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Wolfszeit

Hendrikus zu Stalburck [7/20] /01.24

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Hendrikus zu Stalburck [7/20] /01.24
Wolfszeit, 2 Mai 2023
Muemmi, Stelli und Veija gefällt das.
    • Wolfszeit
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      kapitel tjugoett | 21. Juni 2022

      HMJ Divine / Legolas / Maxou / Pleasing / Hendrikus zu Stalburck / Lubumbashi / Einheitssprache / Osvominae

      Lina
      “Und deine Geschwister kommen wirklich heute, alle miteinander? Kaum zu glauben”, scherzte ich. Zitternd fuhren meine Hände durch die dichte Mähne meines Hengstes, der mit dem meterhohen Schnee, um uns herum zu verschmelzen schien.
      “Tatsächlich, ja”, nickte Samu zustimmen und gab Lego, der schon wieder antraben wollte, eine sanfte Parade. Offenbar schien nicht nur meine Aufregung mit jeder verstreichen Minute zu wachsen. Seit Wochen war ich nur noch damit beschäftigt Deko zu basteln, den kleinen Auftritt einzuüben, den Enya und ich für den ersten Weihnachtsfeiertag vorbereitet hatten und zuallerletzt mussten natürlich auch noch Geschenke besorgt und eingepackt werden. Besonders das für meinen Freund erforderte einiges an organisatorischem Geschick, damit er nicht etwas von den Vorbereitungen mitbekam.
      “Und schon aufgeregt wegen morgen?”, grinste Samu. Er war natürlich wie immer die Ruhe selbst. Verständlich, der einzig Unbekannte für ihn, der kommen würde, war Taavi.
      “Ja, ich hoffe, es läuft alles glatt”, lächelte ich nervös und zupfte mit meinen Fingern an einem losen Faden an der Schabracke herum.
      “Mach dir nicht so viele Sorgen. Enya und du haben das fantastisch vorbereitet”, versuchte Samu mich zu beruhigen. Etwas Ähnliches hatte Niklas vorhin auch gesagt, bevor er sich zu seiner Familie nach Hause aufmachte. Leider musste ich sagen, ich hätte ihn lieber hierbehalten.
      “Du hast gut reden”, rollte ich mit den Augen, “Du hast ja nicht viel mehr gemacht als den Chauffeur zu spielen.” Na ja, nicht ganz. Wenigstens für den Festtagsbaum hatten Niki und er sich nützlich gemacht. Wenn ich bedachte, wie kreativ das eine Holzpferdchen aussah, welches mein Freund bemalt hatte, war das auch besser so. Gleichwohl war es mir das Liebste von allen.
      “Wir wissen beide, dass es dir deutlich lieber ist, wenn ich nicht mit bastle”, lacht der Finne.
      “Ja, weil du dir keine Mühe gibt’s”, feixte ich. Unvorhergesehen stoppte Ivy und starrte wie gebannt in den Wald. Durch die kleinen plüschigen Öhrchen hinweg folgte ich seiner Blickrichtung. Nicht war zu sehen, vollkommen unbewegt standen die gigantischen Fichten da, deren Äste sich unter der Schneelast durchbogen.
      “Nein, ich bin einfach untalentiert”, korrigierte der Blonde und treib seinen Rappen wieder an. Träge setzte sich auch Divine wieder in Bewegung, doch sein Ohrenspiel verriet, dass seine Aufmerksamkeit noch immer rechts von uns lag.
      “Also deine Kunstnote sagt da etwas anders”, zog ich meinen besten Freund weiter auf.
      “Du meinst wohl eher, deine Kunstnote, die sich auf mein Zeugnis verirrt hat”, lachte er herzlich. Möglicherweise waren mir des Öfteren Samu Arbeiten für dieses Fach in die Hände gefallen, die ich dann ein wenig ausbesserte. Auch einer Richtung, die ich nicht zuzuordnen wusste, erklang ein Rascheln, was diesmal nicht nur Divine aufhören ließ. Legolas drehte ebenso die Ohren aufmerksam, sah mit wachen Blick in die Richtung des Geräusches. Erneut lag die weiße Fläche unberührt vor uns.
      “Sag mal, sehen unsere Pferde Gespenster?”, fragte ich Samu, versuchte dennoch das Zusehen, was unsere Pferde schon längst gefunden hatten.
      “Vielleicht haben sie ja die Weihnachtswichtel aufgespürt”, scherzte dieser. Die Ohren aufgestellt bis zum Anschlag, baute Ivy den Hals weiter auf und richtete seinen Blick auf die Baumkronen hoch über uns. Das Rascheln war mittlerweile verstummt, aber die wippenden Äste, von denen nun der Schnee herunterrieselte, zeugten noch immer von der Gegenwart des unsichtbaren Lebewesens.
      “Mir ist nicht bekannt, dass Wichtel in Baumkronen herumturnen”, lachte ich. Die Vermutung lag näher, dass ein Eichhörnchen oder Vogel dort oben sein Unwesen trieb.
      “Nur weil du noch nie eine dabei gesehen hast”, hielt Samu mich weiterhin zum Narren. Er war heute ausgesprochen guter Laune, was wohl daran liegen musste, dass seine Familie kam. Ansonsten war nämlich alles wie immer. Naja, mehr oder weniger. Mein Hengst prustete laut, als sich über unseren ein großer heller Falke aus dem Grün erhob. Mit wenigen Flügelschlägen gewann das Tier an Höhe, bevor es auf einem Aufwind treibend über den Himmel kreiste. Faszinierend, ein solches Tier hatte ich noch nie gesehen.
      “Wow, ist das ein schöner Vogel”, staunte ich ehrfürchtig. Selbst auf die große Distanz war die dunkle Zeichnung in dem hellen Gefieder zu erkennen. Wie zum Gruße flog, der Vogel eine Schleife, bevor er hinter den Baumkronen verschwand.
      “Ungewöhnlich, ein Falke zu dieser Jahreszeit”, antworte Samu ebenso verwundert wie ich. Lego, der das Interesse an dem Geraschelt bereits verloren hatte, als der Falke sich in den Himmel schraubte, schnupperte nun neugierig an Ivy, der immer noch klang wie ein Drache. Warum auch immer waren Vögel ein Ding, worüber der Freiberger sich furchtbar aufregte.
      “Alle gut, Ivy”, sprach ich beruhigen auf ihn ein und strich über den kräftigen Hals. Immerhin ein Ohr drehte er daraufhin in meine Richtung und ließ sich wieder in Bewegung setzen.
      Friedlich, schon beinahe verlassen tauchte der Hof nach einiger Zeit vor und auf. Von den Einstellern hatte sich nicht ein einziger bisher blicken lassen und von den Mitarbeitern waren die meisten waren die meisten ausgeflogen. So verblieben neben Tyrell und Bruce, sonst nur noch Lars mit seiner Familie, Harlen und ich. (Korrigieren wenn Falsch)
      In der Stallgasse war es ebenso leer, denn bis auf die beiden Ponys standen die meisten Pferde draußen auf ihren kleinen Paddocks und genossen den vorweihnachtlichen Frieden.
      “Lina, du hast noch knapp eine Stunde, wenn wir deine Schwester pünktlich abholen wollen”, erinnerte Samu, während er seinem Hengst die Trense vom Kopf zog.
      “Oh, waren wir echt so lange unterwegs?”, hinterfragte ich erstaunt. Bevor wir losritten, war noch weit über drei Stunden Zeit gewesen. Der Finne nicke bestätigend.
      “Oh, dann muss ich mich ja beeilen, wenn ich Maxou noch beschäftigen will”, stellte ich fest. Nachdem Vriska von einen Tag auf den anderen verschwunden war, entpuppte das Pony sich immer mehr als Sorgenkind. Obwohl unser Tierarzt das Rätsel um die mysteriöse Beule mittlerweile lösen konnte, wurde sie nur sehr langsam kleiner. Maxi stand unter solchem Stress, dass sie immer wieder wild mit dem Kopf schlug und sich dabei häufig an der Stange stieß, die das Fenster begrenzte. So war die erste Maßnahme gewesen, diese abzupolstern, doch das änderte natürlich nichts an dem Stress, unter dem das Pony litt, zumal die Auslöser dafür nur schwer zu ermitteln waren. Wie sich herausstellte, war Lubi, das gigantische Warmblut, welches Vriska zur Verfügung gestellt worden war, einer davon. Glücklicherweise behob sich dieses Problem recht schnell, da Eskil die Stute für den Beritt zurück nach Kalmar holte. Anstelle des Warmbluts in der Nachbarbox, bekam Maxou schließlich Pleasing zur Gesellschaft. Die helle Reitponystute gab ihre Sicherheit und so ganz langsam schien sie zu verstehen, wie das mit der Paddockbox funktionierte.
      Während ich noch am Absatteln war, hatte Samu bereits das Futter für die beiden geholt. Hungrig wie immer senkte Divine seine Schnauze in die Schüssel und begann mit der Krümelei.
      “Apropos Maxou, hast du mittlerweile was von Vriska gehört?”, erkundigte er sich. Ich schüttelte seufzend den Kopf: “Nein, noch immer wie vom Erdboden verschluckt.” Der Grund für ihr plötzliches Verschwinden war offensichtlich, wie beunruhigend zugleich, denn ich war mir nicht sicher, ob ihre Psyche diesen Schlag verkraften würde. Ivy, der den minimalen Stimmungswechsel natürlich bemerkte, hatte aufgehört zu fressen und stupste mich sanft an der Schulter an.
      “Lina, komm mal her”, sagte Samu sanft und klopfte auf die Bank neben sich, wo er sich niedergelassen hatte. Gedrückt ließ ich mich neben ihn sinken und er legte mir direkt freundschaftlich den Arm um die Schultern.
      “Sicherlich braucht sie nur ein wenig Zeit, um das zu verarbeiten. Wenn sie bereit ist, meldet sich bestimmt wieder”, gab er mir Zuspruch,” außerdem hat ihr Bruder doch gesagt, dass es ihr gut geht.”
      ”Du hast ja recht”, nickte ich langsam. Ich sollte es einfach als positives Zeichen nehmen, dass ich noch keine schlechten Nachrichten über sie gehört hatte.
      “Und jetzt, Kleines, hörst du auf, dir Gedanken, um Vriska zu machen und blickst lieber mal darauf, was vor dir liegt. Es ist Weihnachten, deine Schwester kommt und ich habe gehört Mama und Eevi freuen sich auch schon dich mal wieder zu sehen.” Ein herzliches Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht und auf seinen Fingerdeut hin nickte Ivy mit dem Kopf, als wolle er seinen Worten zustimmen.
      “Was würde ich ohne Euch zwei nur tun”, lächelte ich gleich wieder ein wenig positiver gestimmt und drückte ihn dankbar. Niedlich wie mein plüschiger Freiberger war, kam er freundlich an geschnüffelt und schob seine Schnauze an meine Wange und wurde auch Teil des Gruppenkuschlens.
      “Na auf, dann bring mal deinen Teddy ins Bett, damit mit du mit dem Pony auch rechtzeitig fertig wirst”, lächelte Samu und löste meine Arme von sich. Besagtem bot ich eines seiner geliebten Pastinaken Leckerlis an, bevor ich mich von der Bank erhob.
      Wenig später brachten wir gemeinsam die beiden Hengste auf ihren Paddock, wo Rambi mal wieder die ganze Herde aufmischte. Nur ein Pferd schien das relativ wenig zu stören. Gelassen stand der Warmblüter an der Heuraufe und bediente sich.
      “Was ist eigentlich mit Hendrik, bewegst du denn heute auch noch?”, fragte ich interessiert. Samu und seinem Berittpferd beim Training zuzusehen, war ähnlich einnehmend wie Niklas mit seiner Stute. Dabei stellte ich immer wieder fest, dass ich noch so vieles lernen konnte, denn so ein harmonisches Bild gab ich nicht mal mit meinen eigenen Pferden ab.
      “Ja, aber erst, nachdem wir deine Schwester abgeholt haben”, entgegnete er und entließ Lego in das Gatter. Sofort trabte der Rappe davon und mischte sich unter die anderen Tiere. Divine hingegen stiefelte Nase voran durch den Matsch, um sich unmittelbar in den größten Dreckhaufen zu werfen, den er finden konnte. Wozu putze ich ihn eigentlich, wenn er ohnehin keine Minute lang sauber blieb? Na ja, egal, Maxou wartete.
      An Ihrer Box blickte mir sogleich ein wenig freundlich dreinblickendes Pony entgegen. Sie war furchtbar missgelaunt und dass Erik nur sporadisch vorbeikam, um sich um sie zu kümmern, verbesserte diesen Zustand nicht gerade.
      “Mmm, Pony, was machen wir mit dir?”, fragte ich sie und griff nach dem Halsriemen, welchen ich angeschafft hatte, bis ihre Beule abgeheilt sein sollte.
      “Ich glaube nicht, dass sie dir antworten, wird”, lachte Samu, “Aber angesichts der Uhrzeit, würde ich vorschlagen, du belässt es bei Bodenarbeit.”
      “Gute Idee”, bedankte ich mich bei ihm, “Wenn du nix zu tun hast, könntest du dann gerade ihr Mash ansetzten?” Samu nickte und verschwand daraufhin in die Sattelkammer.
      Als Friedensangebot steckte ich Maxi ein Leckerli ins Maul, auf dem sie langsam herumkaute, womit ich ihr das Halsband umbinden konnte oder das Risiko eingehen konnte von ihr gezwickt zu werden. Artig folgte mir die kleine Stute in die Reithalle, wo ich erst einmal mit einigen einfachen Gehorsamkeitsübungen startete. Beinahe im Schlaf beherrschte sie diese, sodass sie ziemlich schnell nach etwas Schwierigerem verlangte.
      Nach knapp zwanzig Minuten verlor die kleine Stute dir Lust an der Arbeit, womit ich die Einheit auch beendete. Am Putzplatz erwartete eine Schüssel mit dampfendem Mash bereits darauf, verspeist zu werden. Was Redo und Ivy in Sekundenschnelle aufgesaugt hätten wie ein Schwamm, schien das Pony allerdings nur wenig zu überzeugen. Lustlos schnupperte sie an dem Gemisch, bevor sie den Kopf abwendete. Es war zu verzweifeln, manchmal fraß sie, manchmal nicht und es gab nicht mal einen sichtbaren Grund dafür. Laut dem Tierarzt war bis auf die bereits bekannten Dinge gesundheitlich alles in Ordnung. Ob die kleine Gurke wohl traurig war, dass Erik und Vriska nicht mehr da waren? Wollte sie deshalb nichts fressen? Aber einen Trick hatte ich noch auf Lager, der sie vielleicht doch noch zum Fressen brachte. Zielsicher lief ich in die Futterkammer und griff das Glas Apfelmus aus dem Regal und einen Löffel.
      “Willst du jetzt picknicken, bis das Pony gefressen hat?”, scherzte Samu als er die Gegenstände in meiner Hand entdeckte.
      “Nein, ich wills das Pony damit füttern”, erklärte ich. Das Klirren des Löffels, welche ich neben der Schüssel auf dem Boden ablegte, ließ Maxou aufhorchen. Neugierig hob sie den Kopf und schnupperte an dem Glas, offenbar schien ihr dies zu gefallen. Nur leider bekam ich es nicht auf.
      “Könntest du das mal bitte öffnen. Ich bin zu schwach”, sagte ich und reichte das Behältnis weiter. Der Finne stellte es auf den Kopf, schlug einmal auf den Boden und schon ließ es sich problemlos öffnen.
      “Nicht zu schwach, du kommst nur nicht gegeben, die physikalischen Kräfte in dem Glas an”, belehrte dieser mich lachend und händigte es mir wieder aus. Den Inhalt des Glases leerte ich in die Mashschüssel und rührte es unter.
      “So Maxou, wenn du das jetzt nicht essen willst, weiß ich auch nicht weiter”, sprach ich zu dem Pony und hielt ihr erneut ihr Futter vor die Schnauze. Anstelle der Schüssel schien der Löffel viel mehr Interesse zu erwecken, denn das Pony schnupperte ihn kurz an und leckte ich schließlich ab. Das brachte mich auf eine Idee. Mit einer Portion Mash darauf hielt ich ihr den Löffel erneut hin und auch dieses Mal schleckte sie alles herunter.
      “Fütterst du das Pony jetzt wirklich mit dem Löffel?”, fragte Samu ungläubig.
      “Besondere Umstände, erfordern besondere Maßnahmen. Also ja, bevor sie nicht frisst fütter ich sie so”, entgegnet ich erleichtert, dass das Pony endlich Nahrung zu sich nahm.

      Mehrere Stunden später

      Vriska
      „Hier ist literally nichts“, jammerte Madly kläglich seit Stunden. Sie war meine Halbschwester, vor ein paar Wochen dreizehn geworden und steckte tief in der Pubertät fest. Bis zum Einchecken am Flughafen, wussten wir nicht, wo es hingehen wurde. Jeden Tag fieberten wir auf den Urlaub hin, hofften, dass es ein warmes Küstengebiet werden würde. Doch saßen wir im Auto, fuhren mit konstanter Geschwindigkeit eine Fernstraße in Schweden entlang und natürlich kannte ich den Weg, leider. Neben uns zogen andere Fahrzeuge vorbei und eine verschlafene Schneelandschaft, die zwischendrin von kleinen Häusern durchbrochen wurde. Die Fenster waren liebevoll dekoriert, auf den Dächern türmten Rentiere mit Schlitten oder es stand ein Schneemann im Vorgarten. Obwohl ich als Kind Weihnachten liebte, empfand ich gegenwärtig nichts. Es war mir vollkommen egal, ein Tag wie jeder andere. Allerdings konnte ich mir schon vorstellen, was mich erwarten würde auf dem Gestüt. Überall bunte Lichter, Menschen mit Weihnachtsmannmützen und Pferden, die dämliche Glöckchen trugen. Furchtbar.
      In meinem Kopf waren nur die Tiere, gleichermaßen ängstigte mich der bloße Gedanke, eins zu sehen und anzufassen. Ich malte mir jedes Szenario aus in der Londoner Stadtwohnung meiner Familie, wie es heute ablaufen würde, doch nichts konnte meine Lustlosigkeit so gut untermalen wie der Leere Blick aus dem Fenster.
      „Vivi, wo müssen wir abfahren?“, hakte Mama nach, die sich fest an den Lenker des Volvo klammerte. Große Autos mochte sie nicht, aber in der Vermietung am Flughafen wollte man uns so tief aufs Land nicht ohne Geländewagen schicken.
      „Nächste“, kam es kurz als Antwort und ich lehnte den Kopf wieder an die kühle Scheibe. Madly neben mir hing am Ende, wischte durch TikTok und lachte immer mal wieder. Alles hier gefiel mir nicht.
      „Hier?“ Mama betätigte gleichmäßig die Bremse, bis ich zustimmte. Der Wagen beschleunigte wieder und fuhr in einem Affenzahn die Biegung entlang. Nun klammerte ich mich am Fahrzeug, ließ direkt davon ab, als ich darüber nachdachte, dass man mich dann von der Leitplanke kratzen würde. Es folgten weitere zwanzig Minuten Schnee, Häuser und Bäume, bis am Ende der Straße das Schild sichtbar wurde am Hof. Offenbar hatte jemand entschieden, eine Lichterkette herumzumachen, damit man es auch in der Dunkelheit sehen könnte. Gerade einmal zwei Monate lagen zurück und trotzdem fühlte ich mich wie ein Vertriebener – nur, dass ich mich selbst vertrieb. In meiner Brust drohte das Herz jeden Augenblick seinen Platz zu verlassen. Der Druckt stieg so sehr, dass ich in meinem Hals jeden Schlag spürte, im Magen drehte es sich und meine Finger bohrten sich in den Unterarm.
      “Wir sind doch da, ein und wieder ausatmen”, versuchte Madly mich zu berühren und legte ihre Hand an meine Schulter. Offenbar hatte ihr Handy nichts Spannendes mehr zu bieten.
      “Können wir bitte zurück zum Flughafen? Ich will hier nicht mehr sein”, wollte ich Mama dazu bewegen, umzudrehen. Aber sie tat es nicht, stattdessen seufzte sie genervt.
      “Jetzt stell dich nicht so an”, fügte sie unverändert hinzu.
      Wir hielten zwischen den Hütten an und jeder holte seine Tasche aus dem Kofferraum. Leise knirschte der dichte Schnee unter meinen Turnschuhen, die bei jeden weiteren Schritt mit Flüssigkeit vollsogen. Noch bevor ich den ersten Fuß auf unsere Terrasse setzte, waren sie vollkommen in Wasser getränkt. Der leichte Wind am Boden bestärkte das Gefühl, jeden Moment festzufrieren.
      Wie immer war die Schiebetür nicht verschlossen und mit einem leichten Druck an Glas, bewegte sie sich wie von allein durch ihre Führungsschiene. Sosehr ich es mir auch gewünscht hätte, drang sofort ein unverwechselbarer Geruch in meine Nase, die nur einer Person zuzuordnen war. Seufzend stellte ich die Tasche ab, schaltete zunächst das Licht ein und ließ über die Schaltfläche im Flur, die Jalousien herunter. Vieles lag unverändert an seinem Platz, nur meine Schuhe waren deutlich ordentlicher sortiert auf der Matte und teilweise in den kleinen Schrank daneben einsortiert. In der Küche türmten mehrere Töpfe in der Spüle und Tassen mit Teeresten standen daneben. Noch bevor ich überhaupt die Tasche aus dem Weg räumte, hängte ich meine dünne Jacke an den Haken und begann in der Küche etwas Ordnung zu machen. Die Abtropfmatte legte ich auf die Arbeitsfläche, um die Töpfe und Tassen nacheinander daraufzustellen und am Ende abzutrocknen. Es dauerte kaum länger als eine halbe Stunde, da sah die Küche aus wie geleckt.
      Meine Beine trugen mich zur Couch. Decken lagen über die Lehne, die Kissen unordentlich in den Seiten und ich schaffte auch ihr einen besseren Zustand bevor ich wirklich in mein Zimmer trag. Das Fenster war angeklappt und jemand hatte einen Weg gebaut dorthin, denn soweit ich mich erinnerte, standen die Kartons anders. Würde es Sinn ergeben, diese auszupacken? Ich fiel rückwärts aufs Bett und starrte zur Decke. Mama würde mich keinesfalls wieder mitnehmen, soviel hatte ich auf der Fahrt hierher bereits spüren dürfen, also räumte ich alles in meine Schränke, bis auch der letzte Karton zusammenklappt unter dem Bett verstaut waren. Plötzlich erweckte sich da Zimmer zu leben. Zum ersten Mal konnte ich den Fußboden sehen und unter den getragenen Klamotten versteckte sich ein Stuhl sowie Schreibtisch. Diese landeten im Korb.
      Mit meinem Laptop auf dem Schoß und einem Kaffee in der Hand saß ich auf der Couch, tippte langsam einen Satz nach dem anderen. In England hatte ich ein altes Hobby wiedergefunden, was mich von der Realität ablenkte und das Leid um Erik erträglicher machte. Tatsächlich sorgte er sogar selbst dafür. Nach vielen Nächten heulend einschlafen, hatte ich eines Tages angerufen, mit dem Handy meiner Schwester, schließlich versuchte Mama mir jeden Kontakt zu dem Psycho, wie sie ihn bezeichnete, zu unterbinden. Aber ich hatte seine Nummer auswendig gelernt, allein durch die Nächte, die ich seine Visitenkarte anstarrte. Erik freute sich sogar über meinen Anruf und schätzte es von ganzem Herzen, dass ich Rücksicht auf seine Entscheidung nahm. Nun, hatte ich eine Wahl? Er liebte mich noch, sagt sogar, dass er es nie aufhören würde zu tun, aber mit Moa wieder zusammenzuziehen und zu sein, war für die gemeinsame Tochter die einzige Möglichkeit. Ich seufzte und änderte wieder den Satz meines Geschriebenen. Es schlichen sich Sehnsüchte nach ihm ein, obwohl ich mit der Geschichte mit ihm abschließen will.
      Silhouetten huschten vor den heruntergelassenen Jalousien entlang und als ich einen Kopfhörer aus dem Ohr nahm, höre ich Stimmen vor der Tür, die unverständlich Nuschelten. Eine davon konnte Lina sehr klar zu ordnen, mindestens drei weitere Menschen waren bei ihr, aber warum waren hier so viele? Ich steckte den Kopfhörer zurück und beugte mich wieder über meine Tastatur. Ein kühler Luftzug kitzelte am Genick.
      „Du bist wieder da“, quietschte es freudig erregt hinter mir, und zwar in solch einer Lautstärke, dass ich es selbst mit der Musik in den Ohren noch deutlich vernahm. Keine zehn Sekunden vergingen, da hatte Lina sich schon auf das Sofa geworfen und stürmisch ihre Arme um mich geschlungen. Überfordert, huschten meinen Augen von links nach rechts, aber zumindest einen meiner Arme legte ich auf ihren Rücken und klopfte, als würde sie sonst zerbrechen.
      “Ja, ganz offensichtlich”, antwortete ich mit einem minimalen Schulterzucken.
      "Ich bin so froh, dass du wieder da bist, das glaubst du gar nicht", plappert sie aufgeregt, ließ mich aber endlich wieder los. Mit meinem Daumen schob meine Brille zurecht, die bei der frenetischen Begrüßung auf die Nasenspitze gerutscht war. Schreiben hatte nun ohnehin keinen Chance mehr, also klappte ich auch den Laptop zusammen und legte ihn auf dem Tisch ab. Erst jetzt nahm ich die Kopfhörer heraus, um diese auf der silbernen Oberfläche abzulegen. Hinter mir vernahm ich sofort aufgeregtes Jammern eines Tieres und aus dem Augenwinkel heraus, bemerkte ich weitere Personen. Interessiert drehte ich mich um. Teils schockiert, teils gerührt blickten mich viele Paar Augen an. Selbst Lars stand dabei und ein weiterer Mann, der wohl Julis Freund sein musste. Auf ihrem Arm hampelte ein junger Hund, den sie absetzte. Er hüpfte wie ein geladener Flummi durch die Hütte und wusste nicht, wo er zuerst schnuppern sollte. Sein Interesse meinerseits zeichnete sich nur von kurzer Dauer aus, bevor er zu den Zimmern verschwand.
      “Ihr scheint relativ gut ohne mich klarzukommen”, bemerkte ich mit zynischem und selbstironischem Unterton. Ich konnte nicht einschätzen, was hier geschah, zu dem mir jeder Tag wie ein Albtraum vorkam, der nun in Menschenmassen gipfelte.
      „Na ja, geht so. Du hast hier schon ziemlich gefehlt“, sagte Lina und klang dabei merklich aufrichtig.
      „Dann wird sich daran wohl nicht mehr viel ändern“, seufzte ich. Lars, der wie jeder Andere hinter der Couch geschwiegen hatte, stützte sich auf der Lehne ab.
      „Willst du uns etwa wieder verlassen, wo du gerade erst zurück bist?“, hakte er mit gehobener Braue nach.
      „So ist das nicht, aber“, setzte ich an, doch Lars beendete meinen Satz: „du hast Angst vor den Pferden.“ Es wirkte ganz so, als hätte er Ahnung von dem, was er sagte, aber keine Situation ließ sich mit der meinigen vergleichen. Stattdessen suchten meine Finger nach dem Unterarm unter dem Pullover, um sich daran zu krampfen. Sanft legte Lina ihre Hand auf meinen Arm: „Ich helfe dir daran zu arbeiten." Sie wollte noch mehr sagen, doch ihr bester Freund bremste sie in ihrem Elan.
      „Was Lina eigentlich sagen wollte, ist, dass sie es nachvollziehen kann und wir dich natürlich nicht unter Druck setzen wollen. Wir unterstützen dich unabhängig davon, wie du damit umgehen möchtest“, wählte der Finne seine Worte sehr diplomatisch. Es klang beinah sah, als würde er einen Keil zwischen uns treiben wollen, wofür ich überhaupt keinen Grund sah. War es Eifersucht, Neid?
      „Wenn es so einfach wäre“, ich seufzte und holte mir die Tasse vom Tisch, die noch halb gefüllt war, aber bereits kalt. „Im Februar muss ich zur Qualifikation mit Lubi, also eigentlich.“
      “Vriska, was das angeht, muss ich dir leider etwas sagen”, betroffen blickte Lina zu Boden, zupfte befangen an ihrem Ärmel, als ob sie überlege, welche Worte die Richtigen waren.
      “Lubi ist ja gerade in Betritt und da hat sie wohl Interesse erweckt. Sie soll verkauft werden, tut mir leid.”
      “Ach so, na dann. Nichts, worüber ich schon nachgedacht hatte”, versuchte ich positiv zu bleiben. Ohnehin gab es für die Familie Westerdahl keinen Grund, das Pferd zu behalten, wenn ich im Winter kein einziges Mal, mit Lubi auf einem Turnier war. Meine Abwesenheit blieb vermutlich auch nicht ungesehen. “Allerdings ist jetzt etwas blöd, wie soll ich bitte im Kader sein ohne Pferd, wenn ich mit Lubi einberufen wurde.” Unentschlossen schüttelte ich mit dem Kopf.
      “Gibt es hier nichts anderes am Hof?”, mischte sich nun Lars ein.
      “Doch, schon, aber nicht auf dem Niveau, wie es notwendig wäre”, erklärte ich oberflächlich. An dem Punkt hätten wir die Fuchsstute, die ich nicht mal mehr ansehen würde, Tyrells Hengst Fahri in den Niederlanden und ein paar Pferde, die mir überhaupt peinlich waren, zu reiten.
      “Was ist denn mit der Stute deiner Mutter, Lars? Könnte Vriska sie vielleicht reiten?”, warf Lina einen Vorschlag in den Raum.
      “Osvo meinst du? Klar, aber wir haben ein größeres Problem”, merkte der Angesprochene an. “Wenn sie Angst vor den Tieren hat, werden wir sie nicht mal in den Stall bekommen, also was stellst du dir denn vor?”
      Teilnahmslos starrte ich zur Küche. Ich wollte reiten, aber bekam schon bei dem bloßen Gedanken Schnappatmung. Nicht einmal Maxou hatte ich begrüßt, die Eriks Aussage nach, ziemlich schlecht gelaunt war.
      “Es verlangt ja keiner, dass sie sofort wieder aufs Pferd steigt. Die Saison ist ohnehin erst einmal vorbei”, erläuterte Lina ihre Gedanken, “das sollte ausreichend Zeit verschaffen, um gegen die Angst anzuarbeiten, Schritt für Schritt.”
      Noch eine Weile begannen sie Pläne zu schmieden, wie man mich wieder zum Pferd bekommen könnte, doch ich hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Ich hatte nicht nach Hilfe gefragt, aber sie versuchten mir meine Arbeit attraktiv zu machen. Anderseits musste ich spätestens im Stall sein und Mama würde ebenfalls nerven. Samu entschied sich bewusst dagegen, noch mal an sie zu appellieren, hing stattdessen an seinem Telefon und grinste.
      “Ihr hattet doch bestimmt was geplant”, mischte ich mich ein, um das Thema endlich zu beenden, “deswegen lasse ich euch nun allein.”
      “Du darfst auch gerne bleiben, aber ich verstehe, wenn du nach der Reise erst mal eine Pause benötigst. Sag einfach Bescheid, wenn du was brauchst”, lächelte Lina und macht keinerlei Anstalten mich aufzuhalten. Kurz dachte ich nach, aber schnappte mir dann mein Laptop und kalten Kaffee, um ins Zimmer zu laufen. Hinter mir schloss ich die Tür und schaltete das Licht ein. Die neue Ordnung machte den Raum direkt wohnlich. Auf dem Schreibtisch stand eine kleine Lampe, die ein warmes Gefühl verbreitete.
      © Mohikanerin, Wolfszeit // 26.721 Zeichen
      zeitliche Einordnung {23. Dezember 2020}
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      kapitel tjugosju | 04. September 2022

      Henade / Hendrikus zu Stalburck / Einheitssprache / Wunderkind / Pleasing / Maxou / Fieberglas / Pay My Netflix / May Bee Happy / Hending

      Lina
      Ich war gerade dabei Rambi abzusatteln als Mateo zielstrebig die Stallgasse hinunterkam.
      “Dein Pony ist da”, verkündete dieser im Vorbeigehen und verließ den Stall sogleich wieder durch das große Rolltor. Davor war das Knirschen des gefrorenen Kieses unter Autoreifen zu hören.
      “Dein Ernst Lina, du hast dir schon wieder ein Pferd gekauft?”, ließ Samu einen kritischen Kommentar verlauten, den prächtigen braunen Warmbluthengst am Strick mit sich führend.
      “Guck nicht so, das ist nicht meins, also nicht in dem Sinne. Hanni ist ein Berittpferd”, erklärte ich meinem besten Freund, der tatsächlich noch keine Kenntnis von der Stute hatte, da er die letzte Woche mit Enya bei seiner Familie verbrachte und dabei wollte ich ihn nicht stören.
      “Ein Berittpferd also, wie kommt es dazu?”, zog er zweifelnd die linke Augenbraue nach oben.
      “Ähm, was soll das denn bitte jetzt heißen?”, empörte ich mich und hängte den Sattel auf den Halter, “Willst du mir etwa sagen, dass du mir das nicht zu taust?”
      “Nein, Linchen, du bist spitze. Ich bin nur verwundert, seit wann du Berittpferde angeboten bekommst”, beschwichtigte er sofort.
      “Seit Mateo und jetzt entschuldige mich, ich muss ein Pferd in Empfang nehmen”, entgegnete ich und lief freunden strahlend in die Richtung in der Mateo soeben verschwand. Natürlich hatte ich mittlerweile Fotos von Henade zu sehen bekommen, doch ich konnte es kaum erwarten sie gleich in Live zu sehen. Draußen wurde ich bereits von Mateo und seiner Schwester erwartet, welche auch sogleich mit einem breiten, grinsen auf mich zugelaufen kam.
      “Bereit Hanni kennenzulernen, Lina?”, fragte sie und zog mich zu Begrüßung in eine herzliche Umarmung. Es erfreute mich, dass Sam die Stute selbst vorbeibrachte. Sie war mir sympathisch und so hatte ich die Gelegenheit mir von ihr noch ein paar Tipps im Umgang mit der Stute zu holen.
      “Mehr als bereit”, entgegnete ich und konnte meine Aufregung nur schwer zurückhalten.
      “Na dann wollen wir sie doch mal ausladen”, grinste Sam, “Gehts du vorne rein?” Ich nickte und lief um den Hänger herum, um durch die kleine Tür an seiner Vorderseite in das innere zu klettern. Im halbdunklen Inneren kam mir unmittelbar ein heller Kopf entgegen.
      “Du bist also Hanni”, sprach ich sanft mit der Stute und strecke ihr vorsichtig meine Hand hin. Statt sie zu beschnuppern, schnappte sie nach meiner Hand. Doch anders als bei Caja kamen dabei keine Zähne zum Einsatz, sondern nur die Lippen, die interessiert meine Hand abtastete. Währenddessen öffnete sich die Klappe hinter der Stute und ließ Licht und kalte Luft einströmen. Aufmerksam drehte Henade die Ohren, hörte auf die Umgebungsgeräusche um sie herum.
      “Alles bereit, da drinnen?”, rief Mateo von hinten, bereit die Stange hinter dem Po der Stute zu entfernen.
      “Warte kurz”, antwortete ich und löste den Knoten, der die Stute an Ort und Stelle hielt.
      “Jetzt darfst du”, erteilte ich im daraufhin die Erlaubnis, der er auch sofort folge, leistete. Langsam, Schritt für Schritt, schicke ich die Stute die Rampe hinunter, bis sie vollständig auf dem Kies stand. Jetzt im Tageslicht konnte ich vollständig die hübsche Scheckung betrachten, die sich über ihr Fell zog. Zwischen den zerfransten weißen Rändern und an der Oberlinie schimmerte ein hübscher Braunton hindurch, wirklich eine außergewöhnliche Färbung.
      “Und was sagst du?”, blickte mich Sam mich forschend an.
      “Mensch Sam, was stellst du denn für Fragen. Das ist ein perfektes Match, hübsch und talentiert”, kam Mateo mir mit einer Antwort zuvor.
      “Jetzt übertreib nicht, Mateo. So gut bin ich nun auch wieder nicht”, sprach ich verlegen. Er wollte mir schon widersprechen, doch Sam fiel ihm ins Wort: “Vielleicht sollten wir meiner Hübschen erst einmal ihr neues zu Hause zeigen.” Bestrebt lief sie voran, was die Stute dazu bewegte ihr unaufgefordert zu folgen. Kaum hatten wir das Tor durchschritten, ließ Henade ein schrilles Wiehern ertönen. Einige Köpfe erhoben sich aus den Boxen und vom Putzplatz ertönte sogar eine Antwort. Eindeutig Rambi, der Stimmfarbe und dem lang gezogen brummen, nach zu urteilen. Hufgeklapper ertönte auf dem Beton, begleitet von dem Geklimper des Metalls, als der Strick dagegen schlug. Natürlich war der potente Freibergerhengst auch Quell dieses Lärms.
      “Uhhh, wer ist denn das Schnuckelchen”, erklang Samanthas entzückter Ausruf, als wir uns dem Putzplatz näherten und der Blick darauf freier wurde. Samu war augenscheinlich noch immer mit Hendrik beschäftigt, doch hatte von ihm abgelassen, um Rambi zu beruhigen.
      “Wer von den Dreien?”, fragte ich lachend, während ich Hanni in die Box führte, die Mateo und ich heute Morgen bereit vorberietet.
      “Alle drei, aber besonders der junge Mann, ist sehr ansprechend. Wer ist das?”, fragte sie wissbegierig und war Samu einen vielsagenden Blick zu.
      “Sammy, mach mal halblang, du bist nicht zum Flirten hier”, verdrehte ihr Bruder sofort die Augen und schüttelte mit dem Kopf.
      “Aber du, oder wie?”, entgegnet sie patzig, bevor sie sich lieber mir zu wand, “Also Lina, sag schon, wer ist das?” In Sams funkelte eine Energie, die der von Vriska glich, als sie Lars das erste Mal erblickte, nur dass sie deutlich indiskreter war.
      “Frag ihn doch selbst”, lachte ich, “Aber ich muss dich warnen, er hat eine Freundin. Rechne also nicht mit viel Erfolg.”
      “Ach, das werden wir schon noch sehen”, sprach sie von sich überzeugt und marschierte geradewegs die Stallgasse hinunter. Ich kannte meinen Freund, Sam würde bei ihm mit Sicherheit auf Granit stoßen. Statt mir den wenig Erfolg verheißenden Annäherungsversuch von Sam zu beobachten, zog ich Hanni das rosa, nicht preiswert erscheinende Halfter vom Kopf. Um den Nasenriemen war ein Schoner gewickelt, mit ihrem Namen darauf und einem Krönchen daneben. Ordentlich hängte ich den Gegenstand vor ihre Box und beobachte, wie sie den Kopf zu den Spänen hinstreckte. Erst als erneuter Hufschlag, nun von der anderen Seite, ertönte, wandte ich mich ab. Vriska kam mit Wunderkind auf dem Wagen daher gelaufen, strich dem verschwitzten, und allem voran verdreckten, Hengst am Hals. Dieser atmete wie ein Maikäfer und wusste seine Anwesenheit ebenfalls mit einem innigen Wiehern anzukündigen. Was nur los mit den Tieren heute?
      “Voll hier”, merkte Vriska beiläufig an und versuchte mit dem Sulky einen Weg zur Putzgasse zu finden, was trotz des außergewöhnlichen breiten Ganges, eine Herausforderung war.
      “Ja, Samantha hat gerade ihre Stute gebracht”, erklärte ich ihr den Grund den Trubel, “Ich kann Rambi gerade wegbringen, wenn er im Weg steht.” Besagter Hengst rumorte wieder und versuchte damit die Aufmerksamkeit, vermutlich vordergründig von der Stute, auf sich zu ziehen.
      “Mateos Schwester, richtig?”, sagte sie und nahm den Helm ab. Wunderkind stand ganz ruhig neben ihr, anders als die anderen Rennpferde am Stall hatte er nur einen kleinen Schaden im Kopf. “Aber nein, sein Halfter hängt ganz hinten.”
      “Ja, genau”, bestätigte der Schweizer selbst, der an die Boxenwand gelehnt sowohl mich als auch seine Schwester im Auge behielt.
      “Oh, hallo”, begrüßte sie ihn freundlich, aber verschwendete nur einen kurzen Blick an den hübschen Mann. Er nickte. “Aber, was für ein Pferd?”
      “Es steht nahezu vor dir”, deute ich auf die Box hinter mir, die allerdings verlassen war. Offenbar hatte Hanni sich genau in dem Augenblick auf den Paddock begeben.
      “Okay, doch nicht”, lachte ich, “Eigentlich sollte da eine hübsche Dame stehen.”
      Kommentarlos warf Vriska die Leinen über den Rücken des Hengstes und öffnete die Boxentür, um hindurchzulaufen und das Pferd im Dreck zu betrachten. Hanni hatte sich in den Matsch geworfen, als hätten die Späne nicht gereicht, nein. Das Gen löste offenbar auch eine Vorliebe für besonders hartnäckigen Dreck aus.
      “Hübsch ist es jetzt nicht mehr”, lachte sie und wich immer wieder den neugierigen Stupsern der Stute aus.
      “Meintest du nicht, sie sei eine Prinzessin, Mateo? Ihr Verhalten scheint bisher nicht sonderlich königlich”, fragte ich amüsiert bei dem jungen Mann nach.
      “Ja, Hanni verschleiert ihre wahre Identität gerne. Du weißt schon wegen der Presse”, scherzte dieser. Amüsiert schmunzelte ich und wand mich wieder Vriska zu: “Also du hast gehört, neben dir steht Prinzessin Henade.”
      “Ah, cool. Freut mich, dann euch allen noch viel Spaß. Ich muss weiter”, dann schaute sie auf ihre Uhr am Handgelenk, die große Ähnlichkeiten mit der Stute aufwies, “noch drei Pferde und ich habe einen Termin.” Kaum lagen die Worte in der Luft, sprang sie flink wie ein Eichhörnchen zum Hengst und kämpfte sich den Weg durch die Gasse. Was ein Termin das wohl sein mochte, der sie zu solcher Motivation trieb? So wie Vriska verschwand, kam Sam zurück, nicht minder fröhlicher als zuvor.
      “Erfolg gehabt?”, fragte ich neugierig, nicht in der Erwartung, dass sie Ja sagen würde.
      “Ja, ich kenne jetzt seinen Namen, was er hier macht und ebenso des hübschen Hengstes”, grinste die junge Frau triumphieren.
      “Klar, Schwesterchen, weil das sicher dein Ziel war”, zog Mateo sie sogleich auf.
      “Entschuldigung, ich habe mal ein wenig Respekt vor deiner Schwester, außerdem geht dich das gar nichts an”, echauffierte sie sich, “Aber anderes Thema. Lina, ich wollte dir noch ein paar Sachen zu Hanni sagen, bevor ich verschwinde.” Ich nickte, doch sogleich ertönte wieder Geklapper, verursacht durch einen gewissen Freiberger.
      “Ähm, entschuldige mich kurz. Ich bringe mal schnell die Krawallschachtel da weg, bevor er noch alles auseinandernimmt”, sprach ich und lief zu dem braunen Tier. Kaum war ich in seinem Blickfeld, endete der Krawall und er stand da wie ein unschuldiges Lämmchen.
      “Perfekt, dann kann ich ja endlich arbeiten”, sprach Samu und verschwand mit Hendrik in die Halle. Dahinter kam Wunderkind zum Vorschein, den Vriska gerade aus dem Lederzeug befreite. Noch immer interessierte es mich, was für ein Termin das wohl sein mochte.
      “Vriska?”, fragte ich neugierig, “Was ist das, wo du so dringend hinwillst?”
      “Äh”, stammelte sie. Aber noch bevor ich eine Antwort bekam, schob sie mit dem Fuß die Schüssel zum Hengst und lief zur Sattelkammer mit dem Equipment. So einfach würde sie mich nicht loswerden, also folgte ich ihr, nahm dabei sogar den Sattel mit, der noch neben meinem Freiberger hing.
      “Komm schon, mir kannst du es sagen. Ich verrate es auch keinem”, versprach ich ihr.
      “Ich fahre nach Malmö”, flüsterte Vriska mit funkelnden Augen, nach dem sie sich prüfend umsah, ob noch mehr Leute uns gefolgt waren.
      „Und was willst du da?“, fragte ich ebenso leise wie sie. Was auch immer ihr vorschwebte, schien wirklich geheimnisvoll zu sein.
      “Mir was anschauen”, sprach sie weiter in Rätseln, ohne dabei die Tür außer Acht zu lassen. Wirklich viel schlauer wurde ich aus dieser Information nicht, schließlich dachte ich mir bereits, dass sie nicht einfach aus Spaß dorthin fuhr.
      „Könntest du bitte ein wenig konkreter werden? Was schaust du dir an?“, hakte ich unentwegt nach. Noch einige weitere Minuten vergingen und Umformulierungen meiner Fragen, bis sie sich endlich zu Wort meldete.
      “Schon gut, ich erzähle es dir”, Vriska rollte mit den Augen, “am Abend ist Rennen und morgen Früh werde ich ein potenzielles Pferd Probereiten.” Bei Stichwort Rennen bekam ich allmählich eine Idee, was oder besser gesagt, wer der Grund für Vriska Motivation sein könnte.
      „Stalkst du mal wieder das arme Pferd?”, grinste ich beinahe sicher, dass ich auf der richtigen Fährte war.
      “Wieso arm? Der ist nun mal schick”, zuckte sie mit den Schultern, als wäre es sonst nichts.
      „Na, vielleicht möchte es nicht gestalkt werden", entgegnete ich, „Aber schick ist es tatsächlich."
      “Sehr witzig”, Vriskas Stimmung kippte plötzlich und sie stürmte beinah frustriert aus der Tür heraus.
      “Tut mir leid, was ich gesagt habe”, rief ihr nach, doch sie schien mich nicht hören zu wollen. Das hast du mal wieder gut hinbekommen, Lina, dachte ich. Natürlich zog ich die Fettnäpfchen mal wieder an, ohne es überhaupt zu bemerken. Seit dem Jahresende gab es immer mal wieder helle Momente, in denen es zwischen uns lief wie früher, doch dazwischen war es schwierig. Mir war bewusst, dass es nicht allein an ihr lag. War Niklas zu Hause, ging sie mir bewusst aus dem Weg, um Konflikte zu vermeiden. Ich verstand dies, denn er wurde ihr gegenüber noch immer außerordentlich unangenehm. War mein Freund nicht, da blieb häufig nur wenig Zeit für Gespräche und Aktivitäten, schließlich warte auf uns beide tagtäglich ein Haufen an Arbeit, der sich nicht von selbst erledigte. Infolgedessen lebten wir ziemlich aneinander vorbei, obwohl wir nahezu Tür an Tür wohnten.
      Als ich zu Rambi zurückkehrte, war Vriska mitsamt des gescheckten Trabers verschwunden. Ich seufzte, ob das jemals wieder normal werden würde zwischen uns?
      Treu rieb der Freiberger seinen Kopf an mir und hinterließ dabei einige helle Haare auf meiner dunklen Jacke.
      “Na, komm Rambi, bringen wir dich ins Bettchen”, sprach ich zu ihm, wuschelte ihm durch die dichte Mähne, bevor ich dir Stricke losmachte. Beim Durchschreiten, der Gasse, ließ es sich der Hengst natürlich nicht nehmen, an der Box der Stute noch einmal den Hengst raushängen zu lassen. Laut brummelte er, stellte Hals und Schweif auf und tippelte Piaffen-ähnlich auf der Stelle. Während Sam angetan von dem Hengst schien, zeigte die Stute in der Box nur recht wenig Interesse. Hanni steckte zwar den Kopf hinaus, schnuppert kurz an dem Hengst, suchte dann lieber in Mateo Taschen nach etwas Essbarem. Bevor der Womanizer an meiner Seite noch energischer sein Interesse bekundete, bemühte ich mich, ihn von der Stute wegzubekommen. Glücklicherweise zeigte das monatelange Training Erfolg, sodass er selbst für mich händelbar blieb.
      “Willst du einen Kaffee, bevor du mir von Hanni erzählst oder musst du direkt wieder los?”, bot ich an, als ich von draußen wiederkehrte. Mateo hatte sich offensichtlich wieder an die Arbeit begeben, denn er war verschwunden.
      “Gibt es den auch mit guter Aussicht”, grinste sie breit und schielte zu Halle hinüber.
      “Hast du mir eigentlich zugehört, als ich sagte, Samu habe eine Freundin?”, lachte ich.
      “Jetzt sei mal nicht so ein Spielverderber, ich will doch nur schauen”, rollte sie mit den, Augen.
      “Mach dir aber nicht zu viele Hoffnungen, Sam, deine Chancen stehen aktuell nicht so gut”, warnte ich sie und schlug den Weg zu dem kleinen Zuschauerraum ein.
      Als ich ihr die Tasse vor die Nase stellte, klebten ihre Augen bereits an Samu, der mit Hendrik über den Sand schwebte. Der Hengst war, aber auch wirklich ein Prachtstück und ich war mir beinahe sicher, dass er nicht nur seines Talentes wegen, als zukünftiger Zuchthengst für das WHC auserkoren worden war.
      “Danke”, sprach sie, als sie die Tasse wahrnahm, aber löste ihre Augen nicht von den Geschehnissen in der Halle. “Ist der hübsche Hengst von eben deiner?”
      “Ja … vielleicht, ich weiß noch nicht”, antworte ich ihr wahrheitsgemäß.
      “Wie kann man denn nicht wissen, ob einem ein Pferd gehört?”, blickte sie mich verwundert mit ihren strahlenden Augen an, bevor diese wieder abwanderten.
      “Das solltest du mal meinen Chef fragen”, kicherte ich. Es gab Momente in den Tyrell tatsächlich vergaß, dass es mehr Pferde auf dem Gestüt gab als die Traber. So war er ein wenig verwundert gewesen, als ich im Dezember vorschlug, Pleasing für etwas Ponygesellschaft zu Maxou zu stellen, denn er hatte vergessen, dass dieses Pony überhaupt existierte. Manchmal war es wirklich verwunderlich, wie lange Tyrell einen Hof hatte führen können, ohne dass etwas dabei gewaltig schiefging.
      “Aber in meinem Fall ist die Antwort relativ einfach. Rambi steht zum Verkauf und ich habe mich noch nicht entschieden”, erklärte ich schließlich.
      “Oha, dein Erst?! Wie kannst du dich noch nicht entschieden haben? Der Hengst ist großartig!” Sam klang empört und starrte mich dabei an, als sei ich von allen guten Geistern verlassen.
      “Ja, Einheitssprache ist wundervoll, aber ich weiß nicht, da sind so viel Sache, die es zu bedenken gilt. Ich habe ja bereits zwei Pferde und demnach ist da einerseits der zeitliche als auch der finanzielle Aspekt, schließlich wächst keins von beidem auf Bäumen”, legte ich dir Gründe für meine Unentschlossenheit dar. Tatsächlich war Rambis Verkaufsanzeige lange Zeit aus meinen Gedanken verdrängt worden. Ich wollte es mir nicht vorstellen, den Hengst eines Tages wieder abgeben zu müssen. Erst im Januar, als Ingrid die Vorbereitungen für ihren Umzug in die Wege leitete, rief sie mir ins Gedächtnis, dass es langsam erst wurde in dieser Sache. Bis Ende März hatte ich noch Zeit mich zu entscheiden, sollte ich ihn nicht nehmen, würde er vermutlich an einen Händler gehen.
      “Warte, das war Einheitssprache? Der Einheitssprache?”, rief die junge Frau aus und plötzlich hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit. Ihrer Reaktion nach zu urteilen, schien mehr hinter dem Hengst zustecken, als ich bisher dachte.
      “Ich verstehe nicht, was du meist”, entgegnet ich irritiert.
      “Weißt du denn nicht, was ein wunderbar talentiertes Pferd er ist?”, mittlerweile waren ihre Augen so groß, dass ich befürchte, sie könnten ihr gleich aus dem Kopf herausfallen. Hektisch kramte sie ihr Handy aus ihrer Jackentasche und tippte darauf herum. Als sie es zu mir herumdrehte, war ein Video darauf zu sehen. Nordische Meisterschaften im Fahren 2015, Vaggeryd, CAI2*-H1 lautete der Titel. Sam hatte vorgespult bis zu einer Stelle, wo ein prächtiges fast schwarzes Pferd in die Arena trabte. Die Hinterbeine bis knapp in den Kronenrand in Weiß getaucht, der Kopf geziert von einer schmalen Blesse mit zwei leuchtenden blauen Augen. Unverkennbar, dieses Pferd war Rambi. Mit aktiver Hinterhand trabte der Freiberger in den Fesseln, sanft federnd, durch den Sand.
      “Wow, wenn der sich so mal unter dem Sattel geben würde”, staunte ich und beobachte weiterhin, wie das Pferd auf dem Bildschirm über den Bildschirm schwebte.
      “Ja, siehts du und deswegen versuche ich seit Jahren an Decksprünge von ihm heranzukommen, doch seine Besitzerin ist stur wie ein Esel”, ärgerte sich Sam ein wenig
      “Decksprünge? Heißt, dass er ist auch noch gekört?”, verwundert blickte ich sie an.
      “Sag mal Lina, was weißt du eigentlich über dieses Pferd?”, stellte sie eine Gegenfrage und lachte. Es schockierte mich ein wenig, dass sie so viel mehr zu wissen schien, obwohl ich mittlerweile ein halbes Jahr mit dem Hengst arbeitete. Wie war das möglich?
      “Offenbar weiß ich gar nichts. Aber wenn er so erfolgreich ist, wie du sagst und, und gekört, dann … dann wird er ja noch teurer sein, als ich dachte”, stelle ich resigniert fest. Bereits mit dem bisher geschätzten Preis wäre es kritisch geworden den Kauf zu finanzieren, doch mit seinen Erfolgen und der Körung, erschien er mir nahezu unmöglich.
      “Nicht gleich den Kopf hängen lassen. Erfrage doch erst einmal den Preis”, lächelte Sam und drückte aufmunternd meinen Arm, ”Und wenn du ihn dann wirklich willst, dann findet sich bestimmt eine Lösung.” Sie hatte leicht reden. Aus Mateos Erzählungen konnte ich bisher raushören, dass sie seit je her viel Unterstützung von ihren Eltern bekam. Vermutlich verstand sie es gar nicht, wie es war, wenn man nur wenig Rückhalt hatte. Natürlich hatte ich Freunde, aber die fragte man nicht nach Geld und Niklas …? Er hatte bereits an einem einzigen Tag mehr Geld für mich ausgegeben als gefühlt sonst jemand in meinem ganzen Leben, zumindest wenn man freiwillige Ausgaben betrachtete. Damit tat er bereits mehr als genug. Nein, wenn ich Rambi kaufen würde, dann musste ich das allein auf die Reihe bekommen, auch wenn mir nicht klar war, wie das funktionieren sollte.
      “Schon okay”, winkte ich ab, ”du wolltest mir noch etwas zu Hanni erzählen?”
      “Ja, genau”, leitete Sam ein, während ihre Augen wieder zu Samu abschweiften. Mittlerweile war das Warmblut aufgewärmt und Samu somit zu den komplexeren Lektionen übergangen. Momentan arbeitete er daran, dass Hendrik mehr Last auf die Hinterhand aufnimmt, denn wie viele Dressurpferde heutzutage, tat er dies sehr ungenügend, wodurch er zwar vorwärtsstürmt, aber das wenig mit einem harmonischen Anblick zusammenhängt.
      “Das wichtigste vorneweg, Henade verträgt keinen Mais, also bei der Fütterung bitte darauf achten”, informierte sie. Ich nickte und trug diese Information sogleich in das System ein.
      “Des Weiteren”, fuhr Samantha fort, ”musst du aufpassen, wenn du ins Gelände gehst. Hanni wird dort schnell unsicher und benötigt dann einen bestimmten, aber ruhigen Reiter. Nicht dass ich dir das nicht zutraue, aber mir wäre es lieber, wenn du die ersten Male nicht allein mit ihr ausreitest. Ach, und bitte nicht gebisslos, auch in der Halle nicht, dabei wird sie ebenfalls extrem unsicher.” Erneut nickte ich: “Natürlich, wie du es wünschst.”
      “Sehr gut, allgemein ist sie sehr fein zureiten. Im Umgang wirst du merken, dass Henriette ein wenig speziell ist. Sie will unter anderem nachts in der Box stehen, aber ihre Eigenheiten wirst du schon noch selbst entdecken”, grinste sie mich an. Allerdings hielt ihr Blickkontakt nur kurz, bevor er wieder abschweifte.

      Ein paar Stunden später
      Vriska
      “Welche Farbe passt zu einem Fuchs?”, murmelte ich in den Kragen meiner Jacke. Mit zwei Schabracken in der Hand stand ich in der Sattelkammer und konnte nicht entscheiden, was besser zu dem roten Fell passen würde. Hellgrün oder Otter-Gelb? Immer wieder streckte ich den Stoff in die Luft, in der Hoffnung, dass sich das Problem auflöste von selbst.
      “Nimm die Grüne”, erklang ein zartes Stimmchen hinter mir, die nur zu einer Person gehören konnte. Kurz trat Verwunderung ein, ob mein Bewusstsein gerade zu einem zweiten Ich wurde, dann begriff ich, dass Lina den Raum betrat.
      “Ähm”, drehte ich mich zu ihr, “danke.” Sogleich legte ich die gelbe zurück auf die blaue Schabracke und nahm die passenden Bandagen dazu. Wortlos schritt sie vorbei an das Waschbecken, um die Trense auszuwaschen, die sie in der Hand trug.
      “Ich wollte mich bei dir entschuldigen, für das, was ich vorhin gesagt habe. Ich wollte dich nicht verletzen”, sprach sie schließlich und stellte das Wasser an.
      “Schon vergessen”, versuchte ich darüber hinwegzusehen, “meine Reaktion war schließlich nicht die Beste.”
      “Okay, da bin ich erleichtert, dass du mir nicht böse bist”, sprach sie und ein zurückhaltendes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich umdrehte, um das lederne Kopfstück an seinen Platz zu hängen.
      “Interessiert dich, dass womöglich neugierigste Wesen auf diesen Himmelsphären, gar nicht, dass Wieso?”, versuchte ich sie noch Augenblick länger hierzubehalten, bevor ich erst einmal verschwinden würde.
      “Also so neugierig bin ich jetzt auch wieder nicht, oder doch?”, entgegnete sie ein wenig verunsichert, “Aber doch, wenn du es schon so anbietest, wieso sucht du eine Schabracke aus?”
      „Na, für das Pferd. Ist das nicht, offensichtlich?“, wunderte ich mich nun. Wie ein hungriges Eichhörnchen durchwühlte sie den Waldboden und anstelle nach dem eigentlich abgelenkten Thema zu buddeln, dass ich sonst mit niemandem teilen konnte, fragte sie nach der blöden Sattelunterlage. Eigentlich sehr ironisch, dass ich das ursprüngliche Set von Lubi jetzt für den Hengst mitnahm, den Tyrell nicht schaffte, selbst anzuschauen.
      “Ähm, bedingt. Ich dachte, du geht’s es nur Probereiten?”, erklärte sie ihre Frage und blickte mich dabei irritiert an, “Aber mir scheint, du wolltest auf etwas anderes hinaus.”
      “Darf das arme Tier beim Probereiten nicht schön aussehen?”, scherzte ich und packte noch die letzten Gegenstände wie Gerte und Helm in die große Reisetasche vor meinen Beinen. Selbst Haargummis und ein nagelneues Päckchen voller Leckerlis lag darin.
      “Grundsätzlich, ja”, beantwortete ich noch ihren Zusatz.
      “Doch, du bist nur der erste Mensch, der mit unterkommt, der seine eigene Schabracke mitbringt oder ein Großteil des anderen Zeugs da”, lächelte sie mit einem prüfenden Blick in die Tasche.
      “Verrätst du mir auch, was du eigentlich ansprechen wolltest oder muss ich jetzt raten?”, hakte sie schließlich nach.
      “Kommt darauf an, wie viel Zeit du damit verbringen möchtest, denn ich müsste jetzt los”, seufzte ich und schielte zur Uhr. Seit zwanzig Minuten wollte ich im Transporter sitzen, in Richtung Malmö.
      “Na, dann möchte ich dich ungern weiter aufhalten, also sprich”, forderte sie mich auf.
      “Dann wirst du bis morgen Abend warten müssen, oder gar Sonntag früh”, grinste ich und hob die Tasche auf. Lina stellte sich mir allerdings in den Weg, als wäre eine riesige Herausforderung.
      “Aber das ist ja gefühlt erst in einer halben Ewigkeit, das kannst du doch nicht machen!”, beanstandete sie und blickte mich anklagend aus ihren großen, blauen Disney-Prinzessinnen-Augen an.
      “Siehst du doch”, geschickt fischte ich mich an ihr vorbei und lief den endlosen Flur entlang, der allerdings nicht mehr als zehn Meter maß.
      “Vriska, warte doch”, rief sie und lief schnellen Schrittes hinter mir her, “gib mir wenigstens einen Hinweis.”
      “Du hast die Wahl, entweder du springst auf den Beifahrersitz, oder du musst warten”, entschloss ich, ohne Lina direkt Fragen zu müssen, ob sie mitmöchte. Damit fühlte es auch für mich so an, als würde sie eine Wahl treffen und nicht mich enttäuschen.
      “Habe ich die richtig verstanden, ich soll mit, jetzt sofort?”, fragte sie mit ungläubigem Gesichtsausdruck.
      “Ja. Aber du kannst auch erst deinen eifersüchtigen Freund fragen, der dann mir die Hölle heiß macht, als würde ich dich an einen Sklavenhalter verkaufen”, zuckte ich mit den Schultern. Wir standen mittlerweile am grauen Transporter, auf dem die Aufschrift des Hofes im Licht der Reithalle reflektierte. Die Tasche lud ich in der Wohnkabine sicher ein und drehte mich, in der Tür stehend, zu ihr um.
      “Ähm, ich habe doch gar keine Klamotten parat”, stammelte sie hektisch, “Kannst du mir fünf Minuten geben?”
      “Wenn du Dog mitbringst, ja”, grinste ich selbstüberzeugt von meinem Erfolg. Dann zischte die Kleine schon ab, wie vom Teufel gejagt. In der Zwischenzeit überlegte ich, welche Worte die klügsten wären, um ihr zu erklären, dass ich auf einen Typ stand, den ich nicht nur kaum kannte, sondern auch nicht traute, anzusprechen. Noch bevor mein Hirn welche fand, kam der junge Hund angesprungen und trat vorsichtig die Stufe hinauf. Er kannte das Fahrzeug nicht, aber ich allein reichte aus, dass der Rüde sich überwand und im nächsten Augenblick das Innere begutachtete. Keuchend wie eine Lok und mit hochrotem Kopf, erschien auch Lina, kurz nach dem Fellbündel im Inneren. Den großen Rucksack, den sie dabeihatte, verstaute sie ordentlich und sog die Tür hinter sich zu.
      “Okay, ich bin bereit”, verkündete sie vollkommen außer Atem und ließ sich auf den Sitz plumpsen. Kaum saß auch ich auf meinem Polster, startete ich den Motor und fuhr mit knirschenden Reifen zur Ausfahrt. Die Stille hielt für weniger einer Minute an, bis Lina begann mich mit Frage zu löchern, die ich unmöglich alle gleichzeitig beantworten konnte. Immer wieder lachte ich und versuchte meine Unsicherheit zu verbergen, die sie, schlau wie Fuchs, bemerkte. Also begann ich zu erzählen. Die ersten Eckdaten von Basti kannte sie schon, doch dass ich kaum noch ein klarer Gedanken fassen konnte und kein Tag verging, an dem ich nicht an ihn dachte, erfuhr sie erst auf der Reise.
      “Und ja, das war alles, was ich weiß”, seufzte ich, “ach so und er fährt nachher.” Mit den Augen weiter auf der Straße, nahm ich eine Hand vom Lenker und suchte in meiner Handtasche nach den Karten. In weiser Voraussicht hatte ich zwei VIP-Lounge Karten gekauft, auch, falls Lars mitkommen würde, der allerdings für Samstag in Visby genannt hatte und somit keine Zeit aufbringen konnte.
      Lina saß verschmitzt grinsend auf ihrem Platz: “Deshalb die Motivation und die Eile, bereits den ganzen Tag über, ich verstehe. Aber du scheinst ein Händchen für die Unnahbaren zu haben.”
      “Kann man so sagen, ja”, ich spürte, wie meine Augen glasig wurden und wischte mir durchs Gesicht, “aber es wird wie die letzten Wochen auch sein, nur auf Abstand und existiere nicht.”
      “Hey, nicht gleich den Mut verlieren, Vriska”, sprach sie einfühlsam, ”Hast du mal probiert, ihn anzusprechen? Sonst kann er schließlich gar nicht wissen, dass du existierst.”
      “Wir haben schon das eine oder andere Mal Floskeln ausgetauscht, aber für mehr fehlt mir der Mut. Zudem hat er nicht auf Tinder geantwortet. Das sagt doch alles”, erklärte ich mit Enttäuschung in der Stimmenlage.
      “Was ist nur aus der Welt geworden, in der das reale Leben über dem Digitalen steht”, schüttelte sie den Kopf, ”Gib nicht so viel auf diese App und was das andere angeht … du hast ja diesmal mich dabei.”
      “Kann nicht jeder wie du urplötzlich den Bilderbuchkerl treffen”, sprach ich sogleich, bis mir wieder einfiel, wie eifersüchtig sich Niklas entwickelte, obwohl sie viel mehr Gründe dafür hätte – die sie nicht kannte. “Außerdem, was willst du machen, außer ihn verschrecken?”
      “Oha, als sei ich so furchtbar unerträglich. Warum nimmst du mich dann überhaupt mit? Und für Ersteres kann ich nichts, der ist mir einfach so zugelaufen”, schmollte sie sogleich.
      „Man, ich meinte mit deiner Neugier. Das könnte mein Verhängnis werden“, lächelte ich, „außerdem geht es eher um den Fuchs als um den Kerl. Der ist nur … hübsches Beiwerk für die Tour.“
      Von der Halbinsel lenkte ich das Gefährt auf die Europastraße und stellte das Tempomat auf das gegebene Tempolimit ein, um meinen Fuß zu entlasten. Entspannt rollten wir auf der rechten Spur hinter einigen LKW in der Kolonne, während der Hund hinten in einer großen Transportkiste schlief.
      „Ja, ja, aber ich werde mir Mühe geben, dein Beiwerk nicht zu vertreiben, versprochen", sprach sie versöhnlich, „Um was für ein Pferd geht es da eigentlich?“
      „Danke. Sehr zuvorkommend. Also Pferd ist ein Fuchs, Traber Mix aber mit deutscher Sportpferd Eintragung. Das Beste: hohe Dressurausbildung könnte damit Potenzial auf mein Turnierpferd haben. Tyrell war sich aber nicht ganz sicher, was wir mit dem sollen, es ist irgendwie ‚Hauptsache weg‘ und ‚macht was daraus‘, Pacht oder so sagte er“, erklärte ich. Ehrlich gesagt, hatte ich auch nicht genauer zugehört, wodurch mir der Name durch die Lappen ging. An dem Standort wusste man über meine Ankunft Bescheid, deswegen hoffte ich, mir wurde das richtige Pferd gegeben.
      „Oh, das klingt … Speziell“, kommentierte Lina das ziemlich kritisch, „Ich hoffe, du machst dir nicht allzu viel Hoffnung, dass es dein neues Turnierpferd wird.“
      „Tatsächlich, nein, bisher stellte sich jedes Pferd als Katastrophe dar. Als du in Urlaub warst, habe ich heimlich einige besichtigt. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für traurige Tiere waren, vollkommen verritten und selbst Maxou kann vermutlich mehr als die“, nahm ich ihre Aussage nicht für bare Münze, „aber wie kommst du denn darauf?“
      “Doch, kann ich mir ungefähr vorstellen. Aber zurück zu dem Fuchs: Die Wortwahl der Umschreibung, impliziert, dass etwas an dem Pferd nicht stimmen kann“, erklärte sie ihren Gedanken.
      „Er sei etwas schwierig“, grinste ich, „aber wenn Tyrell überzeugt ist, dass ich das schaffe, dann vertraue ich ihm.“
      Auf Höhe Nättraby fuhren wir von der Autobahn herunter für eine Rast. Den Transporter tankte ich voll und Lina verschwand für einen Augenblick mit ihrem Handy. Ich dachte mir nicht viel dabei, schließlich würde Niklas nicht ohne Weiteres das Fehlen seiner Freundin bemerkten. Der aufgeregten Stimme dumpf zwischen den Fahrzeuggeräuschen, schien mir nahezulegen, dass ich recht hatte. An der Kasse nahm ich noch eine Schachtel mit und parkte den Transporter auf dem Parkplatz. Dog erwachte im Inneren und mit einer Leine liefen wir den Grünstreifen entlang. Ungefähr die halbe Strecke hatten wir geschafft. Ich bekam wieder weiche Knie. War es nicht etwas viel, dass ich mir das Pferd anschauen fuhr? Schließlich bewirtschafteten wir deutlich sicherere Reiter als mich am Gestüt, die der Aufgabe besser gewachsen waren.
      Nach einer knappen halben Stunde kehrte Lina zurück, vollkommen aufgelöst und augenscheinlich den Tränen nah. Sie aufmuntern, gehörte eher weniger zu meinen Stärken.
      „Niklas?“, fragte ich beiläufig und sie nickte. Dann seufzte ich. Lina kletterte auf den Beifahrersitz und nach dem Dog wieder in seiner Kiste saß, folgte ich. Ab da an, schwieg sie, stellte nur das Radio lauter, um das schreckliche Gedudel zu genießen. Mehrfach erleuchte ihr Handy das Innere der Kabine, doch ihrer verhaltenen Reaktion nach, blieb es stumm. Gut eine halbe Stunde hielt es an, bis sie schließlich aufgab.
      “Entschuldige, lass dir von mir nicht deine Stimmung vermiesen”, seufzte sie und packte das Mobilgerät so weg, dass es nicht nur aus ihrem Blick, sondern auch außerhalb einer bequemen Reichweite geriet.
      „Du kannst nichts dafür, dass er so ist. Mir würde es sicher nicht besser gehen als dir“, versuchte ich Lina zu beruhigen. Es lagen nur noch einstellige Kilometer vor uns, dann würden wir endlich ankommen. „Wenn du möchtest, können wir morgen auch noch hinüberfahren, nach Kopenhagen. Oder dir einen hübschen Kerl suchen.“ Bei meiner letzten Idee musste ich lachen.
      “Mir einen Kerl suchen? Aber was soll ich denn damit”, fragte sie, aber in ihren Mundwinkel zuckte ein amüsiertes Lächeln.
      „Dich mal mit jemandem unterhalten, der nicht so verrückt ist“, schlug ich vor, „und dann mal sehen.“
      “Mal mit jemandem unterhalten, der nicht so ist … also willst du damit sagen, alle am Hof seien verrückt oder ich rede mit niemandem?”, hinterfragte sie offenbar zum Scherzen aufgebracht.
      “Pferdeverrückt sind die zumindest alle”, brachte ich mehr Klarheit in die Umstände. Gleichzeitig leuchteten bereits die großen Flutlichter der Bahn uns entgegen.
      “Na gut, da magst du recht haben”, stimmte sie mir zu, “aber ehrlich gesagt kann ich mich nicht erinnern, wann ich zuletzt mit jemandem redete, der das nicht ist. Ich weiß sicher nicht mehr, wie das geht mit der Kommunikation”
      “Da kann ich dir auch nur schwer helfen. In der Heimat, egal, mit wem ich gesprochen habe, nach spätestens fünf Sätzen fiel das Wort Pferd und dann konnte ich nicht mehr aufhören”, gab ich offen zu. Mittlerweile stufte ich mich als unheilbar krank ein.
      “Dann bist du wohl ebenso irreversibel vom Pferdevirus befallen wie ich”, lachte sie.
      Auf riesigen Parkplatz standen wir beinah allein, kaum einer kam auf die Idee Ende Februar an einem Freitagabend sich Rennen anzuschauen. Nur mich trieb es wie ein Insekt zum Licht.
      “So, da sind wir”, sagte ich und drehte den Schlüssel um. Lina warf einen rundum Blick aus dem Fenster, wo nicht viel zu sehen war, als schemenhafte Umrisse anderer Fahrzeuge.
      “Mir scheint es, als gehörten wir zu den wenigen Irren, die sich gerne den Hintern abfrieren”, stellte sie fest, bevor sie sich vom Sitz erhob und als Erstes den Hund aus seiner Kiste ließ.
      “Hintern abfrieren?”, aus dem Fach auf dem Armaturenbrett nahm ich unsere beiden Karten heraus, “wir sitzen drinnen, mit Essen und Getränken.”
      Dog hörte das sehr eindeutige Wort und sprang durch den Spalt zu mir nach vorn. Der Schwanz klopfte gegen das Plastik. Sein Gesicht steckte er in meins. Sanft schob ich ihn zur Seite, um mich zu erheben.
      “Oha, also richtig Premium heute. Warum sagst du das denn nicht gleich?”, sprach Lina sogleich ein wenig motivierter. Lachend zuckte ich mit den Schultern, bevor ich aus der Tasche andere Kleidung suchte. Doch es wurde genauso schwer, eine schöne Hose zu wählen, wie die Farbe der Schabracke. Ach ja, ich hatte nur schwarze Hosen dabei, weshalb es niemanden auffallen würde, für welche ich mich entschied. Lina erblickte die Unschlüssigkeit und zeigte mit dem Finger auf die in der linken Hand.
      “So, ich bin fertig”, kam ich abgeschminkt aus dem kleinen Badezimmer, in dem man sich nur drehen konnte und das war es. Im Spiegel konnte ich kaum etwas erkennen, aber es reichte aus, um die Schlieren im Gesicht loszuwerden.
      “Perfekt”, nuschelte es mehr aus dem Pullover, aus dem kurz darauf auch ein Kopf auftauchte, “ich hab’s auch gleich.” Geschäftig schob sie sich an mir vorbei, warf noch im Türrahmen stehen einen Blick in die spiegelnde Oberfläche und zupfte an einer Strähne, die sich aus ihren Zöpfen gelöst hatte, um sie gleich wieder hinter das Ohr zustecken.
      “Okay, ich glaube, so kann man sich blicken lassen”, verkündete sie schließlich. Ihr Look hatte sich kaum verändert, so tauschte sie lediglich die dunkle Reithose, die sie noch trug, gegen eine Jeans und den vollgesabberten Sweater gegen einen sauberen.
      “Wunderschön, wie immer”, grinste ich, “also wirklich”, schob ich lieber noch nach, damit sie es nicht falsch auffasste. Dog bekam ein buntes Geschirr aus dem Schrank um und zusammen liefen wir über den matschigen Boden, den ich in der schützenden Umgebung des Transporters bereits verdrängt hatte. Auch der gefleckte Rüde schien nicht sonderlich begeistert und watschelte sie eine Ente auf heißen Kohlen. Am Eingang wurde unser Ticket kontrolliert und uns der Weg gewiesen zur Lounge.
      “Hier lang, denke ich”, entschied ich unentschlossen, denn die Worte verschwanden nach weniger als einer Sekunde aus meinen Ohren. Zumindest standen wir vor einem großen Gebäude, das die Tribüne sein sollte. Davor standen Leute und rauchten.
      “Ja, sieht richtig aus”, nickte die Brünette an meiner Seite. Wir schlängelten uns an den Personen vorbei ins Innere, folgten einer langen Treppe nach oben kann an einer großen Glastür. Entgegen meinen Erwartungen war es gut gefüllt und mit unseren Bändchen am Arm, die wir am Eingang bekommen hatten, ließ man uns eintreten. Eine nette Frau führte uns zu einem Tisch abseits der anderen. Dort stand ein kleiner, eher hässlicher, Blumenstrauß, der schon bessere Zeiten hatte. Von der Decke hingen große Lampen, die teilweise gedimmt waren und ein warmes Licht im Raum verteilten. Kaum saßen wir, wurde uns die Speisekarte samt Programmheft gereicht, als würde man direkt entscheiden können, welches Pferd man essen wollte. Absurde Vorstellung.
      „Ich werde ein Bier trinken, und du?“, fragte ich Lina.
      “Mmm, ich nehme auch ein. Das kann ich heute gebrauchen”, beschloss sie kurzerhand.
      Die Dame kam zurück und nahm die Bestellung entgegen. Nun begann die nächste Suche nach etwas Essbaren. Für mich war die Auswahl nicht groß, doch eine Ofenkartoffel mit Ofengemüse klang sehr lecker. Auch mein Gegenüber wurde fündig, Nudeln mit einer Tomatensauce, was auch als Empfehlung des Hauses galt.
      “Da ist er”, sagte ich zu Lina, als wenig später das Essen auf dem Tisch dampfte. Ich zeigte aus dem Fenster heraus, auch wenn man kaum was sah. Auf der anderen Seite des Raumes hing eine riesige Leinwand, auf der man das Geschehen verfolgen konnte.
      Anstatt auf diese zu blicken, folgte ihr Blick meinem Finger: “Der mit dem Braunen da?”
      “Genau. Die Quote ist ziemlich gut”, merkte ich zusätzlich an und versuchte möglichst normal im Raum zu wirken. Einen Tisch weiter diskutierte ein älteres Ehepaar darüber, welchen Hengst sie für eine ihrer Stuten wollte und dabei mischte sich eine weitere Person ein.
      “Gute Quote hießt gute Gewinnchancen, richtig?”, überlegte sie kurz.
      “Ja, genau. Ich … Ich habe auch eine Platzwette auf ihn, also mal sehen”, grinste ich verlegen und wich ihren Blick aus, der sich sofort zu mir bewegte. Mit der Gabel brach ich die Kartoffel weiter auseinander und verteilte die vegane Creme darin. Noch immer dampfte es, aber mir lief das Wasser im Mund zusammen.
      “Dann hast du hoffentlich auf das richtige Pferd gesetzt”, grinste sie und rollte die Nudel auf ihrer Gabel auf.
      Das Rennen begann nach der Parade. Mit dem Körper drehte ich mich zur Leinwand, um das Geschehen genau beobachten zu können. Mir zitterten die Finger. Das Messer legte ich weg, sicher war sicher. In hoher Geschwindigkeit setzte Fiberglas, die braune Stute an Bastis Leinen, voran, als gäbe es kein Morgen mehr. Nach der zweiten Kurve hatte sie bereits drei Pferdelängen vor dem folgenden Pferd und hielt konstant ihre Position. Obwohl es mir die Sprache verschlug, versuchte ich Lina etwas von meiner Freude in mir mitzuteilen, aber alles, was meinen Mund verließ, waren hohle Worte. Der Kloß im Hals wurde größer. Von hinten zischte eine Fuchsstute vor und überholte Fieberglas beinah, aber die Kurzstrecke hatte es in sich. Kurz vor dem Ziel zogen auch die anderen Pferde mächtig an, was den großen Vorsprung wett machte. Unter dem Tisch wackelte mein Bein und als das Kopf-an-Kopf-Rennen an der Zielgeraden erst ausgewertet werden musste, überkam es mich mit einer unbeschreiblichen Leere. Im Raum wurde gejubelt, aber ich konnte nicht mehr.
      Nach der Auswertung stand fest, dass Basti disqualifiziert, wurde durch Behinderung des anderen Fahrers, obwohl er dazwischen feststeckte. Damit durfte er auch nicht an dem Rennen danach teilnehmen mit Netflix.
      “Vriska, kannst du mir erklären, weswegen er genau disqualifiziert wurde?”, fragte Lina, die offenbar begann ein gewisses Interesse für die Rennen zu entwickeln.
      “Wurde doch gerade gesagt”, murmelte ich, aber erklärte es ihr natürlich. Am Handy spielte ich auch das Replay immer und immer wieder ab, bis ich sah, was die Rennleitung offenbar als Regelverstoß ansah. Sie hörte mir gespannt zu, obwohl meine Worte vermutlich auch klangen, wie von einem eingeschnappten Kleinkind.
      “Es so vielversprechend aus und dann so eine blöde Kleinigkeit. Ist ja wirklich ärgerlich”, kommentierte sie, als sie endlich verstand, was beanstandet wurde.
      “Na gut, egal, kann ich auch nicht ändern”, entschloss ich, die schlechten Gedanken zur Seite zu schieben und setzte das Essen fort. Wir wechselten das Thema. Lina berichtete von der neuen Stute, die im Stall stand und eigentlich auf Tätigkeiten hoffte. Zur gleichen Zeit lag Dog unter dem Tisch und schlief.
      “Ich bin schon gespannt, wie Hanni sich unter dem Sattel machen wird. Sie ist wohl ziemlich fein ausgebildet und demnach, was Samantha so erzählte, klang es wahrhaft traumhaft”, schloss sie ihren Bericht über das, was sie bereits über die Stute wusste. Die Freude über das neue Pferd war ihr wahrhaft anzusehen, denn ihre Augen leuchtete mit jedem Wort förmlich noch ein wenig heller, wie es sonst nur geschah, wenn sie von ihrem Hengst schwärmte.
      “Also geht es für dich dann dieses Jahr mit Niklas auf Turniere?”, scherzte ich und hoffte inständig, dass es sie nicht traurig machen würde. Ich sah das Talent, mit ihren Pferden, viel mehr als das, was ich im Sattel tat.
      “Vielleicht, es ist nicht ausgeschlossen”, lächelte sie, ”In Kiel konnte ich feststellen, dass Zuschauer nicht ganz so schrecklich sind, wie ich dachte. Zumindest habe ich nicht gleich einen Herzinfarkt erlitten.”
      “Du hast eine große Zukunft vor dir, das spüre ich”, stimmte ich zu. Im selben Moment kam allerdings noch ein weiteres Gefühl mit. Wenn es mit dem Hengst morgen nicht funktionieren würde, fehlte mir wirklich die Kraft, weitere Pferde anzuschauen. Wie konnte es so schwer sein, ein Turnierpferd zu finden, wenn das Limit ziemlich hoch lag? Seufzend bestellte ich mir noch ein Bier nach, dass mittlerweile das Dritte war.
      “Na, wenn du das als Hexe so sagst, dann muss das wohl stimmen”, akzeptierte sie meine Aussage grinsend, “Und was ist mit dir? Wenn du auf Pferdesuche bist, ist anzunehmen, du willst zu Dressur zurückkehren?”
      “Wollen ja, aber sehen wir es realistisch: Ich bin vermutlich am Boden besser aufgehoben”, seufzte ich unentschlossen.
      Noch bevor Lina eine Antwort gab, holte man unsere Teller ab und brachte eine Dessertkarte. Ich schob diese direkt an den Rand, doch sie blätterte zumindest darin.
      “Ach, quatsch, du hast ein Talent dafür, auch auf dem Pferd”, sprach sie hinter ihrer Karte.
      „Dennoch halte ich es für unmöglich, dieses Jahr eine internationale Prüfung zu reiten“, versuchte ich es möglichst unbekümmert klingen zu lassen, obwohl mich Lubis Verkauf zu teilen noch in der Nacht quälte. Allerdings war es nicht Lubi selbst in meinen Träumen, sondern ein Pferdewesen, dass sowohl Glymur als auch ihr glich. Wenn ich es ritt, stellte es ganz klar die große Warmblutstute dar, doch am Boden war es der Isländer. Seltsame Träume, die mich um spät nachts hochjagten.
      “Nicht so pessimistisch, das Jahr hat doch gerade erst angefangen. Wir finden erst einmal ein Pferd für dich und sehen dann mal, wohin das führt”, schenkte sie mir ein ermutigendes Lächeln.
      “Damit wird er mich wohl kaum mehr mögen.” Entmutigt stützte meinen Kopf auf den aufgestellten Ellenbogen und sah über ihre Schulter hinweg zur Tür. Noch bestand die Hoffnung, dass er engelsgleich durch die Tür schweben würde. Bisher passierte es nicht.
      “Ein Pferdesportspate bestimmt doch nicht allein, ob man von jemandem gemocht wird, viel wichtiger ist die Persönlichkeit, die den Sport ausübt”, redete Lina mir weiterhin gut zu. Vermutlich musste sie es wissen, aber mit vorlaufender Drehung des kleinen Zeigers, wurden die Augen schwerer und meine Laune schlechter. Sie hätte alles sagen können, aber es hätte nichts genutzt.
      Lina entschied sich gegen ein Dessert und als auch Dog begann zu drängeln, bezahlte ich, was außerhalb der Eintrittskarte lag und wir verschwanden die Treppe heraus. Müde und mit schmerzendem Unterleib vom langen Sitzen stolperte ich wie ein Storch die Stufen herunter. Der Hund zog, als gäbe es kein Morgen, was mir jeden Schritt noch schwieriger machte. Langsam öffnete die Brünette die Tür nach draußen und schon kam uns eiskalte Luft entgegen.
      “Ach ja”, fiel mir noch rechtzeitig ein, “wir schlafen im Transporter.” Bis zum letzten Augenblick hatte ich diesen Fakt verschwiegen.
      „Okay, reicht mir vollkommen", entgegnete sie sanftmütig und schlug den Weg zum Parkplatz ein. Weit kamen wir nicht. Ich stoppte wenige Meter nach der Tür und kramte hektisch in meinen Taschen nach einem Feuerzeug, das ich finden konnte. Ich hätte darauf geschworen, dass irgendwo eins sich darin versteckte, sich allerdings in Luft aufgelöst hatte. Mittlerweile bekam auch Lina meinen plötzlichen Stillstand mit und kam die letzten Meter zurück.
      „Man, jetzt geht das auch noch schief“, nuschelte ich ihr zu, mit der Zigarette im Mund, die mehr als unnötig war.
      „In dem Belangen kann ich dir auch leider nicht aushelfen“, zuckte sie entschuldigend mit den Schultern. Wer hätte das nur denken können, innerlich rollte ich mir den Augen, bis meine Rettung von der Seite an mich herantrat.
      „Ich allerdings schon“, sagte die Person, die mir längst von der Stimme und Dialekt bekannt vorkam. Das Licht der kargen Außenbeleuchtung fiel in sein Gesicht und mir stoppte der Atem. Beinah verschluckte ich mich, aber konnte den Reflex noch unterdrücken, zum Leiden meiner Lunge, die im selben Moment einen kräftigen Druck verspürte. Basti hielt mir das Feuerzeug an die Zigarette und wie versteinert stand ich vor ihm. Keine Regung, nur der Druck auf der Lunge, der immer stärker wurde und dabei weitere Schmerzen im Körper auslöste.
      „Danke“, sagte ich hustend.
      „Kinder sollte nun mal nicht rauchen“, grinste er und zog selbst an seiner.
      „Merke ich mir“, kam es teils nervös, teils genervt über meine Lippen. Erwartungsvoll blickte ich ihn, als gäbe es so viel, was er sagen sollte, aber selbst, schwieg ich. Obwohl ich fest entschlossen mich an der Leine klammerte und versuchte möglichst normal zu wirken, starrte ich ihn ununterbrochen an.
      „Ist noch etwas?“, sprach Basti mehr als verwundert.
      „Ähm“, stammelte ich wieder aus der Trance erwachend, „tut mir leid. Gute Nacht.“ So schnell ich konnte, setzte ich mich in Bewegung, reihte mich neben Lina ein, die das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachtet hatte. Sie grinste unterhalten und nahm mir die Hundeleine ab.
      „Das ist er also, dein Basti“, stellte sie feixend fest, „Du weiß aber schon, dass es sich besser kennenlernt, wenn man spricht und nicht nur starrt.“
      „Bist du verrückt? Nicht so laut, sonst hört er das noch!“, sagte ich möglichst leise und klatschte mit der Hand gegen ihre Schulter, als würde Dog mit seinem Schwanz an ihr Bein wedeln. „Aber was soll ich schon groß sagen? Man. Das ist doch blöd. Ich bin nie so nervös, wenn ich jemanden gut finde.“ Hektisch zog ich an meiner Zigarette, damit sie nicht an Brennstärke verlor.
      „Ist ja gut“, beschwichtigte sie sogleich und senkte die Stimme, „Ich weiß nicht. Worüber man halt so redet, um ins Gespräch zu kommen, das Wetter zum Beispiel oder das Rennen.“
      „Schätzungsweise möchte er darüber nicht sprechen, nach so einem Reinfall, ist bestimmt schon schwer genug“, seufzte ich etwas erschüttert. Wir waren beinah am Transporter angekommen und noch immer vernahm ich seltsame Gefühl, als würden Blicke mir in den Rücken stechen und mich zurück zu ihm führen. Möglichst unauffällig drehte ich mich zu Basti um. Ich hatte recht, er starrte mir wirklich nach, als wäre ich ein Außerirdischer. Auf seinen Lippen lag ein spitzes Lächeln, doch als er mich bemerkte, drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus und lief durch die Tür hinein.
      „Er hat es gehört. Ich sag’s dir!“, wiederholte ich meine Annahme. Lina hatte den Innenraum geöffnet und den ersten Fuß bereits auf der Stufe.
      “Ja und? Dann weiß er jetzt halt, dass du von ihm erzählt hast, ist doch kein Weltuntergang”, entgegnete sie relativ unbekümmert.
      “Aber es ist peinlich”, versuchte ich ihr meine Zweifel zu vermitteln, aber sie lachte nur.

      Am nächsten Tag, 9:50 Uhr
      Trabrennbahnparkplatz in Malmö

      Der Morgen kam viel zu schnell. Während Lina binnen Minuten die Augen schloss und in der Welt der Träume verschwand, plagt mich abermals dieser Alptraum. Mir lief kalt der Schweiß am Rücken herunter. Erst nach einer Hundewäsche und Outfitwechsel fühlte ich mich besser. Lina kam gerade mit zwei Bechern zurück: „Hier, Kaffee. Schwarz, ohne Zucker.“
      „Du bist ein Schatz, danke“, lächelte ich und rief den Hund. Dog kam vom Grünstreifen zurückgelaufen, legte sich in die Kiste und ich schloss sie.
      „Dann können wir los, oder?“, fragte ich Lina, die an ihrem dampfenden Tee nippte.
      “Bereit, wenn du es bist”, nickte sie.
      Kaum saßen wir wieder auf den Plätzen, startete ich den Motor. Laut dem Kartensystem fuhren wir nur fünfzehn Minuten bis zum Hof, der außerhalb der Stadt lag. Vorbei an kargen Bäumen und bunten Häusern folgten wir der Landstraße. Lina hatte ihren Blick aufs Handy gerichtet, lachte zwischendurch und die Finger flogen positiv gestimmt über das Glas. Ich versuchte konzentriert zu bleiben, aber hatte die Peinlichkeit mit Basti und den schlechten Traum noch im Hinterkopf. Unangenehm knurrte auch mein Magen, obwohl ich nie frühstückte. An dem Tag fühlte es sich anders an, auf eine Art unentspannt.
      „Das müsste der Hof sein“, sagte ich zu Lina, als das Navigationsgerät verkündete, dass das Ziel auf der linken Seite lag. Das Gestüt wirkte familiär. Heuballen stapelten sich am Eingang, zwei Hänger standen daneben und mehrere Fahrzeuge. Auf meinen Reitplatz wurde ein braunes Pferd geritten, dass aktiv den Hals wölbte und fleißig voran lief.
      “Oh, das ist hübsch hier ”, entgegnete sie, “Da bin ich mal gespannt, auf das Pferd.”
      „Und ich erst“, staunte ich und sprang in den Kies. Meine Augen hingen an dem großen weiß-roten Eingang, aus dem eine schmale Frau heraustrat.
      „Da sind unsere Gäste“, scherzte sie und kam näher, „freut mich, ich bin Anja.“
      „Vriska und das ist Lina“, stellte ich uns beide vor. Dann kam auch sofort Dog angerannt, der sich in den Dreck warf, um am Bauch gekrault zu werden. Nach der kurzen Begrüßung ging es schon zum Stall. Aus dem Transporter nahm ich meine Tasche mit. Viele Pferdeköpfe erstreckten sich aus dem Gang, durch den wir Anja folgten. Immer wenn wir an einem Fuchs vorbeikamen, dachte ich, wir seien da, doch erst an der letzten Box hielten wir an. Neben uns blickte eine kleine Stute heraus, die gerade so ihre Schnauze auf dem Holz ablegen konnte.
      „Da ist unser Pflegefall“, deutete sie auf einen Fuchs, der uns den Po zugedreht hatte und eine dunkle Stalldecke trug. Seine Ohren tief ins Genick gelegt. Ich nahm wahr, wie Lina erst das kleine haarige Pferd und dann den Warmblüter musterte.
      “Warte, ich kenne die beiden doch, ist das …”, sie klang erstaunt, beendete den Satz allerdings nicht, sondern nahm das Pferd genausten unter die Lupe. Der Hengste drehte sich schlagartig um und schnappte nach hier. Anja zog die kleine noch im richtigen Moment zurück und er traf nur Luft.
      “Das hätte ich sagen sollen”, merkte sie an, aber ich zuckte unbekümmert mit den Schultern. Stattdessen lief ich noch näher heran und reichte meine Hand. Seine Ohren spitzten sich für einen Augenblick, bevor er auch mich anvisierte. Ich schlug mit meinem Handrücken gegen sein Maul. Aufmerksam richtete er sich auf, als hätte er mit Abwehr nicht gerechnet.
      “Alles gut, mein Fehler. Ich hätte daran denken müssen, dass er so darauf ist”, winkte Lina freundlich ab.
      “Warum kennst du das Pferd?”, begriff ich mehr. Dem Pferd kehrte ich den Rücken. Die Augen der anderen wurden groß, aber unbegründet sicher fühlte ich mich in der Position.
      “Aus Kiel, Happy gehörte zu den Auktionspferden, die vom Abdecker freigekauft wurden”, erklärte dir Brünette bereitwillig.
      „Und man gab uns eure Adresse, weil mit ihm nichts läuft. Die ersten Wochen konnten wir in motivieren und jetzt“, Anja unterstrich ihre Aussage mit wedelnden Armen, als wäre das Problem offensichtlich, „also was auch immer ihr macht, nehmt den bitte mit, alles andere klären wir dann.“
      Verwundert sah ich zu Lina, die auch nicht so wirklich verstand, was Sache war.
      „Okay, aber Tyrell meinte, ich soll vorher einmal reiten“, erklärte ich.
      „Du kannst es gern versuchen, ich zeige dir alles.“ Die Dame lief vor und wir folgten. Die Sattelkammer war direkt neben dem der Box, Sattelzeug nahm ich auf den Arm und Lina griff die Putzkiste. Kaum kehrten wir zur Box zurück, stand der Hengst wieder mit drehten Hintern zu uns.
      „Bevor du hereingehst, der tritt, also pass auf“, warnte sie. Zaghaft nickte ich, wühlte aus der Jackentasche ein Leckerli heraus und bewaffnete mich mit dem Halfter. Das Scheppern der Box schreckte Happy auf. Drohend drehte er den Kopf zu mir.
      „So. Wir lassen das jetzt mal. Komm her“, murmelte ich, als würde es etwas ändern. Aber stattdessen giftete er ein weiteres Mal.
      „Willst du eine Gerte? Damit drehen wir ihn immer“, versuchte Anja zu helfen.
      „Nein, besser nicht“, lehnte ich dankend ab. Ein verängstigtes Pferd auch noch zu drohen, würde nicht viel an der Situation ändern. In der geöffneten Boxentür stand ich für geschlagene zwanzig Minuten, bis der Hengst auf der Stelle drehte und vorsichtig den Kopf zu strecken. Er bekam ein Leckerli, dass zunächst verschmäht wurde. Doch nach dem Schnuppern wirkte es wohl interessant und Happy fummelte es von meiner Hand.
      „Gut, jetzt mache ich mir keine Sorgen mehr“, hörte ich Anja zu Lina flüstern.
      “Brauchst du ohnehin nicht, sie weiß, was sie tun … und es scheint, Happy mag sie”, wisperte sie eine Antwort. Innerlich lachte ich, eigentlich wusste ich nichts, aber der Hengst sendete klare Zeichen, wie weit ich herandurfte. In langsamer Bewegung legte ich ihm das Halfter um, strich es vorsichtig über die Ohren und schon folgte er mir. Aus der Box zog er etwas Stroh mit.
      Putzen wurde eine weitere Herausforderung, aber nach knapp einer Stunde der Geduld, meisterten wir auch das. Anja verschwand zeitweise und Lina ebenfalls. Irgendwann kamen sie zurück und ich hatte den Sattel auf dem Riesen sowie meine Schabracke darunter. Leicht angewinkelt trug Happy seine Ohren und folgte mit den Augen genau, was die anderen beiden taten.
      “Vriska, du bist ein Wunderkind”, staunte Lina nicht schlecht, als sie meinen Fortschritt betrachtete. Aus sicherer Entfernung versteht sich.
      “Ihr übertreibt einfach. Der ist nur minimal empfindlich, aber sonst ziemlich umgänglich”, zuckte ich mit den Schultern. Meine Hand strich ihm sanft über die große Blesse, während seine Lippe an der Jacke fummelte.
      “Wenn du meinst”, zuckte sie mit den Schultern, “aber dann kannst du mal zeigen, ob du das minimal empfindliche Pferd auch reiten kannst. Schließlich sind wir dafür überhaupt hier.” Lina gab mir meinen Helm. Das Halfter zog ich herunter und führte ihm am Zügel mit. Doch nach zwei Schritten blieb er wie angewurzelt stehen, wollte keinesfalls mitkommen. Er wendete den Hals, um einen Blick die Gasse zu haben. Hektisch sprang die Plüschstute in ihrer Box.
      „Ach ja, die muss mit“, sagte Anja und holte die Stute. Hending, wie es mir im nächsten Moment vorgestellt wurde, war Happys Freundin und ohne die, bewegte er sich kein Stück. Mit sicherem Abstand folgten sie uns und damit setzte der Hengst auch einen Fuß aus der Gasse heraus. Lina übernahm das Pony, das aussah, wie ein zu kurz geratener Tinker, und ziemlich ungepflegt. In der Halle waren wir allein. Zusammen führten wir die Pferde, bis ein Gefühl für Happy hatte und aufstieg. Dafür hätte besser eine Aufstiegshilfe nehmen sollen, aber als Anja mit dieser ankam, sprang der Fuchs weg.
      Happy setzte mit großen und gleichmäßigen Schritten voran, deutlich weicher im Sitz als Lubi, aber ebenso schwungvoll. Es hatte etwas von einer Schaukel und bereitete mir Schwierigkeiten den Takt zu halten. Durch mein Gewicht versuchte ich ihn zu bremsen, aber Happy dachte nicht einmal daran. Der Zügel hing locker am Hals. Ich sammelte diesen auf und schon drückte er den Kopf an die Brust. Keine Chance gab er mir, überhaupt Kontakt zum Maul aufzubauen.
      „Ruhig“, sprach ich langgezogen. Die Schritte verkürzten sich und ich saß gleichmäßiger im Takt.
      „Guter Junge“, lobte ich und klopfte ihm den Hals. Dann schnaubte er ab.
      „Herzlichen Glückwunsch, du bist weiter, als wir alle zusammengekommen sind“, tönte es aus der Ecke. Ich nickte nur, um den Blick zwischen den braunen Ohren zu halten. Langsam, aber sicher baute ich eine Verbindung zum Pferdemaul auf. Sobald er sich einrollte, löste ich diese wieder auf. Runde um Runde arbeitete ich daran, bis er schließlich meine Hand akzeptierte. Im Zirkel hielt Happy locker die Linie und folgte dabei meiner Schenkelhilfe. Gleichzeitig zupfte ich am inneren Zügel, um ihm die Richtung zu weisen. Erstaunlich gut reagierte er darauf. Auch im Trab reagierte er sanft auf mich. Nur aussitzen konnte ich ihn nicht, dafür bot zu viel Schwung an, was sich wie eine Rüttelplatte anfühlte. Zwischendrin wechselte ich die Hand mit Bahnfiguren und geraden Linien. Auf Schlangenlinie spürte ich, dass ihm die Balance fehlte, aber wenn solange keiner an ihn herankam, wunderte es mich nicht. Nach einer Pause im Schritt am lockeren Zügel galoppierte ich auf der ganzen Bahn, denn in der Wendung trabte er aus, um den Schwerpunkt zu finden.
      “Vriska, ich glaube, aus dem kann richtig was werden. Das sieht richtig gut aus, was du da mit ihm machts”, rief Lina mit zu, die sich mit dem kleinen Fellmonster in der Zirkelmitte platziert hatte. Zum ersten Mal kamen Augen unter der langen Mähne zum Vorschein, denn sie hatte die Zeit genutzt, das ungepflegte Langhaar ein wenig zu bändigen.
      „Denke ich auch, deswegen hole ich mal die Verträge“, verschwand die Besitzerin aus der Halle. Happy holte ich zurück in den Schritt und musste erst einmal Luft holen. Auch er schnaubte ab. Natürlich hatte Lina recht, aber für mich fühlte es sich zu schnell an.
      „Ich weiß nicht. Ist das nicht etwas zu … vorhersehbar? Alle sagen, dass der ganz schrecklich ist und speziell, dann setzte ich mich in den Sattel und alles wunderbar“, seufzte ich unentschlossen. Gut, es ging ohnehin nicht um einen Kauf, sondern nur Training. Mit dem Gedanken ihn zu kaufen, hatte ich mich bereits auseinandergesetzt, aber war es so klug? Damit hätte ich schon zwei und beide davon nicht ganz klar im Kopf.
      “Gerade deshalb solltest du ihn mitnehmen, denk doch mal eine Sekunde nicht an dich, sondern an Happy. Hier ist dem armen Kerl doch nicht geholfen, wenn er sich nicht wohlfühlt und du willst doch sicher nicht, dass dieses talentierte Tier in einer Box versauert, nur, weil niemand an ihn rankommt”, versuchte Lina mich zu überzeugen.
      “Es steht wohl außer Frage, ob wir den mitnehmen. Aber ich denke doch schon wieder viel weiter”, seufzte ich, “weißt du, ich brauche ein Ziel und man. In meinem Kopf ist gerade zu viel.” Happy spürte sofort meine Unsicherheit. Er schlug mit dem Schweif und sprang im nächsten Moment in den Galopp um. Hektisch hob er die Hinterhand in die Luft, aber meine Balance reichte aus, um die Hüpfer auszugleichen. Mit den Knien war ich am Pferd und ermöglichte ihm, sich zu entfalten, außerdem wollte ich ihn nicht im Maul ziehen. Es dauerte lang genug, dass er sich der Verbindung zum Zügel näherte.
      “Tut mir leid, aber daran kannst du dich schon mal gewöhnen”, flüsterte ich, als Happy sich beruhigt hatte. Er schüttelte sich und ich ritt ab.
      “Mach dir nicht selbst so viel Druck. Bevor du verzweifelt nach einem Ziel suchst, solltest du dir erst einmal klar werden, was du überhaupt willst. Wenn du das weißt, findet sich dein Ziel von ganz allein”, sprach sie mit unglaublich viel Optimismus.
      © Mohikanerin, Wolfszeit // 60.724 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende Februar 2021}
    • Wolfszeit
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      kapitel trettiotre | 18. September 2022

      HMJ Divine / Hendrikus von Stalburck / May Bee Happy / Wunderkind / Maxou / WHC‘ Golden Duskk / Moonwalker LDS / Caja / HMJ Holy / Kölski von Atomic / Snotra / Kempa / Glymur / Lotti Boulevard / Just A Friend / Genesis / Global Vision

      Dienstag
      Lindö Dalen Stuteri

      Lina
      Gedankenverloren striegelte das dichte Fell meines Hengstes. Ivy hatte sich heute mal wieder besonders viel Mühe gegeben, mit dem Matsch, welcher in Sprenkeln und Flecken über seinen Körper verteilt war. Hoffentlich würde dieses elendige Matschwetter bald wenig werden, allmählich nervte es mich, dass Divine häufiger aussah wie eine Kuh, als dass er sauber blieb.
      “Meinst du nicht, diese Stelle ist allmählich sauber”, erklang eine Stimme hinter mir, die mich regelrecht zusammenzucken ließ. Blitzartig fuhr ich herum. Über den Rücken des dunklen Pferdes hinweg beobachteten mich zwei strahlend blaue Augen.
      “Samu, du kannst mich doch nicht so erschrecken”, beschwerte ich mich, worauf hin er nur anfing zu lachen. Wie konnte er samt Pferd einfach dort erscheinen?
      “Also, dass du mich übersiehst, okay, aber ich dachte, du hättest zumindest Hendrik bemerkt”, schmunzelte die Finne und strich besagtem sanft über den eleganten Hals.
      “Offensichtlich habe ich das nicht”, brummte ich, ”wie lange steht ihr da schon?” Sanft pustete mein Hengst mir seinen warmen Atem in den Nacken und platzierte seine Schnauze auf meiner Schulter. Der Helle mochte es nicht besonders, wenn ich in solch unwirsche Stimmungslagen geriet und versuchte stets, mit seiner Sanftheit dagegen anzugehen.
      “Ungefähr seit zehn Minuten”, überlegte Samu und bedeute nicht nur darauf, dass Hendrik keine Decke mehr trug, sondern ebenso sämtliches Sattelzeug herangeschafft war.
      “Oh, solange schon und dann sagst du nichts?”, entgegnete ich erstaunt.
      “Ja, ich wollte herausfinden, wie lange du wohl diesen Fleck putzt”, lachte er und begann seinerseits seinen Hengst zu striegeln. Im Gegensatz zu Ivy, war Hendrik nahezu sauber, einzig den hellen Kopf schien er irgendwo entlang gerieben zu haben, denn ein grüner Streifen zierte seine Stirn.
      “Du bist doch blöd”, rollte ich mit den Augen, legte die Bürste weg und griff dafür zum Hufkratzer.
      “Ach, Linchen, sei doch nicht gleich beleidigt”, grinste er, “dafür ist die Stelle jetzt besonders weiß”
      “Definitiv besser aus Moosgrün”, kicherte ich und hob einen der Hufe von Ivy auf.
      “Ich weiß auch nicht, wie er das geschafft hat”, schüttelte Samu den Kopf und verschwand, um einen feuchten Schwamm aus der Waschbucht zu holen.
      “Vielleicht war ihm einfach langweilig und er dachte sich auf diese Art müsstest du dich länger mit ihm beschäftigen”, stellte ich eine, mir logisch erscheinende, Theorie auf.
      “Ja, ich weiß, dass er einen Boxenpartner benötigt und ich habe auch bereits mit Alec darüber gesprochen”, ging Samu auf meine Anmerkung ein.
      “Warum stellst du nicht Lego wieder rein. Wäre das nicht die schnellste Lösung?”, wand ich ein. Da Alec den Rappen konnte ich mir kaum vorstellen, dass er ein Problem damit haben würde.
      “Wäre es”, stimmte mein bester Freund zu,” allerdings hat er sich so gut in der Herde eingelebt und scheint dort auch zufrieden, dass ich ihn ungern dort herausnehmen würde.” Dies stellte tatsächlich ein schlagkräftiges Argument dar, so erkundigte ich mich, was Alec dazu sagte. So wie Samu es wiedergab, hatte er im Grunde freie Entscheidung, darüber, wie er die Problematik löste, was sich darin begründete, dass das Whitehorse Creek offenbar große Pläne hatte, die Alec vereinnahmten.
      “Wenn dir nichts einfällt, könnte ich Tyrell fragen. Er hat sicherlich einen Hengst, der der großen Gesellschaft leisten kann”, überlegte ich. Der Finne nickte und ich verschwand zur Sattelkammer, um Sattel und Schabracke zu wählen. Als Unterlage griff ich zu der hübschen blaue, die Vriska mir schenkte, mir die Wahl des Sattels dauerte heute länger, denn der, den ich sonst für Ivy nutze, war nicht da. Nervig, es wurde wirklich Zeit, dass Divines Sattel endlich fertig wurde. Vielleicht sollte ich mal im Büro nachhaken, ob es Neuigkeiten diesbezüglich gab. Gesagt, getan. Nach der Auswahl eines anderen Sattels, der hoffentlich passen würde, lud ich alles bei meinem Hengst ab, und wuselte unmittelbar die Stufen hinauf. An der Tür hielt ich mich nicht lange damit aufzuklopfen, doch irritierenderweise fand ich nicht die erwarteten Personen darin vor. Hinter dem riesigen Bildschirm des iMac saß Nour, mit den Füßen an Polstern, führte dabei murmelnd ein Selbstgespräch. Auf der Couch langweilte sich Vriska, hing am Handy, aber starrte es mehr an, als es ernsthaft zu verwenden.
      “Muss ja spannend sein, was hier geschieht”, sprach ich irritiert, als ich eintrat, “Was tut ihr hier?”
      „Die Idioten von der Baustelle haben doch gestern das Glasfaserkabel durchtrennt. Seitdem haben wir das blöde Kupferzeug“, seufzte Nour lautstark.
      „Die Renntag Anmeldung dauert ewig oder viel mehr, bis die Seite geladen hat“, erklärte Vriska zusätzlich, die Stimme monoton und der Blick weiterhin am Mobilgerät.
      “Verstehe, deswegen diese maßlose Motivation hier drinnen”, nickte ich. Ich konnte mir ungefähr vorstellen, wie lange die beiden hier bereits sitzen mochten, denn ohne das gute Kabel glich die Browsergeschwindigkeit, wohl möglich der einer Schnecke.
      „Ja, ich durfte auch noch nicht gehen, bevor wir nicht fertig sind“, schnaubte die Blonde.
      „Oh! Da ist die Seite“, schrie Nour plötzlich und hampelte wild auf dem Stuhl, „also Humbria?“
      „Mh, wenn du es für richtig hältst“, zweifelte sie sofort. Für einen Augenblick wich sie von ihrem Gerät, bevor es wieder in ihren Mittelpunkt stand. Dafür, dass sie nichts daran tat, wirkte es ungewöhnlich interessant.
      “Was ist da so interessant?”, fragte ich und trat neugierig an sie heran, denn ein solch unbegründetes Interesse brachte Vriska nur selten für irgendetwas auf. Zumindest so lang kein begehrenswerter Kerl seine Finger im Spiel hatte. Sie versteckte das Display nicht, aber sonderliche Spannung erweckte es auch nicht. Sie hatte einen Chat offen, die Nachrichten noch ganz frisch, sodass sie gerade einmal die volle nutzten. Als ich den Kontaktnamen Sebastian Göransson wurde mir zumindest klarer, worauf sie wartet oder hofft.
      „Auf jeden Fall, da fehlte nur etwas Pfeffer, dann wird das“, motivierte Nour sie, wieder auf den Renntag zurückkommend.
      „Na gut“, Vriska seufzte, „aber ich würde auch gern noch, was mit Wunder machen.“
      Hektisch scrollte sie mit der Maus hoch und runter am PC.
      „Wunder? Wir hätten eine Langstrecke. Da müsstest du dich mit Papa hinsetzen und noch mal die Taktik mit ihm überdenken. Aber grundsätzlich, wenn du nicht auf Sieg aus bist“, berichtete sie.
      „Dann mache ich das. Wer weiß, wofür das gut ist“, beschloss Vriska wagemutig. Nour grinste breit und lehnte sich im bequem aussehenden Bürostuhl zurück.
      „Der Grund fängt nicht zufällig mit B an und endet mit Asti, weshalb du so eifrig bist?“, preschte die schwarzhaarige amüsiert voran. Vriska antwortete nicht, blickte mich allerdings mit großen Augen an, bevor sie das Gesicht in den Händen versteckte.
      „Und …“, Nour baute extra Spannung auf, „da denkt sie direkt wieder an. Es ist schon niedlich, wie verknallt du bist.“
      „Das stimmt doch gar nicht“, eingeschnappt verschränkte Vriska die Arme.
      „Ne, gar nicht“, schmunzelte ich, „dein Handy ist nur so in deiner Hand festgewachsen.“ Augenblicklich rollte sie mit den Augen.
      „Oh doch, Madame! Wenn ihr heiratete, nimmst du dann seinen Namen an?“, konnte Nour sich gar nicht mehr mit Thema aufhören.
      „An was für absurde Situationen denkst du bitte?“, stellte die Blonde verwundert fest und legte schließlich das Handy zur Seite.
      “Nour ist offenbar schon drei Jahre weiter”, grinste ich, “Aber ganz so absurd finde ich den Gedanken eigentlich nicht, so in Zukunft.”
      „In drei Jahren?“, ihre Augen drohten vor Schreck aus dem Kopf zu fallen und sie selbst von der Couch. Kaum hatte Vriska sich wieder aufgerappelt, stand sie im Türrahmen. „Ist noch etwas, oder kann ich meinen Fuchs in den Aquatrainer packen?“ Grandios, wie sie wichtigen Themen aus dem Weg ging. Wobei sie selbst doch immer recht unnachgiebig bei solchen Themen war.
      “Nimm doch nicht alles wörtlich, aber geh, du kannst uns nicht ewig davonlaufen”, schüttelte ich schmunzelnd den Kopf.
      „Stopp, du bleibst!“, stürzte sich Nour dazwischen. „Willst du immer noch mit dem zur Meisterschaft? Ich meine, Elitloppet und schwedische Meisterschaft sind schon ziemlich hohe Ziele.“
      Vriska warf erst mir, dann ihr, skeptische Blicke zu.
      „Was sollte ich bei dem Elitloppet?“, trat weitere Verwunderung ein.
      “Das würde mich nun auch interessieren, was ist das überhaupt?”, hakte auch ich neugierig nach.
      „Eins der preis trächtigsten Trabrennen der Welt. Nur auf Einladung kann man teilnehmen, aber Papa hat seine schon mit Vision und ich hoffe“, begann sie wie ein Wasserfall zu sprechen. Ich wusste nun, dass es Stockholm stattfindet wie jedem Jahr.
      „Dann viel Erfolg“, grinste sie.
      „Vriska! Du kommst gefälligst auch mit. Es kann doch nicht sein, dass du so geringe Ansprüche hast. Sonst muss Basti dir ins Gewissen reden“, gab Nour sich weiterhin Mühe, mich für so ein Event zu motivieren.
      “Das wäre doch etwas für dich, du bist doch sonst nicht aufzuhalten, wenn es um die utopischen Ziele geht”, stimmte ich zu. Schließlich steckte sie sich auch in der Dressur die Ziele immer recht hoch, was bei den Pferden, die ihr immer zuflogen, auch immer Erfolg brachte.
      „Ich kann es versuchen, aber Happy hat Priorität“, nickte Vriska, „aber Lina, was wolltest du eigentlich? Wohl kaum einen Gastfahrerschein beantragen.“
      “Da liegst du vollkommen richtig. Ich wollte eigentlich nachforschen, was mein Sattel macht”, erklärte ich den Grund für das Aufsuchen des Büros.
      „Ähm“, Nour klickte wild herum, bis sie vor dem Bildschirm wieder auftauchte, „drei Wochen ist der letzte Stand. Also, das Warten hat bald ein Ende.“
      “Das ist toll”, grinste ich. Somit würde zumindest für eins meiner Pferde das tägliche Sattelspiel ein Ende finden, “Vielen Dank für die Auskunft, aber jetzt entschuldigt mich, mein Pony wartet.“ Ohne den beiden Mädels noch eine Chance zu lassen, mich weiter aufzuhalten, tippelte ich zurück zu meinem Pferd.
      „Ich dachte schon, du kommst nie wieder“, empfing mich Samu, der gerade Ivy Sattelgurt zu zog und sogar an die Hufglocken hatte er gedacht. „Was hast du denn so ewig gemacht?“ Freundlich von ihm mein Pferd zu Sattel dabei hätte er nicht einmal auf mich warten müssen. Ehrlich gesagt lag meine Erwartung eher darin, dass er bereits seine Runden in der Halle dreht, denn er hatte sicher Wichtigeres zu tun.
      „Neuigkeiten eingeholt“, erklärte ich wage und bedankte mich selbstverständlich, für seine Mühe auch mein Pferd zu satteln.
      „Worüber?“, fragte der Blonde interessiert, während er dem braunen Warmblut das Metallstück vor das Maul hielt. Artig senkte Hendrik den Kopf, nahm dieses von selbst und warte, bis auch das Genickstück hinter seinen Ohren lag.
      „Über meinen neuen Sattel, genauer gesagt, wann dieser endlich ankommt“, erklärte ich, „Ich wollte eine Runde raus, kommst du mit?“ Samu nickte und folgte mir hinaus, wo wir unsere Tiere bestiegen.
      „Ich kann mir kaum vorstellen, dass es so lange dauert, oder holst du deine Informationen per Brieftauben?“, scherzte er und lachte. Von der Heiterkeit angesteckt, machte seinen Hengst einen kleinen Hüpfer
      „Das wär’s noch“, grinste ich, „Nein, Nour und Vriska waren im Büro.“ Bevor ich weitersprach, ließ ich den Blick schweifen, ob jemand in Hörweite war. Vriska würde es sicher schätzen, wenn sie nicht gleich der neue Stalltratsch sein würde. Wie hungrige Hyänen stürzten, sich die Einsteller auf jeden Fetzen, der interessant sein könnte. Manchmal bekam man wirklich das Gefühl, sie hätten nichts Besseres zu tun, als die Handlungen und Leben anderer zu bewerten. Insgeheim glaubte ich, dass dies einer der Gründe war, weshalb es mit Caja nicht funktioniert hatte. Mein innerer Druck war zu hoch. Die sensible Stute spürte das und spannte sich dadurch noch mehr an. Somit gerieten wir in einen Teufelskreis, indem wir einander stressten.
      „Na ja, weißt du, Vriska hat einen neuen Schwarm“, schmunzelte ich und setzte meinen besten Freund über das Gröbste in Kenntnis, ohne wirklich detailreich zu werden. Interessiert lauschte der Finne, warf gelegentlich einen Kommentar ein, bleib aber mit der Konzentration bei dem Hengst. Hendrik schien heute ziemlich spritzig. Bereits beim Aufsteigen tänzelte er unruhig auf der Stelle und auch jetzt drängte er voran und schüttelte ungeduldig mit dem Kopf, wenn Samu ihn mit sanften Paraden zügelte. Divine interessierte das Spektakel wenig, mit wachem Blick stiefelte er gemütlich voran, aber benötigte nicht einmal Zügelkontakt, um sein Tempo zu halten, sodass diese locker auf seinem Hals hingen.
      “Linchen, du darfst gerne gleich weiter quatschen, aber mein Pferd explodiert gleich”, unterbrach er mich, als ich gerade von unserem Besuch bei den wilden Ponys erzählen wollte. Die scheuen Geschöpfte waren wohl das niedlichste, was mit seit Wochen untergekommen war.
      “Dann zeig mal, ob dein edles Tier auch anders kann”, grinste ich herausfordernd und nahm Ivys Zügel auf. Hendriks Körper war bereits so gespannt wie eine Bogensehne kurz vor dem Abschuss,
      “Ach, deine Kugel schafft Hendrik mit links”, feixte er frech und gab seinem Hengst den Weg frei. Wassertröpfchen stoben auf, als der Braune aus dem Stand heraus ansprang, direkt in eine Pfütze.
      “Dem zeigen wir, wer langsam ist”, murmelte ich meinem Hengst zu und drückte ihm die Waden in die Flanken. Leicht verzögert machte Divine zwei Trabtritte, bevor er in den Galopp übersetzte. Sein Schnauben erklang synchron zum Dreitakt seiner trommelnden Hufe, unter denen der Boden erbebte. Mit jedem Galoppsprung, den ich näher an Samu und seinen Hengst herankamen, spritze mir Klumpen aus Matsch entgegen, hinterließen dunkle Sprenkel auf dem hellen Fell und legte sich feucht auf meine Haut. Die raue Landschaft flog nur so an uns vorbei und für einen Moment spürte ich als sei die Freiheit grenzenlos. Stetig schob Divine seine Nase voran, sodass er mit Hendrik fast gleichauf war, als wir die Hengste wieder abfingen. Mit bebenden Flanken fielen die Tiere in den Schritt.
      “Dein Kleiner ist ziemlich flott geworden”, sprach Samu mir seinen Respekt aus.
      “Danke, einen Erfolg muss ja nach einem Jahr sichtbar werden”, lachte ich fröhlich und wuschelte meinem Hengst durch die dichte Mähne.
      “Jetzt untertreib mal nicht, du hast richtig viel geschafft mit Divine. Oder hast du schon vergessen, wie er zu Beginn aussah.”, schüttelte Samu den Kopf.
      “Ja …”, nickte ich unbestimmt. Optisch sah ich auch definitiv einen Unterschied, aber reiterlich schien sich seit Dezember nicht mehr zu tun.
      “Lina, ich merke doch, dass da noch ein ‘aber’ ist”, sagte der Finne und blickte mich scharf an,” brauchst du erst eine Auszeichnung für deinen Erfolg?” Ich zuckte mit den Schultern, woraufhin er sein Handy zückte. Seinem Gesichtsausdruck konnte ich entnehmen, dass er etwas im Schilde führte. Dass er verdächtigt, lange auf darauf herum scrollte, bestätigte meine These.
      “Samu, was tuts du da?”, hinterfragte ich langsam misstrauisch werdend.
      “Ich schaue”, sagte er und klickte etwas an, “für welches Turnier ich Ivy und dich melden werden.” Ein selbstsicheres Grinsen lag auf seinen Lippen, als er dies aussprach.
      “Nein, das geht nicht”, quietschte ich beinahe und riss panisch die Augen auf. Unmöglich konnte ich auf ein Turnier gehen und dann auch noch mit Divine. Das würde doch sicherlich in einer Katastrophe enden.
      “Doch und wie das geht. Ist ganz einfach”, grinste er und tippe auf dem Bildschirm umher.
      “Nein, nein, nein”, protestierte ich und wollte ihm das Handy wegnehmen. Geschickt ließ er Hendrik zur Seite weichen und geriet dabei außer Reichweite. “Ich habe das doch noch nie gemacht und … und Ivy auch nicht. Das kann gar nicht klappen.”
      “Gut, dann nicht mit Divine”, sprach er den Blick noch immer auf dem Viereck in seiner Hand, “Ich nehme an du hast keine Turnierlizenz?” Fragend blickte er mich an, bevor er Hendrik ein wenig in seinem Tempo regulierte, um mir nicht einfach davonzureiten.
      “Ähm, was …”, blinzelte ich perplex. Samu schien entschlossener zu sein, als mir lieb war.
      “Okay, dann müssen wir dir erst einmal eine organisieren”, murmelte er und notierte sich etwas in seinem Handy, bevor es wieder in seiner Tasche verschwand.
      “Ich habe noch gar nicht gesagt, dass ich das mache”, versuchte ich es mit einem letzten Widerstand, doch es half nichts. Samu blieb fest bei seiner Überzeugung und begann damit auszuführen, was alles auf mich zukam, um besagte Lizenz zu erwerben. Irgendetwas von einer … Green Card. So richtig zu hören, ich ihm nicht, versuchte eher zu überlegen, wie ich aus der Nummer rauskommen konnte, ohne tausend Tode zu sterben oder mich vollständig zu blamieren …
      „Du musst aber mitkommen, sonst mache ich das nicht“, stellte ich meine Forderung, als er erneut dazu ansetze, dass es keinen Grund für meine Verunsicherung gab. Er hatte leicht reden, sein Leben war auch stet von Prestige und Erfolg gekrönt gewesen.
      Der Finne grinste breit: „Natürlich, du brauchst schließlich einen Fanclub.“
      „Soweit ich mich entsinne, besteht ein Fanclub, aber aus mehr als einer Person“, entgegnete ich kritisch.
      „Richtig, aber ich gehe davon aus, dass dein Freund und Vriska, ebenfalls als emotionale Unterstützung mitkommen werden“, sprach Samu wohl gestimmt. Der braune Hengst unter seinem Sattel brummelte zufrieden, fast so als habe er zugehört und wollte uns damit seine Zustimmung vermitteln.
      „Mhm, Vriska bewundert, zweifelsohne, lieber ihren Basti auf der Bahn, als mir zuzusehen, wie ich bei einem Einsteigerturnier versage“, sprach ich pessimistisch. Ich hatte in letzter Zeit nicht wirklich das Gefühl, dass jemand ein ernstes Interesse an dem pflegte, was ich tat. Zuschauer ließen sich nur selten blicken und außer Niklas fragte kaum jemand nach meinem Alltag. Dies verursachte das Gefühl in mir, mich wie einer diese Fake-Anzeigen an einer Uhr zu fühlen. Den einzig den Zweck hatten einen schicken, teuren Look zu erzeugen, ohne dass dem Produkt einen tiefen Sinn verlieh. Ich seufzte leise und strich Divine durch die dichte Mähne.
      „Sag schon, was brennt dir auf der Seele“, sprach Samu sanft, „du bist doch sonst nicht so still.“ Wie immer erkannte der Finne, dass es mehr gab als das ausgesprochene.
      „Nichts Wichtiges“, murmelte ich verschlossen. Wie so häufig, kam es mir nicht richtig vor meinen besten Freund in meine banalen Probleme einzuweihen. In den meisten Fällen konnte er ohnehin nicht helfen. Den braunen Hengst hatte Samu so dicht an den Freiberger herangetrieben, dass die Steigbügel klirrend aneinanderschlugen.
      „Linchen, wenn es dich so beschäftigt, kann es nicht so unwichtig sein. Sprich mit mir“, drängte er weiter darauf, die Ursache meiner Stimmung zu finden. In einer ermutigenden Geste strich er mir über meine Schulter. Ich druckste ein wenig herum, während ich zu erklären versuchte, was in mir vorging. Obwohl es mit Mola relativ gut funktionierte, versetzte eine Tatsache, die mir Nour letzten Freitag vor Augen führte, der anfänglich Euphorie einen ordentlichen Dämpfer. Die junge Stute war ein Rennpferd und für die Rennen musste, sei nun mal eingefahren werden. Genau in dieser Tatsache lag das Problem. Mal ganz davon abgesehen, dass meine Grundkenntnisse bezüglich des Themas ziemlich eingeschränkt waren und bereits eine Weile zurücklagen, brach mir allein beim Gedanken daran auch nur Leinen in die Hand zu nehmen, der kalte Schweiß aus. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, wenn es das Ziel war ein Pferd auszubilden. Demnach würde meine Zeit, mit Mondlandung, wohl ziemlich kurz werden.
      Gerade als ich Samu darin einweihen wollte, dass Niklas inzwischen eine Wohnung in der Stadt suchte, genauer gesagt, mittlerweile eine solche gefunden hatte und er jetzt eine Entscheidung von mir verlangte, begann das Handy in meiner Tasche wie wild zu zappeln und wollte gar nicht mehr damit aufhören. Ein eingehender Anruf von Vriska war der Grund, wie ich bei einem Blick auf den Bildschirm feststellte.
      „Liiiina“, schallte mir direkt ihre Stimme ins Ohr kaum hatte ich den grünen Hörer bestätigt, „wo steckst du?“ Allein an der Klangfarbe konnte ich mir vorstellen, wie sie ruhelos umherlief.
      „Ich bin mit Samu Ausreiten“, entgegnete ich und wollte noch den Grund für ihren Anruf erfragen, das fiel sie mir bereits ins Wort. „Wie schnell kannst du bei den Stuten an der Weide sein?“
      „Fünfzehn Minuten, wenn ich mich beeile, vielleicht … Acht“, schätze ich, die Entfernung zur Winterweide ab und überlegte gleichzeitig, was so wichtig sein konnte, dass es nicht warten konnte, bis ich von allein wieder zurückgekehrt wäre.
      „Perfekt, dann beeil dich“, war alles, was ich noch vernahm, bevor das Gespräch abrupt abbrach. Mist, der Mobilnetz war abgebrochen. Fragend hob Samu die Augenbrauen, als ich das Handy nach einem verzweifelten Versuch den Funk wiederzuerlangen, wegstecken.
      „Vriska möchte, dass wir zurückkommen. Ich glaube, es war wichtig“, erklärte ich knapp und versetzte meinen Hengst in den Trab. Ohne Protest tat Samu es mir gleich und wir folgten, dem schmalen Trampelpfad, der auf direktem Weg zum Hofende führte, als der Hauptweg.

      Vriska
      Rhythmisch bebte die Flanke der Stute, die auf der matschigsten Stelle im Gras lag. All das Weiß in ihrem Fell färbte sich braun-grau und mittlerweile auch Rot an den Fusseln der Hinterbeine. Ihren zerzausen Schweif hatte Lars in der Eile eingeflochten, um dem Fohlen den Weg auf die Welt zu erleichtern. Doch nun hing ich an seinem Arm. Die keuchende Atmung des Tinkers am Boden verunsicherte mich, gleichzeitig wusste ich, dass es ein Geschenk der Natur war. Keiner von uns ahnte, dass die Stute Beifang hatte, umso faszinierender, wie aus einem Pferd zwei wurden. Kleine Hufe ragten heraus und ich war mir nicht mehr sicher, ob ich weiter hier stehen wollte am Zaun.
      “Wo bleibt die nur?”, murmelte ich ihn Lars’ kräftige Schulter, an der ich nach Sicherheit suchte.
      “Lina kommt gleich”, aufmunternd strich er mir über den Rücken, “aber das Fohlen ist schon fast draußen. Hoffentlich verpasst sie das Aufstehen nicht. Das ist das Beste.”
      Er konnte nicht riechen, wie viel Kraft mir dieser Umstand raubte. Die letzte Geburt fiel auf schlechte Zeiten, für die Kölski nichts konnte und dass er ein Zwilling wurde, auch nicht. Der Stute nahm es viel und mir noch mehr, dass Krít derartig litt. Zeitgleich musste ich mit dem Tod meiner besten Freundin kämpfen. Zu viel für mein kleines Hirn, dass ohnehin Probleme schuf, die es nicht gab. Offenbar drückte sich das Chaos nach außen, denn Lars legte seinen Arm um mich.
      “Das wird schon und Lina kommt auch”, sagte er und zeigte zum Wegesrand. Ich richtete mich etwas auf. Holys Kind, rabenschwarz, mit kleinen Abzeichen an den Beinen, hing nur noch mit den Hinterbeinen in ihr.
      Von der Seite schallte gleichmäßiger Hufschlag auf dem nassen Waldboden. Das Trommeln drückte mir auf die Ohren. Kalte Luft zog wie eine Meeresbrise durch mein Haar, bevor warmer Atem mir am Ohr kitzelte. Eine weiche, helle Pferdenase drückte sich nah in mein Gesicht, obwohl ich eigentlich in Lars‘ Arm schützend lag.
      “Gerade noch rechtzeitig”, grinste ich Lina an, die sofort vom Hengst sprang. Ohne darüber nachzudenken, ließ sie die Zügel los und Samu griff direkt danach, mit einem unverständlichen Seufzer auf den Lippen. Sie stellte sich zu uns, schenkte meiner ungewöhnlichen Position keinerlei Beachtung, sondern blickte mit funkelnden Augen zur Stute.
      „Da ist der kleine Fratz ja schon“, stellte sie begeistert fest, „und so dunkel, gar nicht wie die Mama.“
      “Wer weiß, was sich auf ihr verirrt hatte”, lachte Lars, den Blick begierig auf mich gerichtet.
      „Los, geh‘ auch schauen. Wir haben so lange auf sie gewartet“, flüsterte er mir dann zu und gab mir einen kleinen Schubser, dass ich mich auch zum Fohlen bewegte.
      Holy stand auf, um ihr Neugeborenes zu säubern und der Rest der Herde kam langsam dazu. Dabei war auch Snotra, die ebenfalls ein Geschenk ankündigte. Unsere Vermutung aus Kanada hatte sich bestätigt. Glymur schaffte es in der kurzen Zeit zwei Stuten zu decken, zu meinem Enttäuschen war Kempa die andere. Von Milena hatte ich lange nichts mehr gehört und ich war froh, dass Tyrell ihr diese Nachricht überbrachte. Seiner Aussage zur Folge hatte sie keine Bedenken und freute sich sogar – kein Wunder, Glymur gehörte schließlich zu den guten Pferden.
      Ich scheute die Isländer etwas zur Seite, denn Holy wirkte alles andere als zufrieden mit der Situation. Ihre Ohren lagen im Genick und zwischendurch quietschte sie leise. Lina nährte sich dabei langsam dem Fohlen, um es genauer inspizieren zu können. Leise murmelte sie einige fremdländische Worte und behielt dabei die Körpersprache der Stute im Blick. Der Tinker schenkte ihr allerdings das nötige Vertrauen, sodass Lina sich mit geringem Abstand vor Holy mit dem Neugeborenen hocken konnte. Erschöpft lag das kleine Wesen im Gras und erhob langsam den Kopf und richtet zum ersten Mal die kleinen Ohren auf. Die Augen blinzelten langsam. Meine Beine standen wie verwurzelt auf der Stelle. In mir zerrte die Neugier, aber Angst und Schuld lag im Vordergrund meiner Bewegungsunfähigkeit.
      “Ivy scheint nicht der Vater zu sein, auch wenn es dich zu mögen scheint”, flüsterte ich mit einem zarten Schmunzeln.
      „Es scheint so“, nickte sie ein Lächeln auf den Lippen, „aber sicher hat Holy sich einen ebenso hübschen Hengst ausgesucht.“
      “Vielleicht erfahren wir es noch.”
      Eine Weile standen wir in der Herde. Tätschelten all die neugierigen Stuten. In kleinen und vorsichtigen Schritten kämpfte sich das junge Pferd auf die Beine. Zittrig stand es im Dreck, das Fell nass, aber sauber geputzt von der blutverschmierten Stute. Alle Augen waren auf es gerichtet und eine angenehme Stille hing in der Luft an diesem kühlen Märztag. Weiterhin nuschelte Lina in ihren hohen Kragen hinein, während ich die Stuten mit Mineralien aus meiner Jackentasche versorgte, um sie vom Fohlen fernzuhalten. Die Männer unterhielten sich am Zaun, nicht sonderlich angetan von der Situation.
      “Wann kommt denn der erste Traber?”, fragte Lars. Ich löste mich von den Stuten. Neugierig liefen sie mir nach, schließlich hatte ich noch immer die Leckereien bei mir.
      “Mitte, Ende April. Lotti war als Erstes trächtig geschallt worden”, klärte ich ihn auf. Langsam wurde mir kalt. Durch meine gefütterte Neoprenjacke kroch der Wind an meine verschwitzte Haut und Kleidung. Selbst die Winterreithose hielt nicht, was sie beim Kauf versprach. Wirklich passend gekleidet war ich somit nicht für einen so langen Aufenthalt auf der Weide, zu dem wollten wir nur kontrollieren, wie es den Pferden geht. Wer hätte es kommen sehen können, dass plötzlich ein Tinker im Dreck liegt?
      „Hat Nour dir schon erzählt, was Papa für eine Idee hatte?“, wechselte Lars das Thema. Ich schüttelte den Kopf und stieg durch den Zaun zu ihm. Samu drehte sich ebenfalls etwas ein, um dem Gespräch zu lauschen, denn seine beste Freundin war in ihrer eigenen Welt abgetaucht.
      „Er möchte ein oder zwei Pferde kaufen.“ In seinen Augen leuchtete es, als hätte er im Jackpot gewonnen.
      „Oh, das ist toll“, versuchte mich freundlich gesinnt auszudrücken, aber der ironische Unterton schwang mit. Woher mein Unmut rührte, erklärte sich mir nicht, aber vermutlich war es meine allgemeine Stimmung.
      „Auf jeden Fall und für Bear gibt es bereits Deckanfragen“, erzählte er weiter.
      “Und selbst ein Fohlen von ihm ziehen?”, schlug ich vor. Der Frühling stand bevor. Zugvögel kehrten aus dem Süden zurück, obwohl wir gerade einmal an den zehn Grad Celsius kratzten und das auch nur an wirklich heiteren Tagen. Noch deutlicher spürte man eine Leichtigkeit, ein beschwingtes Gefühl, das über den Hof zog, wie eine Welle aus Hormonen, von denen niemand verschont blieb. Es schien, als würde es in unserer Natur liegen, doch ich wusste es besser. Jahreszeiten beeinflussten uns nur in die Stimmung.
      “Nun”, er atmete stark aus, “wir haben noch einen Dreijährigen in Visby stehen, der von Bear abstammt.”
      Verblüfft drehte ich mich deutlich zu ihm.
      “Wieso habt ihr ihn nicht mitgebracht?”, hakte ich nach.
      “Er gehört uns nur zur Hälfte und bisher gab es keinen Grund den Trainer zu wechseln. Ihm geht es gut dort”, erklärte Lars zuversichtlich.
      “Schade, kein kleiner Bear am Hof”, theatralisch drückte meine Unterlippe über die andere.
      “Die beiden haben keine Ähnlichkeiten”, merkte er an. Aus der Innentasche seiner Jacke holte er das Handy heraus. Die Finger huschten zügig über den Bildschirm, bevor er mir das Gerät reichte. Irritiert drehte ich es. Überall waren Risse im Glas, die noch frisch wirkten. Durch die Folie sah ich, dass auch der Bildschirm betroffen war.
      “Mh”, seufzte ich in mich hinein.
      “Jetzt schau dir die Bilder an, nicht das Handy”, rollte er mit den Augen. In der Zeit verdunkelte sich die Oberfläche.
      “Geht nicht”, gab ich es ihm zurück. Lars schüttelte schmunzelnd den Kopf und tippte seinen Bildschirm-Code ein. Schon sah ich, was er mir präsentierte. Auf den Bildern war ein junges Pferd, schmale Beine, mit einem breiten Kopf und Rumpf. Den Nasenrücken zierte eine zarte Blesse. Nur ein Bein zeigte ein kleines Abzeichen. Von dem vielen Weiß des Vaters übertrug sich nichts auf das braune Tier und eine solche imposante Ausstrahlung hatte es ebenfalls nicht.
      „Cool“, sagte ich unbeeindruckt.
      “Was ist cool?”, schnappte Lina das Wort auf. Die Kleine beschloss wohl, dass das kleine dunkle Pferdebaby nun ausreichend Beachtung hatte. Möglicherweise lag ihre Wiederkehr aber auch an den herrschenden Temperaturen, die allmählich auch sie erreichten. Ivy hob den Kopf, als auch die Schritte seiner Besitzerin hörte. Einzelne kurze Grashalme ragten aus seinem Gebiss heraus.
      “Lars hat mir ein Bear-Kind gezeigt, aber es ist”, bewusst verstummte ich und biss mir auf die Lippe.
      Skeptisch hob er eine Braue.
      “Es ist was? Wolltest du etwas hässlich sagen?”, legte er mir nicht gesagt Worte in den Mund.
      Jetzt hob ich eine Braue, aber lächelte stolz zu ihm.
      “Das hast du gesagt, nicht ich”, scherzte ich.
      “Aber du hast es gedacht?”, fragte sie feixend und strich dem weichen Hengst, der sich ungestüm näher an den Zaun drängte, durch die dichten Haare auf seiner Stirn.
      “Noch nicht fertig. Das war mein Gedanke”, klärte ich die Situation auf, obwohl sie recht hatten. Samu hielt sich weiterhin aus der Sache heraus, aber folgte uns gespannt. Dabei fraß sein Berittpferd im Grünstreifen die wenigen Halme.
      “Ich denke, wir sollten zurück. Es wird kalt”, stelle Lars monoton fest.
      © Mohikanerin, Wolfszeit // 30.405 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte März 2021}
    • Wolfszeit
      Platzhalter März
    • Wolfszeit
      Springen E zu A | 30. April 2023
      Di-Dior // Tamara Jones
      Diet Mountain Dew // Brooke Scott
      WHC’ Cookie n’ Milk // Melisa Rodríguez
      WHC’ Le Beau // Grant Ellis
      Hendrikus zu Stalburck HT // Jack Baldwin

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      Tamara Jones
      Ich hatte im letzten Monat viel mit Di-Dior das Springen geübt und sie so weit trainiert, dass sie bei den Turnieren gut abschnitt. Sie hatte einen tollen Sprung, nur bis man sie dahin bekam, dass sie absprang, war es ein weiter Weg. Sie machte halt nur genau das, was man ihr zu tun pflegte. Nicht mehr und nicht weniger, umso schwieriger war das Stangentraining mit ihr. Wenn man sie nicht darüber trieb, hob sie einfach nicht ihre Beine und bei jedem noch so kleinen Windzug erschrak sie in der Halle und stand da und hörte sich wie ein Drache an. Sie war einfach ein sehr guckiges Pferd. Ich wusste auch nicht, was Brooke an der Stute fand, bis auf die auffällige Farbe. Gerade die Stangen auf einem Zirkel fielen ihr schwer, da sie sich vermehrt biegen musste im Schritt, um weiterhin mittig die Stangen überqueren zu können. Genauso gern hatte sie auch die Übung, in der man eine Acht reitete und im Schritt auch hier einzelne Stangen überschreiten musste. Stangenarbeit war einfach nicht ihre Lieblingsaufgabe. Einzig durch den Parcours zu fliegen, das schien der Fuchsstute zu gefallen. Dennoch hatten wir noch einen langen Weg vor uns.

      Brooke Scott
      Ich hatte endlich wieder Zeit gefunden mich selbst um Diamonds Training zu kümmern und so langsam, da ich mehr Spaß am Springreiten gefunden hatte, wollte ich sie in der Sparte mehr fördern. Ich nutzte viel Stangenarbeit in meinen Trainings mit ihr und da sie das kannte und unglaublich arbeitswillig war, lief das Training wie am Schnürchen. Heute allerdings waren wir mit Nate zu viert in der Halle. Neben mir waren Grant, Melisa und Jack am Reiten. Mit letzterem hatte ich nun schon eine Weile nicht gesprochen. Kontaktabbruch, wie unsere Generation es nannte. Nate hatte wieder einen E-Parcours aufgestellt, den ich mit meiner eigenen Stute und die anderen drei mit den Berittpferden vom WHC’ durchspringen sollten. Danach sollten wir bereit für die A Turniere sein. WHC’ Cookie n’ Milk war eine hellbraune Warmblutstute, mit großer Blesse und vier weißen Beinen. Sie verhielt sich verschmust und mutig und hatte Spaß am Sprung. Nur schien sie heute mit ihrer Reiterin wohl einen schlechten Tag zu haben. Sie war zögerlich und wenn der Sprung nicht zu 100% richtig anvisiert und angeritten wurde, zögerte oder aber verweigerte. Melisa hatte wohl heute auch einen schlechten Tag, weshalb sie der Stute nicht genug Sicherheit geben konnte. Nate versuchte zwar mit Rat und Tat ihr bei zu stehen, doch ich kannte die Situation nur zu gut von mir. Wenn ich nicht ganz bei der Sache war oder einen schlechten Tag hatte, konnte ich keinem unsicheren Pferd die nötige Sicherheit geben. Mel sollte die Stute also lieber nochmal in den Distanzen schulen und den Parcours morgen erneut reiten.
      Also schaute ich Grant und WHC’ Le Beau zu und beobachtete, wie sie durch den Parcours kamen und was die beiden für Fortschritte gemacht hatten. Er galoppierte Beau in der Ecke an, ritt auf das erste Kreuz zu und die Dunkelbraune sprang gut ab. Sie war gefestigt und auch der Oxer machte ihr nichts aus. Die Distanzen mussten beide allerdings noch etwas besser abschätzen, auch wenn sie sehr gut durch den Parcours kamen. Nach dem letzten Sprung schnaubte sie ab und galoppierte in einem ruhigen Galopp die Bande entlang aus. “Das habt ihr super gemacht”, lobte Nate Grant und Beau und widmete sich nun Hendrikus zu Stalburck HT zu. Der Braune mit den auffälligen Abzeichen war etwas hengstig bei den drei Stuten gewesen und je weniger in der Halle waren, desto besser konnte er sich konzentrieren. Nun waren wir auch nur noch zu zweit in der Halle, doch es schien so, als wolle Hendrikus sich vor Dew beweisen und ihr den Hof machen. Pferde waren auch nur bessere Menschen. Und Jack tat dasselbe wie das Pferd unter ihm. Nur, dass er mir was beweisen wollte. Hendrikus hatte viel Vermögen und Potenzial, sodass er den Parcours, wenn er nicht gerade anfing, hengstig zu werden, geradezu überflog. Er war ein tolles Pferd, sowohl die Farbe als auch sein Potenzial ließ ihn für mich interessant erscheinen. Gerade für Didi wäre er der absolute Gegenpart mit seinen Zeichnungen. Als er dann auch fertig war, kam ich mit Mountain Dew dran. Auch sie hatte noch ungenutztes Potenzial, da ich sie eine Zeitlang nur in der Dressur gefördert hatte. Umso feiner konnte ich ihr die Hilfen geben und Zeit in den Wendungen rausschinden. Alles in allem war ich am Ende des Trainings mit ihrer und auch meiner Leistung zufrieden.

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      Ausdruckstanz / Dressur A zu L | 30. Juni 2023

      Mávur från Atomic / Tjelvar fra Lyngby / Hendrikus zu Stalburck / Ases Maskwamozi

      "In den weiten Wäldern von Schweden, im Spätsommer, lag ein Hauch von Aufregung in der Luft. Ich, ein erfahrener Reittrainer, hatte die wunderbare Gelegenheit, sechs einzigartige Pferde in den kommenden sechs Wochen im Beritt zu haben. Jedes von ihnen hatte seine ganz eigenen Stärken und Herausforderungen, und ich konnte es kaum erwarten, ihre Talente zu fördern und sie auf dem Weg zum L-Niveau in der Dressur zu begleiten.
      Die ersten Wochen waren eine Achterbahn der Emotionen.
      Hendrik, der erfahrene Hannoveraner, verlangte nach Abwechslung. Wir galoppierten über Felder und durch Wälder, um seine Muskeln zu stärken und seinen Bewegungsdrang zu befriedigen. »Du bist so ein Schatz, Hendrik. Lasst uns weiterhin deine Fähigkeiten verfeinern«, flüsterte ich ihm ins Ohr, als wir an den fliegenden Galoppwechseln arbeiteten.
      Fighter, die talentierte Traber Stute, eroberte mein Herz im Sturm. »Du hast Rennpotenzial, aber lass uns sehen, was du in der Dressur drauf hast, meine Schöne«, sagte ich zu ihr und wir begannen mit den Volten und Schenkelweichen. Ihre Bereitschaft, sich auf das Neue einzulassen, berührte mich.
      Und Wamzi, die entzückende Appaloosa Stute, beeindruckte mich mit ihrer Vielseitigkeit. »Du hast das Zeug zu einem tollen Dressurpferd, Wamzi. Lass uns deine Talente weiterentwickeln«, sprach ich voller Vorfreude, während wir an den Seitengängen und flüssigen Übergängen arbeiteten.
      Die Zeit verging im Fluge, und die Pferde entwickelten sich erstaunlich gut. Ihre Fortschritte brachten mein Herz zum Leuchten, und ich wusste, dass wir gemeinsam große Ziele erreichen würden.
      Inmitten meiner intensiven sechs Wochen gab es eine unerwartete Wendung. Eines Tages wurde mir ein weiteres Pferd anvertraut, das kurzfristig in den Beritt aufgenommen werden sollte. Es war Mávur, ein junger Isländer Hengst, der bei einem anderen Trainer Schwierigkeiten hatte. Ich kannte Mávur bereits gut und wusste von seinem Potenzial und seiner Sensibilität.
      Als der Isländer bei mir ankam, konnte ich sehen, dass er etwas aufgewühlt war. »Hey, Mávur, es ist in Ordnung. Du bist hier sicher und wirst von mir gut betreut«, sagte ich sanft, während ich ihn ruhig streichelte. Ich wusste, dass er eine sanfte und geduldige Hand benötigte, um sein Vertrauen zu gewinnen.
      In den folgenden Tagen nahm ich mir Zeit für Mávur. Wir arbeiteten zunächst an der Bodenarbeit, um eine starke Verbindung aufzubauen. Ich spürte, wie er allmählich seine Unsicherheit ablegte und begann, mir zu vertrauen.
      Als wir mit dem Reittraining begannen, spürte ich seine Sensibilität unter mir. Ich lenkte ihn mit leichten Hilfen und lobte ihn, wenn er aufmerksam folgte. »Braves Pferd, Mávur. Du machst das großartig«, sagte ich stolz, als er mutig an den Seitengängen arbeitete. In den kommenden Wochen war Mávur eine besondere Herausforderung, aber ich spürte, dass wir Fortschritte machten. Ich passte mein Training an seine Bedürfnisse an und gab ihm die Zeit, die er brauchte, um sich zu entwickeln. »Du bist ein schlauer Bursche, Mávur. Lass uns gemeinsam deine Lektionen verfeinern«, sprach ich ermutigend zu ihm, während wir an den fliegenden Galoppwechseln arbeiteten.
      Mit jedem Tag wuchs unsere Bindung, und ich sah, wie Mávur an Selbstvertrauen gewann. Als die Prüfungstage näher rückten, spürte ich eine Mischung aus Aufregung und Stolz. Ich wusste, dass Mávur und ich gemeinsam wachsen würden, und ich war zuversichtlich, dass er sein Potenzial entfalten konnte.
      In den folgenden Tagen setzten wir unsere Arbeit fort, und Mávur entwickelte sich zu einem wahren Juwel. Seine Fortschritte waren bemerkenswert, und ich wusste, dass er mit jedem Tag selbstbewusster wurde."

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      Military L zu M
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    LDS - Schweden
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    2 Mai 2023
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  • Hendrikus zu Stalburck
    ehemals Hendrikus zu Stalburck HT

    Rufname: (Fürst) Hendrik
    geboren 08. September 2015

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Vadstenalund [SWE]
    Unterbringung: Paddockbox


    __________ s t a m t a v l a

    Aus: Golden Highlight [Hannoveraner]
    MMM: Great Opportunity _____ MM: Golden Lights _____ MMV: Lord Wellington
    MVM: Oricorno Flow _____ MV: Colour Paint _____ MVV: Shining Sommerdream


    Von: Soulpal [Rheinisches Warmblut]
    VMM: Levistino's Hope _____ VM: Leveneza FS 253,FS 258 _____ VMV: Diarado
    VVM: Diamond Lady _____ VV: Black Soul _____ VVV: Bukephalos

    __________ h ä s t u p p g i f t e r

    Rasse: Hannoveraner [HANN]
    HANN [35%], OLD [33%], TRAK [15%], EVB [7%], HOL [7%]

    Geschlecht: Hengst
    Stockmaß: 171 cm
    Farbe: Bay
    [Ee Aa nWS]

    Charakter
    hengstig, selbstbewusst, arbeitswillig

    *ist als Elite Junghengst versteigert worden
    *bisher nur mittelmäßig gut ausgebildet
    *macht sich stark beim Springen


    __________ t ä v l i n g s r e s u l t a t

    [​IMG] [​IMG] [​IMG]

    Dressur E [M] – Springen A ['S] – Militay E ['S] – Fahren E [A] – Western E [L] – Distanz E [A]

    Niveau: International
    Platzierungen: 0 | 0 | 0

    März 2023
    Training, Platzhalter

    April 2023
    Training, Springen E zu A

    Mai 2023
    Training, Platzhalter


    __________ a v e l

    [​IMG]
    Stand: 01.02.2023


    Hendrikus zu Stalburck wurde durch HK X zur Zucht zugelassen.

    Zugelassen für: HANN, CSH, a.A.
    Bedingungen: Keine Inzucht
    Decktaxe: x Joellen, [Verleih auf Anfrage]

    Materialprüfung:-[ 1.ZR M3]

    Körung
    Exterieurnote: -
    Gesamtnote: -

    __________ a v k o m m e r

    Hendrik hat 0 Nachkommen.

    NAME a.d. STUTE [FM] *20xx


    __________ h ä l s a

    Gesamteindruck: Gesund; gut in Training
    Krankheiten: -
    Beschlag: Gummibeschlag [Vorne]


    __________ ö v r i g

    Pfleger: Samu Häkkinen, Enya Bäcklund
    Reiter: Samu Häkkinen
    Trainer: Samu Häkkinen
    Eigentümer: Whitehorse Creek Stud [40%], T. Larsson [60%]
    Züchter: Gut Stalburg, Stolberg (Rhld.) [DE], J. v. Stolberg
    Ersteller, VKR: Mohikanerin

    Hendrik steht aktuell nicht zu Verkauf.

    Punkte: 7

    Abstammung [6] – Trainingsberichte [1] – Schleifen [0] – RS-Schleifen [0] – TA [0] – HS [0] – Zubehör [0]
    _____

    Spind – Exterieur – PNGHintergrund

    Hendrik existiert seit dem 21. März 2023