1. Diese Seite verwendet Cookies. Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies. Weitere Informationen
Sammy

HMJ Blessing

Englisches Vollblut | Stute | Pkt. 16 || RE: S*** (10) | DR: A (0) | SPR: M (3) | MIL: E (0)

HMJ Blessing
Sammy, 21 Apr. 2020
Zaii, Gwen, Cooper und 6 anderen gefällt das.
    • Sammy
      Vorbereitung auf das Horse Makeover 2020
      29. März & 20. April 2020
      Bewerbung für HMJ Blessing | von Sammy
      "Ana! Es geht wieder los! Und was für schöne Pferde in diesem Jahr wieder dabei sind, schau mal!", rief ich aufgeregt aus meinem Büro heraus. Soeben war ich auf der Internetseite des Horse Makeovers gelandet und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Die Bilder von 15 wunderschönen, mehr oder weniger vernachlässigten Pferden waren auf dem Bildschirm zu sehen. Ich scrollte durch die Fotos und blieb bei dem Bild einer unterernährten Fuchsstute mit großen Abzeichen hängen. Irgendetwas an diesem Pferd fesselte mich augenblicklich. Ich klickte auf das Kästchen mit den Infos. Englisches Vollblut, Stute, vier Jahre alt. Die Eckdaten klangen perfekt. Ich wollte unbedingt wieder am Makeover teilnehmen. Allerdings wollte ich auch ein Pferd haben, dass ich möglichst bis an sein Lebensende auf meinem Gestüt behalten konnte. Da wäre ein Englisches Vollblut natürlich perfekt. Ich las weiter und riss die Augen auf, als ich zu der Stelle gelangte, an der geschrieben stand, dass man Blessing ausgesetzt hatte. Wer zur Hölle setzte ein Pferd aus? Als Ana endlich erschien, war ich immer noch in Blessing's Foto vertieft. Die Stute hatte einen außerordentlich interessanten Charakter und weckte in mir das dringende Bedürfnis, ihr aus ihrer Apathie herauszuhelfen. Vor meinem inneren Auge sah ich Blessing als übermütig über die Weiden tollendes Fohlen vor mir und ich wünschte mir, dass Blessing irgendwann wieder an diesen Punkt kommen würde. Ana sah über meine Schulter. "Mensch, ist da aber hübsch!", sagte sie aufgeregt. "Machst du mit? Wie läuft das diesmal ab? Kommen die Pferde wieder von der Mafia?", überschüttete sie mich mit Fragen. "Ja, ich möchte auf jeden Fall mitmachen. In diesem Jahr muss man sich auf ein bestimmtes Pferd bewerben und scheinbar haben wir uns ja beide schon für Blessing hier entschieden. Und nein, die Pferde stammen nicht von der Mafia. Blessing zum Beispiel wurde ausgesetzt aufgefunden. Über ihre Vergangenheit ist nichts bekannt, man vermutet nur, dass sie früher als Rennpferd eingesetzt wurde. Ist das nicht furchtbar? Kannst du dir vorstellen, eines deiner Tiere auszusetzen? Hilf- und wehrlos? Armes Mädchen, ich möchte ihr unbedingt helfen." Ana nickte ernst und setzte sich neben mich, um mir beim Schreiben der Bewerbung zuzusehen. Nach einer Weile war ich ganz zufrieden mit meinem Text. Nun hieß es abwarten und Daumen drücken, dass wir für Blessing ausgewählt wurden.

      Liebes Horse Makover-Team,
      hiermit bewerbe ich mich als Trainerin für die englische Vollblutstute HMJ Blessing. Schon während des letzten Makeovers stand für mich fest, dass ich auch in diesem Jahr wieder dabei sein möchte. Blessing ist mir mit ihrer besonderen Zeichnung sofort ins Auge gestochen. Wirklich überzeugt hat mich dann aber der Charakter dieser einzigartigen Stute. Ich liebe interessante Pferde, auf die man sich beim Training erst einmal einstellen muss und die einen als Trainer herausfordern. Blessing würde genau wie letztes Jahr meine geliebte Elfentanz auf das Hollybrook Stud Gestüt nach England ziehen. Dort erwarten die schöne Stute eine geräumige Box, weitläufige Weiden, viele Artgenossen und die bestmöglichen Trainingsmöglichkeiten.
      Mein Ziel ist es, Blessing zu helfen, ihre Lebensfreude wieder zu erlangen. In der ersten Zeit steht natürlich das Kennenlernen ganz oben auf der Liste. Zudem möchte ich dann ganz allmählich an Blessing's körperlicher Verfassung arbeiten. Genau wie im letzten Jahr bestimmt aber das Pferd das Trainingstempo. Sollte es mir gelingen, Blessing von mir zu überzeugen, möchte ich sie nach und nach auch behutsam unter dem Sattel ausbilden. In welchen Disziplinen wird sich zeigen. Zur Auswahl stünden Galopprennen und die einzelnen Disziplinen der Vielseitigkeit. Auch dies wird Blessing aber im Endeffekt selbst bestimmen. Da ich Englische Vollblüter und Warmblüter züchte, hätte Blessing bei mir in jedem Fall einen Endplatz und müsste nie mehr um die Zukunft bangen. Das gesamte Hollybrook-Team würde sich geehrt fühlen, diese außergewöhnliche Stute willkommen zu heißen und sie mit Liebe und Zuneigung zu überschütten, damit sie ihre Vergangenheit vielleicht vergessen kann.
      Viele Grüße
      Samantha O'Neill und das Team von Hollybrook Stud


      Bekanntgabe der Vergabe der Pferde auf der Lindö Dalen Stuteri in Schweden | von Zion & Canyon
      Nico rollte auf das Rednerpodest zu, welches Collin für die Ansprachen vorbereitet hatte. Nico warf Collin einen bösen Blick zu, als er dank seines Rollstuhls vor dem Podest stehen bleiben musste, anstatt, wie es für den Veranstalter üblich gewesen wäre, darauf zu stehen. Ein Helfer stürzte hervor und richtete das Mikrofon auf Nico aus, der ihn jedoch nur wieder mit einer wirren Geste davonschickte.
      Er räusperte sich und blickte sich um. Die Sonne schien und einige der Zuhörer hatten bereits Sonnenbrillen auf. „Sehr geehrte Teilnehmer und Teilnehmerinnen,
      Danke, dass ihr alle euch auf den Weg gemacht habt, um eure Pferde zu einem neuen Horse Makeover willkommen zu heißen!
      Dieses Jahr arbeiten ich und mein Team aktiv mit dem Tierschutz zusammen. Gemeinsam haben wir uns auf die Suche nach Pferden gemacht, die aufgrund von verschiedensten Umständen gerettet oder abgegeben worden sind und nun mithilfe des Makeovers eine neue Aufgabe erhalten sollen.
      Außerdem solltet ich euch dieses Jahr auf den Trainerposten bewerben und ich danke allen, die ihr Glück versucht haben! Wie bereits in euren Einladungen angekündigt, sind alle hier Anwesenden auserwählt wurden. Herzlichen Glückwunsch!“
      Nico legte eine kurze Pause ein und blickte auf die Notizen in seinen Händen. „In wenigen Augenblicken werdet ihr das allererste Mal eure neuen Trainingspartner kennenlernen und gemeinsam in das neue Zuhause eures Schützlings fahren. Um ehrlich zu sein, habt ihr es uns nicht leicht gemacht zu entscheiden! Dennoch erfolgt nun die Verkündung.“
      Nico blickte leicht zu seiner linken Seite und sah, wie bereits der erste Helfer das erste HMJ-Pferd am Strick führte, um es in wenigen Sekunden seinem neuen Besitzer zu übergeben.
      HMJ Divine geht mit großer Freude an das White Horse Creek Stud, vertreten durch Luchy Montrose! Das WHC hat bereits in der letzten Runde große Leistung gezeigt und wir vertrauen darauf, dass ihr euch dieses Jahr genauso gut um euren Schützling kümmern werden!“, sagte Nico, als der magere Divine vorgeführt wurde. Luchy trat entspannt nach vorne, schüttelte Nico die Hand, verbeugte sich kurz und nahm dann Divine an sich, um ihn aus dem Trubel herauszuführen.
      HMJ Honesty geht an die Pineforest Stables, vertreten durch Occulta Smith! Als Neuling in der Horsemakeoverwelt hoffen wir sehr, dass auch du begeistert davon bist und deinen Schützling zu einem Partner heranziehst, wie du es bereits bei Matinée getan hast“, sagte Nico als Nächstes und beobachtete Occulta dabei, wie sie Honesty an sich nahm. Bei ihr war er besonders gespannt, wie sie sich zeigen würde.
      Dann wandte er sich wieder seinem Blatt zu. „HMJ Saintly geht an die Bow River Ranch, vertreten durch Caleb O’Dell, sowie seinen Helfer Tschetan. Auch die BRR war beim HMJ 2019 engagiert dabei und deshalb denken wir, dass Saintly bei dir gut aufgehoben sein wird.“
      HMJ Courtesy geht an das Deer Forrest EC“, fuhr er fort, als Saintly abgeführt war und das nächste Paint Horse auftrat. „Vertreten durch Juna und Luna! Das Gestüt war vergangenes Jahr mit an der Spitze dabei und hat die Stute von Grund auf verändert und deshalb denken wir, dass diese Stute bei euch in guten Händen sein wird.“
      Nico atmete hörbar schwer aus. „Auch bei HMJ Pious war es eine schwierige Entscheidung. Schlussendlich haben wir uns für Leticia Weidner entschieden, die beim HMJ zwar ein weiteres unbekanntes Gesicht ist, uns jedoch mit ihrer offenen Art vollkommen überzeugt hat. Pious wird bei dir in guten Händen sein.“
      Die nächsten Kandidaten und Kandidatinnen stellte Nico recht zügig vor. Er freute sich über die erhellten Gesichter der neuen Besitzer, die zwar einerseits erstaunt über den Zustand der Pferde waren, gleichzeitig aber motiviert in die Zukunft schauten. „HMJ Glory geht an Equitación de Sueños, vertreten durch Cathrine Morgan! Noch ein Neuling, den ich herzlich beim Makeover begrüßen darf. Du wirst mit diesem Schützling eine guten Einstieg ins Makeover haben.“
      HMJ Charity geht an das Birkenhofgestüt, vertreten von Ian Monroe und Reyna Huntington als Team! Wir freuen uns zu hören, dass Charity die Nächstenliebe im wahrsten Sinne des Wortes mit euch als Team näher bringen kann. Ihr beide wart bereits beide 2019 Mitglieder des Makeovers und wir hoffen, dass ihr beide eure Aktivität noch verstärken könnt.
      HMJ Blessing geht nach langem Überlegen und Abwägen an das Hollybrook Stud, vertreten durch Samantha O’Neill! Wir denken, dass unsere Blessing am besten zu dir und deinem Hof passt, da du sowohl in der letzten Runde alles gegeben und dabei aus Elfentanz unglaubliches herausgeholt hast, als auch auf eine langjährige Erfahrung mit Vollblütern zurückblicken darfst. Herzlichen Glückwunsch.
      HMJ Sacred geht an den Rosenhof, vertreten durch Nina Beaulieu! Wir freuen uns sehr, sowohl einen Neuling in der Makeoverwelt, als auch ein Neuling in der Gestütsführung begrüßen zu dürfen. Sacred ist kein einfaches Pferd, dennoch glauben wir, dass du als Tierärztin ihm optimal helfen kannst und diesen rohen Diamanten schleifen wirst.
      HMJ Holy geht an das Lindö Dalen Stuteri, vertreten durch Hedda Wallström mit der Hilfe ihres großen Bruders Folke Wallström! Wir freuen uns auch hier Neulinge begrüßen zu dürfen und besonders, dass unser Projekt bereits jüngere Menschen erreicht hat. Auch wenn Holy nicht gerade ein Kinderpony ist, denken wir, dass ihr als Team das schaffen werdet.
      HMJ Brilliance geht an das Canadian Liberty Creek Stud, vertreten durch Stefanie Westside! Über so viele Neulinge kann man sich ja nur freuen und deshalb hoffen wir, dass du mit deinem Schützling einen gutes Star hinlegst und die Stute aufpäppeln wirst.
      HMJ Benevolence geht an das Winterscape Stud, vertreten durch Ann England! Hoffentlich kannst du dir deinen Traum eines Herzenspferdes mit diesem Schützling erfüllen und bereust es nicht, dich hier beworben zu haben.
      HMJ Exaltation geht an die Black Oak Stables, vertreten durch Laraya Shizuka! Unter den vielen Neulingen ein bekanntes Gesicht und wir hoffen, dass du mit diesem Hengst genauso gut klarkommst und das beste aus ihm herausholst, wie du es im letzten Jahr mit Pilgrim getan hast.
      HMJ Grace geht an das Den Vackra Trakehner Stud in Zusammenarbeit mit den Roanoak Stables! Gemeinsam werdet ihr aus Grace eine wunderbare Stute machen und ihr einen neuen, besseren Start ins Leben ermöglichen.“

      Nico blickte auf. Es war fast geschafft. Vierzehn Pferde waren in den letzten Minuten an ihm vorbeigelaufen und hatten ihre neuen Besitzer begrüßen dürfen. Ein Pferd fehlte noch.
      „Leider haben wir für HMJ Humble keinen Interessenten gefunden, weswegen wir uns dafür entschieden haben, ihn mit nach Phoenix Valley zu nehmen und unter Aufsicht unseres verantwortungsvollen Trainers Malte Tordenværson vorerst auszubilden.
      Ich bedanke mich bei euch für eure Aufmerksamkeit!“, beendete Nico seine Rede. Schwaches Klatschen breitete sich zögerlich aus, mehrere Blicke gingen in die Richtung der Pferde, aus Angst, sie könnten sich erschrecken.
      „Nun da wir das hinter uns haben, übergebe ich das Wort an Collin Jones, der stellvertretend für das Lindö Dalen Stuteri euch ein paar Infos zur Unterbringung eurer Pferde unterbreitet wird“, sagte Nico und gab erleichtert das Mikrofon an Collin, der bereits neben ihm stand, jedoch auch davon absah, das Rednerpodest zu verwenden.
      „Danke Nicolaus, ja genau ich bin Collin Jones und wohne mit meinem Team auf dem Lindö Dalen Stuteri auf einer Insel im wunderschönen Schweden. Wir haben zusammen mit den Veranstaltern Malte und Nicolaus beschlossen, dass das diesjährige Horse Makeover seinen Anfang hier haben wird. Als ehemaliger Teilnehmer fühle ich mich sehr geehrt, die Neulinge und ein paar bekannte Gesichter bei uns begrüßen zu dürfen! Ihr habt eine Woche Zeit bis die Pferde in ihr neues Zuhause ziehen dürfen und in dieser Zeit stehen euch die Anlagen des Gestüts zur freien Verfügung: Reitplatz, Halle, Roundpen und eine große Ovalbahn, zudem bietet das große und meernahe Gelände vielfältige Möglichkeiten spazieren zu gehen. Für eure Unterkunft ist im Nachbardorf Revsudden gesorgt. Dort steht euch eine Pension zur Verfügung mit Einzel oder wahlweise Doppelzimmern.
      Die Pferde kommen während der Zeit auf unserem Hof auf Geschlechter getrennten Weiden unter und für ihre Versorgung ist ganztägig gesorgt - große Heuraufen, mit Bioheu aus eigenem Anbau, da die Weiden nicht sonderlich stark bewachsen sind. Wenn euch schon ein spezielles Ernährungskonzept vorschwebt, dann erhaltet ihr das Futter selbstverständlich von uns.
      Die nächste Woche könnt ihr also dafür nutzen, eure Pferde kennenzulernen und dann in aller Rihe den Heimweg anzutreten.“
      Collin hielt kurz inne. „Achso. Außerdem möchte ich euch noch Benni Becks vorstellen.“ Er zeigte auf einen hageren Mann mit kurzen Haaren und großer Brille, der mit seinem sanften Lächeln ein paar Schritte nach vorne trat.
      „Benni ist vom Tierschutz und dieses Jahr für die Gesundheit der HMJ Pferde verantwortlich. Möchtest du noch ein paar Worte sagen?“
      Benni trat neben ihn und nahm das Mikro ab. „Zu allererst sei gesagt, dass ihr euch bitte nicht vor mir fürchten oder schämen müsst. Mein einziges Ziel ist es, dass es den Pferden bald besser gehen wird und das werde ich tatsächlich die nächsten Monate auch regelmäßig kontrollieren. Ich bin selber Tierarzt und auf Pferde spezialisiert und habe in den letzten Wochen alle Pferde sehr gut kennenlernen dürfen. Es wird also angekündigte, wie auch unangekündigte Besuche geben, bei denen ich die Pferde kontrollieren und euch eventuell Fragen stellen werde.
      Aber nicht nur ich werde Fragen stellen, auch ihr dürft gerne jeder Zeit auf mich zukommen. Neben Nico und Collin kann ich euch in fast allen Dingen, die das Makeover betreffen, weiterhelfen.“
      Er gab das Mikrofon an Collin zurück, der einen Moment verwirrt wirkte, was er nun noch sagen sollte. „Nun ja, genau. Wie Benni bereits sagte, wir drei werden in Zukunft eure Ansprechpartner sein. Kommt bitte bei jeglichen Problemen auf uns zu, wir können helfen.“
      Fragend hielt Collin Nico das Mikro hin, der winkte aber entschieden ab, sodass Collin selbst weiterredete.
      „Heute Abend wird es ein gemeinsames Buffet geben, bis dahin: Richtet euch ein, begrüßt eure Pferde und kommt heute Abend zum gemeinsamen Abendbrot!“
    • Sammy
      [​IMG]
      Es geht los!
      20.-27. April 2020
      85.055 Zeichen | 53 Punkte

      Aufgeregt flogen meine Augen über den Bildschirm meines Laptops, als ich die heiß ersehnte E-Mail vom Veranstalter des diesjährigen Horse Makeovers las. In diesem Jahr sollte sich im Vergleich zum HMJ 2019 einiges ändern. Die Tiere stammten dieses Mal nicht von der Pferde Mafia, sondern waren vom Tierschutzverein auserwählt worden. Einige hatte man aus schlechter Haltung gerettet, andere waren beim Verein abgegeben worden. Aber auch für uns Teilnehmer gab es viele Neuerungen. Zum einen waren die Pferde diesmal schon im Vorfeld vorgestellt worden, zum anderen hatte man sich auf ein bestimmtes Pferd bewerben müssen. Obwohl ich unbedingt wieder Teil dieses großartigen Projekts hatte sein wollen, stand für mich von Beginn an fest, dass ich mich nur für ein Pferd bewerben würde, das zu meinem Gestüt passen würde. Im letzten Jahr hatte ich mich nämlich so sehr in meine Elfentanz verliebt, dass ich sie um nichts in der Welt wieder abgeben würde. Daher waren nur einige wenige Tiere für mich in Betracht gekommen. Als ich jedoch das Bild der feuerroten Vollblutstute HMJ Blessing gesehen hatte, war ich sofort überzeugt gewesen. Diese Stute sollte es sein. Laut der Beschreibung war Blessing ausgesetzt worden und man vermutete, dass sie früher auch schon Rennen bestritten hatte. Das bedeutete, dass ich es in diesem Jahr nicht mit einem komplett rohen Pferd zu tun haben würde. Seit meiner Bewerbung für Blessing war nun beinahe ein Monat vergangen. Ich hatte keine Ahnung, wie meine Chancen standen. Zwar hatte ich mich im letzten Jahr ganz gut geschlagen, doch ich hatte auch gehört, dass es gerade für Blessing mehrere Bewerber gab. Zu Beginn der Mail gab es einige einleitende Worte und Informationen, doch dann fiel endlich der Satz, auf den ich gehofft hatte: "Samantha O'Neill, das Horse Makeover Team freut sich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir Sie als Trainerin für HMJ Blessing ausgewählt haben!" Ich strahlte. "Ana! Ana, komm doch mal!", rief ich ausgelassen. Kurz darauf rauschte eine kleine blonde Frau in mein Büro und blieb atemlos vor mir stehen. Ein Blick in mein leuchtendes Gesicht genügte. "Du bist dabei!", rief sie freudig. Dann umarmte sie mich stürmisch. Nach und nach kamen auch die Jungs herbei, die gerade mit der Stallarbeit beschäftigt gewesen waren. "Was ist denn hier los?", fragte Donald grinsend. Er fand uns Mädels immer ein wenig albern. Doch auch der rothaarige Trainer strahlte, als wir ihm die guten Neuigkeiten mitteilten. "Was schreiben sie denn noch? Wo und wann holst du Blessing ab?", fragte Brian, der ruhigste meiner Angestellten. Ich errötete. "Ich hab‘ ehrlich gesagt noch gar nicht weiter gelesen. Wollte euch erst die frohe Botschaft übermitteln.", lachte ich. Also drängten wir uns alle vor meinem Laptop, um die Mail zu Ende zu lesen. Momentan befanden sich alle Pferde des Makeovers auf der Lindö Dalen Stuteri in Schweden. Dort fand auch die Eröffnungsveranstaltung des Makeovers statt und wir hatten dann eine Woche Zeit, um unsere neuen Schützlinge auf die Heimreise vorzubereiten. Das gefiel mir ausnehmend gut. Ich kannte zwar die knappe Charakterbeschreibung von Blessing, doch niemand der Anwesenden hatte bisher mit dem jungen Pferd gearbeitet, also konnte auch niemand sagen, wie weit das Vollblut in ihrer Ausbildung war. So konnte ich mein Stütchen erst einmal kennen lernen, bevor ich es auf die stundenlange Reise nach England mitnahm. Außerdem war ich froh über die vergleichsweise kurze Entfernung von England nach Schweden. Die letztjährige Rückreise von Canada war doch recht strapaziös gewesen. Ich lächelte und klappte dann entschlossen meinen Laptop zu. Nun hatte ich einiges zu tun, um meine Abreise und natürlich Blessing’s Ankunft vorzubereiten.

      ~*~

      Montag – 20. April 2020
      Eine knappe Woche später kam ich mit meinem Pferdetransporter auf der Lindö Dalen Stuteri in Schweden an. Die Fahrt war lang gewesen, aber im Grunde genommen hatte ich sie genossen. Es war schön einmal ganz ohne Stress im Auto zu sitzen. Ana hätte mich am Liebsten begleitet, doch auf dem Gestüt zu Hause lief die Fohlensaison auf Hochtouren, daher war meine rechte Hand dort unentbehrlich. Für mich selbst war es auch nicht ganz einfach gewesen, mich eine Woche aus der Planung herauszunehmen, aber um nichts in der Welt hätte ich mir die Teilnahme am Makeover nehmen lassen. Außerdem hatte ich meinen Laptop dabei, um mein geliebtes Team über alles zu informieren, was hier passierte. Aber natürlich auch, um selbst zu erfahren, was zu Hause auf dem Gestüt so los war. Als ich mein Auto abstellte, wurde ich von einer jungen Frau begrüßt, die mich sofort zu den Ferienhäusern führte und mir mein Heim für die nächste Woche zeigte. Ich bedankte mich, stellte meine Sachen ab und verschwand dann erst einmal unter die Dusche, um mir nach der langen Reise ein wenig Entspannung zu gönnen. Anschließend zog ich mich in aller Ruhe um und schlenderte ein wenig zwischen den Ferienhäusern umher. In einer knappen Stunde würde das Makeover offiziell beginnen und ich konnte es kaum noch erwarten, endlich Blessing zu treffen. Ich traf einige bekannte Gesichter, die ich bereits von diversen Turnierplätzen, Trainingsrunden und natürlich dem letzten Makeover kannte und so verging die Zeit doch wie im Flug. Ich nahm meinen Platz ein und blickte gespannt zu dem Podest, das im Vordergrund aufgebaut war. Nach einer kurzen Ansprache von Nicolaus du Martin wurde auch schon das erste Pferd herangeführt, ein schöner Schimmel. Die neue Besitzerin hatte ich bereits im letzten Jahr kennengelernt, wir waren harte Konkurrenten gewesen. Außerdem hatte sie in diesem Jahr Zwillingsfohlen von meinem geliebten New Forest Ponyhengst Hollybrook's Cheeky Jot gezogen. Als nächstes folgte eine schöne Scheckstute, die an Occulta Smith ging. Die junge Frau führte ihr Gestüt Pineforest Stable - genau wie ich Meines - in England und wir hatten uns schon des Öfteren gegenseitig Pferde verkauft. Außerdem stammte ein Großteil meiner American Miniature Horses aus Occu's Zucht und im letzten Jahr hatte ich es endlich geschafft, eines ihrer begehrten Vollblut-Zuchtfohlen zu ergattern. Auch Caleb O'Dell, der einen interessant gefärbten Schecken in Empfang nahm, kannte ich bereits. Caleb hatte sich bereit erklärt, dass Training meines Nachwuchs-Paint-Horses Grace's Cookie 'n Cream zu übernehmen und war auch beim letzten Horse Makeover schon dabei gewesen. Die nächsten drei Pferdeübergaben bekam ich nur noch verschwommen mit, denn ich hatte im Hintergrund einen großrahmigen Fuchs mit großen weißen Abzeichen entdeckt. Das musste Blessing sein! Tatsächlich wurde ich gleich darauf erwähnt und man übergab mir den Führstrick der schönen Stute. Blessing war hochgewachsen und hatte ein feines Gesicht, mit großen braunen Augen. Sie wirkte zu dünn und ihr Langhaar war stellenweise verfilzt, doch ich war auf den ersten Blick verliebt. Ich zupfte leicht am Strick und das Vollblut folgte mir gehorsam auf die Seite, wo sich bereits die anderen Teilnehmer mit ihren Pferden aufgestellt hatten, um sich den Rest der Rede anzuhören. Blessing's Augen blitzten ab und an ängstlich, ansonsten schien die junge Stute jedoch eher teilnahmslos. Nun ging es um die Unterbringung unserer Tiere, während dieser ersten und so wichtigen Woche und ich hörte aufmerksam zu. Wir durften sämtliche Trainingsanlagen des Lindö Dalen Stuteri benutzen. Außerdem kamen die Pferde auf die Weiden und wurden mit selbst angebautem Heu versorgt. Das war vielleicht mal ein Luxus. Ein erster Blick auf Blessing hatte in mir allerdings auch schon den Entschluss geweckt, die Stute zusätzlich mit Kraftfutter und speziellen Vitaminen zu versorgen, damit sie ein wenig an Gewicht zulegen konnte. Um die quasi nicht vorhandenen Muskeln würden wir uns dann nach und nach zusätzlich durch schonendes Training kümmern. Zuletzt stellte sich noch ein Mann namens Benni Becks vor, der beim Tierschutz arbeitete. Ich sah überrascht auf. Das war neu. Benni würde sowohl angekündigte, als auch unangekündigte Kontrollbesuche vornehmen. Allerdings machte mir das wenig aus. Ich legte sehr viel Wert darauf, dass mein Gestüt gut gepflegt und die Pferde rundum versorgt waren. Daher sollten mir auch spontane Besuche keine Probleme bereiten. Zudem wirkte Benni sehr sympathisch und keinesfalls so, als wolle er uns das Leben schwer machen. Damit wurde die Begrüßungsrede beendet und die Teilnehmer machten sich mit ihren Pferden auf zu den uns zugewiesenen Koppeln. Blessing folgte mir absolut problemlos, schien sich aber auch überhaupt nicht für das Treiben um uns herum zu interessieren. Auf der Koppel angekommen, löste ich den Führstrick und ließ Blessing laufen. Das junge Vollblut trottete mit hängendem Kopf weg und hielt sich auch von den anderen Pferden fern. Nachdenklich blieb ich am Zaun stehen. Ich hatte nun bis zum gemeinsamen Abendessen Zeit zu freien Verfügung, doch da ich mein Zimmer bereits bezogen hatte, konnte ich erst einmal hier bleiben. Ich beschloss, mein neuestes Familienmitglied zunächst nur zu beobachten. Ich wollte sehen, wie Blessing sich verhielt, wenn sie sich unbeobachtet fühlte. Die anderen Teilnehmer verschwanden nach und nach. Entweder, um sich einzurichten oder um sich mit ihren Pferden in Ruhe zu beschäftigen. Ich dagegen setzte mich an den Zaun und sah zu Blessing herüber. Die junge Stute stand abseits, rupfte ab und an ein paar Halme Gras und starrte ansonsten lustlos vor sich hin. Die anderen Pferde ignorierte sie komplett und diese hielten es mit ihr genauso. Wie Blessing so alleine da stand, gab sie ein Bild absoluter Traurigkeit ab und ich fragte mich, was die Stute in ihrem kurzen Leben wohl bereits durchgemacht hatte. Das Makeover Team ging davon aus, dass Blessing ein ehemaliges Rennpferd war. Da die junge Stute jedoch weder ein Brandzeichen hatte und man auch ihren richtigen Namen nicht kannte, war die Suche nach dem ehemaligen Besitzer ebenso erfolglos geblieben, wie die nach eventuell bereits bestrittenen Rennen. Ich runzelte die Stirn und überlegte, wie ich nun weiter vorgehen sollte. Die Sattlerei Royal Peerage hatte sich auch in diesem Jahr die Mühe gemacht, für jedes Makeover Pferd etwas zu spenden. Ich hatte mich für ein Starterset in rot entschieden. Das entsprechende Knotenhalfter trug Blessing bereits. Nun nahm ich die dazugehörige Futterschale und ging hinüber zu den Stallungen, um die Veranstalter nach etwas Leinsamen und Kleie zu fragen, damit ich für Blessing ein Mash anrühren konnte. Einige Vitamin- und Futterzusätze hatte ich mir selbst mitgebracht. Nachdem Nicolaus mir mein Futter übergeben hatte, ging ich zurück zu meinem Zimmer und suchte die Vitaminfläschchen heraus. Zunächst wanderten Vitamin A und K in die Futtermischung. Sie sorgten vor allem für stabile Knochen. Zudem unterstützte Vitamin A auch die Immunabwehr. Auch etwas Biotin fand seinen Weg in die Futterschale. Da Blessing recht poröse Hufe hatte, war das Vitamin sehr wichtig für sie. Sobald wir zu Hause waren, würde ich auch einen Hufschmied beauftragen, damit er sich ihre Hufe ansehen konnte. Ich schüttelte ein kleines Tütchen und gab Sojaprotein in das Futter. Eiweiß war essentiell für den Muskelaufbau und mit Sojaprotein hatte ich bei meinen Pferden zuhause schon sehr gute Ergebnisse erzielt. Ganz zum Schluss fügte ich dem Futter einige essentielle Aminosäuren hinzu, die ein Futterexperte für mich angemischt hatte, nachdem ich ihm von Blessing's Zustand berichtet hatte. Ich war als Gestütsleiterin bei der Futterzusammenstellung zwar selbst recht fit, doch wenn es dann so ins Detail ging, verließ ich mich doch lieber auf echte Fachleute. Dieses Futtergemisch sollte Blessing helfen, ein wenig Gewicht zuzulegen und auch langsam den Muskelaufbau fördern. Ich vermischte das Futter und übergoss es mit warmem Wasser, da das Mash so besonders leicht verdaulich war. Anschließend ging ich mit der Schale hinaus auf den Hof, stellte sie vor der Koppel ab und ging zu Blessing. Die Stute hob den Kopf, als ich an sie herantrat, blieb jedoch stehen und ließ sich einfangen. Ich konnte einfach nicht einschätzen, was im Kopf des jungen Vollbluts vorging. Was für ein riesengroßer Unterschied zu meinem letztjährigen HMJ-Pferd Elfentanz! Der Trakehnerstute hatte man ihre Emotionen quasi am Gesicht ablesen können. Blessing dagegen war viel verschlossener. Ich zupfte am Führstrick und Blessing folgte mir mit etwas Abstand. Dabei hob sie nicht einmal die Füße richtig. Ich schloss das Weidetor, nahm die Futterschale in eine Hand und führte Blessing ein Stück weit weg, damit sie ihr Abendessen in Ruhe genießen konnte. Als ich die Schale vor dem Fuchsstütchen abstellte und den Führstrick lang ließ, um ihr etwas Raum zu geben, senkte Blessing den Kopf und zog geräuschvoll Luft durch ihre geweiteten Nüstern ein. Vorsichtig senkte sie ihr weißes Maul in das Futter und nahm einen Happen.
      [​IMG]
      Dann hob sie den Kopf wieder. Ein wenig Mash tropfte von ihrem Kinn und das Stütchen hatte die Ohren zurückgeklappt. Dabei sah sie richtig nachdenklich aus. Ich kicherte, was Blessing dazu veranlasste, mich überrascht anzusehen. Gleich darauf kippten ihre Ohren jedoch wieder zur Seite und sie verlor jegliches Interesse an mir. Ich aber hatte den Eindruck, dass ich gerade einen kurzen Einblick in Blessing's Charakter bekommen hatte: Auf ein aufgeschlossenes, junges Pferd, das neugierig auf die Welt war. Blessing fraß ihr Futter bis auf den letzten Krümel aus und schleckte sogar die Futterschale ab. Also schien es ihr zumindest geschmeckt zu haben, auch wenn man das ansonsten nicht wirklich gemerkt hatte. Ich trat an das Stütchen heran und strich ihm vorsichtig über den dünnen Hals. Um Mähne und Schweif würde ich mich in den nächsten Tagen kümmern, die sehr verfilzten Stellen würde ich aber wohl abschneiden müssen. Zudem hatte Blessing am Widerrist eine aufgescheuerte Stelle. Die würde ich mit Salbe behandeln und gut beobachten. Somit war auch klar, dass ich Blessing die nächste Zeit nicht mit Gurt longieren würde. Zuerst sollte die Verletzung ausheilen. Blessing ließ sich zwar überall berühren, doch als ich über ihren Bauch fuhr, zuckte sie kurz zusammen. Sattelzwang vielleicht? Auch ihre Hufe gab das junge Pferd mir nur ungern, widersetzte sich aber nicht. Ich bekam immer mehr das Gefühl, dass Blessing einfach tat, was von ihr verlangt wurde, um es möglichst bald hinter sich zu bringen. Ich hängte mir den Führstrick in die Armbeuge und begann damit, Blessing mit kleinen Bewegungen zu massieren. Der Kopf der Stute sank tiefer, doch so hatte sie vorhin auch auf der Koppel gestanden. Dennoch konnte die Behandlung Blessing ja nicht schaden, also machte ich weiter, arbeitete mich den dünnen Hals entlang, zur Schulter und das Vorderbein hinunter. Dasselbe wiederholte ich auf der anderen Seite. Dann warf ich einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass ich mich sputen musste, wenn ich rechtzeitig zum gemeinsamen Abendessen erscheinen wollte. Ich führte Blessing auf die Koppel, tätschelte ihr den Hals und ließ sie dann laufen. Blessing schlurfte wieder in ihre Ecke und würdigte die anderen Stuten keines Blickes.
      Ich betrachtete sie noch eine Minute, dann ging ich mit gerunzelter Stirn und ziemlich in Gedanken versunken zum Abendessen. Ich war nicht die Einzige, die etwas zu spät kam und es war ein sehr lustiges Beisammensein. Wir tauschten uns gegenseitig über unsere Pferde und geplante Trainingsabläufe aus, erzählten uns Einzelheiten über unsere jeweiligen Höfe und quatschten über Gott und die Welt. Niemand hielt mit seinen Plänen und Zielen hinter dem Berg, was ich sehr schön fand. Noch war von Konkurrenzdruck keine Spur. Als sich die Runde schließlich auflöste, war ich fix und fertig. Langsam machten sich doch die lange Fahrt und der aufregende Tag bemerkbar. Dennoch sah ich noch einmal kurz bei Blessing vorbei, um mich zu vergewissern, dass es meinem Stütchen an nichts fehlte. Auch jetzt noch stand Blessing abseits der anderen, allerdings hatte sie den Kopf erhoben und schaute über den Zaun hinweg. In dieser Pose sah sie regelrecht anmutig aus und ich ging leise weiter, um die junge Stute nicht dazu zu bringen, zurück in ihre fast schon apathische Haltung zu fallen. Es würden mit Sicherheit interessante drei Monate werden, davon war ich überzeugt.

      ~*~

      Dienstag – 21. April 2020
      Am nächsten Morgen war ich schon vor dem Morgengrauen auf den Beinen. Auf meinem Gestüt Hollybrook Stud trainierte ich Galopprennpferde, daher war ich es gewohnt, vor den meisten anderen wach zu sein. Leichter Nebel hing über dem Lindö Dalen Stuteri und es war noch ziemlich frisch. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke enger und ging mit energischen Schritten los. Auf dem Weg zu den Koppeln begegneten mir nur wenige Leute. Die meisten Teilnehmer schliefen wahrscheinlich noch. Am Koppelzaun hielt ich Ausschau nach Blessing und entdeckte sie an beinahe derselben Stelle, an der ich sie gestern Abend zurückgelassen hatte. Wieder stand das Stütchen mit hängendem Kopf da und schien vor sich hinzudösen. Ich lief zum Aufenthaltsraum, da Nicolaus mir versprochen hatte, dort die Zutaten für Blessing's Mash abzustellen. Solange Blessing unterernährt war, bekam sie das nahrhafte Futter zweimal täglich. Ich fand einen Korb mit meinem Namen darauf und packte alles zusammen, um Blessings Futter anzumischen. Kurz darauf ging ich wieder hinüber zu den Weiden der Makeover-Stuten, schnappte mir Blessing's Führstrick und ging zu ihr hinüber. Wie auch gestern schon, ließ sich das junge Vollblut artig von der Koppel führen und senkte dann sogleich den Kopf in ihre Futterschale. Ich ließ Blessing in aller Ruhe frühstücken, dann band ich sie an einen Pfosten und begann vorsichtig, ihr kupferfarbenes Fell zu striegeln. Man sah Blessing die fehlende Pflege deutlich an. Ihr Fell war stumpf und rau, das Langhaar glanzlos. Doch daran würden wir nun tagtäglich arbeiten und die Futterzusätze sollten ihr Übriges tun. Ich hob Blessing’s Bein hoch, damit ich ihren Huf auskratzen konnte. Die Hufe waren wirklich in schlechtem Zustand. Nicolaus vermutete, dass dies von zu häufig wechselndem Beschlag kam und ich fand die Erklärung plausibel. Wahrscheinlich war Blessing zu früh und zu hart trainiert worden und hatte nicht wirklich menschliche Nähe erfahren dürfen. Das könnte ihre teilnahmslose Haltung verursacht haben. Aber natürlich waren das alles nur Spekulationen, keiner von uns kannte Blessing’s wahre Vergangenheit und so wie es aussah, würden wir auch nie etwas darüber erfahren. In Gedanken versunken stellte ich mir meinen Plan für den heutigen Tag zusammen. Nach dem Frühstück wollte ich mit Blessing in den Roundpen gehen und sie am Nachmittag vielleicht auch schon eine kleine Runde spazieren führen. Wenn das Vollblut nicht gerade geführt wurde, hatte ich noch nie gesehen, dass die Stute sich bewegte. Mal davon abgesehen, dass das ihrem Gesundheitszustand nicht gerade zuträglich war, war es auch ein sehr ungewöhnliches Verhalten für ein solch junges Pferd. Ich fuhr mit den Fingern durch die Teile ihres Schweifes, die nicht verfilzt waren. Dann massierte ich die Stute noch einmal. Für die Fahrt würde ich Transportzubehör benötigen. Der Reitzubehörbedarf Atomic Shop hatte eine spezielle Collection für die Makeover-Pferde angefertigt und bot jedem Teilnehmer 50% Rabatt. Dort würde ich mich später einmal umsehen und das passende Zubehör für Blessing bestellen. Nun hatte ich immerhin die genauen Maße der Stute.
      Ich brachte Blessing zurück auf die Koppel und ging über den Parkplatz hinüber zum Aufenthaltsraum. Dort erwartete mich ein reichhaltiges Frühstücksbuffet und ich traf den ein oder anderen munteren Mitstreiter. Occu war selbstverständlich mit unter den Frühaufstehern, da ja auch sie ihre Galopprennpferde normalerweise früh am Morgen trainierte. Ich lud mir Pancakes auf den Teller und übergoss sie mit Sirup. Dann schnippelte ich mir einen Apfel und ein paar Erdbeeren darüber und setzte mich an einen Tisch. Nachdem ich mein Frühstück genossen hatte, suchte ich mir einen ruhigen Platz um meine Yogaroutine zu absolvieren. Sie gehörte inzwischen fest zu meinem Tagesablauf. Anschließend kehrte ich zur Stutenkoppel der Makeover-Pferde zurück, um mit Blessing das erste Training zu absolvieren. Ich betrat die Koppel und rief Blessing's Namen, doch die junge Stute spitzte nicht einmal die Ohren, geschweige denn, dass sie in meine Richtung blickte. Ich nahm ihren Führstrick vom Haken an der Weide und ging hinüber zu dem Fuchsstütchen. Wie auch zuvor schon folgte mir Blessing brav. Da ich das Stütchen am Morgen schon geputzt hatte, konnten wir nun sofort mit unserer Trainingseinheit beginnen. Mein heutiges Ziel war es lediglich, Blessing ein wenig Bewegung zu verschaffen. Der Roundpen des Lindö Dalen Stuteri war gerade nicht belegt und so führte ich mein Stütchen hinein und schloss das Tor hinter uns.
      Ich löste den Führstrick von Blessing’s Knotenhalfter und die Stute bewegte sich mit langsamen Bewegungen zum Rand des Round Pen. Sie flüchtete zwar nicht vor mir, aber sie wollte eindeutig auch nicht unbedingt in meiner Nähe sein. Ich rollte den Führstrick zusammen, schnalzte auffordernd mit der Zunge und schlug den aufgerollten Strick leicht gegen mein Bein, um Blessing in Bewegung zu setzen. Die junge Stute lief auch gehorsam vorwärts, allerdings fehlten ihr dabei jegliche Energie und Anmut. Sie schlurfte regelrecht dahin und stolperte das ein oder andere Mal sogar über ihre eigenen Füße. Nun war mir natürlich bewusst, dass es viele Pferde gab, die keine schönen Grundgangarten besaßen, doch bei Blessing schien das nicht der Fall zu sein. Viel eher hatte ich den Verdacht, dass das Fuchsstütchen einfach nicht schön laufen wollte. Sie hielt den Kopf hoch erhoben, drückte den Rücken durch und trabte um mich herum.
      [​IMG]
      Dabei erinnerte das junge Vollblut mehr an ein Kamel, als an ein junges Rennpferd. Ich trat schräg einen Schritt auf Blessing zu, um sie zum wenden zu bewegen, doch die Stute achtete überhaupt nicht auf mich. Sie drehte ihre Kreise und hoffte wahrscheinlich, dass das Training bald vorüber war. Also ging ich ein paar Schritte auf die Umzäunung zu und winkte mit den Armen, als ich in Blessing’s Sichtfeld kam. Nun drehte die Fuchsstute doch ab und wechselte die Hand. Auch auf dieser Seite machte Blessing im Trab keine gute Figur. Ich schnalzte erneut mit der Zunge und lief in schrägem Winkel zum Pferd, damit Blessing angaloppierte. Doch erst nachdem ich den Führstrick leicht in Blessing’s Richtung schwang, galoppierte die junge Stute verhalten an. Ebenso wie der Trab, wirkte auch ihr Galopp eher ungelenk und verhalten. Als wir auf die rechte Hand wechselten, wurde es noch schlimmer. Es war normal, dass ein Pferd auf einer Hand besser lief als auf der anderen. Doch Blessing war auf der rechten Hand so sehr im Ungleichgewicht, dass ich annahm, dass dieser Unterschied eher am bisherigen Training der Stute lag. Rennpferde liefen im Rennen gegen den Uhrzeigersinn, also auf der linken Hand. Viele Trainer machten sich nicht die Mühe, den Pferden einen ausreichenden Ausgleich zu bieten, sodass der Rechtsgalopp irgendwann ein wenig verkümmerte. Diese Vermutung hegte ich nun auch bei Blessing, da das junge Pferd auf der rechten Hand wirklich vollkommen unbalanciert in die Biegung ging. Ich drehte mich ein wenig von Blessing weg, um ihr zu signalisieren, dass sie das Tempo wieder verlangsamen durfte und die Stute fiel erleichtert zuerst in einen holprigen Trab und dann in den Schritt. Ihre Flanken hoben und senkten sich für einen solch kurzen Galopp viel zu schnell – das Vollblut hatte keinerlei Kondition. Ich holte ein kleines Notizbuch aus meiner Tasche und vermerkte mir alles, was mir auffiel. Dieses erste Training heute diente mir als Bestandsaufnahme, damit ich einen passenden Trainingsplan für Blessing erstellen konnte. Ich hoffte sehr, dass die Stute mir irgendwann ihr Vertrauen schenken würde und verstand, dass ich ihr nichts böses wollte. Dass sie so ungern lief, konnte viele Ursachen haben. Vielleicht war sie von ihren vorherigen Besitzern überfordert worden, vielleicht war sie zu schnell und zu hart vorwärts gedrängt worden oder vielleicht war sie auch einfach enttäuscht von ihren Menschen und hatte deshalb ihre Lauffreude verloren. Irgendetwas sagte mir jedenfalls, dass Blessing’s gesamte Lebenseinstellung sich ändern würde, wenn wir dieses Problem in den Griff bekamen. Meine Vollblüter liebten das Rennen. Würde man ihnen das nehmen, wären sie wohlmöglich genauso lustlos wie Blessing es nun war. Ich nahm mir vor, Blessing in der nächsten Woche – wenn wir dann auf meinem Gestüt in England waren - einmal zur Rennbahn zu führen, wenn meine Englischen Vollblutpferde gerade ihr Training absolvierten. Vielleicht motivierte es die Stute ja, wenn sie beim Training der anderen zusehen konnte. Blessing war stehen geblieben und ich trieb sie sacht wieder vorwärts, damit sie sich im Schritt abkühlen konnte. Die junge Stute schwitzte ziemlich, wobei das natürlich auch vom Stress herrühren konnte. Das Problem war nur, dass man der Stute ansonsten überhaupt nicht ansah, was sie gerade beschäftigte. Wieder machte ich mir einige Notizen und runzelte nachdenklich die Stirn. Blessing würde in jedem Fall schwieriger zu trainieren sein, als Elfentanz im letzten Jahr. Ich hatte ja schon oft mit sogenannten Problempferden gearbeitet, doch Blessing’s Verfassung war etwas völlig Neues für mich.
      Ich rief den Namen der Fuchsstute, doch Blessing ignorierte mich. Also ging ich auf sie zu und befestigte den Führstrick am Halfter, um das Training zu beenden. Ich hatte gesehen was nötig war und das reichte für den Vormittag allemal. Heute Nachmittag wollte ich mit Blessing eine Runde spazieren gehen, um zu sehen, wie sie sich dabei anstellte. Nun jedoch führte ich mein Makeover-Pferdchen ersteinmal zum Putzplatz, band sie fest und füllte einen Eimer mit Wasser, um den Schweiß aus ihrem Fell zu waschen. Blessing schien es gewohnt zu sein, abgewaschen zu werden, denn sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, als ich mit dem nassen Schwamm ihren Hals entlangfuhr. Ich arbeitete langsam und gründlich und summte dabei leise vor mich hin. Als ich aufsah, entdeckte ich, dass Blessing ein Ohr nach hinten gedreht hatte und offensichtlich auf mich lauschte. Ich lächelte und summte weiter. Wenn das meinem Pferdchen gefiel, umso besser. Blessings Beine wusch ich besonders gründlich und entfernte all die Flecken, die sich auf den weißen Abzeichen angesammelt hatten und die nur durch die Bürste nicht hatten verschwinden wollen. Blessing’s Fell war zwar noch immer stumpf, aber zumindest nun wieder vollkommen sauber. Ich holte mir einen zweiten, kleineren Schwamm und trat an Blessing’s Kopf. Kurz blitzte das weiße in den schönen Augen der Stute auf und sie warf den Kopf nach oben, dann jedoch fiel sie wieder zurück in ihre unterwürfige Haltung. Ich strich ihr vorsichtig über die Nase und hielt ihr den feuchten Schwamm hin, damit sie daran schnuppern konnte. Doch das schöne junge Pferd interessierte sich nicht dafür. Ich seufzte bedrückt und wusch sachte Blessing’s Gesicht ab. Die Laterne umrahmte ihre wunderschönen großen Augen und direkt über der Maulspalte hatte Blessing einen kleinen grauen Fleck. Ansonsten war das Fell um Maul und Nüstern herum leicht rosa. Ich fuhr zärtlich mit den Fingern über die Ganaschen der Stute, strich ihr über Ohren und Stirn. Blessing schloss die Augen, aber ich konnte nicht sicher sagen, ob ihr die Berührungen gefielen. Das war wirklich schwierig. Nachdem ich das überschüssige Wasser an Blessing’s Körper mit einem Schweißmesser abgezogen hatte, kratzte ich ihre Hufe aus und verlas Mähne und Schweif. Heute Nachmittag wollte ich mich auch um die Kletten kümmern, die sich in den besonders verfilzten Stellen von Blessing’s Langhaar befanden.

      ~*~

      Während meiner Mittagspause besuchte ich die Seite des Atomic Shop und klickte mich durch die verschiedenen Artikel. Schnell war klar, dass Blessing’s Zubehör blau sein sollte, doch ich brauchte eine Weile, bis ich mich auf einen bestimmten Ton festlegen konnte. Am Ende bestellte ich ein Halfter mit Teddyfell und dazu passendem Führstrick, eine hochwertige Abschwitzdecke aus Fleece, Bandagen und Fesselkopfgamaschen in der klangvollen Farbe „Venice Blue“. Ich hoffte, dass das Zubehör noch vor unserer Abreise ankommen würde, doch die Betreiberin des Shops sicherte mir die pünktliche Lieferung zu. Anschließend rief ich per Skype im Stallbüro an. Es dauerte gar nicht lange, dann sah ich Ana’s hübsches Gesicht in meinem Bildschirm. „Sammy! Wie war es gestern? Wie ist Blessing? Wann kommt ihr nach Hause?“, bombardierte mich die junge Frau sofort mit Fragen. Ich lachte. „Langsam, eins nach dem anderen. Wir kommen erst am Sonntag zurück, ich möchte die Woche gerne voll ausnutzen, damit Blessing sich ein wenig an mich gewöhnt. Sie würde zwar mit Sicherheit auch jetzt schon auf den Hänger gehen, aber ich fürchte, die Fahrt würde sie trotzdem großem Stress aussetzen. Ob das am Sonntag besser ist, sei mal dahingestellt, aber ich möchte es doch wenigstens versuchen. Außerdem habe ich gerade erst Ausrüstung bestellt, damit ich Blessing für die lange Fahrt ordentlich schützen kann. Wäre aber klasse, wenn ihr auf Sonntagabend die Box für Blessing fertig machen könntet. Ich würde sie gerne neben Elfentanz unterbringen. Die wird sie auf keinen Fall bedrängen. So. Ansonsten war der Tag gestern wirklich anstrengend, aber auch sehr schön. Es sind viele interessante Pferde und Teilnehmer dabei, sicher werden es aufregende drei Monate. Außerdem hat sich im Vergleich zum letzten Jahr viel geändert. Gut möglich, dass wir demnächst einmal Besuch von einem Beauftragten des Tierschutzverbandes bekommen. Aber das sollte ja weiter kein Problem sein. Heute Morgen war ich das erste Mal mit unserem Stütchen im Round Pen und ich kann nur sagen, dass das hier mein bisher härtester Fall wird. Blessing wird nie bösartig und zeigt sich auch so gut wie nie ängstlich. Aber sie will nicht laufen, nicht arbeiten, nicht kommunizieren. Später gehe ich mit ihr raus ins Gelände, vielleicht lockt sie das ein wenig aus ihrem Schneckenhaus. Und naja, ansonsten werden wir vor allem an Blessing’s Balance und am Muskelaufbau arbeiten. Viel mehr kann ich dir bisher noch nicht sagen. Aber jetzt bist du dran! Wie läuft es zu Hause? Wie geht es unseren werdenden Mamas? Und was machen Lamira und Lyna?“, berichtete ich eilig. Lyna di Royal Peerage war das erste Fohlen dieses Jahres und zudem auch Lamira‘ erster Nachwuchs. Allerdings warteten wir sehnsüchtig auf den Rest der Fohlenbande. Kagami El Assuad und Succesful Dream waren trächtig von dem Red Roan Hengst Smarty Jones. Levistino hatte Samiyah, Mahira und Corde de la Cerise gedeckt und ich wartete sehnsüchtig auf die Nachkommen meines Spitzenhengstes. Die lackschwarze Leveneza war trächtig von Cadeau. Der englische Vollblüter El Racino würde ebenfalls bald Papa werden, denn meine Vollblüter Kazumi Princess El Assuad und Backup erwarteten Fohlen von ihm. Und dann waren da natürlich noch meine Hannoveranerstuten Unannounced Pleasure und Reminiscent Inspiration. Während erstere von meinem Vollblüter Pawaneeh trächtig war, hatte ich Inspiration von dem Hannoveranerspringpferd Incendio decken lassen. Ich erwartete also noch eine ganze Menge Fohlen. Nun war es an Ana, mich auszulachen. Sie holte tief Luft und sagte: „Du musst grade schimpfen – stellst doch genauso viele Fragen wie ich!“ Dann wurde sie jedoch ernst, da sie wusste, wie viel mir meine Vierbeiner bedeuteten. „Ich persönlich glaube ja, dass es bei Kagami heute soweit sein könnte. Sie ist total unruhig und richtig zickig. Bei Ceri wird es wohl auch nicht mehr allzu lange dauern. Die anderen wanken mit ihren dicken Bäuchen über die Koppeln, aber wir wissen ja alle, wie schnell es im Endeffekt gehen kann.“ Ich biss mir auf die Lippe. Ich hasste es, nicht bei der Geburt der Fohlen dabei sein zu können. Gerade Kagami hatte jetzt einige Jahre lang kein Fohlen gehabt, weil sie bei der Entwöhnung von Princess so schwierig gewesen war. Dennoch war mir klar, dass ich ein super Team daheim auf dem Hof hatte und meine Pferde bestens versorgt waren. Ana deutete mein Schweigen richtig und sagte beruhigend: „Das wird schon alles, Sammy. Wir sind rund um die Uhr da und wechseln uns mit der Nachtwache im Fohlentrakt ab. Es wird alles gutgehen. Und in ein paar Tagen bist du ja auch wieder hier. Ansonsten läuft hier alles wie immer. Wir halten uns an deine Trainingspläne und ich war heute Morgen mit Coeur de Lilith draußen. Sie macht sich wirklich immer besser! Ich freue mich schon so, wenn sie ihr erstes Fohlen bekommt! PFS‘ Storm Cat und Bearing Spots haben heute morgen auch ein tolles Training absolviert und Brian springt grade mit Levistino. Ich glaube der Gute vermisst es, auf Turniere zu gehen.“ Ich lächelte. Mein Spitzenhengst Levistino hatte vor einigen Jahren Jolympia gewonnen und im letzten Jahr hatte ich entschieden, ihn nur noch als Deckhengst einzusetzen. Das aber schien dem Schimmel zu sehr zu langweilen, daher bereiteten wir ihn nun doch auf die kommende Turniersaison vor, damit er im Sommer wieder antreten konnte. Ich sah auf die Uhr und verabschiedete mich erschrocken von Ana. Zuvor nahm ich ihr aber das Versprechen ab, mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anzurufen, falls eine meiner Stuten fohlen sollte. Eigentlich hatte ich schon längst wieder bei Blessing sein wollen, um sie für unseren Spaziergang bereit zu machen. Ich klappte meinen Laptop zu, zog mich um und lief hinüber zu den Koppeln. Einige der Makeover-Pferde fehlten. Wahrscheinlich waren sie mit ihren neuen Besitzern beim Training. Ich holte Blessing von der Koppel und überprüfte kurz Fell und Hufe. Da Blessing beinahe sauber war, hatte ich nicht viel zu tun, bevor wir uns auf den Weg machten. Es würde jetzt am Anfang auch noch kein sonderlich langer Ausflug werden, da ich Blessing keinesfalls überfordern wollte. Das Lindö Dalen Stuteri stellte uns sogar seine Rennbahn zur Verfügung, mit der Bitte, für Spaziergänge die innere Bahn zu verwenden. Genau das wollte ich heute Nachmittag tun. Im Grunde waren Blessing und ich uns noch immer fremd und ich wollte es nicht riskieren, dass sie sich womöglich in fremdem Gelände losriss und durchging. Auf der Bahn bot uns die Umzäunung zumindest ein wenig Sicherheit. Ich führte Blessing am Roundpen, dem Reitplatz und der Ovalbahn vorbei, entlang an den noch unbesetzten Hengstweiden und vorbei an meiner derzeitigen Behausung. Der Weg zur Trainingsbahn führte uns durch einen lichten Wald und Blessing hob argwöhnisch den Kopf. Auf dem Gestüt selbst kannte sie sich mittlerweile ganz gut aus, doch verlassen hatte sie es seit ihrer Ankunft noch nicht. Ich achtete ganz genau auf Blessing’s Körperhaltung. Obwohl ihr Kopf schon bald wieder herabfiel und sie weiterhin dahinschlurfte, sah ich, dass ihre wenigen Muskeln angespannt waren und unter dem Fell leicht zitterten. Ich sprach leise auf Blessing ein und lief energisch vorwärts, damit sie sah, dass ich mich vor nichts fürchtete. Bis wir die Trainingsbahn erreichten, lief eigentlich alles glatt. Blessing wirkte zwar nervös, folgte mir aber anständig. Als wir jedoch den Weg erreichten, der zum Überqueren der äußeren Bahn diente, stemmte Blessing die Beine in den Boden und rollte mit den Augen. Okay, das war zumindest einmal eine aufschlussreiche Reaktion. Dass Blessing sich vor der Bahn fürchtete, unterstützte meine Theorie, dass sie falsch trainiert worden war und ihre derzeitigen Probleme davon herrührten. Dies hier war zwar keine klassische Galopprennbahn, aber für Blessing wohl nah genug dran. Sofort verwarf ich meinen Plan, mit Blessing einen ruhigen Spaziergang um die Innenbahn zu machen. Stattdessen wendeten wir uns vom Eingang zur Bahn ab und blieben auf dem Weg, der um die äußere Bahn herumführte. So hatte Blessing die Strecke zwar immer im Blick und wurde so damit konfrontiert, musste sich aber noch nicht ihrer Angst stellen, in dem ich sie auf die Bahn führte. Davon abgesehen musste ich erst mit den Trainern des Lindö Dalen Stuteri sprechen, ob die Bahn einmal für ein bis zwei Stunden frei war. Nur dann konnte ich es wagen, mit Blessing die äußere Bahn zu überqueren. Nicht, dass die Stute sich plötzlich mitten auf der Bahn querstellte. Für heute jedoch reichte mir diese neue Erkenntnis über mein schönes Vollblutstütchen erst einmal aus. Wir hatten nun ganz konkret etwas, woran wir arbeiten konnten. Ich führte Blessing etwa eine Viertelstunde lang am Rand der Bahn entlang, dann machten wir uns auf den Heimweg. Die Stute fiel sichtbar in sich zusammen, als ihr klar wurde, dass es heute nicht auf die Bahn ging und wir wieder auf dem Weg zum Gestüt waren. Irgendwas musste bei ihrem Training auf der Rennbahn wirklich fürchterlich schief gelaufen sein. Mir war jedoch auch aufgefallen, dass Blessing tatsächlich nie aggressiv geworden war und ich glaubte fest daran, dass das junge Pferd sich tief im Innern jemanden wünschte, dem es vertrauen konnte.

      ~*~

      Freitag – 24. April 2020
      Schon vor dem Weckerklingeln war ich auf den Beinen. Übermorgen würden wir wieder nach Hause fahren! Es war unglaublich, wie schnell die Zeit hier in Schweden vorüberflog. Während der letzten beiden Tage war ich jeweils morgens und nachmittags mit Blessing zur Trainingsbahn spaziert. Zunächst waren wir eine Weile am Eingang gestanden, ohne, dass ich das junge Vollblut dazu gedrängt hatte, einen Huf auf die Bahn zu setzen. Anschließend waren wir dann im Schritt am Rand der Bahn entlanggelaufen. Gestern früh waren gerade zwei Pferde auf der Bahn trainiert worden, doch außer einem kurzen Aufreißen ihrer schönen Augen, hatte meine Blessing überhaupt nicht auf Tiere geachtet, sondern sich nur noch mehr in sich selbst verkrochen. Den Weg zur Trainingsbahn kannte Blessing mittlerweile und verlor daher auch nach und nach ihre sichtbare Anspannung. Das war allerdings auch nur insofern ein Fortschritt, als das mein Pferdchen sich nicht mehr so sehr ängstigte. An ihrer apathischen Haltung änderten auch unsere Spaziergänge an der frischen Luft nichts. Blessing zuckte wohl ab und an zusammen oder sprang zur Seite, wenn sie sich erschreckte, aber ansonsten schien sie ihre Umgebung überhaupt nicht richtig wahrzunehmen. Die einzige Ausnahme stellte unser Stehen am Eingang zur Bahn dar. Dort stand das junge Vollblut völlig unter Strom, rollte mit den Augen und bewegte sich keinen Millimeter. Außerdem begann Blessing jedes Mal stark zu schwitzen, wenn sie dachte, es gehe auf die Bahn. Das bereitete mir das Größte Kopfzerbrechen. Noch war mir nichts eingefallen, womit ich zu der jungen Stute durchdringen könnte, doch ich würde nicht aufgeben. Immerhin war dies unsere erste gemeinsame Woche. Heute sah unser Plan ein wenig anders aus. Am Vormittag wollte ich mit Blessing mal wieder in den Roundpen gehen, um die Stute ein paar Runden traben zu lassen und am Nachmittag wollte ich versuchen, sie wenigstens ein paar Schritte auf die Bahn zu führen. Ich hatte extra mit den Besitzern und Trainern des Lindö Dalen Stuteri gesprochen und sie hatten mir für heute Nachmittag grünes Licht gegeben. Wie jeden Morgen bereitete ich zuerst Blessing’s Frühstück vor uns fütterte die junge Stute. Für die Zeit auf dem Gestüt zu Hause hatte ich bereits einen Termin mit einem Hufschmied vereinbart und später am Tag wollte ich auch einen beim Tierarzt ausmachen. Diesem zusätzlichen Stress wollte ich Blessing allerdings nicht hier in Schweden aussetzen, zumal die Stute keine gesundheitlichen Probleme hatte, die sofortigen Eingriff erforderten. Blessing verputzte ihr Frühstück wie jeden Morgen bis auf den letzten Krümel und ich bildete mir ein, dass sie ganz langsam etwas mehr Gewicht zulegte. Aber es würde natürlich noch eine ganze Weile dauern, bis Blessing wie ein gesundes vierjähriges Vollblut aussah. Nachdem ich mich auch selbst gefüttert hatte, verschwand ich sofort wieder, um Blessing von der Weide zu holen. Mir war klar, dass ich mich gerade ein bisschen von den anderen abschottete, doch in Gedanken war ich einfach die ganze Zeit über bei meinem Makeover-Pferdchen. Ich holte Blessing von der Koppel und band sie am Putzplatz fest. Gestern Mittag hatte ich mich dem roten Langhaar der schönen Stute gewidmet, weshalb sie nun ziemlich wild aussah. Gerade aus der Mähne hatte ich einiges Herausschneiden müssen. Zudem hatte ich die gesamte Mähne auf sportliche Länge gekürzt. So würden die ehemals verfilzten Stellen nicht so lange herausstechen. Auch im Schweif hatte Blessing nun das ein oder andere „Loch“. Das war mir besonders schwergefallen, da Schweifhaare so lange brauchten, um wieder nachzuwachsen. Allerdings war mir auch nichts anderes übrig geblieben. Ich holte mir eine Kardätsche aus der Putzbox und begann damit, Blessings Fell zu Bürsten. Den Striegel hatte ich bisher nie genutzt. Zum einen war Blessing noch nie wirklich dreckig gewesen, zum anderen war sie so knochig, dass ihr die Behandlung mit dem Striegel wahrscheinlich nicht sonderlich gut gefallen hätte. Als Blessing’s fuchsfarbenes Fell in der Morgensonne glänzte, fuhr ich mit den Fingern durch Mähne und Schweif, kratzte die Hufe aus und schnappte mir anschließend meine Schmusebürste, um Blessing’s weißes Gesicht zu reinigen. Wie immer ließ die Stute nicht erkennen, ob ihr die Aufmerksamkeit nun gefiel oder nicht. Da ich seit unserem ersten Spaziergang aber wenigstens wusste, dass Blessing durchaus Angst zeigen konnte, machte ich weiter wie gehabt. Ich wollte Blessing gerade losbinden, da kam Collin auf mich zu. Auf dem Arm hatte er ein großes Paket und ich strahlte. Blessing’s Ausrüstung war da! Ich eilte dem jungen Mann entgegen und nahm ihm dankend mein Paket ab. Dann öffnete ich es, so leise wie möglich, um Blessing nicht unnötig zu erschrecken. Zum Vorschein kam eine Karte mit Glückwünschen für das Makeover. Die Sachen darunter waren in feines Papier gewickelt. Ich packte zuerst die wunderschöne karierte Fleecedecke aus. Dem folgten das Halfter mit Teddyfell, der gemusterte Strick, die Bandagen und zum Schluss die Gamaschen. Glücklich musterte ich mein neues Zubehör. Shopping mal anders. Als ich aufblickte, bemerkte ich, dass Blessing mich mit gespitzten Ohren beobachtete. Als sie meinen Blick bemerkte, sah sie aber schnell weg und ließ die Ohren zur Seite fallen. Ich nahm die Decke hoch und hob sie Blessing vor die Nase. Wie üblich interessierte sich die junge Stute nicht sonderlich dafür. Ich breitete die Decke aus, befühlte den weichen Stoff und legte sie dann über Blessing’s Rücken. Das Zubehör passte perfekt und die Farbe stand meinem jungen Vollblut wunderbar. Glücklich mit meiner Wahl nahm ich die Decke wieder ab und legte Blessing stattdessen die Gamaschen an. Auch sie passten wie angegossen und kamen wie gerufen für das heutige Training. Da Blessing so unkonzentriert war, hatte ich immer Angst, dass sie sich beim Freilaufen selbst in die Hacken trat und sich so verletzte. Dieses Risiko minimierten wir nun mit den Gamaschen. Ich packte die restliche Ausrüstung zusammen und verstaute alles in der Sattelkammer, in der jedem von uns ein kleiner Bereich freigeräumt worden war. Das Lindö Dalen Stuteri hatte wirklich ganze Arbeit für unsere Unterbringung geleistet. „So meine Süße, jetzt lass uns ein bisschen arbeiten!“, sagte ich fröhlich und führte Blessing hinüber zum Roundpen. Die Absprache mit den anderen Trainern funktionierte wirklich hervorragend. Jeder hielt sich an seine Trainingszeiten und jeder konnte alle Trainingsmöglichkeiten für sich und sein Pferd voll ausnutzen. Ich führte Blessing in den Roundpen und schloss das Tor hinter uns. Dann nahm ich der Stute den Strick ab und ließ sie mit einem leisen Schnalzen im Schritt vorwärts gehen. Immerhin brauchte es inzwischen nicht mehr mehr als das, um Blessing in Bewegung zu setzen. Auch sah die Stute durch das regelmäßige Putzen und das gesäuberte Langhaar wesentlich besser aus. Nur an ihrer inneren Verfassung hatte sich noch nichts verändert. Ich seufzte, bis ich an den Augenblick vorhin dachte, in dem Blessing mich beobachtet hatte. Der wache Blick, die gespitzten Ohren. Das war das junge Pferd, das ich hervorlocken wollte. Und eigentlich zeigte das ja auch, dass Blessing sich sehr wohl für mich interessierte und sich bisher nur einfach nicht traute, aus ihrem Schneckenhaus hervorzukommen. Aber im Grunde genommen war jede Sekunde, in der mein Pferdchen Interesse zeigte, ein Schritt in die richtige Richtung. Ich trat einen Schritt auf Blessing zu und forderte sie auf, in den Trab überzugehen. Blessing reagierte beinahe sofort, latschte aber wieder dahin, als wäre sie 35 Jahre alt und leide unter einem Hüftschaden. „Du bist doch so ein wunderschönes Pferd. Und noch so jung. Magst du nicht mal versuchen, ein bisschen anmutiger zu laufen? Ich bin mir ganz sicher, dass du das kannst.“, schmeichelte ich dem jungen Vollblut. Doch Blessing drehte nur weiter stoisch ihre Runden. Sobald wir daheim auf meinem Gestüt waren und der Hufschmied mir grünes Licht gegeben hatte, wollte ich Blessing’s Training mit ein paar Trabstangen bereichern. Damit musste die junge Stute zumindest darauf achten, wohin sie ihre Füße setzte. Vielleicht würde sie diese Herausforderung aus ihrer Lethargie herausholen. Vorerst genügte es mir aber, dass das junge Pferd zumindest ein wenig Bewegung bekam. In den Galopp wollte ich Blessing hier im Roundpen erst wieder bringen, wenn sich ihre Balance gebessert hatte. Sonst würde ich ihr mehr schaden als nützen. Plötzlich knallte irgendwo auf dem Hof etwas. Ich zuckte zusammen und Blessing machte einen Satz nach vorn und rannte im Stechtrab los. Das Ganze hielt nur etwa zehn Sekunden an, doch in dieser kurzen Zeitspanne hatte ich einen Blick auf einen wunderbaren Trab erhaschen können. Blessing hatte die Füße gehoben und war richtig untergetreten. „Ich hatte also recht.“, sagte ich leise. Dann ging ich zu dem schwitzenden Pferdchen hinüber, ließ die Stute anhalten und strich ihr beruhigend über die Stirn. Nur ein leichtes Flackern in Blessing’s Augen und ein kleines Zittern ihrer Muskeln verrieten mir, dass die Stute noch nicht so cool war, wie sie im Moment tat. Ich ließ das Stütchen stehen, den Strick fallen und begann damit, sie zu massieren. Blessing sollte lernen, dass sie nicht bestraft wurde, wenn sie sich erschreckte. Höchstwahrscheinlich war nämlich genau das in der Vergangenheit geschehen. Zumindest würde das erklären, warum Blessing sich so sehr in sich selbst verkroch, auch wenn sie noch Angst hatte. Das war eigentlich völlig untypisch für ein Pferd, lautete die Devise doch: Kampf oder Flucht, wobei Letzteres in der Regel überwog. Ganz allmählich hörte das Zittern unter Blessing’s Fell auf, die Stute schwitzte nicht mehr und ihr Atem wurde ruhiger. Ich ging wieder in die Mitte des Roundpen und forderte sie auf, erneut im Schritt anzutreten. Das war wichtig, damit ich das Training mit einem positiven Erlebnis abschließen konnte. Ich ließ das junge Vollblut nur noch zwei Runden auf jeder Hand laufen, dann hakte ich den Führstrick ein und führte sie zurück zum Putzplatz. Wichtig war ja schließlich nicht die Länge der Trainingseinheiten, sondern die Kontinuität. Ich nahm Blessing die Gamaschen ab und wusch das Pferdchen gründlich. Blessing schloss halb die Augen, was ich einfach einmal als gutes Zeichen wertete. Vielleicht erkannte die junge Stute ja langsam, dass ihr vor mir keine Gefahr drohte.

      ~*~

      Als ich mich am Nachmittag in meinem Laptop einloggte, um Ana anzurufen, blieb der Anruf unbeantwortet. Sofort machte ich mir Sorgen. War etwas passiert? Ana und ich hatten diese Zeit ja extra vereinbart, warum nahm sie dann nicht ab? Unruhig tigerte ich auf und ab, bis ich nach einer halben Stunde schließlich das Telefon im Stallbüro anrief. Aufgrund der hohen Telefongebühren tat ich das normalerweise nicht, aber ich machte mir inzwischen riesige Sorgen. Aber auch hier ging keiner ran. Vor meinen Augen spielten sich die schrecklichsten Szenen ab und als plötzlich ein Skype-Anruf einging, ließ ich vor Schreck beinahe mein Handy fallen. „Sammy!!! Es ist eine Stute! Kagami hat ein Stutfohlen bekommen! Und mein Gott, sie ist so schön.“, schrie Ana ins Telefon. Mein Gesicht wurde aschfahl, bevor es sich wieder aufhellte. „Kagami hat gefohlt? Jetzt gerade? Erzähl mir alles!“, verlangte ich atemlos. Kagami war von dem Red Roan Hengst Smarty Jones gedeckt worden und ich hatte mir sehr viel aus dieser Anpaarung versprochen, zumal Kagami’s erstes Fohlen Princess etliche Rennen gewonnen hatte. „Kagami war heute morgen unausstehlich, deshalb haben wir sie vorsichtshalber im Stall gelassen. Kurz nach dem Mittagessen ist dann die Fruchtblase geplatzt und dann ging eigentlich alles ziemlich schnell. Kagami hat ihre Sache ganz toll gemacht. Ich bin mir nur mit der Farbe des Fohlens ein wenig unschlüssig. Es ist entweder ein Palomino oder tatsächlich ein Palomino Roan. Das werden wir aber wahrscheinlich erst in den nächsten Tagen sehen. Auf jeden Fall ist es gesund und munter und schon kräftig am Saugen. Es ist quasi gleich nach der Geburt aufgestanden und hat einfach nicht aufgegeben, wenn es zurück ins Stroh geplumpst ist. Ich glaube, da haben wir eine richtige Kämpferin bekommen.“, sprudelte Ana hervor. Ich lächelte und konnte es kaum noch erwarten, das neue Hollybrook-Baby zu bekommen. „Da du jetzt weißt, dass es ein kleines Stütchen geworden ist, wie willst du sie nennen?“, fragte Ana mich neugierig. Ich grinste. Jeder wusste, dass ich mir schon im Vorhinein immer einige Namen für die zukünftigen Fohlen überlegte, doch ich hielt sie streng geheim, bis das Baby dann da war. Gerade Ana machte das vollkommen wahnsinnig. „Ich habe zwei Namen im Auge. Einer davon wird es wohl werden.“, lachte ich und Ana schnaubte entrüstet. „Naja, du kommst ja übermorgen wieder her, spätestens dann wirst du es uns wohl sagen müssen!“, sagte sie leicht eingeschnappt. Dann machte sie eine kurze Pause und meinte: „Aber Sammy? Kagami macht uns ziemliche Schwierigkeiten. Sie ist fast ausgerastet, als ich die Box betreten wollte, um nach dem Fohlen zu sehen und selbst als wir ihr Futter gebracht und die Einstreu erneuert haben, hätte sie uns fast den Kopf abgerissen. Ich hab von den anderen gehört, wie sie damals bei Princess war und ich fürchte, diesmal ist es noch schlimmer.“ Ich hörte Ana geduldig zu und seufzte. „Ich hatte wirklich gehofft, dass es diesmal besser wird. Wenn sich Kagami’s Verhalten nicht ändert, werde ich sie nicht noch einmal decken lassen. Es ist nicht gut, wenn wir sie andauernd solchem Stress aussetzen. Aber jetzt beruhigt euch alle ersteinmal, immerhin ist das Fohlen gerade mal eine Stunde alt.“, beruhigte ich meine Freundin und Angestellte. „Wie steht es denn mit den anderen Stuten?“, fragte ich dann. Mit Kagami’s Fohlen hatten ja alle schon am Dienstag gerechnet und dann hatte sich die erfolgreiche Palominostute mit der großen Laterne doch noch ein paar Tage mehr Zeit gelassen. „Alles unverändert. Aber wir behalten sie im Auge und ich rufe dich sofort an, wenn es etwas Neues gibt!“, versprach Ana mir hoch und heilig. „Okay, dann gehe ich jetzt mal rüber zu Blessing. Kümmert euch gut um Kagami und ihr Baby und lasst euch von ihrem Gehabe nicht einschüchtern. Immerhin brauchen sie und ihr Kleines jetzt viel Pflege. Ihr könnt mich jederzeit anrufen, falls etwas sein sollte!“, schärfte ich Ana noch einmal ein. Dann verabschiedeten wir uns voneinander und ich ging hinaus zu den Stutenkoppeln. Kagami machte mir zwar Sorgen, aber ich freute mich riesig über das neueste Mitglied der Hollybrook-Familie und konnte es kaum erwarten das kleine Stutfohlen zu sehen. Ich hatte zwei Stutennamen mit „K“ auf meiner Liste, die mir besonders gut gefielen. Karma El Assuad und Khaleesi El Assuad. Sollte Kazumi Princess ebenfalls ein Stutfohlen gebären, würde ich beide Namen vergeben, denn bisher hatte ich mich noch nicht entscheiden können. Auch für einige der anderen Fohlen hatte ich bereits Namen im Kopf, doch endgültig entscheiden würde ich mich erst, wenn ich die Pferdebabys vor mir hatte. So in Gedanken versunken, wäre ich beinahe mit Occu zusammengestoßen, die mich lachend fragte, auf welcher Wolke ich denn gerade gewesen sei. Ich erzählte ihr die frohe Botschaft und sie beglückwünschte mich zu dem neuen Vollblutpferdchen auf meinem Gestüt. Occu besaß selbst Kagami’s Mutter, die berühmte Rennstute Khiara El Assuad und war daher natürlich besonders an deren Nachkommen interessiert. Wir unterhielten uns kurz über die Fohlen, die wir für dieses Jahr geplant hatten, dann ging ich weiter zu Blessing. Das Fell der jungen Stute war noch sauber vom Waschen, daher kratzte ich ihr nur kurz die Hufe aus und legte dem Vollblut Gamaschen an, bevor wir uns auf den Weg machten. Auch dieses Mal blieb ich wieder vor dem Eingang der Trainingsbahn stehen und ließ Blessing Zeit, sich zu beruhigen. Denn noch immer wurde die junge Stute nervös, wenn wir uns dem Bahneingang näherten. Dann führte ich sie ein Stückchen um die Bahn, wendete und blieb wieder vor dem Eingang stehen. Das wiederholten wir solange, bis Blessing sich nicht mehr aufregte, wenn wir den Bahneingang passierten. Ich atmete tief durch und machte einen Schritt auf die Bahn. Blessing warf den Kopf hoch und rollte die Augen. „Na komm mein Mädchen. Dir passiert hier nichts, versprochen. Ich möchte nur, dass du mit allen vier Hufen auf der Bahn stehst, mehr haben wir heute gar nicht vor.“, sagte ich leise zu dem verängstigten Stütchen. Blessing war zur Salzsäule erstarrt und auch ich bewegte mich nicht. Der Strick hing locker durch, denn ich wollte keinen Druck auf Blessing ausüben. Ich wartete in aller Ruhe ab, dass sie den nächsten Schritt machte. Nach einer gefühlten Ewigkeit – mir wurde schon langsam der Arm lahm – nahm Blessing ihren hübschen Kopf herunter und entspannte sich ein wenig. Ich ging einen Schritt rückwärts und das Spiel wiederholte sich. Ich verlor jegliches Zeitgefühl. Einige andere Teilnehmer des Horse Makeovers führten ihre Pferde an uns vorbei, doch Blessing beachtete sie gar nicht. Ihre großen schönen Augen waren einzig und allein auf die Trainingsbahn gerichtet. Allerdings hatte ich auch nicht erwartet, dass sich Blessing von anderen Pferden beeinflussen lassen würde. Die junge Stute stand immer noch stets abseits der anderen Pferde, daher hätte es mich gewundert, wenn sie nun Schutz bei ihnen suchen würde. Irgendwann waren wir soweit, dass Blessing mit den Vorderhufen auf der Trainingsbahn stand. Ich redete geduldig auf sie ein, drängte sie jedoch nicht. Blessing musste wirklich schlechte Erfahrungen auf der Rennbahn gemacht haben, sonst wäre das sonst so apathische Pferd nun nicht so ängstlich. Ich lockte des junge Pferd immer weiter vorwärts, bis wir schließlich in der Mitte der Bahn standen. Genau deshalb hatte ich vorher auch abgeklärt, wann wir unsere Übung durchführen konnten. Blessing sah sich mit geweiteten Augen um und zuckte bei jedem Geräusch zusammen. So kannte ich die junge Stute noch überhaupt nicht und mir tat das Herz weh, bei dem Gedanken, was sie wohl durchgemacht hatte. Ich trat auf Blessing zu und kraulte sie hinter den Ohren. Nach einer Weile senkte das Fuchsstütchen den Kopf. Ich lobte sie ausgiebig und führte sie von der Bahn hinunter. Für heute hatte ich mein Ziel erreicht, doch es würde noch ein langer Weg werden.

      ~*~

      Samstag – 25. April 2020
      „Brrrrrrrr…Brrrrrrr…Brrrr.“ Erschrocken fuhr ich hoch, als mein Telefon auf dem Nachttisch vibrierte. Es war noch stockdunkel und ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es drei Uhr in der Nacht war. Sofort war ich hellwach. Wer mich um diese Zeit anrief, hatte mir dringendes mitzuteilen. Ich nahm ab und meldete mich ängstlich. „Sammy?“, schluchzte Ana ins Telefon. Meine Kehle schnürte sich zusammen. Irgendetwas stimmte nicht. Ging es Kagami nach der Geburt vielleicht schlecht? Oder war etwas mit ihrem Baby? „Es geht um Leveneza. Sie hat ihr Baby bekommen. Zu früh. Und es ist so klein und schwach. Außerdem war es eine schwere Geburt, wir mussten den Tierarzt rufen. Gott, ich wünschte, du wärst da. Ich fühle mich so hilflos.“, weinte Ana. Ich schluckte. Leveneza war als eine der letzten Stuten gedeckt worden und hätte noch knapp drei Wochen bis zum Geburtstermin gehabt. „Beruhige dich, Ana. Das Baby lebt und der Tierarzt ist da, ja? Und Leveneza hat es einigermaßen überstanden?“, fragte ich. „Levi ist ziemlich fertig. Aber um ihr Baby mache ich mir mehr Sorgen. Sie steht nicht auf, versucht es nicht einmal. Der Tierarzt sagt, wir sollen sie halten, weil die Stutenmilch in diesen ersten Stunden so wichtig für das Fohlen ist. Aber ich wollte erst dich anrufen.“, berichtete Ana leise. „Alles gut, Ana. Der Tierarzt hat recht. Ihr müsst das Fohlen stützen, damit es Muttermilch bekommt. Levi ist so umgänglich, dass sie euch bestimmt keine Probleme macht. Auch sie will, dass es ihrem Baby gut geht, da bin ich mir sicher.“, versuchte ich die junge Frau zu beruhigen. Es war Ana’s erste Fohlensaison auf einem Gestüt und wenn etwas schief lief war das immer hart. Auch ich musste schlucken. Bisher hatte ich in meiner Laufbahn erst ein Fohlen verloren und das verfolgte mich noch heute. Die Stute damals hatte mir allerdings nicht gehört und an Leveneza hing ich wesentlich mehr. Es wäre furchtbar, wenn ihr Baby es nicht schaffen würde. Eine Träne rollte mir über die Wange. „Kannst du heute Nacht bei dem Kleinen bleiben? Morgen komme ich zurück und dann werden wir alles tun, um das Baby durchzubringen. Aber Ana, bis dahin müsst ihr durchhalten. Brian, Samuel und Donald wissen, was in einem solchen Fall zu tun ist. Das haben wir oft genug durchgesprochen. Gib mir Brian am Besten mal.“, sagte ich mit fester Stimme. Kurz darauf war mein junger Trainer am Apparat. Es wunderte mich nicht, dass all meine Trainingsreiter um diese Unzeit im Stall waren. Sie alle waren mit ganzem Herzblut für die Pferde da. „Natürlich, Sammy. Du hast völlig recht. Wir waren nur so aufgeregt, da haben wir deine Anweisungen einfach vergessen. Aber im Grunde wissen wir ja, was wir tun müssen. Ich verspreche dir, dass ich die Kleine durchbringen werde.“, sagte er. „Die Kleine? Es ist ein Stutfohlen?“, fragte ich heißer. Ich hatte mir für Leveneza irgendwie immer ein Stütchen gewünscht. Eines, das genauso elegant und bezaubernd war, wie die lackschwarze Schönheit selbst. Ich hörte, wie Brian lächelte als er antwortete: „Ja. Eine kleine Fuchsstute mit großen Abzeichen. Sie ist zwar winzig, aber wunderschön.“ Ich schluckte. „Okay, Brian. Dann versuch du bitte die anderen zu beruhigen und kümmere dich gut um das Kleine. Ich bin morgen zurück und dann schaffen wir das schon. Sag vor allem Ana, dass sie sich nicht zu viele Sorgen machen soll. Das hilft dem Baby nichts.“ Mit diesen Worten verabschiedete ich mich und legte auf. Inzwischen war es kurz vor vier, doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Um fünf stand ich für gewöhnlich sowieso auf, dann konnte ich es genauso gut gleich tun. Ich wischte mir die Tränen ab, schwang die Beine aus dem Bett und zog mich an. Da es mitten in der Nacht doch noch ziemlich kalt war, zog ich mir meine Jacke über und lief leise hinüber zu den Koppeln. Auch wenn Blessing mir noch nicht vertraute, ich musste jetzt das weiche Fell und den warmen Atem eines Pferdes spüren. Die Stuten des Makeovers sahen auf, als ich zu dieser unchristlichen Stunde auf der Koppel erschien. Selbst Blessing sah mir von ihrem Platz abseits der anderen entgegen. Ich ging auf das junge Vollblut zu und legte die Hand auf seinen warmen Hals. „Ach Blessing. Eine meiner Stuten hat ein Baby bekommen. Es ist ein kleines Fuchsstütchen, genau wie du. Es hat sogar große Abzeichen, wie du. Aber ich weiß nicht, ob es durchkommen wird. Die anderen sagen, dass es so klein und schwach ist und der Tierarzt hat uns auch nicht viel Hoffnung gemacht. Ich hasse es, mich so hilflos zu fühlen. Am liebsten würde ich sofort nach Hause fahren. Aber im Grunde genommen könnte ich ja doch nichts tun.“, ließ ich meiner Trauer freien Lauf. Blessing hielt ganz still und hatte die Ohren nach hinten in meine Richtung gewandt. Es war das erste Mal, dass sie das tat. Vielleicht brachte mich meine eigene Verzweiflung meinem Makeover Pferd näher. Im Moment genoss ich einfach nur den Augenblick.

      Als ich an diesem Morgen beim Frühstück saß, fragten mich mehrere Teilnehmer, ob es mir gutging. Die letzte Nacht war nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Meine Augen waren rot und geschwollen und ich war ziemlich in Gedanken versunken. Ich erklärte ihnen bereitwillig die Situation und alle waren sehr mitfühlend und bemüht, mir Mut zu machen. Das kleine Fohlen, das ich noch nie gesehen hatte, hatte jetzt schon einen Fanclub. Alle wollten, dass das Stütchen überlebte. Als Nicolaus von der ganzen Sache hörte, fragte er, ob ich nicht heute schon abfahren wollte, doch ich lehnte dankend ab. Blessing und ich hatten heute noch einen wichtigen Schritt zu erledigen und ich war mir sicher, dass das Baby daheim bestens umsorgt wurde. Nach dem Frühstück ging ich zu meiner Fuchsstute hinaus und holte sie von der Koppel. Irgendetwas hatte sich verändert. Blessing beobachtete mich nun immer häufiger, wenn sie dachte, ich würde nicht hinsehen. Mir jedoch fiel die Veränderung durchaus auf und ich fragte mich, ob es mit meiner Traurigkeit heute Nacht zu tun hatte. Ich wollte Blessing heute früh nur ein wenig herumführen und heute Nachmittag dann noch einmal mit ihr auf die Rennbahn gehen. Morgen würden wir dann direkt nach dem Frühstück nach England aufbrechen. Immerhin hatten wir einen weiten Weg vor uns. Ich putzte die junge Stute gründlich und legte ihr Gamaschen an. Sie hatten sich in unserem Training schon einige Male bewährt und ich war heilfroh, dass Blessing’s Beine geschützt waren. Eine Verletzung war nun wirklich das Letzte, was wir brauchten. Nachdem Blessing fertig fürs Training war, band ich sie los und schlug heute einmal den Weg in die andere Richtung ein. Wir gingen vorbei an den Koppeln der Pferde des Makeovers und liefen dann einen kleinen Weg entlang, der laut Collin zu den Weiden der Jungpferde führte. Blessing schlurfte zwar immer noch vor sich hin, sah sich aber immer einmal wieder um. Das hatte sie früher nicht getan und dieser Funke von Interesse verdrängte meine trübselige Stimmung ein wenig. Immerhin machte das Fuchsstütchen Fortschritte. Blessing und ich waren nun jeden Tag gelaufen und hatten unsere Distanz allmählich vergrößert. Heute waren wir das erste Mal über eine Stunde unterwegs und legten zwischendurch auch kleinere Passagen im Trab zurück. Blessing begann im Trab zwar recht schnell zu schwitzen, kühlte im Schritt aber auch immer rascher wieder ab. Für mich ein sicheres Zeichen, dass ihre Kondition besser wurde. Wir liefen an den Koppeln entlang und beobachteten die Jungpferde, die dort herumtollten. Hoffentlich würde Leveneza’s Tochter im nächsten Jahr auch so über die Weiden springen können. Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken an das kleine Stutfohlen zu vertreiben. Als das Gestüt wieder in Sicht kam, war es bereits Mittag. Ich versorgte Blessing liebevoll, wusch sie gründlich ab und brachte sie dann zurück auf die Koppel. Blessing schlurfte sofort an ihren Stammplatz, blickte dann aber zu mir zurück, bevor sie ein paar Halme Gras rupfte. Ich lächelte. Wir machten definitiv Fortschritte, auch wenn sie klein waren.

      ~*~

      An diesem Nachmittag telefonierte ich zuerst mit Ana. Samuel war gerade bei Leveneza und ihrem Baby und Brian hatte sich ein wenig hingelegt, da er die Nacht über und den ganzen Morgen auf die zwei Stuten aufgepasst hatte. Stündlich stellten sie das Babypferdchen auf, damit es ein wenig Muttermilch zu sich nehmen konnte und Leveneza unterstützte sie nach Kräften. Immerhin zog die junge Stute mit. Leider gab es auch immer wieder Stuten, die sich um solch schwächliche Fohlen nicht kümmerten. Ich war heilfroh, dass dies bei Leveneza eindeutig nicht der Fall war. „Jeder liebt die Kleine. Aber bei Kagami’s Fohlen ist es nicht anders. Es ist übrigens tatsächlich ein Roan! Wie toll, dass deine Wunschfarbe bei der Anpaarung herausgekommen ist. Das Kleine ist putzmunter und springt schon in der Box herum. Aber wir alle sind froh, wenn du wieder hier bist. Noch so eine Geburt möchte keiner von uns ohne dich erleben.“, schloss Ana ihren Bericht ein wenig traurig. „Ach Ana, so etwas wollen wir auch nicht noch einmal erleben, wenn ich da bin. Ich hätte das Ganze ja auch nicht verhindern können. Aber die erste Nacht hat das Baby überstanden, das ist schon einmal ein gutes Zeichen. Ich fahre morgen gleich nach dem Frühstück mit Blessing hier los. Vergesst ihr nur bitte über den ganzen Trubel nicht, die Box für unser Makeover-Pferdchen herzurichten. Blessing zeigt endlich ganz langsam Interesse an mir und ihr soll es an nichts fehlen. Ana hörte mir aufmerksam zu und sagte, dass die Box schon vorbereitet sei. „Wir müssen sie morgen nur noch einstreuen und Heu hineinlegen. Alles weitere ist erledigt.“, beteuerte sie mir. Wir verabschiedeten uns und Ana wünschte mir schon einmal eine gute Fahrt, da wir uns vor meiner Abfahrt morgen wohl nicht mehr hören würden. Wenn nichts Schlimmes dazwischen kam. Sofort schalt ich mich in Gedanken selbst. Solch eine negative Denkweise passt eigentlich überhaupt nicht zu mir und ich hatte ganz sicher nicht vor, mir diesen Zug anzueignen. Ich zog mich um, schnappte mir einen Apfel und ging hinüber zur Stutenkoppel. Blessing hob kurz den Kopf, als sie mich sah und ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Ich hielt ihr den Apfel hin und nach kurzem Zögern nahm sie ihn mir vorsichtig von der Hand. Liebevoll strich ich Blessing über die weiße Stirn und führte mein Pferdchen dann von der Koppel. Wie gewohnt machte ich Blessing in aller Ruhe fertig und führte sie dann den Weg zur Trainingsbahn entlang. Inzwischen war das junge Vollblutpferd schon wesentlich entspannter, wenn wir hier entlang kamen. Vor dem Eingang der Trainingsbahn zögerte Blessing jedoch wieder und es dauerte wieder einige Zeit, bis ich sie auf der Bahn hatte. Anstatt das Training nun jedoch wie am gestrigen Tag zu beenden, führte ich Blessing weiter, um auf die innere Bahn zu gelangen. Wir würden nach unserem ausgiebigen Spaziergang heute Morgen jetzt nicht mehr viel machen, ich wollte lediglich, dass Blessing ein paar Schritte um die Bahn lief, um zu sehen, dass ihr dabei nichts passierte. Ein Zittern lief über den Körper der jungen Stute, doch dann setzte sie sich in Bewegung und folgte mir an der Hecke entlang. Ich ging nur etwa zweihundert Meter mit Blessing, dann drehten wir um und liefen dieselbe Strecke in die andere Richtung. Zum Schluss stellte ich mich mit der Fuchsstute an den äußeren Rand der Bahn und massierte sie ein wenig. Dazu hängte ich mir den Führstrick in die Armbeuge – man konnte ja nie wissen. Nach diesem Etappenerfolg führte ich Blessing wieder zurück zum Hof, befreite sie von ihrer Ausrüstung und bereitete ihr abendliches Mash zu. Dann rieb ich ihr sachte über das weiche, rosarote Maul und führte sie zurück zur Koppel. „Genieß deine letzte Nacht in Schweden, mein Mädchen. Morgen fahren wir nach England, in dein neues Zu Hause!“, sagte ich dann leise zu ihr, bevor ich zum Abschlussabendessen in den Aufenthaltsraum ging. Es war toll gewesen, sich jeden Tag mit den anderen Teilnehmern auszutauschen und das Training mit nur einem einzigen Pferd war pure Erholung für mich gewesen. Dennoch freute ich mich auf die morgige Heimfahrt und darauf, meinen Hof, meine Tiere und meine Angestellten wiederzusehen. Und natürlich freute ich mich ganz besonders auf die beiden neuen Hollybrook-Fohlen!

      ~*~

      Sonntag – 26. April 2020
      Ich fütterte Blessing an unserem letzten Tag wie gewohnt früh am Morgen. Danach ging ich zurück in mein Zimmer und packte meine Sachen zusammen. Als ich zum gemeinsamen Frühstück aufbrach, war mein Zimmer bereits geputzt und all meine Sachen waren sicher im Auto verstaut. In der Sattelkammer befanden sich nun nur noch Blessing’s Halfter und Führstrick, die Fesselkopfgamaschen für vorne und hinten, sowie die Fleecedecke. Den Transporter hatte ich mit einem Heunetz ausgestattet, damit Blessing auf der langen Fahrt ein wenig Futter hatte. Wir hatten immerhin knapp fünfzehn Stunden Fahrt vor uns. Ich frühstückte, bis ich pappsatt war und packte mir mit Collins Erlaubnis ein Lunchpaket für die Fahrt. Einen Kanister mit Wasser für Blessing hatte ich selbstverständlich auch dabei. Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich vergleichsweise schnell von den anderen Teilnehmern. Manche hatten eine noch längere Anreise als ich, andere hatten einen recht kurzen Weg. Dann holte ich Blessing von der Koppel, putzte sie kurz über, kratzte die Hufe aus und legte ihr dann Gamaschen und Decke an, um sie für den Transport vorzubereiten. Ich hatte mich gegen eine Sedierung entschieden, da Blessing bisher immer sehr ruhig gewesen war. Ich öffnete meinen Transporter und führte Blessing zur Rampe. Die Stute zögerte kurz, ging dann jedoch mit gesenktem Kopf die Rampe hinauf. Scheinbar war sie schon des Öfterem im Transporter gefahren. Ob das nun gut oder schlecht war, würde sich noch zeigen. Ich band mein Vollblut-Stütchen fest, versicherte mich, dass es ihr an nichts fehlte und schloss dann sorgfältig die Rampe. Dann verabschiedete ich mich nochmals von den anderen Teilnehmern und auch von den Veranstaltern. Benni versicherte uns allen grinsend, dass wir uns ja bald wieder sehen würden. Ich schmunzelte, stieg in mein Auto und fuhr winkend vom Hof. Dann drehte ich die Musik auf und stellte mich auf die Fahrt ein. Die Fahrt durch Schweden verlief relativ kurz und ereignislos. Schon nach knapp drei Stunden waren wir am Fähranleger von Rodby. Ich war ein wenig besorgt, wie gut Blessing die Überfahrt verkraften würde, zumal wir ja heute gleich zweimal mit der Fähre unterwegs sein würden. Daher hatte ich mich schon bei der Hinfahrt darauf eingestellt, auf dieser Route während der Überfahrt unter Deck bei meinem Pferd zu bleiben. Wir bekamen einen Platz auf der nächsten Fähre und ich steuerte mein Auto samt Hänger vorsichtig auf den uns zugewiesenen Platz. Sobald wir sicher standen, stellte ich den Motor ab, schloss das Auto zu und ging zu meinem jungen Vollblut in den Hänger. Blessing’s Augen wurden groß, als der Motor der Fähre lauter wurde und wir uns langsam in Bewegung setzten. Es war ein großes Schiff und dennoch war der Wellengang deutlich zu spüren. Ich strich meinem Stütchen beruhigend über den Hals und massierte sie ausgiebig, während ich leise vor mich hinsummte. Glücklicherweise dauerte die Überfahrt von Schweden nach Deutschland nicht allzu lange. Von Puttgarden, wo die Fähre anlegte, ging es quer durch den Norden Deutschlands, vorbei an Hamburg, Bremen und Dortmund. Auf den Straßen war nicht viel los und darüber war ich mehr als dankbar. Blessing war auf der Fahrt ziemlich ruhig und schwitzte auch nicht, als wir kurz vor der niederländischen Grenze eine längere Pause einlegten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits acht Stunden unterwegs. Das junge Pferd schlug sich jedoch sehr gut. Ich füllte erneut Blessing’s Wassereimer, entfernte Pferdeäpfel aus der Streu und füllte Heu nach. Außerdem band ich Blessing los und führte sie ein wenig auf dem Parkplatz des Autohofs herum. Ich hatte mich extra nicht für eine Autobahnraststätte entschieden, damit wir ein wenig mehr Ruhe hatten. Nachdem ich Blessing’s Muskeln gelockert hatte, bekam sie ihr Mash, wofür ich extra meinen Wasserkocher eingepackt hatte. „Nur noch knapp sieben Stunden mein Mädchen, dann sind wir endlich zu Hause.“, sagte ich liebevoll zu dem Pferdchen. Ich genehmigte mir einen großen Kaffee und besorgte mir im Drive In ein paar Burger. Dann ging es auch schon weiter. Wir durchfuhren ein Eckchen der Niederlanden und durchquerten anschließend Belgien. Nur noch ein Land lag zwischen uns und meinem geliebten England. Als wir den Fähranleger in Calais, in Frankreich erreichten, war ich ganz schön fertig. Nur noch drei einhalb Stunden, aber eine davon konnte ich mich auf der Fähre ausruhen. Ich holte mir einen weiteren Kaffee und ging schnell zur Toilette, während weitere Autos auf die Fähre fuhren. Wir waren unter den ersten gewesen, daher hatte ich einige Minuten Zeit, bis wir ablegen würden. Anschließend ging ich mit meinem Kaffee, zwei Brötchen und einem Apfel zu Blessing in den Hänger. Ich verfütterte den Apfel an sie und setzte mich auf den Boden. Blessing stand mit gesenktem Kopf da und döste vor sich hin und ein paar Minuten später war ich selbst eingeschlafen. Erst als die durchdringende Ansage über das Parkdeck schallte, dass wir in wenigen Minuten anlegen würden, wachte ich wieder auf. Nach diesem kurzen Schläfchen fühlte ich mich wieder frischer und war bereit für die letzte Etappe unserer Reise. Blessing machte zwar einen sehr müden Eindruck, ansonsten schien es der jungen Stute jedoch gut zu gehen. Ich strich ihr über die samtene Nase und setzte mich dann ans Steuer, um den Verkehr nicht aufzuhalten, sobald wir das Schiff verlassen durften. Nun ging es vorbei an London und Winchester, bis wir bei Southampton schließlich die Schnellstraße verließen. Kurz darauf fuhr ich auf der Landstraße durch den Wald und eine halbe Stunde später kam die Zufahrt zu meinem Gestüt in Sicht. Ich seufzte erleichtert auf. Eigentlich fuhr ich nie so lange Strecken am Stück, doch ich hatte Blessing keine Nacht im Hänger oder einem fremden Stall zumuten wollen. So war die Tortour zumindest schnell vorüber. Mittlerweile war es kurz nach ein Uhr und ich spürte überdeutlich, dass ich schon seit dem Morgengrauen auf den Beinen war. Als ich den Pferdehänger vor den Stall lenkte, kam mir Ana entgegen. Sie öffnete mir die Tür und umarmte mich. „Du siehst ganz schön fertig aus. Aber das ist ja nach dieser Fahrt auch kein Wunder! Blessing’s Box ist bereit, soll ich sie herausführen?“, begrüßte Ana mich. Ich schüttelte den Kopf: „Nein, das mache ich selbst. Sie kennt mich ja jetzt und hier ist alles neu für sie. Aber ich glaube, Blessing ist genauso müde wie ich, deshalb wird es bestimmt keine Probleme geben.“ Ana ließ die Rampe des Hängers herunter und ich trat zu meinem Pferdchen. Blessing blinzelte mich müde an und ich strich ihr liebevoll über den Kopf. „Na komm meine Süße, wir sind daheim. Du warst wirklich klasse!“, lobte ich sie. Dann band ich Blessing los und dirigierte sie vorsichtig die Rampe des Pferdehängers herunter. Das Stütchen blieb stehen und zog mit zitternden Nüstern Luft ein. Ich tätschelte ihren Hals und führte sie vorwärts zum Stutentrakt. Blessing folgte mir anstandslos und reagierte nicht auf das einzelne müde Wiehern, das uns entgegenschallte. Ich führte Blessing in die Box und nahm ihr Gamaschen und die Decke ab. Ihre Krippe war gefüllt, die Box dick eingestreut und die Tränke funktionierte. Blessing war so erschöpft, dass sie sich gar nicht großaratig umsah und ihre Boxennachbarin Elfentanz ließ sie in Ruhe. Elfentanz war kein aufdringliches Pferd, deshalb war es mir so wichtig gewesen, dass Blessing die Box neben ihr bezog. Ich betrachtete das junge Stütchen noch einen Augenblick lang, dann ging ich leise in den Abfohltrakt, um mir die beiden kleinen Fohlen anzusehen. Ich konnte mich vor Müdigkeit zwar kaum noch auf den Beinen halten, aber ich war eben Pferdebesitzerin mit Leib und Seele, da ging das Wohl der Vierbeiner vor. Leise betrat ich den Stall und lief sofort zu meiner Palominostute Kagami. Das schöne Tier döste stehend in seiner Box und in einer Ecke im Stroh entdeckte ich ein kleines, helles Bündel. „Hallo Baby“, flüsterte ich leise. „Begrüßen werde ich dich morgen, heute lasse ich dich schlafen.“ Kagami hatte die Augen geöffnet und kam vorsichtig zur Tür, um mich zu begrüßen und ich strich der Stute die weiße Mähne aus der Stirn. „Das hast du toll gemacht mein Mädchen. Ich werde mir dein Baby morgen genauer ansehen, okay?“, sagte ich liebevoll. Dann ging ich drei Boxen weiter zu Leveneza und ihrem Stutfohlen. Die Rappstute lag im Stroh, ihr winziges Baby direkt neben ihr. Brian döste in einer Ecke der Box. Als Ana die Boxentür öffnen wollte, schüttelte ich den Kopf. Der junge Mann hatte ein paar harte Tage und Nächte hinter sich und konnte jede Minute Schlaf gut gebrauchen. Zudem wollte ich auch Leveneza und ihr Kleines nicht aufwecken, da sie gerade so friedlich schliefen. Die Größe des Pferdebabys machte mir dennoch Angst. Es sah so klein und zerbrechlich aus, wie es da im Stroh neben seiner stattlichen Mutter schlief. Auf Zehenspitzen schlichen Ana und ich zurück in den Stutentrakt und sahen noch einmal nach Blessing. Das junge Vollblut hatte es sich im Stroh gemütlich gemacht und schlief tief und fest. Ich lächelte. Noch nie hatte ich gesehen, dass Blessing sich zum Schlafen hinlegte. Wahrscheinlich war sie die Weidehaltung mit anderen Pferden zusammen einfach nicht gewohnt gewesen. Ich lächelte und verließ den Stall. Dann wünschte ich Ana eine gute Nacht und ließ mich in Klamotten in mein Bett fallen. Das heute war ein wirklich langer Tag gewesen, aber ich freute mich bereits auf den Nächsten.

      ~*~

      Montag – 27. April 2020
      Trotzdem ich nach der kräftezehrenden Fahrt erst spät ins Bett gekommen war, war ich am nächsten Morgen gewohnt früh auf den Beinen. Mein erster Weg führte mich natürlich in den Stutentrakt zu meinen Pferden. Blessing stand am hinteren Ende ihrer Box und sah durch ihr Fenster nach draußen. Ich rief nach ihr und sie wandte sich kurz nach mir um, bevor sie mich ignorierte. „Kleine Schritte.“, dachte ich mir. Immerhin hatte Blessing noch vor einer Woche überhaupt nicht reagiert, wenn sie mich sah. Da ich schonmal hier war, begrüßte ich gleich auch noch HMJ 7785 Elfentanz und ihre Freundin, die Palominostute Hollywood Undead II. Die beiden vernachlässigten Pferde waren inzwischen unzertrennlich. Ich ging die Boxenreihe entlang und knuddelte mit meinem Holsteinermädchen Coeur de Lilith, der Hannoveranerstute Cassidy und meiner alten Dame Wild Lady Roxanne. Anschließend betrat ich den Fohlentrakt und ging schnurstracks zu Leveneza und ihrem Baby. Die schöne Rappstute schwang ihren Kopf über die Boxentür und wieherte mir leise zu, als sie mich kommen sah. Ich ging auf sie zu und nahm ihren Kopf in die Arme. „Hallo, meine Schöne. Alles wird gut, ich passe jetzt auf dein Baby auf.“, tröstete ich sie, während ich die Box betrat. Das Pferdebaby lag zusammengerollt im Stroh und blinzelte mich vertrauensseelig an. Das Pferdekind hatte wesentlich mehr menschlichen Kontakt gehabt, als es Fohlen in ihrem Alter eigentlichen hatten. Brian saß immer noch in der Ecke und beobachtete das Fohlen aufmerksam. „Sie steht immer noch nicht alleine auf, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass sie es schaffen wird.“, sagte er leise und gähnte. „Geh schlafen Brian. Ich mache nur noch meinen Rundgang durch den Stall, dann passe ich auf die beiden auf. Du hast in den letzten Tagen mehr als genug getan.“, sagte ich dankbar. Der junge Mann nickte und stand schwankend auf. „Getrunken hat sie erst vor ein paar Minuten.“, sagte er noch. Ich dagegen kniete mich hin und strich dem Baby über den flaumigen Hals. Es schmiegte sich gegen meine Hand und zerfloss beinahe vor Rührung. Wir mussten dieses Fohlen unbedingt am Leben halten. Nur schwer konnte ich mich von Mutter und Kind losreißen, als ich weiter zu Kagami El Assuad und ihrer Tochter ging. Das kleine Tier war tatsächlich ein Palomino Roan und ich konnte mein Glück kaum fassen, diese seltene Fellfarbe gezüchtet zu haben. Die kleine Stute hatte ebenfalls gerade gefrühstückt und sprang nun ausgelassen in der Box herum. In einigen Tagen würden wir die beiden bereits auf die Koppeln hinaus bringen können. Auch Lamira und Lyna machten einen sehr guten Eindruck. Die eigensinnige Schimmelstute hatte ihre erste Geburt sehr gut überstanden und Lyna war ein richtiges Prinzesschen, das von allen auch genau so behandelt wurde. Ich stattete den restlichen trächtigen Stuten einen Besuch ab. Successful Dream stiefelte immer noch recht energisch auf der Koppel herum, während die anderen eher durch die Gegend wankten, wenn sie sich denn einmal bewegten. Ich lächelte. Es wunderte mich überhaupt nicht, dass mein junges Vollblut noch so agil war. Ana, Samuel und Donald machten gerade die Englischen Vollblutstuten PFS‘ Storm Cat, Bearing Spots, Little Miss Backyard, Success Story xx und Ace of Spades zum Training fertig. Von diesem würde ich mich heute allerdings fernhalten, um die Wache bei Leveneza und ihrem Fohlen zu übernehmen. Die Showpferde Where’s Sleep, Rosewell, My lovely Horror Kid, Saddy, Rainbow, Ehawee und Cuchara tummelten sich bereits auf den Koppeln. Sie wurden momentan weniger trainiert als die Vielseitigkeits- und Rennpferde, aber auch das würde sich in nächster Zeit wieder ändern. Auch die Ranchpferde PFS‘ Devil in Prada, Arriba, Your possible Pasts, The Morticains Daughter und My golden Heart waren zur Zeit nicht in intensiven Training. Meist ritten wir mit ihnen aus oder nahmen sie als Begleitpferde für die Jungtiere, die gerade ins Training kamen. Bevor ich meinen Rundgang nun auf den Koppeln fortsetzte, um meine Feenpferdchen, die Trainingspferde und Fohlen zu besuchen, ging ich erst einmal in den Hengststall, um meine Männer zu begrüßen. Die Vielseitigkeitspferde Cadeau, Fantastic Fly, Incendio, Pride & Prejudice und Levistino machten alle einen hervorragenden Eindruck. Auch bei den Showpferden Roi du Soleil, Shamal, Khamar al Sanaa, Negresco, Ojos Azules, Damon’s Dynamo und Amayyas war alles in bester Ordnung. Amayyas hielt wie üblich alle auf Trab, aber ich liebte meinen Geparden abgöttisch. Die beiden Westernpferde Golden Indian Summer und Dissident Hawk knabberten enttäuscht an meinem Ärmel, als sie entdeckten, dass ich ihnen nichts mitgebracht hatte. „Nehmt’s mir nicht übel meine Süßen, ich bin heute noch ziemlich müde. Morgen bringe ich euch etwas Leckeres, versprochen!“, vertröstete ich die Hengste lachend. Meine kleinsten Ponys waren bereits draußen auf den Koppeln. Der Isländer GE’s Ljósfari kam sofort zum Koppelzaun als er mich entdeckte. Das Islandpony war der geheime Liebling bei allen Gestütsbesuchern und hatte auch einen besonderen Platz in meinem Herzen. Die Minihengste Rumpelstielzchen und Darkwood’s Storm Dancing Feather stolzierten über ihre Weide und Hollybrook’s Cheeky Jot ignorierte mich. Der schöne Schecke war wahrscheinlich beleidigt, weil ich ihn solange alleine gelassen hatte. Cheeky und mich verband eine ganz besondere Beziehung und der Hengst hatte noch immer seinen eigenen Kopf. Mein Neuzugang, das spanische Warmblut Vingador stand momentan noch in einem der abgetrennten Hengstpaddocks, da er sich von einer schwerwiegenden Vernachlässigung erholen musste. Auch PFS‘ Arctic Alinghi, der wunderschöne Junghengst unter den Miniature Pferden stand zur Zeit noch alleine, da nicht sicher war, ob er sich mit den beiden älteren Hengsten verstand. Die Stuten unter den Trainingspferden standen noch im Stall. Unter ihnen waren die wunderhübschen Miniature-Pferdchen PFS‘ Beck’s Little Diva und PFS‘ Glenn’s Cookie. Mit beiden wollte ich demnächst das Training beginnen. Pashmina, Pirate’s Pride und die schöne Stute Galantis standen bereits gut im Training, während Picturesque Diova, Successful Glamour und Painted Crown Jewel ihre gesamte Karriere noch vor sich hatten. Letztere waren erst seit knapp zwei Wochen auf meinem Gestüt und ich konnte mein Glück immer noch kaum fassen, zwei solch vielversprechende Stuten ergattert zu haben. Im Fohlentrakt befanden sich derzeit nur noch die fast ausgewachsene Trakehnerstute Jeune Mariée, die Welsh D Stute PFS‘ Daydream of Money und das Araberstütchen PFS‘ Isis. Ganz zum Schluss stattete ich noch meinen Ponystuten Magical Moment, Thousand Sunny, Naboo, Aimiliani, Fairylike Facility, Isola della Pirateria, Miniature America’s Narnia und Porcelain Doll einen Besuch ab. Dann schaute ich noch einmal bei Blessing vorbei. Ich gab dem schönen Tier sein Frühstück und ließ Blessing dann in Ruhe. Heute Nachmittag durfte sie ein paar Stunden auf ein Stück Koppel, dass ich neben der Stutenkoppel abgetrennt hatte. Ansonsten aber hatte mein Makeover-Pferdchen heute frei. Immerhin war der Tag und überhaupt die ganze letzte Woche ziemlich anstrengend gewesen. Da hatte sich Blessing einen freien Tag redlich verdient. Fortschritte würden wir noch schnell genug machen. Ich dagegen hatte heute einiges zu tun. Erst einmal standen nun ein paar Stunden Wache halten bei Leveneza an und später am Tag wollte ich mir Gedanken über Blessing’s Trainingsplan machen, damit das Stütchen sich bald auf meinem Gestüt zu Hause fühlte. Ich hoffte wirklich sehr, dass ich Blessing weiter aus ihrem Schneckenhaus locken konnte und die Stute bald über die weitläufigen Weiden meines Gestüts toben würde. Den Grundstein hatten wir gelegt, nun hieß es behutsam weitermachen und darauf aufbauen. Ich war zuversichtlich, dass Blessing und ich tolle Partner werden würden.
    • Sammy
      [​IMG]
      Das erste Training im neuen Heim
      28. April 2020
      31.430 Zeichen | 20 Punkte

      "Guten Morgen mein Mädchen, wie gefällt es dir in deiner neuen Box?", fragte ich mein Makeover-Pferdchen HMJ Blessing fröhlich. England begrüßte mich mit dem für diese Jahreszeit typischen Nieselregen, doch das machte mir wenig aus. Der der Boden dennoch gut war, sollten ein paar meiner Vollblutstuten heute auf der Bahn trainieren und ich wollte Blessing zusehen lassen. Ich hegte die leise Hoffnung, dass es die junge Stute motivieren würde, ihre Stallgenossen in vollem Galopp zu sehen. Ich betrat Blessing's Box und strich der Stute sanft über die Stirn. Außerdem fuhr ich über ihre Beine, um zu sehen, ob sie vom langen Stehen im Pferdehänger geschwollen waren. Da dies nicht der Fall war, führte ich Blessing kurz darauf aus ihrer Box. Die junge Stute folgte mir wie immer artig, aber ich konnte nicht einschätzen, ob sie sich hier bisher wohlfühlte. Gestern auf der Koppel hatte Blessing die anderen Pferde weitgehend ignoriert, obwohl gerade mein Schimmelchen PFS' Storm Cat gerne Kontakt gesucht hätte. Ich würde Blessing noch einige Tage getrennt von meinen anderen Stuten halten und ihr dann vielleicht ein bis zwei Kameraden zur Seite stellen, damit sie sich erst einmal mit ein paar wenigen Pferden anfreunden konnte. Wenn das klappte, durfte das Vollblut natürlich auch auf die große Weide, um Mitglied der Herde zu werden. Ich führte Blessing in eine der Putzboxen und hakte die Führstricke zu beiden Seiten in ihr Halfter ein. Neben uns war Ana gerade dabei, mein Falbstütchen Pirate's Pride fürs Training fertig zu machen. Während ich mit langen Strichen Blessing's fuchsfarbenes Fell bürstete, gähnte ich herzhaft. Ich hatte Nachtwache bei Leveneza und ihrem Kleinen gehalten und war daher ziemlich groggy. Noch war das süße Stutfohlen nicht über den Berg und ich wusste, dass es für alle Angehörigen des Hofes hart sein würde, sollten wir das Baby verlieren. Als ich merkte, dass Blessing mich beobachtete, lächelte ich. "Na, mein Mädchen? Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich hier stehe und Trübsal blase, hm?", fragte ich sie, während ich ihr zärtlich über das rosafarbene Maul strich. Nicht zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass mein Kummer mich dem Stütchen näher brachte. Tiere waren wirklich erstaunlich, wenn es darum ging, menschliche Emotionen wahrzunehmen. Als Blessing's Fell sauber war, verlas ich ihren langen Schweif und fuhr mit den Fingern durch die sportliche Mähne. Anschließend kratzte ich ihr die Hufe aus und legte ihr Bandagen an. "Wie steht es bei euch?", fragte ich Ana und Samuel, die heute das Training mit den Vollblütern absolvieren wollten. Einige Sekunden später hörte ich Hufe auf dem Steinboden klappern und Samuel erschien mit seinem heutigen Trainingspferdchen Little Miss Backyard. Die junge Scheckstute war endlich soweit, dass sie auf der Bahn mit anderen Pferden laufen konnte, ohne völlig durchzudrehen. Eine Zeit lang hatte ich tatsächlich daran gezweifelt, ob sie es jemals auf die Rennbahn schaffen würde, doch jetzt sah es ganz gut aus. Zumal die junge Stute bisher jedes Pferd abgehängt hatte, wenn sie sich konzentrierte. Ana und Samuel führten ihre beiden Stuten aus dem Stall und wurden im Hof von Donald in die Sättel geworfen. Ich band Blessing los und ließ das junge Stütchen zusehen. Sie tänzelte ein paar Schritte zur Seite, als fürchte sie, ebenfalls einen Sattel aufgelegt zu bekommen. Ich strich ihr beruhigend über die Stirn. "Alles gut, Süße. Soweit sind wir noch lange nicht." Wie üblich beruhigte sich Blessing schnell wieder und zog sich in sich selbst zurück. Allerdings nur, bis die Rennbahn in Sicht kam. Ich hatte viel Geld in diese Trainingsanlage gesteckt und war jeden Tag froh darüber. Ohne sie wäre das Training meiner Galopprennpferde um so vieles schwieriger. Ana und Samuel dirigierten ihre Pferde durch den Eingang der Rails und ich blieb mit Blessing am Zaun stehen. Die junge Stute begann schon wieder zu schwitzen und spielte unruhig mit den Ohren. Der Anblick der Rennbahn war so ziemlich das Einzige, was das junge Stütchen so sichtbar aus der Fassung brachte. Daher erhärtete sich mein Verdacht, dass Blessing's Probleme durch falsches Training verursacht worden waren, immer mehr. Während Missy und Pride aufgewärmt wurden, führte ich Blessing ein wenig am Zaun entlang. Diese Taktik hatte auch in Schweden schon funktioniert, um das ängstliche Tier zu beruhigen. Schließlich wendeten Ana und Samuel ihre Pferde. Pride und Missy liefen nun entgegen dem Uhrzeigersinn dicht an den Innenrails entlang. Als sie sich dem Pfosten für die halbe Meile näherten, kauerten sich meine beiden Jockeys tief über die Pferdehälse und die beiden Stuten explodierten förmlich. Blessing hob den Kopf und zog witternd Luft durch die Nüstern. Ich beobachtete sie nur aus den Augenwinkeln, um zu sehen, was sie tat. Ich wusste, sobald ich die junge Stute ansah, würde ihr Interesse verebben und sie würde in ihre apathische Haltung zurückfallen. Auf der Bahn schoss Missy an Pirate's Pride vorbei und baute ihren Vorsprung auf drei Längen aus. Pride war ein hervorragendes Rennpferd, doch gegen Missy hatte bisher keines meiner Tiere eine Chance. Die junge Scheckstute war wirklich ein ganz besonderes Talent. Missy wurde nun immer flacher und verlängerte mit jedem Galoppsprung ihre Schritte. Blessing neben mir schnaubte aufgeregt und ich lächelte. "Wusste ich doch, dass dir Geschwindigkeit im Blut liegt.", sagte ich leise zu dem Pferdchen. Ich wusste aber auch, dass es ein weiter Weg war, bis ich mit Blessing so über die Bahn galoppieren konnte. Tatsächlich beobachtete Blessing meine beiden Vollblutrennpferde fasziniert, als sie an uns vorbei donnerten. Wie ich erwartet hatte, hatte Pride kaum eine Chance gegen Missy, doch die beiden jungen Stuten schlugen sich hervorragend. Kaum, dass das Rennen vorüber war, senkte Blessing den Kopf jedoch wieder und starrte in Richtung Boden. Ich wartete, bis Ana und Samuel ihre Tiere von der Bahn gelenkt hatten, dann ging ich mit Blessing zur Öffnung in den Rails. Kurz bevor ihre Hufe das Gras berührten, stemmte mein Fuchsstütchen die Beine in den Boden und weigerte sich, auch nur einen Schritt weiter vorwärts zu gehen. Ich drängte sie nicht, sondern blieb einfach eine Weile mit ihr stehen. "Sammy, hier bist du also!", rief da eine nur allzu vertraute Stimme plötzlich. Ich strahlte. "Edward! Wie schön, dass du wieder da bist.", begrüßte ich meinen Freund fröhlich. Edward war der Sohn eines reichen Gestütsbesitzers, hatte sich mit seinem Vater jedoch nie gut verstanden. Letztes Jahr hatte ich ihn beim Heimflug mit HMJ 7786 Elfentanz kennengelernt und seitdem lebte und arbeitete Edward auf meinem Gestüt. Vor einiger Zeit hatte sich sein Vater jedoch verletzt und Edward war nach Hause gefahren, um seiner Familie unter die Arme zu greifen. "Wie war es daheim? Und wie war es mit Jason?", fragte ich neugierig. Jason war Edward's Exfreund und der junge Mann hatte unter anderem wegen diesem Zustand lange gezögert, ob er tatsächlich nach Hause fahren sollte. "Es war schrecklich. Mein Alter sitzt mit gebrochenem Bein im Rollstuhl und ist noch unausstehlicher als sonst. Meine Mutter redet ihm wie üblich genau nach dem Mund und Jason war furchtbar. Er hat mir die ganze Zeit seinen neuen Liebhaber unter die Nase gerieben. Ich hab es keinen Tag länger ausgehalten, deshalb komme ich auch unangekündigt.", sprudelte er unglücklich hervor. Ich verzog das Gesicht, da ich so etwas schon fast befürchtet hatte. "Ach, du weißt ja, dass du hier immer willkommen bist. Schau mal, das hier ist unser diesjähriges Makeover-Pferdchen, HMJ Blessing.", sagte ich schnell, um meinen Freund ein wenig von seinen trübseligen Gedanken abzulenken. In der Tat hellte sich Edward's Miene sofort auf. Er betrachtete Blessing eingehend und streckte der jungen Stute vorsichtig die Hand hin - die sie natürlich ignorierte. "Sie sieht zwar ziemlich dünn aus, aber sonst doch eigentlich ganz gut. Nur ihr Blick gefällt mir nicht. Aber sie scheint viel umgänglicher zu sein, als unsere Elfentanz damals.", sagte er sofort. Genau deshalb schätzte ich Edward so sehr. Er verstand unheimlich viel von Pferden und verstand es wie nur wenige Andere, sich in die Tiere hineinzuversetzen. "Ja, sie ist tatsächlich umgänglicher. Allerdings zieht sie sich total in sich zurück und definitiv hat sie Angst vor der Bahn.", erklärte ich. "Ach, deshalb steht ihr hier und starrt auf die Bahn.", grinste Edward. Ich schlug spielerisch nach ihm und führte Blessing dann zurück in Richtung Stallungen. Für heute Morgen war es sowieso genug. Als wir die Stallgebäude erreichten, nahm ich Blessing die Gamaschen ab, richtete das Mash für die Stute und führte sie nach dem Frühstück hinaus auf die Koppel. Blessing schien erleichtert, dass sich unser "Training" in Grenzen gehalten hatte und ich überlegte, ob ich an diesem Nachmittag überhaupt noch eine Einheit einschieben sollte. "Hast du schon mit den Anderen gesprochen?", fragte ich Edward, während wir Blessing beobachteten, wie sie über die Weide schlurfte. "Nö. Hab nur gefragt, wo du bist. Es versteht sich doch von selbst, dass ich meine Lieblingsfreundin und -chefin zuerst begrüße.", lachte Edward. Als er mein angespanntes Gesicht sah, wurde er jedoch wieder ernst. "Warum, was ist passiert?", fragte er sofort. "Kagami El Assuad und Leveneza haben gefohlt. Kagami's Fohlen entwickelt sich prächtig, es ist ein Palomino-Roan-Stütchen. Aber Leveneza's Baby.... Ach Edward, ich weiß einfach nicht, ob es durchkommen wird. Es ist so klein und schwach.", brach es aus mir heraus. Edward sagte nichts, sondern nahm mich einfach in den Arm. Dann gingen wir zum Abfohltrakt, um die Stuten zu besuchen. Leveneza stand in ihrer Box und schaute sehnsüchtig aus dem Fenster hinaus. Ihr Fohlen lag im Stroh. Brian sah auf, als wir kamen. "Übernehmt ihr eine Weile? Ich müsste mal ein paar Bedürfnissen nachkommen.", sagte er errötend. Ich lachte, trotz der traurigen Situation. "Brian, du brauchst sie ja nicht in jeder Minute im Auge behalten." Der junge Mann wirkte trotzig und erwiderte: "Ich will aber. Ich werde sie nicht sterben lassen." Bei diesen Worten huschte ein Schatten über sein Gesicht und ich fragte mich unwillkürlich, was er wohl in dieser Hinsicht schon erlebt hatte. Edward und ich betraten die Box und ich kniete mich neben die winzige Fuchsstute. Als ich sie unterm Kinn kraulte, drückte sie wieder ihr Köpfchen gegen meine Hand. Edward war völlig hingerissen. "Die ist ja zuckersüß. Hast du schon einen Namen für sie?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Tatsächlich hatte ich noch überhaupt keine Idee. Und irgendwie hatte ich auch Angst, dass es das Ganze schwerer machen würde, wenn die Kleine doch nicht überlebte. Ich vertraute mich Edward an und der runzelte die Stirn. "Du solltest ihr einen Namen geben. Das hat sie verdient und es bedeutet doch auch, dass wir alle daran glauben, dass sie es schafft.", sagte er einfühlsam. "Du hast Recht. Ich bin so froh, dass du wieder hier bist, Edward.", gab ich zu. Gleich heute Abend würde ich mir Gedanken darum machen, wie das Baby heißen sollte. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es für das Fuchsstütchen auch Zeit wurde, wieder ein wenig Milch zu sich zu nehmen. Ich stützte das Baby und dirigierte es vorsichtig an Leveneza's Seite. Die schöne Rappstute stupste ihr Fohlen aufmunternd an, was die Kleine beinahe zu Fall brachte. Seine langen Beine zitterten unter seinem Gewicht und ich verstärkte meinen Griff ein wenig. Immerhin saugte es kräftig und als ich es schließlich zurück ins Stroh gleiten ließ, hatte die Süße von der Milch ein ganzes weißes Maul. Ich strich dem Baby liebevoll über die Stirn und verließ dann mit Edward die Box, um nach Kagami zu sehen. Kagami sah genauso sehnsüchtig nach draußen, wie Leveneza, doch ihr Fohlen sprang eifrig um sie herum. Ich dachte eine Sekunde nach, dann sagte ich zu Edward: "Lassen wir die beiden für eine Weile hinaus. Wir können sie zu Lamira und Lyna hinaus lassen. Lyna ist zwar um einiges älter, aber Kagami wird schon auf ihr Baby aufpassen." Edward nickte begeistert. Es war immer ein schöner Augenblick, wenn ein Fohlen zum ersten Mal hinaus auf die Koppel durfte. Ich nahm Kagami's Führstrick vom Haken und betrat die Box. Sofort legte die Palominostute die Ohren an und giftete nach mir. "Wirst du wohl aufhören, du Zicke?!", fragte ich die schöne Stute. Edward zog die Augenbrauen hoch. "Sie macht also dieselben Probleme, wie damals bei Princess, ja?", fragte er. Ich nickte und rollte die Augen, als Kagami nach mir schnappte, weil ihr Baby auf mich zustakste. Ich gab ihr einen leichten Klaps auf die Nase und ging dann energisch auf die Stute zu. "Von der lasse ich mir nichts gefallen. Unmöglich wirklich. Dabei ist ihre Kleine total zutraulich. Schau nur, sie würde total gerne zu uns kommen.", sagte ich mit einem Blick auf das Fohlen. Ich zupfte leicht am Führstrick und als Kagami mitbekam, dass es nach draußen ging, war sie plötzlich kaum noch zu halten. Ich ruckte energisch am Strick und erinnerte die energiegeladene Stute damit daran, dass sie sich zu benehmen hatte. An der Stalltür wartete ich auf Kagami's Baby. Das kleine Fohlen fiel vor lauter Aufregung fast hin, als es über seine eigenen Beine stolperte. Ich kicherte. "Immer langsam du kleiner Wirbelwind.", sagte ich zu dem Babypferdchen. Als das Roan-Fohlen neben Kagami zum Stehen kam, blickte es sich mit riesengroßen Augen um. Ich führte Kagami im Schritt los und das Fohlen hielt sich dicht an der Seite seiner Mutter. Aber immerhin kam es sofort mit. Wir umrundeten den Stutenstall und liefen zu den weitläufigen Stutenkoppeln. Ich hatte die Koppel, auf der auch Blessing stand, so unterteilt, dass sowohl meine trächtigen Stuten, als auch die Stuten die schon gefohlt hatten, einen eigenen Bereich hatten. So gab es für gewöhnlich weniger Ärger. Ich führte Kagami durch das Tor, wartete bis ihr Stutfohlen an ihrer Seite war und löste dann den Strick. Die Vollblutstute schoss sofort los, wie von der Tarantel gestochen und ihr Baby stand stocksteif neben mir und beobachtete seine Mutter mit großen Augen. Nach einer wilden Runde um die Koppel besann sich Kagami wieder auf ihre Mutterpflichten und kam zu uns zurück getrabt. Sie stupste ihr Fohlen aufmunternd an und das Kleine setzte sich zögerlich in Bewegung. Gleich darauf jedoch raste die Maus aus dem Stand los und legte in der nächsten Kurve beinahe eine Bruchlandung hin. "Ich kann gar nicht hinsehen", stöhnte ich. Edward lachte nur. "Kagami mag ja eine Glucke sein, aber du bist noch viel schlimmer!", zog er mich auf. "Aber schau nur, wie die Kleine rennt. Wenn das nicht der Garant dafür ist, dass du hier deinen nächsten Galoppstar aufziehst, weiß ich auch nicht.", feixte er. Natürlich wusste Edward genauso gut wie ich, dass sich das Talent zum Rennpferd erst im Training auf der Bahn beziehungsweise letztlich eigentlich erst bei den ersten offiziellen Rennen zeigte. Zuvor konnte man nie sicher sagen, ob das Pferd nun den Willen hatte, zu siegen. Da konnte es noch so perfekt aussehen. Dennoch gab Kagami's Stütchen ein wirklich schönes Bild ab. Lyna di Royal Peerage schaute den Neuankömmlingen mit hoch erhobenem Kopf zu. Dann trabte sie schwebend los, um das Baby zu begrüßen. Kagami ging jedoch sofort dazwischen und Lyna hielt verwirrt inne. Unser Prinzesschen hatte in ihrem kurzen Leben noch nicht viel Ablehnung erlebt. Lamira kam ihrem Stutfohlen zu Hilfe und giftete in Kagami's Richtung. Allerdings war sie ganz klar die rangniedrigere Stute und das wusste sie auch. Lyna schien zunächst etwas enttäuscht, fing sich jedoch schnell wieder und spielte stattdessen mit ihrer Mutter. Ich versank ganz in den Anblick des hübschen Rappstütchens. "Schau dir nur ihre Gänge an. Sie besitzt die perfekten Anlagen um ein herausragendes Springpferd zu werden, aber mit diesen Grundgangarten könnte sie auch in der Dressur strahlen.", sagte ich ganz verträumt. Edward piekte mich in die Seite. "Erde an Sammy. Das Tier ist wie alt? Zwei Monate? Warte mal noch mit deinen Träumereien, geht noch ein paar Jahre bis du die Süße unter dem Sattel hast. Schau dir lieber mal dein Makeover-Pferdchen an.", neckte er mich. Ich streckte ihm die Zunge heraus, sah aber trotzdem sofort zu Blessing hinüber. Die junge Fuchsstute stand mit hoch erhobenem Kopf auf ihrer Koppel und beobachtete interessiert das Treiben der frischgebackenen Mütter und ihrer Fohlen. "Ist vielleicht gar nicht so schlecht, wenn sie die übersprudelnde Lebensfreude der Fohlen hautnah mitbekommt. Vielleicht sieht sie so, dass das Leben nicht einsam und traurig sein muss. Ich würde ich so gerne helfen, Edward. Aber ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht so genau, wie.", sagte ich leise. "Weißt du denn mittlerweile, wie weit sie im Training schon war bevor sie ausgesetzt wurde?", fragte er mich. Ich zuckte mit den Schultern: "Naja, da sie Angst vor der Bahn hat, gehe ich davon aus, dass sie zumindest schon dort trainiert wurde. Und das tut man ja in der Regel unter dem Sattel. Also wird sie zumindest schon eingeritten sein." "Probier es doch aus.", sagte er geradeheraus. Ich starrte ihn fassungslos an. "Bitte was soll ich tun? Blessing ist zu dünn, hat zu wenig Muskeln und ihre Hufe...", protestierte ich sofort. "Ich sagte nicht: Steig auf das Pferd und reite ein Rennen. Was ich meinte war, dass du sie mal aufsatteln sollst. Dich vielleicht auch mal auf ihren Rücken setzen. Irgendwo bei diesen Schritten werden ihre Probleme wohl begonnen haben. Wenn du ihr nun zeigst, dass wir hier alle ganz lieb sind und ihr selbst bei diesen Handgriffen nichts geschieht, kommt sie vielleicht eher aus sich heraus und kann vergessen, was sie durchgemacht hat.", erklärte Edward sich. Ich runzelte die Stirn und dachte nach. Es wiederstrebte mir, mit Blessing so schnell voranzuschreiten, doch auf der anderen Seite war Edward's Theorie gar nicht so abwegig. Außerdem musste ich dringend aufhören, sie mit einem völlig rohen Pferd zu vergleichen, nur weil sie so unsicher war. Immerhin hatte Blessing eine Ausbildung genossen, egal wie schlecht sie auch gewesen sein mochte. Nach einer Weile, in der Edward abwartend neben mir gestanden hatte, nickte ich. "Also gut, morgen versuchen wir mal, sie aufzusatteln. Wenn das problemlos klappt, setzte ich mich drauf und du führst uns eine Runde um den Stall.", gab ich nach. Ausprobieren konnten wir es. Sollte es tatsächlich nicht klappen, konnten wir die Übung ja jederzeit abbrechen. Denn überfordern würde ich Blessing keinesfalls, das stand für mich felsenfest. Wir blieben noch eine Weile am Zaun stehen, dann gingen wir ins Haus, um zu Mittag zu essen. "Willst du heute nochmal mit ihr arbeiten?", fragte Edward mich. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, heute nicht. Ich hab vorhin einen Termin beim Hufschmied festgemacht und will nun noch einen passenden Tierarzt finden. Vor dem Abendessen putze und massiere ich Blessing noch einmal ausgiebig, aber ansonsten lasse ich sie für heute in Ruhe. Sie interessiert sich endlich einmal für die anderen Pferde, das ist mir mehr wert als jede noch so gelungene Trainingslektion.", sagte ich entschieden. In der Tat wirkte Blessing nun regelrecht friedlich, wie sie da auf ihrer Koppel stand und am Frühlingsgras zupfte.

      ~*~

      Am Abend ging ich mit Edward und Ana zu den Koppeln, damit wir Blessing, Kagami, Lamira und die beiden Fohlen miteinander hereinholen konnten. Ana kam neben mir am besten mit Kagami klar, deshalb sollte sie die eigenwillige Palominostute führen. Edward übernahm Lamira und ich kümmerte mich um Blessing. Noch wollte ich niemand anderen mit den Alltagsaufgaben für das Pferdchen betrauen, da Blessing sich in erster Linie mit mir anfreunden sollte. Andere Leute kamen dann später dazu. Kagami spielte sich ziemlich auf, doch ich sah zufrieden, dass Ana die temperamentvolle Stute fest im Griff hatte. Lamira folgte Edward anständig und Lnya stolzierte neben ihrer Mama her. Kagami's Baby wirkte müde - die paar Stunden an der frischen Luft waren aber auch sehr aufregend gewesen! Ich öffnete das Band zu Blessing's Koppel und rief nach der jungen Stute. Zu meiner großen Freude spitzte das Stütchen die Ohren und sah mir entgegen. Ich ging auf sie zu und legte ihr das Halfter an. "Du weißt, dass du jetzt ein leckeres Abendessen bekommst, nicht war mein Mädchen?", sagte ich liebevoll zu der jungen Stute. Dann zupfte ich leicht am Führstrick und führte Blessing hinter den anderen Stuten her zum Stall. Vor den Stallungen trennten sich unsere Wege. Während Blessing ihre Box im Trainingsstall bezog, kamen Kagami und Lamira mit ihren Kleinen in den Zuchtstall. Dort herrschte einfach mehr Ruhe. Ich band Blessing in der Putzbox an, bereitete ihr Mash zu und putzte die Stute über, während sie ihre warme Mahlzeit genoss. Dann begann ich mit festen Bewegungen, Blessing's Muskulatur zu massieren. Die Stute seufzte und zuckte dann zusammen, als hätte sie diese Gefühlsregung unterdrücken wollen. Ich strich ihr beruhigend über den Hals. "Alles gut, Blessing du Hübsche. Keiner hier wird dir jemals etwas tun.", sagte ich leise zu ihr. Dann begann ich zu summen, während ich Blessing weiter massierte. Als die Stute ihr Mahl beendet hatte, kratzte ich ihre Hufe aus und verlas den Schweif. Dann bekam Blessing die leichte Fleecedecke für die Nacht auf und durfte zurück in ihre Box. Nachts wurde es hier in England doch noch recht kalt und Blessing's dünnes Fell und ihre dünne Silhouette schützten sie nicht wirklich vor der Kälte. Ich gab dem Vollblut einen Gutenachtkuss auf die samtigen Nüstern, was mir einen verwirrten Blick von Blessing einbrachte. Ich kicherte. "Also, wenn du dann immer so putzig schaust, bekommst du ab jetzt jede Nacht einen!", sagte ich scherzhaft zu ihr. Dann ging ich schnell hinüber ins Haus, aß eine Kleinigkeit, zog mich warm an und bezog nach meiner obligatorischen Runde durch den Stall meinen Platz im Zuchtstall. Da Brian wirklich fix und alle war, würde ich auch diese Nachtwache übernehmen. Ab morgen wechselten wir uns dann wieder ab. Leveneza und ihr Fohlen schliefen bereits im Stroh und ich blickte lächelnd auf das kleine, flauschige Bündel im Stroh hinunter. Auch Kagami's Fohlen schlief tief und fest, nur dass es im Gegensatz zu Levi's Baby lang ausgestreckt da lag. Lyna und Lamira waren noch wach und das aufgeweckte Fohlen stupste mich sanft an, als ich den beiden gute Nacht sagte. Bei den trächtigen Stuten schien alles in Ordnung zu sein, daher legte ich mich auf die schmale Pritsche und zog die Decke über mich.

      ~*~

      Mir kam es vor, als hätte ich gerade erst die Augen zugemacht, da wurde ich von einem schmerzerfüllten Stöhnen geweckt. Sofort war ich hellwach und auf den Beinen. Die Notbeleuchtung spendete mir genug Licht, sodass ich mich die Stallgasse entlang bewegen konnte. Leise ging ich an den Boxen entlang, bis ich schließlich vor der Box von Corde de la Cerise stehen blieb. "Hey Ceri mein Mädchen, alles in Ordnung bei dir?", fragte ich leise. Die Stute lag auf der Seite und war schweißüberströmt. In diesem Moment wurden bereits die Vorderbeine des Fohlens sichtbar. Ich drückte die Daumen, bisher sah alles gut aus. "Das machst du wunderbar, Ceri. Bald hast du ein wunderhübsches Baby!", feuerte ich die junge Trakehnerstute leise an. Ceri atmete tief ein, presste und der Fohlenkopf kam samt den Schultern zum Vorschein. Nach wenigen Minuten war das Fohlen auf der Welt. Ceri schaute einen Moment verwundert auf ihr Baby, dann stand sie auf und begann es trocken zu lecken. Ich verschwand in die kleine Sattelkammer, um Eimer, Tücher und Desinfektionsmittel zu holen. Dann betrat ich vorsichtig die Box und strich Ceri über den kleinen Stern, den die schöne Stute auf der Stirn hatte. "Das hast du ganz großartig gemacht, Ceri. Darf ich mir dein Baby einmal ansehen?", fragte ich mein Stütchen zärtlich. Ceri ließ ihr Baby nicht aus den Augen, ließ jedoch zu, dass ich mich zu ihm hinunterbeugte und es trocken rieb. Nachdem ich den Nabel desinfiziert hatte, sah ich mir das Fohlen genauer an. "Ein Hengst. Levistino hat also einen Sohn bekommen!", sagte er erfreut. Das Baby schien ein heller Fuchs zu sein, doch da er um die Augen und an den Beinen hellere Haare besaß, ging ich davon aus, dass der Kleine ausschimmeln würde. Vielleicht würde der Kleine Dappels bekommen, dafür ich hatte ich ja bekanntlich eine Schwäche. Außerdem hatte er vier fast gleich hohe Beinabzeichen, die ein wenig wirkten, als hätte er Socken an. Ich hatte mir solange einen Stammhalter von Levistino gewünscht, dass ich sofort einen Namen für den kleinen Hengst hatte. Er sollte "Hollybrook's Legacy heißen." Übersetzt quasi "Das Vermächtnis von Hollybrook". Immerhin war Levistino mein mit Abstand erfolgreichster Hengst. Das Hengstchen hob den Kopf und zog seine langen Beine unter sich. Kurz darauf unternahm es die ersten Aufstehversuche. Ich sah mit glänzenden Augen zu und feuerte ihn im Stillen an. Legacy kam schwankend zu stehen, doch als er einen Schritt vorwärts machte, knickten seine dünnen Fohlenbeine ein und er plumpste zurück ins Stroh. "Komm mein Kleiner, das schaffst du!", sagte ich aufmunternd. Legacy brauchte jedoch gar keine Unterstützung, der kleine Hengst versuchte es sofort noch einmal. Ich lächelte, als er erneut zum Stehen kam. Diesmal blieb er einen Augenblick stehen und spielte mit den Ohren. Sein Blick war dabei regelrecht nachdenklich, als überlege er sich, welches Bein er nun bewegen musste, um nicht wieder umzufallen. Er machte einen vorsichtigen Schritt vorwärts, dann noch einen. Ceri stupste ihn sanft in die richtige Richtung und eine Minute später begann das Neugeborene geräuschvoll zu saugen. Ich strich Ceri über den Hals und begann umsichtig, die nasse Einstreu aus der Box zu entfernen und durch Frische zu ersetzen. Inzwischen war Legacy auch fertig mit seiner ersten Mahlzeit und sank müde zurück auf den Boden. Dann rollte er sich zusammen und schlief beinahe augenblicklich ein. Auch Ceri knickte die Vorderbeine ein und sank erschöpft zurück in die Einstreu. Liebevoll blickte ich Mutter und Sohn an. Dann allerdings musste ich meiner Pflicht nachkommen und Leveneza's Fohlen füttern. Noch immer war mir kein passender Name für das Stutfohlen eingefallen. Ich stützte das kleine Stutfohlen und mir wurde schmerzlich bewusst, dass Legacy, der noch nicht einmal eine Stunde alt war, schon kräftiger war als das drei Tage alte Baby von Leveneza. "Du musst es einfach schaffen, meine Süße. Levistino ist doch dein Urgroßvater. Du hast sicher seinen unbeugsamen Willen geerbt, oder?", sagte ich zu der süßen Stute. Ich legte das Stütchen zurück ins Stroh, als sie genug gesäugt hatte. Leveneza sah mich mit großen Augen an. Die intelligente Stute wusste, dass mit ihrem Fohlen etwas nicht stimmte und auch, dass ich ihm helfen wollte. Ich kraulte Levi ein wenig, dann legte ich mich noch einmal hin. In knapp zwei Stunden musste ich wieder aufzustehen. Zum einen, um das Baby zu füttern, zum anderen weil ich um diese Zeit immer wach wurde.

      ~*~

      "Ähm, Sammy? Da steht ein Fohlen in Ceri's Box. Hast du uns nicht was zu sagen?", fragte Edward am nächsten Morgen erstaunt, während ich über die Tür von Leveneza's Box blickte. Ich lächelte müde, während ich das kleine Stütchen stützte. "Ja, das ist Hollybrook's Legacy. Ist er nicht wunderschön?", fragte ich. Edward sah mich mit großen Augen an. "Fohlenpflege und eine Geburt? Hast du überhaupt geschlafen?", fragte er mich besorgt. "Jaja, keine Sorge. Die Geburt verlief völlig komplikationslos. Ceri hat das ganz toll gemacht. Und du siehst ja, dass Levistino's Stammhalter top fit ist.", winkte ich ab. Edward nickte: "Allerdings. Er sieht aus wie der geborene Champion. Dieser Körperbau und das seidige Fell. Und vor allem: Ein Rotschimmel! So einer fehlt dir doch noch in deiner Sammlung.", neckte er mich. Doch ich lächelte nur. Ich war heilfroh, dass letzte Nacht alles reibungslos verlaufen war. Nachdem Levi's Fohlen fertig gesäugt hatte, verließ ich die Box und ging mit Edward zu Ceri und ihrem Hengstchen. Kurz darauf betraten Ana, Samuel, Donald und Brian den Stalltrakt. Sie staunten allesamt nicht schlecht, als sie den neuesten Bewohner Hollybrook's begrüßten. Und sie alle waren begeistert von seinem Erscheinungsbild. "Er ist Levistino wie aus dem Gesicht geschnitten. Wenn er auch nur einen Bruchteil seines Talents hat, wird er uns viel Freude machen.", sagte Samuel anerkennend. Der kleine Hengst war aufgestanden und blickte uns neugierig an. Dann stakste er zur Tür und versuchte darüber zu schauen. "Feige ist er jedenfalls nicht.", grinste Donald und hielt dem Hengstchen die Hand hin. "Das wusste ich. Deshalb habe ich ihn Legacy getauft. Was sagt ihr dazu?", weihte ich meine Angestellten ein. Alle waren begeistert, fragten aber auch, wann ich mich denn endlich für Namen für die beiden Stutfohlen entscheiden würde. Ich zuckte mit den Schultern. "Spätestens wenn alle Fohlen da sind.", sagte ich ausweichend. Dann gähnte ich herzhaft. Die Nacht hatte doch ihre Spuren hinterlassen. Ich trat hinaus in die kühle Morgensonne und lief hinüber zum Haus, um mir einen Kaffee zu machen. Als ich durch meinen Vorgarten lief, stellte ich erfreut fest, dass meine Rosen blühten. Wie angewurzelt blieb ich stehen. Rose! Zart wie eine Rose, das war Levi's Fohlen. Ich stürmte ins Haus und ging in mein Ankleidezimmer. Dort stand mein neues Parfum von Lalique, das intensiv nach Rosen duftete. Ich lächelte glücklich. "Hollybrook's Lalique". So sollte Leveneza's Baby heißen. Ich vergaß den Kaffee und rannte zurück in den Stall. Bei der Box des Fohlens blieb ich stehen. "Ich möchte dein Baby Lalique nennen, was sagst du dazu?", fragte ich die lackschwarze Mama glücklich. Dann kniete ich mich neben das Baby und flüsterte: "Hollybrook's Lalique. Du bist etwas ganz besonderes." Das Fohlen sah mich mit großen Augen an und dann versuchte es, auf die Beine zu kommen. Ich riss überrascht die Augen auf. Bisher hatte das Baby noch keinen einzigen Versuch unternommen. Es zog die Hinterbeine unter sich und stemmte sich mit aller Kraft nach oben. "Komm Lalique, du schaffst es.", feuerte ich das Tierchen an. In diesem Moment fiel das Fuchsbaby zurück, doch es unternahm gleich den nächsten Versuch und diesmal stand es. Wacklig zwar, aber es stand! Ich hatte Tränen in den Augen, als Leveneza vorsichtig auf ihr Baby zuging und ihm ihren warmen Atem ins Gesicht blies. Dann drehte die Rappstute sich und trat so an ihr Baby heran, dass die kleine Stute selbstständig saugen konnte. Als Lalique schmatzend zu trinken begann, warf ich alle Hemmungen über Bord und ließ den Tränen freien Lauf. Nun konnte ich wirklich darauf hoffen, dass das Stütchen es schaffte. Ich verließ die Box und wischte mir über die Augen. Ana und Edward kamen mir besorgt entgegen. "Was ist los?", fragte Ana ängstlich. "Lalique geht es endlich besser! Ich bin ja so froh!", jauchzte ich. Und... erntete verständnislose Blicke. "Wer ist Lalique?" fragte Edward, dann leuchtete sein Gesicht plötzlich auf. "Levi's Baby? Du hast dich also endlich für einen Namen entschieden!" Ich nickte fröhlich. Dann überließ ich die Fohlen und ihre Mütter meinen beiden Lieblingsangestellten und ging hinüber in den Trainingsstall, um Blessing die frohe Botschaft zu verkünden. Lalique würde es schaffen und Ceri hatte einen gesunden Sohn geboren. Dieser Tag begann einfach fantastisch! Wenn das nicht mal gute Voraussetzungen für das heutige Training waren.
    • Sammy
      [​IMG]
      Hufkontrolle & Ausschneiden bei HMJ Blessing
      02. Mail 2020
      7.157 Zeichen | 6 Pkt.

      Heute hatte ich einen Termin auf dem Hollybrook Stud. Am gestrigen Tag war ich angereist, da England nicht der nächste Weg nach Kanada war, also hatte ich einen 7 Stündigen Flug hinter mir, war aber dankbar darüber dass ich auf dem Gestüt unterkommen konnte. Vormittags sollte es losgehen also nahm ich noch ein kleines Frühstück zu mir um mich zu stärken. HMJ Blessing hatte schon gut Vertrauen aufgebaut zu Samantha O'Neill, was den Auftrag heute wohl etwas einfacher halten würde. Trotz dieser Zuversicht von ihr, würde ich trotzdem die Augen offen halten, denn was ich noch wusste war dass Blessing sensibel war und anfangs ziemlich aphatische Haltung an den Tag legte.
      Entsprechend war ich auf alles gefasst, doch erst mal sollte der Auftrag beginnen also traf ich mich mit Samantha bei den Stallungen. Wir besprachen noch ein paar Dinge und dann legte ich auch schon los und machte mich kurz mit der Stute bekannt, strich an ihren ganzen Körper entlang, massierte etwas die Füße und konnte dann mit ruhigen Gewissen anfangen. Beim ersten Fuß zögerte sie kurz, dich gab es mir dann und ich säuberte es mit dem Hufkratzer aus und putzte den restlichen Dreck weg. Dann nahm ich mir mein Hufmesser zur Hand und schnitt das abgestorbenen Innenhorn aus, schnitt den Innenstrahl zurecht und bockte dann ihren Fuß auf dem Hufbock auf. Hier schnitt ich das überstehenden Horn weg und besserte mit der Raspel vorsichtig die stark porösen Stellen aus. Danach raspelte ich den Rand des Hufes gründlich glatt und stellte den ersten Fuß ab.
      Nun kam das zweite Vorderbein an die Reihe, welches Blessing nach kurzen Zögern gab und ich es säubern konnte. Ich entfernte gründlich jeden einzelnen Stein und putzte es sorgfältig aus ehe ich mit dem Ausschneiden begann und das Innenhorn welches verwachsen und hügelig war zurecht schnitt. Den Innenstrahl besserte ich genauso wie beim anderen Fuß und brachte ihn wieder in eine gesunde Form. Nun kam das Außenhorn dran, wo ich Blessing's Fuß wieder aufbocken wollte, da die Fuchsdame es lieber wegnahm. ,,Alles gut Mäuschen.“, beruhigte ich sie und kraule liebevoll ihr Vorderbein, nach einer knappen Minute wagte ich einen erneuten Versuch und war erfolgreich, sodass ich mit der Hufbearbeitung weiter machen konnte. Ich schnitt das überstehende Horn wieder zurecht und brachte es in eine gesunde Form, dann bearbeitete ich mit der Raspel die Kanten und überarbeitete nebenbei nochmal den ganzen Huf um das poröse zu lösen, damit wir wieder auf besseren Horn stießen. Zufrieden mit dem Ergebnis, stellte ich den Fuß wieder zum Boden, nahm den Hufbock vorne weg und platzierte diesen hinten rechts um hier weiter zu arbeiten.
      Dort wollte ich ihren Fuß gerade anheben, da machte sie einen leichten Satz zur Seite. ,,Entschuldigung Kleine“, sprach ich zu ihr und strich ihr vorsichtig über den Hals, ich war zu schnell für sie und da hatte sie sich bei der Berührung am Bein erschrocken. Also glitt ich diesmal von Widerrist bist Po und Hinterbein hinab und hatte dann das hintere Huf in den Händen, wo ich auch gleich anfing mit dem Säubern des Hufes und dem Bearbeiten des Innenhorns. Mit gekonnten schnitten hatte ich alles abgestorbene beseitigt und die Unregelmäßigkeiten im Innenhorn begradigt und erfolgreich ausgebessert. Nun schnitt ich den Innenstrahl in die richtige Form und stellte Blessing's Huf auf den Hufbock, was sie anfangs hinten etwas komisch fand und es ran ziehen wollte aber dann doch ließ als Samantha ihr lieb zusprach und klar machte das es nicht Schlimmes war. Mit einem Nicken gab sie mir Bescheid das ich in ruhe weiter machen konnte, was ich natürlich auch gleich tat und das überstehende Horn weg schnitt, hier war auch ein kleines Stück ausgebrochen, was ich etwas ausbesserte und so ließ, da solche kleinen Stücke meist schnell wieder nachwachsen und den Pferdehuf nicht beeinträchtigen würden. Dann glättete ich mit der Raspel die Hornwand und ließ auch hier die momentan bröckligen Stellen verschwinden.
      Als Blessing's Fuß wieder am Boden stand, stellte ich den Hufbock auf die linke Seite und begann auch hier gleich mit meiner Arbeit. Diesmal glitt ich sofort von Anfang an von Widerrist bis Po und Bein hinab, damit sie sich nicht wieder erschrecken würde, was auch super klappte und ich das Hinterbein zwischen meine Beine Klemmen konnte. Blessing wollte einmal ihr Bein zurückziehen, ließ dann aber locker als ich es weiter festhielt. Nach einem kurzen Moment des Wartens machte ich mit dem Säubern der Hufe auch schon weiter und entfernte den ganzen Dreck darin. Dann wurde der Innenstrahl und das abgestorbene Horn bearbeitet und innen war es wieder schick, sodass ich ihren Fuß auf den Hufbock stellte und mit dem Außenhorn weiter machte. Dort schnitt ich überstehendes Horn weg, begradigte den Rand und bearbeitete das poröse Außenhorn, sodass es wieder glatter wurde.
      Nun begann ich damit Samantha die Maßnahmen der nächsten Wochen zu erklären: ,,Also wie du schon sagtest wurden hier oft die Beschläge geändert, sogar viel zu oft als es eigentlich Not tut, ich vermute sie stand nie wirklich Barhuf außer jetzt bei dir. Und genau das würde ich auch beibehalten, zu aller erst müssen die Hufe sowie das Horn sich erholen, wo ich dir noch ein paar Tipps zur Stärkung des Horns geben werde. Du solltest ihr devinitv Biotin für starke Hufe hinzu füttern, die Hufe sollte selten bis gar nicht eingefettet werden. Denn hier ist es wichtig jeden Tag de Hufe zu wässern, ja zu wässern, ich weiß im ersten Moment hört sich das so an als würde es die Füße noch schlechter machen aber das ist das Gegenteil davon. Den in diesen trockenen und porösen Hufen fehlt die gesunde Feuchtigkeit im Horn. Genau aus diesen Grund solltest du Blessing's Hufe jeden Tag einmal 15 Minuten wässern, nicht nur kurz ins Wasser rein gehen sondern wirklich darin für 15 Minuten bleiben. Am besten benutzt du hierfür Eimer gefüllt mit Wasser oder einen nahe gelegenen Fluss. Falls Blessing das nicht mitmacht mit den Eimern oder dem Fluss, empfehle ich die spezielle Hufschuhe , sogenannte Waterboots. Diese Hufglocken werden in Wasser getränkt und dann an dem Huf für 15 Minuten befestigt, damit die Hufe genug Feuchtigkeit aufnehmen können und sich so schneller stabilisieren. Bei den leicht ausgebrochenen Stellen, an diesem und diesen Huf brauchst du dir erst mal keine sorgen machen, den diese Stellen sind so klein, das sie in den nächsten Wochen wieder gesund zuwachsen sollten. Aber falls du bemerkst, dass die Stellen größer werden oder gar ausbrechen musst du mir Bescheid geben, denn dann muss an diesen Huf ein spezielles Eisen ran gemacht werden, welches den Huf entlasten soll, da es sonst nur schlimmer wird. Sonst hoffen wir einfach das beste und wenn du dich an all diese Anweisungen hältst sollte es in den nächsten Wochen deutlich besser werden, sonst natürlich immer darauf achten das deine Stute regelmäßig zum Hufschmied kommt.“
      Schon war alles gesagt und Samantha lief nochmal eine kurze Runde mit Blessing, damit ich ihren Gang begutachten konnte. Hier war alles in Ordnung also war mein Job für heute auf diesen Hof erledigt und ich konnte mich der Planung der nächsten Tage widmen.
    • Sammy
      [​IMG]
      Der Durchbruch
      29. April - 07. Mai 2020
      inkl. Wahlaufgabe 1 mit Wolfszeit
      65.074 Zeichen | 41 Punkte

      ~Mittwoch - 29. April 2020~
      Ich gähnte herzhaft, als ich an diesem Nachmittag über den Hof zu den Stallungen lief. Die letzte Nacht hatte doch deutlichere Spuren hinterlassen, als mir lieb war. Daher hatte ich mich für ein Stündchen hingelegt, bevor ich HMJ Blessing zum ersten Mal einen Sattel auflegen wollte. Heute Morgen hatte ich die schöne junge Stute nach dem Frühstück hinaus auf die Koppeln gebracht, wo das Vollblut sofort wieder Lyna di Royal Peerage und Kagami El Assuad's Baby beobachtet hatte. Inzwischen hatte ich mich auch für einen Namen entschieden. Kagami's Fohlen sollte Hollybrook's Khaleesi heißen. Der Name passte zu der willensstarken, filigranen Stute wie die Faust aufs Auge. Mein erster Weg führte mich dennoch in den Fohlentrakt, um nach Hollybrook's Lalique, Hollybrook's Legacy und ihren Müttern Leveneza und Corde de la Cerise zu sehen. Lalique stand nun selbstständig auf, um zu Trinken und der erst einen halben Tag alte Legacy sprang bereits in seiner Box herum. Ich lächelte, als ich das quietschfidele Hengstfohlen betrachtete. Der hübsche Kerl machte seinem Vater schon jetzt alle Ehre und ich war sehr gespannt darauf zu sehen, wie er sich entwickeln würde. Ich betrat die Box und strich Ceri liebevoll über die Stirn. Die junge brauen Stute mit dem kleinen Stern auf der Stirn hatte ihre erste Geburt sehr gut verkraftet und drängte bei dem wunderschönen Aprilwetter nach draußen. "Ein paar Tage musst du noch warten, dann darfst du wieder hinaus. Versprochen!", tröstete ich die Trakehnerstute. Auch Leveneza schaute sehnsüchtig aus dem Fenster ihrer Box. In dem Moment, in dem ich die Box betrat, kam Edward um die Ecke. "Wir sollten Leveneza ein wenig auf der Stallgasse führen, sie bekommt sonst noch einen Lagerkoller.", schlug der junge Mann vor. Ich nickte und befestigte sofort den Führstrick an Levi's Halfter. Die wunderschöne Rappstute spitzte die Ohren und plusterte sich aufgeregt auf. "Schon gut, wir gehen nur ein bisschen den Stall hinunter. Dein Baby kann noch nicht nach draußen.", sagte ich grinsend, als ich die aufgeregte Stute an Edward übergab. Er führte sie langsam an den Boxen entlang, während ich bei Lalique blieb. Zunächst ließ das kleine Stutfohlen sich noch brav kraulen, doch dann bemerkte es, dass seine Mama nicht wie sonst immer vor der Box stehen geblieben war. Lalique rappelte sich schwankend auf, stakste auf die geöffnete Boxentür zu und stieß ein jämmerliches Wiehern aus. Im nächsten Moment waren Gepolter, ein Fluch und Hufgetrappel zu hören und Leveneza war wieder bei ihrem Baby - ohne Edward. Ich griff schnell nach dem Strick der Stute, damit sie nicht hineintrat und grinste, als Edward schimpfend den Gang hinunter kam. "Als Lalique gerufen hat, hat sie mich einfach ignoriert und ist umgedreht!", beschwerte er sich mit verzerrtem Gesicht. Ich zuckte nur mit den Schultern: "Sie ist halt eine frischgebackene Mama. Gewöhn dich dran. So gut erzogen, wie Leveneza ist, kannst du an diesem Verhalten eh nichts ändern. Das sind Mutterinstinkte." Edward verdrehte die Augen, strich Leveneza aber dennoch liebevoll über die Flanke. Die Rappstute untersuchte ihr Fohlen gründlich, bevor sie sich ihrem Futter zuwandte. "Sehen wir einfach zu, dass wir die beiden Ende der Woche mal raus auf die Koppel bringen. Aber vorerst lieber noch getrennt von den Anderen.", sagte ich nachdenklich. Edward nickte zustimmend. Ich strich Lalique noch einmal durch die wuschelige Mähne, dann lief ich zur Box von Blessing, um das Halfter der Fuchsstute zu holen. Als ich den Weg zu den Koppeln entlang lief, pfiff ich fröhlich vor mich hin. Das Wetter war einfach herrlich: Die Sonne schien und es ging ein leichter Wind, sodass es nicht zu warm wurde. Blessing stand ziemlich in der Mitte ihrer Koppel und rupfte am frischen Gras. Das kupferfarbene Fell der Stute leuchtete in der Sonne und zum ersten Mal sah Blessing beinahe wie ein gesundes Pferd aus. Als ich näher kam, wurde natürlich deutlich, dass sie noch immer zu wenig auf den Rippen hatte, doch die Löcher zwischen ihren Rippen begannen sich allmählich zu füllen und ihr Fell begann wieder zu glänzen. Diese Woche Samstag sollte der Schmied kommen, um sich Blessing's Hufe anzusehen, sodass wir hoffentlich bald mit intensiverem Training fortfahren konnten. Ich schlüpfte durch den Zaun und stieß den charakteristischen Pfiff aus, auf den all meine Pferde trainiert waren. Blessing's Kopf flog nach oben und sie sah mir mit gespitzten Ohren entgegen. Sie kam zwar nicht auf mich zu, aber im Gegensatz zu letzter Woche war das schon ein riesengroßer Fortschritt. "Na mein Mädchen, hast du den Tag bisher genossen?", fragte ich die junge Stute, während ich ihr das Halfter überstreifte. "Heute wollen wir einmal etwas Neues ausprobieren und ich bin sehr gespannt, wie du dich dabei anstellst!", sagte ich. In meinem Bauch kribbelte es und ich atmete tief durch, um die leichte Aufregung herunterzuschlucken. Immerhin wollte ich mein Makeover-Pferdchen ja auf keinen Fall verunsichern. Ich strich Blessing über den seidigen Hals, dann schnalzte ich mit der Zunge und führte das Stütchen von der Koppel. Khaleesi und Lyna lieferten sich auf der angrenzenden Weide unter den wachsamen Augen ihrer Mütter ein Wettrennen und Blessing beobachtete sie interessiert. "Irgendwann wirst du auch so über die Koppeln toben, meine Süße. Da bin ich mir ganz sicher.", sagte ich leise zu dem Fuchsstütchen.
      Im Stall angekommen, nahm ich mir wie üblich viel Zeit, um Blessing zu putzen. Inzwischen genoss die Stute diese Prozedur richtig und konnte ab und an sogar ein wenig entspannen. Als ich fertig war, nahm ich den leichten Trainingssattel von der Halterung vor der Putzbox und ging damit auf Blessing zu. Sofort rollte die Stute ängstlich mit den Augen und versuchte zurückzuweichen. Ich balancierte den Sattel auf einem Arm und strich mit der nun freien Hand Blessing über das samtene Maul. "Ganz ruhig, mein Mädchen. Ich tue dir nichts, versprochen.", sagte ich ruhig. Dennoch war ich überzeugt davon, dass Edward mit seiner Theorie Recht hatte. Wenn Blessing ihre Angst nicht überwand, würde sie nie ein zufriedenes, ausgeglichenes Pferd werden. Ich blieb mit dem Sattel solange vor Blessing stehen, bis die Stute sich beruhigte. Sie nahm den Kopf herunter und als ich sie lockte, streckte sie sogar den Hals lang und beschnupperte den Sattel. Ich lobte sie begeistert. "So ist's fein, du Hübsche. Siehst du, der Sattel tut dir nichts. Genauso wenig wie ich.", redete ich leise auf Blessing ein, während ich um sie herum ging und den Sattel behutsam auf ihren Rücken legte. In Absprache mit meinem Tierarzt hatte ich ein spezielles Pad besorgt, um zum einen Blessing's wunde Stelle am Widerrist nicht zu reizen und zum anderen ihren nur wenig bemuskelten Rücken zu schonen. Das war mir wichtig, auch wenn ich heute maximal für fünf Minuten in Blessing's Sattel sitzen würde. Ich angelte unter Blessing's Bauch nach dem Gurt und zog ihn behutsam an. Die Stute stand vollkommen regungslos und mir wurde bewusst, dass sie sich ihrem Schicksal ergeben hatte. Mitleidig strich ihr ihr die kurze Mähne aus der Stirn. "Du wirst schon sehen, es ist alles gar nicht so schlimm, wie du jetzt denkst.", sagte ich zu ihr. Kurz darauf führte ich Blessing gesattelt und mit Gamaschen an den Beinen hinaus in den Stallhof, wo uns Edward bereits erwartete. Er hatte Blessing heute Morgen das Frühstück gebracht und die junge Stute auch hinaus auf die Koppel geführt, weil ich nicht gewollt hatte, dass er sich ausgerechnet in dieser stressigen Situation zum ersten Mal um das junge Vollblut kümmerte. Blessing war erst einmal zurückgezuckt, hatte dann jedoch schnell erkannt, dass Edward ihr nicht weh tun würde, sondern ihr das heißgeliebte Futter brachte. Ich zog mir schnell meinen Reithelm auf und zog die Schutzweste zu - sicher war sicher. Dann ließ ich die Steigbügel hinunter und stellte einen Fuß hinein. Sofort erwachte Blessing zum Leben. Sie tänzelte unruhig mit der Hinterhand zur Seite und schlug mit dem Kopf. Ich wartete, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte, dann stieg ich so langsam wie möglich in den Sattel. Als ich auf Blessing's Rücken saß, griff ich mit einer Hand in die Mähne, falls die Stute auf die Idee kommen sollte, zu bocken. Blessing jedoch stand stocksteif da und ein Zittern lief durch den Körper der jungen Stute. Ich lehnte mich nach vorne und strich ihr über den schlanken Hals. "Blessing mein Mädchen, ich bin's doch nur. Du brauchst doch keine Angst zu haben. Dir passiert nichts.", redete ich beruhigend auf das Vollblut ein. Blessing stellte die Ohren nach hinten und drehte schließlich den Kopf, um mich anzusehen. Ich rieb ihr über die Stirn und richtete mich dann im Sattel auf. "Okay, dann lass uns jetzt eine ganz gemütliche runde um den Stall gehen, damit Blessing beginnt, das Reiten mit etwas Positivem zu verbinden. Oder sagen wir mal, zumindest nicht mit etwas Negativem.", wies ich Edward an. Der junge Mann nickte und ich drückte Blessing sanft meine Schenkel in die Seiten, woraufhin die Stute brav antrat. "Definitiv ist sie schon geritten worden. Sie kennt die Hilfen.", sagte ich, als ich Blessing nur mit Schenkel- und Gewichtshilfen nach rechts abwenden ließ. Edward hielt sie zwar am Führstrick, überließ die Kommandos jedoch mir, solange das so gut klappte. Er nickte zustimmend: "Auf jeden Fall. Und scheinbar hat sie auch nichts verlernt. Sie scheint nur die ganze Reiterei mit sehr schlechten Erfahrungen zu verbinden. Ich bin gespannt, ob sich nach heute etwas ändert." Das war ich allerdings auch. Vom letzten Jahr wusste ich, dass die drei Monate des Makeovers wie im Flug vorüberziehen würden und ich war sehr gespannt darauf zu sehen, welche Fortschritte Blessing in dieser Zeit machen würde. Wir umrundeten den Stall und waren ein paar Minuten später schon wieder an unserem Ausgangspunkt angelangt. "Noch eine Runde?", fragte Edward mich. Ich schüttelte den Kopf und ließ mich vorsichtig aus dem Sattel gleiten. "Nein. Blessing hat das so toll gemacht, genau so soll sie es in Erinnerung behalten.", gab ich dann meine Antwort. Gleich darauf nahm ich Blessing's feinen Kopf in die Arme und legte meinen Kopf an die Stirn der Stute. Blessing schnaufte sichtbar erleichtert, dass heute nichts Schlimmeres passiert war. Edward nahm ihr den Sattel ab und ich brachte sie wieder hinaus auf die Koppel, damit sie die letzten paar Stunden genießen konnte, bevor die Sonne hinter den Bergen des New Forest National Parks unterging.

      ~ Donnerstag - 30. April 2020 ~
      "Ja, so ist es gut! Halt sie schön zurück, sie soll sich heute nicht verausgaben!", murmelte ich vor mich hin, als Ana auf Little Miss Backyard an mir vorbeigaloppierte. Die schöne Scheckstute lief morgen in einem großen Rennen - dem Breeder's Cup Classic- und sollte daher heute nur noch ein leichtes Training absolvieren. Pirate's Pride, die ebenfalls Morgen in einem Rennen antrat, hatte heute frei. So hielt ich das im Normalfall mit all meinen Rennpferden, doch Missy wurde unausstehlich, wenn sie einen Tag nicht bewegt wurde. Und was wir nun wirklich überhaupt nicht brauchen konnten, war eine missgelaunte Stute ins Rennen zu schicken. Pride trat natürlich nicht im selben lauf an wie Missy. Sie sollte in einem reinen Stutenrennen starten. Missy dagegen würde auch gegen Hengste antreten müssen. Ana stellte sich in die Steigbügel und begann, die Stute aufzunehmen. Ich sah, dass Missy sich wehrte, doch schließlich verlangsamte die schöne Stute ihr Tempo, fiel in den Trab und schließlich in den Schritt. "Sie fühlt sich großartig an. Ich weiß einfach, dass sie morgen gewinnen wird!", sagte Ana strahlend. Ich nickte lächelnd: "Man kann nie wissen, was in einem Rennen passiert. Aber Missy sieht wirklich großartig aus." Ich griff nach den Zügeln der großrahmigen Vollblutstute, während Ana aus dem Sattel sprang. "Was hast du heute für Blessing geplant? Ich dachte eigentlich, du bringst sie wieder zum Zuschauen mit.", fragte mich Ana. "Nein, heute nicht. Ich möchte heute früh nochmal eine Runde mit ihr um den Stall reiten und heute Mittag wollen wir dann spazieren gehen. Vorerst nur auf weichem Boden, weil ich erst wissen will, was der Hufschmied sagt, aber ich dachte, ich laufe einfach ein bisschen mit ihr über die Wiesen. Außerdem kann ich mich ja nicht während jedes Trainings mit Blessing beschäftigen. Ihr und die Vollblüter braucht ja jemanden, der auf euch aufpasst.", zog ich Ana grinsend auf. Die junge Frau verdrehte lachend die Augen und führte Missy dann weg. Die Stute war das letzte Pferd, dass in dieser Frühe trainiert werden sollte. Somit konnte ich mich nun Blessing widmen, bevor die Morgenfütterung begann. Ich hatte Blessing's erste Trainingseinheit absichtlich auf diese frühe Stunde gelegt, damit das Vollblut sich wieder an den Ablauf gewöhnen konnte - falls sie denn jemals daran gewöhnt gewesen war. Ich richtete die Ausrüstung der Stute her und betrat dann ihre Box. Blessing war schon hellwach, was für mich ein Zeichen dafür war, dass sie sich langsam einlebte und mit den Abläufen vertraut wurde. Ich rieb ihr über die weiße Nase, dann streifte ich dem Stütchen das Halfter über und führte sie hinaus in eine der Putzboxen. Dort befreite ich sie zuerst von der Stalldecke, die all meine empfindlichen Pferde momentan noch trugen und putzte sie anschließend über. Dank der Decke war Blessing's kupferfarbenes Fell so sauber, wie ich es bereits gestern geputzt hatte. Nachdem ich ihre Hufe ausgekratzt, die Mähne gekämmt und den Schweif verlesen hatte, legte ich Blessing die Gamaschen an. Sie dienten Blessing's Schutz, falls die Stute sich beim Training selbst in die Hacken trat oder stolperte. Als das erledigt war, holte ich den Sattel. Zu meiner großen Freude reagierte Blessing nicht mehr annähernd so ängstlich, wie noch am gestrigen Tag. Dennoch ließ ich dem Vollblutstütchen wieder genügend Zeit, um den Sattel und das Gelpad in Augenschein zu nehmen. Erst danach legte ich den Sattel auf Blessing's Rücken und verschnallte den Gurt. Da wir gestern den Beweis erbracht hatten, dass Blessing eindeutig schon eingeritten war, wollte ich es heute einmal mit Zaumzeug probieren. Edward würde dennoch neben uns hergehen, doch ich wollte sehen, was Blessing schon konnte. Darauf würde unser weiteres Training dann aufbauen. Ich kontrollierte die Lage des Sattels, dann nahm ich das Zaumzeug vom Haken. Als Gebiss hatte ich mich für eine doppelt gebrochene Wassertrense entschieden. Blessing beachtete das Zaumzeug nicht weiter, doch als ich ihr behutsam das Gebiss ins Maul schob, rollte sie angstvoll mit den Augen. Ich strich ihr beruhigend über die zitternden Muskeln. "Schon gut, mein Mädchen. Was haben die nur mit dir gemacht, dass du vor all dem eine solche Angst hast?", fragte ich traurig. Blessing blickte mich aus ihren großen Augen an und kaute auf dem Gebiss. Ich strich ihr über die Backe und führte sie dann aus dem Stall hinaus ins Sonnenlicht. Wenn das Wetter so blieb, hatten wir morgen ideale Rennbedingungen. Ich hatte gerade nachgegurtet und die Steigbügel heruntergelassen, da kam Edward gähnend um die Ecke. "Ich hab verschlafen! Das ist mir schon seit Ewigkeiten nicht mehr passiert!", sagte er und fuhr sich durch die verstrubbelten Haare. Ich kicherte und drückte ihm Blessing's Zügel in die Hand. Dann stellte ich mich neben das Fuchsstütchen und schwang mich in den Sattel, wobei ich genau wie gestern beruhigend auf Blessing einredete. Die junge Stute verspannte sich sofort wieder, doch ich nahm mir die Zeit, sie mit meiner Stimme zu beruhigen. Erst dann gab ich ihr das Kommando zum Antreten. Blessing ging während der ersten Runde um den Stall noch recht verhalten, doch als sie merkte, dass ich ihr weder mit den Zügeln im Maul riss, noch sie sonst wie drangsalierte, entspannte sie sich allmählich und ihre Schritte wurden länger. Als wir an der Abzweigung ankamen, die zu den Koppeln führte, brachte ich Blessing zum Stehen und sah zu Edward hinunter. "Ich glaube, ich versuche mal einen kurzen Trab. Und dann reicht es für heute auch wieder.", sagte ich. Edward nickte zustimmend. Ich nahm die Zügel ein wenig auf, drückte Blessing die Waden leicht in die Seiten und schnalzte mit der Zunge. Sofort ging Blessing in einen holprigen, unsauberen Trab über. Obwohl sie es mir damit nicht gerade leicht machte, ließ ich sie gewähren. Heute ging es nicht darum, besonders hübsch auszusehen. Alles was ich erreichen wollte, war Blessing ein wenig ihrer Angst zu nehmen. Wir trabten auf dem Grasstreifen neben den Koppeln dahin und als wir wendeten, um zu den Stallungen zurückzukehren, wurde Blessing's Gang weicher. Sie lauschte mit zurückgedrehten Ohren auf meine Stimme und senkte den Kopf ein wenig. Ich strich ihr lobend über den Hals. Als wir die Abzweigung zum Stall erreichten, parierte ich Blessing zum Schritt durch und saß vor den Stallungen ab. "Sie sah ja ein bisschen aus wie ein Kamel, als ihr weggeritten seid.", sagte Edward grinsend. Ich schlug spielerisch nach ihm. "Na und? Du wirst schon noch sehen, was alles in unserer großen Lady hier steckt.", konterte ich. Dann führte ich Blessing in den Stall, sattelte sie ab und befreite sie von der Ausrüstung. "So, mein Mädchen. Nun bekommst du erst einmal dein Frühstück - das hast du dir redlich verdient!", sagte ich dann liebevoll, während ich Blessing den Eimer voller Mash vor die Nase stellte. Die junge Stute machte sich sofort gierig darüber her.

      ~*~

      Am späten Nachmittag holte ich Blessing von der Koppel. Das junge Vollblut folgte mir artig. Ich putzte ihr feines Fell nur kurz über und kratzte die Hufe aus. Dann legte ich Blessing Gamaschen an und führte sie zum Hoftor, das zum Wald führte. Bevor man den Wald erreichte, galt es zahlreiche Wiesen zu überqueren - der perfekte Untergrund also für geschundene Hufe. Und schon Übermorgen sollte der Hufschmied kommen. Je nachdem was er sagte, konnten wir dann auch anfangen, längere Spaziergänge um das Gestüt herum zu unternehmen. Als wir durch das Hoftor traten, spitzte Blessing die Öhrchen und hob den feinen Kopf. Ihre zarten Nüstern flatterten, als sie prüfend die Luft einsog. "Na, mein Mädchen. Gefällt es dir hier draußen?", fragte ich lächelnd. So neugierig gefiel mir mein Stütchen zumindest um einiges besser. Auch kam ich nicht umhin, die gravierende Veränderung an der Stute wahrzunehmen. Auf dem Lindö Dalen Stuteri in Schweden waren wir ja auch durch den Wald zur Trainingsbahn gelaufen. Da war Blessing allerdings nicht annähernd so interessiert gewesen, wie jetzt. Ob das wohl daran lag, dass sie mir nun vertraute? Zumindest ein Stück weit? Als wir den Waldrand erreichten, ließ ich mich ins Gras sinken. Blessing schaute mich erstaunt an und spielte mit den Ohren, unschlüssig, was sie nun tun sollte. Ich begann vor mich hinzusummen und schließlich senkte die hübsche Stute ihren weißen Kopf und begann zu grasen. Die Zweisamkeit in diesem Augenblick war etwas ganz Besonderes. Zum ersten Mal hatte ich wirklich das Gefühl, so langsam ein Band zu der jungen Stute aufzubauen. Und wenn das geschafft war, konnten wir alles erreichen. Das wusste ich aus Erfahrung. Schließlich war es an der Zeit, wieder zum Stall zurückzukehren. Ich stand auf, rieb Blessing über die weiche Nase und wir machten uns auf den Heimweg. Als wir auf dem Gestüt ankamen, machte Blessing einen vollkommen entspannten Eindruck. "Du bist noch nicht sehr oft in den Genuss eines gemütlichen Spaziergangs geworden, was meine Hübsche?", fragte ich das junge Vollblut. Ich befreite Blessing von der Ausrüstung und brachte sie dann für die Abendfütterung zurück in ihre Box. Das war wirklich ein sehr erfolgreicher Tag gewesen!

      ~ Freitag - 01. Mai 2020 ~
      "Es ist zu früh!", stöhnte Edward am nächsten Morgen. Wir waren noch früher auf den Beinen als sonst, da wir ja Little Miss Backyard und Pirate's Pride pünktlich zur Rennbahn bringen mussten. Während der junge Mann sich an der unchristlichen Uhrzeit störte, blickte ich stirnrunzelnd zum Himmel. Es nieselte schon die ganze Zeit. Keine idealen Bedingungen für das Rennen. Die beiden Stuten waren bereits auf Hochglanz poliert und in ihre Transportsachen gehüllt. Blessing beobachtete das Treiben um sich herum aufmerksam. Da kam mir plötzlich eine Idee. Ich ging zur Box der jungen Stute, streifte ihr das Halfter über und führte sie hinaus. "Ähm Sammy? Was tust du da?", fragte Edward mich stirnrunzelnd. "Wir nehmen sie mit.", sagte ich kurz entschlossen. Ich hatte auf dem Rennbahngelände sowieso eine Box mehr reserviert, weil eigentlich geplant gewesen war, dass PFS' Storm Cat heute auch mit zu dem Rennen fuhr. Die junge Stute hatte sich aber auf der Koppel ein wenig vertreten, weshalb ich ihre Meldung zurückgezogen hatte. Edward riss die Augen auf: "Warum um alles in der Welt, willst du Blessing mitnehmen?" Ich lächelte: "Weil ich glaube, dass es ihr gut tun würde, einmal Rennbahnluft zu schnuppern, ohne dass mit ihr irgendetwas geschieht." Nun wirkte der junge Mann nachdenklich und meinte schließlich: "Das ist entweder völlig wahnsinnig oder aber total genial. Ich kann mich nicht entscheiden. Du weißt aber, dass es auch schief gehen könnte?" "Ja. Aber es könnte auch in zwei Monaten noch schief gehen. Oder bei ihrem ersten Rennen. So wissen wir wenigstens frühzeitig, wo unsere Baustellen liegen. Und vielleicht geht ja auch alles gut.", antwortete ich. Tatsächlich war ich ein wenig aufgeregt, doch bisher hatte die junge Vollblutstute sehr gut auf meine nicht ganz konventionellen Trainingsmethoden angesprochen. Ich putzte Blessing im Eilverfahren, während sie ihr Frühstück genoss, legte ihr die Gamaschen an und zum Schluss die Decke auf. Die Ausrüstung und das Futter für den Renntag hatten wir bereits in meinem großzügigen Transporter verstaut und Edward und Ana führten gerade Missy und Pride auf den Hänger. Ich band Blessing los und führte sie hinter den anderen beiden Stuten her. Das Pferdchen blähte aufgeregt die Nüstern, doch die Anwesenheit der beiden anderen schien sie ein wenig zu beruhigen. Ich strich Blessing beruhigend über den Hals, dann setzte ich mich nach vorn in die Fahrerkabine. Edward übernahm das Steuer und Ana saß in der Mitte. Durch ein Fenster in der Rückwand der Kabine konnten wir die Pferde sehen. Edward manövrierte das große Gefährt vorsichtig vom Hof und schon bald erreichten wir die Schnellstraße, die uns zur Rennbahn führen würde. Während der Fahrt unterhielten wir uns angeregt. "Sieben Fohlen fehlen noch. Was meinst du, wer als nächstes dran ist?", fragte Ana mit glänzenden Augen. Jetzt, da Lalique über den Berg war, hatte die junge Frau viel Freude an der Fohlensaison. "Successful Dream!", sagten Edward und ich wie aus der Pistole geschossen. Die junge braune Stute war die ganze letzte Nacht schon unruhig gewesen und hatte heute ihr Frühstück verweigert. Das waren in der Regel deutliche Anzeichen dafür, dass es bald los ging. Wie immer war ich etwas nervös dabei, das Gestüt kurz vor einer anstehenden Geburt zu verlassen, doch ich wusste, dass meine Mitarbeiter für jede Situation gewappnet waren. Dream würde es an nichts fehlen. Ana lachte. "Und was glaubt ihr, wird es werden?", fragte sie. "Ich hoffe ja auf einen Hengst. El Racino und Pawaneeh sind doch ganz schön einsam. Und natürlich hoffe ich auch, dass es ein zweiter Roan wird. Bei dem Papa ist das ja nicht ganz unwahrscheinlich!", sagte ich verträumt. "Ein Hengst? Ich tippe ja eher auf eine Stute. In einem schönen dunklen Braun.", sagte Edward grinsend. "Danke, aber von der Sorte hab ich schon zwei!", sagte ich gespielt beleidigt. Ich liebte Success Story xx und ihre Tochter Dream, aber ein Roan wäre farblich eine echte Bereicherung für meine Vollblutzucht. Schließlich bog Edward auf das Gelände der Rennbahn ein und ich sah mich aufmerksam um. Obwohl wir ziemlich früh da waren, herrschte bereits reges Treiben. Viele Trainer hatten ihre Pferde für die Woche des Breeder's Cup hergebracht und heute war der Höhepunkt der Woche. Ich meldete uns an und wir fuhren mit dem Pferdehänger direkt an die Stallungen. Zu dritt streuten wir schnell die uns zugewiesenen Boxen ein, erst danach luden wir die Pferde aus. Missy sprang beinahe die Rampe des Transporters hinunter und blähte aufgeregt die Nüstern. Die schöne Scheckstute hatte bereits einige Rennen bestritten, war aber jedes Mal wieder völlig von der Rolle, bevor es losging. Ana hielt Missy fest im Griff und führte sie energisch zu der Boxenreihe. Edward hatte mit Pride weniger Probleme und wartete am Ende der Rampe auf uns. Blessing stand stocksteif da und rollte ängstlich mit den Augen. Ich trat zu dem Vollblutstütchen und strich ihr beruhigend über die Nase. "Alles gut, meine Süße. Du brauchst keine Angst zu haben. Du bist nur hier, damit du siehst, dass dir nicht das Geringste passiert.", flüsterte ich ihr zu. Blessing folgte mir zögerlich die Rampe hinunter und in ihre Box hinein. Während Missy und Pride neugierig über ihre Boxentüren blickten, verzog Blessing sich in die hinterste Ecke. Ich seufzte. Aber hätte Blessing keine Angst, wäre sie jetzt nicht hier. Ich warf dem Stütchen einen Arm voll Heu in die Box und kontrollierte die Wassertränke. Missy und Pride bekamen vor ihren Rennen am Nachmittag nichts mehr zu essen. Allmählich wurde es Mittag und im Stallbereich kehrte Ruhe ein. Da das Morgentraining vorüber war. war nun auch der gröbste Trubel hier hinten vorbei. Ganz anders sah es im offiziellen Rennbahnbereich aus. Dort war bereits die Hölle los, obwohl immer noch ein feiner Nieselregen vom Himmel herab kam. Wir vergewisserten uns, dass es den Pferden an nichts fehlte, dann gingen wir in die Cafeteria, um uns etwas zu Essen zu besorgen. Wir hatten das Gebäude gerade wieder verlassen, da öffnete der Himmel alle Schleusen und ein heftiger Platzregen weichte uns in Sekundenschnelle ein. Wir drückten unser Essen an uns und rannten hinüber zu den Stallungen. "So ein verdammter Mist!", schimpfte ich, während ich mir die Regentropfen aus dem Gesicht wischte. "Mach dir keine Sorgen. Wenn es gleich aufhört zu regnen, ist die Bahn bis zu den Rennen trotzdem wieder gut.", versuchte Edward mich zu trösten. Doch auch er sah besorgt aus. Sowohl Pride als auch Missy liefen nicht sonderlich gerne auf weichem Boden. In diesem Moment kam Jilly Evans, mein Jockey um die Ecke. Wir begrüßten uns herzlich. Ana zog eine Schnute, denn die junge Frau wäre liebend gerne selbst im Rennen geritten. Jilly hatte jedoch sowohl die nötige Lizenz, als auch die Erfahrung. Wir unterhielten uns ein paar Minuten, dann ging Jilly, um sich noch etwas zu Essen zu holen. "Lass uns mal die Konkurrenz anschauen. Raus brauchen wir gerade eh nicht gehen.", schlug Edward dann vor. Ich nickte, dankbar für die Ablenkung. Ana bezog ihren Posten vor den Boxen, während Edward und ich durch die Stallungen bummelten. Wir sahen ein paar wirklich schöne Tiere, bis wir schließlich in einen nur allzu bekannten Stalltrakt kamen. "Dein Vater ist heute auch hier?", fragte ich Edward erstaunt. Plötzlich wirkte mein bester Freund ziemlich schuldbewusst. In der nächsten Sekunde wusste ich auch warum. Meine ehemals beste Freundin und Trainingsreiterin Meg kam die Stallgasse entlang, ins Gespräch mit Edward's Vater vertieft. Sie warf uns einen kurzen Blick zu und ignorierte uns dann geflissentlich. Edward's Vater hielt es ähnlich. Ich sah meinen Freund an und er lief knallrot an. "Ich wollte es dir sagen. Als ich Zuhause war, hab ich erfahren, dass Meg für meinen Vater reitet. Schon seit fast einem Jahr. Aber als ich dann zurückkam, warst du so aufgelöst wegen Lalique und es war so viel los, da hab ichs einfach vergessen.", stammelte er. Ich atmete durch und zuckte mit den Schultern: "Ist ja eigentlich auch egal. In welchem Rennen reitet sie?" Wieder errötete Edward und ich seufzte. Klasse, natürlich im Classic, auf unserem größten Konkurrenten. Das Rennen versprach immer schwieriger zu werden, zumal der Regen noch immer nicht nachgelassen hatte und die Bahn allmählich aufweichte. Wir gingen zurück zu unserem Stallabteil und ich stellte erfreut fest, dass Blessing sich ein wenig beruhigt zu haben schien. Zwar stand die junge Stute immer noch in der hintersten Ecke ihrer Box, doch als ich auf sie zu trat, drückte sie vertrauensvoll ihr Maul in meine Hand. Ich strich ihr zärtlich den roten Schopf aus der Stirn und rieb ihr über den glänzenden Hals. Dann war es allmählich an der Zeit, die Pferde fertig zu machen. Der Breeder's Cup bestand aus sieben Läufen. Missy startete im Letzten, Pride im zweiten. Daher kümmerten wir uns zuerst um die schöne Falbstute. Ich rieb mit einem Tuch über Pride's Fell, um auch noch das letzte Staubkörnchen zu entfernen. Edward schnappte sich das Sattelzeug und ich führte Pride hinaus. Dort sattelten wir die Stute unter den strengen Augen der Rennbahnaufsicht auf. Umsichtig strich ich die blaue Satteldecke mit goldenem Rand glatt, auf der mein Gestütslogo prangte. Auch Edward, Ana und ich trugen diese Farben. Jilly natürlich ebenfalls. Kaum, dass ich Pride's Zaumzeug fertig verschnallt hatte, trat die junge Frau zu uns. Gleich darauf ertönte das Signal zum Aufsteigen und Edward warf sie in den Sattel. Pride tänzelte mit gewölbtem Hals neben mir her, als ich sie um den Führring führte. Wir ernteten einige bewundernde Blicke. Für Pride war es erst das zweite Rennen, daher war die schöne Stute noch nicht allzu bekannt. "Viel Glück Jilly, ich glaube an euch!", sagte ich aufgeregt, dann ging ich mit Edward zur Tribüne, wo Ana uns schon erwartete. Die Jockey's kamen zum Aufgalopp an der Tribüne vorbei, dann bezogen die Pferde ihre Startboxen. Stolz verfolgte ich, wie Pride anstandslos in die Startbox hineinging. Jilly beugte sich vor und griff mit den Händen fest in Pride's Mähne, um beim Start nicht nach hinten geworfen zu werden. Nach ein paar Sekunden der Stille flogen die Startboxen auf und das Rennen begann. Pride bezog eine Position direkt hinter den führenden Pferden und ich lächelte erleichtert. Das war Pride's Lieblingsposition und ich wusste, dass Jilly ihren Angriff im Schlussbogen starten würde. Die Pferde donnerten die Gegengerade hinunter und allmählich begannen die Aufholer ihre Jagd. Ich rutschte ganz an die Kante meines Stuhls und drückte Pride die Daumen. Der Regen hatte nachgelassen, doch trotzdem war es für Pferd und Reiter kein schönes Rennen. Ich wusste, dass Pride und Jilly momentan Matsch in die Gesichter geschleudert wurde. Die Pferde gingen in den Bogen und ich sah, wie Jilly sich weiter nach vorn kauerte und die Zügel nachgab. Durch Pride's Körper lief ein Ruck und die Stute war mit wenigen Sätzen neben den führenden Pferden. So gingen sie in die Zielgeraden. Pride legte immer weiter an Tempo zu und überholte das führende Pferd, dass allmählich ermüdete. Plötzlich schob sich eine Schimmelstute an Pride heran, die eine unglaubliche Aufholjagd geliefert hatte. Jilly schaute unter ihrem Arm hindurch und ich wusste genau, dass sie Pride nun aufforderte, alles zu geben. Doch die tapfere Stute brauchte keine Ermutigung. Sie streckte sich und legte tatsächlich noch einmal an Tempo zu, trotz des weichen Bodens. Als sie über die Ziellinie gingen, lag mein geliebtes Stütchen eine Länge vor der Schimmelstute und ich sprang jubelnd von meinem Sitz auf. "Sie hat es geschafft!", rief ich freudestrahlend. Edward und Ana fielen mir um den Hals, dann gingen wir die Treppen hinunter, um unser siegreiches Duo im Siegerring in Empfang zu nehmen. Pride und Jilly waren über und über mit Schlamm bespritzt und Pride pumpte stark. Als sie bejubelt wurde, hob die junge Stute jedoch stolz den Kopf und blickte aufmerksam in die Menge. Ich strich ihr lobend über den schmierigen Hals und lächelte fröhlich in die Kameras. Schließlich beendete ich die Fotosession. Jilly sprang aus dem Sattel, um sich duschen zu gehen und wir führten Pride nach hinten in die Stallungen. Dort befreiten sie von der verdreckten Ausrüstung und spritzten sie mit dem Schlauch ab. Anschließend rieben wir die junge Stute umsichtig trocken. Erst danach hatte ich Zeit, wieder nach Blessing zu sehen. Die schöne Fuchsstute hatte uns interessiert beobachtet, wich nun aber wieder zurück und spielte unsicher mit den Ohren. Ich trat zu meinem Makeover-Pferdchen und strich ihr beruhigend über die Nase. "Alles gut, mein Mädchen. Du hast heute nichts weiter zu tun, als dich ein wenig zu entspannen.", sagte ich leise zu ihr. "Jetzt halt noch ein bisschen durch und drück Missy die Daumen für ihr Rennen." Wir putzten Missy über und brachten die Scheckstute dann zum Sattelplatz. Jilly hatte sich inzwischen gewaschen und umgezogen. Sie kam grinsend auf mich zu und meinte: "Na dann mal auf zur zweiten Schlammschlacht." Ich lächelte gequält. Missy war ziemlich eigen und ich konnte nicht sagen, wie sie auf die Konkurrenz und die Bahnverhältnisse reagieren würde. Allerdings kannte Jilly die Stute und ihre Eigenarten, deshalb hoffte ich darauf, dass alles glatt gehen würde. Im Führring sah ich gerade, wie Meg in den Sattel eines großrahmigen Rappen geworfen wurde. "Lord Wellington. Er ist der diesjährige Hoffnungsträger meines Vaters.", sagte Edward hinter mir leise. Ich nickte, da ich bereits von dem Hengst gehört hatte. Er war bereits aus einigen hochkarätigen Rennen als Sieger hervorgegangen. Meg ignorierte uns noch immer, doch trotz all unserer Differenzen drückte ich meiner ehemaligen Freundin die Daumen. Ich freute mich, dass sie für ein solch bekanntes Gestüt reiten durfte. Ich führte Missy und Jilly eine letzte Runde um den Ring, dann klopfte ich der schönen Stute den Hals und wünschte Jilly ein weiteres Mal viel Glück. Auf der Tribüne kaute ich nervös an meinen Nägeln. Wenn sich Missy im Classic gut platzierte, würde sie eine sehr begehrte Zuchtstute werden. Ganz zu schweigen davon, wenn sie das Rennen gewann. Der Regen fiel inzwischen wieder stärker und die Pferde rückten nach und nach in die Startboxen ein. Besorgt sah ich zum Himmel. Doch nun war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. Das letzte Pferd bezog seinen Platz und einen Augenblick später startete das Rennen. Missy und Jilly legten einen Blitzstart hin und bezogen die Position an der Spitze. Allerdings hielt Jilly die Stute entgegen ihrer Gewohnheit ein wenig von den Rails fern, da der Boden dort besonders tief war. Missy legte ein unglaubliches Tempo vor und ich sah mit zusammengebissenen Zähnen durch mein Fernglas. Jilly versuchte die junge Stute zurückzuhalten, doch Missy ließ sich nicht halten. "Lass sie laufen, Jilly. Sonst verschwendet sie ihre ganze Kraft im Kampf gegen dich.", murmelte ich angespannt. Als hätte die junge Frau auf der Bahn meine Gedanken gehört, gab sie die Zügel nach. Missy streckte sich und ihr Galopp wurde runder. Ich atmete auf. Jetzt war nur noch fraglich, ob Missy dieses mörderische Tempo durchhalten konnte. Jilly versuchte nur noch, das Vollblut so wenig wie möglich zu stören. Auf der Gegengeraden schob sich plötzlich Lord Wellington an Missy's Seite und setzte der Stute zu. Ich stöhnte auf, zumal nun Warking aufholte, ein Hengst, dem matschiger Boden besonders lag. Doch Missy weigerte sich, aufzugeben. Sie lieferte sich ein hartes Rennen mit Lord Wellington, doch als sie auf die Zielgeraden einbogen, wechselte Missy die Hand und schoss nach vorne. Ich sprang von meinem Sitz auf. "Seht euch das an! So ein hartes Rennen und sie legt trotzdem noch weiter zu!" In der Tat fraß Missy mit ihren langen Sprüngen die Rennbahn quasi und schmiss Lord Wellington Dreck ins Gesicht. Obwohl Warking noch ordentlich aufholte, kam er nicht wirklich an die tapfere Stute heran. Plötzlich stolperte Wellington und ich schrie auf, als der große Hengst in die Knie ging. Meg konnte sich nicht im Sattel halten und flog über seinen Hals. Die anderen Jockeys hatten nun größte Mühe, das gestürzte Paar nicht zu überrennen. Entsetzt verfolgte ich, wie der Rapphengst versuchte, wieder auf die Beine zu kommen und Meg regungslos liegen blieb. Jilly und Missy flogen als unangefochtene Sieger über die Ziellinie, doch die Freude über diesen großartigen Sieg wurde durch den Unfall getrübt. Wir rannten hinunter zur Bahn, doch ich durfte nicht zu Meg. Jilly sah mich mit bleichem Gesicht an, als sie mitbekam, was passiert war. Da ich nicht zu Meg durfte, ging ich mit den anderen zur Siegerehrung, auch mein mein Lächeln auf den Bildern etwas gezwungen aussah. Natürlich war ich furchtbar stolz auf meine Missy, doch ich machte mir unglaubliche Sorgen um Meg. Edward kam mit verkniffenem Gesicht von seinem Vater zurück. "Wellington hat sich das Röhrbein gebrochen. Sie werden ihn wohl einschläfern. Meg ist bewusstlos und wird ins Krankenhaus gebracht, sie befürchten, dass sie eine Verletzung an der Wirbelsäule hat.", berichtete er. Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Hoffentlich wurde Meg wieder gesund. Meinst du, dein Vater würde Meg einen Brief ins Krankenhaus legen? Ich darf ja nicht zu ihr.", fragte ich leise. Edward lachte hart auf: "Mein Vater wird sie sicher nicht besuchen. Er macht sie für die Verletzung von Lord Wellington verantwortlich und außerdem hat sie das Rennen nicht gewonnen. Aber einer der Pfleger fährt sicherlich im Auftrag meines Vaters zu ihr." "Okay. Könnt ihr beiden Missy versorgen? Dann schreibe ich Meg kurz ein paar Zeilen. Ich will, dass sie weiß, dass wir für sie da sind.", sagte ich und Edward nickte.
      Als ich Edward den Brief übergeben hatte, setzte ich mich zu Blessing in die Box. "Ach mein Mädchen. Heute hätte so ein toller Tag sein können.", sagte ich traurig zu der Fuchsstute. Sie schnoberte mich vorsichtig ab und ich strich ihr sanft über die Wange, bevor ich sie unter dem Kinn kraulte. Erst da wurde mir bewusst, dass Blessing vollkommen entspannt wirkte. Sie hatte gesehen, dass sowohl Pride als auch Missy unversehrt und glücklich von ihren Rennen zurückgekehrt waren. Vielleicht hatte die Stute diesen Beweis gebraucht. Wir versorgten die Pferde in aller Ruhe und machten sie anschließend transportfertig. Dann machten wir uns auf den Heimweg - wesentlich ruhiger als auf der Hinfahrt.
      Zuhause angekommen wurden wir bereits erwartet. Doch auch hier war die Stimmung gedrückt. Brian, Donald und Samuel hatten sich das Rennen im Fernsehen angesehen und Meg's Sturz miterlebt. Sie versuchten dennoch fröhlich zu wirken und gratulierten uns zu zwei herausragenden Siegen, doch in Gedanken waren wir alle bei Meg und auch bei Lord Wellington. Ich sorgte dafür, dass es meinen drei Stuten an nichts fehlte, dann ging ich in den Fohlenstall und sah nach Successful Dream. Die Stute hatte noch nicht gefohlt, doch sie lief unruhig in ihrer Box umher. Ich trat zu der dunkelbraunen Stute und strich ihr sanft über den runden Bauch. "Meine Süße, hast du auf uns gewartet?", fragte ich das Vollblut liebevoll. "Du darfst dein Baby ruhig bekommen, es wird bestimmt wunderschön. Und wir passen alle auf dich auf.", redete ich leise mit meiner Dream. Es war auch für mich etwas ganz besonderes, wenn Pferde, die ich selbst aufgezogen hatte, schließlich Fohlen bekamen. So war es schon bei Princess gewesen und bei Dream war es nun nichts Anderes. Ich wollte mich gerade abwenden, um ins Haus zu gehen und das Essen für meine Belegschaft vorzubereiten. Es war eigentlich zur Feier des Tages geplant gewesen, doch nun wollten wir einfach Beisammensein. In diesem Augenblick legte Dream sich plötzlich hin und brummelte schmerzerfüllt. Ich wollte die Box verlassen, um das junge Pferd nicht zu stören, doch Dreamy wieherte hinter mir her, sodass ich mich zu ihr setzte und ihr sanft über den Kopf strich. Die Stute begann zu pressen und ich hielt den Atem an, als schon nach kurzer Zeit zwei winzige, helle Hufe zu sehen waren. Erschöpft ließ Dreamy den Kopf ins Stroh sinken. "Komm mein Schatz, du schaffst das. Gib jetzt nicht auf!", ermunterte ich die Stute. Draußen krachte plötzlich der Donner und Regen prasselte auf das Stalldach. Doch Dreamy war so gefangen in der Situation, dass sie das Gewitter gar nicht wahrnahm. Sie nahm ihre Kraft zusammen und die Vorderbeine des Fohlens kamen zum Vorschein. Darauf gebettet lag der Kopf und kurze Zeit später rutschte das Fohlen ins Stroh. Ich strich Dreamy begeistert über die Stirn und zog mich dann einen Schritt zurück, um der frischgebackenen Mama ein wenig Raum zu lassen. Dreamy hob den Kopf und sah ihr Baby an. Dann begann sie es trocken zu lecken. Ich lächelte, als ich das Fohlen betrachtete. Trotz des nassen Fells konnte ich die Stichelhaare erkennen. Es war ein kleiner Red Roan Hengst und ich konnte mein Glück kaum fassen. Ganz ergriffen schaute ich auf Mutter und Kind, als plötzlich Edward um die Ecke kam. "Wo bleibst du denn? Wollten wir nicht kochen?", fragte er ein wenig ungehalten. Dann blieb er wie erstarrt stehen und schaute verwundert auf den kleinen Hengst. In diesem Moment grollte wieder der Donner und ein Lächeln huschte über mein Gesicht. "Ich möchte ihn Storm Chaser nennen.", sagte ich. Auch Edward lächelte: "Hollybrook's Storm Chaser. Das gefällt mir!" Ich versorgte Mutter und Kind, während Edward den Rest der Belegschaft holte, um ihnen den neuesten Bewohner Hollybrook's vorzustellen. Das Fohlen hatte kleine Abzeichen und eine blitzförmige Blesse auf der Stirn. Ich war sehr gespannt, wie sich der kleine Hengst entwickeln würde.

      ~ Samstag - 02. Mai 2020 ~
      Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerädert. Der gestrige Tag hatte aus so vielen Hochs und Tiefs bestanden, dass ich gefühlstechnisch vollkommen am Ende war. Außerdem hatte mich der Sturm und natürlich die Sorge um Meg lange wach gehalten. Der Rest der Belegschaft sah auch nicht viel besser aus, nur Brian kam uns lächelnd entgegen und führte uns zur Box meiner Scheckstute Mahira. Neben ihr im Stroh lag ein winziges schwarzes Fohlen mit hellem Langhaar und drei kleinen weißen Flecken. "Ein Silver Black Stütchen! Wow, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.", sagte ich mit leuchtenden Augen. Nun hatte ich schon zwei Babys von Levistino und beide sahen absolut prächtig aus. "Es ist erst vor eineinhalb Stunden zur Welt gekommen. Die Geburt verlief vollkommen problemlos.", berichtete Brian. Ich strahlte ihn an. Das war wirklich eine schöne Nachricht an diesem Morgen. Nachdem ich bei Storm Chaser vorbeigeschaut hatte, wünschte ich wie gewöhnlich Blessing einen schönen guten Morgen. Die junge Stute spitzte die Ohren als sie mich sah und stupste mich an. Ich konnte es kaum glauben. Irgendwie schienen die letzten drei Tage tatsächlich einen Durchbruch bewirkt zu haben. Aber noch wollte ich mich nicht vollkommen darauf verlassen. Ich gab Blessing ihr Frühstück und erzählte ihr währenddessen von den beiden neuen Babys des Gestüts. Für Mahira's Fohlen hatte ich noch keinen Namen ausgesucht, doch das süße Stütchen war ja auch erst ein paar Stunden alt. Snoopy, die Hufschmiedin, war bereits gestern Abend angereist und ich hatte mich bei ihr für die gedrückte Stimmung auf dem Gestüt entschuldigt und ihr die ganze Situation erklärt. Nun war aber auch sie hin und weg von den putzigen Fohlen und vor allem von Mahira's Baby, dass gerade die ersten Aufsteh-Versuche machte. Ich nahm Blessing die Stalldecke ab, putzte sie kurz über und kratzte die porösen Hufe der Stute aus. Nun war ich sehr gespannt, was Snoopy zu meinem Schatz sagen würde. Snoopy kam auf mich zu und wir unterhielten uns kurz, bevor sich die junge Frau mit Blessing bekannt machte. Blessing wirkte skeptisch, als Snoopy von ihr verlangte, ihr den ersten Huf zu geben, doch schließlich gab sie nach. Dabei fixierte sie mich die ganze Zeit und ich sprach leise auf das junge Pferd ein. Die Vorderfüße ließ Blessing sich recht problemlos bearbeiten, doch als Snoopy den Hufblock neben ihr Hinterbein stellte, machte das Vollblutstütchen einen kleinen Satz zur Seite. Ich sprach sofort wieder leise mit ihr und strich ihr zärtlich über die Nase. Einfühlsam bereitete Snoopy das Stütchen auf das nun Kommende vor. Blessing schien die Behandlung zwar nicht gerade zu genießen, war aber dennoch erstaunlich brav. Als alle vier Hufe ausgeschnitten waren, erklärte mir Snoopy, auf was ich in den nächsten Wochen achten sollte. Sie bestärkte mich in meiner Ahnung, dass bei Blessing zu oft der Beschlag gewechselt worden war und gab mir den Tipp, Blessing erst einmal barhuf gehen zu lassen. Biotin fütterte ich der schönen Stute sowieso schon zu und würde das nach den Worten der Hufschmiedin auch beibehalten. Zudem sollte ich Blessing's Hufe einmal pro Tag für fünfzehn Minuten wässern. Natürlich würde ich mich an diese Tipps halten, allerdings war ich ein wenig skeptisch, ob Blessing diese Prozedur so einfach über sich ergehen lassen würde. Ich lief nun mit meinem Füchschen noch einmal die Stallgasse hinauf und hinunter, damit Snoopy ihren Gang begutachten konnte, dann war mein Stütchen auch schon wieder fertig. Ich bedankte mich bei Snoopy für die gute Beratung und wünschte ihr eine gute Heimreise. Dann führte ich das Stütchen hinaus auf den Springplatz zu meinem Wassergraben. Ich wollte Blessing nur ungern mit allen vier Füßen in Eimer stellen und jeden Huf einzeln zu wässern, würde die Geduld der jungen Stute wohl ein wenig arg strapazieren. Daher wollte ich nun erst einmal versuchen, Blessing in den Wassergraben meines Springparcours zu führen. Für die Zukunft hatte ich allerdings bereits Snoopy's Rat beherzigt und mir die sogenannten Waterboots bestellt. Sie waren sicherlich die einfachste Lösung für mein Vollblutstütchen. Blessing hob den Kopf und spielte unsicher mit den Ohren, als ich sie in den Graben führen wollte. Ich ließ ihr Zeit und schließlich senkte Blessing den Kopf und schnupperte an der Wasseroberfläche. Ich setzte mich in die Hocke, tauchte die Hand ins Wasser und führte sie an Blessing's Maul. Danach konnte ich die Stute überzeugen, das kühle Nass zu betreten. Ich ließ Blessing anhalten, als sie mit allen vier Füßen im Wasser stand und warf erst dann einen Blick auf die Uhr. "So, mein Mäuschen. Jetzt erzähle ich dir eine fünfzehn-minütige Geschichte und dann hast du es für heute auch geschafft.", erklärte ich der Stute. Tatsächlich begann ich anschließend, der Stute von meiner Freundschaft mit Meg zu erzählen und massierte sie dabei ein wenig. So verging die Viertelstunde wie im Flug und ich lobte meine Blessing ausgiebig. Da der Boden inzwischen wieder einigermaßen trocken war, durfte Blessing nun noch ein paar Stunden auf die Koppel. Meine Mitarbeiter und ich waren vom gestrigen Tag so erschöpft, dass wir heute kein Training mit den Pferden abhalten würden. Dennoch setzten wir uns alle zusammen und erledigten ein paar der Aufgaben, die außer dem Training auf einem Gestüt wie meinem so anfielen. Außerdem beobachteten wir die Fohlen, die aufgrund des kühlen Wetters heute im Stall bleiben mussten. Gerade Lalique konnte schon eine leichte Erkältung um Monate in ihrer Entwicklung zurückwerfen. Auch auf mich wartete an diesem Tag noch ein schönes Ereignis. An diesem Abend wollte ich mit Lina, der Trainerin von HMJ Divine telefonieren, um mich ein wenig mit der jungen Frau auszutauschen.

      ~*~

      Der restliche Nachmittag verging wie im Flug und schon war es an der Zeit, die Pferde wieder von den Koppeln zu holen. Wie immer kümmerte ich mich um Blessing. Ich ging zur Koppel des Stütchens, schlüpfte durch den Zaun und stieß dann meinen charakteristischen Pfiff aus. Blessing's Kopf flog nach oben und dann kam die Stute langsam auf mich zu. Ich konnte meinen Augen kaum trauen. Edward, der gerade meine Lewitzerstute Rosewell in den Stall führte, blieb überrascht stehen. Dann erhellte ein Lächeln sein Gesicht und er zeigte mir den erhobenen Daumen. Ich wartete, bis Blessing mich erreicht hatte und nahm dann den Kopf der jungen Stute in die Arme. "Ab jetzt schaffen wir alles, mein Mädchen. Das weiß ich einfach.", flüsterte ich der Fuchsstute zu. Dann hakte ich den Führstrick in das Halfter ein und brachte Blessing zurück in den Stall, wo ich der Stute ihr warmes Mash zubereitete. Glücklich sah ich Blessing beim Futtern zu, bis mir auffiel, dass ich mich beeilen musste, wenn ich vor meinem Telefonat noch duschen wollte.

      ~*~

      Mein Rücken knackte, als ich mich gähnend streckte. Es war erst acht Uhr Abends, aber ich war trotzdem schon hundemüde. Gerade hatte ich die Abendfütterung hinter mich gebracht und saß nun in meinem gemütlichen Wohnzimmer, wo ich auf einen Anruf von Lina Valo wartete. Die junge Frau trainierte HMJ Divine und wir hatten uns während unseres Aufenthalts in Schweden angefreundet. Ich steckte mir gerade einen Chocolate-Chip-Cookie in den Mund, als mein Telefon klingelte. Prompt verschluckte ich mich an meinem Keks und meldete mich mit einem Husten: “Hallo, Samantha O’Neill vom Hollybrook Gestüt am Apparat.”
      “Hallo, hier ist Lina Valo. Bist du mit Blessing gut Zuhause angekommen?”, meldete sich eine junge Frau.
      “Huhu, Lina! Schön, von dir zu hören. Die Fahrt war super anstrengend, aber Blessing und ich sind noch letzten Sonntag wieder gut in England angekommen. Inzwischen hat das Mäuschen sich auch ganz gut eingelebt. Und ihr? Divine musste ja einen viel längeren Weg ertragen, als mein Stütchen.”, berichtete ich.
      “Die Flüge sind soweit gut gelaufen. Wir hatten nur ein paar Einstiegsschwierigkeiten, was bei einer so großen gruseligen Kiste auch nicht verwunderlich ist. Da wir erst recht spät angekommen sind, war er am Mittwoch noch etwas müde, aber er ist inzwischen wieder top fit. Es ist einfach unglaublich wie brav dieser Hengst ist. Ist Blessing inzwischen ein wenig aufgeschlossener? Auf der Koppel wirkte sie immer sehr zurückhaltend.”
      “Ach herrje, das glaube ich sofort! Ich bin heilfroh, dass ich mit Blessing kein Flugzeug besteigen musste. Sie verhält sich zwar die meiste Zeit über ziemlich apathisch, aber Angst hat sie halt doch. Divine machte aber auch wirklich einen sehr gelassenen Eindruck. Blessing’s Haltung ändert sich beinahe stündlich. Ab und an wirkt sie tatsächlich interessiert, aber den richtigen Schlüssel zu ihr habe ich bisher noch nicht gefunden. Wie läuft euer Training denn so?”
      “Wir lassen es aktuell noch ein wenig langsam anlaufen. Divine ist zwar sehr aufgeschlossen, aber er muss sich erst einmal an seine neuen Eisen gewöhnen. Er macht den Eindruck als hätte er noch nie welche drauf gehabt. Gestern durfte er erst einmal den ersten von seinen neuen Weidekumpels kennenlernen. Erstaunlicherweise fand El Pancho ihn deutlich interessanter als, Divine ihn. Divine fand es spannender in meinen Taschen nach Leckerlies zu suchen. Hast du schon herausgefunden warum deine hübsche Stute so apathisch ist?”
      Ich lachte bei der Vorstellung, wie der schöne Schimmel sein Maul in Lina’s Tasche vergrub und antwortete: “Das mit den Eisen kann ich mir sehr gut vorstellen. Bei Blessing ist es gerade umgekehrt. Heute Mittag war der Hufschmied da und hat den Verdacht bestätigt, dass Blessing viel zu häufig wechselnde Beschläge bekommen hat. Daher darf sie nun erst einmal eine Weile barhuf laufen. Oh und ich soll jeden Tag Wasserbäder mit ihr machen. Findet sie überhaupt nicht lustig. War Divine beim Hufschmied denn brav? Blessing hat wie üblich einfach alles über sich ergehen lassen. Bezüglich ihrer Apathie habe ich einen Verdacht. Blessing hat ziemliche Angst vor der Rennbahn, ist aber gleichzeitig vollkommen fasziniert davon, wenn ich meine Vollblüter auf der Bahn laufen lasse. Daher gehe ich davon aus, dass sie beim Training misshandelt wurde und dadurch ihr Vertrauen und ihre Lebensfreude verloren hat. Das ist aber natürlich nur eine Theorie. Über Blessing’s Vergangenheit lässt sich ja leider so gut wie nichts herausfinden...Weißt du inzwischen ein wenig mehr über Divine’s Geschichte?”
      “Oh, das tut mir leid für Blessing”, sagte die junge Frau mitfühlend. “Ich würde Divine eigentlich lieber Barhuf laufen lassen, aber das lässt sein Hufzustand aktuell leider nicht zu. Aber ich inzwischen immerhin Erfahren, dass Divine wohl eine Handaufzucht ist, da seine Mutter bei der Geburt verstarb. Deshalb vermutete ich dass er ein wenig fehlgeprägt ist. Zumindest würde das seinen starken Bezug zu Menschen erklären. Er wurde wohl einjährig verkauft wo er zwei Jahre in einer Jungpferdeherde verbrachte und dann 3 Jährig zum Feldtest ging. Danach verliert sich seine Spur leider. Dafür habe ich gestern immerhin super süße Fohlenbilder von ihm bekommen. Und er hieß wohl früher Prince. Irgendwie passend.”
      “Oh wow, da hast du ja eine ganze Menge über deinen Hübschen herausgefunden!”, sagte ich überrascht. Über HMJ Blessing konnte ich tatsächlich so gut wie nichts in Erfahrung bringen. Beim Gedanken an Divine als Fohlen huschte ein Lächeln über mein Gesicht. “Magst du mir die Bilder später mal schicken?”, fragte ich Lina. “Ich würde Divine zu gerne einmal als Baby sehen, er war bestimmt zuckersüß! Und stimmt, der Name Prince hätte auch sehr zu ihm gepasst. Wobei ich Divine ja auch toll finde. Er hat einfach so was Göttliches an sich.”
      “Natürlich, ich schicke dir die Bilder später, er ist echt zuckersüß als Baby”, erwiderte Lina. “Ich bin auch gespannt wie er mal aussehen wird , wenn er mal ordentlich Muskeln hat. Er wird bestimmt hübsch, die kleine von meiner Chefin hat ihn schon als Einhorn bezeichnet.”, sagte die junge Frau lachend.” Wobei Blessing auch definitiv Potenzial hat ein richtig hübsches Pferd zu werden. Ihre Abzeichen sind echt hübsch.”
      “Das glaube ich auch! Haha, immerhin weißt du schon, als was du Divine verkleiden kannst, wenn ihr mal an einem Kostümwettbewerb teilnehmt.”, sagte ich lachend. “Ich bin völlig verliebt in Blessing und für mich ist sie auch jetzt schon wunderschön. Aber wenn sie mal ordentlich trainiert ist, ihr Fell wieder glänzt und ihr Langhaar richtig nachgewachsen ist, wird sie bestimmt noch viel schöner. Ich glaube auch, dass Blessing mal eine gute Mutter wird. Sie ist zumindest völlig fasziniert von meinen Fohlen. Hast du vor, Divine später in der Zucht einzusetzen?”, fragte ich neugierig.
      “Vermutlich wird er einmal in der Zucht eingesetzt. Mit seiner Fellfarbe ist er einen echte Rarität unter den Freibergern. Und auch beim Feldtest scheint er nicht so schlecht abgeschnitten zu haben. Allerdings muss er vorher wohl nochmal lernen, das Pferde für ihn interessanter sein sollten.”, sagte Lina und lachte. “Oh du hast ein neues Fohlen? Das ist ja toll”
      “Schon vier.”, lachte ich. “Das jüngste Baby ist heute zur Welt gekommen. Nun fehlen aber immer noch sechs, mal sehen, wie lange sie sich noch Zeit lassen. Und Divine findet eine nette Stute bestimmt irgendwann interessant, vielleicht hat er ja einfach nur für El Pancho nicht ganz so viel übrig gehabt.”, sagte ich grinsend. “Blessing hat auch noch keine wirkliche Freundin gefunden, aber ich hoffe, dass sich das gibt, wenn sie irgendwann mal mehr Freude am “Pferd-sein” hat.”
      “Wenn sie Fohlen so interessant findet, solltest du sie vielleicht mit denen Vergesellschaften”, überlegte Lina laut. “ Ja, mit Stuten haben wir es noch nicht versucht. Divine soll sich erst einmal an seine Kumpels gewöhnen. Ein paar von denen haben nämlich Faustdick hinter den Ohren. Damit sollte der hübsche erst einmal genug zu tun haben. Ja, bei uns lassen ein paar Fohlen uns auch noch warten. Aber die, die schon da sind sind Aktuell das Highlight bei unseren Reitschüler, besonders unsere beiden Zwillinge.”
      “Keine schlechte Idee. Ich hab tatsächlich auch schon überlegt, ob ich Blessing mit auf die Fohlenkoppel stelle, aber ich fürchte, dass ich damit warten muss, bis die Babys abgesetzt sind.”, sagte ich nachdenklich. Bei der Erwähnung der Zwillinge grinste ich:”Dass die beiden das Highlight sind, glaube ich sofort! Irgendwann würde ich mir Chex’s Zwillinge auch zu gerne einmal ansehen. Und Kumpels sind für einen Hengst ja auch was Wichtiges. Ist wie bei den Männern. Die brauchen auch andere Kerle um sich herum, um glücklich zu sein - auch wenn sie das manchmal gar nicht wissen.” Ich blickte auf die Uhr und riss erschrocken die Augen auf. Schon so spät! “So meine Liebe, ich muss dringend ins Bettchen. Aber es war super schön, mit dir zu reden. Vielleicht können wir das ja bald mal wiederholen?”
      "Klar sehr gerne! Schlaf gut!"

      ~*~

      Ich legte das Handy weg und schlüpfte sofort in meinen Schlafanzug. Der Tag war anstrengend und ereignisreich gewesen und ich konnte es kaum noch erwarten, mich in mein gemütliches Bett fallen zu lassen. Allerdings war es auch sehr interessant gewesen zu hören, wie Divine sich entwickelte. Mit all diesen Eindrücken im Kopf kuschelte ich mich in meine Bettdecke und war schon ein paar Minuten später tief und fest eingeschlafen.

      ~ Sonntag 03. Mai - Donnerstag 07. Mai 2020 ~
      "Feines Mädchen, das machst du wunderbar!", lobte ich Blessing an diesem schönen Donnerstagmorgen fröhlich. Die Beziehung zwischen Blessing und mir war nun endlich aufgeblüht. Seit Sonntag ritt ich die schöne Fuchsstute nun jeden Morgen. Noch bewegten wir uns lediglich auf dem Gestüt, doch im Gegensatz zu letzter Woche war dies schon ein riesengroßer Fortschritt. Gerade beendeten wir unsere heutige Runde mit einem leichten Trab um die Koppeln. Galoppiert war ich mit Blessing noch nie, da ich dafür zunächst ihre Balance schulen wollte. Daher arbeitete ich mit Blessing seit drei Tagen an der Longe und baute Trabstangen ein, um die junge Stute zu gymnastizieren. Dennoch würden wir es mit dem Galopp langsam angehen lassen, damit die Stute nicht in Panik geriet, weil sie aus dem Gleichgewicht kam. Seit wir gemeinsam auf der Rennbahn gewesen waren, war Blessing wie ausgewechselt. Sie hatte endlich entschieden, mir zu vertrauen und das zeigte sich deutlich in unseren Trainingsfortschritten. Plötzlich schlurfte Blessing nicht mehr apathisch vor sich hin, sondern schien Spaß am Training zu entwickeln. Ich freute mich unglaublich für mein schönes Stütchen. Auch bei den Fohlen hatte sich einiges getan. Inzwischen fehlte nur noch das Baby von Unannounced Pleasure und Pawaneeh. Kazumi Princess El Assuad hatte ein wunderschönes Buckskin-Stütchen zur Welt gebracht, dass ich "Hollybrook's Karma" getauft hatte. Reminiscent Inspiration hatte ihr Rappfohlen am selben Tag bekommen, auch wenn die Geburt ein wenig komplizierter gewesen war. Auf Samiyah's Baby war ich besonders gespannt gewesen. Zum einen, weil auch dieses Fohlen von Levistino stammte, zum anderen, weil ich mir von Samiyah's Fellfarbe sehr viel versprach. Und tatsächlich waren meine Hoffnungen nicht enttäuscht worden. Vorgestern, in aller Herrgottsfrühe hatte meine Diva ein wunderhübsches Silver-Buckskin-Stütchen geboren. Backup war gestern dann die Vorletzte gewesen und hatte mir ein fuchsfarbenes Hengstfohlen mit kleinen Abzeichen geschenkt. Ich war heilfroh, dass alle Fohlen gesund und munter waren, aber auch, dass die anstrengende Geburtenzeit nun bald vorbei sein würde. Wir alle waren ziemlich übernächtigt und das merkte man auch an der Stimmung. Ich strich Blessing über den schlanken Hals und saß vor dem Stall ab. Edward als Mitläufer brauchten wir schon seit Tagen nicht mehr, weshalb wir natürlich auch schneller voran kamen. "Heute Mittag gehen wir maximal spazieren, meine Hübsche. Ansonsten hast du deine Arbeit für heute erledigt.", sagte ich liebevoll, während ich Blessing die Stallgasse hinunterführte. Als ich die Stute gerade abgesattelt und übergeputzt hatte, kam Edward angelaufen. Er war kreideweiß. "Sammy. Du hast Besuch. Ich glaube, es ist Meg. Hab sie zum Haus geschickt.", keuchte er. Scheinbar war er den ganzen Weg vom Parkplatz bis hier gerannt. Ich wollte sofort los, bis mir auffiel, dass ich Blessing noch am Führstrick hatte. Edward lächelte gezwungen und nahm mir die junge Stute ab. Ich lief aus dem Stall und zum Wohnhaus. Davor parkte ein gelbes Taxi. Als ich ankam, stieg der Fahrer aus und öffnete die Hintertür. Ich runzelte die Stirn. Eigentlich war Meg nicht der Typ, der sich derart hofieren ließ. Gleich darauf schob der Mann einen Rollstuhl um das Auto herum und ich riss die Augen auf. Darin saß Meg. Ihre rechtes Bein steckte bis zum Knie in einem Gips und ich hoffte inständig, dass dies der einzige Grund für den Rollstuhl war. Meg bedankte sich mit dünner Stimme bei dem Fahrer, der zwei Koffer neben ihr abstellte. Ich lief auf meine ehemalige Freundin zu und blieb vor ihr stehen - ratlos, wie ich nun reagieren und was ich sagen sollte. Meg wartete, bis das Taxi weg war, dann schaute sie mich an und Tränen liefen über ihre Wangen. "Sammy. Ich wusste nicht wo ich hin soll. Und dein Brief...", Meg's Stimme brach und sie begann zu weinen. Ich beugte mich herunter und nahm die junge Frau in den Arm, während sie von heftigen Schluchzern geschüttelt wurde. "Was ist nach deinem Sturz passiert, Meg?", fragte ich fassungslos über das plötzliche Auftauchen meiner Freundin. "Können wir ein bisschen gehen? Zu den Koppeln vielleicht?", fragte sie leise. Ich nickte, stellte die Koffer beiseite und schob Meg in Richtung der Koppeln. Scheinbar fiel ihr die Erzählung leichter, wenn sie mich nicht direkt ansah. "Als ich aufgewacht bin, wollten mir die Ärzte erst nicht sagen, was passiert ist. Doch irgendwann haben sie mir erklärt, dass bei dem Sturz ein Nerv im unteren Rücken geschädigt wurde. Man weiß nicht, ob ich jemals wieder laufen kann." Ich atmete schockiert durch, doch Meg sprach schon weiter. "Als ich dann entlassen wurde und zurück auf das Gestüt kam, lag schon meine Kündigung auf meinem Schreibtisch. Außerdem hat mein lieber Chef mir mitgeteilt, dass ich sofort zu verschwinden habe, wenn ich nicht will, dass er mich für Lord Wellingtons Tod verantwortlich macht. Oh Gott Sammy, sie haben ihn eingeschläfert. Sie wollten nicht einmal versuchen, ihn zu retten. Dabei war Welli ein so tolles Tier.", Meg begann wieder zu weinen und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Eine unfassbare Wut auf Edward's Vater packte mich, allerdings hatte mich mein bester Freund auch schon gewarnt, dass sein Vater genauso reagieren würde. Edward hatte dem Gestüt und seiner Familie nicht umsonst den Rücken gekehrt. Ich überlegte fieberhaft, was ich zu Meg sagen konnte, um es ihr leichter zu machen und schließlich schob ich sie in den Fohlenstall und zeigte ihr Karma El Assuad. Meg hatte Princess mit aufgezogen und war völlig vernarrt in die schöne Stute gewesen. Tatsächlich huschte ein kleines Lächeln über das Gesicht der jungen Frau. "Princess hat ein Baby? Meine Güte, es ist wunderschön!", sagte sie ergriffen. "Stimmt, wir haben dieses Jahr wirklich tolle Fohlen. Aber ich würde dir gerne noch jemanden vorstellen. Ich habe letztes Jahr bei einem Event namens Horsemakeover teilgenommen und in diesem Jahr bin ich wieder dabei. Das hier ist HMJ Blessing und das daneben ist mein letztjähriges Makeover-Pferdchen HMJ 7786 Elfentanz.", stellte ich Meg meine beiden Mädels vor. "Ich habe das Event letztes Jahr verfolgt und eigentlich gehofft, dass wir selbst auch mitmachen würden. Aber solche Dinge interessieren meinen Chef nicht.", sagte Meg wehmütig. "Ich weiß. Sein Sohn, Edward, lebt und arbeitet hier.", sagte ich. "Stimmt! Ich hab ihn beim Rennen mit dir gesehen.", sagte Meg überrascht. Ich beendete die Führung und kehrte mit Meg zurück zum Wohnhaus. "Meg, willst du nicht die nächste Zeit hierbleiben? Ich weiß, dass du mit deiner Familie nicht gut klar kommst und hier hast du immerhin ein paar vertraute Gesichter.", bot ich meiner Freundin an. Zwischen uns war zwar viel vorgefallen, aber in dieser Situation war das vollkommen unwichtig. Meg schluckte. "Ich wollte dich um genau das bitten, hab aber nicht den Mut aufgebracht. Ich danke dir Sammy. Aber bist du dir sicher, dass ich dir keine zu große Last bin? Ich komme ja nichtmal die Treppe hoch ins Haus.", sagte Meg ergriffen. Ich winkte ab. "Das bekommen wir schon alles hin. Wenn du einverstanden bist, hole ich jetzt die anderen. Sie müssen immerhin Bescheid wissen." Meg nickte und gemeinsam gingen wir zurück zum Stall, um den Rest der Mannschaft einzuweihen. Langweilig wurde es auf meinem Gestüt definitiv nie! Die Mannschaft nahm die Nachricht gemischt auf, doch alle begrüßten Meg herzlich. Der handwerklich begabte Donald bot sofort an, für Meg eine Rampe ins Haus zu bauen, damit sie dort nicht immer auf Hilfe angewiesen war. Ana und ich richteten das Gästezimmer im Erdgeschoss her, packten Meg's Gepäck aus und hängten ihre Fotos an die Wände. Dann kochten wir gemeinsam ein Mittagessen. Donald und Samuel trugen Meg's Rollstuhl die Treppen hinauf und wir genossen ein ziemlich lustiges Mittagessen. Anschließend legte sich Meg ein wenig hin und ich legte ein Telefon auf ihren Nachttisch, damit sie mich jederzeit erreichen konnte. Anschließend ging ich zurück in die Stallungen und erzählte Blessing von alldem. Die Stute war wirklich eine außergewöhnlich gute Zuhörerin und ich genoss es, dem Stütchen all meine Gedanken anzuvertrauen. Blessing schmiegte ihr Maul in meine Hand und ich legte meine Stirn gegen ihre. "Ach mein Mädchen, ich hab dich so lieb. Und ich weiß, dass du mich auch liebst.", sagte ich leise zu dem schönen Tier. Für mich stand schon jetzt fest, dass Blessing meinen Hof niemals mehr verlassen würde, egal wie sie sich noch entwickelte.
    • Sammy
      [​IMG]
      Thousand thoughts, but nothing to say
      22. November 2020
      4.727 Zeichen | 3 Pkt.
      Pures Adrenalin überrollte mich, als an diesem Morgen mein Wecker klingelte. In der Regel brauchte ich keine Hilfe beim Aufwachen, doch zur Zeit war ich nicht wirklich ich selbst. Es war einfach alles zu viel Stress. Zu Hause in Irland war meine Oma schwer erkrankt und wir wussten nicht, ob sie diesen Winter überstehen würde. Sukzessive gingen all meine elektronischen Geräte in die Knie - zuletzt mein Laptop und ich hatte das Gefühl, von Büchern erschlagen zu werden. Ganz nebenbei lief es auch mit den Pferden nicht super gut. Durch die ganze Krisensituation war der Markt ziemlich eingebrochen und ich hatte kaum Interessenten für meine zahlreichen Verkaufspferde. Daran, die Zuchtfohlen in den Verkauf zu geben, war momentan nicht einmal zu denken. Mit einer enormen Kraftanstrengung wuchtete ich mich aus dem Bett, rannte ins Bad, zog mich an und schüttete meinen morgendlichen - jetzt obligatorischen- Kaffee in mich hinein. Dann war ich auch schon auf dem Weg zu den Stallungen. Sofort liefen zwei meiner Mitarbeiter auf mich zu, berichteten mir von weiteren kleineren und größeren Schwierigkeiten. So kam es also, dass ich schon früh am Morgen durch den Stall hastete, wie das weiße Kaninchen aus Alice im Wunderland. "Keine Zeit, keine Zeit, viel zu tun!", ratterte in Dauerschleife durch meinen Kopf.
      Nachdem die ersten Pannen überwunden waren, kam ich endlich dazu, mich um die Morgenfütterung meiner Lieblinge zu kümmern. Wir begannen bei den Überfliegern: Fantastic Fly, Corde de la Cerise, Hollywood Undead II, Cadeau, Coeur de Lilith, Leveneza, Lamira, Incendio, Cassidy, Mahira, Pride and Prejudice, Unannounced Pleasure, Wild Lady Roxanne, Reminiscent Inspiration, Levistino und Samiyah. Gleich darauf waren meine Blitzstarter, also meine englischen Vollblüter an der Reihe: Backup, Bearing Spots, El Racino, Pawaneeh, PFS' Storm Cat, Little Miss Backyard, Successful Dream, Kazumi Princess El Assuad, Kagami El Assuad, Success Story xx und Ace of Spades. Im Trakt der Showpferde ging es mit Where's Sleep los, dann folgten Roi du Soleil, Rosewell, My lovely Horror Kid, Saddy, Shamal, Khamar al Sanaa, Negresco, Rainbow, Ehawee, Damon's Dynamo, Amayyas, Ojos Azules und Cuchara. Im Trainingsstall erwarteten mich Galantis, Who Loves Candy, HMJ 7786 Elfentanz, Pirate's Pride, Painted Crown Jewel, Picturesque Diova, Successful Glamour, Vingador, PFS' Arctic Alinghi, PFS' Beck's Little Diva, PFS' Glenn's Cookie und Pashmina. Im Fohlenstall standen inzwischen nur noch Lyna di Royal Peerage, Jeune Mariée, PFS' Daydream of Money, PFS' Isis und Grace's Cookie 'n Cream. Ich wischte mir über die Stirn. Fast geschafft. Im Stall der Feenpferdchen strich ich meinem geliebten Isländer GE's Ljósfari über die Stirn, dann ging es weiter zu Porcelain Doll, Rumpelstielzchen, Miniature America's Narnia, Darkwood's Storm Dancing Feather, Naboo, Magical Moment, Hollybrook's Cheeky Jot, Thousand Sunny, Isola della Pirateria, Aimiliani und Fairylike Facility. Auf meinem Hof waren nun nur noch die Ranchpferde zu versorgen: PFS' Devil in Prada, Arriba, Your possible Pasts, Dissident Hawk, Golden Indian Summer, The Morticains Daughter und My Golden Heart. Als nächstes kümmerte ich mich um mein Horse Makeover-Pferdchen HMJ Blessing. Die schöne Fuchsstute machte großartige Fortschritte, aber ich kam momentan einfach nicht dazu, über sie zu berichten. Ich würde mich wohl auch an die Veranstalter des Makeovers richten, um meine Teilnahme zurückzuziehen. Es war einfach zu viel los. Dennoch hoffte ich, Blessing bei mir behalten zu dürfen. Als alle Pferde des Hofes versorgt waren, stieg ich in mein Auto und fuhr die wenigen Kilometer zu den Verkaufsstallungen. Einige der Pferde hier waren schon verkauft, andere reserviert, aber zu viele hatten noch keinen geeigneten Besitzer gefunden.
      Hier standen zur Zeit noch: Hollybrook's Barakah al Sanaa, Candle in die Wind, Girlie, Apaches Tomahawk, Hollybrook's Tiny Girl, Hollybrook's Fairy Bluebird, Hollybrook's Zarin, Cirilla, Middle Ages, Ivory, Wannabe, Pangäa, Chaira, Napayné, Glammy, Eddi's Dead Pop Romance, Dream of Wyoming, BB's Harmony, Wüstentänzer, Juego, Pirate Island, American Baby, Hollywood Undead, Kolibri, Dorina, Branagorn, Hollybrook's Casanova, Hollybrook's Classic Moment, Hollybrook's Bloody Valentine, Black Soul, Angels Fall First, Someone, Mizzi, Pierre, Salwa, Little Miss Sunshine, Sharley, Precious Scream und Adina De Ra'idah.
      Als ich wieder nach Hause kam, war ich schon vollkommen erledigt. Ich war mir nicht sicher, wie lange ich diesen Stress noch aushalten würde und überlegte mir, ob ich nicht einen Großteil meiner Pferde auf einer der großen Auktionen vorstellen sollte - auch wenn mir dieser Gedanke beinahe das Herz brach.
    • Sammy
      [​IMG]
      Frühling
      22. Mai 2021
      Lächelnd saß ich auf meiner Dachterrasse und ließ den Blick über anthratzitfarbenen Dächer der Stallungen und die weitläufigen, satt grünen Weiden schweifen, auf denen sich unzählige Pferde tummelten. Der Frühling war einfach meine liebste Zeit des Jahres, auch wenn er zugleich die anstrengendste Phase des Gestütslebens darstellte. Die Hallenturniersaison war endgültig vorbei, endlich starteten die großen Vielseitigkeitstuniere wieder und Hollybrook kam Zuwachs in Form von niedlichen Fohlen mit flauschig weichem Fell. Zudem mussten Trainingspläne erstellt, fremde Trainingspferde eingeplant und notwendige Reparaturen gemanagt werden. Alles in allem hatte ich wirklich viel zu tun. Auch der Tag heute war wieder ereignisreich gewesen. Doch nun war es halb acht am Abend. Die Pferde genossen ihren wohlverdienten Feierabend auf den Koppeln und würden bald als letzte Arbeitshandlung des Tages, zurück in die Stallungen gebracht werden. Noch war es nachts zu kalt, um sie draußen zu lassen. Aber auch das würde sich wahrscheinlich bald wieder ändern. Ich hatte inzwischen nicht mehr sehr viele Pferde, die noch zur Körung mussten, aber diejenigen, die ich gerade darauf vorbereitete machten große Fortschritte. Grace's Cookie 'n Cream würde ich demnächst zu einer renomierten Westernpferdetrainiern geben, um dem schönen Jungpferd die bestmögliche Ausbildung zu verschaffen. In den Westerndiszplinen war ich einfach nicht mehr so bewandert, dass ich ein so vielversprechendes Pferd wie Cookie selbst übernehmen wollte. Für PFS' Daydream of Money wurde es allmählich Zeit, mit der Arbeit unter dem Sattel zu beginnen. Die kleine vorwitzige Stute sollte einmal die Partnerin meines Zuchthengstes Roi du Soleil werden, der zu meinen erfolgreichen Showpferden gehörte. Dann waren da noch die Jüngsten auf dem Gestüt: Das wunderschöne Rappstütchen Lyna di Royal Peerage, das von meinen Angestellten nur noch Prinzessin gerufen wurde und das inzwischen seinen einjährigen Geburtstag hinter sich hatte. Auch die anderen Jährlinge des Gestüts konnten sich durchaus sehen lassen. Die Pferde, die momentan an erster Stelle standen, was das Training betraf, waren meine Köranwärter. In einige von ihnen setzte ich allergrößte Hoffnungen. So zum Beispiel in die Urenkelin meines Jolympiasiegers Levistino, Jeune Mariée. Die Schimmelscheckstute war charmant, eifrig und sehr lernwillig. Mit ihr zu arbeiten machte einfach Spaß, auch wenn Mariées Ausbildung zum Reitpferd noch ganz am Anfang stand. Mein zweiter auserkorener Liebling im Trainingsstall war die Holsteinerstute Painted Crown Jewel. Ich hatte gefühlte Ewigkeiten auf ein Fohlen des bekannten Hengstes Painted Blur gehofft und konnte noch immer kaum fassen, dass mein Traum in Erfüllung gegangen war. Jewel war nun vier Jahre alt und sollte in dieser Saison ihre ersten Turniere bestreiten. Jewel war das, was man in Schülerkreisen einen Streber nannte. Sie wollte in jeder Arbeitseinheit perfekt sein und wurde regelrecht missmutig, wenn sie nicht auf Anhieb verstand, was ich von ihr erwartete. Das bedeutete, dass ich im Training mit ihr behutsam sein musste, sodass wir in jedem Fall jede Einheit mit einem positiven Erlebnis beendeten. Darauf achtete ich in der Regel sowieso, aber bei Painted Crown Jewel war es ein absolutes Muss. Erst heute Mittag waren wir beide in perfekter Harmonie über den Dressurplatz geschwebt und ich strahlte bei dieser Erinnerung. Kaum eines meiner Jungpferde hatte derart vielversprechende Anlagen, im Vielseitigkeitssport einmal zu den ganz Großen zu gehören. Der wunderschöne Cremellohengst Vingador, den ich vor längerer Zeit aus schlechten Verhältnissen gerettet hatte, lebte für die Dressur. Er machte auch auf dem Springplatz eine sehr gute Figur, nur im Gelände tat er sich noch etwas schwer. Ebenso ging es der Hannoveranerstute Successful Glamour. Die inzwischen vierjährige Tochter meiner erfolgreichen Rennstute Success Story xx und meinen Tierschecken Branagorn liebte das Springen, war im Gelände aber noch derart nervös und unsicher, dass wir uns momentan auf lange Spaziergänge beschränkten und uns die festen Geländehindernisse erst einmal vom Boden aus ansahen. Dann war da noch mein Neuzugang, Galantis. Die achtjährige Stute hatte schon einige Erfolge für sich verbuchen können und war fast so weit, dass ich sie zum Stutbuchwettbewerb schicken konnte. Picturesque Diova dagegen hatte gerade erst mit ihrem Training unter dem Sattel begonnen. Die zierliche Jungstute brauchte ein wenig mehr Zeit, als andere Pferde und ich hatte schon immer die Einstellung vertreten, dass man sich mit dem Training am jeweiligen Tempo des Pferdes orientieren musste. Das machte sich nun auch bezahlt, denn Diova entwickelte sich prächtig und zeigte allmählich auch etwas Selbstbewusstsein. Mein erstes Horsemakeover Pferd HMJ 7786 Elfentanz war ebenfalls nicht wiederzuerkennen. Die ehemals scheue und ängstliche Stute klebte immer noch an ihrer Freundin Holly, ließ sich aber inzwischen von allen Mitarbeitern meines Hofes anfassen und sammelte immer mehr Turniererfahrung. Sogar unsere erste Vielseitigkeit wollten wir in diesem Monat bestreiten. Für mich als Züchterin erstklassiger Vielseitigkeitspferde natürlich ein großer Moment. HMJ Blessing, mein Pferdchen aus dem letzten Makeover stand noch etwas weiter am Anfang ihrer Karriere, machte jedoch ebenfalls große Fortschritte. Mittlerweile trainierte Blessing beinahe täglich mit meinen anderen Rennpferden in der Morgenarbeit auf der Rennbahn. Bis ich Blessing das erste Mal unter dem Sattel auf der Bahn hatte, hatte ich viel Geduld, Zeit und Ausdauer investieren müssen, doch es hatte sich gelohnt. Blessing war nun völlig entspannt, solange ich in ihrem Sattel saß und liebte es einfach, zu laufen. Die junge Fuchsstute war aufgeweckter und lebensfroher, als ich sie je vorher gesehen hatte und tollte nun sogar mit den anderen Pferden auf der Weide herum. Ich fand es sehr schade, dass das letzte Horsemakeover aus Zeitgründen hatte abgebrochen werden müssen, doch die momentane weltweite Krise ging auch am Pferdesport nicht spurlos vorbei. Sollte es irgendwann ein neues Makeover geben, wollte ich aber in jedem Fall wieder dabei sein.
      Ich ließ meine Gedanken zurück zu den restlichen meiner Jungpferde schweifen und mir kam PFS' Isis in den Sinn. Die Jungstute machte ihrem Namen alle Ehre und benahm sich, als wäre sie die ägyptische Göttin, nach der sie benannt war. Die auffällig gefärbte Scheckstute war heißblütig, manchmal arrogant und wurde doch von allen verehrt. Schon jetzt zeigte die Stute beim Training wunderbare, schwebende Gänge und machte gerade die ersten Schritte unter dem Sattel. Meine beiden anderen Vollblüter im Trainingsstall waren die Stute Pirate's Island, die auf der Rennbahn schon einige Preise geholt hatte und der Liebling von allen: Who Loves Candy. Nachdem der hypersensible Vollbluthengst seine Rennpferdekarriere ad acta gelegt hatte, arbeiteten wir nun hart daran, aus ihm ein gutes Vielseitigkeitspferd zu machen. Die Anlagen dafür hatte das schöne Vollblut in jedem Fall. Auf dem Reitplatz waren wir inzwischen auch schon ein ganz gut eingespieltes Team, beim Springen und vor allem im Gelände lag aber noch viel Arbeit vor uns. Candy brachte mich zum lachen und ab und an auch zum weinen, aber ich liebte ihn abgöttisch. Die Arbeit mit ihm würde definitiv niemals langweilig werden. Im Übrigen hatte der junge Hengst einen neuen besten Freund gefunden: Die Stallkatze Grey, die eigentlich allen anderen Pferden aus dem Weg ging. Eins Morgens war ich in den Stall gekommen und das graue Bündel hatte seelenruhig auf Candy's Rücken geschlafen, während der Hengst zufrieden an seinem Heu geknabbert hatte.
      Dann war da noch mein Liebhaberpferdchen Pashmina. Die hübsche Berberstute passte absolut überhaupt nicht zu meinem Zuchtziel und sollte stattdessen irgendwann meine Showpferde unterstützen. Ähnlich war es mit den drei American Miniature Horse Pferdchen PFS' Glenn's Cookie, PFS' Beck's Little Diva und PFS' Arctic Alinghi. Alle drei hatten sich zu stattlichen Jungpferden entwickelt und vor allem Alinghi war ein Traum von einem Miniaturpferd. Sie sollten meine inzwischen doch ziemlich große Miniherde bestehend aus Porcelain Doll, Rumpelstielzchen, Miniature America's Narnia und Darkwood's Storm Dancing Feather bereichern. Zusammen mit meinen restlichen Feenpferdchen, dem Islandpony GE's Ljósfari und den New Forest Ponys Hollybrook's Cheeky Jot, Magical Moment, Thousand Sunny, Naboo, Isola della Pirateria, Aimiliani und Fairylike Facility bildeten die Ponys meine kleine Liebhaberzucht, weil ich mich einfach nicht von ihnen trennen konnte und wollte. Ganz ähnlich verhielt es sich mit meinen vierzehn Showpferden. Da war einmal mein Friesian Sporthorse Where's Sleep. Das Mähnenwunder war mein Star in jeder Dressurkür und ich konnte nicht damit aufhören, mir immer wieder neue Frisuren für die schöne Stute einfallen zu lassen. Daneben gab es wie schon erwähnt den Welsh D Hengst Roi du Soleil, der ebenfalls vor allem in der Dressur glänzte. Meine Lewitzerstute Rosewell war in der Vielseitigkeit unterwegs und hatte inzwischen eine Reitbeteiligung namens Amy. Das ehrgeizige kleine Mädchen lebte im Dorf um die Ecke und hatte sich auf den ersten Blick in Rosie verliebt. Da das auf Gegenseitigkeit beruhte, hatte ich ihr Reitunterricht auf der schönen Stute gegeben und Rosie freute sich über die Beschäftigung. Meine vier Vollblutaraber My lovely Horror Kid, Saddy, Shamal und mein Liebling unter ihnen, Khamar al Sanaa bildeten eine tolle Dressurquadrille, gaben aber auch beim Showspringen ein tolles Bild ab. Dagegen waren meine drei Andalusier Ojos Azules, Cuchara und Negresco reine Dressurpferde geworden. Ich hatte sie zwar früher ab und an auf Fahrturnieren vorgestellt, doch ihre eigentliche Begabung lag eindeutig im weißen Viereck. Die Traber Rainbwo, Ehawee und Damon's Dynamo waren nach wie vor echte Allrounder. Sie traten vor allem durch ihre mannigfaltigen Erfolge bei Gangturnieren aus der Masse hervor, gaben jedoch auch vor der Kutsche ein tolles Gespann ab. Vor allem Dynamo war zum absoluten Schleifensammler avanciert, wobei er immer noch ganz Gentleman war. Ich konnte es kaum erwarten, endlich das erste Fohlen aus ihm zu ziehen. Und schließlich gab es da noch meinen Geparden - den Berberhengst Amayyas. Pashmina hatte ich hauptsächlich behalten, um einmal ein reinrassiges Berberfohlen ziehen zu können, denn so in seinen Bann gezogen wie Amayyas hatte mich bisher noch kaum ein Pferd. Der stolze Red Roan war nun zehn Jahre alt, hatte jedoch immer noch ein Temperament wie ein Jungpferd und noch immer seine deutlichen Vorlieben und Abneigungen bei Mensch und Tier. Donald zum Beispiel durfte dem stolzen Tier noch immer nicht zu nahe kommen, obwohl der passionierte Westernreiter dem Hengst nie etwas getan hatte.
      Im Gegensatz zu meinen Showpferden war die nächste siebenköpfige Truppe nicht nur zu Turnier- sondern auch zu Alltagszwecken entstanden. Da gab es meine beiden Criollostuten PFS' Devil in Prada und Arriba, die aufgrund ihrer Trittsicherheit und Unerschrockenheit die perfekten Ranchpferde abgaben. Sie gingen inzwischen nur noch selten auf Turniere, sondern unterstützen uns wirklich auf dem Gestüt. Sie waren auch die absoluten Lieblinge bei unseren Wanderreitgästen, mit denen wir Touren durch den New Forest National Park unternahmen. Dasselbe galt für die restlichen Westernpferde Your possible Pasts, Dissident Hawk, Golden Indian Summer, The Morticains Daughter und My Golden Heart, wobei diese auch noch aktiv bei Westernturnieren in verschiedenen Disziplinen starteten.
      Ich lächelte bei dem Gedanken an ein Fohlen von Dissident Hawk und Cookie. Bei dieser Anpaarung würde mit Sicherheit eine interessante Farbe herauskommen.
      Nun glitten meine Gedanken weiter zum Hauptstamm meiner eigentlichen Zucht: Denn Englischen Vollbütern, die ich nach und nach zu Vielseitigkeitspferden ausbildete beziehungsweise die meine Vielseitigkeitspferde veredeln sollten und meinen Warmblütern, die die geborenen Vielseitigkeitschampions waren.
      Meine Vollbluthengste El Racino und Pawaneeh waren mit den ganzen Stuten absolut in der Unterzahl, weshalb ich es kaum erwarten konnte, das Candy soweit war, um sie zu unterstützen. Die erfolgreichen Hengste waren immer noch im großen Sport aktiv und würden sich ansonsten wohl auch langweilen. Backup, Successful Dream, Kagami el Assuad und Kazumi Princess El Assuad hatten Fohlen an ihrer Seite und waren deshalb im wohlverdienten Mutterschaftsurlaub. Wobei es für Kagami wohl endgültig das letzte Fohlen sein würde. Die temperamentvolle Palominostute kam einfach nicht damit zurecht und wurde richtiggehend aggressiv, wenn sich jemand ihr und ihrem Fohlen näherte. Das Problem hatten wir schon gehabt, als sie Princess bekommen hatte, doch wir alle hatten gehofft, dass es nun einmal nur beim ersten Fohlen so war. Leider hatten wir uns damit getäuscht. Die schon älteren Stuten Ace Of Spades und Success Story xx traten nun allmählich ihren Ruhestand an. Beide hatten ihrer Zeit große Erfolge eingeheimst und von Story hatte ich ja zwei wunderbare Nachkommen im Stall stehen. Ace half momentan noch beim Training der jungen Rennpferde, indem ich sie als Begleitpferd nutzte und um den Jungspunden zu zeigen, wie man an den Rails lief. Die Youngster, die sich momentan gerade einen Namen auf den Rennbahnen des Landes machten war unstreitig Bearing Spots, PFS' Storm Cat und Little Miss Backyard. Vor allem Letztere war nach einem doch sehr schwierigen Start auf der Rennbahn nun zum absoluten Star herangewachsen und lief mittlerweile sogar den Hengsten davon.
      Auch bei meinen inzwischen sechzehn Überfliegern gab es Jungspunde, die sich gerade ihren Namen machten, wie zum Beispiel die feurige Fuchsstute Coeur de Lilith. Leveneza, Corde de la Cerise, Reminiscent Inspiration, Lamira, Mahira, Samiyah und Unannounced Pleasure hatten ebenfalls süße Fohlen an ihrer Seite und daher Trainingsfrei. Die Holsteinerstute Wild Lady Roxanne würde diesen Sommer in Rente gehen und durfte dann ihren Lebensabend auf den weitläufigen Weiden des Gestüts verbringen. Meine Hengste Levistino, Pride & Prejudice, Incendio, Cadeau und Fantastic Fly machten neben dem gelegentlichen Decken der Stuten weiterhin die Turnierplätze Englands unsicher. Ich hatte versucht, Levistino aus dem Turnierbetrieb zurückzuziehen und ihn nur noch für die Zucht einzusetzen, doch der schöne Hengst war damit nicht glücklich gewesen, also hatte er letztes Jahr sein Comeback gefeiert und gleich den ersten Platz bei einer großen Vielseitigkeit ergattert. Cassidy und Hollywood Undead II sollten dieses Jahr gedeckt werden, um nächstes Jahr süße Fohlen zu bekommen.
      Zuletzt dachte ich an meine unzähligen Verkaufspferde. Einige von ihnen hatten inzwischen ein schönes neues Zuhause gefunden, doch für viele gab es auch noch gar keine Interessenten. Ich musste mir jetzt unbedingt überlegen, wie ich bessere Werbung für sie machen konnte. Da waren Hollybrook's Barakah al Sanaa, Candle in the Wind, Hollybrook's Tiny Girl, Hollybrook's Fairy Bluebird, Hollybrook's Zarin, Cirilla, Ivory, Wannabe, Pangäa, Chaira, Glammy, Eddi's Dead Pop Romance, Dream of Wyoming, BB's Harmony, Wüstentänzer, Juego, die eigentlich schon verkaufte Pirate Island, American Baby, Hollywood Undead, Kolibri, Dorina, Branagorn, Hollybrook's Casanova, Hollybrook's Classic Moment, Hollybrook's Bloody Valentine, Black Soul, Angels Fall First, Someone, Mizzi, Pierre, Salwa, Little Miss Sunshine, Sharley, Precious Scream und Adina De Ra'idah. Ich hoffte noch immer sehr, dass ich für sie alle ein schönes zu Hause finden würde, in dem sie noch lieb gehabt und gefördert wurden.
    • Sammy
      [​IMG]
      Der Winter kommt
      16. November 2021
      "Brr, brr, brr", machte ich im Takt zu HMJ Bessing's Galoppsprüngen. Es war erst halb sechs und ich wärmte die fünfjährige englische Vollblutstute gerade für unser morgendliches Training auf. Mit uns auf der Bahn waren die Falbstute Pirate's Pride und PFS' Storm Cat. Während Blessing noch eher am Anfang ihrer Karriere stand, hatte Pride schon einige Erfolge für mein Gestüt Hollybrook eingefahren und Cat war inzwischen ein absoluter Profi. Das unglaublich schöne graue Pferd mit der hervorragenden Abstammung war ebenfalls fünf Jahre alt und ein absoluter Schatz. Storm Cat wollte gefallen und sie wollte rennen. Ana, die auf dem Rücken der jungen Stute saß, ging rhythmisch im Oberkörper mit, als die beiden auf der Innenseite an uns vorbeifegten. Blessing stellte die Ohren auf und beschleunigte ihr Tempo. Ich lehnte mich ein wenig zurück und spielte an den Zügeln. "Nein, Süße, heute nur leichte Arbeit", mahnte ich. Dabei huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Blessing war kaum wiederzuerkennen. Aus der verschüchterten, deprimierten Stute, war ein aufgewecktes, lebensfrohes Pferd geworden, das von allen Mitarbeitern des Gestüts gemocht wurde. Auf Pride's Rücken kauerte Donald. Er lenkte die Stute auf die innerste Bahn, sodass sie direkt an den Rails rannte und gab die Zügel nach. Pride reagierte mit einer regelrechten Explosion nach vorne und verschlang mit ihren langen Beinen die Bahn. Damit zeigte die hübsche Falbstute dasselbe Talent wie ihre Mutter Pirate Island, die zwar noch bei mir im Stall stand, aber eigentlich schon seit längerer Zeit verkauft war. Ich parierte Blessing in den Trab durch, ritt eine Volte und trabte dann im Uhrzeigersinn um die Bahn, um das Training ausklingen zu lassen. Blessing senkte den Kopf und kaute auf dem Gebiss, woraufhin ich sie postwendend lobte. Ich konnte kaum glauben, welch große Fortschritte die Stute gemacht hatte. Nachdem ich Blessing im Schritt trocken geritten hatte, ritt ich zur Öffnung in den Rails, wo mich bereits Edward mit Little Miss Backyard erwartete. Ich sprang von Blessing's Rücken und strich der Stute über die weiße Nase. In diesem Moment tauchte Samuel mit Successful Dream im Schlepptau auf. Ich nickte ihm zu und nahm Dreamy's Zügel, während er mir Blessing abnahm. Samuel und Edward waren etwas zu groß für Jockeys und übernahmen daher die Hilfsarbeiten beim Training der Rennpferde, während Brian, Ana, Donald und ich die Hauptarbeit auf der Bahn übernahmen. Edward zog die Augenbrauen hoch. "Du reitest nicht Missy?", fragte er erstaunt. Ich verzog den Mund und schüttelte den Kopf. "Nein. Es ist Dreamy's erstes echtes Training auf der Bahn, nachdem sie Storm Chaser bekommen hat und das letzte Training mit ihr und Ana lief nicht so prickelnd. Außerdem glaube ich, dass Ana allmählich ganz gut mit Missy zurechtkommt." Edward dachte kurz über meine Worte nach und nickte dann zustimmend. Dann fiel er fast auf die Knie, weil die ungeduldige Scheckstute ihm in den Rücken stupste. "Du kleiner Teufel!", schimpfte er scherzhaft und führte Missy einmal im Kreis herum. In diesem Moment kam Ana auch schon mit Storm Cat von der Bahn. Sie grinste, als sie Missy übernahm, aber ich sah, dass ihre Finger zitterten. Die hochtalentierte Scheckstute war eine Zeit lang absolut unberechenbar und beinahe eine Gefahr auf der Bahn gewesen. Doch inzwischen hatte sie ihre Flausen weitgehend abgelegt - solange sie ihren Willen bekam und rennen durfte. Und das durfte sie heute. Ich wollte Dream mal wieder richtig laufen lassen. Auch ihre Mama war ein Star auf der Rennbahn gewesen, doch inzwischen war Success Story xx schon lange aus dem Sport verabschiedet worden. Edward schmiss erst Ana in Missy's Sattel und half dann mir auf den Rücken der hypernervösen Dream. Die schöne braune Stute rollte mit den Augen, tänzelte auf der Stelle und schlug mit dem Kopf. Kaum das mein Hinterteil den Sattel berührte, setzte sie zum Steigen an und machte einen Satz nach vorne. Ich verdrehte die Augen. "Dream. Du bist inzwischen Mutter eines unglaublich tollen einjährigen Sohnes. Könntest du dich bitte benehmen?", fragte ich. Edward lachte in sich hinein. "Immerhin wird es dir so nicht kalt!", sagte er dann gespielt beleidigt und vergrub sich weiter in seinen dicken Schal. In der Tat war es kalt geworden im alten England. Frost hatte es bisher glücklicherweise noch nicht, denn dann wäre auch unser morgendlichen Training im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis gelegt. Aber lange würde es bestimmt nicht mehr dauern. Successful Dream rannte nun rückwärts und ich übte energischen Schenkeldruck aus, um das Vollblut davon abzuhalten, in Missy hineinzurennen. "Danke, dass du sie übernimmst", sagte Ana kleinlaut. Die junge Frau war eine hervorragende Reiterin, hatte aber einfach zu wenig Selbstvertrauen. "Donald, mach hin, die zwei wollen los!", rief ich meinem Arbeitsreiter zu, der gemütlich mit Pirate's Pride Richtung Ausgang bummelte. Dritte in der Runde sollte mein Pünktchenpferd Bearing Spots sein. Früher hatte diesen Platz immer Kazumi Princess El Assuad belegt, doch die Falbscheckstute und Tochter meiner weiteren Rennlegende Kagami El Assuad machte sich nicht mehr viel aus der Rennbahn. Princess war voll und ganz auf der Geländestrecke zu Hause und nach der Geburt ihres Fohlens Karma mittlerweile auch wieder voll im Training. Als Donald endlich auf Spotty's Rücken saß, ritten wir gemeinsam zur Bahn, um die Pferde aufzuwärmen. Dream zerrte bei jedem Schritt an den Zügeln und ich hatte alle Hände voll zu tun, um die Stute davon abzuhalten, mit mir durchzugehen. Dreamy war mit ihren vier Jahren schon weit herumgekommen, unterm Sattel aber noch genauso schwierig wie am ersten Tag. Merkte sie auch nur einen Hauch von Unsicherheit, hatte man verloren. Das war der Grund, warum hauptsächlich Brian und ich mit der schwierigen Stute arbeiteten. Ich ging in den leichten Sitz und Dreamy sprang sofort vorwärts. Ich gab Donald und Ana ein Zeichen, damit sie gewappnet waren und ließ Dream los. Die Stute verlängerte ihre Galoppsprünge mit jedem Satz und wir flogen um die Bahn. Als wir an Missy vorbeiwischten, hörte ich einen erschrockenen Ausruf und kurz darauf war Missy gleichauf mit uns. "Ana, was machst du da? Wir wollten heute kein Rennen veranstalten!", rief ich ärgerlich. Doch Missy hatte sich in den Kopf gesetzt, Dream zu schlagen und ignorierte Ana auf ihrem Rücken vollkommen. Ich nahm die Zügel auf, setzte mich nach hinten und nahm Successful Dream unter größter Mühe zurück. Erbost schüttelte die braune Stute ihren schönen Kopf, dann begann sie quer über die Bahn zu bocken. Ich biss die Zähne zusammen, nahm das Kinn hoch und setzte mich weit hinten in den kleinen Arbeitssattel. Wäre ich nicht auf diese Reaktion gefasst gewesen, läge ich jetzt schon längst auf dem kalten Boden. Endlich schaffte ich es, Dreamy's Kopf nach oben zu ziehen und sie gerade zu richten. Am anderen Ende der Bahn sah ich Ana, die Missy inzwischen in den Schritt durchpariert hatte. Donald kam mit Bearing Spots angetrabt. Im Gegensatz zu Dream wirkte die junge Stute frisch und gut gelaunt. "Alles okay? Das sah ganz schön übel aus", bemerkte Donald. Ich nickte nur knapp und strich Dream über den Hals. Ich merkte regelrecht, wie unzufrieden die Vollblutstute war. So wollte ich das Training nicht beenden. Geh du von der Bahn und nimm Ana mit. Ich will Dream nochmal laufen lassen. Sonst ist sie das nächste Mal unausstehlich. Donald nickte und trabte mit Spotty davon. Als wir freie Bahn hatten, ritt ich mit Dream an die Innenrails und wendete sie entgegen dem Uhrzeigersinn. Sofort schnellten die feinen Ohren der Stute vor - sie wusste, was nun kam. Ich nahm die Zügel auf, ging in den leichten Sitz und schnalzte dann mit der Zunge. Dream ging los wie ein Gewitter. Ihre kurze schwarze Mähne peitschte mir ins Gesicht und sie wurde immer flacher. Ich genoss das Gefühl des schnellen Pferdes unter mir und ließ Dream eine Viertelmeile weit rennen, bevor ich sie sachte aufpullte und eine weitere Viertelmeile ausgaloppieren ließ. Dream pumpte heftig, ließ sich aber problemlos in den Schritt durchparieren und kaute zufrieden auf dem Gebiss. Ich strich ihr lobend über den Hals und ritt im Schritt zu Edward, der mit einer Abschwitzdecke auf uns wartete und sie Dream über den Rücken warf. Dann ritt ich die Stute in aller Ruhe trocken, bevor ich sie zurück in den Stall brachte. Das Training der Rennpferde war beendet und nun stand die Morgenfütterung an. Meine restlichen Rennpferde Backup, El Racino, Pawaneeh und Ace of Spades waren bereits zu einem leichten Training draußen gewesen und warteten nun ungeduldig auf ihr Frühstück.

      Während meine Angestellten die Fütterung übernahmen und es in den Stallungen allmählich ruhiger wurde, huschte ich zum Fohlen - bzw. momentan eher Jungpferdetrakt. Dort standen PFS' Daydream of Money, die gerade die ersten Schritte unter dem Sattel machte, Grace's Cookie 'n Cream und mein absoluter Liebling Lyna di Royal Peerage. Das niedliche, noch lackschwarze Fohlen war inzwischen eineinhalb Jahre alt. Ich hatte mit ihr das Fohlen-ABC absolviert, doch ansonsten würde ich mit Lyna nicht weiter arbeiten, bis sie mindestens zwei war. Das Prinzesschen streckte den hübschen Kopf über die Boxentür und schnoberte mich aufmerksam ab. Ich strich ihr über die Blesse und kraulte sie hinter den Ohren. Als ich mich abwenden wollte, stupste Lyna mich auffordernd an und ich grinste. Lamira's Tochter wusste ganz genau was sie wollte und vor allem auch, wie sie es bekam. Nur wenige Monate jünger als Lyna waren die restlichen Fohlen des letzten Jahres: Khaleesi, Lalique, Legacy, Storm Chaser, Karma und Martinique. Sie alle durften weitgehend ihre Fohlenzeit genießen, bevor es mit dem Ernst des Lebens losging. Die letzte Box des Trakts beherbergte meinen neuesten Schützling: Den Neapolitaner-Hannoveraner-Mix-Hengst Tristan di Royal Peerage. Jamie, der Royal Peerage gehörte, hatte ihn aus schlechten Verhältnissen gerettet und mir verkauft. Ich war mehr als stolz darauf, inzwischen schon zwei Pferde aus dem renommierten Gestüt in Italien mein Eigen nennen zu dürfen, doch Tristan brauchte noch eine Weile ganz besondere Pflege. Der Hengst war mit seinen dreieinhalb Jahren eigentlich schon fast bereit, um langsam angeritten zu werden, doch durch die Vernachlässigung musste ich erst einmal viel Zeit darauf verwenden, Tristan's Muskulatur aufzubauen. Vorher war überhaupt nicht an ernsthaftes Training zu denken. Ich streckte meine Hand über die Boxentür und der hübsche Smoky Black Hengst kam zur Tür und stupste mich mit seiner samtenen Nase an. Ich kraulte ihm liebevoll und versicherte ihm wieder einmal, dass es ihm von jetzt an an nichts mehr fehlen würde. Ich fütterte meine Pferdekinder selbst und stellte erfreut fest, dass keines von ihnen drängelte, während ich das Kraftfutter und die Mineralzusätze in die Futtertröge schüttete.

      In den Stallungen war inzwischen eine herrliche Ruhe eingekehrt, die nur von dem leisen Mahlen der Pferde durchbrochen wurde. Ich verschwand für eine Weile in meinem Büro und kontrollierte die Anzeigen meiner Verkaufspferde. Erst kürzlich hatte ich sechs von ihnen verkauft, doch es standen immer noch 30 Pferde zum Verkauf. Meine Araberstuten Hollybrook's Barakah al Sanaa, Adina De Ra'idah und der Hengst Wüstentänzer waren die letzten verbliebenen Vertreter ihrer Rasse. Dann gab es da noch Candle in the Wind und Ivory, Hollybrook's Tiny Girl, Hollybrook's Fairy Bluebird, Hollybrook's Zarin, Cirilla, Wannabe, Pangäa, Chaira, Glammy, Eddi's Dead Pop Romance, Dream of Wyoming, BB's Harmony, Juego, American Baby, Hollywood Undead, Kolibri, Dorina, Branagorn, Hollybrook's Casanova, Hollybrook's Classic Moment, Hollybrook's Bloody Valentine, Black Soul, Angels Fall First, Someone, Mizzi und Precious Sceram. Die aktuelle weltweite Pandemie hatte auch dem Pferdehandel nicht gut getan und ich überlegte fieberhaft, was ich mit den ganzen Tieren anstellen sollte. Für die Gnadenweide waren sie definitiv zu schade, da alle von ihnen in Top Zustand und noch im besten Alter waren, aber ich legte nun mal auch viel Wert darauf, dass meine Tiere in ein gutes Zuhause kamen und nicht von Hand zu Hand gereicht wurden. Auch das Kaufangebot einer örtlichen Reitschule hatte ich schon abgelehnt. Ich wusste, wie die Schulpferde dort lebten und das wollte ich für keines meiner Tiere. Etwas enttäuscht schloss ich die Anzeigenseite wieder, trank eine Tasse Tee und bereitete mich mental auf das weitere Training meiner Pferde vor.

      Eine halbe Stunde später schnitt mir der kalte Wind ins Gesicht, während ich mit Painted Crown Jewel über den Springplatz galoppierte. Mein vierjähriges Streberstütchen hatte die Ohren aufmerksam gespitzt und bewegte sich in einer schönen bergauf Galoppade um die kunterbunten Hindernisse. Ich zupfte leicht am rechten Zügel und dirigierte Jewel auf das erste Hindernis - einen Steilsprung zu. Da die junge Holsteinerstute noch ganz am Anfang ihrer Ausbildung stand, waren die Hindernisse nur auf E-Niveau. Jewel setzte jedoch trotzdem in perfekter Springpferdemanier darüber hinweg. Ich war mir sicher, dass die wunderschöne Stute bereits viel höher springen konnte und auch würde, wollte jedoch ihre Gelenke schonen und langsam beginnen. Unser Springtraining wechselte sich mit regelmäßiger Dressurarbeit und ausgedehnten Spaziergängen ab. Ich wusste, dass Jewel das Zeug zum ganz großen Vielseitigkeitspferd hatte und brauchte nichts zu überstürzen. Im Winter wollte ich sie bei dem ein oder anderen Hallenturnier melden, damit sie Erfahrung sammeln konnte und vielleicht konnten wir nächsten Herbst bei unserer ersten Vielseitigkeit starten. Ein breites Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, während Jewel jeden Sprung mit spielender Leichtigkeit überwand und dabei auf jede noch so kleinste Hilfe meinerseits reagierte. Jewel wollte immer gefallen und je besser das Training lief, desto glücklicher war das junge Pferd. Wir beendeten die Trainingseinheit mit einer perfekten zweifachen Kombination und ich lobte Jewel überschwänglich. Die Arbeit mit der Stute machte einfach immer wieder Spaß. Ich nahm mir viel Zeit, Jewel trocken zu reiten, bevor ich sie zurück in den Stall brachte, sie kurz über bürstete und sie dann ausgerüstet mit ihrer Weidedecke nach draußen ließ. Jetzt, Mitte November, waren die Pferde nicht mehr sehr lange draußen, da es schon so früh kalt und dunkel wurde. Ich kehrte in den Stall zurück und übernahm Who Loves Candy von Donald, der ihn mir netterweise schon fertig gemacht hatte. "Ich geh dann mit der Ausflugsgruppe raus, ja?", versicherte Donald sich. Ich nickte. "Ja. Setz du dich auf Dissident Hawk, wie immer. Samuel soll Golden Indian Summer nehmen. Irina setzt du am Besten auf Arriba und ihre Tochter kann GE's Ljósfari reiten. Sie liebt den kleinen Schatz. Mrs. Dallow reitet PFS' Devil in Prada. Sie kann so viel Angst haben, wie sie will, Prada stört das nicht. My Golden Heart und Your possible Pasts haben sich heute einen freien Tag auf der Koppel verdient, also kannst du Mr. Dallow auf The Morticains Daughter setzen.", ratterte ich hinunter. Candyd stupste mich auffordernd an und ich kraulte den Vollbluthengst an den Nüstern. Der hübsche Hengst machte sich nichts aus der Rennbahn, daher bildete ich ihn zum Vielseitigkeitspferd aus. Momentan arbeitete ich vor allem daran, Candy's Aufmerksamkeit bei mir zu halten. Daher würden wir gemeinsam mit zwei anderen Pferden in der Reithalle trainieren. Donald nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte und meinte: "Ana ist mit Galantis und Edward mit HMJ 7786 Elfentanz schon in der Halle. Ah und ich soll von Brian fragen, ob er eventuell mit Vingador auch noch dazu kommen darf. Vin ist bei der Kälte nicht so gerne draußen auf dem Platz." "Klar, sag ihm, er kann gerne dazu kommen. Ob jetzt zwei oder drei Pferde um Candy herumlaufen, dürfte keinen allzu großen Unterschied machen", sagte ich, während ich meine Reitkappe fester zurrte, die Schutzweste kontrollierte und Candy dann aus dem Stall führte. Wir alle liebten den Hengst, aber die Arbeit mit ihm war durchaus eine Herausforderung. Er ließ sich einfach von allem ablenken und würde dann sogar gegen die Bande rennen, wenn man nicht auf ihn aufpasste. Ich führte den großen Hengst aus dem Stall und sah hinauf in den stahlgrauen Himmel. Hoffentlich blieb Donald nicht zu lange mit der Ausflugstruppe weg, irgendwie roch es nach Schnee. Und mein sechster Sinn täuschte mich in dieser Hinsicht nur sehr selten. Candy tänzelte neben mir her und stieß ein trompetenartiges Wiehern aus, als Brian auf Vingador unseren Weg entlangkam. Der hübsche Cremellohengst war ein spanisches Sportpferd und vor allem auf dem Dressurplatz ein wahres Ass. Allerdings hasste er Kälte und Nässe, weshalb er am liebsten in der Halle gearbeitet wurde. Gemeinsam legten wir den restlichen Weg zur Halle zurück. Dort ließ ich Brian den Vortritt und schloss dann die Bandentür hinter uns. Schon auf Candy's Rücken zu kommen, war eine Herausforderung, da der Hengst viel lieber den beiden Stuten hinterhergelaufen wäre, als auf mich zu warten. So musste ich ihn immer wieder an den Ausgangsplatz zurückstellen, bis ich schließlich in Ruhe auf seinen Rücken steigen konnte. Ich ordnete mich und ließ Candy im Schritt antreten. Der Hengst schwang den Kopf hin und her und wieherte den anderen dreien immer wieder zu. Ich trabte ihn mit einem Zungenschnalzen an und versuchte Candy mit halben Paraden auf mich aufmerksam zu machen. Zusätzlich ritt ich Zirkel, Volten, einfache Schlangenlinien, Tempowechsel und Handwechsel. Endlich gab der braune Hengst im Genick nach, kaute auf dem Gebiss und wurde im Rücken weich. Ich lobte ihn mit meiner Stimme, denn sobald ich mit den halben Paraden aufhörte, war seine Aufmerksamkeit weg - das wusste ich aus Erfahrung. Ich schaute kurz nach, wo die anderen mit ihren Pferden waren. Brian legte mit Vingador gerade eine bühnenreife Galopppirouette hin, Brian übte mit Elfentanz die Traversale und Ana gönnte Galantis eine Schrittpause. Ich signalisierte den anderen, den Hufschlag freizulassen, saß aus und galoppierte in die zweite Ecke der langen Seite hin an. Candy's raumgreifender Galopp trug uns schnell um die Bahn. Ich wendete auf den Zirkel ab und wechselte mit einem einfachen Wechsel die Hand. Hatte man Candy erst einmal bei sich, war der Hengst ein wunderbarer Trainingspartner und unsere restliche Stunde verging wie im Flug. Als nächstes stand für uns vier eine Bodenarbeitseinheit PFS' Isis, PFS' Arctic Alinghi, PFS' Beck's Little Diva und PFS' Glenn's Cookie an. Während die American Minature Horses wirklich nur ein Hobby von mir waren, erhoffte ich mir von Isis neben einer steilen Karriere als Showpferd, auch das ein oder andere süße Fohlen von meinen Hengst Shamal und Khamar al Sanaa. Ihre beiden Gefährtinnen Saddy und My lovely Horror Kid waren bereits sehr erfolgreich unterwegs. Dasselbe galt auch für den Rest meiner Showpferde. Der Welsh D Hengst Roi du Soleil trat regelmäßig bei einer bekannten Pferdeshow auf. Dieselbe Show hatte für dieses Jahr auch nach meiner wunderschönen Schabrackentigerstute Where's Sleep und meinen drei Andalusiern Cuchara, Ojos Azules und Negresco gefragt. Da dort sehr gute Reiter auftraten, war ich ernsthaft versucht, das Angebot anzunehmen. Sie hätten auch gerne meinen Berberhengst Amayyas gehabt, doch der temperamentvolle Red Roan war sehr speziell und ließ sich nur von Brian und mir anfassen. Ihn wegzuschicken würde weder ihm noch der Show gut tun. Die restlichen Showpferde bestanden aus meinen drei Trabern Damon's Dynamo, Ehawee, Rainbow und der Lewitzerstute Rosewell. Die Minipferdchen dagegen stammten alle aus hervorragenden Zuchten, doch irgendwie kam ich neben meinen Großen nicht dazu, mich mit Zuchtplänen für sie zu beschäftigen. Dabei wären meine drei Jungspunde und die bereits gekörten Porcelain Doll, Rumpelstielzchen, Miniature America's Narnia und Darkwood's Storm Dancing Feather mehr als geeignet, um tolle Fohlen zur Welt zu bringen. Eventuell würde ich zumindest die Hengste für Decksprünge zur Verfügung stellen. Göttin Isis forderte energisch meine ungeteilte Aufmerksamkeit und ich widmete mich lächelnd der Arbeit mit dem temperamentvollen jungen Pferd. Schon nächste Woche wollte ich damit beginnen, Isis anzureiten. An Sattel und Zaumzeug war sie mittlerweile schon gewöhnt und ich war sehr gespannt, wie Isis sich unter dem Sattel machen würde. Nachdem die Bodenarbeit beendet und die vier Pferdchen auf den Koppeln verteilt waren, waren nur noch vier Pferde aus dem Trainingsstall übrig, die ich flott auf uns vier verteilte. Ana schlich bedrückt um mich herum, da sie wusste, dass sie vorhin auf der Bahn einen Fehler gemacht hatte. Sie verzog das Gesicht, als ich ihr die Berberstute Pashmina zuteilte, da sie lieber auf einem der Sportpferde geritten wäre, doch das tat ich nicht aus Böswilligkeit, sondern weil Brian, Edward und ich regelmäßig mit den anderen dreien arbeiteten und bereits ein eingespieltes Team bildeten. Ich selbst würde Jeune Mariée übernehmen, meine geliebte Urenkelin meines Spitzenvererbers Levistino. Die junge Trakehnerstute war ein absoluter Schatz und ich liebte die Arbeit mit ihr genauso sehr, wie ich die Arbeit mit Candy und Jewel liebte. Ich konnte mein Glück darüber, Mariée bekommen zu haben, noch immer kaum fassen. Brian ritt Picturesque Diova eine hübsche, aufgeweckte Deutsche Reitpferdstute. Diova hatte vielleicht nicht ganz so viel Esprit wie Jewel oder Mariée, doch sie hatte schöne Grundgangarten, einen angenehmen Charakter und das gewisse Maß an Lernbereitschaft. Dann war da noch Successful Glamour, die von meinen beiden Zuchtpferden Branagorn und Success Story xx abstammte. Aufgrund des ruhigen Gemüts von Branagorn war Glamor wesentlich leichter zu händeln als ihre Halbschwester Dreamy, doch die junge Stute hatte immer noch mehr als genug Pfeffer im Hintern. Edward kam jedoch wunderbar mit ihr zurecht. Da die drei Warmblüter alle noch recht jung waren, übertrieben wir es mit dem Training nicht. Heute stand nur ein kurzer Ritt um das Gestüt auf dem Plan. Mariée schritt eifrig aus und sah sich selbstbewusst um. Ab und an sprang sie zur Seite, aber nur, weil Glamour vor irgendetwas erschrak. Zitternd versenkte ich die Nase in meinem Schal. Wir bewegten die Stuten heute nur im Schritt und ich fror fürchterlich. Den anderen ging es nicht besser, sodass wir alle nicht böse waren, als wir wieder im warmen Stall ankamen. Ich versorgte Mariée und ging dann los, um meinen Feenpferdchen einen Besuch abzustatten. Hollybrook's Cheeky Jot versenkte energisch seine Nase in meinem Arm und ich strich meinem Lieblingsponyhengst liebevoll über die Stirn. Meine New Forest Ponys Magical Moment, Thousand Sunny, Naboo, Aimiliani und Fariylike Facility wurden inzwischen von ein paar talentierten und umsichtigen Kindern aus dem Dorf bewegt. Ich hatte sogar jemanden für Isola delle Pirateria gefunden und Cheeky Jot hatte seit neuestem auch eine Reitbeteiligung, mit der es bisher ganz gut klappte. Dennoch vermisste ich mein Punktepony sehr. Das war der Nachteil daran ein großes Gestüt und viele Pferde zu haben.
      Der Tag war nun beinahe vorbei. Donald und Samuel kamen mit ihrer Ausflugstruppe zurück und ich half den Reitern dabei, ihre Pferde abzusatteln und zu versorgen. Selbst Mrs. Dallow war ganz begeistert, was eindeutig allein Prada's Verdienst war. Die Frau war einfach schrecklich und ritt nur, weil ihr Mann darauf bestand. Aber mit der absolut sichereren Criollostute hatte ich scheinbar endlich das richtige Pferd für sie gefunden. Lobend strich ich der Porzellanscheckstute über die Stirn und versprach ihr einen extra Apfel. Anschließend machte ich mich mit den anderen daran, die Pferde wieder in den Stall zu holen. Es wurde gefühlt jede Minute kälter und ich konnte es kaum noch erwarten, endlich ins Warme zu kommen. Als erstes ging ich zu den Hengstkoppeln und holte meinen Schimmelhengst Levistino und meinen Fuchshengst Fantastic Fly herein. Brian folgte mir mit Cadeau und Incendio, während Donald Pride & Prejudice führte. Als alle Hengste in den Stallungen waren und sich über ihr Abendessen hermachten, waren die restlichen Stuten an der Reihe. Ana hatte Wild Lady Roxanne, Samiyah und Unannounced Pleasure schon reingebracht, Brian nahm Cassidy und Mahira. Letztere hatte im letzten Jahr ein wunderschönes Silver Black Stütchen zur Welt gebracht. Ich schnappte mir Leveneza und Reminiscent Inspiration, während Edward sich um Lyna's Mama Lamira und meinen Liebling Coeur de Lilith kümmerte. Als letztes kamen Hollywood Undead II und Corde de la Cerise. Auch Ceri hatte im letzten Jahr einen stattlichen Hengst zur Welt gebracht, dessen Vater kein geringerer als mein Levistino war.
      Ich versicherte mich, dass alle Pferde ihre Decken aufhatten und sich über ihr Futter hermachten. Dann ging ich mit Edward ins Haus, um zu kochen. Der junge Mann war mein bester Freund und wir verbrachten viel Zeit zusammen. Zumal Edward gerade an Liebeskummer litt, weil sein Freund ihn verlassen hatte. Meg, die immer noch bei uns lebte, war momentan gerade zu Besuch bei einer Freundin und auch wenn ich mich deshalb ein wenig schlecht fühlte, war es schön, die mürrische junge Frau mal ein paar Tage nicht ständig um sich herum zu haben.

      Nach dem Essen machte ich Edward und mir zwei große Tassen heiße Schokolade mit Sahne und wir setzten uns - in dicke Decken gewickelt - auf meine Dachterrasse. Ich schaute in den Himmel und meine Augen begannen zu strahlen. Vom Himmel fielen still und leise winzige weiche Schneeflocken und ließen sich auf unseren Haaren und Nasenspitzen nieder. Es wurde wirklich Winter und damit neigte sich das Jahr schon wieder dem Ende zu. Was das nächste Jahr wohl für uns bereithielt?
    • Sammy
      [​IMG]
      Tanz im Schnee | Dressur E-A
      30. November 2021
      "Let it snow, let it snow, let it snow...", trällerte ich vor mich hin, während ich mein Handgelenk in einen frischen Verband packte. Der gestrige Sturz von Candy steckte mir zwar noch ziemlich in den Knochen, aber dennoch wollte ich beim Training heute dabei sein - wenn auch nicht zu Pferd. Acht meiner Pferde sollten heute ihren Dressuraufstieg schaffen. Bei PFS' Isis, Pirate's Pride, Picturesque Diova und HMJ Blessing ging es um den Stufenaufstieg in Klasse A, während meine HMJ 7786 Elfentanz bereits Klasse M erreichen würde. Am Nachmittag waren dann noch die drei American Miniature Horses PFS' Arctic Alinghi, PFS' Beck's Little Diva und PFS' Glenn's Cookie dran, die natürlich vom Boden aus trainiert wurden. Ich war etwas traurig, dass ich in diesem großen Moment nicht auf Elfentanz' Rücken sitzen würde, aber Hauptsache war, dass meine Pferdchen voran kamen. Pride war die Sommersaison über Rennen gelaufen und dabei auch sehr erfolgreich gewesen, doch über den Winter wollte ich sie nun schon einmal an die Dressurarbeit heranführen und hatte sie schon während der Rennsaison auf solides E-Niveau trainiert. Ich seufzte, lächelte jedoch, als ich in den Himmel hinaufblickte, von dem dicke Schneeflocken fielen. Noch war die Schneeschicht über meinem Gestüt sehr dünn, aber allmählich verwandelte sich mein Hof in das Winterwunderland, das ich mir für die Vorweihnachtszeit wünschte.
      "Morgen Sammy!", begrüßt Ana mich fröhlich, als ich die Stallungen betrat. Ich war von meinen Freunden und Angestellten zwangsruhiggestellt worden und durfte erst ab acht in den Stall kommen, wenn meine Vierbeiner bereit für die Arbeit waren. Irgendwie rührend, wie sich alle um mich kümmerten. "Sagst du uns jetzt bitte, bitte, wer wen trainiert?", bettelte Ana. Es war eine absolute Seltenheit, dass ich ein Abschlusstraining nicht selbst übernahm und ich freute mich über den Ehrgeiz meiner Leute. Ich nickte. "Du nimmst Isis...", Ana's freudiges Quietschen unterbrach mich kurz, "Brian übernimmt Elfentanz, Edward reitet Blessing Samuel darf Diova weiterbilden und Donald reitet Pride." "Donald?!", fragte Samuel feixend und der junge Mann mit den roten Haaren sah wenig begeistert aus. "Muss ich?", fragte er. "Jap. Du kommst gut mit Pride klar, weil du mit ihr schon auf der Bahn warst. Und würdest du keine solide A-Dressur hinbekommen, hätte ich dich damals nicht eingestellt", stellte ich klar. Donald grummelte in sich hinein, ging aber zur Box der Vollblutstute, um sie fertig zu machen. Donald war ein hervorragender Dressurreiter, aber er fand, Dressurreiten sei uncool. Daher hatte er sich mit Leib und Seele dem Westernreiten verschrieben. Nun war es aber so, dass ich nur sieben Pferde besaß, die Western geritten wurden und dies alles meine Freizeitpferde für die Ranchbesucher waren. Klar, es waren einige Schleifensammler unter ihnen und ich liebte sie alle, aber sie gehörten nun einmal nicht zum Zuchtschwerpunkt. "Wir werden das ganze wie ein kleines Turnier aufziehen. Edward hat dafür extra ein Dressurviereck in der Halle aufgebaut. Das bedeutet, ihr wärmt eure Pferde auf und reitet dann nacheinander eure Dressuraufgabe durch. Das bringt etwas Abwechslung und die Pferde, die noch nie auf einem Turnier waren - was in dieser Gruppe ja einige sind - können sich schon ein wenig an den Ablauf gewöhnen", instruierte ich die Truppe, bevor sich alle davonmachten, um ihre Pferde herzurichten. Ana säuselte ganz verliebt auf Isis ein und ich konnte es ihr nicht verübeln. Die schöne Pintabian-Stute war unglaublich stolz und heißblütig. Bisher war hauptsächlich ich in ihrem Sattel gesessen, da Isis erst viereinhalb Jahre alt war. Ich war gespannt, wie Ana mit ihrem Temperament zurecht kommen würde, doch sie war die Einzige, die sie Größentechnisch reiten konnte. Brian war bereits dabei Elfentanz zu putzen. Ich konnte noch immer kaum glauben, was aus meinem ersten HMJ-Pferdchen geworden war. Die braune Stute war eine echte Schönheit und liebte es inzwischen mehr als alles andere, durchs Dressurviereck zu tanzen - am liebsten vor Publikum. Den Gefallen tat ich ihr natürlich gerne. Diova war dagegen eher schüchtern und zurückhaltend und sie kam hervorragend mit Samuel klar, daher war es keine Frage gewesen, wer das Training übernahm. Und dann war da noch Blessing, mein zweites HMJ-Pferdchen. Die große Stute hatte mittlerweile ihre Lebensfreude wiedergefunden und liebte die Rennbahn. Doch wie Pride sollte auch sie sich über den Winter in der Dressur weiterentwickeln. Edward war mir bei ihrem Training von Beginn an zur Hand gegangen und auch schon auf ihrem Rücken gesessen. Immerhin hatte ich ihn nur durch den Rückflug mit Blessing kennengelernt. Die Stute vertraute ihm fast so sehr wie mir, während sie anderen gegenüber immer noch eher zurückhaltend war. So war ich alles in allem sehr zufrieden mit meiner Auswahl.
      Wir verließen alle zusammen die Stallungen und gingen mit den Pferden in die Reithalle. Wieder ein wenig wehmütig, nahm ich auf der Tribüne Platz, während die anderen nachgurteten, die Steigbügel herunter ließen und sich dann in die Sättel ihrer Pferde schwangen. Isis lief sofort los und ich beobachtete zufrieden, wie Ana sie entschieden zurück an ihren Platz stellte und dieses Prozedere so oft wiederholte, bis Isis auf ihr Kommando zum Antreten wartete. Die anderen vier Stuten hatten diese Lektion schon längst verinnerlicht. Isis eigentlich auch, aber sie testete am Anfang gerne und ich hatte so ein Gefühl, dass Ana heute alle Hände voll zu tun haben würde, um Isis ordentlich zu präsentieren. Alle fünf ritten ihre Stuten ordentlich warm und warfen nach und nach die Fleecedecken über die Bande. Ich stand auf und sammelte die Decken ein, damit nicht eine davon während eines Rittes in der Bahn landete. "Wer will anfangen?", fragte ich. Sofort hob Ana die Hand. Die junge Frau hatte schon ein ganz rotes Gesicht und Isis pullte sich richtiggehend am Gebiss auf. "Ich bitte. Aber ich würde sie vorher gerne noch eine Runde galoppieren, ohne die anderen im Viereck...Ist das okay?", fragte sie zaghaft. Ich lächelte: "Aber natürlich! Ich finde das super. Du hast erkannt, dass Isis noch ein wenig Power abbauen muss, besser hättest du nicht entscheiden können." Ana war manchmal einfach so unsicher und hinterfragte alles, was sie auch nur ein wenig anders machte, als die anderen Reiter. Dabei war sie eine hervorragende Pferdefrau. Die anderen vier verließen das Dressurviereck und Ana ließ Isis in die zweite Ecke der langen Seite hin im Arbeitstempo angaloppieren. Die Scheckstute sprang sofort artig vorwärts, hatte den Rücken aufgewölbt und die Ohren gespitzt. Oh oh. Ich kannte diesen Blick. Und tatsächlich, nach fünf Sprüngen setzte sich Isis fast auf den Hintern, biss sich auf der Trense fest und raste los. Ich sagte nichts. Das war nicht das erste durchgehende Pferd auf dem Ana saß und ich wusste, dass sie damit zurechtkommen würde. Kurz huschte ein panischer Ausdruck über Ana's Gesicht, doch dann wechselte er in Entschlossenheit. Sie lehnte sich zurück, setzte sich tief in den Sattel und gab mit den Zügeln halbe Paraden. Dabei rahmte sie Isis mit den Beinen ein und hinderte sie daran, quer durchs Viereck zu schießen. Schließlich gab die Stute im Genick nach und fügte sich in den raumgreifenden Galopp, den ich an ihr so liebte. Ana parierte sie zum Trab durch und strahlte mich an, als ich ihr den erhobenen Daumen zeigte. Sie ritt zum Eingang des Vierecks und begann mit ihrer Dressuraufgabe. Dazu ritt sie im Mitteltrab ins Viereck ein, parierte bei X zum Halten durch und grüßte die imaginären Richter. Sie trabte wieder an und wendete bei Erreichen des Hufschlags auf die rechte Hand ab, um gleich darauf einfache Schlangenlinien zu reiten. Dabei stellte sie Isis schön in die Biegung und die Pintabianstute, die ihr Pulver nun verschossen hatte, arbeitete fleißig mit. Bei A parierte sie Isis zum Halten durch und richtete sie eine Pferdelänge rückwärts, bevor sie aus dem Stand heraus erneut antrabte und diesmal Schlangenlinien durch die Bahn mit vier Bögen ritt. Als Ana auf den Zirkel ritt, wirkte sie richtig entspannt und ich freute mich, da die beiden ein wirklich schönes Bild abgaben. Zur geschlossenen Zirkelseite hin galoppierte Ana Isis an und diesmal blieb die Stute brav im Arbeitstempo. Sie wechselten mit einem einfachen Wechsel aus dem Zirkel, drehten auch auf der anderen Hand eine Runde und wechselten dann im Mittelschritt durch die ganze Bahn, bevor es im Trab ans Viereck verkleinern und vergrößern ging. Als Ana Isis schließlich wieder auf die Mittellinie abwendete, und die Kür mit einem weiteren Gruß beendete, klatschte ich begeistert, genau wie die anderen vier. Das war eine tolle Aufgabe gewesen. Mal davon abgesehen, dass technisch wirklich alles einwandfrei gelaufen war, hatte Isis gut mitgearbeitet, war locker und zufrieden gewesen und schubberte sich jetzt genüsslich an Ana, als diese aus dem Sattel sprang und begann, Isis im Schritt herumzuführen.
      Bei Donald mit Pride und Samuel mit Diova verlief es ähnlich reibungslos - nur ohne die anfängliche Rodeopferd-Showeinlage. Sowohl die englische Vollblutstute, als auch das deutsche Reitpferd waren gut bei der Sache und gerade Diova begeisterte einfach mit ihren leichtfüßigen, fast schwebenden Gängen. Bei Pride merkte man noch sehr das Rennpferd heraus, dennoch war es eine ordentliche Kür, die mit einem Stufenaufstieg in Klasse A bewertet werden musste.
      Als nächstes war Edward mit Blessing an der Reihe. Wieder einmal bewunderte ich den feinen Sitz und die leichte Hand meines besten Freundes. Er störte Blessing überhaupt nicht und unterstützte nur, soweit es nötig war. Das gab der jungen Fuchsstute das nötige Selbstbewusstsein und sie bewegte sie mit eleganten, sicheren Bewegungen durchs Dressurviereck. Und Blessing konnte tanzen, wenn sie wollte. Ihre weiße Laterne hob sich deutlich von dem roten Fell ab, als sie an mir vorbeigaloppierte und ich lächelte glücklich. Blessing's Leben hatte sich um hundert Grad gedreht und ich konnte es kaum erwarten, mit ihr Vielseitigkeit zu trainieren - auch wenn das noch in weiter Zukunft lag.
      "So, Brian. Dann zeig uns mal, was du kannst", rief ich, nachdem Edward mit Blessing das Viereck verlassen hatte. Ana hatte Isis schon wieder in den Stall gebracht und Samuel verließ mit Diova gerade die Halle. Brian nickte, nahm die Zügel auf und galoppierte Elfentanz aus dem Schritt heraus an. Für Klasse M würde er selbstverständlich eine andere und wesentlich anspruchsvollere Kür reiten, als die anderen gerade. Der junge Mann wirkte hochkonzentriert und Elfentanz machte ihrem Namen alle Ehre und tanzte uns etwas vor. Als sie zur Passage der Seitengänge kamen hielt ich verzaubert die Luft an. Ich wusste ja, dass meine Elfe sich bewegen konnte, allerdings hatte ich Travers, Renvers und die Traversale bisher bei ihr nie vom Boden aus bestaunen dürfen, sondern war in Elfentanz' Sattel gesessen. Sie trat elastisch über, den Rücken locker, die Nase genau vor der senkrechten und spielte eifrig mit den Ohren, begierig auf Brian's nächstes Kommando. Als die beiden dann die fliegenden Wechsel und schließlich die Galopppirouette zeigten, schwebte ich auf Wolke sieben. Ich konnte mich gar nicht sattsehen, an dem harmonischen Paar. Im starken Galopp flogen die beiden regelrecht durchs Viereck - Elfentanz streckte sich und ihre Sprünge wurden deutlich länger - bevor Brian sie dann in den versammelten Galopp brachte, sodass Elfentanz ihre wunderbare bergauf-Galoppade zeigen konnte. Als er die Kür beendet hatte, lobte er Elfentanz überschwänglich und ich lief in die Bahn, um ihm zu diesem hervorragenden Ritt zu gratulieren. "Mensch Brian, du hast dich unglaublich verbessert!", sagte ich stolz zu ihm. "Ich möchte, dass du Elfentanz ab jetzt auf Turnieren vorstellst. Zumindest in der Dressur. Ihr zwei seid das perfekte Team!", eröffnete ich ihm, woraufhin Brian vor Überraschung der Mund offen stehen blieb. Selbstverständlich starteten meine Trainingsreiter öfter mal mit meinen Pferden, aber eher mit den sehr erfahrenen. Die, die sich noch in der Ausbildung befanden, übernahm ich in der Regel alle selbst. Doch das würde sich jetzt in Bezug auf Brian ändern. Er war definitiv so weit und ich hatte vor, ihn auch beim Stutbuchwettbewerb auf Elfentanz' Rücken zu setzen, auch wenn ich ihm das jetzt noch nicht sagen würde.

      Am Nachmittag traf ich mich wieder mit Ana, Edward und Brian. Es war Zeit für den Dressuraufstieg der Miniatur-Pferdchen. Um die Erfolge der Großen zu feiern, hatten wir alle zusammen Mittag gegessen, doch nun rief die Arbeit. Brian würde meinen Liebling unter den Minis übernehmen - Arctic Alinghi. Der kleine Hengst strahlte eine Eleganz aus, die bei manch großem Turnierpferd nicht vorhanden war und fiel durch seine außergewöhnliche Fellfärbung sofort ins Auge. Wenn ich irgendwann einmal Mini-Nachwuchs züchten würde, wäre Alinghi als Vater definitiv meine erste Wahl, obwohl auch meine beiden anderen Mini-Hengste richtige Hingucker waren. Ana bekam Cookie, die absolut umgänglich und unkompliziert war, während ich Diva Edward zuteilte, der sie liebevoll seine "rote Zicke" nannte. Nicht ganz unberechtigt, wie ich zugeben musste. Diva war wunderschön und überzeugte neben toller Abstammung mit einem perfekten Exterieur. Doch sie war charakterlich eine richtige Prinzessin und super schnell eingeschnappt, wenn ihr etwas nicht passte. Eben ein richtiges Charakterpferd. Diva war erst vier, während Alinghi und Cookie bereits auf die sechs Jahre zugingen. Ich wollte die drei auch noch einfahren, aber erst einmal stand die Dressur auf dem Programm. Theoretisch mussten die Minis für den Stufenaufstieg die gleichen Lektionen beherrschen, wie die Großpferde auch, nur dass wir das Ganze vom Boden aus erledigten. Dazu statteten meine drei Reiter die Tierchen mit Bandagen, Zaumzeug, Longiergurt und Langzügeln aus. Gerade Ana hatte diese Arbeit anfangs gar nicht gekannt, aber wir waren alle zum Lernen hier und inzwischen kam sie sehr gut damit zurecht. Wir zuckelten gemeinsam zur Halle und Diva scharrte im Schnee und hätte sich viel lieber darin gewälzt, als mit Edward mitzugehen. Als er am Zügel zupfte, giftete sie ihn mit angelegten Ohren an und er murmelte nur: "Zicke!" Ich lachte, woraufhin er mir die Zunge herausstreckte. In der Halle angekommen, wärmten die drei ihre Ponys auf, dann ging die eigentliche Arbeit los. Edward und Diva zeigten ein beispielloses Viereck verkleinern und vergrößern, während bei Alinghi vor allem Mitteltrab und Mittelgalopp hervorragend aussahen. Cookie absolvierte alle Aufgaben brav, hatte aber nicht ganz so viel Esprit wie die anderen beiden. Am Ende konnte ich jedoch alle drei Minipferdchen mit bestem Gewissen aufstufen. Gerade Alinghi und Diva hatten sicherlich auch das Potenzial in die hohen Klassen zu kommen. Bei Cookie würde sich das noch zeigen, sie brauchte einfach ein wenig mehr Zeit als die anderen, was bei ihrer nicht ganz so rosigen Vergangenheit aber auch nicht verwunderlich war. In jedem Fall war ich sehr gespannt, was die Zukunft uns bringen würde.
    • Sammy
      [​IMG]
      Perfektion zum Jahresende | Springen E-A
      31. Dezember 2021
      folgt
    Keine Kommentare zum Anzeigen.
  • Album:
    Trainingsstall
    Hochgeladen von:
    Sammy
    Datum:
    21 Apr. 2020
    Klicks:
    2.316
    Kommentare:
    13

    EXIF Data

    File Size:
    198,1 KB
    Mime Type:
    image/jpeg
    Width:
    960px
    Height:
    640px
     

    Note: EXIF data is stored on valid file types when a photo is uploaded. The photo may have been manipulated since upload (rotated, flipped, cropped etc).

  • HMJ Blessing
    --------------------------------------------------

    Spitzname: Blessing
    [engl.: "Segen"]

    --------------------------------------------------

    ~ Abstammung ~
    Von: ?
    Aus der: ?


    --------------------------------------------------

    Rasse: Englisches Vollblut
    Geschlecht: Stute
    Geburtsdatum: 2016
    Stockmaß: 1,68 m
    Fellfarbe: Chestnut Sabino
    Kopfabzeichen: Laterne
    Beinabzeichen: 4x hochweiß gestiefelt

    --------------------------------------------------

    ~ Beschreibung & Charakter ~
    Blessing ist ein sehr interessantes Pferd. Warum interessant? Sie hat irgendetwas an sich, etwas anziehendes. Es ist ein schmaler Grad zwischen Abschreckung und Faszination. Das Pferd zeigt sich fast schon apathisch und scheint das Leuchten seines Lebens verloren zu haben. Sie wird niemals bösartig, doch auch die Motivation hält sich in Grenzen. Du musst ihr die Aufgaben erklären, wie du einem Legastheniker das Lesen beibringen würdest. Hast du sie erst einmal überzeugt, dann kommt sie aus ihrer apathischen Haltung heraus und scheint aufzublühen - aber Vorsicht so anteilnahmslos dieses Pferd erscheint, weniger ist hier definitiv mehr. Es ist hinter seiner Mauer von schlechten Erfahrungen äußerst sensibel und verletzlich, also erwarte nicht, dass du dir das Vertrauen erarbeiten kannst, entweder sie gibt es dir, oder du wirst es nie erlangen.
    Blessing ist vermutlich ein ehemaliges Rennpferd, welches ausgesetzt gefunden wurde. Die vorherigen Besitzer konnten trotz langer Recherche nicht ausfindig gemacht werden.

    Im Rahmen des HMJ 2020 wird Blessing demnächst auf das Hollybrook Stud Gestüt ziehen. Unser Team wird der Stute helfen, ihre schlechten Erfahrungen zu verdrängen. Wir hoffen, Blessing wieder zu einem glücklichen, lebensfrohen Pferd machen zu können.

    --------------------------------------------------

    ~ Gesundheitszustand
    ~
    Ernährungszustand: ein wenig zu dünn
    Erscheinungsbild: sauber, wenig bemuskelt, Kletten und Stöckchen im Langhaar
    Hufzustand: porös, vermutlich durch häufig wechselnden Beschlag
    Hautzustand: eine aufgescheuerte Stelle am Widerrist

    --------------------------------------------------

    Besitzer: Sammy
    Ersteller: Canyon
    Vkr: Canyon
    Gekauft am: 21. April 2020

    --------------------------------------------------

    ~ Qualifikationen ~
    Galopprennen: S***
    Dressur: A
    Springen: M
    Military:
    E

    --------------------------------------------------
    ~ Schleifen ~
    568. RE | 582. RE | 583. RE | 585. RE | 593. RE
    [​IMG] [​IMG] [​IMG] [​IMG] [​IMG]
    598. RE | 600. RE (1) | 600. RE (2) | 606. RE | 613. RE
    [​IMG] [​IMG] [​IMG] [​IMG] [​IMG]

    720. SPR (1) | 720. SPR (2) | 721. SPR
    [​IMG][​IMG][​IMG]
    --------------------------------------------------

    ~ Sonstiges ~
    Zuchtfähig:
    Nein
    Nachkommen: ///
    Geschwister: ///
    Punkte: 16
    (Bild, 1x Training, 13 Schleifen)

    --------------------------------------------------
    Hintergrund by Samarti! ♥
    Offizieller HG
    PNG | Puzzle PNG