrengungen des Tages anzusehen. Das Verlassen des Pärchens läutete das Ende des Abends ein, mit dem sich auch wir anderen in unsere eigenen Gemächer begaben. Endlich.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 29.362 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende April 2021}
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    stall.
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    10 Juni 2022
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  • Bear ist 15 Jahre alt.

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Vadstenalund [SWE]
    Unterbringung: Hengstpaddock


    –––––––––––––– s t a m t a v l a

    Aus: Unbekannt [KBT]
    MMM: Unbekannt ––––– MM: Unbekannt ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Unbekannt ––––– MVV: Unbekannt


    Von: Unbekannt [KBT]
    VMM: Unbekannt ––––– VM: Unbekannt ––––– VMV: Unbekannt
    VVM: Unbekannt ––––– VV: Unbekannt ––––– VVV: Unbekannt



    –––––––––––––– h ä s t u p p g i f t e r

    Zuchtname: Just A Bear
    Rufname: Bear
    Farbe: White Spotting
    [Ee AA nW?]
    Geschlecht: Hengst
    Geburtsdatum: April 2006
    Rasse: Skandinavischer Traber [KBT]
    Stockmaß: 156 cm

    Charakter:
    besonnen; fleißig; im Sattel möchte er gefallen

    * Bear lief Trabrennen
    * 3 Gänger


    –––––––––––––– t ä v l i n g s r e s u l t a t

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    Dressur L ['S] – Springen E [A] – Military E [E] – Fahren L [M] – Rennen A (S) ['S] – Western E [L]

    September 2022 Training, Dressur A zu L
    April 2023 Schweiß und Tränen, Fahren A zu L

    Ebene: National

    Juni 2022
    Dressur E zu A

    Juli 2022
    Rennen E zu A

    August 2022
    Dressurfahren, Fahren E zu A

    Oktober 2022
    1. Platz, 656. Westernturnier
    1. Platz, 658. Westernturnier
    1. Platz, 661. Westernturnier
    Platzhalter, x x zu x

    November 2022
    2. Platz, 666. Westernturnier
    1. Auslosung
    2. Platz, 666. Westernturnier
    2. Auslosung
    Platzhalter, x x zu x

    Dezember 2022
    2. Platz, 669. Westernturnier

    Februar 2023
    3. Platz, 676. Westernturnier
    2. Platz, 677. Westernturnier
    Training, Rennen M zu S

    März 2023
    1. Platz, 679. Westernturnier

    April 2023
    1. Platz, 693. Dressurturnier


    –––––––––––––– a v e l

    [​IMG]

    Gekört durch x im x 20x.

    Zugelassen für: Skandinavischer Traber
    Bedienung: -
    DMRT3: AA
    Lebensrekord: 1:16,5
    Decktaxe: Nicht gekört / Nein [Preis]

    Fohlenschau: 0,00
    Materialprüfung: 0,00

    Körung
    Exterieur: 0,00
    Gesamt: 0,00

    Gangpferd: 0,00


    –––––––––––––– a v k o m m e r

    Just A Bear hat 0 Nachkommen.
    • 20xx Name (aus: Name)


    –––––––––––––– h ä l s a

    Gesamteindruck: gesund, im Training
    Krankheiten: keine
    Beschlag: Falzeisen [Stahl], Voll


    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Eigentümer: Lars Alfvén [100%]
    Pfleger: Lars
    Trainer: -
    Fahrer: -
    Züchter: [NO]
    VKR / Ersteller: Mohikanerin

    Punkte: 18

    Abstammung [0] – Trainingsberichte [6] – Schleifen [10] – RS-Schleifen [0] – TA [0] – HS [2] – Zubehör [0]

    Spind – Hintergrund