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Wolfszeit

Einheitssprache* [2]

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Einheitssprache* [2]
Wolfszeit, 29 Aug. 2021
Zion, Gwen, Snoopy und 6 anderen gefällt das.
    • Wolfszeit
      [​IMG]
      kapitel sju | 2. Dezember 2021

      Einheitssprache // Sign of the Zodiac LDS // Avenue Shopper LDS // Northumbria // Lubumbashi // Form Follows Function LDS

      Lina
      Entspannt stand ich neben der jungen Stute und beobachtete wie sie das Gras ausrupfte. Zoi hatte heute hervorragend mitgearbeitet. Somit beendete ich das Training schneller als ich erwartet hatte und sie durfte noch ein wenig auf dem Grasstreifen neben Round Pen grasen. Heute war eigentlich ein ziemlich ruhiger Tag auf dem Hof. Erik und sein Mini-Me waren irgendwo in der Stadt unterwegs und Vriska lag seit gestern mit einer fetten Erkältung im Bett. Demnach, was ich Niklas Nachrichten hatte entnehmen können, war ihr Abend am Dienstag wohl noch ziemlich lang gewesen. Und zum Leidwesen meines Freundes, war das was Erik, Vriska und sein Vater veranstalten auch nicht gerade leise gewesen.
      “Oh Mist”, fluchte ich, als ich auf die Uhr blickte, “Zoi, wir müssen los!” Eigentlich sollte ich in zwei Minuten vor der Reithalle sein, um mich mit der Besitzerin, des Freibergerhengstes zu treffen. Schnellen Schrittes machte ich mit Zoi im Schlepptau auf den Weg zu ihrer Koppel und wollte sie zügig wegstellen, doch wie das so war, wenn man eilig hatte stellte sich etwas in den Weg. In diesem Fall war es ein Pferd. Avenue hatte sich genauso hinter dem Tor platziert, dass ich es zwar aufbekam, aber kein Pferd an ihr vorbeipasste.
      “Komm schon, Ave, jetzt bewegt dich.” Zentimeterweise ließ sich die Scheckstute tatsächlich wegschieben, sodass ich Zoi auf die Koppel stellen konnte.
      In Eile kam ich schließlich 5 Minuten zu später vor der Reithalle an, vor der bereits eine blonde Frau wartete. Sie sah ziemlich freundlich aus und schätzte sie ungefähr auf Ende dreißig, vielleicht auch ein wenig älter.
      > Du är säker fru Sjögren, ursäkta mitt dröjsmål.
      “Sie sind sicher Frau Sjögren, entschuldigen Sie bitte meine Verspätung”, begrüßte ich die Dame und schüttelte ihr höflich die Hand.
      > Det behöver du inte ursäkta, det är bara några minuter.
      “Sie brauchen sich nicht entschuldigen, es sind ja nur ein paar Minuten”, lächelte sie freundlich und bot mir sogleich das du an. Nach ein wenig Small Talk fragte sie auf einmal:
      > Du är faktiskt inte härifrån, eller hur? Jag har aldrig hört din accent här.
      “Du bist nicht von hier, oder? Ich habe deinen Akzent hier noch nie gehört.” Diese Frage irritierte mich ein klein wenig, war mir bisher nicht bewusst gewesen, dass sich mein Schwedisch so sehr abhob. Freundlich antwortete ich:
      > Nej, jag är ursprungligen från Finland.
      “Nein, ich komme ursprünglich aus Finnland.” Freundlich nahm Ilse dies zur Kenntnis und unterhielt sich ein wenig über meine Heimat. Auf dem Weg zu dem Paddock, wo der Hengst wohnte, erzählte sie bereits ein paar Dinge zu Einheitssprache und seinem Charakter. Dass der Hengst Bodenarbeit sehr zugetan sein sollte, gefiel mir dabei schon ziemlich gut. Die Konversation fiel mir nicht ganz leicht, noch immer war ich nicht ganz fit in der Landessprache. Je mehr schwedisch ich sprach umso häufige fiel mir auf, dass es Wörter zu geben schien, die sich stark von denen die ich in meiner Heimat gelernt hatte unterscheiden.
      > Hur kommer de till en Freiberger? Detta är inte exakt en ras som förekommer här ofta.
      “Wie kommen sie zu einem Freiberger? Dies ist nicht gerade eine Rasse, die hier oft vorkommt”, fragte ich freundlich nach. Diese Rasse war im Allgemeinen nicht sonderlich bekannt und ihr Herkunftsland lag jetzt auch nicht gerade um die Ecke.
      > Det här är en tillfällighet. På den tiden letade jag helt enkelt efter en bra vagnshäst och blev medveten om honom genom ett Online-erbjudande.
      “Das ist Zufall. Damals war ich einfach auf der Suche nach einem guten Fahrpferd und wurde durch ein Onlineangebot auf ihn aufmerksam”, erzählte die Frau, bevor sie eine Frage an mich stellte:
      > Har du erfarenhet av att köra vagn?
      “Hast du Erfahrung mit dem fahren?”
      > Lite.
      “Ein wenig”, lächelte ich aufgesetzt,
      > men det var länge sen.
      ”Aber es ist schon lange her.” Schon allein der Gedanken mich eine Kutsche zu näher jagte mir Schauer über den Rücken, seit dem Tag vor 10 Jahren hatte ich dies nicht mehr getan. Ich konnte nur inständig hoffen, dass nicht erwartet wurde, dass ich den Hengst tatsächlich vor eine Kutsche spannte.
      Mittlerweile waren wir an dem Paddock angekommen. Etwa in der Mitte des Auslaufes, stand der kräftige Freiberger. Außer einer hübschen, großen Blesse und weißen Hinterfüßen war er komplett schwarz, nur an Bauch, Maul und an den Hinterbeinen war es ein wenig heller und ließ erkennen, dass er eigentlich ein Brauner war. Sein langes dickes Langhaar war Rabenschwarz mit einem hübschen Verlauf ins Schokoladenbraune, darin niedliche kleine Zöpfchen. Ich war schier überwältigt. In echt sah der Hengst noch so viel beeindruckender aus, als auf den kleinen Bildchen die auf dem Zettel aufgedruckt waren. Ein Wunder, dass mir der Hengst bisher nicht aufgefallen war, wo er doch quasi vor meiner Nase stand.
      > Wow, verkligen en underbar kille. Han är en Urfreiberger, eller hur?
      “Wow, wirklich ein wunderbarer Kerl. Er ist ein Urfreiberger, nicht wahr?”, staunte ich noch immer. Ilse nickte anerkennend und fragte sogleich, woran ich das erkannt hatte. Freudig erklärte ich ihr die typischen Merkmale im Körperbau eines Urfreibergers, die bei ihrem Hengst sogar besonders deutlich ausgeprägt waren. Aus meiner Sicht war dies ein Pferd mit hervorragender Qualität, worauf sicher jeder Züchter stolz sein würde.
      Interessiert kam das Pferd an getrottet und streckte mir seine Nase entgegen. Erst jetzt fielen mir seine Augen auf, die hell aus dem dunklen Fell hervorstachen.
      > Hur vet du så mycket om Freiberger?
      “Woher wissen Sie so viel über Freiberger?”, fragte sie Besitzerin des Hengstes interessiert und reichte mir ein einfaches schwarzes Halfter, mit ein wenig Plüsch an Genick- und Nasenriemen.
      > Jag har själv en Freiberger, så jag är väldigt intresserad av denna ras.
      “Ich selbst habe einen Freiberger, daher interessiere ich mich sehr für diese Rasse”, erklärte ich. Ungeduldig schlug Einheitssprache mit dem Kopf. Unbeeindruckt von seinem Rumgehampel legte ich ihm das Halfter an und folgte Ilse zum Putzplatz. Während ich den Hengst putze, beobachte die Frau mich genau, wie ich mit der ungestümen Art zurechtkam. Im Anschluss schlug Ilse vor noch eine kleine Runde spazieren zu gehen, um sich noch einen besseren Eindruck machen zu können. Einheitssprache zeigte sich dabei nicht gerade als das wohlerzogenste Pferd. Er schubste mich frech an, versuchte mir den Strick aus der Hand zu klauen und begann zu drängeln, wenn es ihm zu langsam ging. Aber ganz so doof stellte ich mich offenbar nicht an, denn als wir dem Freiberger wieder wegbrachten, hatte ich den Job. Ich freute mich ein so wunderschönes Tier zu meinen Schützlingen zählen zu dürfen, auch wenn es mich davor graute, dass der Hengst bis Klasse S gefahren war. Wie für Freiberger üblich war er 3-Jährig zwar angeritten worden, hatte aber danach wohl nie wieder einen Sattel aus der Nähe gesehen, weshalb reiten wohl keine Option sein würde. Zum Glück besaß ich die Freiheit, den Hengst so zu unterhalten wie ich es für richtig hielt, denn Ilse ging es nur darum, dass er nicht den ganzen Tag nur auf dem Paddock rumstand. Irgendetwas würde mir sicher einfallen wie ich Einheitssprache beschäftigen konnte ohne in näheren Kontakt mit dem Fahrsport treten zu müssen.

      Vriska
      Nie wieder! Ich hatte mir geschworen nie wieder einen derartigen Absturz zu erleiden, aber aus unerfindlichen Gründen passierte es doch und es hatte einiges mit meinem körperlichen Zustand gemacht. Langsam bekam der Kaffee seine Wirkung und ich schaffte es einen klaren Gedanken zu fassen, zumindest so klar, dass realisierte, dass Trymr neben mir am Tisch saß und mit seinem Schwanz den Boden wischte. Mit weit geöffneten Augen sah er an mir hoch und brummte wehleidig.
      „Willst du raus?“, fragte ich vorsichtig. Verwundert drehte er schräg den Kopf von links nach rechts. Ach ja, der Hund versteht kein Deutsch, also versuchte ich es noch einmal auf Schwedisch. Wie von einer Tarantel gestochen, sprang er auf und rannte zur Tür. In tiefsten Tönen jaulte Trymr und brummte noch einige Male. Ich sah mich gezwungen zumindest die Schlafsachen gegen ein anderes Outfit zu wechseln. Als ich an mir heruntersah, bemerkte ich, dass das Shirt gar nicht mir gehörte und auch viel mehr ein Hemd war, genau genommen eins von den ziemlich teuren aus Eriks Sammlung. Überall war es zerknittert und alles andere, als in einem guten Zustand. Dennoch legte ich es fein säuberlich über die Lehne des Stuhles und griff nach dem ersten Pullover, den ich im Schrank fand. Wie hätte es anders sein sollen, war es mein Cheerleader Oberteil für kalte Trainingstage aus vergangener Zeit. Als Hose sollte eine der diversen Jogginghosen ihren Dienst leisten. Vom Kleiderhaken nahm ich die Hofjacke ab und setzte die Kapuze auf. Trymr trug bereits sein breites Lederhalsband, also nahm ich nur die Leine und verließ mein Bungalow. Schlüssel brauchte ich nicht, denn noch nie hatte ich dieses verschlossen.
      Langsamen Schrittes liefen wir Richtung Wald, wo uns Folke mit Humbria entgegenkam. Die windfarbene Stute war vollkommen verschwitzt und sah äußerst müde aus. Glauben, dass Niklas ein erstklassiges Eventingpferd aus dem Pferd zu machen, empfand ich von Anfang an als ziemlich hochgestochen. Dennoch bewunderte ich seinen Mut, es zumindest einige Male versucht zu haben, auch, wenn es für wenig Stärke zeugte, so schnell aufzugeben. Ich akzeptierte seine Entscheidung und würde mir nie wagen, diese infrage zu stellen.
      > Jag trodde att du aldrig skulle komma ut.
      „Ich dachte schon, dass du nie wieder herauskommst“, lachte Folke und fuhr an uns vorbei. Mehr als ein müdes Lächeln konnte ich nicht von mir geben und lief weiter.
      Teilweise glitzerte die Sonne durch die Kronen der Bäume und warf kleine Lichtblicke auf den verwurzelten Waldboden. Alles lag so still, dass ich mir nicht vorstellen konnte in London das Getose der Menschenmassen zu hören oder von einem der Taxis beinah zu Tode gefahren zu werden. Trymr blieb nah bei mir. Mittlerweile war ich fest davon überzeugt, dass dieser Hund auf keinen Fall bei Erik bleiben wollen würde, wenn sich unsere Wege trennen würden. Ja, ich sprach im Konjunktiv, denn nach dem Abend wollte ich nichts lieber, als für bei ihm zu bleiben. Es war keine Erinnerung, die mir diesen Gedanken gab, viel mehr ein Gefühl tief in meinem versteinerten Herzen. Alles kribbelte in mir, als ich innerlichen an ‚Vriska Harley Löfström‘ dachte. Vom Klang gefiel es mir nicht, aber die Bedeutung dahinter, schien viel wichtiger zu sein. Ein verträumtes Lächeln tuschte mir über die Lippen. War es das, wovon alle immer sprachen, wenn sie über ‚Schmetterlinge im Bauch‘ redeten?
      Obwohl das Atmen noch immer in der Lunge schmerzte, ging es mir schon deutlich besser nach der Runde im Wald. Trymr legte sich zufrieden auf den weichen Teppich vor der Couch, aber beobachtete jeden Schritt, den ich machte. Dazu gehörte auch, endlich mal auf mein blödes Handy zu schauen. Es hing noch immer am Ladekabel und als ich es entsperrte leuchteten mehr als Hundertzwanzig neue Mitteilung in der Mitteilungszentrale. Kurz überflog ich alles und löschte zunächst alles Unnötige, damit ich einen Überblick bekam, worauf ich auf jeden Fall klicken müsste. Neben einigen von Erik, leuchtete auch neben Niklas eine blaufarbende Neun. Warum hat der mir so viele Nachrichten geschrieben? Rein interessehalber drückte ich dort als Erstes rauf. Ich sah, dass es nicht nur Nachrichten von ihm gab, sondern offensichtlich auch welche von mir. Beim durchscrollen bemerkte ich, dass ich offenbar das alles erst in Gang gesetzt hatte.
      Wow. Perplex fiel mir mein Handy aus der Hand und starrte in die Leere. An Niklas erinnerte ich mich gar nicht mehr. Lief da etwas? Gehörte das zu den Gründen, wieso ich so viel getrunken hatte?
      „Es tut mir unglaublich leid, dir solche Sorgen bereitet zu haben. Das wollte ich nicht.
      Ich habe voll den Filmriss und weiß nicht mehr was seit Dienstag 23 Uhr passiert ist, und ja. Ich weiß, dass heute Donnerstag ist …“, tippte ich in Windeseile auf dem Bildschirm ein, nach dem ich es von Boden wieder aufhob. Gespannt starrte ich weiter auf das Display, bis sich gesendet zu gelesen änderte und das drei animierte Punkten auf seiner Seite auftauchen. Er schrieb, schrieb und schrieb, aber eine Nachricht kam bei mir nicht an.
      „Wir müssen uns nachher treffen, dann sprechen wir. Bin gegen neun Uhr am Abend am Stall, erwarte dich“, kam es urplötzlich, als ich es gerade zur Seite legen wollte. Es stellte sich somit nicht einmal die Frage, ob ich es wollte. Ich musste dort hinfahren, wenn ich beabsichtigte, die Puzzleteile zusammenzulegen.
      > Vill du ha ditt kött?
      “Möchtest du dein Fleisch?”, lachte ich voller Tatendrang und stemmte mich aus dem Bett hoch. Glücklich sprang der Riese mir um die Beine, ich glaube, dass ich ihn mittlerweile mehr mochte, als ich mir eingestehen konnte. Aus dem Kühlschrank griff ich nach der durchsichtigen Plastikdose, aus der mit einem schwarzen Stift ‘Trymr’ geschrieben stand. Wenn das Eriks Handschrift war, dann hatte sie Charakter. Ich mochte die Form, wie er das Y schrieb, wusste auch nicht wieso. Eigentlich sah es aus wie eine Vier, dass in der Zeile verrutschte, aber sich homogen in das Wort hineinschmiegte. Ich wurde anbellt. Anstatt mir stundenlang die Handschrift anzusehen, sollte ich dem Ungetüm seine Nahrung geben, nicht das ich zum gefundenen Fressen werden würde. Ein Nachteil hatte es, dass es mir zunehmend besser ging — ich konnte wieder Gerüche wahrnehmen. Mir stieg hab geronnenes Blut in Nase und wie auch immer ich die Innereien eines Wildschweins beschreiben sollte. Angewidert zog sich mein Magen zusammen, aber ich überstand es, dem Hund alles in seinen hölzernen Napf zu machen und auf den Boden zu stellen. Höflich wartete er, bis ich den Befehl gab zum Starten. Laut schmatzte Trymr und schob den Napf quer durch die Wohnung. Es dauerte nicht lange, bis dieser leer war und der Hund sich satt wieder vor die Couch legte.
      Durchs Fenster hindurch, sah ich Erik kommen, der mich sogleich bemerkte. Im Schlepptau hatte er Fredna, die eine niedliche geflochtene Frisur hatte und eine dicke Orange braune Jacke trug über ihren kleinen grauen Röcken mit Strumpfhose. Nur die dunkelgrünen Gummistiefel passten nicht ganz ins Gesamtbild.
      „Mein Fräulein ist wieder unter den Lebenden“, freute er sich und gab mir liebevoll einen Kuss auf die Stirn. Fredna hingegen ignorierte mich komplett. Sie saß auf der Fußmatte vor der Tür und kämpfte damit aus den Schuhen herauszukommen. Als auch Erik ihr Problem bemerkte, half er ihr und hängte auch ihre Jacke an den Haken.
      > Får jag spela?
      „Darf ich spielen“, fragte sie aufgeregt und Erik zuckte mit den Schultern. Stattdessen sah sie mit ihren riesigen blauen Augen zu mir, fummelte dabei an einen der beiden dunkelblonden Zöpfen herum.
      > Det finns gott om plats för dig bredvid sängen
      „Neben dem Bett ist ganz viel Platz für dich“, lächelte ich und zeigte Richtung Schlafzimmer. Entschlossen griff sie nach ihrem kleinen Koffer und zog ihn hinter sich her. Still saß sie neben dem Bett. Ich beobachtete, wie Fredna ihre kleinen Pferde auspackte und geordnet der Farbe nach aufstellte. Erik stellte sich zu mir an die Ecke, legte seine Arme um mich und atmete tief ein. Es fühlte sich wirklich an wie eine kleine Familie, die sich gerade den Wunsch vom Eigenheim erfühlte und nun glücklich in die Zukunft sah.
      „Ich bin froh, dass ihr da seid“, flüsterte ich und lehnte mich an seinem Oberkörper an.
      „Lass uns auf Couch gehen“, schmunzelte er, „sie mag es nicht beim Spielen beobachtet zu werden.“
      Ich drehte mich um und sah ihm direkt in die Augen. Er strahlte. Etwas an ihm schien verändert. Natürlich trug sie jeher einen seiner Anzüge, heute einen dunkelblauen, aber seine Haare. Seinen Haaren fehlte es am Gel. Der Großteil von ihnen befand sich in der gewünschten nach hinten geschobener Form, aber einige standen wie wild nach oben. Es lockerte seine strenge Ausstrahlung um Längen auf. Erik bemerkte, wie ich verliebt zu ihm aufsah, noch immer fest im Griff seiner Umarmung. Dann zog er mich noch näher an sich heran und sagte: „Ich bin auch froh, bei dir sein zu dürfen“, und gab mir einen Kuss auf die Haare. Ich schloss die Augen und wünschte, dass wir für immer nur hier stehen könnten. Bevor der Gedanke vollständig in mein Hirn einging, zog er mich hinüber zur Couch und schaltete einen Sender ein, bei dem Nachrichten liefen.
      „Wie geht es dir?“, erkundigte er sich, ohne den Blick von mir abzuwenden. Dem flimmernden Bildschirm schenkte er nur kurz seine Aufmerksamkeit.
      „Relativ gut, denke ich. Aber“, ich strauchelte.
      „Aber?“, wiederholte Erik aufrichtig und überdramatisiert betont.
      „Aber ich weiß nichts seit Dienstagnacht“, gab ich zu und senkte den Kopf. Wusste er was passiert war? Wollte ich es überhaupt herausfinden?
      „Dann hast du einiges verpasst“, lachte er, „auf jeden Fall hattest du dein Spaß. Papa mag dich.“
      „Klingt besorgniserregend“, murmelte ich.
      „Vivi, jetzt lächle doch wieder. Es ist alles gut, du hast es gerockt“, versuchte Erik mich aufzumuntern. Ich fühlte
      „Was habe ich gerockt?“
      „Du scheinst dich wirklich an nichts mehr zu erinnern“, Eriks Lachen wurde herzlicher und offener, „es entbrannte eine feurige Diskussion über Pferdeopferungen.“
      „Pferdeopferungen?“, wiederholte ich ungläubig und zu gleichen Teilen schockiert. Wieso gab es die Notwendigkeit darüber zu diskutieren? Jeder sollte das als unethisch empfinden.
      „Das ist nicht der Punkt. Du bist standhaft bei deiner Meinung geblieben, hast sie mit wirklich schlagfertigen Argumenten untermauert. Im Laufe der Diskussionen fehlten ihm die Worte und das, obwohl er immer etwas zu sagen hat. Dann beschloss Papa weiterhin fester Partner zu sein und würde euch gern helfen aus der Blamage herauszukommen“, schmunzelte er.
      „Awesome“, schrie ich aufgeregt, „ma‘ gosh!“
      „Ach, lernst du jetzt Englisch?“, witzelte Erik weiter. Ich winkte nur ab und sprang von der Couch, um zu versuchen, dass mein Bruder an sein verdammtes Handy ging. Ungeduldig lief ich den kleinen Flur zwischen Wohnküche und Schlafzimmer entlang und murmelte vor mich hin, bis mich plötzlich etwas am Oberschenkel berührte. Überrascht hielt ich an und sah an mir herunter. Fredna stand vor mir, sah mit feuchten Augen an mir hoch.
      > Jag måste gå på toaletten
      “Ich muss auf die Toilette”, flüsterte sie. Ja und? Was sollte ich da tun? Erik hatte es zum Glück ebenfalls gehört und lief mit ihr die Tür, die direkt an den Flur grenzte.

      Harlen erreichte ich nicht mehr, auch auf das Großaufgebot meiner Nachrichten reagierte er gab es keine Reaktion. Wo steckte der nur? Ununterbrochen biss ich mir auf der Unterlippe herum, solange, bis sie blutete. Auf dem Bildschirm des Fernsehers verfolgte ich die Horrorbilder aus der ganzen Welt, so viel Gewalt. Dahingegen erschienen meine Probleme auf der Couch, mit dem Typen, den ich mochte, in einer warmen Wohnung auf einmal so überschaubar und lächerlich.
      Erik schlief irgendwann ein und ich hatte es mir auf seinem Schoß bequem gemacht, immer mit einem Auge auf der Uhr. Wenn ich noch Lubi einladen würde, bräuchte ich sicher eine Stunde, um pünktlich in Kalmar anzukommen. Viel Zeit blieb mir nicht mehr, aber wenn ich aufstehen würde, wäre er sicher aufgewacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es ihm ginge und darüber sprechen, wollte er auch nicht. Die meiste Zeit schwieg er über seine Gefühle – außer, es ging um mich. So auch, wie sein heutiger Tag verlief. Alles, was er herausbrachte, war ein ‘Gut, danke’ und sah wieder zum Gerät. Ich konnte nicht einschätzen, wie das auf lange Sicht werden würde, vor allem im Hinblick auf Fredna, die zwar ungewöhnlicherweise besser auf mich zu sprechen war, aber im Generellen meine Anwesenheit eher weniger schätzte.
      Verdächtig nah kam der große Zeiger der elf. Vorsichtig versuchte ich mich aus seinen Armen zu befreien, die auf meinem Oberkörper lagen. Aber Erik wachte auf.
      “Wo willst du hin?”, murmelte er verschlafen und wischte sich mit der Hand durch die Augen.
      “Zum Training”, sagte ich kurz und verschwieg Niklas.
      “So spät noch? Dann warte, ich zieh mich um”, stöhnte er. Seine Begeisterung hielt sich in Grenzen, was ich zu meinem Vorteil nutzte.
      “Alles gut, bleib hier. Ich schaffe das allein”, versicherte ich. Erleichtert seufzte er und richtete sich dennoch auf. Ich sammelte leise aus dem Schlafzimmer meine Reitsachen vom Stuhl auf, um Fredna nicht zu stören. Aber sie bemerkte mich und fragte mich aus, wo ich hinwollte. Schließlich sei es dunkel und im Dunkeln sind böse Tiere unterwegs, die Menschen fressen. Aller klar Fredna, man sollte dir weniger Märchen vorlesen. So freundlich ich konnte, erklärte ich der neugierigen jungen Dame, dass ich Aufgaben hatte und mir nichts passieren würde. Eigentlich sollte doch ein Kind in ihrem Alter schon im Bett sein, oder nicht? Skeptisch sah sie zur mir hoch, nickte und widmete sich wieder ihren Pferden. Vaterschaft war damit bestätigt, lachte ich in mich hinein und zog mich im Badezimmer um. Meine neue graue Reitleggings fand ihren Einsatz, aber den dunkelblauen Kapuzenpullover aus der Schule behielt ich an. Bei dem nächsten Blick erschrak ich. Plötzlich stand Erik hinter mir, ich hörte seine Schritte nicht.
      “Darf ich dir die Haare machen?”, fragte er höflich. Verblüfft öffnete ich den Mund, für einen Augenblick innehielt und antworte: “Klar, warum nicht.” Aus dem Schubfach holte ich wieder die Bürste heraus und drückte ihm sie in die Hand. Es dauerte nur kurz, bis er begann auf der rechten Seite die ersten Strähnen zu flechten.
      “Aber ich habe nicht ewig Zeit, ich muss um spätestens fünfzehn zum Stall”, sagte ich, “pünktlich zehn vor neun erwartet man mich.” Er nickte nur lächelnd und fummelte an meinem Kopf weiter herum. Gespannt beobachtete ich durch den Spiegel sein Handwerk. Mit seinem kleinen Finger trennte er die Strähnen vom Kopf, verband sie miteinander, bis eine Art französischer Zopf entstand, aber seitlich und deutlich lockerer. Auf der anderen Seite wiederholte Erik sein Kunstwerk und war wenig später fertig.
      „So, jetzt kann Daenerys ihre Drachen reiten gehen“, lachte er und legte seine Arme auf meinen Schultern ab.
      „Clown gefrühstückt? Sehr lustig“, verdrehte ich die Augen und huschte aus seinen Zwängen heraus.
      „Jetzt habe dich nicht so“, folgte er mir aus dem engen Bad heraus, „das war lustig.“
      Es wurde weniger lustiger seit den unangebrachten Witzen von Chris am Wochenende, die ich mir bis heute anhören durfte. Zum Glück hatte mein Bruder kurzes Haar, wer weiß, wo sonst das alles enden würde.
      Freundlich wieherte mich Lubi in hohen Tönen an, als ich zehn Minuten später im Stall stand und anfing das Equipment in Pferdehänger zu räumen. Sie stand als Einzige noch drin, was ich mir auch nicht so recht erklären konnte. Eigentlich hätte Lina oder Folke sie auf eine der einzelnen Weiden stellen sollen.
      “Ja, es geht gleich los”, beruhigte ich die Stute. Unruhig trampelte sie in der Box und lief von der einen Seite zur anderen. Die Eisen klimperten auf dem Beton Boden. Etwas mulmig wurde mir dann doch, was wäre, wenn mir etwas auf Strecke und noch viel wichtiger: Was war, wenn Lubi etwas passierte? Müsste Harlen dann dafür aufkommen müssen? Wie sollte er ein solch teures Pferd finanzieren? Als spürte er meine Zweifel vibrierte mein Handy. Hektisch nahm ich es aus meiner Tasche am Bein.
      “Schwesterherz, du bist großartig! Ich wusste, dass du das bessere Durchsetzungsvermögen hast. Morgen komme ich für einige Stunden, dann sprechen wir. Hab dich lieb”, lass ich vom dunklen Bildschirm und steckte es zurück, ohne eine Antwort zu verfassen. Dann konzentrierte ich mich wieder auf die braune Stute und legte ihr das bordeauxfarbende Lammfell um den Kopf, führte sie hinaus und ließ wie Niklas den Strick los. Tatsächlich lief sie auch bei mir die Rampe hinauf und ich schloss die Stange, bevor es nach Kalmar losging. Am Straßenrand zogen die warmen Lichter der Innenraumbeleuchtung nur schemenhaft vorbei und sanft glitzerten die feuchten Laubblätter auf der Fahrbahn. In einem ruhigen Moment warf ich einen Blick auf Lubi, die ich durch die Hängerkamera auf dem Monitor des Fahrzeugs sah. Sie spielte mit dem Heunetz und zupfte daran. Aus dem Radio ertönten sanfte Töne eines mir unbekannten Liedes.
      “Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst”, begrüßte mich Niklas verwundert, als ich Lubi in den hell erleuchteten Stall führte, “und erst recht nicht so aufgetakelt.”
      Er hatte Form den Gurt fester gezogen und musterte mich. Kurz grinste er, trat einen Schritt zurück.
      “Es interessiert mich, was du zu sagen hast”, flüsterte ich. Am anderen Ende stand Chris, aber hatte mich offensichtlich noch nicht bemerkt.
      “Dann treffen wir uns gleich in der Reithalle, oder was willst du machen?”, erkundigte sich Niklas. Ich nickte nur und ignorierte, dass es eine Ergänzungsfrage war. Eine Beschwerde gab es nicht.
      In der Halle war ich noch nicht oft und jedes Mal bewunderte ich dieses Bauwerk. Es gab einen breiten Flur, von dem einige Türen abging, den man erst führen musste, um zum eigentlichen Platz zu kommen. Auf dem Boden lag ein roter Teppich, der mit Sand aus den Hufen der Pferde bedeckt war, die Bande schwungvoll gebogen, vermutlich durch Wasserdampf in seine Form gebracht, Panel für Panel. Darauf befestigt die Dachbalken, die zur Decke hin spitz zuliefen und zuvor einen tropfenförmigen Bogen machten. Die großen Fenster brachten im Normal ausreichenden Licht ins Innere, aber spendeten drei riesige Kronleuchter dieses. Sie stammten vermutlich aus der Barockzeit oder Neo-Renaissance, was weiß ich. Im Kunstunterricht schlief ich die meiste Zeit, um solche Dinge erkennen zu können. Zur Ergänzung hingen noch Strahler an der Decke. Niklas führte fünf Minuten später seine Stute ebenfalls durch den Eingang.
      “Helm, brauchst du nicht?”, wunderte er sich monoton. Dass erinnerte mich daran, was ich vor dem Verladen noch einpacken wollte, aber Harlen hatte mich abgelenkt.
      “Doch, aber vergessen”, sagte ich, “aber auch egal. Ist sowieso nicht viel drin.”
      Er lachte, zuckte dann mit den Schultern und stieg auf.
      “Was wolltest du besprechen?”, fragte ich endlich, um die quälende Stille zu durchbrechen.
      “Was passiert ist”, kam es kurz.
      “Lustig. Hast du meine Nachricht gelesen? Ich erinnere mich an nichts. Mittlerweile weiß ich, dass ich eine Diskussion mit deinem Vater hatte”, schüttelte ich den Kopf, seine Augenbraue zog sich nach oben, “über Pferdeopferungen. Aber offenbar brachte ihn das zum Nachdenken.”
      “Ah, das Thema. Schwierig”, stimmte er mir zu. Die Verwunderung wich aus seinem Gesichtsausdruck. Statt mir endlich die Wahrheit zu offenbarten, schwieg er die meiste Zeit, starrte gedankenverloren in die Leere oder ignorierte mich. Schien ziemlich wichtig gewesen zu sein, was er besprechen wollte, wenn er nun diese Tour an den Tag legte. Reiten hätte ich auch in der heimischen Reithalle, aber nun gut.
      Bei X ritt ich auf die Mittellinie auf und gurtete noch einmal nach, erst dann nahm ich die Zügel mehr auf. Lubi kaute genüsslich auf dem rosé goldenen Gebiss, bei dem ich mich noch immer fragte, wieso kein silbernes reichte. Immerhin war der Zaum schwarz und der Sattel auch. Die meiste Zeit ritt ich Schritt, denn schon nach einigen Runden im Trab begann ein unerträglicher Hustenanfall. Verzweifelt schnappte ich nach Luft, bis es besser wurde.
      “Weniger Rauchen soll helfen”, kommentierte Niklas meine schwerfällige Atmung, als er an uns vorbeitrabte.
      “Klugscheißer”, rollte ich erneut mit den Augen.
      Keine Reaktion.
      Lubi nahm Acht darauf, dass ich nicht ganz fit war. Sie schritt ruhig unter mir und warf keinen flüchtigen Blick um sich herum, im Gegensatz zu dem kleinen Ritt gestern. Tatsächlich konnte ich das aus meinem Gedächtnis wieder hervor fischen, dass ich mich auf die riesige Stute schwang. Ich konnte mir nicht genau erklären, wieso ich in der Ekstase, meiner Krankheit und sonstigen Umständen in der Lage ein Pferd fertig zu machen und sogar zu trainieren. Vielleicht sollte ich mir bei meiner Rückkehr noch die Videoaufnahmen ansehen, dann wusste ich mehr.
      “Willst du jetzt noch reden, oder bin ich unnötigerweise rausgefahren?”, fragte ich genervt, als Niklas sich die Zügel aus der Hand kauen ließ und im Begriff war, seine glänzende Stute abzureiten. Er zuckte mit den Schultern.
      “Frechheit”, murmelte ich und wich ihm aus. Doch nun schien er doch auf mich zu reagieren und wendete Form ebenfalls, trabte ein Stück, um aufzuholen.
      “Wieso bist du so …”, er geriet in Wortlosigkeit, als ich zu ihm sah mit feuchten Augen.
      “Ernst?”, fragte ich.
      “Zurückweisend”, vervollständigte er seinen Satz.
      “Ich? Zurückweisend? Du wolltest mit mir sprechen und drückst dich auf einmal davor. Deinetwegen musste ich mir einen Schwachsinn überlegen, um hierherzufahren und das, obwohl es mir nicht gut geht. Jetzt komm mal klar”, schimpfte ich mit zittriger Stimme. Gänsehaut verteilte sich aus heiterem Himmel über meine ganze Haut und mir wurde kalt, sehr kalt.
      “Du wolltest das”, fauchte er zurück.
      “Bist du taub oder dumm?”, schüttelte ich meinen Kopf vor Verzweiflung, “Ich erinnere mich nicht, also entweder sagst du mir jetzt, was du willst oder schweige für immer.”
      Kräftig atmete er ein und wieder aus, sah hoch zur Decke und verkrampfte den Kiefer.
      “Weder bin ich taub noch dumm, du vielleicht. Aber ich wollte nicht glauben, dass du das Vergessen hast”, begann Niklas mit der Wahrheit herauszurücken, stoppte jedoch, als überlege er, wie die Worte am besten wählen sollte. Auf einer Stirn bildeten sich zwei wellenförmige Falten, die er nur bekam, wenn ihm etwas zuwider war. An seinem Hals schlug aufgeregt die Hauptschlagader und unsere beiden Stuten interessierten sich überhaupt für die Auseinandersetzung.
      “Du willst es unbedingt wissen, dann höre nun genau zu. Ich möchte dich nicht verletzen, beleidigen oder sonst irgendetwas damit. Es ist eine reine Tatsachendarstellung”, stellte er klar. Verwunderte drehte ich meinen Kopf, aber stimmte letztlich zu. Seinerseits folgten weitere kräftige Atemzüge.
      “Nach einem Rundgang wolltest du gehen, aber”, stoppte Niklas und atmete noch einmal hörbar, “dann standen wir ziemlich nah aneinander, sahen uns tief in die Augen. Du griffst mir ziemlich nah ans Becken. Ich legte meine Hände an deine Taille und drückte dich gegen die Wand. Hätte Erik dich nicht gerufen, wer weiß.”
      Und darum machte er jetzt so einen Rummel? Unwillkürlich schmunzelte ich, lachte auch etwas und schüttelte nur ungläubig den Kopf. Es unterhielt mich viel mehr, als ich, dass mir Sorgen machte etwas aufs Spiel gesetzt zu haben.
      “Warum lachst du?”, fragte er und rang nach Luft. Erst als er auf meine Antwort nicht reagierte, berührte ich ihn vorsichtig am Arm. Wie versteinert zuckte er auf einmal zusammen, schüttelte sich.
      “Ich zähle nun bis vier und atmest du durch die Nase, dann bis sieben aus, dann wieder ein”, sagte ich bestimmt in begann zu zählen. Niklas schloss die Augen und konzentrierte sich auf meine Zahlenfolge. Schon nach dem zweiten Mal wurde es besser. Seine Hände zitterten nicht mehr, sein Gesicht bekam wieder Farbe und auch Form stellte die zuvor unruhig angelegten Ohren wieder auf.
      “Danke”, murmelte er und versuchte ein Lächeln aufzusetzen.
      “Es ist okay, verstehst du? Offenbar war es meine Schuld und ich hätte dich nicht in so ein Dilemma bringen dürfen. Es tut mir aufrichtig leid”, versicherte ich nach weiteren Runden Schritt.
      “Das Problem ist nicht, dass es beinah passierte, sondern ich es gerne getan hätte. Deswegen lag ich noch Stunden wach, wie es dann wohl weitergegangen wäre, ob diese Entscheidung, zumindest für uns beide, die richtige hätte sein können”, erzählte er weiter, denn das schien der eigentliche Grund der Unterhaltung zu sein. Ich konnte nicht einordnen, was ich fühlte. Das, was ich sonst in seiner Nähe spürte, war spätestens nach Eriks Rückkehr zu großen Teilen verschwunden, vor allem, wenn ich an das Turnier zurückdachte. Ich hatte schon einmal eine Beziehung aufs Spiel gesetzt und offenbar würde es noch häufiger dazu kommen.
      “Niklas”, begann ich, “es ist alles gut, wie es ist. Etwas Festes einzugehen, scheint dir schwerzufallen und dir deswegen einen Anker zu suchen, mit dem du dich in der Vergangenheit besser fühltest, wird wohl normal sein. Dass dein Anker ziemlich unkontrollierte Schübe hat, sorgt jedoch für weitere Entgleisungen.”
      Besten Gewissens versuchte ich aufzumuntern, schon allein aus der Tatsache heraus, dass ich wusste, dass es Erik mehr oder minder egal schien. Wäre es nicht so, würde ich auch verzweifelt im Sattel meines Pferdes thronen und die Welt vernichten wollen – aber das tat ich nicht, denn es erleichterte mich sogar. Niklas schwieg, sah im Wechsel auf den Mähnenkamm seiner Stute und hoch zu den Deckenbalken. Irgendwann stiegen wir ab. Es wurde immer später und zunehmend nährte sich der kleine Zeiger der Zwölf.
      “Darf ich dich umarmen?”, fragte er plötzlich, als ich den Gurt von Lubi gelockert hatte und tastete, ob die Haut an den wichtigen Stellen getrocknet war.
      “Natürlich”, sagte ich freundlich und wurde beinah überfallen von seiner Freude darüber. Kurz schüttelte ich mich, um festzustellen, ob ich wach war. Unbeholfen klopfte ich auf seinen kräftigen, triefend vor Schweiß nassen Rücken und wusste nicht so recht, wie ich diesen Schwall an Gefühlen bändigen sollte. Durch meinen Schoß das Blut vor Freude, aber nicht das, was ich einmal bei ihm verspürt hatte. Ja, es war schon anziehend ihn so nah zu haben und zu wissen, was mich erwarten könnte, aber ich verlangte nicht danach.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 33.595 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte September 2020}
    • Wolfszeit
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      kapitel åtta | 8. Dezember 2021

      Satz des Pythagoras // Schneesturm // Vintage // Forbidden Fruit LDS // Götterdämmerung LDS // HMJ Holy // Girlie // Einheitssprache // Ready for Life // HMJ Divine

      Niklas
      Spät in der Nacht kam ich zu Hause an. Die sonst ziemlich kurze Fahrt vom Hof verlängerte sich ungemein durch einen Zwischenstopp im Nirgendwo. Eigentlich kannte ich die Gegend wie meine Westentasche, aber plötzlich und unerwartet leitete mich das Navigationssystem von der Fernstraße ab. Folgte der Straße durch kleine verschlafene Dörfer, Felder, Wälder, bis ich auf einem verlassenen Rastplatz landete mit einer Ladesäule neben einem heruntergekommen gelb blauen Tankstellen Gebäude, das mit einem älteren Mann besetzt war. Er stand an dem hinteren Eingang, rauchte und beobachtete mich genau, als ich die Auffahrt hinauf fuhr im Schritttempo. Normalerweise waren die meisten Ladestationen mit einer hohen Leistung ausgestattet mit um die zweihundertfünfundsiebzig Watt, diese jedoch brauchte sie nicht auf. Also stand ich, wartete, deutlich länger als erwartet, um zumindest die verbleibenden vierzig Kilometer nach Hause zu schaffen.
      Obwohl ich den Luxus genoss, ausschlafen zu können, klingelte mich unliebsam mein Handy aus dem Bett. Zu bestimmen, wie viel Stunden ich in meinem Bett verbringen durfte, konnte ich nicht einschätzen. Es war zu kurz, denn nur kläglich fand ich den Weg ins Badezimmer und es dauerte eine Ewigkeit, bis ich aus dem Kleiderschrank ein Outfit wählte.
      > God morgon, min son
      “Guten Morgen, mein Sohn”, begrüßte mich Mama freundlich, als ich mit hängenden Schultern die hölzerne Treppe ins Erdgeschoss hinauflief.
      > God morgon
      “Guten Morgen”, murmelte ich. Aus der Küche roch es verlockend und neugierig warf ich einen Blick auf den Herd. Mama und ich hatten uns abgesprochen, heute gemeinsam zu essen, bevor ich mich auf dem Weg zu meiner Freundin machte.
      > Lyckades du i går?
      “Warst du gestern erfolgreich?”, fragte sie bei dem Decken des Tisches. Im Voraus hatte ich mit ihr gesprochen, wusste, dass ich ihr vertrauen kann und ihre Tipps immer richtungsweisend waren.
      > Nej, inte på ett lyckat sätt. Men vi lyckades lösa det.
      “Erfolgreich, nein. Aber wir konnten das Problem lösen”, erklärte ich verschlossen.
      > Det är ju trots allt så
      “Immerhin”, seufzte Mama,
      > Ska du fortfarande gå till din flickvän?
      “ Triffst du dich dennoch mit deiner Freundin?”
      “Jag”, sagte ich wenig überzeugt, aber freute mich vordergründig meine Stute zu treffen. Lina schickte mir täglich Bilder von ihr, wie sie auf die Weide kam, ihr Futter bekam oder in der Führanlage typisch temperamentvoll den Schweif aufstellte und ihre Runden drehte. Ich vermisste sie viel mehr, als ich dachte. Zeitlich hätte ich es aber nicht geschafft, Form für die nächste Saison vorzubereiten und Smoothie abzutrainieren. Irgendwo dazwischen musste ich schließlich arbeiten, essen und selbst meine Fitness aufrechterhalten, da reichte das Reiten leider nicht aus.
      > Upp med hakan, du kommer över det.
      “Kopf hoch, du kommst schon darüber hinweg”, rief mir Mama noch zu, als ich durch die Garagentür den Wohnraum verließ. Schon beim Einsteigen in mein graues Fahrzeug wurde ich darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Restreichweite von fünfzig Kilometern blieb. Bei dem Blick zur Steckdose bemerkte ich auch wieso. Der Volvo meines Vaters hing noch immer am Kabel und ich vergaß meinen Wagen einzustecken. Also tippte ich Lina eine Nachricht, dass ich etwas später kommen würde, da es einige Schwierigkeiten gab. Ihr zu offenbaren, dass ich im Zuge meiner gestrigen Verwirrtheit einen Fehler machte, fiel mir selbst gegenüber nicht einmal leicht. Sie antworte, dass sie sich bereits freute und es kein Problem sei. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ein kleines Lächeln huschte durch mein Gesicht, also konnte ich noch nach einer passenden Ladesäule suchen, wo ich nicht Stunden verbringen müsste, um endlich weiterzukommen, außerdem fehlte auch die Lust mit Lina unbekannterweise zu warten. Es ging schnell, bis mein Auto mir nach dem Start sagte, dass an einer Ausfahrt mit Tankstelle eine für mich passende stand. Dort fuhr ich ab und steckte den Taycan an. Ich musste nur mit meinem Finger an der Büchse entlangfahren und schon öffnete sich der Deckel wie von Zauberhand.
      Bevor die Fahrt weitergehen konnte, sah ich mir das eintönige Gelände näher an, besonders das Innere der Tankstelle, weckte mein Interesse. Bereits auf der kurzen Strecke spürte ich, dass meine Augen Probleme hatten, den Blick auf der Straße zu halten. Keine gute Voraussetzung, wenn ich das Auto noch eine Weile behalten wollen würde. Also bestellte ich mir einen großen Milchkaffee und fand noch eine Kleinigkeit für Lina, über die sie sicher freuen würde. Es war ein kleines weißes Plüsch Einhorn mit rosafarbenen Flügeln, die mit etwas Fantasie an Ivy erinnerten. Sie vermisste ihn und ich konnte es nachvollziehen. Das Pferd war noch meilenweit davon entfernt ein gutes Reitpferd zu sein, aber konnte einem durch sein ruhiges Gemüt wirklich weich werden lassen. Mir fehlte die Verbindung zu ihm, aber glaubte fest daran, dass es mit den Beiden Schicksal sein musste.
      Zwanzig Minuten später durfte ich meine Fahrtfortsetzung, denn sechzig Prozent Ladung sollten für die heutigen Kilometer ausreichen. Augenrollend spielte ich mit dem Gaspedal und wollte am liebsten ins Lenkrad beißen, nach dem es auf der einspurigen Strecke nur noch mit dreißig Kilometer pro Stunde weiter ging bei einer erlaubten Geschwindigkeit von hundert. Laut atmete ich ein und wieder auf, ganz ruhig Niklas, die Kerle in den Lkw arbeiten nur. Darin lag auch mein Problem, würde ich in der Geschwindigkeit arbeiten, hatte ich eine schöne Zeit im öffentlichen Dienst. Kurz lachte ich. Latte würde mir fehlen, wenn ich sein freundliches Wiehern am Morgen nicht hören würde oder die unpassenden Kommentare meiner Kolleginnen, die es äußerst unterhaltsam fanden, dass ich mit meinem Hengst sprach. Ich unterhielt mich mit ihm über fast alles, sogar Lina durfte er schon kennenlernen, außerdem bat ich ihn, etwas zu tun. Er konnte empfindlich sein, mochte es nicht, wenn es regnete oder windig war. Doch auch Sonne irritierte den Braunen. Eigentlich stand er am liebsten in seiner Box und biss in dem Gummispielzeug, dass eigentlich für große Hunde entwickelt worden war. Die Varianten des Dings für Pferde interessierte ihn nicht. Den größten Unterhaltungsfaktor brachten wir in der Reithalle im freien Training. Ich spielte regelmäßig mit ihm, denn auf dem Paddock stand er allein, so wie ich – der Hahn im Korb.
      > Sväng höger.
      “Rechts abbiegen”, erinnerte mich mein Auto daran, endlich die Fernstraße zu verlassen. Erleichtert drückte ich auf das Gas und fuhr minimal zu schnell die Abfahrt entlang. Erst im Nachhinein prüfte ich, ob Kollegen in Sicht waren oder einer der so beliebten Blitzer, aber nein. Für den Augenblick kam ich noch davon, sonst wäre es teuer geworden. Nur noch wenige Minuten trennten mich davon mein Pferd endlich wiederzusehen und natürlich auch Lina. Meine Augen wanderten zum Beifahrersitz, auf dem Ivy bereits auf sie wartete. Schon aus der Ferne erkannt ich das schwarze Schild mit dem handgezeichneten Logo. Vielleicht sollte Lina es einmal überarbeiten, so wirkte es ziemlich unordentlich, aber was wusste ich schon. Im Schneckentempo fuhr ich die Auffahrt entlang und parkte auf dem Parkplatz neben Eriks Auto, dass der immer noch hier war. Unglaublich. Hatte der nichts Besseres zu tun, als Vriska zu belästigen? Verzweifelt atmete ich aus, griff nach dem Mini Ivy und stieg aus.
      Suchend sah ich mich um, aber sah niemanden. Meine erste Adresse war somit der Stall, dort traf ich bisher immer irgendwen. Auch heute wurde ich nicht enttäuscht, zumindest in der Tatsache, jemanden zu treffen. Ausgerechnet Vriska ritt im Gebäude. Schon an der Stimme erkannt ich, dass sie es sein musste, auch wenn es etwas nasal klang. Ich zögerte, die Schwelle zu übertreten, denn ich wollte ihr nicht unter die Augen treten nach der seltsamen Situation zwischen uns, dem allem voran meine Unsicherheit. Normalerweise fühlte ich mich allen überlegen, wusste, was ich tat, aber jetzt scheiterte es schon daran, eine minimale Kante zu übertreten. Aber ich tat es, nur um zu überprüfen, ob Lina eventuell auch dabei war. Ich warf einen Blick zu meiner Linken und sah Vriska auf einer langbeinigen Schimmelstute mit dunklem Langhaar sitzen. Sie trug ein Martingal und bevor ich einen Gedanken darüber verlor, was der Grund sein könnte, dass sie einem Pferd Hilfszügel befestigte, schwang es energisch den Kopf nach oben, aber wurde durch die Ringe am Zügel daran gehindert. Immer wieder wippte sie und erinnerte mich an einen Wackeldackel, der auf der Ablage eines alten Mercedes stand. Vriska hatte mit dem Pferd zu kämpfen, es in eine Gebrauchshaltung zu bekommen und deutlich den Trab zu beruhigen. Sie bemerkte mich am Rand nicht, zum Glück, oder zumindest konzentrierte sie sich auf den Schimmel und sah nicht zu mir.
      “Du musst ihr mehr Freiheit geben sich fallen lassen zu dürfen und ruhiger sitzen”, dachte ich plötzlich laut, ich Idiot. Jetzt bekam ich doch ihre Aufmerksamkeit. Umgehend bremste Vriska die Stute in den Schritt ab und hielt an der Bande ab. Sie reichte ihr so hoch, dass sie die Arme darauf ablegte und lachte.
      “Ach, da ist ja unser Klugscheißer. Lina rennt heute schon den ganzen Vormittag aufgeregt über den Hof, am besten guckst du mal links bei den Weiden. Sie hatte sich zu Smoothie gesetzt”, half sie mir weiter und zeigte in Richtung eines anderen Ausgangs.
      “Danke”, hielt ich mich kurz und drehte mich weg.
      “Ich habe zu danken”, antwortete sie noch. Ich sah noch einmal neugierig zu ihr und wie ich es sagte, trabte der Schimmel deutlich ruhiger und warf nicht mehr so stark den Kopf nach oben. Stolz lächelte ich in mich hinein.
      Aufgeregt folgte ich dem Weg zur Weide, der tatsächlich mit kleinen handgeschriebenen Wegweisern ausgeschildert war und da saß Lina auf einem Stuhl, den Kopf zum Schoß gesenkt, auf dem ein Block lag. Sie zeichnete vermutlich, denn ich schätzte sie nicht als Schreiberin ein. Langsam näherte ich mich und wollte sie überraschen, aber Smoothie vermasselte mir diese Chance. Aus dem Nichts bockte sie im Stand und quietschte aufgeregt. Dann kam sie zum Zaun getanzt, konnte nicht erwarten, dass ich ihr endlich über Kopf strich. Auch Lina bemerkte das Theater und drehte sich um. Ein strahlendes Lächeln zauberte sich auf ihr zartes Gesicht. Ich hatte fast vergessen, wie sie einem in ihren Bann ziehen konnte. Ja, wenn Vriska nicht in Sichtweite war. Ich schämte mich dafür.
      “Guck mal, ich habe dir einen Mini Ivy mitgebracht”, lachte ich, viel mehr, um mich wieder abzulenken, als um Lina dafür zu begeistern. Sie legte, ihren Block beiseite, nahm das Plüschtier entgegen und betrachte es begeistert.
      “Aww, das ist niedlich, das sieht tatsächlich fast aus wie Ivys wahre Persönlichkeit”, lachte sie entzückt und spielte an den kleinen Flügeln herum, “und dann ist es noch so schön flauschig. Dankeschön, das ist so süß von dir.”
      “Bitteschön”, schmunzelte ich verlegen und schlang meine Arme um sie, roch an ihren Haaren, die vertraut nach Mandelblüte dufteten und in der Nase kitzelte. Ich verharrte einen Moment und strich über ihren Rücken. In meinem Inneren suchte ich nach dem, was man fühlen sollte, aber konnte nicht genau definieren, was gerade vorherrschte. Mein Herz schlug schneller. Ich hoffte, Lina bei mir haben zu können, solang ich es brauchte, bis ich mir klar darüber werden würde, was ich wollte. Aber so funktionierte es natürlich nicht. Also schwieg ich, redete mir ein, dass es das Richtige war – Alles, nur in Millisekunden, weniger als einem Wimpernschlag. Mein Herz raste.
      “Ich weiß nicht genau, ob dein Pony oder ich mich mehr darüber freuen, dass du da bist”, lächelte sie, sah dabei mit ihren strahlenden Augen zu mir hoch. Einzelne Strähnen hatten sich aus den liebevoll geflochtenen Zöpfen verabschiedet und standen chaotisch in die Luft. Der seichte Wind ließ sie wehen. Es wurde still, auch in meinem Kopf, nur die sanften Töne der noch immer aufgeregt tänzelnden Stute lagen hypnotisierend in der Luft.
      „Ich weiß es leider auch nicht, aber Smoothie scheint sich mehr ins Zeug zu legen“, schmunzelte ich.
      „Ist das so?“, raunte Lina leise, bevor sie sich auf die Zehenspitzen stellte und mir einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen drückte. Ohne darüber nachzudenken, legte ich meine Hände an ihre Hüften, zog sie zärtlich an mich. Doch, dann zögerte ich. In mir spülte sich das Verlangen in den Vordergrund, langsam mit meinen Händen zum Rücken zu wandern. Einfach machte es mir Lina nicht. Die dunkelblaue Reitleggings saß eng an ihrer Hinterpartie, verlockte mich danach zu greifen. Aber ich tat es nicht, aus einem ganz einfacheren Grund: Ich hatte Angst, ihr schlechte Gefühle zu bereiten oder ungewünschtes Verhalten auszulösen, als riss ich mich zusammen.
      “Na gut, überzeugt”, stammelte ich, schob meine Brille wieder nach oben und öffnete gedankenverloren die Litze der Weide. Smoothie stupste mich an, erhob den Kopf, um mir meine Frisur zu zerstören. Sie hatte schon immer ein Problem damit, wenn ich mich besonders bemühte, die Pracht unter Kontrolle zu bekommen. Beinah rüpelhaft stieß sie mir gegen den Kopf.
      > Sluta.
      “Hör auf”, fluchte ich und hob drohend die Hand. Einige Schritte tanzte sie zurück, beruhigte sich umgehend. Sie schnaubte und stellte sich mit Abstand zu mir.
      “Soll ich schon vorgehen, oder lässt du deine Kunst hier liegen?”, fragte ich aufrichtig und drehte mich zu Lina um.
      “Ja geh schon mal, ich bring das gerade schnell weg”, antworte sie und sammelte geschäftig ihre Sachen ein. Ich nickte und folgte dem Trampelpfad, der durch die Weiden zum befestigten Kies führte. Wieder begann die Stute ihren Kopf an mir zu reiben, trat mir mit den Vorderhufen in die Schuhe. Entschlossen bremste ich, drehte mich zu ihr.
      > Ta dig nu samman!
      „Jetzt reiß dich zusammen“, tadelte ich. Aus der Ferne vernahm ich das Starten eines älteren Traktors und die Motorgeräusche wurden lauter. Smooth zuckte zusammen und senkte den Kopf, die zuvor weit aufgerissenen Augen schlossen sich in gleichmäßigen Abständen vertraut. Ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass Lina die falsche Person im Umgang mit ihr sein könnte, schüttelte mich. Es war absurd. Sie konnte gute mit Pferden umgehen und es fehlte nur die Erfahrung mit meinem Ausnahmetalent.
      Im Stall lief zunächst durch die Gasse, suchte, an welcher Stelle ich das Pferd anbinden könnte. Nachdem ich das x-te Mal über den Beton schritt und mittlerweile schon den Strick in der Hand gehalten hatte, der vorher an der Box meines Pferdes hing, blieb ich an der Bande stehen und versuchte durch meine reine Anwesenheit, Vriskas Aufmerksamkeit zu gelangen. Lina schien nicht nur ihre Zeichensachen wegzuräumen, sondern noch die Wohnung zu putzen oder nach Kanada zu reisen, um ihr Pferd zu holen.
      „Wonach giert es dir?“, lachte Vriska, als sie mich endlich bemerkte nach meinem elendigen Starren.
      „Wo kann ich mein Pferd putzen?“, stotterte ich unsicher. Sie zeigte mit ihrem Finger zu einer breiten boxenähnlichen Struktur direkt neben dem Solarium. Erleichtert nickte ich, bevor sie sich umgehend abwandte und erneut mit der Schimmelstute über das Konstrukt aus Stangen trabte. Innerlich entfachte sich erneut die Empörung darüber, dass sie praktisch von einem auf den anderen Tag kein Interesse mehr an mir hatte. Ihre Zeichen waren deutlich. Sie sah kein einziges Mal zu mir, als ich Smoothie vorbereitete, und hatte sogar mir Vertrauen geschenkt, über ein Inneres zu sprechen. Mit Erik wirkte es inniger, als es mir lieb war. Die Angst, sie auch zu verlieren an der Sache, wie den Großteil meines Umfelds wuchs stündlich. Ich konnte und durfte es nicht zulassen, dass sie ebenfalls in dem Loch landete.
      Lina kam mit einem Schecken am Halfter durch den Gang gelaufen, aber wurde prompt von Vriska gestoppt. Überrascht sahen sie einander an, als hätte keiner damit gerechnet.
      “Vinni wird dir keine Freude machen, hol dir lieber Fruity”, grinste Vriska.
      “Okay, wenn du das sagst”, lächelte Lina, “Danke.”
      Ihre Freude über Vriskas Angebot war unverkennbar, als sie mit dem Schecken wieder kehrt machte. Der Hengst drehte verwundert den Kopf, aber folgte freundlich. Es dauerte nicht lange, bis sie mit der Braunfalbstute wieder kam. Das Pferd hatte schon beim Führen eine erstaunliche Ausstrahlung. Langsam schloss sie die Augen, öffnete sie wieder und das blau leuchtete. Ihr großes Kopfabzeichen setzte sich prägnant vom dunklen Kopf ab.
      “Da möchte mir wohl jemand Konkurrenz machen?”, musterte ich die beiden mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Lina winkte nur lachend ab und hängte die Regendecke über eine Stange, die sie zuvor herausklappte. Sie war rasiert, bis auf die Beine und dem Kopf standen nur noch kleine Stoppeln zur Luft. Wenn ich die Außentemperaturen betrachtete, konnte ich es nicht nachvollziehen. Zudem wusste ich, dass die Stuten Tag und Nacht draußen verbrachten und nicht wie Smoothie in der Nacht in eine der großen, warmen Boxen durften. Ich strich meinem Pferd über das Fell am Hals. Sie war fertig geputzt und weitestgehend sauber, natürlich stellte es schon von jeher eine Herausforderung dar, einen Schimmel wirklich sauber zu bekommen. Das matschige Herbstwetter half mir bei meinem Vorhaben auch nicht so ganz, aber es stand ohnehin keine Veranstaltung mehr an, somit durfte Smoothie das innerliche Schwein ausleben.

      Lina
      Dadurch, dass Fruity eingedeckt war, gab es nicht viel zu putzen. Neugierig nestelte die Stute an alle herum was in die Nähe ihrer Schnauze kam, schien sich regelrecht zu freuen mal jemand anderen als üblich vor sich zu haben. Sanft schob ich ihren Kopf beiseite, um an ihr vorbei zur Sattelkammer zu kommen. Der heutige Tag erfüllte mich mit unfassbar viel Freude. Der Besuch meines Freundes allein wäre schon ein Grund gewesen, sich zu freuen, aber in den Genuss zu kommen, Forbidden Fruit zu reiten steigerte meine Stimmung ins Unermessliche. Die Falbstute war der aktuelle Liebling meines Chefs und wenn man sie nur ein paar Minuten betrachtete, verstand man auch warum. Schon, wenn die Stute einfach ruhig dastand und einen freundlich aus ihren blauen Augen entgegenblickte, zog sie einen in den Bann. Bereits seit ich die Stute das erste Mal erblickte, bewunderte ich sie insgeheim und hätte niemals gedacht sie mal reiten zu dürfen. Glücklich hüpfte ich in die Sattelkammer nur, um festzustellen, dass der Sattel der Stute erstaunlich schwer war. Entspannt blieb Fruity stehen, während ich sie zurechtmachte. Auch mit Smoothie war Niklas schnell fertig, sodass wir recht bald Start bereit waren.
      Für einen Herbsttag war es heute recht warm, die Sonne schien angenehm am beinahe wolkenlosen Himmel. Ein seichter Wind ließ ein paar Blätter durch die Luft schweben und in der Ferne war das Geschnatter eines Gänseschwarm zu vernehmen, welcher sich allmählich auf den Weg in wärmere Gefilde machte. Smoothie schien ein wenig aufgeregt, drehte die Ohren in alle Richtungen, hampelte herum, wie ein kleines Kind, welches es kaum erwarten konnte, endlich loszukommen. Der Schimmel war so ungeduldig, dass sie sogar seitwärts kurzzeitig für eine gute Bewegungsrichtung hielt. Ich musste schmunzeln, selten war mir ein Pferd begegnet, was so Banane im Kopf war wie diese Stute. Entspannt mit gespitzten Ohren schritt Fruity neben der deutlich größeren Stute her, ließ sich von ihren Faxen in keinster Weise stören.
      Begleitet von den gleichmäßigen Geräuschen der Pferdehufe, betraten wir den herbstlichen Wald. Mit dem farbenprächtigen Indian Summer, den ich Kanada erlebte, konnte der Herbst hier, nicht mithalten. Dennoch verliehen die Laubbäume, deren Blätter sich bereits gelb färbten, dem Wald ein mythisches Flair, so wie sie zwischen den dunklen Nadelkronen der Kiefern hervorleuchteten. Für einen Moment verlor ich mich in glücklichen Erinnerungen an Tage, an denen ich mit meiner Schwester die bunten Wälder unserer Heimat durchstreiften auf der Suche nach Magie und Geheimnissen. Im Herbst meinte Juliett stets, sei die Magie in den Wäldern am größten.
      “Ist es nicht schön hier draußen?”, fragte ich Niklas und strich der Falbstute versonnen über das kurze Fell. Als hätte ich sie gefragt, schnaubte Fruity und nickte mit dem Kopf.
      “Mhm”, murmelte er, ohne mit den Wimpern zu zucken. Smoothie kam nicht zur Ruhe, noch immer tänzelte sie in alle möglichen Richtungen und mein Freund wurde langsam aber sicher genervt von ihr. In seinen glasig werdenden Augen funkelte die Verzweiflung, sein Kiefer knirschte unregelmäßig. Obwohl er eine recht lockere dunkle Jacke trug, bemerkte ich, dass auch seine Brustmuskulatur willkürlich zuckte und er langsam die Geduld verlor, oder den Glauben an sein ach so toll ausgebildetes Pferd. Ich war mir nicht ganz sicher. Innerlich schmunzelte ich etwas, denn offenbar gab es auch in seiner Welt Grenzen und Smoothies rüpelhaftes Verhalten war eine davon. Als ich vorschlug einige Meter zu traben, um sie etwas zu entlassen, verschlug es Niklas die Stimme und alles, was hervorkroch, war seine pulsierende Halsschlagader. Wie konnte er solche schlechte Laune bekommen, nur weil sein Pferd einmal nicht funktionierte? Lag es an mir, hatte ich eventuell dafür gesorgt? Diese Gedanken waren irreführend und nicht hilfreich, um die Situation zu entschärfen.
      “Es tut mir leid”, stammelte ich unbeholfen, was er nur mit einem Augenrollen kommentierte und plötzlich antrabte. So schnell konnte ich mit Fruity gar nicht reagieren, wie er mit Smoothie über den feuchten Waldboden donnerte und Dreck in unsere Richtung warf. Die Ohren meiner Stute schnellten aufgeregt nach vorne, sie wartete nur auf das Signal folgen zu dürfen. Ohne weiter darüber nachzudenken, fasste ich die Zügel nach, ließ die Stute unter mir laufen. Die Hufe der barocken Stute schien geradezu über den Waldboden zu fliegen, der Dreck spritze mir bis zu den Ohren, als sie durch eine Pfütze donnerte. Obwohl Fruity sich mächtig Mühe gab, schien der Abstand zu Niklas, der ohnehin schon einen Vorsprung hatte, größer zu werden. Das Vollblut konnte man bei Smooth eindeutig nicht verleumden. Rhythmisch schnaubte Fruity im Takt ihrer Schritte, wollte noch einmal ein wenig anziehen, als der Schimmel um eine Kurve verschwand, doch ich ließ sie nicht. Ungern wollte ich, dass sie noch ausrutschte auf dem feuchten Boden.
      Bereits ein paar Meter hinter der Kurve, entdeckte ich das Niklas allmählich wieder langsamer wurde und schließlich anhielt, um auf mich zu warten. Mit wachem Blick, die riesigen Ohren aufmerksam aufgestellt, sah Smoothie mir entgegen, nun deutlich ruhiger und sogar in der Lage stillzustehen. Ich ließ meine Falbstute langsam auslaufen, bevor sie schnaubend vor der Schimmelstute stehen blieb.
      “Ich hätte das Vieh verkaufen sollen, als ich die Möglichkeit dafür hatte”, fluchte Niklas und richtete einen erbosten Blick zum Mähnenkamm seines Pferdes. Hektisch zog er an den Zügeln, hoffend darauf, eine Reaktion von ihr zu bekommen. Doch sie ignorierte das Zupfen am Gebiss und starrte noch immer in meine Richtung. So schnell verfluchte man also das Pferd, welches man eigentlich liebte. Ich war immer noch ein wenig verschreckt, wie schnell und heftig seine Laune umgeschlagen war, sobald wir losritten.
      “Meinst du wirklich, du wärst dann glücklicher?”, fragte ich beschwichtigend, innerlich bereits darauf vorbereitet angemeckert zu werden. Er hielt inne, biss sich auf der Unterlippe herum und stoppte das unerträgliche Zerren am Zügel. Ein Kieselstein fiel mir vom Herzen, denn allein das Zusehen dabei schmerzte. Gleichzeitig tat mir ein wenig in der Seele weh, meinen sonst so starken Freund so fertig zu sehen.
      „Ich weiß es nicht“, murmelte er plötzlich still, „Es ist gerade einfach sehr viel und es wird meine Schuld sein.“
      Smoothie schnaubte ab, als fühle sie sich genauso erleichtert wie ich für den Augenblick. Ihre zuvor angespannte Halsmuskulatur lockerte sich und entspannt kaute sie ab, bis der Kopf losgelassen nach unten hing. Sanft strich er ihr durch die Mähne und es sah beinah so aus, als huschte ein leichtes Lächeln über sein markantes Gesicht.
      “Du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, falls es etwas gibt, worüber du reden möchtest. Du musst das nicht allein durchstehen”, lächelte ich aufmunternd, “Wollen wir dann weiter?”
      „Ach, ich weiß einfach nicht so genau, ob ich weiterhin meine Energie in etwas stecken soll, dass am Ende kein mehr Sinn mehr ergibt. Pferd hin oder her, denn mit Form müsste ich noch ewig trainieren, bevor wir ernsthaft eine Grand Prix reiten könnten. Wenn ich Glück habe, könnte eine S bis zum Ende des Jahres sitzen“, erzählte Niklas und setzte währenddessen zum Schritt an. Die Schimmelstute wirkte nun noch ruhiger. Der Schweif pendelte gleichmäßig und noch immer kaute sie aktiv auf dem Gebiss.
      „Ich wollte nächstes Jahr die Qualifikation schaffen für die Weltreiterspiele, aber das könnte ich nun vergessen“, fügte er nach einigen Metern hinzu. Beschäftigte ihn dieses Thema also immer noch. Bereits am Vortag vor der großen Kür in Kanada hatte er so etwas angedeutet. Lebenswünsche sind wie Seifenblasen, schillernd, bunt, lebendig, aber leider ebenso fragil. Zu gut konnte ich nachvollziehen, wie es sich anfühlte, wenn sie zerplatzten. In diesem Moment wünschte ich mir, es gäbe ein Heilmittel für den Spat. Einen Weg Smoothie wieder fit zu machen und Niklas den Wunsch zu ermöglichen mit seinem Herzenspferd beim World Cup teilzunehmen, doch die Chance, dass ein solches Wunder geschehen würde, standen gleichermaßen bei 0. Der einzige realistische Weg wenigstens einen Teil dieses Wunsches zu erfüllen, wäre durchzuhalten und mit Form weiterzumachen.
      “Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst.”, setze ich verständnisvoll an, „Ob das mit Form den erwünschten Erfolg haben wird, kann ich dir nicht sagen. Aber du stehst jetzt vor zwei Möglichkeiten.” Ich hielt für einen Moment inne, betrachtete ihn, wie er auf seiner Stute thronte. “Du kannst aufzuhören, Energie in ihr Training zu stecken und deinen Traum, und alles, wofür du bisher gearbeitet hast, aufzugeben, aber das wird die Konsequenz mit sich bringen, dass du niemals erfahren wirst, ob du es hättest schaffen können. Wenn du denkst, es ist das Richtige für dich, dann tu es. Oder aber du machst weiter, siehst, wohin es dich führt. Ich für meinen Teil glaube, dass du das mit Form schaffen kannst. Sie hat das Potenzial und du sowieso, aber die Entscheidung musst du selbst treffen.”
      “Wie gesagt, es ist gerade ziemlich viel“, wiederholte Niklas mit starrer Miene nach vorn gerichtet, als hätte ich nichts gesagt. Seine Stille verunsicherte mich, denn eigentlich hatte er immer irgendetwas zu sagen oder war zumindest optimistisch gestimmt. Nur in der Situation sollte wohl ich diejenige sein, die positiv auf die kommende Zeit blickte. Offenbar wollte er nicht reden, also ließ ich Fruity einfach stillschweigend dahin trotten. Das Einzige, was jetzt noch zu hören war, waren die Geräusche der Pferde und das leise Rascheln der Blätter, die sich im Wind bewegten.
      „Tut mir leid, dass es nicht so gelaufen ist, wie du es dir vermutlich vorgestellt hast“, sagte Niklas, als wir eine Stunde später zum Hof zurückkehren und vor dem Gebäude von den verschwitzten Pferden stiegen.
      “Ist schon okay, ich kann nicht von jedem immer gute Laune erwarten”, entgegnete ich friedfertig. Fruity begann neugierig mit ihren Lippen an meiner Jacke herumzuspielen, während ich den Sattelgurt lockerte.
      “Dann glaube ich dir, möchtest du dennoch zur Pizzeria?”, erkundigte er sich und half mir dabei den Sattel vom Rücken zu nehmen.
      “Ich glaube schon”, erwiderte ich, “also, wenn dir das nicht zu viele Umstände bereit.” Ich war neugierig die Umgebung, in der ich nun lebte, näher kennenzulernen, aber meinetwegen sollte Niklas sich nicht zusätzlich stressen.
      “Dann frag ich jemand anderes, ob er mitkommen möchte”, lachte er provokant und schielte dabei zum Sand, auf dem gerade Vriska es tatsächlich mit Götterdämmerung versuchte. Erstaunlich, dass sie das Pferd überhaupt aufgehalftert bekam und nun im Schritt führte. Natürlich hatte der Fuchs die Ohren angelegt, wedelte gestresst mit dem Schweif. Hätte Niklas nicht so intensiv zur ihnen hinüber gestarrt, wäre es mir vermutlich entgangen.
      “Nein, brauchst du nicht, weil ich dich liebend gern begleiten werde”, sagte ich entschlossen, bevor ich mit Fruitys Zeug in die Sattelkammer stiefelte.
      “Dann bin ich nicht nur froh”, schwärmte er, “sondern auch erleichtert.” Er folgte mir mit dem Zeug seiner Stute. Unter großem Energieaufwand versuchte ich den Sattel der Falbstute auf ihren Halter zu hieven, bevor ich ihm antworte, was sich für einen Zwerg wie mich schon als Challenge herausstellte. Ganz besonders für einen Zwerg, der seit Wochen sein Training schliefen, ließ. Niklas kam mir freundlicherweise zu Hilfe, nachdem er Smooth Sattel verträumt hatte.
      “Ich fühle mich geschmeichelt, dass du so viel Wert auf meine Gegenwart legst”, lächelte ich, sah ihm dabei in seine wunderschönen Augen, die, wie ich in dem Moment merkte, rot unterlaufen waren im weiß. Immer häufiger blitzte, als hätte er Schwierigkeiten seine Augen offenzuhalten. Dennoch sah er mir weiter intensiv in meine und begann noch breiter zu lächeln. Plötzlich wurde mir warm, ich spürte das meine Wagen rot anliefen und in mir fühlte ich die Bestätigung, dass sich die Reise nach Schweden gelohnt hatte. Ich erkannte, dass Niklas meine Anwesend so sehr schätzte, wie ich seine und auch, dass ich mir im Augenblick niemand anderes an seiner Stelle wünschte. Selbst die letzten kleinen Zweifel, die tief in mir schlummerten, waren auf einmal wie fort gewischt. Um mich herum verstummte alles, die Geräusche von außerhalb der kleinen Hütte lösten sich in Luft auf und wurden zu nichts anderem als einem untertönigen Hintergrundrauschen. Seine warmen Hände schoben sich sanft unter mein Oberteil und sein Körper drückte mich vorsichtig gegen die bodentiefen Fenster hinter mir. Jeder, der nun seinen Weg durch den Flur wagte, würde uns sehen, aber es kam niemand, hoffte ich. Niklas legte seine Lippen auf meine und ich hielt mich liebevoll an seinem Hals fest, vergrub meine Finger in seinen Haaren. Ich wollte mich ihm nur noch hingeben, seine Wärme unter meinen Fingern spüren.
      Dann wurden wir unterbrochen. Laut aufheulend stand plötzlich ein Hund im Raum, doch als ich die Augen öffnete, stand nicht Trymr vor uns und wedelte mit dem Schwanz. Die Töne, die sie von sich gaben, waren dafür zu freundlich und eher melodisch als tiefgründig. Dieses Tier kannte ich bisher nicht. Erschrocken ließ Niklas von mir ab und drehte sich um. Mittlerweile saß das Tier, starrte uns noch immer an. Ein Pfeifen ertönte quer durch den Flur, bis die Schritte endeten.
      “Ach, hier steckst du”, lachte ein groß gewachsener junger Mann, dessen Gesicht ich vor einigen Tagen schon einmal gesehen hatte. Wie hypnotisiert folgten meine Augen, dem Hund, der zu ihm lief, bevor ich mich aus meiner Starre löste.
      “Ähh, Hallo”, murmelte ich, zupfte verlegen an meinem Sweatshirt. Hoffentlich hatte der unerwartete Besucher nicht allzu viel mitbekommen.
      “Was machts du denn hier?”, fragte ich und versuchte mich dabei möglichst normal zu verhalten.
      “Stör ich?”, lachte er und warf einen musternden Blick auf uns beide. Niklas sah mit geröteten Wangen weg und sagte: “Mein Pferd wartet”, und verschwand aus der Tür.
      “Offenbar”, fügte der junge Herr hinzu, “also eigentlich hatte ich mit Tyrell besprochen, dass heute die Ponys kommen, aber gerade meinte Vriska, dass er gar nicht da ist. Also typisch mal wieder. Ich bräuchte Hilfe beim Wegstellen und sie hatte keine Zeit. Also.” Er stoppte und stellte sich deutlich unbeholfen an die Tür. Sein Oberarm rutschte von der Türklinke und sein Kopf landete geradewegs gegen das Glas. Dann lachte er.
      “Ja klar kann ich helfen. Ich müsste nur vorher noch schnell Fruity wegstellen”, lächelte ich hilfsbereit. So viele Ponys würden es schon nicht sein, als dass es Ewigkeiten dauern würde, hoffte ich zumindest.
      “Danke dir, dann bis gleich”, sagte er und verließ den Raum. Seine Hündin sah noch kurz zu mir, bevor sie ihrem Herrchen folgte. Kurz nach ihnen verließ auch ich den Raum und lief zu meinem Freund, der bei den Pferden wartete. Mit halb geschlossenen Augen stand Fruity da, die Lippe locker hängend, ein Hinterbein angewinkelt döste sie, während Smoothie unter Niklas kraulenden Händen zu Giraffe wurde. Wie lang konnte ihr Hals wohl werden? (ja.)
      “Ich muss da gleich mal kurz helfen, Ponys einsortieren”, teilte ich mit und griff nach der Decke der Falbstute um sie ihr anzuziehen.
      “Dann ich darf mich doch in der Zeit bei dir frisch machen, oder?”, fragte er schließlich, als Smoothie genug hatte.
      “Selbstverständlich kannst du das”, beantwortete ich seine Frage und weckte Fruity, damit, dass ich den Brustverschluss der Decke schloss. Ohne weitere Fragen zu stellen, nahm er seine Stute und trottete aus dem Gebäude heraus. Etwas verschlafen stolperte die barocke Stute hinter mir her als ich ihnen zu den Paddocks folgte. Niklas verschwand direkt in Richtung meiner Wohnung, während ich den Weg zurück zu den Ställen einschlug, wo Bruce mit seinem Hund bereits wartete.
      “So da bin ich, was soll ich tun?”, erkundigte ich mich bei dem jungen Mann.

      Wir sehen uns morgen, die Worte hallten auch noch durch meinen Kopf, als ich die Göttin eindeckte und auf den Paddock zurückstellte. Sie schnappte immer häufiger nach mir, versuchte sogar zu steigen, doch ich war viel zu sehr damit beschäftigt, über ihn nachzudenken, dass ihre Spielchen vollkommen wirkungslos erschienen. Hinter mir hörte ich Lina mit Bruce sprechen, während sie die wenigen Stuten mit zu Girlie und Holy stellten. Mehr Aufmerksamkeit hielten sie aber auch nicht von mir. Das Halfter der Stute schmiss ich lieblos an den Eingang des Paddocks und lief in mein Zimmer, ohne zurückzusehen. Ich konnte nicht mehr. Schon auf dem Weg kullerten die ersten Tränen aus meinen glasigen Augen und als ich zur Tür hineinkam, rutschte ich im Inneren an ihr herunter und schluchzte laut. Immer mehr Tränen überströmten mich und tropften auf die graue Hose.
      “Ich hasse ihn”, schrie ich verzweifelt, als plötzlich schwere Schritte über den Holzboden bebten und lauter wurden. Die gleichmäßigen Tönte konnten nur von dem Ungetüm stammen. Was machte der überhaupt noch hier? Schwanzwedelnd legte er sich vor mir ab und stützte den Kopf auf meinen Schoß. Bestürzt griff ich nach meinem Handy, scrollte die Anrufliste entlang und drückte auf Erik. Tränen liefen weiterhin über meine Wangen, auch mein Schluchzen hatte sich noch nicht eingestellt, als er abhob. Bevor ich ihm irgendwelche Vorwürfe machen konnte, ergriff er das Wort.
      “Was ist los?”, sagte Erik feinfühlig, “wieso weinst du?”
      “Weil du weg bist”, entschloss ich zu sagen, ohne einen Gedanken darüber zu verlieren, wieso er überhaupt wegfuhr. Ich wusste nämlich, dass er noch einige Termine vor sich hatte in Stockholm und deswegen erst nach dem Wochenende wieder Zeit für mich haben würde.
      “Aber das ist doch kein Grund, wir sehen uns doch Sonntagabend wieder”, versuchte er mich aufzumuntern. Seine Worte klangen vertraut und genauso schmerzerfüllt wie meine Gedanken es waren.
      “Nein, du drehst jetzt um und holst deinen Hund, ich will dich nicht mehr hier haben”, schluchzte ich tief betrübt. Was tat ich hier eigentlich? Hatte ich wirklich aus der Verzweiflung heraus Erik zur Hölle geschickt? Ich war wirklich ein Idiot. Vor einer Stunde war noch alles gut und plötzlich entschied sich mein Gewissen, alles Gute über den Haufen zu werfen, mir alles noch schwerer zu machen, als es schon war. Unaufhörlich vibrierte mein Handy auf dem Fußboden und drückte mir auf die Ohren.
      “Was”, krächzte ich in das Mikrofon.
      “Wir reden später, nicht jetzt”, sagte Erik Monoton, “Trymr werde ich nicht abholen. Der wollte vorhin schon nicht mit, wie sollte das jetzt etwas werden. Wenn er dich stört, musst du ihn zu Papa bringen.”
      Es schmerzte mich ihn so verletzt zu hören, aber ich konnte ihn nicht in meinem Leben lassen, wenn in mir noch so viele ungeklärte Faktoren bestanden. Faktoren, die ich weder ändern konnte, noch alle kannte. Ich musste mich erst selbst entdecken, bevor ich mit ihm glücklich sein könnte.
      “Na gut”, zitterte meine Stimmte.
      “Ich überweise dir nach her Geld, dann kannst du Futter für ihn holen”, sagte er und verstummte. Aus dem Lautsprecher ertönte, dass er laut einatmete und auch seine Nase nicht ganz frei war. Laut begann wieder zu schluchzen.
      “Vriska. Versprich mir eins”, flüsterte Erik starken Wortes, “was auch immer gerade los ist, denk daran, dass du immer einen Platz bei mir hast. Ich mag dich, sehr.” Dann legte er auf. Eine Chance ihm das zurückzugeben, bekam ich nicht. Auch ich mochte ihn, allerdings lieber ohne seine Tochter. Gab es uns beide nun noch, oder war das eine Trennung? Konnte man das überhaupt Beziehung nennen, die paar Tage?
      Mein Handy hielt ich noch in meiner Hand und ich traf einen folgenschweren Entschluss. Ungesteuert schwebte mein Daumen über den Touchscreen zu Niklas Chat. Dabei überflogen auch meine Augen den bisherigen Verlauf, der noch davon dominiert waren, was er mir in der Nacht schrieb.
      “Ich habe mit Erik Schluss gemacht. Deinetwegen. Du machst mich fertig. Ich hasse dich”, tippte ich wild und feuerte das Gerät durch den Raum. Es flog gegen den Couchrücken aber landete zum Glück auf dem Teppich. Die Chance, dass es noch voll intakt, stieg somit. Geld, mir ein neues zu kaufen, hatte ich nicht.
      Es vibrierte. Dass Niklas so schnell antworten würde, hätte ich nicht gedacht. Auf Knien krabbelte ich hinüber und Trymr folgte mir unentwegtes. Seine Augen sahen immer wieder tief in meine und mit seinem Kopf stupste er mich an. In bei mir zu haben, besänftige mich langsam.
      “Beruhige dich, bitte. Nie sagte ich, dass du das tun sollst, aber lass uns reden. Ich bin gleich bei dir”, las ich. Nein, nein, nein. Mit niemandem war ich bereit darüber zu sprechen, alles, was ich wollte, war Dampf abzulassen, denn er hatte durch seine bloße Anwesenheit dafür gesorgt, dass mein kleines Leben wie ein Kartenhaus zusammenfiel und ich gerade mit meinem Traummann innerhalb kürzester Zeit beendete, was wir hatten.
      Es klopfte, aber ich ignorierte es, hielt mir die Ohren zu und schloss die Augen. Aber Trymr begann zu bellen und als ich hörte, wie die Terrassentür aufgeschoben wurde, knurrte das Ungetüm sogar. Ich schickte den Hund weg und stand vom Boden auf.
      „Warum ist der noch hier?“, fragte Niklas verwundert und sah leicht verängstigt das graue Tier an. Seine Haare waren noch triefend nass, als sei er geradewegs aus der Dusche gesprungen und hinübergerannt.
      „Schön, dass das deine einzige Sorge ist“, ranzte ich ihn verärgert an und nahm Platz am Tisch. Keinen von uns beiden ließ der Hund aus den Augen, dann fletschte er wieder die Zähne, als der großgewachsene, viel zu gutaussende Kerl näherkam. Nicht schwach werden Vriska, der ist nur hier, weil seine Freundin wenige Meter entfernt ist. Nicht schwach werden!, wiederholte ich mental immer wieder. Meine Beine wippten nervös.
      „Sprich mit mir, oder brüll mich an. Mir egal“, sagte er selbstbewusst und entschied sich ebenfalls an den Tisch zu setzen. Seine Arme legte auf der Platte ab. Ich griff nach seinen Händen. Dann schlossen sich meine Augen. In mir spielten sich gleichzeitig tausend Szenen ab, Dinge die passiert waren, das was ich zu Erik sagte und was ich gerade am liebsten hätte. Für einen Wimpernschlag verstummte es um mich herum, aber die Gedanken schrien. Sie waren so laut, dass meine Ohren schmerzten und auch mein Kopf dröhnte. Dann ließ ich wieder von ihm. Seine warme Haut spürte ich auch noch Minuten später. Er saß noch immer mit mir am Tisch, gab mir die Zeit, die brauchte zum Antworten und schwieg. Immer wieder schielte er zur Uhr, die an der Wand.
      „Du kannst gehen“, versuchte ich ihn wieder loszuwerden. Ehrlich gesagt, wollte ich Niklas nicht in meiner Nähe haben, erst recht nicht allein mit ihm in einem Raum sein. Unaussprechliches könnte passieren, wenn es keine Zeugen gab.
      „Solang du nicht mit mir darüber sprichst, werde ich nirgendwo hingehen“, blieb er felsenfest auf dem Stuhl sitzen und verschränkte die Arme. Tatsächlich entschied ich mich dazu, nichts zu sagen. Ich hatte riesige Angst davor auszusprechen, was in meinem Kopf war. Angst davor, dass er selbiges fühlte und auch, dass er es nicht fühlte. Egal, was er dazu zu sagen hätte, es würde mich verletzten und das wollte ich uns beiden ersparen. Doch Niklas wurde zunehmend ungeduldig.
      „Hätte ich nicht etwas zu tun, würde ich warten, bis du dich öffnest“, übernahm er nun doch das Wort und setzte sich aufrecht hin, „Ich werde das jetzt nur einmal sagen, also höre genau zu. Eigentlich würde ich nun sagen, dass es mir leidtut, was zwischen uns beiden passiert ist und auch, dass es offenbar mit euch beiden nicht funktionierte. Aber ich bin tatsächlich sehr froh, dass du ihn zum Mond geschossen hast. Von Anfang an sagte ich dir, dass das mit ihm nichts Gutes werden würde, aber du hast mir nicht glauben wollen. Und wir beide, ich bereue nichts. Ich bin froh, dass wir uns kennengelernt haben und auch, die Erlebnisse mit dir gehabt zu haben. Aber solche körperliche Nähe, werden wir nicht mehr erleben, denn ich mit jetzt mit Lina zusammen und damit auch äußerst glücklich.“ Dann schluckte er. Ich spürte, dass er log oder zumindest bei dem letzten Wort zunehmend verunsichert war. Niklas wurde nervöser, wippte ebenfalls mit dem Bein und sah sich immer wieder zur Seite um, als hätte er Angst, dass sie es mitbekam. Aber was sollte ihr Problem sein? Wir saßen doch nur am Tisch und sprachen miteinander.
      „Fast. Es ist noch schwer für mich zu beweisen, dass ich es ernst meine, denn körperlich haben wir uns noch immer nicht genährt. Darum geht es jetzt aber nicht. Vriska, bitte vertraue mir, wenn ich sage, dass du ein toller Mensch bist. Du liegst mir sehr am Herzen und es schmerzt mich, dich so zu sehen. Ich möchte, dass du mir noch eine Weile erhalten bleibst, auch wenn es auf rein freundschaftlicher Basis passiert“, setzte er fort. Doch ich unterbrach ihn.
      „Freundschaft? Ich möchte nicht mit dir befreundet sein, das würde mich nur täglich daran erinnern, was ich in meinem Leben nicht haben kann“, seufzte ich, „also geh jetzt bitte.“ Er nickte, stand auf und lief hinaus.
      “Niklas”, stammelte ich unbeholfen. Sofort drehte er sich wieder um, als zoge ich an einem unsichtbaren Band, das sich zwischen uns befand. Erwartungsvoll blickte er mich an, als erhoffte gewisse Worte zu vernehmen.
      “Danke, dass du dir Sorgen machst”, atmete ich erleichtert aus. Zustimmend nickte Niklas, schob die Brille nach oben, aber drehte sich, ohne etwas zu sagen, weg.

      Niklas
      “Willst du immer noch nach Australien?”, unterbrach ich Lina plötzlich, die seit geschlagenen zwanzig Minuten nur über die Isländer sprach, die vorhin am Hof ankamen. Es nervte mich das Thema zu hören, denn die Pferde erinnerte mich an Vriska. An das, was ich vorhin sehen musste. Sie so zu sehen, am Boden zerstört und weinend, löste auch in mir merkwürdige physische Symptome aus. In meiner Magenregion zog es willkürlich, mein Herz schlug ungewöhnlich schnell und mir fehlten sogar die Worte. Ich dachte darüber nach, wie ich ihr aus der schweren Zeit helfen könnte, ob ich Erik ins Krankenhaus bringen sollte oder sie einfach über den Tisch legte und unsere innigen Momente wiederholte. Besonders letzteres juckte mir in den Fingern, aber mein Kopf sagte klar und deutlich: Nein. Auf keinen Fall, niemals. Lina bemerkte nicht einmal, dass ich ihrer Erzählung nicht folgte und drückte in unbestimmten Abständen auf dem Bildschirm vor ihr herum. Dabei wechselte sie nicht nur die Musik andauernd, um mir unbedingt etwas zeigen zu müssen, sondern empfand es auch als ziemlich unterhaltsam darüber auf mein Handy zugreifen zu können. Der Chat mit Vriska existierte nicht mehr, also blieb ich entspannt dabei. Obwohl ich kein Groll gegen Popmusik hegte, genoss ich bei der Autofahrt lieber Kompositionen von Oscar Byström oder Carl Almqvist. Die ruhigen Töne des Pianos lenkten mich nicht zu sehr von der Straße ab oder lenkten meine Gedanken in eine gewisse Richtung. Aber ich schwieg, um Lina nicht ihren Spaß zu nehmen.
      “Ja, mein inneres Kind träumt immer noch davon Koalas zu streicheln, die sehen so weich aus”, antwortete sie beschwingt.
      “Wenn es danach geht, könnten wir auch nach Deutschland”, lachte ich und sah kurz zu ihr hinüber. Sie zupfte sich zaghaft das blaue Kleid hinunter, dass durch ihren entspannten Sitz immer weiter nach oben rutschte. Zusehen gab es nichts, als etwas Haut, die durch die dunkle Strumpfhose funkelte.
      “Aber natürlich, dann werden wir im Winter fahren. Was denkst du?”, fügte ich noch hinzu.
      “Man kann in Deutschland Koalas streicheln?”, fragte sie erstaunt. “Ja, ich denke, Winter klingt hervorragend.”
      “Ja, in Leipzig. Mama hatte davon erzählt. Ich bin ungern in Deutschland”, erklärte ich und nickte. Im Winter gab es ohnehin nicht viel, was man in Schweden machten konnte. Weder war ich Fan, davon in der Kälte zu verharren, noch Aktivitäten dabei zu machen. Lina erschien mir auch ein Mensch zu sein, der beschäftigt werden wollte, somit lag es nah mit dem Charter quer über die Erde zu fliegen.
      “Wow, das ist wirklich cool. Ist es nicht schön oder warum bist du nicht gerne dort?”, erkundigte sie sich neugierig. Dafür, dass sie die Sprache ziemlich fließend sprach mit Vriska, wundert es mich, dass sie nicht wusste, was ich meinte.
      “Die Reitplätze sind okay, fand die in Polen oder Frankreich besser, aber darum geht es nicht. Sie wirken so gestresst, immer unter Strom. Auf keinen Abreiteplatz erlebte ich je solch belastende Blicke und Sprüche wie in Deutschland”, sagte ich überzeugt und bekam direkt wieder dieses mulmige Gefühl im Magen, dass auch im nächsten Jahr dort einige Prüfungen anstanden in der Theorie, die ich mit Form aber unmöglich schaffen würde.
      “Das klingt nicht angenehm, nachvollziehbar, dass man sich dann dort nicht gerne aufhält”, stimme Lina zu. Dann verstummte unser Gespräch wieder. Sie war noch immer äußerst interessiert an den ganzen Touchscreens, drückte vergnügt in den Oberflächen herum, bis plötzlich eine Nachricht von Vriska aufblickte. Für einen Moment sah ich zu ihr hinüber. Verwundert blickte sie auf den Monitor.
      “Was schreibt sie?”, fragte ich neugierig. Eine Antwort bekam ich nicht, stattdessen biss sie sich auf der Unterlippe herum und blickte aus dem Fenster heraus, schweigend. Erst als ich ein weiteres nachfragte, las sie zögerlich vor: “Hej … Du hattest vorhin nichts mehr gesagt, aber ich wollte mich wirklich bedanken, das war aufrichtig von mir. Sollte ich dich in Verlegenheit gebracht haben, tut mir das leid. Es ist gerade so viel, hauptsächlich in der Unsicherheit darüber, was ich will und brauche. Du bist ein toller Mensch und ich akzeptiere auch, dass du jetzt mit Lina zusammen bist. Ich werde mich nicht mehr zwischen euch drängen. Aber Erik hat sich noch immer nicht gemeldet, obwohl er das sagte. Denke nicht das noch etwas kommt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wäre es möglich, dass du mich morgen mit Lubi abholst, ich habe Angst.” Linas Stimmte zitterte und sie seufzte immer wieder.
      “Schreib ihr, dass ich es tun werde”, gab ich monoton weiter. Nur zögerlich tippte sie auf dem Touchscreen herum, aber schrieb mir netterweise die Nachricht. Sie äußerte sich nicht dazu, blieb ganz still, hefte ihre Augen auf einen unsichtbaren Punkt vor dem Fenster. Einzig ihre Finger, die an dem zarten Armband an ihrem Handgelenk spielten, waren der einzige Hinweis, dass etwas in ihr vorging.
      „Lina, sprich mit mir, wenn was ist“, sagte ich viel ernster, als ich wollte, „wenn du es nur in dich hineinfrisst, kann ich dir nicht helfen.“
      Zögerlich begann sie zu sprechen: “Vriska und du … wie ihr euch manchmal anseht, … wie vertraut ihr miteinander seid”, sie machte einen tiefen Atemzug, “das lässt einfach unwillentlich Alarmglocken in mir schrillen. Es … es tut mir leid, es liegt nicht an dir, ich möchte dir eigentlich vollends vertrauen, aber seit …” Sie stocke, was auch immer sie sagen wollte, es schien ihr ziemlich schwer zu fallen. “Seit meinem Ex ist ein Teil von mir einfach … kaputt.” Mit jedem Wort wurde sie immer leiser, starrte noch immer aus dem Fenster.
      „Jetzt rede doch nicht so einen Stuss“, versuchte ich die Situation zu retten. Ich war froh darüber, dass sie bis jetzt keins der Worte in Waagschale legte und darüber mehr wissen wollte. Sonst hätte ich nie eine logische Erklärung finden können, die sie besänftigt hätte, was ich bei Vriska wollte. Ihre Schwester befand sich mit ‚sie braucht meine Hilfe‘ vollkommen zufrieden, aber bei Lina würde es nichts am inneren Chaos ändern.
      „Bei dir mag einiges nicht so sein, wie bei anderen, aber das heißt nicht, dass du kaputt bist. Jeder von uns muss sein Päckchen tragen, die einen mehr, die anderen weniger und ich habe einen starken Rücken“, munterte ich sie auf und legte meine Hand auf ihr Bein. Wie verängstigt zuckte Lina zusammen, aber umfasste meine Hand direkt, als sie zu mir sah.
      „Wir schaffen das zusammen“, entfachte sich plötzlich ein Feuer in mir, jenes Feuer, dass ich schon einmal bei ihr spürte. Ein kleines Feuer, aber stark genug, um es wahrzunehmen. Ich wollte ihr besseres Leben bieten kann, eins das sie verdient hatte.
      Da sie weiterhin schwieg, sprach ich weiter: „Und wie vertraut sollten den Vriska und ich sein, deiner Meinung nach? Ja, wir hegen Gemeinsamkeiten, aber nichts, das sich zwischen uns stellen würde. Ich habe das im Griff, weiß sie zu bändigen und hinter mir zu lassen. Es gibt genug Leute, die mich so ansieht, wie sie es tut. Sie bewundert mich nur. Das ist alles und ich sehe in ihr nicht mehr, als in allen anderen im Verein. Wir müssen dort an einem Strang ziehen, wenn wir Gruppensiege wollen. Dazu gehört auch, dass Vriska schnell auf das richtige Niveau kommt und dafür muss ich ihr helfen. Ich hätte sie im nächsten Jahr ungern auf der Ersatzbank, dafür reitet sie zu gut.“ Ich verstummte. Es war schon immer mein Problem, dass ich erst sprach und dann über die Worte nachdachte. Sie waren falsch gewählt und das Reiten in dem Satz auf jeden Fall eine andere Bedeutung bekam, versuchte ich im Inneren zu verdrängen.
      „Also Lina“, versuchte ich wieder auf das eigentliche Thema zu kommen, „ich habe alles im Griff. Du bist mein Mädchen und möchte niemanden an meiner Seite so sehr schätzen, wie dich.“ Gut gerettet. Erleichterter atmete ich aus und hoffte, noch die Kurve bekommen zu haben. Ihr Gesichtsausdruck vermittelte mir das. Sie lächelte zaghaft und die Wangen erröteten. Beherzt faste ich stärker nach ihrem Oberschenkel. Vor mir eröffnete sich der leere Parkplatz der Pizzeria und es stand sogar ein Schild auf ihm, dass sie erst in vier Stunden heute öffneten, also hatten wir genug Zweisamkeit.
      “Du findest einfach immer die richtigen Worte. Danke, dass ich dich an meiner Seite haben darf”, sprach sie tief aus dem Herzen und die Unsicherheit verschwand aus ihren Augen. Gab es darauf eine schlüssige Antwort darauf? Ich wusste es nicht, also schwieg ich und stieg als Erstes aus dem Fahrzeug und half ihr dabei.
      Im kleinen Imbiss wählte Lina einen Tisch ziemlich nah an der Küche, um die Zubereitung der Pizza beobachten zu können. Uns servierte der Chef, Remo, die Speisen und tat alles dafür, meine Freundin zufriedenzustellen. Mir schlug das Gespräch mit Vriska noch immer scheußlich auf den Magen. Schon der bloße Gedanke ans Essen verengte mich innerlich und Magensäure stieg mir in der Speiseröhre hinauf. Bestmöglich versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen, hörte aufmerksam jedes ihrer Worte aber schielte auf mein Handy, dass vor mir auf dem Tisch lag. Kein Zeichen von Vriska, keine einzige Nachricht. Es war stumm und genauso still wie ich, nur, dass das Gerät es sollte und ich nicht. Entschlossen griff danach und suchte nach Erik. Ich wollte nicht, dass es die beiden gibt, aber Vriska brauchte ihn, auch wenn sie es nicht eingestehen konnte. Seine Stille konnte ihre Ungeduld zeigen, oder alte Charakterzüge widerspiegeln. Von einem Fenster zum nächsten swipte ich und endete schlussendlich bei Eniro mit der Adresse in der Zwischenablage.
      > Vilken jävel!
      „So ein Bastard“, schrie deutlich lauter als ich wollte. Alle Blicke richteten sich zu mir, dann arbeiteten sie weiter.
      “Alles okay bei dir?”, fragte Lina bedacht, sah mich verwundert an. Stand es überhaupt in meiner Macht ihr zu erzählen von dem, was ich wusste, oder zumindest annahm zu wissen?
      „Bei mir? Ja, aber ich weiß nicht“, räusperte ich mich, „ob ich das so hinnehmen kann, allerdings geht es mich auch nichts an.“ Erst jetzt legte ich mein Handy zur Seite, dachte darüber nach, wie ich damit umgehen sollte und aktivierte nun doch noch die Benachrichtigung, wenn er den Ort wieder verlassen würde. Lina war sichtlich irritiert, schien diese Antwort allerdings so hinzunehmen und fragte nicht weiter nach, wechselte stattdessen das Thema.
      “Ich wollte dir noch was erzählen”, plapperte sie munter los, “und zwar, ich habe gestern ein voll cooles Pferd kennengelernt, also, nicht dass auf dem Hof nicht eine ganze Menge cooler Pferde herumständen, aber es ist ein Freiberger, genauer gesagt ein perfektes Beispiel, wie ein Urfreiberger aussehen sollte. Einheitssprache heißt er.” Sie tippe kurz auf ihrem Handy herum, bevor sie es zu mir herüberschob. Das Display zeigte den Kopf eines schwarzbraunen mit breiter Blesse, der neugierig in die Kamera blickte. Unter einem dichten, langen Schopf kamen blaue Augen zum Vorschein und die leicht ergrauten Stellen in seinem Fell ließen darauf schließen, dass er nicht mehr der Jüngste war. Kurz enttäuschte es mich, dass es immer nur zwei Themen bei uns gab: Den Beweis, dass sie mir wichtiger war als Vriska und Pferde. Aber was erwartete ich schon? Interessiert sah ich das Tier an.
      „Und was willst du mit dem? Kaufen oder was schwebt dir vor?“, brachte ich mich ins Gespräch ein.
      “Kaufen? Also ob meine Finanzen das hergeben würden”, scherzte sie trocken. “Nein, also man könnte sagen, er ist so was wie meine Reitbeteiligung”, fügte sie dann noch erklärend hinzu.
      „Brauchst du was?“, fragte ich überrascht, suchte meine Hose ab, bis ich den Bund fand und zu begann zählen.
      “Nein, stopp, du kannst mir doch nicht ständig Pferde kaufen, das ist doch viel zu teuer!”, protestierte Lina, “Außerdem steht er auch erst ab nächstes Jahr zum Verkauf.” Verwundert sah ich an ihr hoch.
      „Warum sollte ich dir das Pferd kaufen? Ich dachte einfach … so? Damit du etwas normal leben kannst, aber gut dann nicht“, lachte ich und orangen sowie roten Scheine zurück, „das da draußen ist schließlich auch von einem Monat Taschengeld.“
      “Danke, aber ich denke, kann mir mein Geld zum Leben hervorragend selbst verdienen, bin immerhin noch nicht verhungert”, entgegnete sie kurz angebunden bevor sie weitersprach. “Wenn das nur einen Monat Taschengeld ist, hast du eindeutig zu viel Geld”, lachte sie kopfschüttelnd.
      „Will ja keiner“, zuckte ich mit den Schultern. Bevor Lina noch etwas sagen konnte, wurde ihre Pizza gebracht, ganz klassisch belegt mit Mozzarella, Tomaten und ein wenig Rucola. Widerlich das grüne Zeug, aber zum Glück kam auch direkt mein Pizzabrot. Teig, der nur mit Kräuterbutter und Käse in den Ofen kam und nun einen Aioli-Datteldip getunkt wird, dazu einen Tomatensalat.
      „Perfekt, so muss Pizza sein“, teile Lina äußerst zufrieden mit als sie das erste Stück nahm und betrachte wie der Käse lange Fäden zog. Ich nickte bloß lächelnd und betrachtete mein eher karges Mahl, bis sich mein Handy äußerst dafür einsetzte, meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Je länger ich versuchte es zu ignorieren, umso hartnäckiger wurde es, als würde ein kleines Gespenst in ihm sitzen. Wer auch immer sein würde, musste noch eine Weile meinen Entzug erleiden.
      Später verstummte es und fertig gegessen, hatten wir auch. Somit konnte ich ihr endlich etwas zeigen, das mir schon einfiel, als Lina mir den Freiberger präsentierte. Wir hatten auch Stute bei uns, die ihm sogar ziemlich ähnlichsah.
      „Guck mal“, sagte ich, nachdem ich die Millionen Benachrichtigungen durch das X allesamt entfernt hatte, aber noch wahrnahm, dass Erik den Standort verließ. Auf dem Bild saß ich auf der Rappstute im Trab in unserer Reithalle. An den Wänden hingen Luftballons und einer der Kollegen hielt zwei Bengali. Wenn man zur Seite wischte, waren weitere Bilder von Redo von dem Training in Malmö.
      “Wow, dieses Pferdchen muss echt starke Nerven haben, ich kenne Ponys, die bekommen schon bei einem Ballon einen Herzinfarkt”, lachte sie, “aber bei einem Polizeipferd ist das natürlich zu erwarten. Und es läuft so schön unter dir. Wenn ich mich nicht täusche, ist das hübsche Tierchen ein Freiberger, oder?”
      “Ja, das ist unsere Anfängerstute aus der Schweiz und sucht einen neuen Möhrengeber, da ihre Dienstzeit vorbei ist“, erklärte ich, „möchtest du sie kennenlernen?“
      “Ich glaube, du kennst die Antwort schon, zu der Chance ein Freiberger kennenzulernen kann ich einfach nicht Nein sagen”, lächelte Lina, ihre Augen glitzerten vergnügt.
      „Na dann los“, stand ich überzeugt auf, richtete meine Hose und legte, vermutlich viel zu viele, Scheine auf den Tresen. Lina ließ sich noch die letzten Stücke einpacken und folgte zum Auto.

      Lina
      Nach knappen zwanzig Minuten tauchte ein Industriegebiet vor uns auf, wäre ich allein hierhergefahren, hätte ich umgedreht. Wirklich auffällig wirkte das alles nicht, erst als zur linken Seite plötzlich ein Kampfpanzer auftauchte und Niklas freundlich die Hand hob, sah ich mich genauer um. Ringsum standen Hallen aus Metall und am Ende der Straße, ja wirklich, sie endete einfach, erhob sich ein Backsteinhaus. Langsam fuhr Niklas an dem Gebäude entlang und dahinter erstreckten sich weitere Backsteingebäude, ein riesiger Reitplatz und Paddock. Interessiert nahm ich alles in Augenschein. Das hier war das komplette Gegenteil vom LDS, eher funktional und schlicht.
      “Hier arbeitest du also? Ganz schön riesig”, staunte ich, während Niklas parkte.
      „Für gewöhnlich bin ich nur Dekoration“, lachte er, „aber ja, hier verbringe einige Stunden am Tag.“
      “Hübsch aussehen und dann noch dafür bezahlt werden, du hast dir vielleicht einen einfachen Job gesucht”, sagte ich neckisch zu ihm, bevor ich die Tür des Wagens öffnete, um hinauszuhüpfen, neugierig auf die Stute, aber auch den Arbeitsplatz meines Freundes ein wenig kennenzulernen.
      „Ach das hätte noch leichter funktioniert, wenn ich bei Papa in den Vorstand gegangen wäre“, merkte er scherzhaft an, „aber was soll ich mit Stahl.“ Dann liefen wir durch eine ziemlich kleine und enge Tür, die uns den Weg zu den Pferden eröffnete. Schon bei dem Klappern des Schlüssels ertönte ein hektisches Wiehern aus dem Inneren und als Niklas zuerst das Gebäude betrat, musste er direkt einen Fuchs mit Blesse beruhigen, der aufgeregt in der Box hüpfte.
      „Irgendwie sind alle verrückt, wenn sie mich sehen“, lachte Niklas und strich seinem Partner über den Kopf. Der Fuchs schnaubte sanft ab und wir folgen der Gasse, bis zum Ende. Von rechts blickte mich der kräftige Kopf der Rappstute an. Ich streckte ihr meine Hand entgegen, die sie mit weit geblähten Nüstern beschnupperte.
      „Hallo du Hübsche”, raunte ich der Stute zu, strich ihr über den kräftigen, dunklen Hals. Neugierig inspizierte sie mich, offenbar auf der Suche nach etwas Essbarem. Das war eine der Eigenschaften, die alle Fribys gemeinsam zu haben schienen, sie sind alle furchtbar verfressen. Doch in diese Hinsicht musste ich die Stute enttäuschen, ich hatte keinen Leckerbissen dabei.
      „Wie heißt sie eigentlich?“, fragte ich Nik. Lässig lehnte er an der hölzernen Boxenfront und tippte dann auf das schwarze Schild über einer Abschwitzdecke.
      „Ready for Life, oder einfach Redo“, lächelte er.
      „Das scheint mir ein passender Name zu sein, sie sieht aufgeweckt aus“, stellte ich nach kurzer Betrachtung des Pferdes fest. Redo hatte die Futtersuche mittlerweile aufgegeben, mümmelte stattdessen an ihrem Heu.
      Niklas nickte. Wissbegierig wand ich mich wieder zu der Stute, versuchte sie mit sanfter Stimme hervorzulocken, doch es kam keine Reaktion, nicht einmal die Ohren der Stute bewegten sich in meine Richtung. Erst als sie zufällig den Kopf hob und ich wieder in ihrem Blickfeld war, stellte sie ihre Ohren freundlich auf und streckte ihren Kopf erneut heraus, noch ein paar Halme Heu in der Schnauze. Für einen Moment verschwand mein Freund und ließ mich allein mit der gelangweilten Stute. Noch immer lag ihr einziges Augenmerk auf das verbleibende Heu zwischen den Sägespänen.
      “Hier”, drückte Niklas mir einen Helm in die Hand und stellte neben der Box einen Putzkasten ab.
      “Sattelzeug hole ich gleich, muss noch mal zu Latte, bevor der die Box zerstört”, fügte er noch hinzu und drehte sich um, denn der Fuchs stand am Anfang des Ganges und wieherte ziemlich laut. Immer wieder schlug es laut gegen das Holz, bis es endlich verstummte.
      Reiten? Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Abwägen warf ich einen Blick an mir herunter. Das kurze Kleid war nicht unbedingt das beste Outfit um sich auf ein Pferd zu setzten, aber solang die Stute nicht beschloss irgendwelchen Unfug zu machen, würde das schon gehen. Ich griff nach dem Halfter, welches vor der Box hing. An dem braunen Lederhalfter war eine Plakette angebracht, in die das Wort Polisrytteriet graviert war. Als ich die Boxentür aufschob, nahm die Stute keine Notiz von mir, auch nicht als ich sie leise ansprach. Erst als ich ein paar Schritte auf sie zu machte fuhr ihr Kopf hoch und sie starrte mich mit weit geöffneten Augen an. Das Verhalten der Stute kam mir ein wenig seltsam vor, hätte sie mich doch schon lange hören müssen. Beruhigend strich ich Redo über den Hals, bevor ich ihr das Halfter überstreifte und sie auf der Stallgasse anband. Neugierig streckte ihr Boxennachbar den Kopf aus der Box, um zu kontrollieren, ob etwas Spannendes passierte. Kurz schnupperte das Pferd an der Bürste in meiner Hand, bevor es sich wieder in seine Box zurückzog. Mit kreisenden Bewegungen begann ich den Körper der Stute zu striegeln. Sonderlich viel Dreck kam nicht aus ihrem dunklen Fell, dafür jede Menge Haare, ein sicheres Zeichen, dass es bald richtig kalt werden würde. Samu hatte bei seinem Besuch am Montag erzählt, dass es auf dem Whitehorse Creek bereits die ersten Schneeflocken des Jahres gegeben hatte. Allerdings war es noch nicht kalt genug, als dass der Schnee liegen blieb. Es war nur wenig verwunderlich, dass es dort bereits schneite. Soweit oben in den Bergen wie das WHC lag, wurden die Nächte schnell frostig kalt, was auch das Wetter umschlagen ließ. Der Gedanke daran ließ mich ein klein wenig wehmütig werden, gerne würde ich Ivys “ersten” Schnee miterleben und sehen wie er darauf reagiert, wenn plötzlich alles weiß ist. Doch leider würde der Schnee schneller in Kanada einziehen, als mein Zauberpony wieder an meiner Seite sein würde.
      Vorsichtig stupste Redo mich an. In Gedankenversunken hatte ich wohl aufgehört zu putzen und die Stute schien sich zu wundern, warum ich denn noch vor ihr herumstand.
      “Du hast ja recht Süße, ich sollte mich lieber weiter mit dir beschäftigen”, seufzte ich leise, strich ihr über die breite Stirn, bevor ich die Bürste weglegte und gegen den Hufkratzer tauschte.
      „Immer noch nicht fertig?“, scherzte Niklas. Beim Laufen klapperten seine Schuhe, die er offenbar in der Zwischenzeit gewechselt hatte. Sie passten nicht wirklich zu seiner engen schwarzen Hose und der kombinierten Jeansjacke, die am Kragen Lammfell aufwies und dennoch sah er noch unverschämt gut aus.
      “Nein, noch nicht ganz, aber hab’s gleich”, gab ich zu Antwort und hob das Bein der Stute auf. Redo benahm sich ziemlich brav und hielt ihren Huf sogar selbst nach oben, nicht so wie viele Pferde, die ihr Bein einfach hängen ließen oder sich gar auf einen hängten, als würden sie gleich umfallen.
      „Gut“, hielt er sich kurz, verschwand und tauchte mit einem Dressursattel wieder auf, sowie einer dunkelblauen Schabracke, die mit dem Logo der Polizei bestickt war. An ihrer Trense hing eine kleine goldene Krone und alle wichtigen Stellen, wie Genick und Nasenbein waren mit Lammfellschonern umwickelt. Ich übernahm das Satteln und Niklas befestigte an den Beinen Gamaschen und Glocken. Auch hierbei benahm die Stute sich außerordentlich vorbildlich, sodass sie wenig später reitfertig war.
      “Wo lang?”, fragte ich Niklas erwartungsvoll, während ich mir den Helm auf dem Kopf setzte. Das Pferd neben mir kaute entspannt auf dem Gebiss herum, schien nur auf das Kommando loszugehen zu warten. Mit einer Handbewegung vermittelte er uns zu folgen. Der Weg führte uns durch eine große rot gestrichene Holztür, quer über den Hof, auf dem schon die Lampen leuchteten in Richtung eines weiteren Gebäudes, das genauso aussah wie der Stall von außen. Das Tor knarrte sehr laut beim Öffnen und vor mir öffnete sich eine riesige Halle, die wohl keine Turniermaße hatte, aber wie gewohnt gab eine Tribüne und sogar eine gläserne Galerie. Aus der Ferne erkannt ich, dass dort neben Malereien von Pferden, auch Bilder hingen sowie Banderolen. Das Licht benötigte einige Minuten, bevor es seine vollständige Leuchtkraft erreichte und in der Zeit erzählte mir Niklas einiges mehr über die Rappstute. So wurde sie ursprünglich als Polizeipferd in der Schweiz ausgebildet, wer hätte das nur vermuten können. Nach einigen Jahren Dienstzeit in Deutschland und Dänemark kam sie irgendwann nach Schweden, wo sie nun für kleinere Veranstaltungen eingesetzt wurde und vor allem für Anfänger im Reittraining diente. Redo hatte ihre besten Jahre in den Diensten des Staates erreicht und wollte nun eine Karriere als furchtloses Freizeitpferd beginnen. Aus dem Kollegium konnte sie niemand aufnehmen, da die meisten, wie auch Niklas, bereits eigene Pferde besaßen.
      Zugegeben, so wie ich die Stute bisher kennengelernt hatte, war die Versuchung groß, sie einfach direkt einzupacken und mit nach Hause zu nehmen. Man würde vermutlich nicht viele Exemplare der Schweizer Pferderasse in Schweden finden und das ruhige Gemüt der Stute sagte mir durchaus zu. Aber so viel Verstand besaß ich gerade noch, dass ich wusste, dass die Entscheidung sich ein Pferd zuzulegen nicht innerhalb von wenigen Minuten getroffen werden sollte. Gerade dann, wenn es bereits das Zweite innerhalb eines Zeitraumes von knapp einem Monat sein sollte, schließen hing so eine Entscheidung an ein paar mehr Faktoren, als nur an der Sympathie für das Tier.
      Ich führte Redo erst einmal ein paar Runden, so konnte ich mich schon einmal ein wenig auf das Pferd einstellen, bevor ich mich in den Sattel schwang. Die Stute hatte einen ziemlich flotten Schritt, der schon fast ein wenig zockelig wirkte wie bei einem Pony. Ansonsten war der Freiberger weiterhin tiefenentspannt und achtet gut auf mich und meiner Körpersprache.
      Nach gut zehn Minuten beschloss ich, dass ich genug zu Fuß unterwegs gewesen war und parkte Redo neben Niklas in der Hallenmitte, um nach zu gurten und die Steigbügel korrekt einzustellen. Die Stute war ungefähr so groß wie Divine, ich würde also knapp hinaufkommen, aber eher beschwerlich.
      “Magst du mir bitte hinaufhelfen?”, bat ich meinen Freund, der am Kopf der Stute stand.
      “Natürlich mein Schatz”, lachte er. Dann lief er mit wenigen Schritten zur Seite und hielt mir im Bügel gegen.
      “Vielen Dank”, lächelte ich und schwang mich in den Sattel der Stute. Es fühlte sich ein wenig ungewohnt an, denn die Stute war ein wenig schmaler, als zum Beispiel Divine oder auch Holy, aber sie war auch nicht ganz so schmal wie die Traber. Sanft drückte ich meine Schenkel gegen den Bauch der Stute. In einem flotten Tempo tippelte die Stute voran, was sich schon nach wenigen Metern als recht unbequem herausstellte oder zumindest war es ziemlich gewöhnungsbedürftig. Während des Aufwärmens fragte ich ein paar Basics ab, die die Stute alle einwandfrei beherrschte. Entgegen meiner Erwartung war Redos Trab relativ bequem, einzig die rutschige Strumpfhose erschwerte das ganze Etwas, weshalb ich lieber leicht trabte, auch um den Rücken der Stute zu schonen. Die gute Ausbildung war der Schwarze anzumerken, denn sie ließ sich gut stellen und lief in hervorragender Selbsthaltung.
      Das erste Angaloppieren war ein wenig holprig, was aber vermutlich eher an mir lag, der Galopp war schon immer meine Schwachstelle. Meistens dachte ich zu viel, was zum Ergebnis hatte, dass ich mich versteifte. Ich parierte die Stute durch, versuchte mich erst einmal wieder ein wenig zu entspannen, was mir unter Niklas Blick nur mäßig gelang. Es war nicht so wie sonst, dass ich mich zunehmend unwohler fühlte, wenn mich jemand bei der Arbeit mit den Pferden beobachtete. Nein, viel mehr wurde ich ganz kribbelig, wenn ich daran dachte, dass seine Aufmerksamkeit ganz allein mir galt. Dies spiegelte sich nun auch im Verhalten der Stute. Ihre bisher recht ruhigen Schritte wurden kürzer und sie wurde schneller, so konnte das nichts werden. Ich hielt Redo an, konzentrierte mich für einen Moment nur auf meine Atmung, wie die Luft in meine Lunge ein und ausströmte. Mit jedem Atemzug wurde ich ein wenig lockerer und fokussierter.
      Noch bevor ich wieder zu verkopft an die Sache herangehen konnte, galoppierte ich aus dem Stand heraus an. Es war zwar immer noch verbesserungswürdig, aber schon deutlich geschmeidiger als beim vorherigen Versuch. Ich ließ sie an der langen Seite ein wenig zulegen, ihre Galoppsprünge wurden länger und größer, aber es kostete mich einiges an Kraft, dass sie diese auch sauber durchsprang.
      Lächelnd lobte ich die Stute, als ich sie durch parierte, nachdem ich das Können der Stute ausreichend erprobt hatte. Die Stute machte Spaß, auch wenn ihr Schritt, in dem sie nun unter mir hertrotte, immer noch seltsam war.
      “So wie du schaust, schwebst du auf Wolke sieben”, lachte Niklas hatte sich neben uns positioniert. Redo kaute mit gesenktem Kopf zufrieden auf dem Gebiss, die Ohren wippten locker im Takt ihrer Schritte.
      “Ich fühle mich auch, als würde ich schweben”, antwortete ich entzückt, “Redo ist großartig.”
      “Also, gekauft?”, lachte er, als wäre es so einfach ein Pferd zu halten und vor allem zuzahlen. Wenn ich aber an seine Worte vor dem Restaurant zurückdachte, dann konnte Niklas das gar nicht nachempfinden, wie man sich dabei fühlte. Platz wäre sicher auf dem LDS, sofern Tyrell nichts dagegen hatte, aber schon ein Pferd strapazierte mein Konto genug, gerade da Divine derzeit noch teuren Spezialbeschlag und Zusatzfutter benötigte.
      “Wenn es denn nur so einfach wäre”, murmelte ich und senkte gedrückt den Blick zum Mähnenkamm der Stute.
      “Mein Angebot steht noch”, wedelte Niklas schon wieder mit den Scheinen herum, die er aus seiner hinteren Hosentasche. Warum lief er überhaupt mit so viel Geld in der Tasche herum, war er eigentlich komplett irre oder hatte er öfters vor spontane Pferdekäufe zu tätigen? So gern ich sein Angebot auch annehmen wollte, haderte ich damit. Nicht dass ich es mir wünschte, aber was wäre denn, wenn wir uns trennen würden, ich könnte das Pferd doch nur schwer wieder hergeben.
      “Ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen, aber was ist denn, wenn sich unsere Wege irgendwann wieder trennen sollten? Allein könnte ich zwei Pferde doch gar nicht finanzieren”, äußerte ich meine Bedenken.
      “Du weißt schon, dass der Staat die Kosten für Redo für zehn Jahre übernehmen wird und du nur ihre Versicherung und so Sachen wie Equipment zahlen musst? Natürlich auch einem Ablösebetrag, aber sonst wird es von Steuern gezahlt”, erklärte er, “aber wenn du nicht willst, alles gut.”
      “Nein, nein, sie ist wundervoll, gern würde ich ihr ein neues Zuhause geben”, lächelte ich wieder hochgemut, “aber das hättest du ruhig ein wenig früher erwähnen können.”
      “Okay, dann werde ich das klären”, grinste er und schien sehr erleichtert zu sein. Nochmal strich er über ihren Hals, entschuldigte sich für einen Augenblick und verschwand vom Sand. Glücklich lehnte ich mich nach vorn und umschlang ihren kräftigen Hals. Automatisch hob sie den Hals ein Stück, lief aber brav weiter voran.
      “Hörst du Süße, bald darfst du in ein neues Zuhause”, raunte ich ihr zu, “hoffentlich wird Ivy nicht allzu eifersüchtig, bei so hübscher Konkurrenz.” Die Rappstute schnaubte, aber ihre Ohren blieben unbewegt, was mich noch immer ein wenig irritierte. Normalerweise reagierten die Pferde zumindest mit einem leichten drehen der Ohren, nur dieses offensichtlich nicht. Ich richtete mich im Sattel wieder auf, ließ Redo locker am langen Zügel laufen und betrachtete uns in dem großen Spiegel an der kurzen Seite, auf den wir gerade zuritten. Mein eigenes Gesicht strahlte mir aus dem Glas entgegen, eingerahmt von den dunklen Haaren, die mir ausnahmsweise offen über die Schultern fielen. Gleichmäßig folgte mein Körper den Bewegungen, den die dunkle Gestalt des Freiberges vorgab, ihr Kopf gerade so hoch, dass man ihn noch über der Bande auf und ab wippen sah. Die unregelmäßige Blesse schlängelte sich hell schimmernd von ihrer Stirn bis hinunter zu den samtweichen Nüstern. Gerne hätte ich diesen Moment festgehalten, doch mein Handy lag mangels Taschen noch im Auto, also musste wohl meine Erinnerung ausreichen.
      Es fühlte sich so unreell an, vor fast einem Monat schien der Traum meiner Kindheit noch so ungreifbar weit weg, wie die Sterne. Und jetzt? Jetzt war dieser Traum gleich doppelt in Erfüllung gegangen, mit Tieren, die so unterschiedlich waren wie Tag und Nacht. Zumindest optisch, charakterlich würde sich das wohl noch zeigen.
      Redo hatte wohl allmählich genug davon im Kreis herumzulaufen, denn sie wurde zunehmend langsamer und fragte, ob sie aufmarschieren durfte. Ich ließ der Stute ihren Willen und wendete sie ab, wo sie schon ganz von selbst auf der Mittellinie stehen blieb. Lobend strich ich über den samtigen Hals der Stute. Sabber flog durch die Luft, als sie entspannt den Kopf schüttelte und schnaubte.
      „Also, sie wird noch bis Ende des Monats im Dienst sein, aber dann wird sie vorbeigebracht“, kam Niklas ziemlich spät wieder. In der Zeit hatte ich den Sattel bereits in der Stallgasse entfernt und ihr die Decke von der Boxenfront befestigt.
      “Perfekt, ich freu mich schon”, strahlte ich ihn an und führte Redo wieder in ihre Box. Bevor ich die Tür zu zog, strich über die breite Stirn und raunte ihr noch ein paar liebe Worte zu. Auch jetzt wieder war keine wirkliche Reaktion auf meine Stimme zu bemerken.
      “Hört sie nicht so gut oder warum reagiert sie kaum auf Geräusche?”, fragte ich Niklas, denn so langsam dämmerte mir, dass es vermutlich einen physischen Grund für ihr Verhalten gab. Auf jegliche andere Art der Kommunikation reagierte sie nämlich mehr als gut.
      „Vor ungefähr drei Jahren bekam sie bei einer Eskalation nach einem Fußballspiel mehrere Blendgranaten ab, da half leider nicht einmal die Watte in den Ohren. Seitdem“, Niklas überlegte kurz, „seitdem hört sie nicht mehr so gut.“
      “Oh, armes Pony”, kommentierte ich mitfühlend. “Aber sie scheint ja erstaunlich gut damit zurechtzukommen, es wäre mir beinahe nicht aufgefallen”, fügte ich noch schmunzelnd hinzu.
      “Ja, es war auch kein vollständiger Verlust, aber sie ignoriert auch mal”, lachte er noch und drückte mit seinem Finger auf die Oberlippe. Neugierig spitze Redo die Ohren und begann zu flehmen.
      “Aww, niedlich. Ignorant, aber offenbar gelehrig”, grinste ich entzückt. Ich liebe es, wenn Pferde solche Kleinigkeiten konnten und umso mehr Spaß daran hatte ich daran, den Tieren so etwas beizubringen. Nicht, weil diese Tricks irgendwie nützlich sein, nein sie waren einfach nur drollig.
      “Du wirst sehen, da ist noch mehr, womit du deinen Spaß haben kannst”, fügte er hinzu, sah zum x-ten Mal auf seine Uhr an der linken Hand.
      “Wir müssen langsam los”, begann Niklas endlich sein passiv aggressives Erinnern an die Uhrzeit zu begründen, “ich habe noch ein Date. Mit dem Schießstand und einigen Hirschen.”
      “Ein Date also? Dann hoffe ich mal, dass die Hirsche mir nicht allzu große Konkurrenz machen”, scherzte ich, strich der Stute noch ein letztes Mal über die weichen Nüstern und folgte meinem Freund aus dem Stall.
      “Du hast Puls, die demnächst nicht mehr”, zuckte er mit den Schultern. Hinter uns schloss er die massive Tür und öffnete das Auto für mich, dass ich nicht weiter in der Kälte stehen musste. Niklas hatte sich seinen Pullover nicht mehr übergezogen, sondern stand luftig obenrum bekleidet im Wind. Nicht ein Härchen stellte sich bei ihm auf. Wie konnte er nicht frieren bei dieser Kälte?
      “Wie kannst du einfach so dastehen? Mir wird schon nur bei deinem Anblick kalt”, sagte ich kopfschüttelnd. Tatsächlich überkam mich ein Schauer, als ein Windstoß über meine Haut jagte, der durch die geöffnete Tür in das Innere des Wagens drang.
      “Sehr romantisch von dir”, lachte er, “für gewöhnlich bin ich heiß.”
      So viel Selbstvertrauen hätte ich auch gerne, wie Niklas es teilweise an den Tag legte. Tage, an denen ich mich gegenüber Fremden nicht gleich in Luft auflösen wollte, waren für mich schon die guten Tage.
      “Diese These sollte augenblicklich überprüft werden”, neckte ich ihn ein wenig und hüpfte wieder aus dem Auto, drückte mich ganz dicht an ihn ran. Tatsächlich strahlte seine Haut eine unglaubliche Hitze aus, als sein Niklas ein wandelnder Saunaofen. Sanft steig mir sein sinnlicher Geruch in die Nase. Ich ließ meine kühlen Finger über seine Brust wandern, sogar durch den dünnen Stoff seines Shirts spürte ich den deutlichen Temperaturunterschied.
      “Ich würde sagen”, unaufhörlich wandert meine Finger weiter, ”stimmt eindeutig.” Intensiv blicke ich ihn in die Augen. In dem schummrigen Licht schien, das blau darin nahezu gänzlich von dem sanften braun geschluckt zu werden, ganz so wie die Geräusche um uns herum. Warm lagen seine kräftigen Hände an meiner Taille, zogen mich näher an ihn heran.
      Meine Finger fanden von ganz allein ihren Platz an seinem Hals und nur einen Wimpernschlag später, lagen meine Lippen auf seinen. Niklas' Wärme schien auf mich überzugehen, ließ mich von innen heraus erglühen und jagte Wellen von Begierde durch meinen Körper. Wie aus dem Nichts schossen mir plötzlich Szenen aus meiner Vergangenheit durch den Kopf und die Alarmglocken in meinem Kopf begannen zu schrillen. Nein, Stopp! Das würde mir nicht diesen Tag vermiesen, nicht diesem Moment, dafür war er zu wertvoll. Mit all meiner Willenskraft drängte ich diese Dinge wieder zurück in die dunkle Ecke, in der sie jahrelang gelauert hatten. In der festen Überzeugung diesen Dämon nur allein bekämpfen zu können, beschloss ich mir nicht anmerken zu lassen, was sich innerhalb von Sekunden in meinem Kopf abspielte und ließ die Glückshormone wieder die Kontrolle übernehmen.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 78.656 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte September 2020}
    • Mohikanerin
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      kapitel elva | 29. Dezember 2021

      Forbidden Fruit LDS // Anthrax Survivor LDS // CHH' Death Sentence // Hawking von Atomic // Liv efter Detta LDS // Vandal LDS // Heldentum LDS // Lu‘lu‘a // Northumbria // Einheitssprache // HMJ Divine // Outer Space // Wunderkind // Raleigh // Satz des Pythagoras // Ready for Life // Maxou // Arktikkfrost LDS // Yumyulakk LDS

      Vriska
      Überpünktlich stand ich im Stall und putzte den Sand vom Kopf der Stute, die immer wieder interessiert an meiner Jackentasche zupfte, in der Hoffnung eins der wertvollen Leckerlis ergattern zu gönnen. Trotzig schlug sie mit dem Schweif, wenn ich sie keins bekam, doch ich schenkte dem nur wenig Beachtung und reinigte auch noch den Rest ihres Körpers. Der Regen und Sturm wurde in früher Stunde vom Nebel abgelöst, der eine Frostwelle auslöste. Von einer zur anderen Stunde glitzerten die letzten Grashalme im matten Licht der aufsteigenden Sonne auf den Weiden und neben den Wegen. Durch die großen Fenster im Stall konnte man winzige Eisblumen entdecken, die das Licht trübten und ein malerisches Farbspiel auf dem Reitplatz in der Halle bewirkten. Eigentlich wollte ich eine Runde durch den Wald drehen, um die Schäden zu begutachten, an Flur und Forst.
      “Morgen”, spuckte mir Jonina verärgert entgegen, ohne stehenzubleiben, sondern rauschte wie ein geölter Blitz an Fruity und mir vorbei. Verwundert sah ich ihr noch nach, wobei ich nicht einmal die Möglichkeit hatte, die Begrüßung zu erwidern. Wir lernten uns schon am ersten Tag auf dem falschen Fuß kennen und klärten das nicht einmal, um ein entspanntes Arbeitsklima zu erreichen. Stattdessen spuckte sie wie ein Geist durch unseren Stall, sah abfällig an mir vorbei und ignorierte mich ansonsten.
      Die kaum größere Stute zupfte wieder an meiner Jacke, als ich den Gurt fester zog zum Aufsteigen. Ich entschied mich gegen die mystische Stimmung auf dem Sand und wollte die Zäune der Weiden im Wald prüfen. Mit einem leichten Druck am Schenkel setzte ich Fruity in Bewegung an der Ovalbahn entlang zur Lichtung, die sonst unsere Galoppstrecke darstellte. Doch ich hielt das Tempo, gab der Stute die gesamte Länge des Zügels und schweifte mit meinem Blick durch die Landschaft. Zwischen den Birken funkelten einige alte Eichen hindurch und in hellen Orangetönen getauchte Ahornbäume, die das triste Braun aufgelockerten. Ich konnte kaum weitersehen als fünf Meter, aber erkannt, dass zwei junge Füchse auf dem Feldweg spielten und bei ertönen des Hufschlags panisch in das Buschwerk stürzten und von rechts rannte die Mutter ihnen nach. Neugierig spitzte Fruity die Ohren. Neben uns raschelte das Geäst und zwei große Augenpaare fokussierten uns, musterten jeden Schritt, den Fruity über den gefrorenen Sand machte, bis wir schließlich aus der Sichtweite waren. Die kommenden Meter zur Weide trabten wir, was ich nutze, um meine Fähigkeiten im Aussitzen auf die Probe zu stellen. In der Prüfung hatte ich mich zwar ziemlich gut angestellt, doch in den vergangenen Trainingseinheiten entwickelte die Falbstute immer mehr Schwung und das zeigte sich umgehend im Trab. Wie ein Kartoffelsack wackelte ich im Sattel, versuchte die Stöße durch meine Füße abzufangen, doch fand den Takt nicht. Frustriert parierte ich wieder durch, aber kam im selben Augenblick an der ersten Weide an, auf der die Junghengste ihr Unwesen trieben. Sogleich kamen Death und Anti zum Zaun getrabt, um den Besuch freundlich zu begrüßen. Von weiter kam auch Hawking mit seiner halbstarken Gruppe aus Arktikk und Vandal. Immer mehr blauäugige Augen funkelten Fruity an, die sich zwischen den ganzen Hengsten gar nicht zurechtfand und fortan Schritte zurückwich. An meinem Bein bog ich die Stute am Zaun entlang und entdeckte noch Heldentum, eins der Wunderpferde, dass sich mit seiner unbekannten Fellfarbe fernab der anderen Pferde versteckte, häufig in Begleitung mit Yumyulakk, einem ziemlich freundlichen Architekkt Sohn, der sich ebenso gern aus der Herde zurückzog.
      “Jungs, wir müssen weiter”, trieb ich die Stute weiter und untersuchte noch die Damen auf der anderen Seite. Natürlich hielt ich mich dabei mehr die Zäune zu beachten. Auf dem offenen Feld hing der Nebel noch stärker, was mir die Arbeit nicht erleichterte. Treu trampelten aber zwei Jungstuten entlang, die mir zumindest Hoffnung gaben, dass alles noch an Ort und Stelle war. Die Criollo Stute Liv wackelte bei jedem ihrer Schritte lustig mit den Ohren, während Mitternacht, die vermutliche einzige helle Stute mit diesem Namen, nur unmotiviert nachlief.
      Die Sonne rückte ihre Position immer erhabener am Himmel, wodurch der Nebel wie zu verschwinden schien und uns die Möglichkeit eröffnete, zu traben. Fruity schnaubte ab und genoss die Abwechslung auf dem Feld an Tempo zulegen zu dürfen, ohne panisch von mir gebremst zu werden. Meter für Meter beäugte ich kritisch und war ziemlich froh darüber, keinerlei Schäden entdeckt zu haben. Aus der Ferne hörte ich den Trubel am Hof, der hauptsächlich aus Traktorengeräuschen bestand und dem Hufschlag der Pferde auf dem Beton. In einem der Gebäude klopfte unser Schmied neue Eisen an die Hufe, gut das ich nicht zum Dienst eingeteilt war, denn sinnloses herumstehen konnte ich nur wenig ausstehen.
      „Und, wie war sie heute?“, fragte Tyrell interessiert und klopfte stolz den verschwitzen Hals der Stute.
      „Großartig, wie immer“, schwärmte ich, während ich mich aus dem Sattel schwang und die Zügel über den Hals zog.
      „Das höre ich gern“, grinste er, „aber ich habe eine wohl schlechte Nachricht für euch beide.“ Schlagartig verzog nicht nur ich meine Miene, sondern auch Tyrell wirkte nervös.
      „So schlecht wird das schon nicht sein“, versuchte ich die Stimmung aufzulockern. Zusammen betraten wir den Stall, in dem der besagte Schmied neue Schuhe an den Hufen von Lu befestigte.
      „Morgen kommen Interessenten für die Stute“, seufzte er und lockerte den Gurt am Bauch.
      „Interessenten?“, schrie hysterisch durch den Stall, was einige Leute zu mir sehen ließ, bevor sie sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten widmeten. Dann atmete ich noch tief durch und sagte: „Ich dachte, dass du die Stute behalten möchtest, für deine geplante Kuhherde.“
      Tyrell nickte unsicher.
      „Stimmt, aber für den richtigen Betrag ist jedes Pferd verkäuflich“, zuckte er mit den Schultern und trug den Sattel weg. Wie verwachsen mit dem betonierten Untergrund blieb ich an der Stelle stehen, kam aus dem Schock nicht heraus, bis Fruity im am Rücken anstupste und höflich nach einem Leckerli fragte. Aus meiner Jackentasche fischte ich eilig eins heraus und strich ihr liebevoll über die Blesse.
      „Unwahrscheinlich, dass ich so einen Betrag für dich übrighabe“, murmelte ich. Dann kam mein Chef auch wieder zurück mit ihrer Weidedecke.
      „Jetzt sei nicht traurig, sie würde am Hof bleiben“, lächelte er. Schön, dann könnte ich mir sogar ansehen, wie ein so tolles versaut wird, klingt nach grandiosen Aussichten.
      „Ich komme klar“, griff ich energisch nach der Decke in seinen Armen und zog sie der Stute über. Keinen müden Blick warf ich ihm noch zu, spürte aber, wie er mich weiterhin stumm anstarrte. Unverständlich stammelte er vor sich hin, doch ich hörte nicht zu, sondern löste den Strick von der Box und führte Fruity zurück auf den Paddock. Sie verspürte meine Anspannung bestimmt, aber trottete wie an jedem anderen Tag neben mir und fummelte an meiner Jacke. Mit großen Augen blickte mich Humbria an beim Öffnen des Tors. Auch sie bekam ein Leckerli.
      “Kommst du zum Frühstück?”, erkundigte sich mein Chef, der mir offensichtlich zum Paddock folgte.
      “Nein, ich habe noch Besuch und möchte gerade nicht auf heile Welt machen, wenn du eins deiner besten Pferde verkaufst”, rollte ich mit den Augen, strich Humbria über dem Hals. Wir kamen gut miteinander klar, doch das Wetter spielte seit Wochen nicht mehr mit, um mit ihr eine Runde am Sulky durch den Wald zu drehen.
      Tyrell nickte anerkennend, drehte auf der Ferse um zur Halle. Ich hängte das Halfter an den Haken unter dem Dach und strich durch die Weiden zur Hütte. Vor der Scheibe sah ich Trymr aufgeregt auf und ab laufen, stieß dabei immer wieder mit der Nase gegen das Glas und verursachte unschöne Flecken. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich auch Lina, die wohl zum Frühstück wollte. Bevor ich zu ihr stürmte, schob ich die Terrassentür nur einen Spalt auf, durch den das Ungetüm stürmte und täppisch an meinen Beinen hinaufsprang, um an meinen Händen knabbern zu können.
      “Guten Morgen”, strahlte ich sie an, denn die erholsame Nacht hing mir noch so stark im Körper, dass der Fruity-Schock mich nicht so sehr aus dem Konzept brachte.
      “Guten Morgen, Vriska”, trällerte sie fröhlich. Wie so häufig sprühte sie auch heute nur so vor Energie. Offenbar hatte sich Niklas nur an mir in der Nachricht darüber beschwert, was ich mir einbilde, ihn derartig vorzuführen. Mir war es ziemlich egal, vermutlich mehr, als es sollte.
      “Und, hat es heute Nacht mal gefunkt zwischen euch?”, grinste ich schelmisch.
      “Du bist auch überhaupt nicht neugierig”, erfasste sie haarscharf, ”ja … Nein …, noch nicht so wirklich” Sie nuschelte, ein wenig unverständlich und augenblicklich legte sich eine leichte Röte auf ihre Wangen.
      “Entschuldigung”, rollte über dramatisch mit den Augen und klopfte ihr auf die Schulter, “ich frage nicht mehr. Aber willst du bei uns mit Essen? Ich mag Tyrell nicht mehr unter die Augen treten, denn er will Fruity morgen verkaufen. Kannst du dir das vorstellen?”
      Schneller als es mir lieb war, ratterte ich die neuesten Nachrichten herunter und versuchte sie auf die dunkle und deutliche bessere Seite des Hofes zu ziehen, auch wenn es dafür eher keinen Grund gab und auch der Gedanke ziemlich idiotisch war. Verwirrt kratzte ich mir ab Kopf, aber grinste dann auffällig lange, bis Trymr mich erneut ansprang und mit seinen matschigen Pfoten meine Hose dekorierte. Wo hatte er eine Pfütze gefunden, wenn alles gefroren war? Ich wischte mit meinen kalten Händen auf meinen Oberschenkeln herum und schickte ihn zurück, was er viel mehr als eine Spielaufforderung ansah und mich wieder anbellte. Lina blickte zu dem Ungetüm und betrachte ihn: “Ich glaube, du solltest ihm ein Spielzeug besorgen.”
      Dann kam sie auf das eigentliche Thema zurück: “Das ist traurig, dass Fruity verkauft werden soll, sie ist doch so ein tolles Pferd und ihr wart doch so erfolgreich auf dem Turnier.”
      „Ich werde nicht das Gefühl los, dass das dazu beitrug“, murmelte ich und überlegte, womit ein Hund wohl spielt. Aus Sendungen wusste ich, dass Menschen Stöcke warfen, aber für ihn müsste ein Baum herhalten, um genug zu sein. Noch immer biss er in meine Hand, nicht aggressiv und es fühlte sich auch eher so an, als würde ich als Nuckel verwendet werden.
      „Na gut, mir wird jetzt kalt. Kommst du mir oder nicht?“, hakte ich erneut nach und drehte mich mit meinem Körper Richtung Hütte, aus der ein warmes Licht durch die Fenster schien und die Bäume gegenüber reflektierten auf dem Glas.
      “Ja, komme ich”, nickte sie und setzte an mir zu folgen. Erfreut sprang ich in die Luft, drehte mich dabei, wie ein Kind, dass einem langen Winter wieder über eine Frühlingswiese tollte und die ersten Sonnenstrahlen des Jahres nutzte. Meine Euphorie war genauso wenig erklärlich wie vermutlich neunzig Prozent meines Verhaltens, aber das wusste sie bereits und so bekam ich, bis auf ein irritiertes Kopfschütteln keinen Kommentar reingedrückt. Langsam schob die Terrassentür auf und zog davor die Schuhe aus.
      „Was? Geht die Welt heute unter?“, fragte ich Erik schockiert, der in einer meiner Jogginghosen in der Küche stand und irgendwas in der Pfanne zubereitete. Mein sonst so guter Partner Nase machte mir einen Strich durch Rechnung und war von der kalten Luft vor der Tür, verstopft.
      „Ich wundere mich viel mehr, dass sie selbst mir zu groß ist“, lachte er und sah an sich herunter. Erst dann bemerkte er Lina, schien sich umzusehen und etwas zu suchen. Zugegeben, ich hätte den Besuch vorher ankündigen können und dass er bis auf einer Hose nichts trug, wirkte eventuell auf Außenstehende verstörend. Aber was erwartete man schon in meiner Hütte? An meinen Wänden hingen neben seltsame Zeichnung und einige erotischste Bilder von wildfremden Männern und auch Frauen, die ich auf Flohmärkten fand. Oder auch Holzmasken, die vermutlich mal ein Teil einer skurrilen Ausstellung waren und mit Graffiti besprüht wurden. Vor knapp einer Woche hatte noch Kartons von mir im Lager gefunden und rigoros umgestaltet.
      „Schatz?“, zog ich unnötig lang das Wort und Erik sah mich verwirrt über die Schulter an. Entschlossen machte ich ein Foto mit meinem Handy, schließlich musste man so eine Premiere festhalten. Dann hüpfte ich genauso erfreut zu ihm und gab ihn einen flüchtigen Kuss auf den Mund.
      „Das mit dem Begrüßen üben wir aber noch“, hauchte er mir ins Ohr und zog mich an der Hüfte fest an sich heran. Dann gab er mir deutlich leidenschaftlicher einen weiteren Kuss. Es muss für Lina mehr als unangenehm sein, deswegen drehte ich mich entschlossen um. Mit weit aufgerissenen Augen strahlte sie in meine Richtung, hatte aber genau die Ausstrahlung, dich ich bereits vermutete.
      „Sorry“, lächelte ich breit und zog meine Brauen nach oben. Dann ließ Erik von mir ab und gab ihm ein Shirt aus dem Schlafzimmer.
      “Alles gut. Vielleicht lass ich dir das nächste Mal besser einen Vorsprung”, scherzte sie und lächelte schief. Ich bat sie heran.
      “Und mein Hund muss draußen bleiben?”, schloss sich auch Erik dem kurzen Gespräch an. Trymr drückte seine Nase durch den schmalen Spalt zwischen Schiebetür und Rahmen ins Innere. Entschlossen öffnete ich die Pforte wieder, die er sogleich durchlief und sich auf dem Teppich vor die Couch legte. Seine Ohren stellten sich bei dem Geklapper in der Küche auf, ohne das etwas für ihn auf dem Fußboden landete.
      Linas Jacke hatte ich noch immer in der Hand und hängte sie an den Kleiderhaken in den Flur, wo sie stand. Inständig betrachtete sie verschwiegen die seltsamen Masken über der Kommode im Flur und ließ den Blick schweifen über die Bilder aus den vergangenen Jahrzehnten, die teilweise nicht einmal meine Eltern miterlebten. Zwischendrin entdeckte sie auch die Partybilder von meinen Freunden und mir, auf denen auch Jenni zu sehen war. Lange hatte auch ich nicht mehr genauer hingesehen. Eins der besagten Fotos stammte noch aus der Anfangszeit mit meinem Ex-Freund, der ziemlich stolz mich auf seinem Rücken trug und auf dem nächsten Schnappschuss seine Lippen auf meine drückte. Entschlossen nahm ich Rahmen von der Wand und verstaute ihn in einer der Schubladen der Kommode, bevor ich die wenigen Schritte zur Küche machte und den Tisch für uns deckte.
      In meinem Nacken spürte ich einen warmen Atemzug, der meine Haare aufstellte und sogleich das Blut in Wallungen brachte. Langsam schloss ich meine Augen und öffnete sie bei einem tiefen Atemzug wieder. Lüstern berührten seine Lippe meinen Hals und begleitet mit einem sachten Saugen, breitete sich das Kribbeln am ganzen Körper aus. Eriks Händen strichen mir über den Arm.
      “Ich finde auch schön, dass du hier bist, aber wir haben Besuch”, raunte ich. Mehrmals schluckte ich, krampfte mich an der Tischplatte fest und versuchte mir von seiner Nähe nicht den Geist zu nebeln.
      „Ach, sie ist doch gerade noch beschäftigt und zwischen uns ist die Wand“, flüsterte Erik und drückte sich ein weiteres Mal an mich heran.
      „Sie ist doch nicht blöd, also setz dich“, versuchte ich ihn zur Vernunft zu bekommen. Glücklicherweise gab er schneller nach als ich vermutete, zog nun endlich das Shirt über seinen wohl gezeichneten Oberkörper, den ich stundenlang betrachten könnte.
      „Linchen, was möchtest du trinken?“, fragte ich noch, als der Kaffee durch die Maschine lief und sie sich mit an den Tisch setzte.
      "Hast du vielleicht Tee da? Ansonsten begnüge ich mich auch mit Wasser", bekam ich zur Antwort.
      „Natürlich“, lachte ich und öffnete eine der oberen Schranktüren. Dahinter verborgen sich Unmengen an Teesorten, die wild durcheinander standen und keine genaue Reihenfolge aufwiesen. Mit meiner Hand zeigte ich die Menge an und ließ ihr die freie Wahl.
      "Klasse, gleich so eine Auswahl", lächelt Lina begeistert, "Den da bitte." Sie deutete auf eine Packung mit Früchtetee, der hauptsächlich aus Brombeere und Granatapfel bestand.
      Zum Glück konnte die Maschine im Handumdrehen Wasser zum Kochen bringen und erfolgreich stellte ich Lina ihre Tasse hin. Ein lieblicher, beeriger Geruch breitete sich in Windeseile im ganzen Raum aus und entfaltete bei jedem Atemzug weitere Nuancen in Mund und Nase. Die Verlockung war für einen Wimpernschlag so groß, ebenfalls einen zu trinken, doch die dunkle Flüssigkeit vor mir holte mich zurück. Nur Kaffee konnte mein Leben vervollständigen. Da Erik sich zu fein war, das Essen zu servieren, übernahm ich das wohl auch noch.
      „Oh, du hast Pancakes gemacht“, freute ich mich überschwänglich und beinah tanzend lief ich zum Tisch. Jeder bekam für den Anfang drei Stück.
      „Nur für dich mein Engel“, grinste Erik verlegen und verschränkte die Arme.
      In einer gemütlichen Runde aßen wir, beobachteten, wie die bunten Blätter vor der Scheibe ihre Runden drehten und in geschwungenen Linien tanzten, so ungezwungen und frei. Trymr versuchte sie zu fangen, wenn auch nur ein Zentimeter Blatt und Scheibe zwischen ihnen lag. Dafür, dass der Rüde solch höllische Töne von sich geben konnte und auch äußerlich eher einem Monster glich, bewegte er sich wie ein junges Kalb und wirkte so liebenswert in seinem Spieltrieb. Ich fühlte mich gut, wirklich gut. Erik, der immer wieder zu mir hinüberschielte und über meinen Oberschenkel strich, Lina, die vergnügt lachte. Beides löste eine wollige Wärme aus, dass aus dem Grinsen nicht mehr herauskam und dachte, dass sie so Familie anfühlen musste, Heimat, ein Ort an dem man Willkommen ist. Es fehlte mir an nichts, doch dann kam ich im Gedanken wieder auf Lina zurück.
      „Sag‘ mal, wann kommt Ivy eigentlich?“, sagte ich mit kratziger Stimme.
      “Der genaue Termin steht noch nicht, aber bald hoffe ich. Es hängt derzeit nur noch an den Behörden”, erzählte sie hoffnungsvoll. Dass sie es kaum erwarten konnte, ihr Pferd wiederzuhaben, war kaum zu übersehen, denn sie strahlte über das ganze Gesicht.
      „Aber er braucht doch nur Gesundheitspapiere, die offiziell unterschrieben wurden“, murmelte Erik schulterzuckend, ziemlich abwesend.
      „Hör auf dich so zu benehmen“, schlug ihn behutsam mit meinem Handrücken gegen die Brust. Böse sah er zu mir runter und griff kräftiger in mein Bein. Schmerzerfüllt verzog ich mein Gesicht. Während bei Lina es eher so wirkte, als hätte sie Angst davor, dass in wenigen Sekunden ein Ehestreit ausbrach und sie mittendrin feststeckte. Aber ich wandte mich ihr zu und sagte: „Dann dauert es bestimmt nicht mehr lange. Ob er sich gut mit Rambi versteht?“
      Rambi war der Hengst einer Einstellerin, mit dem sie viel Zeit verbrachte. Da Einheitssprache sich nur ziemlich bescheuert rufen lässt, wurde aus Rampensau irgendwann Rambi. Er präsentierte sich gern und konnte somit ziemlich gut ihn ihr Beuteschema passen, wenn man ihren Prinzen dazu zog.
      “Ich denke, Ivy wird das kleinste Problem dabei sein, der hat sich bisher mit jedem Pferd verstanden, aber ob Rambi das genauso sieht? Man wird sehen”, erwiderte sie optimistisch.
      „Bevor wir uns hier verquatschen und Erik die Ohren abfallen, sollten wir weiterarbeiten“, beschloss ich ihn von den Pferden zu erlösen. Zumindest hatte ich die kleine Portion aufgegessen und die anderen teilten sich die restlichen gerecht auf.
      „Du bleibst noch kurz und darfst dann gehen“, hielt mich Erik an Ort und Stelle fest. Seine Stimme klang ernst und nickte ich Lina zu, dir bereits ihre Jacke holte.
      „Ich weiß nicht, wie lange es dauert, aber würdest du Alfi schon fertig machen?“, sagte ich selbstsicher und versuchte meine Unsicherheit durch ein freundliches Lächeln zu überspielen.
      “Ja klar, mache ich”, antworte sie bevor sie uns schließlich allein ließ. Er sah ihr noch nach, bis Lina endgültig aus der Sichtweite verschwand und auch Trymr zurück auf den Teppich tippelte. Seine Ohren standen stets gespitzt nach oben, um dem Gespräch zu folgen.
      Erik stand auf und stellte sich entschlossen hinter mir. Seine Arme eng umschlungen an meinen Schultern. Ich schloss meine Augen und versuchte ruhig zu bleiben, um dem Verlangen nicht nachzukommen, dass er bei jeder Berührung auslöste.
      „Willst du dich nicht entschuldigen?“, hauchte er kaum hörbar in mein Ohr und setzte dort fort, wo er vorhin aufhörte. Langsam berührten seine Lippen meinen Hals. Sie waren feucht und an einigen Stellen ziemlich rau. Meine Haare stellten sich wieder auf.
      „Wofür sollte ich mich entschuldigen?“, zitterte meine Stimme, denn er ließ nicht von mir ab, sondern konnte es, gefühlt, nicht abwarten, auch mich an sich zu spüren. Sein plötzliches Verlangen nach mir und forsches Auftreten löste nicht nur Spannungen zwischen uns aus, sondern machte es dynamisch. In meinem Kopf blitzten tausende Bilder auf.
      „Mich vor anderen aufzuführen, sollte in Zukunft nicht mehr vorkommen“, drückte Erik fest an meinem Hals, ohne dabei seine Lippen von mir zu lösen. Ein zärtliches Stöhnen huschte aus meinem Mund und brachte ihn zum Lachen. Langsam öffneten sich meine Augen, schielten durch meine Lider zu ihm hoch. Unverkennbar strahlte er, durch die Lippen funkelte die obere Zahnreihe hindurch.
      „Natürlich. Entschuldigen Sie mein törichtes Verhalten“, hauchte ich. An meinem Rücken spürte ich seine feste und pulsierende Bewegung, die sich so positioniert äußerst skurril anfühlte. Dann trat er zurück, ließ auch seine Hände von meinem Hals. Stattdessen blicken Eriks satten Augen in meine.
      „Du hast es verstanden“, sprach er in meinen leicht geöffneten Mund, zog begehrend mit seinen Zähnen an meiner Unterlippe. Alles explodierte in mir, neue Energiequellen entstanden und schickten durch meinen ganzen Körper kleine Blitze, die Kettenreaktionen mit sich brachten.
      „Bitte“, stammelte ich benebelt vor Glück, „verlass mich nicht mehr.“
      „Auf keinen Fall, aber jetzt wartet deine Freundin“, drückte er mich nach oben aus dem Stuhl und ich bekam einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Am ganzen Körper zitterte ich, konnte mich nur schwer damit abfinden, dass der innige Moment so schnell wieder endete. Ich fühlte mich nie derartig geliebt, wie von ihm. Dann verzog ich mich ins Schlafzimmer, denn neben neuer Unterwäsche, musste ich auch einen anderen Pullover anziehen. Fruity hatte überall Flecken hinterlassen, die nur durch einen Waschgang zu beseitigen waren. Somit landete auch dieses Stück Stoff bei den anderen im Wäschekorb, bevor ich zur Tür lief und meine Schuhe anzog.
      „Erik?“, steckte ich noch meinen Kopf ins Innere. Belustigt drehte er sich um, als suche er zusammen mit mir nach der angesprochenen Person. Dann lehnte er sich entschieden zurück, verschränkt die Arme wieder und blickte tief durch meine Augen zur Seele.
      „Danke, dass du da bist“, schmunzelte ich glücklich.
      “Das kann ich nur zurückgeben”, spiegelte er mich, bevor sein Laptop dann doch interessanter wurde. Sehnsüchtig sah mit Trymr nach. Ich entschied schon nach einigen Metern umzudrehen.
      “Schon wieder da?”, lachte Erik und klappte den Bildschirm ein Stück zur Tastatur, um darüber hinweg zu mir zu sehen.
      “Dein Hund würde sicher gern mitkommen”, sagte ich beim Holen der Leine vom Kleiderhaken, auf dem nur noch mein Overall hing sowie Eriks Mantel und Jacke. Panisch suchte ich den Ständer ab, aber fand nichts weiter als einen Schal. Neben mir ertönten Schritte und beim Umdrehen stand er dann wieder neben mir.
      “Das hier suchst du?”, wedelte Erik mit der Leine in der Hand vor meiner Nase herum, mit einem schmutzigen Lächeln auf den Lippen. Jedes Mal, wenn ich danach griff, zog er sie nach oben, sodass mir nichts andere übrigblieb, an ihm hochzuspringen. Den Grund dahinter hatte ich schnell raus. Meine Hand lag auf seiner Schulter, als auch seine mich packten und fester an seinen Oberkörper drückten. In meine Nase stieg wieder sein unverkennbarer Geruch, der mich wie zuvor zuhause fühlen ließ. Ich wollte zu Lina, doch drängte mich das Verlangen bei ihm zu bleiben, mich nicht von der Stelle zu bewegen und für immer in seinen Armen zu liegen. Mit weit geöffneten Augen sah ich hoch in seine glänzenden, hoffte ihn ein letztes Mal spüren zu können, bevor es Abschied bedeutete für einige Stunden und nach Hause wollte er auch noch.
      „Bist du noch da, wenn ich zurückkomme?“, fragte ich flehend.
      „Je nachdem wie lang du unterwegs bist, dennoch würde ich sagen, vermutlich nicht“, äußerte sich Erik zurückhaltender, aber hielt mich weiterhin fest, auch wenn seine Hände in der Zwischenzeit weiter nach unten wanderten und meinen Po umfassten. Innerlich stritten Vernunft und Leidenschaft um ihre Stellung im emotionalen Minenfeld, dass sich in wahnsinniger Geschwindigkeit mit Nebel zuzog. Aus der wirtlichen Wärme wurde übergangslos eine klirrende Kälte, die erst meine Adern erstarren ließ und nach einem Wimpernschlag den Rest meines Körpers. In meinen Ohren ertönte der schnelle Herzschlag aus meiner Brust und vor mir wurde es schummerig. Elendig rang ich nach Luft, gab alles, um das schwere Gefühl loszuwerden. Ungewiss, was geschah, lichtete sich im nächsten Moment der Nebel vor meinen Augen und in meinem Geist. Ich spürte das Kribbeln wieder, das unter meiner Haut wie tausende kleine Nadelstiche mich durchsetzen, aber keinesfalls etwas Schlechtes bedeutete. Viel mehr fühlte ich lebendig.
      “Geht es dir besser, Vivi?”, raunte Erik in mein Ohr. Seine Lippen hatten sich in ein weiches Rot getaucht, das sich langsam wieder legte. Auf meinen spürte ich es auch. Unsere Annäherung konnte nur von kurzer Dauer gewesen sein, denn ich erinnerte mich nur wage, aber sein Geschmack lag mir noch im Mund, festgesetzt wie ein intensives Getränk. An meinen Schultern lagen seine Arme, fest genug, um die Berührung zu spüren, locker genug, um mich frei zu bewegen. Ich atmete bewusst ein und wieder aus.
      “Ja”, nickte ich und spürte ein heftiges Kratzen in meinem Rachen, das vor wenigen Sekunden noch nicht da war.
      “Was war das?”, erkundigte er sich langsam, weniger forsch als noch am Tisch.
      “Ich weiß es nicht”, niedergeschlagen murmelte ich in den Kragen meiner Jacke, wich seinen Blicken aus und musterte intensiv meine dreckigen Reitstiefel, die ich mir vor einigen Wochen erst gekauft hatte. Dann fragte ich resigniert: “Wann kommst du wieder?”
      “Das liegt an dir”, holte er meinen Kopf wieder nach oben, “du hast Abstand verlangt, Freiheit, die ich dir gab und nun kommst du gar nicht mehr weg von mir.” Auf seinen Lippen zeichnete sich wieder der liebliche Rotton und ein verzauberndes Lächeln.
      “Es macht mir Angst”, versuchte ich mich zu erklären, doch legte er seinen Zeigefinger auf meinen Mund und ich verstummte umgehend. Eriks hellen Augen funkelten.
      “Ich hole dich heute Abend ab. Wir veranstalten eine kleine Runde unter Freunden und ich möchte, dass du sie kennenlernst”, bot er an. Aus meiner Schwermut wurde umgehend Vorfreude, auch wenn ich zu dem Zeitpunkt nicht einschätzen konnte, was das zu bedeuten hatte und ich es im Nachhinein bereuen würde.
      “Okay, machen wir so”, druckste ich und drückte flüchtig meine Lippen auf seine, nahm ihm die Leine ab und ging schlussendlich aus der Hütte, zusammen mit Trymr, der die ganze Zeit am Glas wartete.

      Lina
      “Na, ich zwei, meint ihr, sie kommt heute noch?”, fragte ich die beiden Hengste neben mir, allerdings erhielt ich keine Reaktion. Wunderkind hatte schon vor einer viertel Stunde entspannt den Kopf gesenkt und döste mit halb geschlossenen Augen, die rosa Unterlippe locker herunterhängend. Alfi hingegen scharrte fordernd mit den Hufen über den Boden und wippte ungeduldig mit dem Kopf auf und ab. Tadelnd klopfte ich dem Hengst auf die Schulter, was zumindest für einen Moment Wirkung zeigte.
      Bevor der Schimmelhengst zu einer erneuten Randale ansetzen konnte, ertönten endlich Vriskas Schritte auf der Stallgasse, begleitet vom Klackern der Hundepfoten. Trymr trabte freundlich auf mich zu und forderte auch augenblicklich eine angemessene Begrüßung ein.
      “Ahh, da bist du ja endlich und ich dachte schon, du gehts ohne uns spazieren”, scherzte ich. Was auch immer sie noch gemacht hatte, es schien sehr einnehmend gewesen zu sein.
      “Tut mir leid, ich war mir nicht bewusst, dass es so lange dauern wird”, verschloss sie den Reißverschluss ihrer dunkelblauen Jacke und fummelte dann weiter an der hellbraunen Lederleine des Hundes.
      “Alles gut. Wollen wir dann los?”, entgegnete ich freundlich und stupste Wunderkind, an dem sein Kopf mittlerweile gemütlich im Halfter hing, als sei es zu anstrengend, ihn selbst oben zu halten. Langsam kamen seine blauen Augen wieder unter seinen Lidern zum Vorschein und blickten mich an, synchron dazu hob sich auch der Kopf des Pferdes wieder an.
      “Auf jeden Fall”, grinste sie und holte noch den Helm aus der Sattelkammer. Es dauerte nicht lange bis wir dann schließlich auf den Pferden saßen. Während Alfi frisch und spritzig voranschritt, musste ich Wunder ein wenig motivieren. Er schien noch nicht wieder ganz aus seinem Delirium erwacht zu sein. Zugegeben bei den frostigen Temperaturen, war es dem Hengst nicht zu verdenken, dass er lieber weiterschlafen wollte, ein kuscheliges Bett wäre jetzt schon ziemlich verlockend. Alternativ wäre eine Sauna sicher auch okay, aber die würde ich hier auf dem Hof vergeblich suchen. Schließlich waren wir hier nicht in meiner Heimat, wo es sogar mitten im Wald Schwitzhütten gab. Auch wenn die Sonne den morgendlichen Nebel bereits vertrieben hatte, glitzerte immer noch Frost auf den beschatteten Stellen des Bodens und ein Habicht zog auf der Suche nach Beute seine Runden über den beinahe wolkenlosen Himmel. Kurzum es war ein wunderschöner, idyllischer Herbstmorgen. Genüsslich ließ ich die kühle Luft in meine Lungen strömen, nahm die Gerüche von feuchter Erde, nassem Laub und natürlich auch von den Pferden wahr.
      “Ist das nicht schön, all die bunten Farben, die die Natur jetzt zeigt”, sprach ich einfach meine Gedanken aus, die mir gerade durch den Kopf geisterten, “Weißt du, früher hatte ich mal eine Freundin, die sagte, es mache sie traurig, wenn die Natur im Herbst beginnt zu sterben, aber ich sehe das anders. Ich meine, der Herbst ist doch eher ein Neubeginn. Eichhörnchen verstecken Nüsse und aus denen, die sie vergessen, waschen im nächsten Jahr neue Bäume, auch die Elchbrunft legt neue Lebensgrundlagen und mit den Fruchtkörpern der Pilze kommt eines der größten Lebewesen weltweit ans Tageslicht. Was denkst du dazu?”
      “Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht”, antwortete Vriska abwesend und war im Wechsel damit beschäftigt den Hengst zu bremsen und Trymr zurückzurufen, der immer wieder eine neue Spur ins Dickicht nahm. Mittlerweile hatte sein Fell von Grau zu Braun, matschig gewechselt. Ich wartete auf ihre Antwort, beobachtete die Natur währenddessen weiter und bemerkte zwischen den jungen Kiefern und älteren Birken eine sehr alte Eiche, die fest verwurzelt an Ort und Stelle stand. Ringsum kaum Bäume, nur ihr eigenes Refugium.
      “Ich denke, dass die Natur einen Grund dafür hat und wir Menschen viel zu klein auf dem wahnsinnig großen Planeten sind, um uns dem in den Weg zu stellen”, murmelte sie.
      “Ja, da magst, du recht haben” stimmte ich zu, betrachte den knorrigen Baum, der Ehrfurcht gebietend vor uns aufragte. Die Eiche war sicher schon einige Jahrzehnte alt, wenn nicht sogar Jahrhunderte und schien so viel beständiger als der Wald ringsherum.
      “Wir sind nur eine winzige, kurzweilige Existenz in dieser Welt”, fügte ich gedankenvoll hinzu.
      “Wenn wir so weiter machen, sagen wir noch Sachen, die wir nicht so meinen”, kam es verschlossen aus Vriska, die dann noch Lächeln anknüpfte und den Hengst energisch vorwärtstrieb, um im langsamen Pass voranzukommen. Ihre Aussage irritierte mich ein wenig. Hatte ich etwas Falsches gesagt oder war das mal wieder einer ihrer rätselhaften Launen?
      Um nicht den Anschluss zu verlieren, trieb auch ich meinen Hengst an. Wunder erhöhte zwar seine Geschwindigkeit, aber aufgrund der ziemlich unrunden Bewegungsabläufe, war ich mir sicher, dass ich zuverlässig Gangsalat produziert hatte. Man hatte mir zwar mittlerweile oft genug erklärt, wie das funktionierte mit den Trabern, und den mehr Gängen, dennoch schaffte ich es immer mal wieder Gänge zu aktivieren, die ich nicht wollte oder gänzlich Chaos zu verursachen. Ein Wunder das noch keines der Pferde einen Knoten in den Beinen bekam. Mein Glück, dass das Pferd unter mit klüger war als ich, denn nach weniger Metern entschied der Hengst selbst die Wahl der Gangart zu übernehmen und sich dem Schimmelhengst anzupassen und den Abstand zu ihm zu verringern.
      “Vriska, warte doch”, versuchte ich Vriska wieder zum langsamen Reiten zu bewegen, “ist etwas los?” Eine Reaktion folgte jedoch nicht, stattdessen schnaubte Alfi ab und hielt sein Tempo, als gäbe es nichts Leichteres auf der Welt. Aber der Weg wurde zunehmend unsicherer, viele Wurzeln durchzogen den Sandboden, die sich unter den Hufeisen und leichten Frost darstellten. So entschied Vriska endlich das Pferd zu parieren, erneuert stellte ich meine Frage und diesmal sah sie sogar zu mir, während der Hengst sich erholt streckte.
      „Es ist ein erneutes Mal alles etwas viel“, schnaufte sie laut. Ihre Hände fummelten unkontrolliert an der Mähne des Pferdes herum, strichen ihm über den Hals, bis sie schließlich den Reißverschluss wieder in den Fingern hatte.
      “Verstehe ich, es ist mal wieder ziemlich viel los hier”, antworte ich einfühlsam. Zu gut konnte ich Vriska verstehen. Fruitys Verkauf, Glymur, den sie abgeben musste, Erik, der auf einmal wieder da war, es war fast so, als kenne Vriskas Leben nur Action und gab keine Zeit für Erholungspausen.
      „Und dann noch die ganzen Einsteller, die zur kalten Jahreszeit Beritt wollen. Ich kann mir auch nur schlecht vorstellen, wie ich sonst mein Leben regelte“, grinste sie.
      “Ja, das ist schon erstaunlich”, lächelte ich, „das kenn ich so gar nicht. In Kanada wurde es zum Winter her eher weniger Arbeit. Aber okay, wir hatten auch gerade einmal zwei Einsteller auf dem Hof.” Gleichmäßig zu Wunders Atemzüge, stiegen kleine, weiße Atemwölkchen aus seinen Nüstern empor und die wenigen Stellen, an der er begonnen hatte zu schwitzen, dampften ein wenig.
      „Klarer Fall von keine-Lust-bei-dem-Wetter-das-Pferd-selbstzubewegen“, zuckte Vriska mit den Schultern und holte Alfi im Tempo wieder zurück.
      „Nicht nachvollziehbar. Ich glaube nach spätestens zwei Tagen, wüsste ich nichts mehr mit mir anzufangen so ohne Pferde. Solang am Ende des Tages eine warme Dusche auf mich wartet, ist das sogar beim ekeligen Wetter okay“, entgegnet ich verständnislos. Sie zuckte auch nur mit den Schultern und musterte den Himmel, an dem immer mehr Wolken aufzogen und die letzten wärmenden Strahlen der Sonne verdeckten. Die Kronen der Bäume bewegten sich sanft im Wind, knarrten mysteriös und bunte Blätter fielen in unsere Richtung. Diese Idylle wurde lediglich kurz unterbrochen durch einen leisen Signalton meines Handys. Ich brauchte nicht nachzusehen an was das Gerät mich erinnern wollte, denn ich dachte schon ungefähr seit drei Tagen ununterbrochen daran.
      “Vriska, habe ich dir eigentlich erzählt, dass heute mein neues Pony kommt?”, grinste ich voller freudiger Erwartung. Tatsächlich war ich mir nicht ganz sicher, ob ich tat, denn ich hatte bereits mit so vielen Leuten darüber gesprochen, dass ich vergaß, wen genau ich schon davon in Kenntnis setzte.
      “Warte”, bremste sie eruptiv den Hengst ab, “du hast dir noch ein Pferd gekauft?” Ihre Stimme klang kratzig und äußerst stark auf ‘noch ein’ betont. Kurz räusperte sie sich, wand sich dem Hund zu, der erneut seinen Weg in das Dickicht des Waldes suchte. Mit einem einzigen Pfiff folgte Trymr uns wieder.
      “Dann ist die Box neben Smoothie also für deinen neuen Begleiter? Ich will alles wissen”, jubelte Vriska erfreut und sah mit ihren Augen starr in meine Richtung.
      “Ja, eigentlich war ich ja nicht auf der Suche, weil ich ja Ivy habe, aber ich konnte nicht nein sagen, als Niklas sie mir gezeigt hat. Sie ist nämlich, wer hätte das nur erwartet, ein Freiberger.” Ich begann wie ein Honigkuchenpferd zu strahlen und spürte, wie nun langsam die Aufregung in mir stieg, wie bei einem Kind an Weihnachten, wenn die Geschenke bereits in Sichtweite unter dem Baum lagen.
      “Redo ist ein Polizeipferd und hat mit ihren elf Jahren nun genug Dienst geleistet, weshalb sie jetzt bei mir ihre Rente genießen darf. Optisch ist sie wohl eher das Gegenteil von Divine, denn sie ist schwarz wie die Nacht und hat eine unglaublich niedliche Blesse, aber das wirst du ja später selbst sehen”, schwärmte ich voller Elan von meinem neuen Pferd.
      “Ach so, toll”, murmelte sie überzogen, aber folgte der Erzählung. Schon als ich den Namen meines Freundes erwähnte, rollten ihre Augen und der Blick verschwand zur Seite.
      “Warum bist du heute so seltsam, Vriska? Da steck doch sicher mehr dahinter, als dass aktuell viel los ist”, hakte ich nach und musterte sie prüfend. Erneut räusperte sie sich: “Erik ist eifersüchtig, weil ich mit Niklas trainiere, obwohl wir schon so weit gekommen sind. Darüber schien er nicht sehr begeistert zu sein. Erst jetzt, wo ich etwas mehr darüber nachdenke, kommt es mir blöd vor.”
      “Ja, ein wenig blöd klingt das schon, aber ganz ehrlich, ich kann es bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, ich meine bei eurer Vergangenheit …”, murmelte ich und schielte verhalten zu ihr hinüber, “aber das ist sicher nicht das, was du hören wolltest.” So gut wie ich Eriks Seite nachvollziehen konnte, so konnte ich auch Vriska verstehen.
      “Jedenfalls, denke ich, er hat einfach nur Angst davor dich zu verlieren. Wenn dich etwas an seinem Verhalten stört, solltest du mit Erik darüber reden und versuchen einen Kompromiss zu finden, mit dem ihr beide leben könnt”, riet ich ihr. Ohne recht zu wissen warum, strich ich Wunderkind über den gescheckten Hals, woraufhin er schnaubte.
      “Vergangenheit. Ah ja”, schnaubte sie und unterstrich ihre Aussage mit einem sehr deutlichen Augenrollen, dass wohl auch die Hengste zu deuten wussten. Ihr gefiel meine Aussage ganz und gar nicht, doch statt wie gewohnt dann die Flucht anzutreten, atmete Vriska tief durch und sah mich starr an. “Aber nein, ich werde nicht darüber mit ihm sprechen, denn es das einzige Anliegen, was er je geäußert hat und dem werde ich nichts entgegentreten”, fügte sie deutlich gelassener hinzu, aber setzt dann doch noch einmal zu einem scharfen Zusatz an: “Dein Kerl hatte damit ein so viel größeres Problem und musste mir daraufhin urig lange Texte verfassen, die davon geplagt waren, wofür ich ihm so dankbar sein sollte oder so.”
      “Jap, das glaube ich dir gern. So ist er, der Herr”, kommentierte ich das Ganze trocken. So ganz nachvollziehen, warum sie sich bei mir darüber beschwerte, konnte ich nicht, schließlich war Niklas mein Freund und nicht mein ungezogenes Kind, aber wenn es ihr damit besser ging, solle sie mal machen. Immerhin wusste ich wie anstrengend er mit seinen Eigenheiten manchmal sein konnte. Verdutzt entglitten ihre Gesichtszüge, um nun doch ein schnelleres Tempo mit dem Hengst anzustreben. Im Pass bretterte Alfi los, gefolgt von Trymr, der mit lockerem Zug hinterherrannte. Sein Schwanz bog sich zwischen die Beine, als wäre er auf der Jagd nach einem Hasen, der ihm zufälligerweise über den Weg lief. Auf der Bahn erlangte Wunderkind viele Siege, aber sobald ein Sattel auf seinem Rücken lag, musste man kontinuierlich mit den treibenden Hilfen am Ball bleiben, dass er nicht zurückfiel. Sosehr ich mich auch bemühte dem Wunderkind zu etwas mehr Geschwindigkeit zu verhelfen, der langbeinige Schimmel hatte mehr davon, womit Vriska jeden Kommunikationsversuch abblockte. Der Wind blies mir kräftig entgegen, zerzauste das, was mal ordentliche Zöpfe gewesen waren und der Matsch spritze Wunder mindestens bis an die Brust und bedeckte sein Fell mit graubraunen Punkten.
      Erst als Vriska am Hof gezwungen war Alfi zu bremsen, hatte ich die Chance sie einzuholen. Ein wenig angestrengt lenkte ich den gescheckten Fuchs neben den Hengst, der mit geblähten Nüstern die Luft in seine Lungen zog und kleine Wolken in der Luft bildete.
      “Möchtest du mir verraten, was ich gesagt habe, dass du vor mit flüchtest oder hüllst du sich lieber weiter in Schweigen?”, versuchte ich wieder, die Kommunikation mit ihr aufzunehmen. Noch bevor sie ein Wort sagte, musterte auch den Parkplatz, den sie offensichtlich mit ihren Augen absuchte. Wie vermutet, standen dort nur noch unsere Fahrzeuge vom Hof und drei Autos der Einsteller, die aktuell ihre Pferde besuchten. Eine von ihnen, Eve, kam uns freudig entgegen und saß auf ihrem Kaltblüter Hengst Raleigh, der neugierig die Ohren aufstellte, als Trymr ihm entgegentrat. Die schulterlangen schwarzen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, der am Helm hinten wie ein kleines Hörnchen herausstand.
      “Immer noch keinen Sattel gefunden?”, fragte Vriska höflich. Offenbar lag es doch an mir, denn mit Eve begann sie umgehend ein Gespräch, obwohl ich wusste, dass sie nicht leiden konnte. Vermutlich wäre auch einfacher aufzuzählen, wen sie mochte und dafür würde eine Hand reichen.
      “Leider nicht”, antwortete Eve kurz und ritt weiter. Der Hengst schnaubte ab, schenkte den beiden Rennpferden überhaupt keine Beachtung. Sein dreckiger Beinbehang schob sich durch den Kiesweg und hinterließ größere Löcher, als die anderen Pferde. Mehrmals drehte ich mich noch um und bewunderte etwas, dass sie ohne Sattel so selbstsicher auf dem Riesen saß. Vriska hingegen schwieg, aber ich spürte, dass es in ihrem Kopf brodelte. Sie warf mir einen fragenden Blick zu und ihre Augen glitzerten gläsern im Licht der kalten Lampen an der Außenwand des Stallgebäudes. Eine Träne kullerte über ihre Wange, die sie sofort wegwischte.
      “Ich will nicht, dass du mich hasst”, zitterte ihre Stimme, “aber dieses Auf und Ab die letzten Wochen mit Erik, tat mir noch weniger gut, als sein nicht da sein zuvor. Ich verlor mich in Gedanken, wusste nicht, was ich wollte oder verstand, was ich tat. Das endete darin, dass ich mich nicht mehr unter Kontrolle hatte, was ich sonst immer relativ gut schaffte und auch emotional davon abschottete. Dennoch fand ich mich betrunken auf Niklas Schoß wieder und zwei Shots später, fühlte er sich ebenfalls bereit dafür. Wäre Chris nicht dagewesen, weiß ich nicht, worin es geendet hätte.” Die Worte waren durchtrieben von Schluchzten und lauten Atmen. Dass es wieder mal so einen Auslöser geben würde, dachte ich mich bereits, versuchte meinen Geist aber zu beruhigen. Vermutlich gehörten solche Ekstasen zu seinem Dasein und ich musste akzeptieren, ihn immer mit seinen schlechten Eigenschaften teilen zu müssen. Eine Antwort kam mir nicht in den Sinn, doch Vriska keuchte mit roten Augen, die weiter mit Tränen besetzt waren, weiter: “Sonst gehe ich ihm schon immer aus dem Weg und reduzierte den Kontakt aufs nötigste, um mich auf das wesentliche zu konzentrieren. Aber beim Training fühlte ich mich so frei, geborgen und es unwichtig wer ich bin oder was ich darstellen sollte. Das verletzt mich und noch so viel mehr, dass ich immer wieder zwischen euch funke, obwohl das überhaupt nicht mein Plan ist. Deswegen überlege ich wieder nach Hause zu fahren.” Das Gesagte war bitter, doch die Qual darin war so deutlich, dass ich es beinahe selbst zu spüren glaubte. Es betrübte mich, dass Vriska so sehr litt, dass sie in der Flucht den einzigen Ausweg sah. Verübeln, könnte ich es ihr allerdings auch nicht, schien es doch der leichteste Weg zu sein, einfach aus diesem Leben hier zu verschwinden und weit wegzukommen, an einem anderen Ort neu anzufangen.
      “Ich hasse dich nicht”, sprach ich sanft, bevor ich auf der Suche nach den richtigen Worten innehielt, “viel mehr danke ich dir für deine Aufrichtigkeit. Ich spüre wie es dich zerreißt und es tut mir leid, dass das Training als Wohlfühlort nun wegfällt. Aber ich würde mir wünschen, dass du hierbleibst, nicht das aufgibst, was du dir aufgebaut hast. Ich meine, wie du selbst schon, sagtest du bist bisher so weit gekommen und auch wenn du es vermutlich nicht glauben kannst, ich brauche dich. Wer unterstützt mich denn sonst dabei, der Männlichkeit hier nicht völlig die Macht zu überlassen?” Aufmunternd lächelte ich ihr zu, bevor ich die Rede fortsetzte: ”Außerdem, hast du mit Erik einen wundervollen Menschen an deiner Seite, der dich sicher unterstützen wird. Wenn du wirklich zurück in deine Heimat willst, bin ich die Letzte, die dich aufhalten wird, aber lass uns vorhersehen, ob es nicht auch eine andere Lösung geben könnte.”
      Das Schluchzen endete und verlief sich im Säuseln der Blätter, der jungen Birken am Wegesrand. Von außen betrachtet standen wir sinnlos herum, weder links noch rechts hatte jemand die Möglichkeit an uns vorbeizukommen und die Hengste schnappten verspielt nach einander. Erst nach geraumer Zeit griff Vriska in das Geschehen ein und tadelte den Schimmel. Er wippte mit dem Kopf und trat zwei Schritte zurück. Dann lobte sie ihn, Ruhe kehrte wieder ein, obwohl ihr Atem noch sehr präsent war. Obwohl sie ihr Piercing schon länger aus der Unterlippe nahm, biss sie mit der oberen Zahnreihe darauf herum und versuchte nicht vorhandene Objekt mit der Zunge zu drehen. Es sah schon aus wie Ivy, wenn er eine Banane auf dem ganzen Boden verteilte.
      “Wir kennen ihn beide kaum, um das beurteilen zu können”, seufzte Vriska und wischte eine Haarsträhne aus dem Gesicht, “aber ich soll heute seine Freunde kennenlernen.”
      “Ausgezeichnet, dann nutzt deine Chance ihn besser kennenzulernen”, versuchte ich sie weiter aufzumuntern.
      “Hörst du dir eigentlich manchmal selbst zu?”, lachte Vriska mit verstopfter Nase, “erst mal sehen, ich habe Angst und weiß nicht, ob das nicht einfach so ein aktuell verstehen wir uns echt gut, mit ihm sein wird.”
      “Nein, da setzt mein Hirn regelmäßig aus”, schmunzelte ich, freute mich aber Vriska aufmuntern zu können, “Dann lass dir Zeit mit deiner Entscheidung, tu das womit du dich am wohlsten fühlst.”
      “Merke ich. Aber ich weiß nicht, womit ich mich wohlfühle. Er ist toll, aber nur solang er bei mir ist für einige Stunden. Außerdem”, sie schluckte, bevor die Worte zittrig ihre Lippen verließen, “ist da auch noch Fredna, mit der ich mich nicht so recht anfreunden kann.”
      “Ersteres wirst du wohl leider allein rausfinden müssen. Erforsche einfach langsam, was du willst und was Fredna betrifft … ich denke, das benötigt Zeit, Geduld und Verständnis. Das ist sowohl für dich als auch für die Kleine eine komplett neue Situation. Erwarte nicht sofort, dass sie dich vergöttert, mach dir aber auch selbst keinen Druck, Erwartungen erfüllen zu müssen oder dass es sofort funktionieren muss”, riet ich Vriska und lächelte sie aufmunternd an.
      “Das sagst du so leicht, dich mag sie”, wieder seufzte sie, aber schwang sich aus dem Sattel. Der Wind wurde rauer und auch mir wurde zunehmend unangenehm kalt auf dem offenen Feld. Prüfend sah Vriska sich im Stall um, ehe sie ihre Verteidigung wieder aufbaute, als sollte ich von meiner Stellung ablassen und ihr dazu raten, Erik erneut fallenzulassen: “Ich weiß nicht, was ich erwarte, schließlich hatte ich nicht mehr damit gerechnet, mir Gedanken machen zu müssen, was passiert, wenn man jemanden an seiner Seite haben könnte. Spaß wollte ich haben, ansonsten wird mir hier doch alles geboten. Na gut, ein eigenes Pferd wäre noch toll.”
      “Dann wird es jetzt mal Zeit, dass du dir darüber Gedanken machts oder du wartest einfach ab, wohin das Leben dich führt”, blieb ich bei meiner Haltung, dass sie Erik zumindest eine weitere Chance geben sollte, auch wenn ihr das Modell feste Beziehung und dann auch noch mit einem Kind im Spiel, ziemlich zu schaffen machen schien.
      “Und ich glaube da mit dem Pferd, könntest du sicher erfüllen, wenn du dein Geld nicht so viel für überteuerte Schabracken ausgeben würdest, wobei ich dir zustimme, dass dieser Barbielook von Lubi auf Dauer nur schwer erträglich ist”, ging ich auch noch auf ihren letzten Satz ein, bevor ich den Sattel von Wunders Rücken zog und mich mit diesem auf den Weg in die Sattelkammer machte.
      “Die hat nur 1199 Kronen (ca. 120 Euro) gekostet”, murmelte Vriska verstohlen in ihren Kragen und folgte mir mit dem Sattelzeug des Schimmels, den sie entschlossen in das Solarium stellte. Trymr hatte sich derweil auf einer der Decken platziert und streckte alle Viere von sich, erschöpft aber glücklich wedeltet die Rute langsam.
      “Und was Erik betrifft”, setzte sie nach einem Augenblick der Stille wieder an, “der gibt sich doch auch kaum Mühe, hofft nur, dass etwas Nähe reicht. Ich weiß nicht einmal, was er aktuell macht nach dem er gekündigt wurde. Es ist blöd so, aber was weiß ich schon, was man ändern sollte. In meinem Kopf hüpfen nur bunte Ponys.”
      “Weißt du, es gibt da so etwas, das nennt sich Kommunikation. Ich habe gehört, das soll helfen, wenn man sich wünscht, dass Menschen sich verändern sollen. Sag ihm, dass du das, wie es aktuell läuft, doof findest, dass dir da etwas fehlt. Vielleicht findet ihr zusammen den Punkt, an dem es hakt”, versuchte ich ihr besten Gewissens zu helfen, was angesichts der Tatsache, wie unsicher Vriska in Bezug auf Erik war, nicht gerade einfach war.
      “Kannst du das nicht machen? Schließlich scheint es ihm an nichts zu fehlen”, zuckte sie mit den Schultern, dann griff sie in ihr Fach, in dem normalerweise das Handy lag. Jedoch befand sich dort nichts.
      “Ja, das kann ich für dich tun, aber ich kann dir nicht versprechen, dass das den gewünschten Effekt hat”, erwiderte ich ehrlich. Ich konnte nachfühlen, dass sie das Thema nicht selbst ansprechen wollte, schließlich ging ich selbst der Konfrontation mit unangenehmen Themen, wenn möglich, aus dem Weg.
      “Ach schon gut, ich werde erst mal sehen, was sich heute ergibt. Mir würde schon reichen, wenn ich überhaupt etwas über ihn im Internet finden würde, aber nein. Er ist ein Phantom”, legte sie laut und griff immer wieder in das leere Fach, als konnte sie nicht glauben, dass sich das Gerät dort nicht befand. Vriska seufzte und drehte sich schließlich zu mir, klemmte die Schuhe zwischen ihre Knie und band sich das lange weiße Haar zu einem neuen Zopf.
      “Apropos Phantom. Ich habe deinen ehemaligen Kerl gefunden”, dreckig lachte sie und ein falsches Lächeln durchzog ihr Gesicht. Für ein paar Sekunden fühlte es sich an, als sei mein Herz stehen geblieben, bevor es umso heftiger pulsierend wieder einsetzte und dabei das gesamte Blut aus meinen Extremitäten in die Körpermitte zu saugen schien.
      “Du hast was?”, presste ich hervor und starrte sie mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. Auf Social Media hatte meine Schwester damals dafür gesorgt, dass er blockiert wurde und alles andere wo Bilder oder Beiträge von ihm auftauchen konnte, mied ich wie die Pest. Er war einer der Gründe, weshalb Dinge wie das Jahrbuch aus meinem Abschlussjahr zusammen mit einem Sammelsurium an Fotos und anderer Dinge in einer Kiste einstaubten.
      “Ich habe doch gesagt, wenn ich ihn finde, mache ihm das Leben zur Hölle”, zuckte sie mit den Schultern und zog den Gummi fester. Ich bewegte mich nicht von der Stelle, spürte aber, dass sie ihre Hand auf mir ablegte, bevor sie weitersprach.
      “Offensichtlich puscht er sein Ego nun damit, von anderen Mädchen angehimmelt zu werden und ich nutze bewusst diesen Begriff. Im ersten Überblick waren die zwischen zwölf und siebzehn”, ungläubig schüttelte sie mit dem Kopf, “beliebt wurde er durch einen Unfall, der ihn ziemlich viel Aufmerksamkeit brachte und seine internationale Ice Hockey Karriere trug wohl den Rest dazu bei. Ach, und der ist mit so einem Model aus Estland zusammen, was aber ziemlich gestellt wirkt. Viel Zeit verbringen sie nicht miteinander, denn die gefühlten stündlichen Story-Updates zeigen nur selten beide zusammen am selben Ort. Bilder hingegen waren nur gemeinsam. Seine Agentur hat auch gute Arbeit verrichtet, zu verschleiern, was vor seiner großen Onlinekarriere kam. Ich fand einige Dokumente über einen mehrjährigen Gefängnisaufenthalt wegen Körperverletzung, durch das verstoßen gegen Bewährungsauflagen. Also hat er seine Strafe bekommen, wenn auch zu kurz.”
      Ein wenig gruselig, wie viele Informationen Vriska einzig aufgrund eines Vornamens herausgefunden hatte. Doch die Anspannung löste sich langsam von mir, auch wenn mein Kopf einen Moment benötigte, um die Informationen zu verarbeiten.
      “Warum wundert mich das nicht, dass seine Freundin offenbar nur Fake ist …”, murmelte ich vor mich hin. Schon nach der Trennung hatte ich die bittere Erkenntnis, dass weder ich noch irgendein anderes Mädchen für ihn jemals mehr gewesen waren als ein dekoratives Schoßhündchen.
      “Gefängnis, sagst du?”, wiederholte ich und Vriska nickte bestätigend, „dazu kann ich nur sagen, Karma ist eine Bitch. Nur traurig, dass sie ihn wieder herausgelassen haben.” Erstaunlicherweise fühlte es sich überraschend gut an, zuhören, dass das Leben dieses Arschlochs, nicht nur aus Glanz und Gloria bestand. Es macht die Ereignisse zwar nicht ungeschehen, deren unsichtbare Narben ich auf dem Herzen trug, aber es der Gedanke, dass das Leben ihn strafte, machte es geringfügig erträglicher damit zu existieren.
      “Tyri hat bis heute nicht bekommen, was er verdient”, gab Vriska nur trocken von sich und trat aus der Sattelkammer heraus. Von außen drang das Piepen des Solariums hinein, was womöglich ihre Flucht beantwortete.
      “Das tut mir leid”, bekundete ich meine Anteilnahmen und folgte aus dem Raum. Auf dem Putzplatz fand ein schlafendes Wunderkind vor. Bisher war mir noch kein Pferd begegnet, welches so viel döste, äußerst energieeffizient für ein Rennpferd. Mit einem sanften Stupser weckte ich den Hengst und versuchte ihn in Bewegung zusetzten. Langsam stellte er sich normal hin, streckte sich und folgte mir dann doch langsam in seine Box. Vriska befreite derweil den Schimmel aus dem Solarium und stellte ihn ebenfalls weg.

      “Lina, jetzt hör doch mal auf hier herumzulaufen wie ein aufgeschrecktes Huhn”, sagte Vriska augenrollend, als ich sicherlich bereits zum dritten Mal prüfte, dass die Box für Redo auch wirklich ausreichend vorbereitet war, aber natürlich war sie das, weil außer das eine Box frisch eingestreut war, gab es nichts vorzubereiten.
      “Aber wo soll ich denn dann hin mit meiner ganzen Energie?”, entgegnet ich und wippte auf meinen Zehen auf und ab. Es konnte nicht mehr lange dauern bis die Transporter mit meinem neuen Pferd auf den Hof rollte.
      “Keine Ahnung, aber so machst du nicht nur mich kirre, sondern auch die Pferde”, antwortete, sie schulterzuckend und deute auf Smoothie, die in der Box hinter mir stand, eines der riesigen Ohren nach vorn, eines nach hinten gedreht und mich irritiert anstarrte, um kurz darauf nervös mit dem Kopf zu schlagen. Dem Pferd zuliebe mühte ich mich, das Wippen einzustellen, was sich dafür darin niederschlug, dass ich ersatzweise an meinem Armband herumnestelte. Wenn das so weiterginge, würde es noch in einem Übermaß an nervöser Energie kaputtgehen.
      Glücklicherweise wurde es davor bewahrt, da nun das Dröhnen eines Motors draußen zu vernehmen war, was dem ganzen Warten endlich ein Ende setzte.
      “Sie sind da”, quietsche ich begeistert und lief schnellen Schrittes zum Tor. Im Schein der untergehenden Sonne rollte der überdimensionierte Transporter auf den Hof. Wenn man ihn so sah, könnte man denke ich habe eine ganze Herde gekauft und nicht nur ein einziges Tier. Das Gefährt kam zum Stillstand und ein Mann kletterte aus der Fahrerkabine, der nach einer kurzen Begrüßung, noch ein wenig Papierkram hervorkramte. Schnell waren die Formalien erledigt, sodass es ans Ausladen gehen konnte.
      Aufgeregt beobachte ich wie der Mann, die Klappe und das leere Abteil, welches vor meiner Stute war, öffnet. Als er einen kleinen Teil öffnete, kam sogleich der Kopf der Stute zum Vorschein. Mit neugierig aufgestellten Ohren streckte sie dem Mann die Schnauze entgegen, der einen Strick an ihrem Halfter befestigte, bevor er die Seitenwand komplett öffnete. Routiniert, als würde sie das jeden Tag machen, ließ sich die Stute die Rampe herunterführen.
      Neugierig, aber ganz ruhig stand Redo am Fuß der Rampe und nahm die neue Umgebung in Augenschein, während ich den Strick von dem Mann entgegennahm. Eine Welle von Endorphinen jagt durch meinen Körper und ließ meinen Puls unwillkürlich in die Höhe schnellen. Das mag jetzt bescheuert klingen, aber es fühlte sich irgendwie ziemlich erwachsen an zu wissen, dass ich dieses Pferd von meinem eigenen Geld gekauft hatte.
      > Tervetuloa kotiin kauniisti.
      „Willkommen Zuhause, Hübsche”, raunte ich der Stute zu und strich ihr von Glück erfüllt über den kräftigen Hals. Kurz beschnupperte Redo mich, bevor sie die Nase zum Boden hinuntersenkte, um diese zu inspizieren.
      “Darf ich vorstellen, das ist Ready for Life. Sie darf ab heute ein Leben als Freizeitpferd genießen”, wand ich mich nun stolz an Vriska, die die ganze Szene mit etwas Abstand beobachtet hatte.
      “Das ist doch toll”, lachte sie aufrichtig und hielt der Stute ihre Hand hin, die konsequent ignoriert wurde. Gerade als sie den Mund öffnete, um weiteres zu sagen, stoppte sie und sah hektisch zur Seite. Niklas hatte die Tür seines Autos zugeworfen und lief großen Schrittes zu uns.
      “Mein Einsatz, viel Spaß euch”, duckte sie sich ein Stück nach unten und verschwand zur anderen Richtung. Offenbar setzte sich das seltsame Fluchtverhalten von heute Morgen noch fort. Doch anstatt mir darüber Gedanken zu machen, strahlte ich meinen Freund an, dessen Anblick nur noch mehr Glückshormone durch meinen Körper jagtet. So viele, dass ich ihm am liebsten in die Arme gesprungen wäre, was ich aber in Anbetracht des Pferdes in meiner Hand besser ließ. Stattdessen kam nur ein kurzes, “Hey Schatz”, über meine Lippen, bevor ich diese stürmisch auf seine drückte. Die wohlige Wärme, die von ihm ausging, schien meine Haut geradezu zu absorbieren, damit sie auf direktem Weg mein Herz erwärmte. Langsam löste ich mich meine Lippen wieder von ihm, aber mein Blick konnte sich nicht von seiner perfekten Erscheinung lösen. Erst ein leichter Zug auf dem Strick, dessen Ursprung Redo war, die ein paar Schritte getan hatte, um an drei einsame Grashalme heranzukommen, holte mich von meiner Liebeswolke hinunter.
      “Du kommst genau richtig, ich wollte mein Pony gerade in ihr neues Zuhause bringen”, lächelte ich und holte mir mit einem sachten zupfen am Strick den Kopf der Stute wieder zu mir. Daraufhin suchte sie nun in meinen Jackentaschen nach etwas Essbarem. Tatsächlich hatte ich noch Leckerlis in der Tasche, von denen ich ihr eines in die Schnauze stecke.
      “Ach und ich glaube, dein Pferdchen würde sich über deine Anwesenheit freuen, die war heute Morgen ziemlich launisch”, fügte ich noch hinzu, bevor ich meine Rappstute in Bewegung setzte. Smoothie hatte heute Morgen nicht nur das Vollblut raushängen lassen, sondern zusätzlich auch noch die Stute, was wirklich keine sonderlich umgängliche Mischung war.
      “Jeder freut über meine Anwesenheit”, grinste er verschmitzt und folgte mir.
      “Natürlich Liebster, nur manche freuen sich ein wenig mehr als andere”, stimmte ich ihm schmunzelnd zu. Als wir die Stallgasse betraten, schien seine Stute diese Aussage unterstützen zu wollen, denn kaum erblickte sie Niklas, quietschte sie auf und sprang in ihrer Box herum wie ein junges Fohlen. Redo schien von dem Gehampel weitestgehend unbeeindruckt und versuchte neugierig Kontakt zu den Pferden aufzunehmen, die ihre Köpfe über die Boxentüren reckten. Während mein Freund sein hüpfendes Schimmeltier beruhigte, ließ ich meine Stute gewähren, schließlich bestand heute kein Zeitdruck. Schon nach einem kurzen Schnuppern verloren die meisten allerdings bereits das Interesse und zogen sich in ihr Boxen zurück.
      In ihrer Box nahm ich Redo das Halfter ab bevor ich mich zurückzog, damit sie sich in Ruhe alles ansehen konnte. Lächelnd beobachtete ich wie der Freiberger den Kopf senkte, ein Stück durch die Box stiefelte und sich niedersinken ließ. Brummelnd kugelte sie in den Holzspänen umher. Allem Anschein nach entsprach zumindest schon einmal der Bodenbelag den Vorstellungen der Stute. Nach einigen Minuten rappelte sie sich auf, schüttelte sich und steuerte zielstrebig das Heu an.
      “Kleiner Nimmersatt”, murmelte ich in mich hineinlächelnd und sah der Stute beim Fressen zu. Es erfreute mich, dass sie sich direkt so wohl hier zu fühlen schien. Unbewusst wanderte mein Blick zu Niklas hinüber, der in der Nachbarbox mit seiner Stute herumblödelte. Schon allein bei seinem Anblick regte sich etwas in mir, was sich einfach wundervoll anfühlte und mich immer wieder darin bestätigte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Hier wollte ich bleiben, denn dieser Ort war ein Zuhause geworden und Niklas war ein nicht unwesentlicher Teil davon. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so akzeptiert und geborgen bei jemandem gefühlt, der nicht Samu oder meine Schwester war.
      Das Einzige, was noch fehlte, um das ganze vollkommen zu machen, war mein Zauberpony, denn dann würde die Sehnsucht in meinem Herzen endlich ein Ende nehmen.
      Mein Handy, welches plötzlich Aufmerksamkeit verlangte, holte mich aus meinen Gedankengängen. Samus Name leuchtete auf dem Bildschirm, besser hätte es gerade ja nicht passen können. Hoffnungsvoll, dass er anrief, weil er gute Neuigkeiten hatte, drückte ich auf den grünen Hörer: “Hei, Samu.”
      > Lina, mitä kuuluu? Onko päiväsi ollut mukava tähän asti?
      „Hey Lina, wie geht's? War dein Tag schön bisher?”, kam es durch den Hörer. Leider konnte ich seine Stimmung nicht richtig deuten, sodass ich wohl abwarten musste, ob er vielleicht Neuigkeiten hatte.
      > Minulla menee loistavasti. Ready for Life on juuri saapunut ja näyttää tuntuvan melko mukavalta täällä, ainakin ruoka on heidän prioriteettinsa.
      ”Mir geht es wundervoll. Ready for Life ist gerade angekommen und scheint sich hier schon ganz wohlzufühlen, zumindest ist Futter ihre Priorität”, erzählte ich und warf lächelnd einen Blick auf die Stute, die immer noch an ihrem Heu mümmelte. Als sie merkte, dass sie angesehen wurde, hob sie ihren Kopf und kam zu mir getrottet. Sanft strich ich Redo durch die kurze Mähne.
      > Kuulostaa siltä, että hän on selvästi oikea Freiberger
      ”Klingt als sei sie ganz eindeutig ein echter Freiberger”, lachte Samu.
      > Onko poikaystäväsi kanssa kaikki hyvin?
      „Und mit deinem Freund ist auch alles gut?”, fragte er seltsam bemüht darum, dass es beiläufig klang.
      > Odotatko jo hääkutsua vai miksi kysyt niin oudosti?
      „Wartest du schon auf die Hochzeitseinladung oder warum fragst du so seltsam?”, amüsierte ich mich,
      > Mutta kyllä, kaikki hyvin. Ilman sitä olisit kuunnellut tätä kauan.
      ”Aber ja, alles gut. Wäre es nicht so hättest du das schon lange zuhören bekommen.”
      > Jos asia on niin, odotan innolla, että päivästäsi tulee vielä kauniimpi.
      ”Na, wenn das so ist, freue ich mich deinen Tag gleich noch schöner zu machen”, kündigte Samu groß an, rückte aber nicht mit der Sprache raus. Er wollte mich wohl echt auf die Folter spannen.
      > Samu, sano kyllä.
      „Samu, jetzt sag schon”, forderte ich nachdrücklich,
      > Ole hyvä.
      „Bitte.”
      > Eläinlääkäri oli juuri siellä ja Ivy saa nyt lähteä.
      ”Der Veterinär war gerade da und Ivy darf jetzt ausreisen”, gab er mir endlich die Neuigkeiten durch, auf die ich schon seit Tagen hoffte. Redo, die begonnen hatte, sanft mit ihren Lippen an meinen Zöpfen herumzuspielen, zuckte zurück, als ich freudvoll auf quietschte und einen kleinen Hüpfer machte. Von Niklas erntete ich daraufhin einen schrägen Blick. Entschuldigens strich ich Redo über den flauschigen Hals, bevor ich wieder an Samu wandte:
      > Kiitos Samu, olet paras. Milloin hän tulee?
      „Danke Samu, du bist der Beste. Und wann wird er dann hier sein?”
      > perjantaina lastaamme hänet tänne lentokoneeseen, mikä tarkoittaa, että lauantaina taikaponisi on kanssasi.
      ”Am Freitag laden wir ihn hier in das Flugzeug, das heißt am Samstag ist er bei dir”, erklärte Samu offenbar amüsiert über meine überschwängliche Reaktion.
      > Linchen, minun on palattava töihin. Lähetän tarkat päivämäärät uudestaan ja tänä iltana tai sinulle huomenaamulla saat päivittäisen Ivy-raporttisi. Hyvää illanjatkoa.
      „Okay Linchen, ich muss jetzt zurück an die Arbeit. Die genauen Daten schicke ich dir dann noch mal und heute Abend bzw. für dich morgen früh bekommst du dann noch deinen täglichen Ivy Report. Dir noch einen schönen Abend“, beendete Samu schließlich das Gespräch.
      > Myös mukava päivä ja jälleen valtava kiitos siitä, että huolehdit siitä. Heippa.
      „Dir auch noch einen schönen Tag und noch mal ein Riesen-Dankeschön, dass du dich darum gekümmert hast. Tschüs”, bedanke ich mich noch mal überschwänglich bei ihm bevor das Gespräch endgültig ein Ende fand. Der Abend war heute ohnehin schon von jeder Menge Glück erfüllt, aber die Nachricht, dass ich am Samstag wieder mit meinem geliebten Vierbeiner vereint war, toppte einfach alles. Das breite Grinsen, was sich seit der Verkündung dieser Nachricht auf meinem Gesicht ausgebreitet hatte, wollte gar nicht mehr verschwinden. Um weiteren Gefühlsausbrüchen zu entgehen, hatte mein anderes Pferd sich in seine Box zurückgezogen und mümmelte wieder entspannt an ihrem Heu. Anders als Divine war sie wohl eher weniger an menschlichen Emotionen interessiert.
      “Niki”, fröhlich lief ich zu der Nachbarbox, um die Informationen gleich mit meinem Freund zu teilen, “Samu hat gerade angerufen, in wenigen Tagen kommt Ivy endlich her.” Um Smoothie, die im Gegensatz zu heute Morgen nun wieder äußerst freundlich aussah, nicht zu verschrecken, bemühte ich mich meine Körpersprache zu mäßigen.
      “Dann bist du endlich wieder vollständig”, grinste auch Niklas mich an.
      “Ja, du sagst es”, trällerte ich heiter, “ich glaube der Tag kann jetzt nicht mehr viel besser werden.” Meine Hände ließ ich präventiv in den Jackentaschen versinken, bevor sie wieder abenteuerliche Figuren in der Luft beschreiben würden. Neugierig streckte sich mir eine rosa Pferdenase entgegen, die auch sogleich erkannte, dass sich neben meinen Händen noch etwas Essbares in den Taschen befand. Jetzt wollte Smoothie offenbar doch das Leckerli, welches sie heute Morgen verschmäht hatte. Niklas sorgte allem Anschein nach nicht nur bei mir jedes Mal für eine erhebliche Verbesserung der Launen, sondern bei seiner Stute schien er diese Wirkung ebenso zu haben. Schon allein wie sie immer herumsprang, wenn sie ihn nur hörte, irgendwie niedlich.
      Gierig schnappte die Stute nach der Leckerei, fast so als sei sie ein ausgehungertes Krokodil. Meine Finger hatten sie auch bereits zwischen ihren Lippen und diese entkamen ihren Zähnen nur knapp. Kaum hatte Smoothie das Leckerli verschlungen war ich aber auch schon wieder komplett uninteressant für sie. Gegen Niklas unwiderstehliche Aura kam ich nicht an, was mich auch wenig wunderte, da Smooth geradezu vernarrt in ihn war. Eines der wenigen Dinge, die die Stute und ich wohl gemeinsam hatten.

      „Du hast ein perfektes Timing“, rief ich Niklas beschwingt zu, der gerade die Wohnung betrat, bevor ich mich wieder summend dem Herd widmete. Während in dem einen Topf das Rentier vor sich hin köchelnde und einen wunderbaren Duft aussendete, warte ich nur noch darauf bis die Kartoffeln endlich weich waren.
      „Perfektes Timing wofür?“ Niklas zu mir gestiefelt und warf einen Blick über meine Schulter. Liebevoll gab er mir einen Kuss auf den Scheitel und legte seine Hände an meine Taille. Augenblicklich begann meine Haut unter seinen Berührungen zu kribbeln.
      „Was kochst du denn da schönes?“ Sanft kitzelten die Worte über meine Haut und sorgten dafür, dass sich die winzigen Härchen in meinen Nacken aufstellten und sich das wohlige Kribbeln in mir weiter ausbreitete.
      „Poronkäristys“, entgegnete ich fröhlich, nicht bedacht darauf, dass es damit vermutlich nichts anfangen konnte. „Also Rentier-Geschnetzeltes mit Kartoffelpüree und Preiselbeermarmelade“, fügte ich dann noch erklären hinzu, „nach einem Familienrezept.”
      Bereits seit einigen Tagen gelüstete es mich nach diesem Gericht, allerdings hatte ich nicht die Zeit gefunden es zu kochen. Mit knapp einer Stunde Kochzeit war es kein Gericht für schnell zwischendurch. Außerdem war es auch viel zu schade dafür, denn dieses Essen musste man genießen. Das Rezept dafür stammte noch von meiner Oma mütterlicherseits. Leider hatte ich sie niemals kennengelernt, denn sie verstarb bereits vor meiner Geburt. Aber mein Bruder, sagten immer, dass sie stets das beste Poronkäristys gemacht hatte, nicht mal das Rezept seiner Verlobten komme daran.
      “Es schmeckt sicher so wundervoll wie es duftet”, raunte Niklas mir sanft ins Ohr und umschloss mich nun vollständig mit seinen kräftigen Armen.
      “Das will ich doch hoffen”, lächelte ich geschmeichelt und ließ sanft meine Hände auf seinen nieder, worauf sich unsere Finger wie von selbst miteinander verwoben. Mit jeder Faser meines Körpers nahm ich ihn wahr und gab mich der Welle an Gefühlen hin, die durch meine Adern pulsierten. Alles, was sich in meinem Verstand regte, schien auf einmal zum Stillstand zu kommen, denn es war nur noch Platz für eine Sache: Niklas. Wie der Mond die dunkle Nacht erhellt, schaffte er es, das Dunkel in meinem Inneren zu bändigen.
      Von Zeit zu Zeit vergaß ich noch immer, dass das hier die Realität war, denn was er in mir auslösen, fühlte sich viel zu schön an, als dass es wahr sein könne. Für einen Augenblick verlor ich mich in dem Strudel aus Sinneswahrnehmungen und Gedanken und erst der Timer für die Kartoffeln lenken meinen Fokus wieder auf das Abendessen. Nur widerwillig ließ ich die alltäglichen Gedanken wieder die Kontrolle übernehmen und löste meine Finger aus seinen.
      Mit dem Messer pikste ich, welches noch in dem kleinen Chaos auf Arbeitsfläche lag, in die Kartoffeln, um zu testen, ob sie schon fertig seien, was mittlerweile auch der Fall war. Also stellte ich die Herdplatte aus, bevor ich den Topf nehmen wollte, um die Kartoffeln abzugießen, wobei die eingeschränkte Bewegungsfreiheit durch Niklas ein wenig hinderlich war. Zu gern hätte seine Nähe noch ein wenig weiter genossen, doch dann würden wir wohl hungrig bleiben. Durch den köstlichen Duft, der durch die Küche zog, hatte ich mittlerweile immensen Hunger und ich war mir sicher, meinem Freund ging es ähnlich.
      „Schatz, magst du schon mal den Tisch decken?“, bat ich ihn sanft.
      „Natürlich“, entgegnete er gutmütig und hauchte mir noch einen zarten Kuss in den Nacken, bevor er mich freigab.
      Dampfend kamen die Kartoffeln aus dem Topf, welche ich schließlich zurück auf die Herdplatte stellte, bevor ich die Knollen in eine Schüssel gab und zu Brei verwandelte. Ich spürte wie Niklas Blick auf mir ruhte, während ich noch immer summend die Mahlzeit zubereitete. Seine Aufmerksamkeit genoss ich in vollen Zügen, auch, wenn es sich trotz der mehr als zwei vergangenen Monate noch ein wenig befremdlich anfühlte. Flinn hatte mich früher nie so angesehen wie Niklas es jetzt tat, es fühlte sich so viel besser an. Bei Niklas fühlte ich mich geschätzt als das, was ich war und nicht als etwas, was irgendjemand in mir sehen wollte. Bei meinem Ex-Freund hatte ich den verheerenden Fehler begangen, mich von ihm verbiegen zu lassen, sodass ich für ihn nicht mehr war als ein beliebig austauschbares Spielzeug. Im Nachhinein betrachtet war Flinn auch nur in sehr wenigen Aspekten, dass was ich mir unter einem idealen Partner vorstellte. Aber Schluss damit, Flinn gehörte der Vergangenheit an und so sollte es auch bleiben.
      Als ich, die köstlich duftenden Teller auf den Tisch stellte, sah ich, dass Niklas offensichtlich die Weinflasche entdeckt hatte, die ich gestern zum Kochen genutzt hatte, denn es standen zwei Gläser mit der dunkelroten Flüssigkeit darin auf dem Tisch.

      Vriska
      Mit lautem Getöse fuhr Erik mit seinem Oberklassen-Coupé die steinige Auffahrt entlang und hielt genau vor meinen Augen an. Mein Handy, auf dem ich zuvor noch eine letzte Nachricht an meinen heimlichen Verehrer tippte, steckte ich in meine kleine Handtasche. Zeitgleich stieg er höflich aus, ohne den Motor abzustellen. Trymr, der neben mir saß, jaulte vergnügt und schob mit seinem Schwanz die Kieselsteine von links nach rechts. Fest klammerte ich mich an der Leine, obwohl der Hund keinerlei Anstalten machten loszuspringen.
      „Sollte ich mir Sorgen machen?“, musterte ich sein Outfit von oben bis unten. Es war fast undenkbar geworden, dass er keinen seiner Anzüge trug, die in meinen Augen so etwas wie sein Lebensstil war und eigentlich wie angewachsen seinen Körper umspannten. Auf seinen Schultern hing ein lockerer elfenbeinfarbener Wollpullover mit Rollkragen, die Ärmer nach oben geschoben, kombiniert mit einer hochgekrempelten Jeans, an den Füßen Boots.
      „Ich wollte dir bei nichts nachstehen“, lächelte er verlegen und lud als Erstes den Hund ein, bevor Erik auch für mich die Autotür öffnete. Im Wind des abendlichen Lüftchens wehte das weite Kleid an meinen Beinen zur Seite und durch seinen Mantel, den ich tragen sollte, ließ mich der Zug ein wenig frösteln. Doch einsteigen wollte ich noch nicht. Stattdessen sah ich zu ihm nach oben.
      „Du hast dir deine Augenbrauen gemacht?“, wunderte ich mich und legte meine Hand auf seiner Wange ab. Ich spürte kleine Stoppeln, die er womöglich beim Rasieren übersehen hatte, seine Augen lachten wie seine Lippen und den Blick abzuwenden, wagte ich nicht. Stattdessen schloss ich meine Augen, spürte sofort eine Explosion aus Gefühlen im Inneren meines Körpers, als er mich an sich herandrückte und sich unsere Lippen berührten. Nur durch ihn verlor ich nicht den Halt, klammerte mich an seinem Hals fest mit meinen Armen. An meiner Haut spürte ich, wie seine Halsschlagader pulsierte, unsere Körper zu einem Kreislauf wurden und alles in einem Takt schlug. So musste sich fliegen anfühlen.
      Seine Lippen ließen von meinem ab, doch alles sehnte sich nach mehr, auch wenn meine Knie schlotterten in der klirrenden Kälte. Sanft strich er mir durchs Haar und sagte leise: „Das fällt vermutlich nur dir auf“, dann bekam ich einen letzten Kuss auf die Stirn, bevor ich in das warme Fahrzeug stieg. Die Tür fiel neben mir zu. Auch er stieg noch ein und setzte das Fahrzeug in Bewegung. Leichter wurde es nicht. Nervös zupfte ich an den Enden des Kleides herum und blieb mit meinen Augen an Linas Fenster hängen, bei dem ich erkannt, dass sie endlich näher zueinanderkamen. Und dann gab es mich, undankbar darüber, was ich hatte und verängstigt, einzugestehen, dass nicht alles ein Abenteuer sein konnte. Ich verlor mich wie so oft in Gedanken, was auf dem Planeten zu suchen hatte, ob sogar besser wäre, wenn ich aus dem Leben aller verschwinde. Vielleicht eine Hütte mitten im Wald, allein, ohne Zivilisation, wenn das Geld reichte, sogar auf einem Berg und wenn morgens meinen Kaffee genoss, sah ich hinunter. Ein kleiner Fjord erhellte meine Augen und spiegelte die säuselnden Bäume oder eine Reihe von Bergen. Auf der kleinen Veranda lag ein Block mit Feder und Tinte, ich schrieb Bücher, obwohl selbst nie viel las und meistens Jenni alles in der Schule zusammenfasste, während ich ihre Mathematik Aufgaben löste. Ich vermisste sie, vermutlich lebte sie deshalb in meinen Gedanken und war stets mein Begleiter.
      „Vivi, wir sind da“, lächelte mich Erik an und rieb mit seiner warmen Hand über meinen linken Oberschenkel. Sofort griff ich nach ihr, als prüfe ich, ob es der Realität entsprach. Erleichtert atmete ich aus, ehe ich begriff, wo er das Auto geparkt hatte. Wir standen vor dem hell erleuchteten Haus der Olofsson und urplötzlich musste ich nach Luft schnappen, klammerte mich noch fester an seiner Hand.
      „Nicht dein Ernst, oder?“, stotterte ich aufgelöst.
      „Wenn ich das gesagt hätte, wärst du sicher nicht mitbekommen“, gab er sich selbstsicher und versuchte mir einen Kuss zu geben. Doch ich drehte mich weg. Strafend drückte Erik seine Finger fest um meinen Oberschenkel und ich biss mir zu Kompensation auf der Unterlippe herum. Ein Gefühl von Sicherheit schlich sich durch meinen Verstand, obwohl der eisenhaltige Geschmack im Mund andere Zeichen sendete.
      „Erik?“, fragte ich mit zittriger Stimme und drehte mich wieder mit meinem Blick zur linken Seite. Ungewöhnlich weit öffneten sich seine Augen, als hätte er nicht auf eine Eingebung meinerseits gerechnet. Seinen Oberkörper ließ er in das Polster fallen und drehte sich mit verschränkten in meine Richtung. Ohne seine Hand schützend auf dem Bein fühlte ich mich nackt, allein gelassen, als würde eine kleine Welt in mir zusammenbrechen. Auch das Gefühl von Nutzlosigkeit kam auf.
      „Denkst du, dass eine so vielversprechende Idee ist, wenn ich deinem Vater wieder unter die Augen trete?“, noch immer konnte ich es nicht in Worte fassen und mit ihm ein Gespräch darüberzuführen, stellte ich mir seltsam vor. Ein klemmendes Gefühl drückte mir wieder auf den Magen.
      „Sonst hätte ich wohl kaum dich eingeladen, denkst du nicht?“, das Lächeln auf seinen Lippen wandelte sich vertraut.
      „Mir ist das unangenehm“, gab ich zu und stammelte weiter, „und dir sollte es das doch auch.“
      „Ich bitte dich, hör auf. Was soll ich denn noch alles tun, um dir zu beweisen, dass du mir wichtig bist und meinerseits nichts zwischen uns steht?“, fragte Erik ernst und schüttelte nur den Kopf. Die Distanz wurde unspezifisch größer. Alles in mir trieb mich zurück in meine warme Hütte, sitzend auf dem Bett mit dem Blick aus dem Fenster.
      „Du bekommst nun die letzte Chance von mir. Die Chance mir zu zeigen, was du wirklich willst. Zeig mir, dass du noch da bist und das, was dich in Kanada zu mir trieb. Jetzt stell dich nicht so an und steh dazu. Es nervt mich, schließlich habe deine Worte befolgt. Ich nahm Abstand, gab dir deinen Freiraum, aber das kann nicht ewig so weitergehen, dass ich auf Knopfdruck für dich da sein soll. Du bist mir verdammt wichtig“, tadelte er mich weiter und aus heiterem Himmel fühlte es sich endgültig an, als könnte es der letzte Abend mit ihm sein. Dann öffnete er wortlos die Tür, schien keine Antwort darauf zu erwarten und holte im Anschluss auch seinen Hund raus. Ich atmete tief durch, schloss die Augen und stieg aus dem Auto. Erik stand nur wenige Meter neben mir und begann wieder zu strahlen.
      „Tack“, murmelte er und griff direkt nach meiner Hand, als ich zu ihm lief. Das Auto leuchtete zweimal den Lichtern auf und Klicken der Zentralverriegelung ertönte dumpf im Hintergrund. Zunehmend übernahm die Musik im Haus die Oberhand und stellte das leise Rauschen des Meeres zurück. Ein paar Seemöwen krächzten und für einen kurzen Moment vergaß ich, wie viel Leid ich mir selbst mit negativen Gedanken zufügte. Mit einem Lächeln sah ich zu Erik, der wieder gut gelaunt war und mich spiegelte.
      „Du bist mir auch wichtig“, gab ich seine letzten Worte zurück. Entschlossen zog er mich an sich heran. Mit seinen Händen fuhr er langsam an der Seite meines Körpers herunter, bis er schließlich an meinem Po ankam und fest zudrückte. Dann trafen sich unsere Lippen und ich spürte, wie sich seine Hüfte an mich schmiegte. Ein leichter Druck entstand, bis wir uns wieder voneinander lösten. Verliebt strahlte ich hoch zu ihm.
      „Siehst du“, grinste Erik und gab mir noch einen flüchtigen Kuss, bevor er flüsterte: „So wünsch ich mir das.“
      Die Zeit schien für mich wie stehen geblieben und dass sein Hund wieder einmal selbstständig den Weg auf dem weitläufigen Gelände suchte, bemerkte ich erst, als er ihn lautstark zurückrief. Wie angewurzelt blieb ich auf der Stelle stehen, sah ihm nicht einmal nach, sondern war in Gedanken dabei, wie er dominant mich bei sich hielt.
      „Kommst du bitte auch?“, wurde nun auch ermahnt. Kurz schüttelte ich meinen Kopf, um aus der Starre wieder in die Realität einzutreten. Vor der Haustür nahm ich einen kräftigen Atemzug, noch einen und noch einen, bis uns freundlich sein Vater begrüßte. Erik strich sich achtungsvoll über die Hose und, dass seine Knie leicht zitterten, entging mich nicht. Etwas zurückhaltend legte ich meine Arme um ihn, den er hielt seine weit offen, um zu einer Umarmung anzusetzen.
      > Jag är glad att du också kom. Känn dig som hemma.
      „Freut mich, dass du auch gekommen bist. Fühl dich wie zu Hause“, reichte Vidar mir eine Flasche Wasser und wendete sich seinen Sohn zu, der gar nicht mehr von der fröhlichen Stimmung abzubringen war. Sie standen rechts von mir und mein Blick fiel in das Wohnzimmer, dass menschenleer wirkte und ich Zweifel hatte, ob Eriks Freunde hier sein sollten, vor allem: warum bei seinem Vater? Doch mir wurde der Gedanke umgehend untersagt. Aus der geöffneten Terrassentür strömten drei weitere Gestalten hinein, die sich direkt auf Trymr stürzten. Schützend platzierte ich mich an der Wand, um den spielenden Ungetümen nicht in den Weg zu kommen. Sie rollten als Knäuel um die Treppe herum und ich flüchtete zu meinem Freund, der sich noch im Gespräch befand und lachte. Ich griff nach seinem Arm und schob ihn ein Stück nach vorn, um mich an seinem Rücken vor der Meute zu schützen.
      > Är du rädd?
      „Hast du Angst?“, fragte Vidar und pfiff die Hunde zurück aus dem Haus heraus.
      > Nej, jag har respekt för dem.
      ”Nein, Respekt“, schielte ich zu den Tieren hinüber mit zittriger Stimme.
      > Hälsosam inställning.
      „Gesunde Einstellung“, grinste er breit und klopfte mir auf die Schulter. Erik schob mich wieder nach vorn, aber ich behielt meine Hände an seinem Arm. Noch immer pulsierte das Herz in meiner Brust wie in einem Marathon, auch meine Atmung wollte nicht langsamer und leiser werden, wie ein Fisch auf dem Trocknen schnappte ich nach Luft.
      „Kann ich dir behilflich sein?“, fragte er schließlich, aber ich schüttelte nur den Kopf und löste mich von seinem Arm. Gemeinsam liefen wir in die Richtung, in der die Hunde verschwanden. Vor mir eröffnete sich eine große Gruppe von Menschen, die gespannt uns anblickte und nacheinander standen Personen auf, wovon mir nur zwei Gesichter äußerst bekannt vorkamen. Doch bevor ich schalten konnte, drang die Traube an Menschen zu vor. Jeder von ihnen begrüßte mich äußerst freundlich, umarmten mich und nannten ihre Namen. Aber in meinem Kopf drängte sich nur eine Frage in den Vordergrund: Wie sollte ich mir so viele Namen merken? Mein Körper handelte nur, legte immer wieder die Arme um fremde Personen und meine Augen starrten gefühlt in die kalte Leere. Auf meinen Lippen dominierte ein Grinsen, doch viel mehr aus der Überforderung heraus anstelle der Freude, dass ich so herzlich empfangen wurde. Die Menge war bunt durchmischt, was ich erst als eine reine Männerrunde empfand, wandelte sich zu einigen Pärchen und auch offensichtlich alleinstehenden Frauen. Insgesamt müssten um die fünfundzwanzig Leute auf der großen gepflasterten und überdachten Terrasse sein, die schon alkoholisch besudelt waren. Das Getümmel löste sich auf und Erik saß mittlerweile zwischen zwei Typen, mit denen er bereits ein ziemlich intensives Gespräch führte und ich stand wie angewurzelt da. Überfordert bewegte ich nur meine Augen, suchte nach einem anderen Ort zum Verweilen, bis eine sanfte Stimme neben ertönte: „Du kannst dich mit zu mir setzen.“ Die junge Dame, nur etwas größer als ich, zeigte auf eine Bank, an der noch zwei weitere Leute saßen und freundlich winkten. Ich folgte ihr und setzte mich dazu. Von allein drei hatte ich Namen bereits vergessen und überhaupt, erinnerte ich mich an keinen einzigen.
      „Zugegeben“, zögerte ich kurz und beobachtete, wie der einzige Mann am Tisch nervös mit seinem Finger über den Rand eines Weinglases fuhr, „ich habe eure Namen schon wieder vergessen.“
      „Ich bin Majvi und das sind Zwen und Rika“, stellte sie alle vor. Umgehend reichte man mir einen warmen Met, denn das Wasser hielten sie nicht für aussagekräftig, um den heutigen Anlass zu feiern. Ich nickte bloß. Mich zu outen, dass ich überhaupt keinen Schimmer davon hatte, was der Plan des Abends war, ließ meine Knie zittern unter dem Tisch. Zu den Gesprächen über den letzten Urlaub konnte ich nur wenig beitragen. Höflich hörte ich den einzelnen Worten zu und gab eine Antwort, wenn man mich nach etwas fragte, sonst schwieg ich. Im Laufe des Abends legte sich Trymr zwischen meine Beine auf den kalten Fußboden. Wenn jemand an der Bank vorbeilief, wedelte sein Schwanz langsam. Der Wind zog an meinen Beinen vorbei und ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ziemlich fehl am Platz war. Es hatte nichts mit den Leuten zu tun, schließlich waren sie sympathisch und versuchten mich zu integrieren, sondern daran, dass sich Erik nicht zu mir setzte. Ich schielte zwischendrin zu ihm hinüber, doch sein Blick war seinen Freunden gewidmet, die ihm äußerst interessante Dinge erzählen mussten.
      „Du kannst auch rübergehen“, Majvi hatte meine ständigen Kopfbewegungen gemerkt und klang zuversichtlich.
      „Nein, schon gut. Er hat zu tun“, murmelte ich unsicher.
      „Ach, jetzt stell dich nicht so an. Du tust fast so, als würdet ihr einander nicht kennen“, lachte Rika. Willkürlich zuckte ich mit den Schultern und mein Kopf senkte sich leicht nach unten.
      „Er redet nur über dich, also komm“, beschloss Majvi und stand auf. Dabei zog sie mich mit nach oben, um den Weg zur Sitzgelegenheit auf der anderen Seite anzusteuern. Besorgt folgte ich, belastete mich unnötigen Gedanken. Ihre schulterlangen, rötlichen Haare bewegten sich im ruhigen Wind, der auf der Terrasse wehte. Kaum aufzuhalten tippte sie ihm auf der Schulter an. Er zuckte kurz, aber freute sich umgehend.
      „Na ihr beiden, was ist los?“, fragte Erik überrascht und sah zu uns hoch von seiner niedrigeren Position auf der Couch. Auch seine beiden Freunde sahen uns an, während ich vor Scham im Boden versickern wollte. Was würde ich dafür geben, dass sich unter meinen Füßen ein Riss bildete und direkt ins Innere der Erde brachte, zu den Dinosauriern. Natürlich wusste ich, dass wohl kaum die Steinplatten sich spalten und das Auswirkungen auf ernstlichen Erdschichten hätte. Aber Dinos wären schon cool.
      „Deine Freundin hat dich vermisst, also hier“, schob mich Majvi plötzlich am Arm zur Seite, wodurch ich ins Straucheln geriet und auf seinem Schoß landete. Umgehend breitete sich neben der Wärme in meinen Wangen auch ein Kribbeln im Magen aus, dass nur durch seine Berührung ausgelöst wurde. Fest drückte er mich an sich und gab mir einen flüchtigen Kuss auf meine Haare. Die neue Bekanntschaft meinerseits, setzte sich gegenüber auf das Sitzpolster und wurde direkt in ein Gespräch eingewickelt.
      „Warum bist du dann nicht allein hergekommen?“, flüsterte Erik mir ins Ohr und strich die Strähnen zur anderen Seite. Ihm zu erklären, dass ich eine undefinierte Angst dabei verspürte und es mir auf eine gewisse Weise peinlich war, blieb mir erspart. Seine kalten Lippen trafen auf meinen Hals und den Mund, den zuvor öffnete, um ihn zu antworten, drückte ich fest zusammen und schloss die Augen. Fest biss ich mir auf die Zunge, um die schlagartige Wollust zu zügeln. Glücklicherweise beließ er es bei einem langen Kuss und ich lehnte mich an seiner Schulter an.
      „Es freut mich, dass du wieder jemanden hast“, sagte sein Kumpel, neben den sich Majvi gesetzt hatte. Ich ersparte mir meinen Kommentar, dass wir nicht darüber sprachen, ob mein plötzlicher Stimmungsabfall wirklich eine Trennung bedeutet, oder ob es sich dabei um eine gesetzliche Reklamation handelte, die jeder innerhalb der ersten vierzehn Tage machen konnte. Viele Fragen standen im Raum, aber sie anzusprechen, fiel mir bedeutend schwerer, als so zu tun, ob nie etwas vorgefallen war. Also grinste ich nur und griff nach seiner Hand, die er auf meinem Oberschenkel abgelegt hatte. Er drehte sie auf den Handrücken, sodass meine Finger in seine Zwischenräume rutschten und wir einander fest umklammerten. Das Kribbeln intensivierte sich.
      „Ich auch“, sagte Erik überzeugt. Mit seiner anderen Hand schob er meinen Kopf zu sich, um mir nun einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund zu geben. Umgehend wechselte ich meine Position und saß breitbeinig auf seinem Schoß, mit den Rücken den anderen zugewendet. Vor mir sah ich nur noch ihn, wie er mich angrinste, bevor ich meine Lippen auf seine drückte. An den Beinen fuhren seine Hände langsam entlang und griffen energisch an meinen Po. Ich genoss es mit ihm zu sein, bereute nicht, dass Majvi mich hier hergezerrt hatte. Hinter mir vernahm ich zunehmend Getuschel.
      > Du borde få ett rum.
      ”Sie sollten sich ein Zimmer nehmen“, drang eine tiefe männliche Stimme in den Vordergrund, worauf Erik direkt seine Lippen löste. Ein kurzer Blick erhaschte ich auf seine geröteten Wangen, bevor ich mich neben ihn platzierte. Viele Augen starrten in unsere Richtung, als wären wir die einzigen. Dann drehten sie sich wieder weg und setzten die Gespräche vor. Auch ich wurde zunehmend offener an seiner Seite, obwohl es nicht leicht war von seinen Augen loszukommen. Nicht nur heute benahm er sich ungewöhnlich, bereits gestern verspürte ich Dinge von ihm, die zuvor keine Intensität hatten oder bei ihm etwas auslöste. So versuchte ich aus seinem Verhalten schlau zu werden und weiterhin Teil des Gesprächs über Tattoos zu bleiben. Torulf, ein kräftiger bärtiger Typ, der neben Majvi saß, präsentierte mir stolz die Kunst unter seiner Haut. Neben typischen Wikinger Tattoos, darunter verstand ich diverse Darstellungen von Göttern und Runen in Kombinationen mit Mustern, zeigte er mir das Abbild seiner Katze. Dieses Tier hatte nur ein Ohr und sah danach aus, als hätte es schon seine beste Zeit hinter sich gelassen. Fröhlich erzählte er geschickten über seinen Kater, Carl, wie er eine Taube fing oder eines Tages eine trächtige Katze im Schlepptau hatte, somit aus einem Kater vier wurden. Die anderen erzählten ebenfalls Geschichten von ihren Haustieren, für mich ein klarer Grund zu schweigen. Es lag nicht daran, dass Trymr in der reinen Theorie mein Erstes war, sondern vielmehr, dass das meiste sehr verantwortungslose Erzählungen darstellte. Und meine Vokabelkenntnisse könnten an dem Tag etwas besser sein. Also lehnte ich mich wieder zurück, tiefer ins Polster, und widmete mich meiner Instagram Startseite, die, neben ziemlich eintönigen gestellten Fotografien meiner ehemaligen Freunde, den neusten Beitrag von Lina präsentierte. Erst scrollte ich weiter, bis mein Finger dann doch interessiert wieder nach unten wischte, um ihren Post zu zeigen. In dem Karussell befanden sich drei, nicht sonderlich schöne, Bilder ihres Hengstes, der in Kanada bereits wie ein Teddybär aussah, wie ein dreckiger Teddybär. Dazu schrieb sie, dass sie ihn in wenigen Tagen endlich in die Arme schließen würde. Natürlich freute ich mich darüber, wenn auch nicht so sehr, dass ich ihr eine lebensbejahende Nachricht schreiben würde. Vordergründig eröffnete sich das Gefühl, dass sie hatte, was ich nicht haben konnte — das Seelenpferd. Nein, stattdessen dümpelte ich auf irgendwelchen Tieren herum, die zwar ihren Reiz mit sich brachten, aber nicht dasselbe vermittelten, was ich bei Glymur verspürte. Ich seufzte und verließ die App, ohne eine Gefällt mir Angabe zu hinterlassen. Eher wechselte ich umgehend zur schwedischen Variante einer Kleinanzeigen-Anwendung und machte mich auf die Suche nach einem Pferd. Einige interessante Tiere fielen mir vor die Augen, aber von der Masse fühlte ich mich erschlagen, denn ich wusste nicht so recht, was ich überhaupt wollte.
      „Und, was machst du da?“, lehnte sich Erik zu mir herüber, worauf ich umgehend das Gerät mit dem Display gegen meinen Oberkörper drückte, um ihn den Blick darauf zu verwehren. Skeptisch erhob er seine Brauen und nahm es mir sanft, aber eindringlich, aus der Hand, um schließlich selbst zu sehen.
      „Pferde also, wer hätte das nur gedacht“, lachte er und gab es mir zurück. Erleichtert atmete ich aus.
      „Ja, schon“, murmelte ich und begann wieder zu scrollen.
      „Bei euch stehen doch genug. Ist da nichts bei?“, erkundigte er sich.
      „Nicht wirklich“, überlegte ich laut, „überwiegend sind das Rennpferde, teure Rennpferde.“
      „So viel weiß ich von Pferden, das, was du auf Turnier geritten bist, war keins“, strich er mir aufmunternd durchs Haar. Ich drückte laut Atem durch meine Nase, offenbar so laut, dass auch die anderen auf unser leises Gespräch aufmerksam wurden und sich Eriks Freund, dessen Namen ich immer noch nicht aufschnappen konnte, zu uns drehte.
      „Nein, aber die kommt morgen jemand anschauen“, sagte ich unmotiviert und wischte weiter auf meinem Bildschirm herum, bis Erik seinen Finger auf den Touchscreen legte und ein Pony auswählte, das ich bewusst nicht anklickte. Es war betitelt mit „besondere Stute sucht ihren Menschen“, das konnte nur bedeuten, dass etwas in ihrem Kopf falsch lief und von solchen Tieren kannte ich genug. Doch Erik war gar nicht zu bremsen und wischte interessiert durch die Bilder. Darauf zu sehen eine helle Pony-Stute, vermutlich nicht größer als hundertvierzig Zentimeter und besonders oft dargestellt mit schrecklichen Zöpfen, die wohl die Kinder gemacht hatten, die ebenfalls zu sehen waren. Viele von denen standen um sie herum, während ihre Ohren gelangweilt zur Seite hingen und die Augen leer wirkten. Doch auch professionelle Bilder von einem Turnier waren dabei, sowohl in der Dressur als auch beim Springen. Bis auf ihre Fellfarbe wirkte nichts besonders an dem Pony. Dann durfte ich endlich weiter scrollen zum Text, der für mich die nächsten Hürden aufwarf. Ich konnte zwar Erfahrungen in Frankreich nachweisen, aber deren Sprache ließ nur Fragezeichen in meinem Kopf aufblicken.
      „Kannst du das lesen?“, fragte ich und drückte ihm meinem Handy in die Hand.
      „Klar“, zuckte er mit den Schultern. Was fragte ich eigentlich? In einer wahnsinnigen Geschwindigkeit huschten seine Augen über den leuchtenden Bildschirm und sein Daumen schob den Text nach oben, bis zum nächsten Atemzug ich mein Handy zurückbekam.
      „Also sie ist dreizehn Jahre alt, im höchsten Dressur Niveau ausgebildet und springt bis ein Meter zwanzig. Sie beschreiben das Pferd mit einer besonderen Geschichte, denn sie wurde mit der Flasche aufgezogen und ist sehr anhänglich. Manchmal fordert Maxou ihren Reiter heraus, aber das schafft jeder zu bändigen. Ansonsten Schmied kein Problem, Tierarzt auch nicht, kennt die Turnieratmosphäre. Aktuell hat sie zwei Reitbeteiligungen, da es für ihre Tochter gekauft wurde, die jetzt kein Interesse mehr hat“, erklärte Erik. Es machte mich direkt stutzig, dass das Pony so günstig angeboten wurde, noch zum Verkauf stand, wenn es so hoch ausgebildet wurde. Mehrmals wischte ich durch die Bilder, um Anzeichen zu finden, was der Haken war, wieso die hübsche Stute so strafte, keinen Besitzer zu finden.
      “Wonach suchst du?”, musterte er mich und seine Stimme klang deutlich euphorischer, als es mir lieb war. Natürlich weckte das Pony mein Interesse, aber zu gleichen Teilen auch die Skepsis, dass es viel zu gut passen würde, als es möglich war. Schließlich saß ich mitten in der Woche, in der Nacht, auf einer Terrasse, umgeben von wildfremden, betrunkenen Menschen, wovon die neben mir gerade über den Geschmack von Ölfarbe diskutierten. Warum machte man sich darüber Gedanken? Tatsächlich erwischte ich mich für einen Augenblick dabei, ob es wohl einen Unterschied zu Ölpastellkreide machen würde. Schnell kam ich wieder zu dem Fakt, dass Erik Maxou unbedingt kennenlernen wollte und ich den Schritt zumindest wagen würde. Einen unverbindlichen Termin machen, tat keinesfalls weh, noch setzte ich mich einer Art von Verpflichtung aus.
      “Kannst du das machen?”, suchte ich den Blickkontakt. Meine Augen trafen umgehend auf seine, denn strahlend saß er neben mir, sah im Wechsel zu mir und zum Handy. Je länger ich das funkelnde Hell betrachte, umso stärker wurde das Gefühl, alles richtigzumachen. Für einen Wimpernschlag schwieg es in mir, als würde auch mein Herz für das My einer Sekunde aussetzen, ehe mich das Glück wie eine Flutwelle traf und eine Kettenreaktion auslöste. Nacheinander kribbelte es überall, ich schluckte, versuchte standhaft zu bleiben, mich nicht der Sehnsucht seiner Nähe und Zärtlichkeit hinzugeben. Seinerseits wirkte es so leicht, als wollte Erik genau diesen plötzlichen Anstieg an Lust jedes Mal aufs Neue auslösen, um mich zu verunsichern, an sich zu binden und zu fesseln. Ob das sein Plan war, oder nur sein Zeichen für Zuneigung, erfuhr ich nicht, wusste jedoch, dass es funktionierte. Meine zittrigen Finger suchten am Rand des Geräts nach dem Sperrknopf, während sich mein Blick nicht löste. Mit jedem Atemzug krampfte mein Unterbauch, stärkte, gab mir keine Verschnaufpause, aber ich konnte ihm diesen Erfolg nicht lassen.
      „Können ja“, antwortete er endlich, „aber möchte ich das?“ Auf seinen Lippen weichte das sanfte Lächeln einem zugespitzten Gesichtsausdruck. Erik hatte sich unter Kontrolle, nutzte seine Position aus, aber gab mir damit die nötige Sicherheit.
      „Wenn du nicht möchtest, dann akzeptiere ich das. Aber bitte. Ich flehe dich an, dass du mir unter die Arme greifst und das regelst“, sprach ich leise und weinerlich, wodurch auch seine Ungeduld anstieg. Eins der Beine wippte und seine Hand klopfte auf dem Oberschenkel, im Wechsel mit einem Wischen der Handflächen über den Stoff seiner Hose.
      „Ach, du flehst mich also an?“, bedrohlich nah kam er mir mit seinem Gesicht und die Worte wurden leiser, aber noch immer verständlich genug. Wie eine Schlange, die ihre Beute an fokussiert, bewegte sich sein Kopf in der Schräglage langsam von links nach rechts, bis nur noch wenige Zentimeter zwischen uns lagen. Ich spürte seinen warmen Atem, der wie ein Waldbrand über meine kalte Hand fegte und mit einem Gefühl von gleißender Hitze auslöste.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 97.196 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang Oktober 2020}
    • Mohikanerin
      Dressur E zu A | 31. Dezember 2021

      Moonwalker LDS // HMJ Holy // Einheitssprache // Klinkker LDS // Northumbria // Ready for Life // Schleudergang LDS // Milska // Hallveig från Atomic // Narcissa // Vrindr // Spök von Atomic // Legolas

      Mit einem lauten Klirren fiel nur wenige Meter von uns entfernt das Rolltor aus der Verankerung. Heinz, der nur noch einige Zeit bei uns war zum Beritt, sprang zur Seite und streckte den Kopf zur Linken, um zu prüfen, woher dieses schreckliche Geräusch stammte. Immerhin sorgte es dafür, dass die klirrende Kälte vor dem Stall blieb. Der Hengst hatte sich wieder dem gelben Futternapf gewidmet und dampfte weiter unter dem wärmenden Licht der roten Birnen.
      Zuvor beschritten wir eine erfolgreiche, wenn auch kurze, Reiteinheit mit Tyrell, der gleichzeitig Walker an der Hand schulte, zum Lösen von Verspannungen. Zunehmend kam der helle Hengst ins Gleichgewicht und lernte auch entspannt zu sein, wenn andere Pferde sich in der Halle befanden. Von vornherein war es klar, dass er sich schwer, nicht die Ranghöhe bei der Arbeit zu genießen, die er sich hart mit Frost erkämpfte. Deswegen überlegten wir noch, die Paddocks zu teilen, um allen Pferden die nötige Ruhe gewährleisten zu können. Den Herren neben mir interessierte das alles jedoch überhaupt nicht. Heinz hatte zwar eine gewisse Blütigkeit mütterlicherseits geerbt, aber ihm kam auch die Ruhe seines Vaters zugute, was ihn zu einem treuen und ausgeglichenen Partner machte. Deswegen, und natürlich auch seiner Optik, war es nicht verwunderlich, dass er schnell Anhänger fand und ein schönes Zuhause in Deutschland. Brooke, eine, die mir bisher als Springreiterin bekannt war und an der einen und anderen Stelle als aufsteigender Stern angesehen wird. Zumindest hatte ich das einmal in einem der Onlineartikel gelesen aus meiner ehemaligen Heimat, neben Tratsch und Klatsch aus der Reiterszene.
      „Vriska, machst du dich dann bitte Humbria bereit?“, sagte Tyrell, der Walker zurück auf den Paddock brachte.
      Ich nickte.
      Neugierig blickte mich die dunkle Stute an, als ich mit dem Halfter in der Hand am Tor stand und ihren Namen rief. Tag täglich war Humbria motiviert mit mir zu arbeiten und auch fand meinen Reiz darin, der Stute den Weg zu zeigen in das Leben eines gesunden Reitpferdes.
      Die kleinen Steine knirschten beinah friedlich unter unseren Schritten, während die Idylle von dem Lärm der Maschinen auf der anderen Seite des Gestüts gestört wurde. Sosehr ich auch versuchte mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass sich der Hof auf kurz oder lang zu einem der renommiertesten entwickeln würde, sah ich kritisch in die Zukunft. Ich liebte das alles hier, wie es war und es gab keine Notwendigkeit etwas zu verändern, aber meine Stimme hatte kein Gewicht.
      Schwermütig seufzte ich, als ein Fuß, nach dem anderen den Betonboden betrat und ich schließlich die Stute fertig machte. Auch Lina war bereits damit beschäftigt ihre neuste Errungenschaft zu putzen. Das Pferd war ebenfalls komplett rasiert und benötigte dementsprechend nur mäßige Fellpflege. Humbria legte immer wieder die Ohren an, als Redo freundlich sie inspizierte. Einmal quietschte sie sogar auf. Konsequent ignorierte ich ihr Verhalten, das mussten die beiden unter sich klären.
      In der Sattelkammer betrachtete ich nachdenklich die Auswahl an Schabracken und Sätteln. Für gewöhnlich würde ich den Wolken-Sattel von Lubi nehmen, doch aus unerklärlichen Gründen nahm ich das Schulungspad und dazu meine Filzunterlage aus der Schweiz, die bisher wie ein gehüteter Schatz in meinem Schrank hing. Behutsam nahm ich den Schutz von ihr ab und betrachtete das kleine Vermögen. *‘Ich sollte weniger Geld ausgeben für so was’*, überlege ich augenblicklich, aber zuckte mit den Schultern und lief hinaus, nach dem ich noch die Trense vom Haken nahm.
      „Ich gehe schon in die Halle“, nickte Lina mir zu und führte die Rappstute aus der Bucht heraus. Nur kläglich folgte sie, streckte den Hals so lang sie konnte, ehe der erste Schritt nach vorne sich setzte. Dann folgte einer nach dem anderen und nur noch der Hufschlag war von den Beiden zu hören. Urplötzlich verschwand wieder meine Motivation, was vermutlich damit zusammenhing, dass Jonina mit Halli die Gasse betrat, gefolgt von Bruce, der jedoch ohne Pferd unterwegs war. Schnell drehte ich mich wieder zur dunklen Stute, um den Baumwohlgurt zu befestigen.
      „Heute wird es eine große Runde“, lachte Bruce und klopfte mir auf die Schulter.
      Ich nickte, aber schwieg.
      Noch immer konnte ich mir nicht erklären, wie ich so schnell meine Angst gegenüber großen Pferden ablegen konnte. Die Fahrt nach Kanada hatte alles verändert. Fortan setzte ich neue Ziele, versuchte mich wieder zu einer besseren Form meiner Selbst zu entwickeln. Aber was dachte ich andauernd über das nach? Der Tod meiner besten Freundin zog sich wie ein roter Faden durch mein Leben, nagte an mir und ließ mich nicht los. *Wird es jemals erträglich?*
      Von der Seite stupste mich die dunkle Stute an und versuchte mich wieder in die Realität zu holen. Ihre Augen funkelten fröhlich im warmen Licht der Deckenstrahler. Im sicheren Abstand zu den anderen beiden Damen führte ich Humbria im Schritt durch den tiefen Sand, viel mehr, um mich selbst auf diese Einheit vorzubereiten, als die Stute. Sie war ruhig und sogar deutlich geschmeidiger im Genick als die Tage zu vor.
      „Vriska, jetzt steige endlich auf. Das sinnlose Herumführen bringt dem Pferd nichts“, schnaubte Tyrell aus den Kopfhörern, aber widerwillig zog ich an den Zügel zu der Aufstiegshilfe. Das Schulungspad verfügte nicht über Steigbügel und stellte damit die erste Herausforderung dar, doch mein Trainer kam freundlicherweise dazu und drückte sanft mein Bein nach oben. Einmal schüttelte Humbria mit dem Kopf, aber wartete geduldig, bis ich vernünftig im Leder saß. Vorbereitend prüfte ich meinen Sitz, spürte direkt, dass ich rechts höher saß als links und der Kopf des Pferdes wieder nickte. Langsam setzte ich das Tier in Bewegung, wirklich langsam. Ein Tritt nach dem anderen setzte sie nach vorn, jedoch genau an meiner Hilfe. Mithilfe der Zügel holte ich den Kopf nach oben, um die Geschmeidigkeit im Genick zu behalten und setzte mich tief in den Sattel. Doch als Lina, bereits im Mitteltrab, fiel mir die Stute aus dem Rahmen. Trotzig schnaubte Humbria ab.
      „Sei geduldig mit ihr. Noch vor drei Wochen lief sie auf der Bahn, da kann sie dir auch heute keine Hochleistung im Sand bringen“, korrigierte mich Tyrell. Seine Sprüche waren mir bekannt und die Intention noch viel mehr, aber ein kleiner innerlicher Teufel versuchte mir immer ins Gewissen zu sprechen, dass es bei anderen so viel einfacherer war und ich allein diesen täglichen Kampf hatte.
      „Okay, aber was soll ich tun?“, murmelte ich in das kleine Mikrofon an meiner Brust.
      Seufzten ertönte in meinen Ohren.
      „Hör ihr zu, was sagt sie? Und im Unterschied dazu, was sagst du ihr? Gib ihr die Zeit. Am besten fernab der anderen, viel weiter im Inneren. Erst, wenn ihr auf einer Ebene kommuniziert, könnt ihr die Schiefe ausgleichen. Außerdem muss der Schub weg, aber daran bist du auch gewillt zu Arbeit, wie ich sehe“, holte er weit aus. Wie ein Anfänger fühlte ich mich, als säße ich zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferdes, aber weit davon war ich auch nicht entfernt. Drei Jahre Erfahrung machen mich nicht zu Profi, wenn auch der unter 25 Jahren Kader eine glückliche Fügung darstellte.
      Im Inneren arbeitete ich im Stillen mit Humbria, konnte von jedem Abwenden sie besser ausgleichen, bis sie schließlich geschlossen stehen bleiben konnte und mich in den Kurven nicht mehr nach Außen hob. Die anderen Beiden Reiter erschienen im Kontrast so viel weiter. Lina trabte entspannte mit Redo, galoppierte gezielt aus dem Schritt an und konnte die Rappstute durch wenige Hilfen zurücknehmen. Auch Jonina auf Hallveig konnte sich sehen lassen, wenn auch unvergleichbar. Die braune Isländerstute brachte enormen Schwung an den Tag, was Auswirkung auf die Tragkraft hatte. Im Tölt strampelte sie wie ein Weltmeister und was so wirklich das Ziel der Beiden in der Reithalle war, konnte ich nur erahnen. Als hätte Tyrell meine Gedanken erhört, kommentierte er ihre Reitweise. Bruce saß still daneben. Eine kleine Diskussion entbrannte darüber, was richtig und was falsch sein. Ich schnappte vor Verwunderung nach Luft und konzentrierte mich wieder auf den Chaoten unter mir.
      Behutsam drückte ich beide Haken in die Seite der Stute und die Gerte wedelte gezielt. Aus dem versammelten Schritt heraus, baute sich Humbria auf, bekam einen bombastischen Schwung an Energie und sprang direkt in den Galopp, den man beinah als Schulgalopp bereits ansehen konnte. Es war das erste Mal, dass sie aus sich herauskam und den Brustkorb hob, dass ich dieses Angebot nur annehmen konnte für einige Tritte und dann die Zügelverbindung beendete und lobte. Wie ein hungriges Krokodil drehte sie sich zu mir und öffnete das Maul, um auf das Leckerli zu warten. Natürlich bekam sie aus, angesichts der Tatsache, dass sie unausstehlich wurde, wenn es keins gab. Ja, es war eine schlechte Angewohnheit, woher auch immer diese Stammen sollte, aber wir arbeiteten daran. So gab es keins mehr beim Holen vom Paddock, was mittlerweile verkraftbar war.
      Ein letztes Mal auf der anderen Hand wollte ich die Energie aus ihr herausholen. Bekam sogar den gewünschten Trab, den ich mit einer weiteren treibenden Hilfe ins Arbeitstempo verstärkte und mir auf dem vierten Hufschlag die Zügel aus der Hand kauen ließ. Zur gleiche Zeit waren die anderen Beiden in einer Abteilung unterwegs, trabten auf einer Schlangenlinie mit vier Bögen und galoppierten sogar zusammen auf einem sehr großen Zirkel. Aus dem Augenwinkel betrachtete auch Humbria dies. Voller Freude sprang ich beim nächsten Halt aus dem Pad und lobte die Stute ausgiebig.
      „Gut ihr Beiden, dann kannst du mir auch die Ente fertig machen“, sagte Tyrell zu mir, bevor ich Kopfhörer rausnahm und das Mikrofon stummte. Die Ente war kein anderes Pferd als Schleudergang, eins seiner Nachzuchten. Ich verstand nicht genau, wie er auf die Idee kam, das Barock-Reitpferd neu zu erfinden, aber mein Chef tat es und das beinah radikal. Unsere Ente hatte dichtes Langhaar mit einem mittellangen Hals, die Schulter schräg und reichte markant in den Rücken hinein – rundum, dem Zuchtprogramm entsprechend. Aber was man erst bei einem zweiten, und vor allem genaueren, Blick sah, war, dass dieses Pferd sehr ungeschickt lief. Ente hatte sich nicht unter Kontrolle, wirkte wie ein junges Tier, das vor wenigen Stunden lernte sich zu bewegen. Das machte die Arbeit mit ihr zu einem großen Problem, oder wie mein Chef zu sagen pflegte: Es ist kein Problem, sondern eine Herausforderung. Deswegen war ich froh, den nötigen Abstand zur Stute zu haben.
      Northumbria fraß genüsslich ihre Kraftfuttermahlzeit im Solarium und ich hatte mich mit einem Halfter bewaffnet, um die Ente vom Paddock zu holen. Wie alle anderen stand sie mit dem Po Richtung wird vor dem Unterstand, der Kopf gesenkt und von Motivation eher weniger geprägt. Genauso verlief auch das Holen und fertig machen für’s Training. Mit mir zusammen erreichte auch Bruce die Reithalle, hatte dabei seine große Hoffnung: Spök. Die junge, und ziemlich hübsche, Stute aus Krít lief mit wippenden Ohren neben ihm her, auf dem Rücken einen Longiergurt und in seiner Hand die Doppellonge.
      „Und, wann wirst du dich draufsetzen?“, erkundigte ich mich.
      „Jonina saß gestern das zweite Mal im Sattel und nächste Woche möchte ich mit ihr eine kurze Runde in den Wald in Begleitung“, erzählte Bruce und ging weiter zum Tor.
      Die Ente hatte ich geputzt und gesattelt, bevor Tyrell kam, um sie abzuholen. Dann nahm auch ich Humbria wieder aus dem Solarium heraus. Obwohl das Pferd nahezu trocken war, legte ich ihr wieder die grüne Weidedecke auf den Rücken und stellte sie weg. Direkt lief sie in den Unterstand und begann das Heu zu knabbern. Von der Seite kam Jonina dazu, hatte offenbar Halli weggestellt und nun Milska sowie Cissa in der Hand.
      „Bruce wollte, dass du sie Korrektur reitest“, gab sie mir die gescheckte Stute. Durch den dichten Schopf funkelten ihre Augen, wovon eins blau war und das andere tiefschwarz. An der linken Ohrspitze befand sich ein kleiner Fleck, ansonsten war ihr Kopf hell. Bruce hatte mir schon von der Stute berichtet. Angeschafft für die Reitschule, stellte sie sich als eine Herausforderung dar für junge Leute, da sie zwar geduldig war und sehr zuverlässig den Hilfen folgte, hatte sie Tage, an den nichts lief.
      Aufgeregt pochte mein kleines Herz in der Brust, drohte sich den Weg ins Freie zu suchen. Cissa erfüllte beinah alle meine Anforderung, rein optisch, zu einem Traumpferd. Die Augen waren treu und groß, die Ohren Aufmerksamkeit und die Gelenke kräftig. An den Fesseln hing viel Behang und das Langhaar war dicht. Neugierig stupste sie mich an, beobachtete jeden meiner Schritte im Stall und konnte es scheinbar gar nicht abwarten, sich zu präsentieren. Glücklicherweise hatte ich meinen eigenen Sattel, musste demnach Bruce nicht stören, der mit Spök die Anforderungen einer A-Dressur vom Boden aus erarbeitete. Mit einer Lammfellunterlagen konnte ich kleinere Unebenheiten zwischen Rücken und Sattel ausgleichen und legte darunter die grüne Otter-Schabracke, die natürlich um einiges zu groß war, aber das störte mich nicht. Da ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde, legte ich ihr noch einfachere schwarze Gummiglocken an die Vorderbeine, ehe wir auch wieder in die Halle gingen.
      Die Brüder konzentrierten sich vollständig auf die Handarbeit mit den beiden Stuten, bemerkten mich nur peripher, auch Lina nickte nur, als ich „Tor frei“, rief. Auf der Mittellinie stellte ich mich auf und gurtete nach. Dabei immer im Augenwinkel die elfjährige Stute, die noch immer sehr genau meine Schritte beobachtete. Zum Kennenlernen nahm ich die Zügel in die rechte Hand auf Höhe des Widerristes und trieb sie mit der Gerte, in der linken Hand, schrittweise los. Unbalanciert taumelte sie nach vorn, wenig davon begeistert, dass ich sie einrahmte. Aber Meter für Meter, die wir hinter uns ließen, kam Cissa in ihren Schwerpunkt. Der Unterschied von einem Gangpferd ihrer Art war unverkennbar. Sie war in der Lage, die Schulter und Vorderhand zu heben, ohne dabei den Rumpf mitzunehmen und sich dabei mehr zu tragen. Jeden Schritt, den sie bei alldem in die richtige Richtung machte, belohnte ich mit einem Leckerli. Zufrieden mit der bisherigen Handarbeit schwang ich mich auf ihren Rücken und trabte auf dem Zirkel an. Mir fehlte der Vergleich, aber bequem trabte ich leicht, fühlte mich ungewöhnlich auf ihr. Für mein eigenes Vergnügen töltete ich auch einige Male die Bahnfiguren einer Anfänger Dressur in Verbindung mit vorbereitenden Seitengängen. Im Tölt fiel es ihr leichter sich in der Schulter zu wegen und mobil zu sein, während die Kruppe sehr steif an seiner Stelle blieb. Wenige Schritte kamen, wenn ich gezielt das Gewicht nach innen verlagerte, dabei die Stellung des Genicks am Zügel hielt und außen schob. Ja, seitwärts Bewegungen waren in einer so frühen Phase des Tanzes im Sand außergewöhnlich, aber durch Tyrell hatte ich es zu schätzen gelernt Pferden von Anfang an das Tragen zu vermitteln. Besonders für ein Gangpferd war es wichtig Tragkraft zu bekommen, denn Schwung und Schubkraft waren von Natur aus zu genüge da. Wie auch schon mit Humbria hörte ich auf, als es am besten lief. Ohne sie wirklich abzureiten, sprang ich ab und führte sie heraus.
      „Hufe noch“, erinnerte mich mein Bruder, der diese Sparmaßnahme auf Biegen und Brechen durchbringen wollte.
      „Das ist so unnötig“, rollte ich mit den Augen und griff nach dem Hufkratzer neben dem Tor. Zugegeben, Cissa hatte wirklich viel Sand zwischen dem Grip und zufrieden setzte er seinen Weg fort.
      „Wo willst du eigentlich, schon wieder hin?“, rief ich noch nach, aber bekam bis auf ein freches Grinsen, keine Antwort.
      Cissa hatte sich eine Portion Kraftfutter verdient und ich mir eine Pause. In der Futterkammer mischte ich die alle Zutaten laut ihres Speiseplans zusammen und mir reichte ein Apfel. Da auch sie vollkommen verschwitzt nicht auf das Paddock zurückkonnte, durfte sie eine Einheit im Rotlicht genießen. Da Lina und Tyrell noch eine Einzelstunde hatten, setzte ich mich an den Rand.
      Der Hengst hatte einen wunderschönen Zopf entlang des Mähnenkamms bekommen und sie selbst trug ihr Haar auch wie eh und je geflochten. Im Gleichklang wippten die Zöpfe im Takt des Schrittes. Rambi, oder Einheitssprache, wie er auf dem Papier hieß, machte sich seines Geschlechtes alle Ehre. Den Rumpf groß aufgebäumt trug er sich auf der Hinterhand, dabei den Schweif leicht aufgestellt und immer wieder drückte er sich von der Gebrauchshaltung weg. Dabei brummte er schrittweise, oder wieherte. Von draußen kamen mehrere Antworten der anderen Männer und auch die eine oder andere Stute beteiligte sich an dem innigen Gespräch.
      „Ihr solltet miteinander arbeiten, nicht gegeneinander“, hörte ich Tyrell sagen, bevor Lina den Hengst mit großem Kraftaufwand anhielt. Er schüttelte den Kopf und mit der Kruppe stieß er gegen die Bande, untermalt von einem leisen Brummen.
      „Und wie?“, fragte Lina. Dann begann eine ausführliche Erklärung über die Hengsterziehung und was alles dazu gehörte mit einem neuen Pferd ein Team zu werden. Gespannt hörte meine Kollegin, und auch Freundin, zu, aber mich nervte das Geschwafel. Das Glück war auf meiner Seite, so piepte das Rotlicht zweimal und Cissa hatte aufgefressen. Mit dem Handtuch neben der Bucht, wischte ich zur Kontrolle durch Fell, trocken.
      „Kann ich in den nächsten Tagen noch einmal mit ihr arbeiten?“, hoffte ich mit einem Ja beantwortet zu bekommen von Bruce, dem ich am anderen Stall begegnete, um Cissa zurück auf ihren Paddock zu stellen. Er blieb stehend und musterte uns beide. Aufgeregt fummelte meine Hand an dem kleinen Gummi, der als Etikett am Bund meiner Jacke hing. Natürlich konnte trotz aller Anspannung, das Grinsen auf meinen Lippen nicht verbergen. Die Mundwinkel zuckten vergnügt.
      „Natürlich“, lachte er mit seiner Hand auf meiner Schulter. Ein altes, aber wohlbekanntes Gefühl breitete sich durch meinen Blutkreislauf aus – Familie. *Seid ihr das?*

      Aus Schulungszwecken hatten Lina und ich zusammen mit Holy am Kappzaum gearbeitet. Die junge und trächtige Stute kannte die Grundlagen der Légèreté, umso angenehmer war es, dass sie etwas in Bewegung kam. Mit ihrem Kugelbauch konnte man kaum denken, dass erst in vier Monaten das Fohlen kommen sollte. Jeder ihrer Schritte wirkte wie eine Herausforderung, aber die Arbeit half der Stute an der Tragkraft zu arbeiten. Schließlich wollte auch das Baby getragen werden.
      „Du musst die Hilfen korrekt am Bauch setzen, da wo auch dein Schenkel liegen würde“, zeigte ich Lina noch einmal mit so viel Geduld und Freundlichkeit, wie ich aufbringen konnte. Ja, nicht jeder konnte sofort Profi sein, denn ich war es auch nicht, aber Hilflosigkeit irritiert mich.
      „Okay“, lächelte sie. Erneut legte Lina ihre Hand an das Gebiss, um das Genick der Stute in eine leichte Stellung zu nehmen und mit der Gerte am Bauch bewegte sich Holy schrittweise nach innen.
      „Kann ich euch allein lassen, oder brauchst du noch meine Hilfe?“, erkundigte ich mich einige Minuten später, als Lina mit Holy an der Haltung arbeitete.
      „Nein, alles gut“, winkte sie, aber rief mir noch nach, „Was hast du jetzt noch vor? Mit Humbi Ausreiten?“
      Lachend hielt ich an.
      „Eigentlich wollte ich mit Bruce raus, da er mit Spök nicht allein den Wald beschreiten möchte“, grinste ich fröhlich und hüpfte hinaus.
      Aus der klirrenden Kälte, deren Wind unsanft durchs Land zog, wurde zwar kein Hochsommer, aber es war trockener. Die Luft stand, erzeugte eine angenehme Frische, sodass ich in meinem Outdoor Pullover wieder in den Wald konnte. An dem dunklen Stoff der Ärmel klebten überall Pferdehaare. Ich hatte aufgegeben jeden Tag sie zu entfernen, aber warum auch? Ungewöhnlicherweise gefiel mir, die kleinen Fellmonsterreste an mir zu tragen.
      Wie ein alter Hase lief Spök neben Vrindr durch den Wald, den manch ein Pferd als den gruseligsten Teil des Gestüts empfand. Von allen Richtungen ertönte lautes knacken des Unterholz und meine sogar einen Hirsch gehört zu haben, als wir auf die Trainingsbahn abbogen. Die gescheckte Stute sah sich mit angewinkelten Ohren in der Gegend um, schien nach bekannten Orten zu suchen oder einem Gespenst, das es natürlich nicht gab. Bruce scherzte derweil.
      „Kannst dir vorstellen Cissa in deine Obhut zu nehmen bis zum nächsten Jahr?“, fragte er nach einem Stück, das wir getrabt waren.
      „Vorstellen ja, aber ich denke, meine Zeit gibt das nur schlecht her“, antwortete ich entrüstet. Tyrell schob mir im Arbeitsplan immer mehr Pferde zu und auf meinem eigenen Pony hatte ich bis heute nicht gesessen, obwohl es bei ihr mehr die Angst war, etwas falsch zu machen, als meine Zeit. Gleichzeitig benötigte Lubi sehr viel Bewegung. Morgens begann es mit einer halben Stunde Führanlage und abends stand sie häufig noch im Aquatrainer, dazwischen arbeiteten wir an der Hand oder hatten eine lange Einheit auf dem Platz. Die Stute war wissbegierig und nur schwer müde zu bekommen, kein Wunder, wenn sie in Kalmar täglich drei Stunden Training hatte vor meiner Zeit. Die Besitzer legten viel Wert darauf, dass sich der Trainingsstand ihrer Stute verbessert und dabei sollte auch die Ausdauer auf dem gewünschten Stand befinden. Außerdem hatte ich auch meinen Freund, der sich nach gemeinsamer Zeit sehnte, die ich aktuell in den Hintergrund schob und dabei selbst auch den Boden unter den Füßen verlor. Wenn es so weitergehen würde, könnte ich wieder im Teufelskreis landen oder bei Niklas.
      „Es würde schon reichen, wenn du mit ihr zwei bis drei Mal auf dem Platz arbeitest. Sie ist sehr motiviert in ihren Gängen in der Dressur und bei euch hatte ich das Gefühl, dass es passt. Also würden wir uns beide darüber freuen“, baute Bruce mich auf. Den restlichen Weg durch den Weg dachte ich darüber nach, konnte aber keine Entscheidung treffen, bevor ich mit einer außenstehenden Person die Situation besprochen hatte. Damit sei es nicht getan, auch meinen Zeitplan sollte ich dafür noch einmal genau studieren, doch zuvor sollte die Vrindr versorgt werden.
      Bei der Rückkehr in den großen Stall, durchquerte ich den Weg an den Stutenpaddocks, auf dem Holy wieder am Heu zupfte mit Girlie zusammen. Auf dem Sand daneben folgte mir der Blick von Humbria, die bereits am Morgen eine kurze, aber intensive Einheit auf dem Reitplatz genoss. Ein Lächeln huschte mir über die Lippen bei dem Gedanken, dass die Stute so große Lernerfolge zeigt. Ja, es gab Rückfälle, die sich als impulsive Ausfälle zeigten. Sie sprang hektisch durch den Sand, ignorierte ihren Reiter komplett und Tyrells Meinung zur Folge half dabei nur Absteigen und das ruhige Vermitteln der Lektion vom Boden. Dem kam ich nach und tatsächlich beruhigte sich das Rennpferd dabei.
      „Nachbesprechung ist essenziell“, erinnerte Tyrell, als wir uns im Büro versammelten. Lina und ich hingen zusammen auf einem Sessel, während Jonina allein auf dem daneben saß und mich mit ihren durchdringenden Blicken löcherte. Unauffällig versuchte ich die junge Dame zu analysieren, verstand aber nicht, welches Problem sie mit mir hatte. *Egal?*
      „Nun gut, da keiner von euch Einwände hat, fahre ich fort. Northumbria entwickelt sich großartig, so gut, dass sie sich eine Woche Pause verdient hat. Lockere Ausritte würden ihr guttun, aber keine intensiven Versammlung, lieber durchparieren in den Halt, um anschließend einige gezielte Tritte rückwärtszusetzen. Demzufolge wirst du in den Einheiten Walker bekommen. Lina, deine Stute ist großartig, aber wir sollten an einem anderen Punkt mit ihr weiterarbeiten. Die Anfänger Einheiten sind zu leicht, wodurch sie auf blöde Ideen kommt, umso wichtiger ist die Zeit mit deinem Hengst. Außerdem solltest du ihm Glocken anlegen, am besten sogar auf dem Paddock. Auch du Jonina kannst mit den Isländern gut an das Niveau der Anderen ansetzen, aber ich schätze, du schaffst das auch mit meinem Bruder. Zum Abschluss möchte ich euch noch sagen, dass wir morgen der theoretische Kurs beginnt und dabei gern dich und Rambi zum Vorzeigen hätte. Und, dein Freund kommt noch?“, erkundigte sich Tyrell, worauf Lina nickte, „sehr gut, dann sehen wir uns alle morgen um zehn Uhr in Raum 102.“
      Den freie Nachmittag nutze ich tatsächlich für ein Training mit Cissa auf dem kleinen Reitplatz, denn auf dem großen herrschte reger Wechsel der Einsteller und sogar Zickerei, wovon ich bestmöglichen Abstanden nahm. Neugierig beobachtete sie abermals jeden meiner Schritte, ein Zupfen an der Jacke hier und warmer Atem in meinem Gesicht da. Dennoch trat sie unruhig von einem Huf auf den anderen, dabei klimperten die Eisen einige Male, was mich an Tyrells Worte an Lina erinnerte. Auch Cissa sollte wohl besser Glocken zum Schutz tragen. Demnach holte ich alles Nötige aus der Sattelkammer, vergaß wie sooft den Helm, und befestigte das Zubehör korrekt.
      Für die heutige Einheit entschied ich besonders viel Wert auf Ruhe zu legen, die sie von vornherein an dem Tag nicht hatte. Es fiel ihr schwer den Schwerpunkt in der Mitte zu finden, setzte mich immer wieder nach außen, obwohl ich in den Kurven deutlich innen sitzen müsste. Im Stand nahm ich den Bügeltritt zur Hilfe, um das Gewicht gezielt zu verlagern und setzte die Einheit fort. Ihre Balance nahm zu, so legte ich mit sanften Impulsen an Geschwindigkeit zu und wiederholte die wichtigen Figuren der Anfänger Dressur. Kaum zu glauben, aber in meinem Kopf eröffnete sich, wieso auch das so wichtig war zu üben. Durch eine klare Linienführung spürte ich bei jedem Schritt, ob die Hufe ordnungsgemäß fußten, welche Defizite das Pferd unter dem Sattel vorwies und ihr leichter fiel. Cissa war rechts hohl. Besondere Auswirkungen hatte diese schiefe auf ihre Schulter. In den wenigen Metern Tölt, die sie in den Ecken im Trab zwischendurch machte, blieb das eine Bein deutlich länger am Boden und hielt sich tiefer in der Luft. Häufige Handwechsel und auch Kehrwendungen auf der Vorderhand ermöglichten es mir, die Körperteile akkurat zu mobilisieren. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, deswegen schwang ich mich nach weiteren Runden im Trab aus dem Sattel und lobte die Stute ausgiebig.
      Am Horizont verabschiedete sich die Sonne langsam, ein Zeichen, dass ich die letzte Reiteinheit des Tages in die Halle verlagern sollte. Erneut war ich mit Lina verabredet, die mit Redo noch an der Longe arbeitete und mit mir zusammen die Hengste plante zu bewegen. Klinkker hatte vor der Abreise noch ein Training und bei meiner Kollegin entwickelte sich so etwas wie Ehrgeiz, um morgen mit Rambi morgen zu glänzen. Sie sprach nicht offen darüber, aber ich sah dieses Leuchten in ihren Augen, das sich ausbreitete, wenn ich Fragen zu dem hübschen Hengst stellte.
      In der Sattelkammer durchsuchte Lina hektisch ihren Schrank, der sich mittlerweile zu einem kleinen Paradies aus Schabracken verwandelt hatte. Gut, bei mir wurden es, gefühlt, ebenfalls immer mehr. Einige der Stücke hatten sogar noch das Etikett daran. Noch bevor ich meine abschließende Wahl traf, griff ich nach meinem Handy. Der Sperrbildschirm war überseht von Benachrichtigungen, wovon die meisten uninteressant waren, doch eine Nachricht, weckte direkt mein Interesse – *Avledning*. Prüfend schwebten meine Augen von links nach rechts. Alle wussten davon, aber ich wollte besonders das Treffen in weniger als einem Monat weiterhin geheim halten.
      „Wenn es sich glücklich macht, nutze die Chance. Ich sehe keine Nachteile darin“, las ich in seiner Nachricht. Zuvor berichtete ich von Cissa, natürlich nur indirekt. Das Thema Pferd und Reiten waren für viele zu kompliziert, besonders emotional gesehen, dass ich ihm dies ersparte.
      „Okay, dann werde ich es versuchen“, schwebten meine Finger über die dunkle Tastatur.
      „Nein, du versuchst es nicht. Du machst das“, antwortete er umgehend und verlor mich selbst in der Konversation.
      Offenbar hatte ich es mir unbewusst auf den Polstern inmitten des Raumes bequem gemacht, denn Lina stand vor und tippte mich auf den Beinen an. Eingeschüchtert fuhr ich hoch, was dem Schrecken geschuldet war.
      „Eigentlich will ich dich ungern stören, aber die Pferde warten auf uns“, lächelte sie.
      Ich rollte mit den Augen. *War es ihre übertriebene Freundlichkeit oder die reine Tatsache, dass ich mein Handy weglegen sollte, die mich nervte?*
      Rambi sah einmalig aus. Lina hatte wirklich Talent dafür, das Outfit ihres Pferdes, auch wenn nicht wirklich ihr gehörte, abzustimmen. In der geflochtenen Mähne trug der Hengst ein violettes Band, die Schabracke ebenfalls in dieser Farbe und aus der Wühlkiste mit Glocken hatte sie tatsächlich auch welche gefunden, die dazu passten. Außer acht sollte man auch die Trense nicht lassen, die nach ihren Farbwünschen gemacht hatte. Das Kletterseil in dem beerigen Violett fand ich noch in meiner Sammlung aus alten Schnüren und bis auf den letzten Zentimeter hatte ausgereicht, um ihr ein schönes Zaum zu gestalten. Ich hingegen hatte eine beliebige Schabracke gewählt in Grün und sehr unpassend dazu trug Klinkker dunkelblaue Bandagen mit Wolle als Unterlage, worauf ich im Internet stieß.
      „Wenn du mich brauchst, musst du mich über das Headset kontaktieren“, sagte ich zu Lina und stellte bei den Geräten die korrekte Frequenz ein. Zustimmend nickte sie und schwang sich in den Sattel. Einige Meter entfernt reihte ich mich auf der Mittellinie auf, gurtete nach und setzte mich ebenfalls auf den Rücken des Tieres. Interessiert drehte er den Kopf zu mir, musterte genau meine Bewegungen. Gezielt setzte ich mich ins Leder. Das letzte Pferd eines Tages war immer eine Herausforderung für meine Konzentration, umso mehr hatte ich das große Ganze im Kopf.
      Klinkker brachte sich gut in die Arbeit ein. Bereits nach einigen Runden im verkleinerten Viereck balancierte sich der Hengst und brachte eine hohe Konzentration an Tragkraft auf. Daraus entschied ich mehr am Schwung anzusetzen, die Schubkraft herauszuarbeiten. Ein Ansatz dafür stellten Schritt-Galopp-Übergänge und Rückwärtsrichten.

      Erst im Nachgang erfuhr ich, wie Lina mit ihrem Hengst zu kämpfen hatte. Abermals präsentierte Rambi sich mit den schlimmsten Hengstmanieren, die ein Pferd an den Tag bringen konnte. Sie schaffte es jedoch einige Bahnfiguren mit ihm zu erarbeiten und näher an die Ansprüche der Anfänger Dressur zu rücken.
      „Was denn das für ein Kaffeeklatsch?“, lachte Niklas, der mit Smoothie an der Tribüne vorbeikam. Böse schielte ich zu ihm.
      „Weiterbildung, eine Aktivität zum Vertiefen, Erweitern oder Aktualisieren von Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen“, gluckste ich. Lina stieß mir im selben Moment mit zwei Fingern in die Seite. Aua, formte ich auf meinen Lippen. Sie grinste.
      „Endlich, du kannst schließlich nicht immer das dumme Blondchen bleiben“, gab er noch hochnäsig zu verstehen und setzte sich wieder mit der Schimmelstute in Bewegung. Im Herzen brannte die Sehnsucht, wenn auch hintergründig, aber sie war da. Seufzend drehte ich mich weg, als sie aus dem Sichtfeld verschwanden.
      Tyrell hatte Samu gebeten sich auf Lego zu setzen und seine normale Dressurarbeit zu zeigen. Neben der kleinen Gruppe vom Hof saßen auch noch andere Außenstehende. Von verschiedenen Höfen kamen sie her, versuchten besser zu verstehen, was es mit der Ecolé de Légèreté auf sich hat. Einige bekannte Gesichter gab es natürlich, die regelmäßig bei Tyrell Unterricht nahmen. Anhand des Rappen zeigte er auf, welche Probleme das Pferd hatte, inwieweit eine Lektion bereits zu früh angefangen wurde und es nicht am Reiter liegt. Dann begann ein tiefsinniger Monolog über den Druck der Gesellschaft und der heutigen Turnierkultur. Wichtig war ihm der Punkt, dass er kein grundlegendes Problem mit der Turnierlandschaft hatte, sondern wie gerichtet wurde und die Rücksichtslos die Tiere ausgebildet wurden. Mit einigen Tipps konnte Legolas sich mehr Fallen lassen und Samu die Hilfen gezielter einsetzen, um dem Hengst klar und deutlich zu vermitteln, was er von ihm wollte.

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 31.853 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte Oktober 2020}
      Wolfszeit gefällt das.
    • Mohikanerin
      Dressur A zu L | 28. Februar 2022

      Hallveig från Atomic // Vrindr von Atomic // Milska // Schleudergang LDS // British Gold // Mystic Fantasy Dahlia // Ready for Life // Einheitssprache

      Leise rieselt der Schnee, oder so. In ungebändigten Schwalle fegte der Wind die Flocken über den Hof, die bereits weit verteilt am Fell der braunen Stute hingen. Hall trottete mit straften Strick mir nach in den Stall und schüttelte sich zunächst, weniger weiß, dass ich entfernen musste. Grob putzte ich ihren Kopf sowie Sattel- und Gurtlage. Das Wetter forderte förmlich die Gymnastizierung der Nachwuchsstute, die aktuell die Grundlagen der Ausbildung begriffen hatte.
      In der Reithalle traf ich auf Bruce, der selbst Vrindr arbeitete und die junge Dame, die aktuell ein Praktikum auf dem Hof absolvierte, saß auf Milska. Unruhig pendelte die Schimmelstute mit ihrem Schweif und auch fühlte mich so eingeengt wie das Pony, als ich die Haltung der Zügel da. Aber ich hielt mich für das Erste aus der Situation heraus, schließlich war unser Chef da, der Situation im Griff haben sollte. Sie wirkte erfahren im Umgang mit Pferden, aber spezifisch für Isländer, konnte ich nicht beurteilen. Vielleicht würde sich das in den nächsten Wochen ändern. Es gab Hoffnung, soviel spürte ich.
      In der Mitte der Halle ließ ich die Stute einige Runden um mich herum Übertreten, bevor ich Gurt fester zog und mich in den Sattel schwang. Wie gewohnt trottete das Pferd mit kurzen Schritten voran. Ich griff die Zügel etwas nach und gab im Wechsel halbe Paraden, trieb dabei aktiv, um den Viertakt gleichmäßig zu spüren. Die Übergänge erleichterten mir die Arbeit daran. Auch durch den Tölt kam Hall langsam zur Ruhe. Je mehr ich mich nur auf das Pferd und mich konzentrierter, umso besser gelang mir Kontakt zu finden. Durch Schlangenlinien und weitere Wendungen setzte sich das Pferd mehr, kam zur Geraden und schließlich im Galopp bot sie sogar gezielt den Außengalopp an.
      Am Höhepunkt des Trainings gab ich ihr die Zügel und ritt im Schritt noch einige Runden, bevor ich abstieg und Hall ihr Futter mischte. Noch immer verwirrt von dem System, stand ich vor dem Monitor in der Sattelkammer und starrte die leeren Worte an. Es standen die genauen Messwerte da, doch fand ich die Eimer nicht. Die klackenden Schritte hinter mir, verrieten, dass Hilfe kam.
      “Endlich”, zeterte ich, aber rechnete nicht damit, dass urplötzlich Harlen hinter mir auftauchte. Der Eisbrocken in meiner Brust knackte und sprang wie ein junges Kaninchen durch den Schnee. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen kräftigen Atemzug zu nehmen und mir nichts anmerken zu lassen. Auf dem Gestüt gelang es mir, ihm aus dem Weg zu gehen. Sein Jammern “wollen wir mal wieder etwas machen?” nervte mich. Wollte ich es nicht akzeptieren, dass wir einander näher kamen und es genossen? Oder war es den Gefühlen meines Bruders geschuldet, der sich allerdings eine neue Liebschaft anlachte? Es sollte so keinesfalls laufen, aber noch immer stand ich vor dem Problem, das System nicht nutzen zu können.
      „Ich hätte nicht gedacht, dass du dich überhaupt noch traust, mit mir sprechen“, lachte Harlen und schenkte mir ein kurzes Lächeln.
      „Viel zu tun, tut mir leid“, tat ich es ab. Er nickte einmal, aber ließ es im Raum stehen.
      Also ergriff ich wieder das Wort: „Aber wenn du schon mal da bist, kannst du mir eventuell helfen?“, zeigte ich zusätzlich auf den Monitor.
      „Selbstverständlich.“
      Zusammen suchten wir die Eimer, um der Stute ihre Futterportion zuzubereiten. Das Rascheln blieb auch bei Hallveig nicht unbemerkt. Aufgeregt kratzte das Pferd mit den Hufen auf dem Betonboden und hörte trotz meiner Ermahnungen nicht auf. Noch heller leuchteten ihre Augen, als ich schließlich mit der grünen Schüssel aus dem Raum kam. Harlen folgte mir und stand so dicht neben mir, dass seinen Atem an meiner Wange spürte. Das Häschen erwachte wieder, lebhafter als zuvor.
      “Könntest du einen Schritt zur Seite gehen?”, versuchte ich ihn weiter aus meinem Leben auszuschließen.
      “Was passiert, wenn ich es nicht tue?”, grinste er wieder.
      “Dann melde ich dich für Belästigung am Arbeitsplatz”, zuckte ich mit den Schultern. Erst jetzt entschloss er meine Bitte nachzukommen, auch wenn ich den Schmerz in seinen Augen förmlich spürte, als würde das Kaninchen urplötzlich kraftlos im Schnee versinken. Schweigend drehte er sich weg und verschwand im schlechten Wetter vor der Tür. Schon nach wenigen Metern verschwamm seine Silhouette zwischen den Flocken.
      Während Hallveig mit vollem Genuss ihr Müsli kaute, hatte ich mich auf eine der Aufstiegshilfen platziert und mir eine Abschwitzdecke über die Beine gelegt, um keine weitere Blasenentzündung zu bekommen. Auch Neele, die Praktikantin, war mittlerweile mit der Schimmelstute in den Stall gekommen. Sie schien besser mit dem System klarzukommen, denn schon nach weniger als einer Minute kehrte sie mit der gefüllten Schüssel zurück, in die Milska ihren Kopf steckte.
      “Woran habt ihr gearbeitet?”, fragte ich freundlich und erwachte aus der Starre.
      “Versammlungen und Anlehnung. Sie war heute deutlich motivierter als gestern”, erfreute sich Neele. Natürlich, ich hatte bereits gute Ansätze erarbeitet, damit fehlte nicht mehr viel zum nächsten Schritt der Ausbildungsskala. Auch Bruce kehrte einige Zeit später mit Vrindr wieder. Die Stute machte ebenfalls Fortschritte, die man keinesfalls verschweigen sollte. Losgelassen unterhielten wir uns über die Pferde und verabredeten uns für ein Mittagessen im Gemeinschaftsraum.
      Auf dem Weg durch die große Reithalle bemerkte ich den besten Freund von Blondies Mitläufer. Ich hatte mich schon gewundert, keinen der beiden im Stall zu erblicken, auch wenn es anfangs mich nicht wunderte. Blondie, oder Vriska wie sie alle benannten, sah man nur selten im Stall und da hatte sie stets schlechte Laune. Mit Lina hingegen gab es keine Probleme, aber mehr als die herkömmlichen Floskeln tauschten wir einander nicht aus. Samu, wenn ich mich nicht irrte, sah auf ihrer Rappstute, die mit gleichmäßigen Tritten durch den Sand schwebte und einen hohen Grad der Versammlung zeigte. Genauso zuverlässig lief Redo an den Zügel heran. Zur gleichen Zeit war auch eine Frau auf Linas anderen Pferd in der Halle – die eigentliche Besitzerin, wie man mir später mitteilte. Rambi war genauso weit in der Skala, auch wenn ihm der Galopp noch sehr schwerfiel. Bei einem Kampfgewicht, wie er es aufwies, würde ich mich ebenfalls ungern bewegen. Als drittes Pferd in der Runde arbeitete Folkes Freundin mit Schleudergang.
      Ein kräftiger Geruch von Erdnuss und Koriander kam mir bereits beim Öffnen des Gebäudes entgegen, intensivierte sich, je näher wir der Gemeinschaftsküche. Das Grummeln in meinem Magen erinnerte mich daran, dass das Essen zum richtigen Moment angesetzt war. Ausnahmsweise hatte Harlen gekocht, was mir kurz den Hunger verschlug, aber beim nächsten Atemzug setzte das Gefühl wieder ein. Ich hängte meine Jacke an den Haken, zog die Schuhe aus und setzte mich auf die Bank. Elsa, die zuvor noch bei Harlen hochsah und auf Essen hoffte, kam zur mir anlaufen. Die Hündin blickte auch mich mit großen Augen an.
      “Ich habe leider nicht für dich”, präsentierte ich ihr meine leeren Hosentaschen und strich über ihren Kopf.
      “Und, wie gefällt es dir bisher?”, erkundigte sich Bruce und stellte für jeden auf den Tisch, während Neele auf ihr Handy starrte. Schnell huschten ihre Finger über den Display und auf den Lippen lag ein strahlendes Lächeln.
      “Es ist toll, danke für die Möglichkeit”, sah sie von dem Gerät hoch. Endlich legte sie es weg und widmete sich unseren Vorgesetzten.
      “Gern, wir freuen uns jemanden, wie dich im Team willkommen heißen zu dürfen”, sagte er, als wäre eine junge Dressurtussi genau das, was wir für die Isländer benötigten. Wenn es nach mir ginge, könnte man jemanden mit mehr Gangpferdeerfahrung dazu holen, aber was weiß ich. Vielleicht doch. Sie erst seit zwei Tagen auf dem Hof und Harlen hatte diesen einen Blick, den er auch mir zuwarf. Auch am Tisch fiel es mir auf.
      “Jonina, hast du dir schon überlegt, ob Glanni noch zur Fizo soll?”, schien Bruce den Unmut meinerseits zu spüren.
      “Ich bin mir nicht sicher, weil es ziemlicher Stress für ihn ist”, schluckte ich zunächst die Portion herunter, bevor ich ihm antwortete. Natürlich wäre es nur klug einen Hengst zu haben, wenn er auch zur Zucht geeignet war. Glanni entsprach den Zuchtidealen eines Isländers, aber lag es in meinem Interesse seine Gene auf der Welt zu verteilen?
      “Mit Willa oder sogar Thögn könnten tolle Fohlen zur Welt kommen und ich kenne auch jemanden, der eins der Tiere kaufen würde”, erklärte er mit leichtem Nachdruck.
      “Ich werde darüber nachdenken, aber was steht denn noch auf dem Plan?”, versuchte ich wieder zur Arbeit zurückzukommen, doch Neele erzählte freudig über Pferde, von denen am Tisch noch jemand hörte. Entgegen meiner Erwartung versuchte Harlen sogar dem Geschwafel über die beiden Dressurpferde zu folgen. Aber ganz ehrlich? Wer sollte etwas über British Gold und Mystic Fantasy Dahlia, die mit den gleichen Prozenten eine L Dressur in der regional Liga in Kanada gewannen.

      © Mohikanerin // Jonina // 8949 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte November 2020}
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      kapitel fjorton | 14. April 2022

      Einheitssprache / HMJ Divine / Legolas / Schneesturm / Outer Space / Sturmglokke LDS / Maxou / Dix Mille LDS / Binomialsats / Form Follows Function LDS

      Lina
      “Braaav”, sprach ich zu dem dunklen Hengst und strich ihm loben über den kräftigen Hals. Die lange Mähne war in dicken, ordentlichen Zöpfen geflochten, die wie Lakritz in dem schwachen Licht glänzten, welches durch die großen Fenster in die Halle drang. Irgendwie wollten die Lektionen heute nicht so richtig funktionieren, was allerdings weniger am Pferd lag. Wie immer bei der Bodenarbeit war Rambi aufmerksam und versuchte motiviert meine Anweisungen umzusetzen. Nein, heute war definitiv ich das Problem. Die Nacht war wenig erholsam gewesen, denn der Welpe hatte gefühlt die ganze Nacht wimmernd und jaulend sein Leid beklagt und auch Fredna war ziemlich unruhig gewesen. Das nächste Mal sollte ich länger darüber nachdenken, wie wichtig mir mein Nachtschlaf war, bevor ich Vriskas Besuch zustimmte. So nahm mit jeder voranschreitenden Stunde die Müdigkeit zu und das einzige, was meine Konzentration halbwegs aufrechterhielt, waren die mittlerweile fünf Becher Milch mit Kaffeegeschmack, wie Vriska es nennen würde.
      Ungeduldig kratze der Freiberger mit seinem Huf durch den Sand, als es ihm zu lange dauerte, bis ich die Zügel wieder sortiert hatte.
      “Rambi, hör auf Löcher zu graben”, ermahnte ich den Hengst und klopfte ihm auf die Schulter, um ihn zum Aufhören zu bewegen. Ein letztes Mal wiederholte ich noch das Übertreten an der Hand, welches der Hengst vorbildlich ausführte. Schön wäre es, wenn er so auch mal unter dem Sattel funktionieren würde, anstatt ständig seine Männlichkeit unter Beweis stellen zu müssen. So wie Rambi sich dann aufführte, wunderte es mich nur wenig, dass seine Besitzerin ihn nur außerordentlich selten ritt.
      Zufrieden pruste der Braune die Luft aus seinen Nüster und schüttelte den Kopf, nachdem ich ihn von den Zügeln befreit hatte. Mit der Nase stetig am Boden stampfte er, solange durch den Sand, bis er den idealen Fleck gefunden hatte, um sich dort niederzulassen und genüsslich zu wälzen.
      Gerade als ich die Hufe des Hengstes vor dem Verlassen der Halle auskratze, ließ mich das Zuschlagen einer Autotür aufhorchen. Auch Rambi schien das Geräusch wahrgenommen zu haben, denn er reckte mit gespitzten Ohren den Kopf um die Ecke. Das musste Ivy sein. Augenblicklich beschleunigte sich mein Puls und vertrieb jegliche Müdigkeit aus meinen Gliedern. Hastig entfernte ich den Sand auch aus dem letzten Huf und noch bevor ich selbst um die Ecke kam, erkannte ich bereits an Rambis Verhalten, dass breites jemand auf der Stallgasse stehen musste.
      “Samu”, entwich es mir freudig, als ich die Person erblickte. Das Pferd an meiner Seite drängelte voran, wollte unbedingt den Neuankömmling begrüßen. Nur mit großer Anstrengung konnte ich den sturköpfigen Hengst, davon abhalten einfach vorzustürmen.
      > Yllättynyt?
      “Überrascht?”, grinste mich der Finne amüsiert an. Das Pferd steckte ihm neugierig die Nase ins Gesicht, während ich nicht anders konnte, als meine Arme um ihn herumzuschlingen.
      > Joo... missä... En odottanut sinua ollenkaan. Mistä olet kotoisin? Mitä teet täällä?
      “Ja! Wo ... “, stammelte ich aufgeregt vor mich hin, “Ich habe dich überhaupt nicht erwartet. Wo kommst du her? Was machst du hier?” Durch die unerwartete Ankunft meines Freundes bildete sich plötzlich ein riesiger Knoten in meinem Hirn, der jegliches sinnvolles zusammenführen von Informationen verhinderte. Rambi, dem es nicht zu passen schien, dass die Aufmerksamkeit nicht auf ihm lag, schob seinen Schädel zwischen uns und schob uns somit wieder auseinander.
      > Kuka täällä muuten on mustasukkainen?
      “Wer ist der eifersüchtige Geselle hier eigentlich?” Lachend ließ der Blonde seine Hände über den Hals des Tieres bis hinunter zur Brust gleiten und begann dort ausgiebig zu kraulen.
      > Melkein tiedät sen, se on Einheitssprache tai myös rakkaudella Rambiksi kutsuttu
      “Den kennst du schon fast, das ist Einheitssprache oder auch liebevoll genannt Rambi”, antwortete ich und beobachte wie die Ohren des Hengstes sich leicht nach hinten drehten, der Hals eine schöne Wölbung erhielt und sich ein Ausdruck von wahrem Genuss in seinem Gesicht abzeichnete.
      > Freiberger mainoksesta, eikö niin?
      “Der Freiberger aus der Anzeige, nicht wahr?”, erkundigte sich Samu, während der dunkle Hengst immer weiter in den Genüssen versank. Wenn es nach ihm ginge, könne man ihn wohl auch den restlichen Tag lang kraulen.
      > Mutta jos olisin sinä, laittaisin tämän kauniin hänen sänkyynsä jonain päivänä. Koska minulla on jotain... tai ehkä minun pitäisi sanoa, että toin jonkun mukaani, josta tulet varmasti olemaan iloinen.
      “Aber wenn ich du wäre, würde ich den hübschen hier mal in sein Bettchen bringen”, sprach Samu scheinheilig, dennoch vernahm ich das Lächeln in seiner Stimme, ”Ich habe da nämlich etwas ... oder vielleicht sollte ich sagen, jemanden mitgebracht, über den du dich sicher freust.” Natürlich war mir sofort klar, wen er mitgebracht haben mochte. Wenn es denn noch möglich war, schoss mein Plus umso mehr in die Höhe und ich konnte Rambi gar nicht schnell genug zurück auf seinen Paddock bringen.
      Mit schnellen Schritten folge ich Samu schließlich vor den Stall. Auf der weitestgehend schneebedeckten Fläche stand ein Transporter. Ehrfürchtig stand ich daneben, konnte gar nicht glauben, dass der Moment, auf den ich nun schon so lang gewartet hatte, gekommen war.
      > Tule katsomaan
      “Na komm, sieh schon nach”, forderte Samu mich lächelnd auf und schob mich sanft die letzten Meter durch den Schnee. Da ich selbst nur knapp den Verschluss der oben Klappe erreichte, war Samu so freundlich diese für mich zu öffnen. Eine einzelne Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und kullerte warm meine Wange hinunter. Sanfte dunkle Augen blicken mir entgegen, begleitet von einem freudigen Wiehern, bei dem kleine, weiße Atemwölkchen in die Luft emporstiegen. Da stand er, Divine, die kleinen, niedlichen Ohren aufmerksam gespitzt, beinahe so wie ich ihn zurückgelassen hatte. Einzig das dicke, weiße Fell, welches ihn aussehen ließ wie ein Teddybär, war neu. Mit zittrigen Fingern ließ ich die Hängerklappe hinunter und kletterte zu ihm hinein.
      > Kaipasin sinua pikku yksisarviseni
      “Ich habe dich vermisst, mein kleines Einhorn”, hauchte ich Ivy leise zu und ließ meine Finger durch sein langes Fell gleiten. Es war tatsächlich noch weicher als es aussah. Der weiße Hengst brummelte leise und stupste mich zaghaft ab. Aus meiner Jackentasche angelte ich ein Leckerli heraus, welches er mit weichen Lippen von meiner Hand fischte. Erst als sich eine weitere Pferdeschnauze in den Vordergrund drängte und ebenso nach einem Leckerbissen verlange, bemerkte ich das weitere Tier. Seidig glänzte das schwarze Fell im Halbdunkeln des Transportes. Aus Augen, so blau wie Kanadas Bergseen, blickte mir das Pferd entgegen und den Kopf geziert mit einer charakteristischen breiten Blesse.
      > Otit myös Legolaksen mukaasi! Tarkoittaako se sinua...?
      “Legolas hast du ja auch mitgebracht! “, rief ich aus und blickte Samu fragend an, “Heißt das du ...? Er nickte, noch immer ein Schmunzeln auf den Lippen: “Ja, ich bleibe”
      Kaum zu glauben, wie er fröhlich grinsend vor mir stand, obwohl ich ihn mindestens hundertmal gefragt hatte, wann genau er endlich hier nach Schweden ziehen würde. Hatte der Blödmann mich doch tatsächlich einfach die ganze Zeit angelogen und fand sich auch noch toll dabei.
      > Kuinka kauan olet ollut täällä?
      “Wie lange bist du schon hier?”, frage ich argwöhnisch, denn mich beschlich der Verdacht, dass Samu auch in dieser Sache nicht ganze Wahrheit von sich gegeben hatte.
      > Niin kauan kuin hevosesi on
      “Solange wie dein Pferd auch”, grinste er und in seinen Augen funkelte es schelmisch. Es erschien mir beinahe so, als hätte die Leute in letzter Zeit ziemlich viel Freude daran mir Informationen zu unterschlagen. Immerhin stand stets der Zweck dahinter, mir eine Freude zu bereiten.
      >Haluammeko purkaa ne kaksi vai haluatko jatkaa minua?
      “Wollen wir, die beiden auch mal ausladen oder möchtest du mich weiter böse anstarren?”, lachte er vollkommen ungerührt von meinen Blicken.
      > Tottukaa
      “Ja, natürlich”, entgegnete ich leicht pikiert und löste Ivys Strick. Vertrauensvoll folgte mir mein Hengst die Rampe hinunter, auch wenn er durch die Transportgamaschen, mehr wie ein Storch anmutete als einem Pferd. Während ich etwas abseits, darauf wartete, dass auch Samu seinen Hengst auslud, reckte Ivy neugierig die Nase zu Boden und schnupperte an dem Weiß an seinen Hufen. Ich erfreute mich an dem Anblick, wie der helle Hengst nach der ersten Inspizierung die Zunge ausfuhr und begann an dem Schnee zu schlecken. Routiniert ließ auch Lego sich abladen und blickte mit wachen Augen um sich. Gemächlich trudelten einzelnen Schneeflocken vom Himmel und blieben in den Mähnen der Pferde hängen. Auch auf der blauen Fleecedecke, die das langbeinige Warmblut umhüllte, glitzern die Eiskristalle.
      Sanft am Strick zupfend, erlangte ich die Aufmerksamkeit meines Pferdes zurück und schlug den Weg in Richtung Stall ein. Bei Betreten desselben, verkündenden die beiden Hengste ihre Ankunft und bekamen sogleich eine mehrstimmige Antwort. Zielstrebig steuerte ich eine der großen Boxen an, die bereits für Ivy vorbereitet gewesen war, als plötzlich ein kleiner schwarz-weißer Blitz angerannt kam, der beim Versuch zu Bremsen über seine eigenen noch viel zu großen Pfoten purzelte. Interessiert streckte mein Pferd den Kopf dem Welpen entgegen, der mit eingezogenem Schwanz zurückwich. Als wundere sich Ivy über die seltsame Reaktion des Wesens, drückte er sich an meinen Oberkörper. Dabei schien Fred, wie wir ihn bisher nannten, doch mutiger zu sein. Tollpatschig, setzte ein Bein vor das andere. Anstelle weiterer Bekanntschaften mit Ivy zu machen, bemerkte er ein lockeres Band der Decke, schnappte zweimal danach und hatte es schließlich zwischen den kleinen Zähnen. Wie wild geworden zerrte er daran. Irritiert über das herum geziehe, drehte der Rappe die Ohren nach hinten, wagte sich aber auch nicht mehr sich zu bewegen.
      > Saanko esitellä, tämä on Fred meidän löytöpoikamme
      “Darf ich vorstellen, das ist Fred unser Findelkind”, erklärte ich Samu das Auftauchen des Welpens. Der Finne ging in die Hocke und versuchte den Welpen anzulocken, doch die Decke schien um ein vielfaches Spannender. Divine hatte das Interesse an dem kleinen Fellbündel, längst verloren und durchsuchte lieber mich nach weiteren Leckereien. Vermutlich hatte er schon längst gerochen, dass ich heute sogar extra seinen Lieblingssnack bei mir trug, in Form von Pastinakenchips. Das leise Rascheln, welches meine Finger erzeugten, erweckte nicht nur größeres Interesse bei meinem Pferd, sondern auch der Welpe schien interessiert daran, was ich aus meiner Tasche holte. Mit dem ganzen Hinterteil wackelnd blickte er zu mir hoch und stürzte letztlich sogar, die Vorderpfoten an meinem Knie ab und die Schnauze näher an die Quelle der Geräusche zu bringen.
      “Ich glaube ja, nicht, dass du das magst”, sprach ich zu dem Hund, hielt ihm aber dennoch eine der getrockneten Gemüsescheibchen hin. Die dunklen Nasenflügel bebten, bis Fred gierig danach schnappe und sich mit seiner Beute auf die Decke verzog, die ein paar Meter weiter lag. Mein Hengst entgegen, dem es zu lange dauerte, bis er sein Leckerli bekam, strecke mir seine rosafarbene Schnauze ins Gesicht und klappte sanft die Lippen auf und zu. Dieses Verhalten mag zwar äußerst niedlich erscheinen, ist auf Dauer aber ein wenig nervtötend, vor allem, weil Ivy ein Talent dafür besaß, dies in den ungünstigsten Moment zu tun. Sanft schob ich den wuchtigen Kopf beiseite, bevor ich ein Stück des Gemüses zwischen die gierigen Lippen schon. Selbstverständlich bekam Legolas, der die ganze Szene mit aufmerksam gespitzten Ohren beobachte, ebenso ein Leckerli.
      Nachdem nun alle hungrigen Mäuler gestopft waren, konnten wir auch die letzten Meter zu der geräumigen Box beschreiten.
      > Esimerkiksi Lego siinä
      “Wie, Lego auch darein?”, fragte Samu etwas schwer von Begriff als ich ihn deutet seinen Rappen ebenfalls in die Box zu führen, bevor ich dem Freiberger das Halfter auszog.
      > Kyllä, jos katsoisit ympärillesi, huomaat, että kaikki nastat elävät täällä niin. Tällä on myös se etu, että kaksikko voi tottua siihen rauhassa ennen kuin heidät päästetään irti laumasta eivätkä silti ole täysin yksin.
      “Ja”, nickte ich bestätigend, ”wenn du dich hier mal um siehst, würdest du erkennen, dass die Hengste hier alle so wohnen. Außerdem hat das den Vorteil, dass die beiden sich so erst einmal in Ruhe eingewöhnen können, bevor sie auf die Herde losgelassen werden und sind trotzdem nicht ganz allein.” Die Erklärung schien ihm einzuleuchten. Legolas marschierte, kaum war das Halfter runter, direkt nach draußen, um seinen neuen Balkon zu erkunden. Wie nicht anders erwartet, stürzte der Freiberger sich direkt auf den Heuhaufen in der Ecke, bevor er sich mampfend die neue Umgebung ansah. Stundenlang könnte ich hier stehen und Ivy beobachten, doch als Samus Rappe von einer leichten Schneeschicht überzogen, wieder hineintrat, fiel mir ein, dass eine Abschwitzdecke wohl nicht die beste Wahl für freien Paddockgang war. Divine mit seinem dicken Eisbärenpelz würde problemlos ohne Decke auskommen, doch der Hannoveraner, der von Großteilen seines Felles beraubt wurde, würde bei der Kälte noch glatt erfrieren. Seinem Besitzer war offenbar schon der gleiche Gedanke gekommen, denn er verschwand zurück zum Transporter, tauchte allerdings mit leeren Händen wieder auf.
      > Onko teillä jossain vilttiä Legolle? Ilmeisesti unohdin pakata sen.
      “Hättest du zufällig irgendwo eine Decke für Lego? Offenbar habe ich wohl vergessen die einzupacken.” Wow, ein Wunder. Eigentlich war doch Samu der Organisierte von und beiden der doch nie vergaß etwas einzupacken. Natürlich konnte ich nicht widerstehen, als ihn ein wenig damit zu triezen.
      > Oletko tulossa vanhaksi ja unohtelevaksi
      “Wird du etwas langsam alt und vergesslich?”, lachte ich, schlug aber sogleich den Weg zu Sattelkammer ein. In dieser Sammlung von Pferdezubehör würde sich sicher etwas für den Rappen finden lassen.
      > Älä ole niin röyhkeä, nuori nainen
      “Seien sie mal nicht so frech, junge Dame”, sagte er beinahe ernst, nur konnte er das Schmunzel nicht ganz verstecken.
      > En minä
      “Ich doch nicht”, grinste ich ihn an und wich erfolglos seiner Kitzelattacke aus. Dies rief nun auch Fred wieder auf den Plan, der bellend angelaufen kam und mitspielen wollte. Wild sprang der Welpe an uns hoch und wuselte uns durch die Füße, bis Samu ins Straucheln geriet und mich mit sich zu Boden riss. Glücklicherweise hatte er schon immer ein gutes Reaktionsvermögen gehabt, was ihm indessen dabei half den Sturz abzufangen, weshalb ich relativ weich auf seiner muskulösen Brust landete. Begeistert stürzte sich der Hund mit in das Knäuel, zerrte an meinen Zöpfen und kläffte bis er triumphierend auf der Brust des Finnen stand und aussah als hätte er gerade einen Hirsch erlegt.
      “Ich freue mich sehr für euch, dass ihr endlich dazu bereit seid, euch die unbestreitbare Liebe zu gesehen”, ertönte es unverkennbar hinter uns. Die gleichmäßigen kurzen Schritte nacheinander konnten nur von einer Person stammen und die tiefe Stimme dazu – Vriska kam. Von Samus Brust sah ich auf. Breit grinste sie, hielt dabei einen Kaffee in der Hand und wurde von Trymr begleitet, der beim Anblick des kleinen Clowns an Ort und Stelle verweilte.
      “Wisst ihr”, stand sie mittlerweile dicht neben uns, nahm einen kräftigen Schluck aus der schwarzen Tasse und sah nach unten, “ich bin wirklich die Letzte, die euch beide verraten würde, aber ich möchte euch daran erinnern, dass jeder von euch eine Beziehung führt. Also, ich schweige wie ein Grab.” Ich wollte etwas erwiderte, doch einzig ein ziemlich klischeehafter Satz kam mir in den Sinn. Nein, Lina, das würde es nur seltsamer machen.
      „Ähm … Ja“, stammelte ich aus dem Konzept gebracht, „dein Hund … fand uns wohl auf dem Boden hübscher.“ Vollkommen sinnbefreit strich die Falten von Samus Pulli glatt, bevor ich begann mich aufzurappeln. Besagter Kerl äußerte sich nicht zu der Situation, schien sich viel eher über meine Reaktion zu amüsieren.
      „Ihr wisst, dass man jederzeit kostenlos hier heiraten kann? Ich würde euch auch fahren“, fummelte Vriska in der riesigen Tasche der Jogginghose und holte einen klimpernden Schlüsselbund heraus. Triumphierend hielt sie es in der Hand nach oben. Was hatte sie da eigentlich alles daran? Das Ding sah nicht aus, wie ein typischer Bund, nein, da hingen tausende Schlüssel, ein langes Band, diverse Anhänger und ich würde lügen, wenn die beiden Fernbedienung nicht zu einem Auto gehörten.
      „Und was den Hund betrifft“, ging sie schließlich in die Knie, „aktuell gibt es noch kein dein und mein. Es ist der Hund.“ Die vorherige Freunde in der Stimme war wie verraucht. Sie hatte doch entschieden sich erst einmal, um Fred zu kümmern, was konnte sie so schnell umstimmen?
      “Danke, aber ich hatte weder heute noch in näherer Zukunft vor zu heiraten, egal wen”, lehnte ich ihr Angebot dankend ab. So wirklich verstand ich nicht, was immer alle bezüglich Samu und mir wollten. Ich meine ja, wir standen uns sehr nahe, führten auch eine sehr innige Beziehung, aber mit den romantischen Gefühlen, die eher aus einer kindlichen Naivität herrührten, hatte ich schon ziemlich lange abgeschlossen. Mittlerweile hatte auch Samu sich vom Boden erhoben und stand grinsend wie ein Schuljunge neben mir.
      Was den Hund anging, hatte ich auch, ohne dass Vriska etwas dazu sagte, das Gefühl, dass die Besitzverhältnisse nicht wirklich zur Debatte standen.
      “Alles okay, wegen des Hundes? Gestern klangst du noch deutlich erfreuter?”, hakte ich bei Vriska nach, denn ich hatte nicht das Gefühl, dass es nur eine ihrer Launen war, die Auslöser dafür waren.
      “Ich habe mir erst das da angelacht”, sah sie zu dem fressenden Pony hinüber, das nur noch an den Ohren Fell hatte und eine dicke Decke trug, “da kann ich nicht noch so einen Pflegefall aufnehmen, und außerdem.” Es klang, als würde ihre Stimme versagen. Hörbar atmete sie ein und aus, rückte allerdings nicht weiter mit der Sprache heraus. Stattdessen wurden ihre Augen glasig.
      “Außerdem, was?”, fragte ich einfühlsam, blieb aber beharrlich. In einer ermunternden Geste berührte ich sie behutsam und auch Trymr presste sich an ihre Seite.
      “Macht er meine Beziehung kaputt”, flüsterte in den hohen Kragen der Jacke. Daher rührte der Meinungswechsel also. Samu, der die Emotionalität der Lage zu erfassen schien, zog sich pietätvoll zurück.
      “Magst du genauer erklären, warum du das denkst? Gibt es eine Schwierigkeit mit dem Kleinen oder was ist das Problem? ”, versuchte ich näher zu ergründen, was sie bewegte.
      “Er hat nur noch Augen für Hund, als wäre ich Luft. Das ist das Problem”, seufzte sie, sah kurz zu Samu, der missverstanden das Gesicht verzog, aber sich aus dem Gespräch heraushielt. Stattdessen versuchte er sich den beiden Hengsten zuzuwenden, aber an seiner Kopfhaltung erkannt ich sofort, dass er zuhörte und dabei unauffällig wirken wollte.
      “Das wird sich legen. Das ist wie mit einem neuen Spielzeug, die ersten Tage ist es furchtbar spannend und steht im Mittelpunkt und wenn es dann normal ist, dass es da ist, nimmt alles wieder alltägliche Formen an. Außerdem rede mit deinem Freund, ich bin mir sicher er macht das nicht absichtlich”, versuchte ich sie aufzuheiternd, den kleinen Teufel in meinem Kopf ignorierend, der sich darüber beschwerte, dass sie ihren Freund immerhin täglich zu Gesicht bekam.
      “Spielzeug also?”, kam Schritte näher und her. Erik grinste gutmütig, schüttelte den Kopf und begrüßte zu nächst den kleinen Hund, der sich von Samu löste. Je mehr Menschen dazu kamen, umso mehr Freude strahlte das Tier aus, als gäbe es nichts Besseres als unsere Gesellschaft. In Vriskas Gesicht hingegen färbten sich die schmalen Wangen rot. Sie versuchte alles, um ihren Freund nicht anzublicken, schielte jedoch mit den Augen zu ihm, als triebe eine unsichtbare Kraft sie an. Es war ja klar, dass Erik genau dann auftauchen musste, wenn es um ihn ging.
      “Du weißt schon, dass du nicht darum herumkommen wirst ihn heute irgendwann wieder anzusehen?”, flüsterte ich Vriska leise zu, “Alles okay oder sollen wir woanders hingehen?” Im Hintergrund tauchte nun auch wieder Ivys Kopf aus dem Heu auf. Entweder er spürte Vriskas Unsicherheit oder er wollte sich noch ein Leckerli oder wenigstens eine Streicheinheit zu erbitten, wenn schon so viele Menschen auf der Stallgasse herumstanden.
      “Du kannst mit in den Wald kommen, wenn du Lust hast”, schmunzelte sie dann, “wollte mal schauen, was Maxou vom Handpferd Dasein hält.” Der verschneite Wald lud geradezu dazu einen winterlichen Ausritt zu unternehmen, aber dann waren da auch noch Ivy und Samu, die ich Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Hin- und hergerissen, betrachtete ich meinen Hengst, der in seiner drolligen Art die beiden Männer belästigte.
      “Das klingt gut, aber Samu ist extra hergekommen”, versuchte ich ihr meine Misere zu erklären, “Ich kann ihm doch dann jetzt nicht einfach so weglaufen?”
      Langsam senkte sie ihren Kopf, warf mir von unten einen direkten Blick die Augen. Dann begann sie wild zu gestikulieren, was die Pony Stute auch aus der Reserve lockte. Neugierig spitzte sie die Ohren, brummte leise, als Erik sich zu ihr bewegte. Natürlich, wie konnte ich das nur übersehen haben, hier waren tausende Pferde.
      “Wir drücken ihm ein Pferd in die Hand und los gehts, warum solltest du weglaufen?”, kramte sie nach dem Handy und schaute vermutlich nach, welche Tiere für den Tag noch zur Verfügung standen.
      Mit der flachen Hand schlug ich mir gegen die Stirn: “Stimmt ja, wir haben ja ausreichend Pferde.” Divine forderte Samu, der zwischenzeitlich aufgehört hatte ihn zu kraulen, stupsend auf damit fortzufahren.
      “Während du da noch schaust, gehe ich Lego mal endlich eine vernünftige Decke holen”, schloss ich an, denn die Flocken, die er mit hineingebracht hatte, waren mittlerweile geschmolzen und hinterließen dunkle Flecken auf dem Stoff. In der Sattelkammer fand ich zwischen den hunderten von Decken, tatsächlich recht schnell ein Modell, welches dem Rappen passen sollte.
      “Da, bitte schön”, drückte ich Samu die gefütterte Decke in die Hand. Leise brummelte Ivy und drückte mir etwas unsanft seinen Kopf gegen die Brust. Sanft strich ich über sein weiches Fell, während Samu seinem Hengst die Abschwitzdecke vom Rücken zog. Darunter kam ein Pferd zum Vorschein, welches ziemlich kahlgeschoren war, einzig in der Sattellage, an den Beinen und am Kopf stand noch etwas von dem plüschigen Winterfell. Gut, dass ich intuitiv zu der dickeren Decke gegriffen hatte.
      “Und welches von den hübschen Tieren hier darf ich gleich mitnehmen?”, fragte der Finne und warf mit einer schwungvollen Bewegung die Decke über den Rücken des Hannoveraners, wobei leise die Verschlüsse aneinander klimperten.
      “Das ist eine ziemlich gute Frage”, entgegnete ich, blickte kurz auf die Stall Gasse, doch Vriska war bereits verschwunden, um ein Pferd zu holen. Somit zog auch ich das Smartphone aus der Jackentasche, um selbst einen Blick in das System zu werfen. Interessiert scrollte ich durch die Pferde, die heute noch bewegt werden mussten und entdeckte dabei auch gleich einen Kandidaten, der mir sehr zusagte.
      “Also ich werde Sturmi nehmen”, verkündete ich schließlich entschlossen, “Möchtest du lieber etwas Ruhiges oder etwas mit ein wenig mehr Temperament?”
      “Es darf gerne etwas Charakterstarkes sein”, antworte Samu und strich dem lackschwarzen Hengst über den Hals, der mit eisblauen Augen neugierig seine Bewegungen beobachtete.
      “Gut, dann ständen Flyma und Alfi zur Verfügung. Letzterer ist recht spritzig und Flyma ein Überraschungspaket, sie ist meisten brav, kann aber auch ziemlich eklig werden”, stellte ich ihm die Auswahl vor. Daraufhin entschied er sich für den Hengst.
      “Na dann holen wir die beiden mal”, entgegnete ich dem Blonden fröhlich gestimmt.
      “Und zu dir komme ich später noch einmal, mein Hübscher”, raunte ich Ivy in die plüschigen, kleinen Ohren und steckte noch einen Snack in die beiden rosafarbenen Schnauzen, die sich mir entgegenstreckten.
      Auf dem Weg nach draußen, um die beiden Tiere zu holen, verfasste ich noch schnell eine Instagram Story mit einem Bild, welches ich beim Ausladen aufgenommen hatte, um zu verkünden, dass der weiße Hengst nun endlich Zuhause angekommen sei. Jedes Mal wieder, wenn ich einen Post über meinen Hengst verfasste, erstaunte es mich wie viele Leute scheinbar Interesse an einem einzigen Pferde zeigten. Okay, während die Challenges des Horse Makeover noch lief, konnte ich das Interesse insofern nachvollziehen, als man die Kandidaten verfolgen wollte, um einen Überblick über die Fortschritte zu erhalten. Vielleicht diente es auch dazu bereits erste Voraussagen zu treffen, wer das Makeover gewinnen könnte oder ob es sich Lohen würde bei der geplanten Auktion am Ende des Events vorbeizuschauen. Aber was jetzt noch an Divines Training interessant sein sollte, leuchtet mir nicht wirklich ein. Bisher erkannte ich kein außergewöhnliches Potenzial bei dem Tier, genauso wenig gab es ein festes Ziel, worauf ich hinarbeite, davon abgesehen, dass Ivys Gesundheit immer im Vordergrund stand. Genau so wenig gab es Turniererfolge zu bewundern und Methoden und Trainingskonzept folgte eher Intuition als festgeschrieben Regel und Philosophien. Dennoch schien es etwas zu geben, was die Menschen anzog, denn entgegen meinen Erwartungen, stiegen die Followerzahlen weiterhin an. Ein Gedanke, so flüchtig wie Reh, welches im gleißenden Scheinwerferschein die Straße kreuzte, schoss mir durch den Kopf und suggerierte mir ein Gefühl, dass Ivy zu mehr bestimmt war, als ein Hund in einem Pferdekörper zu sein. Nur wie und was genau das sein sollte, eröffnete mir dieser Gedanke nicht.
      “Welcher von den Hübschen ist denn meiner?”, fragte Samu und holte mich damit zurück in die Realität und den bevorstehenden Ausritt. Das Handy, welches die Zeit über in meiner Hand geruht hatte, ließ ich wieder meine Tasche zurückgleiten.
      “Der große Schimmel da”, antworte ich ihm und deutete auf Alfi, der am Heu stand. Wenig später kehrten wir, jeder mit einem Hengst am Halfter zurück in den Stall. Vriska war mittlerweile auch wieder aufgetaucht und stand bereits mit Schneesturm, der Mutter des jungen Hengstes, der mir folgte, am Putzplatz. Erst jetzt kam mir der Gedanke, dass die Wahl mit zwei Hengsten vielleicht nicht die aller klügste Entscheidung war, zumal bei Maxou keiner wusste, wie sie reagieren würde.

      Kalmar

      Niklas
      Bino scheute bereits nach wenigen Metern vor der Autobahnbrücke und wollte keinen einzigen weiteren Schritt in diese laute und angsteinflößende Richtung setzen. Unruhig schlug sein Schweif von oben nach unten. Die Ohren lagen eng am Genick und einige Male drohte er mir mit Bissen. Auch, wenn er mich dabei nicht traf, wirkte es nicht nach einer vielversprechenden Idee, ihn noch mehr Stress auszusetzen. Wir ließen die stark befahrende Straße hinter uns und sofort stellten sich Binos Ohren wieder auf. Ruhig schnaubte er ab, noch bevor ich beschloss den Strick lockerer zu lassen, drehte er den Kopf panisch von links nach rechts. Am Gestüt wurde die Geräuschkulisse wieder vordergründig. Neben uns, wenn auch auf sicherer Entfernung, versuchte ein Mitarbeiter den Traktor zu starten, während zwei Pferde auf dem großen Paddock quietschend miteinander spielten. Von vorne kam eine Gruppen Reiter entgegen, unterhielten sich und die Tieren klapperten mit den Eisen auf dem Stein. Das alles sorgte dazu, dass Bino erneut mit dem Schweif schlug und die Hufe vom Boden erhob. Laut schnaufte er.
      “Na, hast du ihn nicht im Griff”, feixte Phina auf ihrem edlen Ross. In ihrem Gesicht zeichnete sich ein schelmisches Grinsen, dass sie sich für meinen Geschmack auch hätte verkneifen können. Stattdessen schwieg ich und sprach ruhig auf den Hengst ein, der noch immer am Strick hampelte. Erst als Truppe hinter uns verschwand, die Gespräche in den Hintergrund rückten, kam Bino zur Ruhe. Sanft strich über den Hals, der mit ungleichmäßig verschwitzten Flecken bedeckt war. Ich konnte mir vorstellen, wie so ein Muster entstehen konnte, wollte mir aber in den kommenden Tage noch ein vollständiges Bild des Hengstes machen. Bewegung war wichtig, deswegen entschied ich, ihn noch für eine gewisse Zeit in die Führanlage zu stellen.
      Überraschenderweise lief bereits ein Pferd darin, eins, das ich zuvor noch nicht am Hof gesehen hatte. Der Rappe trug eine rosafarbene Decke, die rundum am Hals mit Lammfell geschmückt war. Aufmerksam spitzte Bino die Ohre, als er das andere Pferd erblickte und brummte leise. Sein Kopf wippte leicht mit klimperndem Strick am Halfter.
      „Niklas, oder?“, fragte die dunkelhaarige Frau, die gespannt ihren Rappen beobachtete.
      „Ja, und mit wem spreche ich?“, versuchte ich meine Unwissenheit zu befriedigen. Doch sie sah keine Notwendigkeit dafür, stattdessen drehte sich um und blickte mich selbstsicher an. Auf ihren runden Lippen lag ein verschmitztes Lächeln und ihre Augen strahlten wie tausend Sonnen, aber aus welchem Grund? Ebenso beachtlich war ihr Körper. Es gab keinen sinnigen Vergleich für eine Schöpfung der Natur. Passend dazu hatte sie eine wunderschöne lackschwarze Stute, gezeichnet mit einer breiten regelmäßigen Blesse, die sich in Augenhöhe verjüngte und eine Art Stern auf der Stirn bildete.
      Nicht nur ich hatte ein äußerst anregendes Erlebnis mit der neuen Bekanntschaft, sondern auch Bino. Neugierig streckte er sein Hals der Dame entgegen, die sich noch immer nicht vorstellen wollte, aber fröhlich von ihrem Pferd erzählte, das wohl Dixie hieß. Sie war am Abend angekommen nach einer langen Reise aus Frankreich. Was die beiden von so weit weg nach Schweden trieb, konnte ich in der kurzen Unterhaltung nicht erfahren. Freundlich bot sie an Bino zurück in den Stall zu bringen, wenn die Einheit vorbei war.
      Erst die Vibration meines Handys erinnerte mich daran, was ich tun wollte und die Nachricht, dass ich eine Beziehung führte. Lina schickte mir ein Foto von Divine, der offenbar auf dem Hof angekommen war. Für einen Moment sah ich den weißen Hengst auf der verschneiten Weide an, sendete ein Herz und schloss den Chat wieder. Von der Dame verabschiedete ich mich und wie von selbst bewegten sich meine Beine auf dem festen Weg entlang zur Brücke, um dahinter in den endlosen Wald zu gelangen. Dabei fummelte ich aus der engen Hosentasche den kleinen Kasten der Kopfhörer heraus und steckte sie mir nacheinander in die Ohren. Noch während ich durch die Musikbibliothek scrollte und unentschlossen einen Titel nach dem anderen auswählte, um ihn zu überspringen, vibrierte es erneut. Ich klickte auf den Banner und gelangte wieder in den Chat. Lina hatte eine Sprachnachricht gesendet. Neugierig tippte ich darauf und wurde zunächst von der lauten aber fröhlichen Stimme erschreckt. Sie schwärmte davon, ihren Hengst endlich wiederzusehen und wünschte sich, dass nach dem Stall zu ihr käme. So wirklich überzeugt war ich von dem spontanen Entschluss nicht, aber sah darüber hinweg, schließlich hatte sie ihr Pferd ewig nicht gesehen. Ich verstand, dass sie den Moment mit mir teilen wollte. Also stimmte ich zu, aber wusste nicht genau, wann ich da sein würde. Seufzend schloss ich den Chat wieder. In der Bibliothek dauerte es noch viele Meter, bis ich mich für die Sport-Playlist entschloss und mein Handy auf stumm stellte. Es verschwand in der Innentasche der Jacke.
      Erst im Wald war ich mit mir allein. Der Weg erstrahlte in einer weißen Decke aus Schnee und im Unterholz hatte sie die Natur bedeckt. Nur einige Hufabdrücke zeichneten sich in der Oberfläche, die ansonsten unberührt um mich herum lag. Jeder Schritt wurde sanft abgefedert und Schnee knarrte spürbar unter den dünnen Sportschuhen. Egal, wie das Wetter war, Schweden konnte mir immer das Wasser reichen. So ließ ich mich treiben durch die Winterwelt, durchdachte all die nervenaufreibenden Situationen der letzten Tage als wäre ich ein Außenstehender in meinem Leben. Wie würde es mit Smoothie weitergehen? So könnte mein Pferd an einer experimentellen Studie teilnehmen, die eine OP des Knorpels beinhaltet und einer medikamentösen Therapie. Die Ergebnisse waren bisher vielversprechend. Also bestände doch die Möglichkeit, mit ihr die Qualifikation zu bekommen? Und was war mit Form? Sollte die Rappstute mit den leuchtenden blauen Augen bei mir bleiben, in der Dressur gefördert werden und mein aktueller Wegbereiter sein? Zu guter Letzt war da noch Bino, den ich zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer einschätzen konnte. Der Hengst war panisch und verspannt, vielleicht hatte er sogar Schmerzen. Ein Tierarzt musste kommen.
      Mit nassen Füßen kehrte ich zurück zum Hof. Es war leerer geworden, nur noch vereinzelt trieben sich Leute an den Ställen auf. In der Umkleide traf ich auf Eskil, der sich, wie der Name schon sagte, umzog.
      > Jag tror att du är på fel ställe.
      „Ich denke, dass du hier falsch bist“, merkte ich abfällig an und zog das verschwitzte Shirt aus, das sogleich im Schrank landete. Er schwieg, aber schielte mit flüchtenden Blicken zu mir, die sekündlich länger wurden, bis ich sie wie Feuer auf meiner Haut brannten, folgend bei jeder Bewegung meines Körpers. Ich fühlte mich wie ein Tier im Zoo, wenn auch die Gitter fehlten, um uns räumlich voneinander zu trennen. Etwas schrie in mir, als wolle es aus der unangenehmen Situation entfliehen, in der wir oberkörperfrei nebeneinanderstanden. Nicht, dass es mir angenehm war, mich mit oder vor anderen auszuziehen, viel mehr war es er als Person, der ein undefiniertes Gefühl auslöste. Peinlich berührt schluckte ich und formte meine lockeren Gesichtszüge wieder in eine gerunzelte Stirn, mit dem Blick in meinen Schrank. Noch bevor die Unannehmlichkeit von mir fiel, spürte ich eine warme und ziemliche weiche Hand auf meine Schulter, klein war sie. Allerdings groß genug, dass ich mich in Sicherheit geborgen fühlte, als wäre es nicht jene, die ich zu verabscheuen vermag.
      > Jag tror inte att.
      “Ich denke nicht”, flüsterte er mir von der Seite ins Ohr. Erneut lief es mir kalt den Rücken herunter, doch anstelle mich endlich selbst davon zu befreien, schwieg nun ich, verkroch mich gedanklich in meinem Kopf. Es war unglaublich still geworden, nur mein Herz schlug wie wild in der Brust. Ich versuchte alle Zeichen meines Körpers zu verstehen, besser auf meine Gefühle zu konzentrieren – Wo waren sie? Kein Hass, kein Ekel und auch keine Abneigung lauerten wie gefräßiges Tier auf mein Opfer, stattdessen genoss ich die Berührungen, wünschte mir für einen kurzen Augenblick, dass sie niemals enden würde. Als hätte Eskil meine Gedanken lesen können, fuhr er langsam an meiner rasierten Brust entlang. Ich spürte jede kleinste Bewegung, wie seine Finger zuckten und meine Haut eine winzige Gänsehaut bildete. Dabei schloss ich langsam die Augen und legte leicht den Kopf in den Nacken, wollte diese zarten Berührungen. Es war mir egal, was er darstellte für mich. Erst jetzt gelang es mir den Kopf freizubekommen. All der Stress der letzten Tage fiel von mir ab und keine Dusche der Welt konnte mir diese Befriedigung geben. Mit einem sanften Druck zog er sich näher an mich heran. Seinen Atem spürte ich immer deutlicher an kühlen Haut am Hals, bis sich schließlich ein feuchtes Gefühl daran ausbreitete, zusammen mit einem Paar Lippen, das langsam zu meinem Kiefer wanderte. Was passierte hier? Gute Frage, kurz erinnerte ich mich, was ich überhaupt in der Umkleide wollte, doch das Kribbeln, das sich vom Hals aus in meinem Körper ausbreitete, holte mich in die Realität zurück. Stoßhaft atmete ich ein und wieder aus, versuchte mich ruhig zu verhalten und keine Aufmerksamkeit zu erregen.
      Kurz öffneten sich meine Augen, schweiften von der linken zur rechten Seite, doch wir standen in der zweiten Reihe der Schränke vor den Duschen und selbst, wenn jemand durch die Tür kommen würde, müsste dieser erst um die vorderste laufen. Damit versank ich wieder, gehalten von seinen kräftigen Armen, in der kleinen Trance. Es fühlte sich nicht real an, als wäre es ein Traum, der mich daran erinnern sollte, das Leben weniger ernst zu nehmen und mit den Füßen auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben, aber jede dieser Berührungen war echt. Das Kribbeln verwandelte sich in ein leichtes Ziehen im Bauch und wechselte zu einem undankbaren Engegefühl in der Hose, was nur für kurze Dauer unbemerkt blieb. Die Lippen an meinem Hals lösten sich, aber ich wollte mehr. Ohne weiter darüber nachzudenken, drehte ich mich um zu ihm. In seinen grauen Augen funkelte die Erregung und im Gesicht breitete sich ein verschmitztes Lächeln aus, das nicht viel mehr sagte als “Wir wussten es beide”. Kurz seufzte ich, aber konnte nicht anders, als mich meiner Lust hinzugeben, mich an ihn zu drücken und auch seine zu verspüren.
      Viele Minuten vergingen, ehe wir mit langem Abstand die Umkleide verließen. Ich hatte mich schließlich doch noch dazu entschieden, unter der Dusche zu verschwinden, nicht nur, den Schweiß von der ausgiebigen Runde abzuwaschen. So klebte sein Geruch überall an mir, krallte sich fest wie eine wütende Katze. Es war befreiend, also nicht nur das Wasser auf meinem Körper, sondern diesen bedauerlichen Druck los zu sein, die Alltagswut, die ich jeden Tag mit mir herumschleppte und nicht mehr in das Gefühl der Losgelassenheit zu kommen. Also, wie sollte ich mit so viel zerstörerischer Energie von einem meiner Pferde verlangen, dieses Gefühl zu erreichen? Ich war frei, lächelte wieder und konnte trotz des beschämenden Gedankens im Kopf, meiner Freundin in alter Frische, wie sie mich kennengelernt hatte, begegnen. Den Wasserhahn schaltete ich aus, stieg aus dem Feuchtgebiet und trocknete mich ab.
      > Vad hände med Eskil?
      “Was ist denn mit Eskil passiert?”, fragte Chris, der überraschend an seinem Spind stand und seine Wertsachen verstaute.
      > Vi kunde lösa våra problem.
      “Wir konnten unsere Probleme klären”, antwortete ich wahrheitsgemäß und trocknete mich vollständig ab. Er nickte nur zufriedenstellend. Man sollte erwähnen, dass er nicht zu den Menschen gehörte, die intensiv Dinge hinterfragte, oder mehr wissen wollte, als nötig war. Die Tatsache stand im Vordergrund und diese bestand daraus, dass der Stress zwischen uns, erst einmal, geklärt war.
      > Kommer du till skogen?
      “Kommst du mit in den Wald”, drehte er sich von dem Schrank weg, das verneinte ich nur und dann verschwand er. Beim Anziehen stellte ich im Spiegel fest, dass sich ein minimaler Fleck an meinem Hals befand, Mist. Wäre es Chris aufgefallen, hätte ich ihm eine Erklärung geschuldet, somit musste ich nur hoffen, dass auch Lina nachher nicht auffallen würde. Mit der frischen Energie zog ich mich an und verließ die Hütte, um die Rappstute aus der Box zu holen.
      Aber wie den kleinen Dämonen auf meiner Schulter, trieb sich eine Frage in meinem Kopf, wie konnte es dazu kommen? Vielleicht spulen wir dafür nicht nur einige Monate zurück, sondern einige Jahre. Joana hatte die Beziehung nach über zehn Jahren beendet, mein Traum einer Frau, nach dem sie mich durch meine ganze Karriere auf den Turnieren Tag ein und Tag aus begleitet hatte. Ich wusste nicht, ob es ein für immer sein würde und noch fast ein Jahr kämpfte ich dafür, sie wiederzubekommen. Sie wusste von dem dunklen Schatten, der mich umgab, verurteilte mich nicht, sondern gab alles dafür, dass ich mich wohlfühlte. Ein Gefühl, das ich an dem Tag der Trennung verlor – Geborgenheit. Der Schmerz saß tief und der bloße Gedanke daran, trieb mir die Tränen in die Augen. Hatte ich seitdem darüber nachgedacht, das ganze Thema über den Haufen zu werfen? Ja, ständig, doch ich hatte auch Angst, wie viele andere Menschen. Ich versuchte mich aus, aber über den eigenen Schatten zu springen, konnte ich bei meiner Sexualität nur selten. Also begnügte ich mich mit dem, was sich in meinen Weg warf. Aus dem Schmerz wurde Wut, die bereits erwähnte Alltagswut, wie ich sie gerne nannte. Chris und Ju wussten davon, auch, wie ich sie wieder loswurde, meistens durch Abenteuer jegliche Art, so gehörte auch Kanada dazu, sowie Lina und vor allem Vriska. Doch, ich war es leid. So schmerzte die Erinnerung daran, alles tauchte mich in ein tiefes Loch. Was hatte ich nur getan?
      Doch weiter im Text, spulen wir wieder ins jetzt, oder besser gesagt zum Turnier in Stockholm. Ich wusste bereits einige Tage vorher, dass wir jemanden Neues ins Team bekommen werden, aber lernte ihn, wie alle anderen, erst bei der Feier kennen. Dass Eskil sich mit allen gut verstand, löste die irrationale Angst aus, von meinem Posten vertrieben zu werden, nicht mehr relevant zu sein. Und auch, meine Freundin wieder zu verlieren, an jemanden, der mehr zu bieten hatte als ich. Ein Grund dafür, dass ich meine Wut an dem Tag im Alkohol versuchte zu ertränkten und Lina gab, was jeder von mir verlangte – Das Gefühl von Zusammengehörigkeit, Liebe und Vertrauen. Auch, wenn ich damit vermutlich einiges fehlinterpretierte. Damit begann es, dass ich nach dem Wochenende mich ins Büro setzte und versuchte, alles über ihn zu erfahren, was man im Staatsdienst finden konnte und sogar Erik mit ins Boot holte. Er fand Eskils dunklen Schatten, eine Informationen, die mich antrieb, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Am Hof bekamen es anfangs alle zu spüren, wie ich versuchte auf ekelhafteste Weise ihn zu verscheuchen, ihn aus meinem Gebiet zu verdrängen. Aber es half nichts, er nahm zwar Abstand, doch blieb. Damit stieg mein Interesse, die Lust auf das Boot zu steigen und ein neues Abenteuer auf unbekannten Gewässern zu starten. Und was soll ich sagen? Es fühlte sich gut an, die Reise dorthin war es zwar nicht wert gewesen, so hätte ich freundlicher sein können.
      Liebenswürdig stupste mich die weiche Pferdenase im Gesicht an, erinnerte mich daran, dass ich noch immer am Hof war und in der Box meiner Rappstute stand. Dicht drängte sie sich an mich heran und untersuchte genau, warum ich so sehr strahlte. Meine Hand fuhr über den Stern auf ihrer breiten Stirn entlang, bis zu den Nüstern, die vorsichtig an mir rochen. Dann nahm ich das Halfter vom Haken an der Tür ab, schloss es an der Seite und führte sie hinaus. Lange putzte ich sie, versuchte mich gedanklich an ihr zu halten und mich nicht erneut in Gedanken zu verlieren. Ich konnte mich aber nur schwer von meinem Lächeln trennen, das noch immer auf meinen Lippen lag und scheinbar auf der schwarzen Haut von Form glänzte.
      Unentschlossen betrachtete ich meine kleine Sammlung der Schabracken, die ich, im Gegensatz zu manch anderer hier in der Kammer, an der Hand abzählen konnte. Heute war meine Farbe Senfgelb, ganz klar. Ich nahm sie vom Bügel und griff dazu auch die passenden Bandagen und Glocken, als hätte es eine Bewandtnis, vollkommen durchgestylt in der Halle zu reiten. Es war für mein Selbstgefühl, mehr nicht. Für gewöhnlich würde ich keine Zuschauer haben, doch dass sich das bereits nach dem Warmreiten änderte, wusste ich noch nicht.
      > Vad gör du här?
      “Was machst du denn hier?”, fragte ich überwältigt und bremste meine Stute an der Bande ab. Mich blickte ein vertrautes Paar Augen an. Nur noch selten bekam ich es bei Tageslicht zu sehen und vor allem nicht unter solchen Umständen. Das Grinsen in meinem Gesicht wurde breiter und herzlicher. Einige Tränen kullerten über meine Wange und ich wollte nichts lieber als eine Umarmung.

      Lindö Dalen Stuteri

      Vriska
      Ausreiten – super Idee, ärgerte ich mich beim Aufsitzen in den braunen Sattel der Schimmelstute. Wieder einmal sprach ich den allerersten Gedanken aus, der mir in den Sinn kam, um mich aus einer unangenehmen Situation zu befreien. Dass Erik mir half, mit Maxou, hatte ich nicht überdenken können. Seufzend wendete ich den Blick vom Tor, vor dem Lina und Samu bereits auf den beiden Hengsten saßen und auf mich warteten, hinter mich. Unruhig trampelte die, beinah cremefarbene, Stute, setzte nur kläglich einen Huf vor den anderen. Sie bevorzugte den Weg nach hinten, anstelle sich der äußerst ausgeglichenen Schnee zu nähren, die aufmerksam mit den Ohren zuckte. Ich war erstaunt, wie behutsam mein Freund, der, ich unterstreiche das gern, wenig mit Pferden zu tun hatte, das Tier führte und ihr Zeit gab, um die Situation zu überblicken. Als Naturtalent konnte man das nicht bezeichnen, viel mehr kam ihm die eigene Besonnenheit zugute.
      Nach endlosen Anfragen, ob das Pony sich nicht doch lieber nach vorn laufen wollte, gelang es Erik sie zu mir zu führen. Interessiert schnupperten sie aneinander, bis Maxou auf quietschte und die Ohren anlegte. Umgehend hielt Schnee den Zwerg nicht für mehr relevant, schüttelte den Kopf und schnaubte ab. Auch sie drehte den Hals von links nach rechts, dabei klammerte die Kette am Halfter, die ich vorher durch das Nasenstück gebunden hatte. Der Tierarzt hatte mir dazu geraten für den Anfang kein Gebiss in ihr Maul zu machen, was ich angesichts der makabren Situation um ihre Gesundheit auch befolgte, obwohl ich es bevorzugt hätte, ihr eine Stange einzulegen. Eine Wahl hatte ich nicht, hoffte darauf, dass ich genügend Erfahrung hatte. Für mich war es die dritte oder vierte Runde mit Handpferd, also weit entfernt von genügend Erfahrung.
      „Bist du noch da, wenn wir wieder kommen?“, versuchte ich den Frieden zwischen Erik und mir zu bewahren.
      „Wer weiß, vielleicht brenne ich auch mit deinem neuen Gefährten durch“, sprach Erik verbissen, aber grinste zu sehr, um eine ernsthafte Antwort zu geben. Langsam nickte ich einmal.
      „Na gut, aber dann möchte ich, dass du weißt, dass ich froh bin, dich zu haben“, stammelte ich peinlich berührt und fummelte mit der Hand in Schnees kurzer Mähne herum.
      „Sei dir da mal nicht so sicher, Madame, außerdem – kann ich dafür nichts“, begann er eine unnötige Diskussion, in der er mir versuchte weiß zu machen, welche Faktoren dafür sorgten, dass wir einander trafen. Genervt rollte ich mit den Augen.
      „Nimm das Kompliment einfach an, davon wirst du nicht viele hören“, prustete ich eingeschnappt. Aber ihm böse sein, funktionierte nicht. Aufgesetzt schob er die Unterlippe vor die obere und schielte mit einem Hundeblick hoch zu mir. Auch, dass er sanft über meinen Oberschenkel strich, halft nicht. Stattdessen drückte ich meine Lippen auf seine, verspürte umgehend wieder das verräterische Ziehen in meinem Unterleib, das sich von dem Kribbeln im Magenbereich nach unten verlagerte. Noch bevor ich ihm das Glück meinerseits zum Teil werden lassen konnte, verließ das warme Gefühle meinen Mund und eine lockere Strähne seines verwüsteten Haars kitzelte meine Nase.
      „Aber ich werde mit dem Kleinen zum Tierarzt fahren“, sagte Erik dann, ohne von meinem Bein abzulassen. Stillschweigend nahm ich die Tatsache wahr, nickte kurz und setzte die Pferde in Bewegung. Samu hatte bereits einige Male in die Gasse geschaut und mir ein Handzeichen gegeben, dass ihre Pferde langsam ungeduldig wurden. Obwohl das Rolltor hoch und breit genug war, um mit zwei Pferden nebeneinander hindurchzureiten, drückte mich der Schimmel gegen die Seite und mein Knie schob sich unsanft am Holz entlang. Auch meine Schulter stieß schmerzhaft dagegen, aber dieses Gefühl konnte ich nicht auskosten, stattdessen stoppte Maxou immer wieder. Mit einem Zupfen an der Kette versuchte ich das sture Pony vorwärtszubekommen, doch sie streckte sich nur, verlagerte dabei das Gewicht immer weiter nach vorn. Vermutlich würden nur Millimeter fehlen und ein Windstoß, dass sie umkippte. Ein Luftzug kam nicht, stattdessen tippte Erik der Stute auf den Po, die erschrocken sich wieder bewegte. Sanft legte ich meine Beine an die Seite von Schnee, um sie in den Schritt zu setzen.
      “Na, ich bin ja mal gespannt, wie weit wir kommen werden”, hörte ich Lina zu Samu sagen, bevor sie an mich gewandt, hinzufügte: “Kann man dir helfen, oder kommst du klar mit deinem Pony?”
      “Geht schon”, antwortete ich abwesend und zupfte erneut am Strick. Nebenbei versuchte ich mehr oder weniger alle Schnüre in meiner Hand zu sortieren, bis ich entschloss, einhändig zu reiten. Schnee ließ sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen und folgte den beiden Hengsten, die vorausliefen. Maxou gab mir keinen Moment die verschneite Landschaft zu betrachten, umso stärker zog sie an dem Strick und versuchte sich hinter der Schimmelstute einzuordnen. Auch sie war nicht so ganz überzeugt davon, vermittelte der Begleiterin, mit einigen Schweifschlägen, Abstand zu halten. Allerhand hatte ich zu tun, die beiden in eine wegweisende Richtung zu lenken, dass ich gar nicht mitbekam, dass Lina und Samu plötzlich verschwanden. Die Spuren im Schnee halfen mit ebenfalls nicht, denn offensichtlich hatten auch schon Einsteller eine große Runde durch die Natur gedreht und sogar Rillen eines Sulkys zeichneten den Weg. Hilfesuchend versuchte ich auf Schneesturm zu vertrauen, die zu meiner Enttäuschung auch die anderen nicht mehr sah. Fröhlich wackelten die Ohren meiner beiden Pferde in den gesetzten Schritten durch die Schnee, der zunehmend mehr wurde. Den Weg hatten wir eindeutig verlassen, aber – Maxou kam aus sich heraus. Die kleine Palme auf ihrem Kopf, die Erik ihr aus unerklärlichen Gründen hinter dem Halfter gesetzt hatte und mich an die Achtzigerjahre erinnerte, wippte beinah aufmerksam. Ihr schmaler Hals wirkte leider noch schmaler, je mehr sie ihn von oben nach unten bewegte. Auch wenn Schnee nicht so viel mehr zu bieten hatte, zeigte sich eine klare Oberlinie am Mähnenkamm durch das intensive und vielseitige Training.
      “Prima”, lobte ich Maxou, die ohne stehenzubleiben über einen umgefallenen Baum gestiegen war. Misstrauisch zog sie den Kopf nach oben, wodurch das weiß in ihren Augen hervorkam, aber als sie das Leckerli in meiner Hand sah, öffnete sich die Fressenslucke. Ich traf nicht direkt ihr aufgesperrtes Maul, doch wie ein gefräßiger Hund, schnappte sie den Brick und zerknirschte diesen zwischen den Zähnen. Neugierig spitze auch die Schimmelstute Ohren, sah von der rechten Beinseite zu mir und bekam selbstverständlich auch ein Happen. Sie kauten beide genüsslich, bis sich die Antennen unruhig drehten und zuckten. Aus der Ferne ertönte Hufschlag, der immer lauter wurde. Zwischen dem Unterholz vor uns tauchte Samu auf dem hellen Hengst an, der eine schöne helle Musterung im Fell trug.
      “Hier seid ihr, Lina ist fast verrückt geworden, als ihr plötzlich verschwunden wart”, hauchte er außer Atem. Ich grinste und zuckte mit den Schultern. Bisher hatte ich es auch gut allein überstanden, dennoch folgte ich ihm, weiterhin im Schritt. Ich wusste nicht genau, ob Maxou sich in der Lage dafür fühlte und mit der Decke auf dem Rücken stellte ich es mir auch sehr unbequem vor. Deswegen ritten wir Samu mit Alfi nach und blickten wenig später in Linas erleichtertes Gesicht.
      “Zum Glück bist du wieder da, ich dachte schon es sei was passiert, ohne dass wir es gemerkt hätten”, atmete sie auf, “Ich hätte deinem Freund nur ungern erklärt, die samt Pony verloren zu haben.”
      “Ich wollte euch nur ungern nachrufen, vor allem, wenn ich anhand eurer Worte nicht einmal die Stimmung heraushören konnte”, zuckte ich erneut mit meinen Schultern. Irgendein Problem gab es schon wieder bei mir, eins, dass ich mir nicht genauer erklären konnte. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass mir im Unterholz klar wurde, dass Niklas morgen mit mir reden wollte und mit hoher Wahrscheinlichkeit keiner davon wusste. Aber was soll es, ich brauchte ihn nicht mehr, zumindest redete ich mir das jeden Tag ein, wie ein Mantra.
      “Meinst du etwa, ich gehe aus reiner Höflichkeit mit dir ausreiten?”, hinterfragte sie, als verstünde sie nicht, woher mein Gedanke kommen sollte.
      “Offenbar –”, ich wollte gerade zu einer kräftigen Ansage ansetzen, verschluckte doch schon nach dem ersten Wort die restlichen. Maxou zuckte neben mir die Ohren zurück, ja, tut mir leid. Mein Ton war nicht nur unangebracht, sondern auch deutlich zu laut. Kräftig holte ich einen kalten Atemzug durch die Nase und sprach weiter: “Weiß nicht, aber ich verstehe, dass du Samu ewig nicht gesehen hast. Allerdings, um bei euren Gesprächen mitzumischen, scheitert an der Sprache. Ich bin schließlich nicht Erik.” Zum Ende wurde ich leiser, sogar stockend. An meiner Brust vibrierte es, dafür, dass ich versuchte immer zu sagen, dass mir mein Handy nicht wichtig war, vergaß ich in letzter Zeit viel zu oft, es am Stall zu lassen.
      “Oh, das tut mir leid”, entgegnete Lina bestürzt, “Ich vergesse manchmal, dass ich die Sprache wechsle. Warum hast du denn nicht eher was gesagt?” Samu machte derweil den Anschein als wäre sein Gehirn gerade heruntergefahren, denn er strich abwesend durch Alfis kurze Mähne. Meins versuchte sich ebenfalls daran, doch scheiterte schon allein der Vibration wegen, die beinah unaufhörlich meine Brust angriff. Ich schielte zur Jackentasche, aber versuchte mich der Sucht zu widersetzen.
      “Weil du mich schon die ganze Nacht ertragen musst?”, lachte ich und überlegte, ob es vielleicht ganz lustig wäre, am heutigen Abend auf Ivy anzustoßen. Selbstverständlich suchte ich nicht die Flucht in den Alkohol, um immer weiter meine Gedanken und Gefühle zu verdrängen, ich doch nicht. Mittlerweile rutschte ich immer häufiger in eine tiefe Selbstironie, die wohl kaum schlimmer werden konnte.
      “So unerträglich bist du nun auch nicht. Immerhin winselst du nicht die ganze Nacht”, schmunzelte sie.
      “Sagen wir es so”, lachte ich herzlicher, “es ist nicht, dass der Wunsch danach nicht bestünde.” Hätte Samu einen Kaffee in der Hand, würde dieser soeben auf Alfi ergossen sein. Wie von einer Zauberformel hatte ihn eines der Worte oder vielleicht auch die Kombination dieser, aus seinem Delirium erweckt.
      “Möchte ich wissen, worüber ihr sprecht?” Die Irritation deutlich ins Gesicht geschrieben blicke die blonde zwischen uns Hin und Her. Auch ich prüfte ihn, was in einem lauten Gelächter endete, unterstützt mit einem belustigten Kopfschütteln. Das Pony schnappte in die Luft, was eine kurze Verwirrung auslöste.
      “Das Konzept von Bienchen und Blümchen sollte dir etwas sagen”, versuchte ich Lina das Thema näherbringen, dass ihr eigentlich seit dem Grundschulalter bekannt sein sollte.
      “Ja, natürlich!”, entrüste sie sich, “Was glaubst du denn, wie alt ich bin?”
      “Good question –”
      Wusste ich wie jung sie war? Ich dachte einen Augenblick darüber nach, bis ich schließlich den Reißverschluss meiner Jacke öffnete und mein Handy griff. Sofort leuchteten die ganzen Benachrichtigungen auf, die teilweise von Instagram waren und meinem Verehrer. Nach einem kräftigen Atemzug blickte ich fragende Gesichter, aber ignorierte die beiden für einen Augenblick. Wie ich mein Handy halten konnte, wenn ich zur gleichen Zeit noch zwei Pferde hatte? Schnees Zügel hingen kontaktlos auf ihren Hals und links hatte ich noch Maxou in der Hand, die mittlerweile geduldig neben uns lief, als wäre sie ein Profi. Ja, ich war stolz auf das kleine Pony. Nach einander folgten meine Augen seine Nachrichten. Unser Kontakt war etwas eingeschlafen, was mich deprimierte, besonders in an bedacht darauf, dass ich bereits das erste Rätsel gelöst hatte, dass es irgendein Tag im November sein würde. So hoffte ich darauf, dass nicht mit Kiel duellierte. Vor meinen Augen eröffnete sich eine Aufgabe, in der ich nicht nur x errechnen musste, sondern direkt noch y und z, vorgegeben mit anderen Vektordaten. Nichts, was ich schnell auf dem Rücken eines Pferdes lösen wollen würde. Willkürlich schickte ich ihm ein Herz, schloss den Chat und öffnete das Mitarbeiterverzeichnis, um Linas Geburtstag herauszufinden. Auf den Tag genau drei Monate vor mir, im Januar und im selben Jahr. Gerade, als mein Handy in der Jacke verschwinden sollte, trudelte die nächste Benachrichtigung ein.
      “Wie soll ich das bitte deuten?”, schrieb er und erst jetzt wurde ich mir dessen bewusst. Schlagartig setzte mein Herz kurz aus, fing sich wieder und ich tippte mit meinem Daumen eine kleine Entschuldigung, löschte sie wieder und sendete schließlich eine andere Nachricht ab: “Wenn das zu viel war, es tut mir nicht leid. Ich brauche dich mehr als du denkst, also warte nur ab.”
      Mit einem selbstsicheren Lächeln steckte ich es schließlich weg und sah zu Lina, die wieder mit Samu in ein Gespräch vertieft war.
      “Sod off, du bist sogar älter als ich”, unterbrach ich ihr Gespräch.
      “Sehe ich so jung aus, dass man das extra überprüfen muss?”, grinste Lina.
      “Also für mich siehst du immer noch aus wie sechzehn”, trug Samu mir einem schiefen grinsen bei, worauf hin sie nur amüsiert den Kopf schüttelte.
      „Und passt damit perfekt in Niklas Beuteschema“, rutschte mir versehentlich über die Lippen, wodurch ein unangenehmes Schweigen einherging.
      “Vriska, erzähl doch mal was zu deinem Pony. Wo hast du ein Tier in einem solchen Zustand aufgegabelt?”, ergriff Samu die Initiative, das Schweigen zu brechen und sogleich das Thema auf ein anderes Terrain zu lenken. Etwas enttäuscht, dass Lina sich wieder in Gedanken verkroch, dachte ich darüber nach, wie ich es ihm verständlich machen konnte, ohne dabei wie ein radikaler Tierschützer zu klingen.
      “Hat Lina dir etwa nicht berichtet, in was für einem dreckigen Stall das arme Pony stand? Außerdem wollte Erik sie unbedingt ist”, seufzte ich und warf einen Blick zu Maxou, die immer entspannter wurde, ein Glück funkelte auch die große Halle durch die Bäume uns entgegen. Sogar die Sonne kam heraus, so durch den Schnee auf dem Dach hell glitzerte und kleine Lichtflecken durch die Baumkronen warf.
      “Nein, darüber wurde ich bisher nicht in Kenntnis gesetzt”, antworte er, “Sie war noch damit beschäftigt von ihrem eigenen Neuzugang zu berichten und von irgendeinem Fohlen, was ihr fachkundig festgestellte habt.”
      “Okay, also aus mir unbekannten Gründen treffe ich nur noch auf Tiere, die meinen Freund genauso anhimmeln, wie ich es tue. Dazu gehört auch der kleine Welpe, den ich am liebsten wieder loswerden wollen würde”, seufzte ich und merkte dabei Lina mitleidigen Blick. Ich wusste selbst, dass ich Fred, der vermutlich noch einen anderen Namen benötigen würde, behalten sollte, sofern er kein Zuhause hatte. So verhungert wie das Tier war, hatte diesen Gedanken jedoch schnell verworfen.
      “Sonst noch etwas, dass du wissen willst?”, versuchte ich die Konversation aufrechtzuerhalten. Viel lag mir auf der Seele, Dinge, über die kaum einer sprechen wollte, die ich vor allen versteckte und eigentlich nicht im Wald besprechen kann. Wieso ich überhaupt darüber nachdachte mich zu öffnen? Samu gab einem das Gefühl, dass es okay war, wie man empfand. Das ganze Schlechte so viel besser wurde, wenn man es aussprach – Dabei kannten wir uns kaum.
      Kalmar
      In der Reithalle
      Niklas
      Adrenalin schoss durch meine Venen, brachte meinen ganzen Blutkreislauf ins Wallen. Ich schüttelte mich, wischte die Tränen aus meinem Gesicht, die binnen Sekunden, Rinnsale auf meiner Wange bildeten und schließlich in den Kragen des Pullovers endeten. Durch den kleinen Luftzug der offenen Tür kühlte es meine erhitzten Wangen ab, die vermutlich Tomatenrot leuchteten.
      „Papa?“, sprach ich mit zitternder Stimme und hielt mich fest an den launigen Stoppel Haar meiner Stute, das Mähne darstellen sollte. Seine ebenso blauen Augen, wie sie jeder in der Familie hatte, funkelten im warmen Licht der Reithalle, das durch einen Sensor gesteuert wurde, um zu jeder Tageszeit dieselben Lichtverhältnisse zu schaffen. Wie von selbst schwang sich mein linkes Bein über die Kruppe meiner Rappstute, die noch immer mit gespitzten Ohren in Richtung unseres Besuches starrte, als könne sie nicht genau einschätzen, was er hier zu suchen hatte. Zustimmend strich ihr über den feuchten Hals und lief mit schmerzenden Beinen durch den federnden Sand. Für meinen Geschmack war der Boden zu weich, trug nur dazu bei, dass die Bewegung unnatürlich werden. Was soll’s. Meinen neuen Informationen nach würden wir ohnehin nur noch wenige Monate auf dem Gelände verbringen.
      Knarrend öffnete ich das Tor der Reithalle, um meinen Vater vor sein Angesicht zu treten. In der Brust normalisierte sich der Herzschlag, als hätte es gelernt, die süße Bürde mit stolz auf sich zu nehmen. Mit langen und gleichmäßigen Schritten folgte mir Form und stand dicht hinter mir, mit dem Kopf an meiner Schulter, als wäre sie mein Gewissen, das von der Seite zu mir sprechen würde. Aber ich konnte mich noch immer nicht von meiner Verwunderung befreien.
      > Vad gör du här?
      “Was machst du hier?”, versuchte ich das Rätsel zu lösen, das seit Minuten schwer auf der Atmung lag. Unbewusst strich meine Hand die Brust des Pferdes, immer wieder bis zum oberen Teil ihres Beins, ehe sie erneut am Halsübergang ansetzte.
      > Din mor talade till mig.
      “Deine Mutter hat mit mir gesprochen”, begann er zu erklären. Vertraut legt Vater seine Hand auf die Stirn meiner Stute, die kurz zurückschreckte, aber den ungebetenen Gast gewähren ließ. Es klang beinah wie ein Wunder, dass er mit meiner Mutter eine Unterhaltung und selben Atemzug auch mit mir. Der Zwischenfall im August war bereits nach Ewigkeiten ein Gespräch, dass mehr als vier Worte umfasste und nun verspürte ich wieder diesen Druck in meinem Körper, auch kam die Angst, etwas Schlechtes zu Ohren zu bekommen.
      > Hon berättade att du förlorade ett föl från din farfars häst.
      “Sie erzählte, dass du ein Fohlen verloren hast von dem Pferd deines Opas”, aus seinem Mund klangen die Worte so viel ernster und schmerzvoller, als ich es erwartete. Er war der Teufel. Jeder, der meinen Vater schon einmal kennenlernen musste, verspürte sofort eine Kälte, die den eigenen Körper durchzog, eine Gefühl von Hilfslosigkeit und Angst. Worte, die er von sich gibt, hatten Macht und Autorität, sich ihm in den Weg zu stellen, wagten nur die wenigen. Ich stellte ihn oft infrage, ein Punkt, weshalb wir vermutlich nur schwer miteinander klarkamen, zudem – Vater wusste von meinem dunklen Schatten, hätte es zu jedem Zeitpunkt unterbinden können, doch – Der Gedanke verschlug mir den Atem, so sehr schmerzten die brüchigen Erinnerungen an meine Kindheit. Ich schloss die Augen, schob meine Vergangenheit dahin, wo sie hingehörte. Schließlich stand die Zukunft hinter mir, fummelte interessiert mit der Oberlippe an meinem Ohr herum. Mit meiner Hand drückte ich ihr Maul von mir weg.
      > Stoppa.
      “Hör auf”, flüsterte ich. Form streckte sich vor vorn wieder zu meinem Vater aus, der ungewöhnlich lange das Pferd liebkoste, mit Streicheleinheiten.
      > Är det därför du är här?
      “Und deswegen bist du hier?”, hinterfragte ich misstrauisch. Es gab in seinem Leben keine guten Absichten, erst recht nicht, wenn es um mich ging. An den eingefallenen Wangen zuckte es kurz und er legte seine Hand auf meine Schulter.
      > Jag vet att du och jag inte kommer överens, men jag beklagar verkligen ditt husdjur. Jag visste från början att hon betydde mycket för dig.
      “Ich weiß, dass wir beide nicht gut miteinander auskommen, aber es tut mir aufrichtig Leid, mit deinem Tier. Dass sie die viel bedeutet, wusste ich von Anfang an”, tatsächlich wurde aus dem Zucken ein Lächeln. Das Universum schien es mit mir gut zu meinen. Wir unterhielten uns schließlich über Smoothie und Mama hatte ihm sogar von Bino erzählt, den er sich ansehen wollte. Mein Vater wirkte wie ausgewechselte, aber die Zweifel blieben. Vermutlich hatte Mama ihn am Morgen mal wieder herangelassen.
      Ich führte Form wieder auf den Sand, zog den Gurt am Bauch ein Loch enger und schwang mich in den Sattel. Dass ich sie wieder Warmreiten musste, erklärte sich von selbst. Aufmerksam folgte die Rappstute meinen Hilfen, machte sich mit ihrem Namen alle Ehre. Nachdem ich erst gezweifelt hatte, ob das mit uns beiden etwas werden könnte, war ich mir an dem Tag sehr sicher. Es machte Spaß, ohne großen Aufwand das Pferd durch die Lektionen zu führen, sie zu unterstützen, das Beste zu zeigen. Smoothie konnte sie nicht ersetzen, aber einen Gegenpol setzen und mir zeigen, dass auch es verdient hatte, im Spitzsport zu strahlen.
      Wir arbeiteten eine gute Stunde im Sand, schwebten vom ersten Hufschlag durch die Mitte in allen Gängen, schafften sogar eine ordentliche Galoppverstärkung, die ihr sonst sehr schwerfiel. Mein Verstand war klar, befreit. Stolz klopfte ich den verschwitzen Hals, an dem sich weißer Schaum gebildet hatte, durch die Zügel. Dabei streckte sich zufrieden. Erst in dem Moment bemerkte ich den weiteren Gast, der es sich auf der Tribüne bequem gemacht hatte, neben ihm saß Chris, vertieft in ein Gespräch mit meinem Vater. Plötzlich kehrte das heftige Herzklopfen zurück und die Knie am Sattel wackelten unruhig herum. Form drehte die Ohren zu mir nach hinten. Dabei schlug ihr Schweif, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte. Dafür hatte ich meine Füße aus dem Bügel gezogen. Aber im Kopf strahlten die Bilder wieder heller, die bei jedem hinüber sich intensivierten. Da saß er in seinem auffälligen hellblauen Pullover, der sehr engen schwarzen Reithose und sah mir direkt in die Augen. Auf seinen Lippen lag ein selbstsicheres Lächeln, das mich erneut in das Glücksgefühl brachte. Ich holte tief Luft und schluckte, während meine Finger die Mähne der Stute umspielten. Es schien, als würde das laute Gespräch meines Vaters verstummen, in den den Hintergrund geraten und sich meine Augen zu einem Tunnelblick bilden, der zielgerichtet auf Eskils Brust lag. Wie in einem schlechten Liebesfilm fühlte es sich an, als würde sich unser Herzschlag synchronisieren, aber der bloße Gedanken daran, kam mir falsch vor. Also nicht, dass etwas falsch daran wäre, viel mehr machten es die Umstände.
      Im Stall nahm ich den Sattel von ihrem Rücken und rollte die Bandagen fein säuberlich ab, bis nur noch die Unterlagen wie angeklebt am Röhrbein klebten. Lächelnd und voller Energie, die aus unbekannten Gründen nicht weniger wurde, brachte ich mein Zeug in die Sattelkammer. Einige Hölzer waren frei und halfter hingen unordentlich darüber geworfen, während an der Seite Turnschuhe nebeneinanderstanden, zwischen den Stiefeln. Nicht jeder nutzte unseren Umkleiden, sondern lagerte die Straßenkleidung hier drinnen.
      > Kan vi prata med varandra?
      “Können wir kurz miteinander sprechen”, tippte mich auf einmal Eskil von der Seite an. Warum? Alles musste immer besprochen werden, nervig. Ich seufzte, aber nickte.
      > På grund av tidigare? Jag är ledsen. Jag menade inte –
      “Wegen vorhin? Es tut mir leid. Ich wollte nicht –”, aber den Satz ließ er mich nicht beenden. Sein Zeigefinger lag auf meinen Lippen und die Augen kniff er zusammen, noch immer mit der Selbstsicherheit im Gesicht.
      > Det är inte det som är poängen.
      “Darum geht es nicht”, lachte er und nahm den Finger wieder von mir. Meine Augen suchten den Raum ab, aber schielten dabei auch aus dem Fenster. Es schneite wieder und durch das Licht der Wegbeleuchtung erblickte ich Phina, die mich böse angrinste und das Handy senkte. Dann hob sie die Hand, um mir zu winken und folgte dem Weg in den Ponystall.
      “Hallo?”, fragte Eskil erneut und holte mich aus dem kalten Starren heraus.
      > Phina såg oss.
      “Phina hat uns gesehen”, stammelte ich. Er drehte sich sofort zur Seite, doch schon vor Sekunden war die Dunkelhaarige verschwunden, samt der Beweise. Mir schossen abertausende Szenarien durch den Kopf, vor allem, wie Lina darauf reagieren würde. Ich sah an mir herunter, sah, wie meine Brust sich aufbaute und wieder entspannte in einem rasenden Tempo.
      > Och varför är det så dåligt? Hon kan inte ha sett något.
      “Was soll daran so schlimm sein? Sie kann gar nichts gesehen haben”, schüttelte er ungläubig den Kopf, wollte nach meiner Hand greifen, die schnell wegzog. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es ihm schlagartig nicht mehr interessierte, was ich alles belastendes gesagt hatte. Stattdessen grinste er.
      > Vad ville du ha? Jag har mer att göra.
      “Was wolltest du? Ich habe noch mehr zu tun”, stotterte ich und wechselte das Thema, um die Bilder in meinem Kopf loszuwerden. Ja, ich wollte mehr von dem Freiheitsgefühl, aber nicht so, wie ich es erreicht hatte. Falsch. Verwerflich. Abartig. Böse Stimmen störten die eigentliche Entspannung. Es wurde zu schnell, zu viel.
      > Jag kommer att ha lektionen med Vriska i morgon, men jag ska berätta det för er i förväg så att det inte blir någon diskussion.
      “Ich werde morgen den Unterricht mit Vriska durchführen, aber dir es vorher sagen, damit es keine Diskussion wird”, klärte Eskil mich auf.
      “Okay”, drehte ich mich auf der Stelle um, schnappte mir die bereits gefüllte Futterschüssel und lief hinaus zu Form, die fröhlich mit dem Kopf schlug. Hin- und hergerissen im Meer der Gefühle, versuchte ich das alles hinter eine Tür zu stecken, die nur selten öffnete. Dabei half mir, jede Kaubewegung meines Pferdes beobachten. Leise knirschten die Körper in ihrem Maul, wovon kein einziges auf dem Beton landete. Form war im Vergleich zu vielen anderen Pferde sehr sauber im Umgang mit ihrem Fresschen. Selbst ihre heiß geliebte Rote Bete färbte nur ihr Maul rot.
      Ich erschrak, als sich eine Hand auf meine Schulter legte und fest zudrückte. Vater stand hinter mir. Mit intensiven Blicken versuchte er herauszufinden, aus welchen Grund ich mein Pferd dermaßen intensiv betrachte. Fragte, weshalb meine Augen ihr Maul fokussierten. Eine Antwort darauf fand ich nicht, holte stattdessen die Decke und brachte das Pferd schlussendlich in ihre Paddockbox.
      Ganz am Ende des Stalles hatte Bino seine Box. Er wirkte müde, aber mir war klar, dass er bocken würde, wenn ich ihm das Halfter anlegen würde und hinausführte. Sein Kopf hing locker und die Augen trüb. Es musste eindeutig ein Tierarzt her

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 69.426 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang Oktober 2020}
    • Wolfszeit
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      kapitel fjorton | 14. April 2022

      Einheitssprache / HMJ Divine / Legolas / Schneesturm / Outer Space / Sturmglokke LDS / Maxou / Dix Mille LDS / Binomialsats / Form Follows Function LDS

      Samu
      Ich beobachte, wie die winzigen Eiskristalle durch die Lichtkegel dir Lampen tanzten, die das moderne Gestüt in ein helles Licht tauchten, denn in der Theorie sollte meine Freundin jeden Augenblick hier eintreffen. Vriska hatte dazu angeregt, ob man nicht auf Ivys und meine Ankunft anstoßen solle und da Lina, noch ihren Freund erwartete, schlug sie sogleich vor, dass ich Enya auch einladen könnte. Ungeduldig schielte ich, auf die silbern glänze Uhr an meinem Handgelenk, denn allmählich kroch mir die Kälte in die Glieder.
      Nur einen Wimpernschlag später tauchte endlich der kleine silberne Wagen auf und kam neben dem Porsche, der Linas Freund zugehörig war, zum Stehen. Mit langen Schritten überquerte ich den gefrorenen Kies.
      “Du bist ja süß, hast du etwa die ganze Zeit hier draußen gewartet?”, grinste Enya als sie mich erblickte. Locker hing ihr ein Mantel über den Schultern, der mir erstaunlich bekannt vorkam und ihre Haare flossen darüber wie flüssiges Gold.
      “Jap, nur für dich mein Engel”, erwiderte ich und legte meine Hände an ihre Hüften. Eine vertraute Mischung aus ihrem blumigen Parfüm und den Gerüchen einer Tierklinik stieg mir in die Nase. Solch kleine, alltägliche Augenblicke waren es, die ich bisher in dieser Beziehung vermisst hatte, weil die Distanz diese verhinderte.
      “Niedlich, aber für mich brauchst du nicht erfrieren”, sprach sie sanft, “Du bist mir deutlich lieber, wenn du kein Eisklotz bist.”
      “Und damit du keiner wirst, klaust du meine Jacken?”, schmunzelte ich und zog sie ein Stück näher an mich heran. Keck grinste sie und fixierte mich mit ihren leuchtenden grinsenden Augen: “Was ist, wenn es so wäre?” Nur noch wenige Zentimeter lagen zwischen unseren Gesichtern und ich konnte ihren warmen Atem auf meiner Haut spüren.
      “Dann wirst du mich wohl wieder auftauen müssen”, raunte ich ihr zu und legte leidenschaftlich meine Lippen auf ihre. Ungestüm erwiderte sie diesen, wurde fordernder und presste ihren schlanken Körper an mich. Ihre warmen, langen Finger in meinem Nacken, reichten aus, damit ihre Wärme auf mich überging und das Feuer in mir anfachten. Auf der Suche nach mehr, wanderten ihre Finger über meinen Körper, doch ich unterbrach diese Entdeckungstour, als sie den Saum meines Pullis erreichten.
      “Nicht hier”, schmunzelte ich und löste ihre sanft ihre Finger von meiner Brust. Schmollend schob Enya ihre Unterlippe nach vor und blickte mich mit großen runden Augen an, zu genau wissend, dass ihrem Hundeblick nur schwerlich Widerstand zu leisten war.
      “Na, komm, die anderen warten sicher schon”, sprach ich sanft und strich eine lose Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
      “Na gut”, gab sie nach, verwob die Finger mit den meinen und stahl sich dennoch einen flüchtigen Kuss von meinen Lippen, bevor wir in Richtung des Gebäudes schlenderten.
      “Konntest du Lina eigentlich so überraschen wie du wolltest?”, fragte sie neugierig, als wir in die Stallgasse entraten.
      “Ja, ich denke”, lächelte ich und rief mir Linas strahlendes Gesicht vor Augen, “die Überraschung ist eindeutig gelungen.” Einige Pferdeköpfe reckten sich neugierig über die Boxenwände, darunter auch der helle Kopf des Hengstes, der vordergründig Grund des heutigen Besuchs war.
      “Ist er das?”, fragte meine Freundin und blieb vor der Box des Hengstes stehen, welche sie bisher nur aus Erzählungen und Bildern kannte. Bestätigend nickte ich. Falls das noch möglich war, stellten sich die kleinen Ohren des Freibergers noch mehr auf, als Enya die Hand, die nicht in meiner lag, nach ihm ausstreckte.
      “Das ist aber wirklich ein Süßer und dann auch noch so freundlich”, lächelte sie und strich ihm über den Hals, “Und wenn ich mich so an die Bilder erinnere, scheint ihr ihn wieder gut hinbekommen zu haben, er sieht top gesund aus.”
      “Der Tierarzt in dir schläft wohl nie”, erwiderte ich lachend, ”aber das Lob darfst du nicht mir geben. Lina hat ihn ganz allein aufgepäppelt.” Legolas, der bis eben nicht zu sehen, war, hatte den Trubel vor seiner Box wohl mittlerweile mitbekommen und kam von seinem Paddock hinein getrottet. Aufgeschlossen beschnupperte er meine Freundin, die ihm sogleich auch Aufmerksamkeit zukommen ließ.
      “Und das wird dann wohl dein Legolas sein”, schlussfolgerte sie schließlich. Ivy, der scheinbar noch nicht ausreichend mit Beachtung beschenkt worden war, stupste nun mich an. Ich kam der Bitte des Hengstes nach und begann an seine Lieblingsstelle zu kraulen.
      “Ja, genau das ist er”, bejahte ich, “Wie war eigentlich dein Tag, mein Schatz? Schon das Allheilmittel gefunden?”
      “Ich fürchte, bis das gefunden wird, existieren wir nicht mehr”, erklang ihr wunderschönes Lachen, “dafür habe ich eine andere coole Nachricht.”
      “Die wäre?”, hakte ich nach, als Enya nicht weitersprach und ich nur freudig angrinste.
      “Meine Chefin sagte, ich darf bei der Studie mitarbeiten, die gerade in Planung ist und wenn das klappt, wird man in Zukunft belastungsbedingte Arthrose heilen können”, berichtet sie enthusiastisch und begann Details über das Krankheitsbild und die Studie zu erzählen, von denen ich gerade einmal dreißig Prozent folgen konnte.
      “Das klingt interessant und was genau macht ihr da?”, versuchte ich mehr darüber zu erfahren in einer Sprach, die auch verstand.
      “Das würde ich dir zwar gerne sagen, aber ich darf nicht. Da wirst du warten müssen, bis die Studie veröffentlicht –” Das letzte Wort verschluckte sie und blickte verwundert zu Divine, der den Kopf nach vorne reckte und immer die Oberlippe kräuselte, als ob er flehmen wollte, ohne die allerdings vollständig auszuführen.
      “Was macht er da?”, fragte sie, nachdem sie das Spektakel einen Augenblick beobachte.
      “Er versucht dir und mir mitzuteilen, dass jemand bitte etwas zu fressen in seine Schnauze stecken soll”, schmunzelte ich. Diese eigenartige Art zu betteln hatte der Hengst sich bereits in den ersten Woche angewöhnt, als Lina mit ihm arbeitete.
      “Das ist ja lustig, so eine Eigenart habe ich ja noch nie gesehen”, schmunzelte Enya, “Hast du denn auch was für ihn?” Kurz dachte ich darüber nach, sie daran zu erinnern, dass man ein solches Verhalten nicht fördern sollte, ließ aber davon ab. Schließlich ging Lina im Regelfall selbst auf das Betteln des Hengstes ein. Somit drückte ich meiner Freundin ein Leckerli in die Hand. Beinahe Krokodil artig schnappte der Hengst den Leckerbissen von ihrer Hand hinunter und verschlang ihn zufrieden. Selbstverständlich musste Legolas nicht leer ausgehen und bekam ebenso ein Leckerli.
      “Möchtest du noch weiter die Pferde kuscheln oder gehen wir hoch zu den anderen?”, erkundigte ich mich, als Enya erneut begann den Freiberger zu kraulen.
      “Wir können hochgehen”, lächelte sie und beendete die Streicheleinheit. Als wolle Ivy protestieren, stupste er sie an, doch wurde ignoriert.
      In der Küche wurden wir empfangen von einem köstlichen Geruch, der durch den Raum schwebte und dem Welpen, der sogleich schwanzwedelnd angerannt kam. Der andere Hund hob zwar den Kopf, blieb allerdings an Ort und Stelle liegen.
      “Hallo”, grüßte Enya freundlich in den Raum, bevor sie sich zu dem kleinen Tier hinunterbeugte, um auch diesen zu begrüßen. Freudig hampelte er umher, wedelte mit dem ganzen Hinterteil und wahr mehrfach kurz davor über die eigenen Pfoten zu fallen. Vriska stand am Herd, was der Ursprung des deliziösen Duftes war, während ihr Freund misstrauisch am Tisch saß und die Gewürze musterte. Vorsichtig drehte er sie auf den Kopf, wobei einige Krümel hinausfielen. Seltsamer Kerl. Nur Lina und Niklas schienen sich in Luft aufgelöst zu haben, zumindest waren die beiden im Raum nicht zu entdecken.
      “Wo sind –”
      “Zimmer”, kam es vom Herd direkt eine Antwort, noch bevor ich die Frage überhaupt beendet hatte. Zugegeben, die Frage hätte ich mir auch nahezu selbst beantworten können, denn allzu viel Möglichkeiten bestanden nicht, wo beide hin verschwunden sein konnten.
      “Möchtet ihr auch etwas trinken?”, holte sie eine ungeöffnete Flasche Wein unter der Spüler hervor, nach dem sie eine geöffnete neben sich zu stehen hatte. Wie sagt man so gerne, einen Schluck ins Essen, einen in den Koch?
      „Für mich nicht, ich muss noch fahren“, lehnte meine Freundin höflich ab.
      „Nein, nimm du ruhig einen Wein, ich fahre später“, widersprach ich ihr. Ich fand, mit der Studie hatte sich das redlich verdient und sie möchte das Zeug ohnehin lieber.
      „Na dann, her damit“, revidierte sie ihre Aussage und drückte mir sogleich lächelnd die Autoschlüssel in die Hand, die auch sogleich in meiner Hosentasche verschwanden.
      „Fahren“, schüttelte sie ungläubig den Kopf und füllte ein ziemlich großes Weinglas auf bis zur Hälfte. Ihre Hand zitterte und verschüttete dabei einige Tropfen der kostbaren Flüssigkeit, die natürlich auf der grauen Hose von Erik landeten. Dieser sah skeptisch zu ihr hoch. Still stand er auf, legte für einen kurzen Augenblick seine Hände an ihre wirklich schmale Taille und flüsterte unverständlich in ihr Ohr. Aus ihrem leeren Gesichtsausdruck wurde ein erschrockenes Grinsen mit weit aufgerissenen Augen. Das Glas hatte mittlerweile einen beachtlichen Füllstand erreicht, bei ungefähr zwei Dritteln setzte sie schließlich die Flasche ab. Enya betrachtet ihr Getränk inständig, schien aus Höflichkeit keine Einwände zu haben. Schwankend drehte sich Vriska wieder zum Herd, schnappte die eigene Flasche und stieß mit ihr an. Als wäre es Wasser, setzte sie das Getränk an. Wenn sie so weiter macht, würde das zumindest für sie ein kurzer Abend werden, doch ich verkniff mir jeglichen Kommentar dazu. Schließlich sollte sie alt genug sein, um zu entscheiden, wie mit Alkohol umzugehen sei. Auch von meiner Freundin kam ein vielsagender Blick, der meine Gedanken widerspiegeln zu schien. Heute machten alle scheinbar einen ganz wunderbaren ersten Eindruck. Hoffentlich ließ sie sich davon nicht abschrecken, auch wenn ich sicherlich schon einmal anklingen ließ, dass dieser Kreis von Menschen nicht dem konventionellen Verständnis von normal entsprach, war das gebotene Bild sicher nicht den Erwartungen entsprechend.
      “Ach so”, schlug sich die kleine Blonde urplötzlich an den Kopf, stellte die Flasche zur Seite. Freundlich stellte sie sich zu Enya und gab ihr die Hand: “Ich bin Vriska und Erik ist gerade raus. Dachte, dass wir uns schon bekannt gemacht wurden”, lachte sie.
      “Nein, bisher kam es zu keiner Begegnung. Ich bin Enya, schön auch mal ein Gesicht zu den Erzählungen zu haben”, erwiderte meine Freundin ihrerseits freundlich den Händedruck.
      “Dann bleibt nur zu hoffen, dass du nur Gutes zu hören bekommen hast”, schüttelte Vriska langsam den Kopf, mit den Augen suchend nach einem Fixpunkt. Trymr, der unter dem Fenster lag auf einem Kissen, hob die Ohren an. Leise klopfte der Schwanz auf dem Fußboden.
      “Keine Sorge, Samu erzählt eigentlich immer nur Gutes über seine Freunde”, sprach sie offen und bedachte mich dabei mit einem milden Lächeln. Tatsächlich hatte Enya mit diesem Fakt nicht ganz unrecht, denn ich sah nicht den Mehrwert darin, die negativen Eigenschaften einer Person zu beleuchten, wenn es keine Relevanz hatte. Die Rute des großen Hundes klopfte unaufhörlich weiter.
      “Sind das eigentlich deine Hunde?”, richte Enya interessiert ihre Frage an Vriska und machte einige Schritte auf das Ungetüm zu, dessen Schwanz immer schneller schlug.
      “Genaugenommen, nein”, drehte sie sich von der Pfanne weg und holte den Rüden zu sich, “den Kleinen haben wir im Wald gefunden vor ein paar Tagen und wurde erst einmal als Fundtier gemeldet. Der hier kann sich nur schwer von mir trennen, aber Erik möchte ihn auch nicht loswerden, deswegen –” Es klang danach, als gäbe es sonst nichts zwischen den beiden, was sie aber niemanden erzählen kann. So sehr, wie sie mit den Augen zur Tür schielte und nur auf ihn wartete, lag es wohl kaum an Trymr. Ihr Lächeln unterstrich jedoch, dass es scherzhaft gemeint war.
      “Verstehe, wirklich schöne Tiere, die beiden”, bekomplimentierte Enya die Hunde, wobei indirekt der Wunsch mitschwang, selbst einen zu besitzen. Das Gespräch dazu hatten wir bereits geführt, doch ich war bisher nur wenig dafür zu begeistern gewesen. Zum einen nahmen die beiden Katzen schon ziemlich viel Raum in der Wohnung und vor allem dem Bett ein und zum anderen bestand das Problem darin, dass sie unbedingt einen Welpen wollte. Dabei sah ich das Problem, dass dieser die ersten Monate unter dauerhafter Aufsicht stehen sollte. Enya würde ihn nicht mit zur Arbeit nehmen können und den ganzen Tag im Stall mitzulaufen, würde ihn vermutlich überfordern. Allerdings glaubte ich nicht, dass Enya das Thema damit auf sich beruhen lassen würde, gerade dann, wenn der Fundhund das Gegenteil beweisen sollte.
      “Ich weiß nicht, Trymr ist schon ziemlich”, Vriska verstummte als auch Erik wiederkehrte in einer anderen Hose und sie musterte.
      “So, was ist er denn?”, lachte er und schien heute nur durch seine Anwesenheit jegliche Gespräche zu unterbrechen. Unruhig stammelte sie vor sich hin, bekam kein richtiges Wort mehr zustande. Stattdessen griff sie wieder zu Flasche, als wäre es die einzige Möglichkeit der Peinlichkeit zu entkommen, was ich mich wunderte. Ich hatte sie bisher als ein sehr offenen Menschen kennenlernt, der immer sagte, was im Kopf herumschwirrte, selbst bei schwierigen Themen.
      “Angsteinflößend”, sprach sie schlussendlich noch und holte aus dem Schrank mehrere Schüsseln, “vielleicht sollte einer von euch beiden Lina und Niklas holen. Wir wären bei den Turteltauben eine denkbar schlechte Wahl.” Es war schon ein wenig seltsam, dass Vriska den Hund immer, um sich zu haben schien, obwohl sie ihn beängstigen fand, aber was wusste ich bereits. Möglicherweise diente das einer seltsamen Art der Konfrontationstherapie? Während ich noch darüber nachdachte, kam ich Vriskas Bitte nach und folgte dem Flur bis zum Zimmer, welches die beiden Mädels bewohnten und klopfte sachte an die Tür.
      “Ja, komm rein?”, erklang Lina Stimme aus dem Raum und ich trat ein. Ich erblickte die beiden auf einem der Betten, sie auf seinem Schoß von seinen Armen umschlungen. In den kräftigen Armen ihres Freundes wirkte Lina noch kleiner und zarter, als sie es ohnehin schon war, aber strahlte förmlich von Glückseligkeit. Bis heute hatte ich absolut keine Ahnung, warum sie sich stets solch gegensätzliche Männer aussuchte.
      “Was gibt’s?”, blickte Lina mich erwartungsvoll an, was allerdings nur von kurzer Dauer war. Wie magnetisch wurde ihre Augen von Niklas angezogen, um ihn weiter anzuschmachten.
      “Eure Anwesenheit wird in der Küche verlangt, das Essen, ist gleich fertig”, überbrachte ich die Nachricht, die ich zu überbringen gebeten wurde.
      “Okay, wir kommen”, bestätigte Niklas mit einem Kopfnicken. Da keiner der beiden Anstalten machte, sich zu bewegen, verließ ich den Raum allein. Beim Schließen der Tür nahm ich wahr, dass er etwas zu Lina zu sagen schien, worauf sie lachend antworte.
      In der Küche war der Tisch mittlerweile gedeckt und bis auf Vriska, saßen bereits alle am Tisch. Selbstverständlich nahm ich neben meiner Freundin Platz. Wenig später kündigte der wild umher wuselnde Welpe auch das Eintreffen der Turteltauben an, die uns schließlich auch mit ihrer Anwesenheit beehrten. Während sich Trymr zurück auf die Decke gelegt hatte, um dem Störenfried möglichst aus dem Weg zu gehen. Stattdessen beobachtete er jeden Schritt der Menschen im Raum mit den hellbraun leuchtenden Augen.
      Aber – wie im Kalten Krieg lag ein Eiserner Vorhang zwischen den Parteien, die sich stillschweigend ansahen. Nur zwischen den Damen hingegen, wirkte es harmonisch, vermutlich der Tatsache geschuldet, dass Vriska nur noch Augen für Erik hatte. Und das konnte man wörtlich nehmen. Ständig versuchte sie ihren Freund zu umwerben, als wären alle anderen im Raum nicht existent, er hingegen bewahrte sich in Diskretion.
      Die Weinflasche umfasste nur noch einen letzten Schluck, der womöglich niemanden zufriedenstellen würde. Eine derartige Druckbetankungen konnte weder grundlos noch gesund sein. Auch Enya sendete mir unterschwellige Signale, dass sie es bedenklich fand. Gleichzeitig zuckte Lina nur mit ihren Schultern. Niemanden kümmerte es, wie sehr das Geschöpf in den Alkohol ertränkte, trotz ihrer Vorgeschichte, die bis auf meiner Freundin, jeder im Raum kannte. Dass nicht einmal ihr Partner sich dazu berufen fühlte, sie an einem Montag zu bremsen, überstieg meinen Horizont.
      Freundlich verteilte Vriska eine Portion nach der anderen, von einer Mahlzeit, die sie nicht näher erklärte. Eine Sache stand fest: Es sah nicht gut aus, aber roch umso besser. Mit meiner Gabel stocherte ich in dem grünen und braunen Matsch herum, versuchte einige Bestandteile genaue zu betrachten. Vermutlich waren das Kichererbsen und das, was alles sehr schmierig machte, könnte Spinat sein. Die kleinen hellbraunen Klumpen dazwischen hingegen kannte ich nicht, vielleicht Pastinaken? Entschlossen steckte ich mir den Mix in den Mund. Es schmeckte genauso gut, wie es roch. Als alle glücklich begannen zu essen, stellte Vriska die leere Weinflasche unter die Spüle.
      „Ich brauche Zeit für mich“, verabschiedete sich kurz, nach einem prüfenden Blick zu Erik, der nickte. Sie zupfte ihren zu großen schwarzen Pullover zurecht und schwankte zur Tür hinaus. Trymr folgte ihr sofort mit großen Trabsprüngen. Dann verstummten die Gespräche. Dezent klammerte das Besteck auf den Tellern, untermalt mit leisen Kaugeräuschen und dem leisen Wimmern des Welpens, der unter dem Tischen durch unsere Beine huschte. Die Stimmung schien, als hätte jeder einen guten Tag gehabt. Vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass Vriska den Raum verlassen hatte, fühlte sich die Luft angestaut von positiver Einstellung an.
      “Lina, ich habe vorhin im Stall deinen Hengst gesehen, den hast du ja echt wieder gut hinbekommen”, nahm Enya das Gespräch wieder auf und füllte damit die Stille im Raum.
      “Danke”, lächelte Lina, doch wie so häufig trat auch eine leichte Verlegenheit in ihren Ausdruck, “ich bin selbst ein wenig erstaunt, wie gut er aussieht und so ganz perfekt ist sein Zustand jetzt auch noch nicht.” Seit Jahren versuchte ich bereits ihr beizubringen, ein Kompliment einfach mal anzunehmen und sich darüber zu freuen, anstatt sich selbst klein zuhalten. Doch ihr den Wert ihrer Selbst erkenntlich zu machen, grenzte an einer Sisyphusarbeit, denn die Gründe dafür waren vielseitig und so tief in ihren Gedanken verwurzelt, wie eine Eiche im Boden.
      “Nein wirklich, er sieht fabelhaft aus, gerade wenn man den Ausgangszustand betrachtet, man sieht wie viel Arbeit du invertierst hast. Es wäre wünschenswert, wenn mehr Leute so viel Engagement für ihr Tiere zeigen würden. Aber was mich mal wirklich interessieren würde, wäre der weniger offensichtliche Gesundheitszustand. Wie war da denn die Ausgangslage?”, fragte meine Freundin die Frage, die ich eigentlich bereits früher erwartet hätte, denn sobald da Thema in Richtung Medizin ging war sie Feuer und Flamme. Auch mir hatte sie diese Frage schon gestellt, aber da Divines Gesundheitsmanagement zu hundert Prozent in Linas Händen lag, hatte ich ihr auch nicht mehr sagen können als das, was offensichtlich war.
      “Wie du dir sicher bereits denken kannst, war sein Zustand alles andere als Ideal, da waren die atrophierten Muskeln nur das kleinste aller Problem. Seine Leberwerte waren stark erhöht, dafür waren die Zink- und Selenwerte komplett im Keller inklusiver diverser anderer fehlender Spurenelemente und verwurmt, war der arme Kerl auch noch. Glücklicherweise hatte ich einen kompetenten Tierarzt zur Seite, sodass es ihm schnell wieder besser ging. Das Einzige, was noch nicht wieder ganz in Ordnung ist, sind die Hufe vorne, aber ich denke, das wird auch nicht mehr lange dauern, bis die Hornspalte vollständig rausgewachsen ist ”, erzählte Lina in erstaunlicher Genauigkeit. Es wirkte beinahe als hätte sie diese Informationen auswendig gelernt, was ihr ehrlich gesagt zutrauen würde. Wenn es um Ivy ging, überließ sie nichts dem Zufall.
      “Armes Pferd, gerade mit Leberwerten ist nicht zu spaßen. Da ist es umso schöner zu sehen, wie gut es Divine jetzt geht”, entgegnete Enya, die dem Bericht mit Begeisterung gefolgt war, “Ich möchte dich jetzt nicht nerven, aber eine Frage medizinischer Art hätte ich noch.” Sie hielt kurz inne, um Linas Reaktion abzuwarten, doch als diese interessiert nickte, setzte sie fort: ”Ich habe neulich in einem Fachartikel gelesen, dass Pferde mit Divines Fellfarbe oft schwerwiegende Hautprobleme haben. Hat ihr derlei Probleme?”
      “Als ich ihn bekam, hatten wir ein wenig mit einem Ekzem zu kämpfen. Allerdings meinte der Tierarzt, dass das auch mit den Nährstoffmängeln in Zusammenhang stehen könnte. Ich hoffe ja nicht, dass das wieder auftaucht”, antworte sie zuversichtlich. Ihre Hoffnung war nachzuvollziehen, zwar war ein Ekzem kein Weltuntergang, aber dennoch eine lästige Angelegenheit.
      Erleichtert atmete Erik aus, der zuvor stillschweigend an seinem Handy saß und es in der kleinen Pause zur Seite packte. Die brennende Erwartung in Enyas Augen steckte auch Lina an, als wüssten die beiden bereits, was nun folgen würde.
      “Zugegeben, das erinnert hier ein wenig an das Gespräch, was ich vor einigen Tagen in der Kita hatte, als alle Eltern von den bereits erlebten Krankheiten erzählten ihrer Kinder”, lachte er und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas Wasser, “aber ich bin froh, dass du zumindest ein Auge auf Maxou haben kannst, weil –” dabei sah er kurz zu Niklas, um sich schließlich wieder an Lina zu wenden.
      “Ihr diese Bürde mit dem Fall ans Herz zu legen, finde ich bedenklich. Also ich möchte jetzt nicht ihre Tierliebe oder Fürsorglichkeit infrage stellen, aber ich habe ein ungutes Gefühl mit ihr und dem Pony”, beendete er seine Ansage, ohne dabei die Tür aus dem Blick zu lassen, durch die sie jederzeit hätte schreiten können, oder viel eher wanken.
      “Bisher kümmert sie sich doch gut um Maxou, aber keine Sorge, selbstverständlich werde ich einen Blick auf das Pony behalten”, lächelte Lina entgegenkommend. Bei der Erwähnung des Ponys wurde Enya hellhörig und schloss sogleich neugierig eine Frage an: “Was ist denn mit dem Pony?”
      “Erst einmal wurden nur ihre Zähne gemacht und ein Hautpilz festgestellt, aber so schrecklich wie sie aussieht und vollkommen desinteressiert ist, außer an mir, wird da sicher noch mehr sein”, sagte er besten Gewissens und reichte ihr sein Handy. Auch ich schielte hinüber, schließlich wusste ich nicht einmal, wer Maxou war. Die Bilder zeigten eine helle Stute mit dunkeln Flecken Fell, die keinesfalls alle von der Musterung stammten. Auf einigen waren die Beine angeschwollen, auf anderen hing der Rücken deutlich durch und auf einem anderen, die Augen matt. Die zeitlichen Abstände konnte man nur schwer abschätzen. Gerade als Enya eins der Bilder näher anschauen wollte, kam eine Nachricht. Sofort griff Erik nach seinem Gerät, schob die Mitteilung mit dem orangen Logo am oberen Rand weg und schaltete den Flugzeugmodus ein. Mit zusammengekniffener Stirn blickte Niklas einmal zu Erik und schüttelte verständnislos mit dem Kopf. Dann bekam sie es wieder.
      “Das arme Ding muss ja einiges mitgemacht haben”, murmelte sie, während sie die Bilder eingehend inspizierte, ”An eurer Stelle würde ich das Pony noch mal gründlich durchchecken lassen, das steckt definitiv mehr hinter als nur schlechte Zähne und ein Hautpliz.” Auch wenn meine Freundin es nur wage formulierte, war ich mir beinahe sicher, dass sie schon einige mögliche Diagnosen im Kopf hatte.
      “Selbstverständlich, ich war vorhin mit dem Kleinen in der Klinik und dort habe ich umgehend einen Termin für Maxou gemacht. Nächste Woche wird alles untersucht”, nickte er zustimmend. Es war ziemlich beachtlich, wie viel Mühe sich Erik mit dem Pferd gab, wo er bisher eher auf Abstand ging und anzunehmen war, dass er absolut keine Ahnung aufwies.
      “Dann wünsche ich viel Erfolg bei der Genesung”, lächelte Enya freundlich und schob das Mobilgerät über den Tisch wieder zu seinem Besitzer hinüber.
      “Danke, werde ich der Patientin ausrichten”, grinste Erik höflich zurück und widmete sich schließlich dem Gerät. Während Lina noch etwas mehr über Ivy schwärmte, schien Niklas nicht ganz zufrieden. Sein zuvor sehr entspanntes Gesicht, begann am Kiefer anzuspannen, sah andauernd zur Tür, als würde er auf Vriska warten. Unverständlich für mich. Sein kleiner Finger tippte auf dem Tisch herum, verursachte dabei ein leises, dumpfes Geräusch auf dem Holz. Erst als Lina ihm sanft über den Oberarm strich, ohne dabei die Unterhaltung zu stoppen, entspannte seine Hand.
      “Vielleicht solltest du dich darauf konzentrieren, was du hast”, fauchte er, “und dich dankbar zeigen, dass es überhaupt jemand mit dir aushält.” Erik sah von seinem Handy auf, musterte ihn mit erhobener Augenbraue und stand vom Stuhl auf. Er ließ sich nicht auf das Gespräch ein, schnappte sich stattdessen seine Jacke und verließ den Raum.
      “Was sollte das denn jetzt?”, rügte Lina ihren Freund sogleich, “Kannst du nicht mal einen Abend lang friedlich mit ihm in einem Raum bleiben?”
      “Das ist keine Frage von Können, viel mehr von Wollen. Aber dafür müsste er mehr Respekt zeigen”, flüsterte er, noch laut genug, dass die restlichen Leute in der Küche seine Antipathie mitbekamen. Unter dem Tisch regte sich der Welpe, der verschlafen sich aufrappelte und einige Schritte zur Tür tippelte. Leise winselte das Tier, bis Enya ihn zu sich rief und auf dem Schoß setzte.
      Ob des Frieden willens oder dem Mangel eines schlagkräftigen Gegenarguments, erwiderte Lina nicht, schien viel mehr nach einem Weg zu suchen, die Situation elegant zu übergehen. Suchend glitte ihre Augen durch den Raum, bis sie in dem Regal hinter sich etwas zu entdecken schien, was ihren Ansprüchen einer Ablenkung geeignet schien.
      “Hab ihr Lust auf ein Spiel?”, fragte sie in dem Raum und sprang sie gleichzeitig auf, um zielsicher nach einem Kartendeck zu greifen, welches auf dem mittleren Regalbrett lag. Dass aus der Runde kein Protest kam, schien ihr als Antwort zu genügen.
      “Sind euch allen die Regeln zu Vändti geläufig oder soll ich es erklären?”, erkundigte Lina sich während sie gleichzeitig begann sie Karten zu mischen, allerdings tat sie dies äußerst ungeschickt. Statt dass die Karten sich vermischten, wirkte es mehr als würde sie den Stapel, lediglich neu aufeinanderstapeln. Kurzerhand nahm Niklas ihr das Kartendeck aus den kleinen Händchen und mischte dieses selbst.
      Ich verneinte ihre Frage und auch Enyas Gesichtsausdruck zeuge davon, dass auch sie das Regelwerk nicht kannte.
      “Okay, eigentlich das Spiel simpel”, leitete Lina ihre Erklärung ein, während ihr Freund die Karten austeilte. Das kleine Fellbündel, welches noch immer auf dem Schoß meiner Freundin thronte, schnupperte neugierig an dem buntbedruckten Papier. Als er allerdings darüber schleckte, schien er festzustellen, dass die seltsamen Rechtecke nicht schmeckten und verlor das Interesse daran.
      “Gibt’s noch Fragen oder ist alles klar?”, beendete Lina ihren kurzen Vortag über das Regelwerk. Das Spiel war einfach, denn viele Regeln gab es nicht.
      “Jap, alles klar”, bestätigte ich und sortierte das Blatt in meiner Hand. Als auch meine Freundin bestätigend nickte, eröffnet Lina das Spiel mit einem ersten Zug, der nicht sonderlich spektakulär wirkte. Enya folgte mit einem geschickteren, der mich beinahe in die Bredouille brachte, noch vor dem ersten Zug nachziehen zu müssen, wenn ich nicht eine Zwei auf der Hand gehabt hätte. Niklas legte geschickterweise gleich vier hohe Karten, die nur schwer zu toppen waren.
      Das Spiel nahm seinen Lauf und die ganze Zeit wirkte es als würde Lina diese erste Runde gewinnen, doch kurz vor Ende wendete sich das Blatt durch einen gekonnten Zug von Niklas, mit dem er das Spiel für sich entschied.
      Von Runde zu Runde wurde alle routinierter. Wir lachten. Wir fluchten. Wir lachten noch mehr. Die Stimmung war herzlich und ausgelassen, ein Abend, den man so öfter haben konnte. Natürlich tat es mir auch leid, dass Vriska so schnell verschwand und Niklas noch Erik verscheuchte, der bisher zu dem Zeitpunkt nicht wieder aufgetaucht war. Welpe schlief tief und fest auf Enyas Schoß, bekam von dem ganzen Lärm nichts mit. Gerade, als für die nächste Runde die Karten ausgeteilt wurden, ertönte ein lautes Gerumpel von draußen, das seinen Ursprung im Flur haben wird. Gefolgt von dem Tippen der Hundekrallen auf den Fliesen kam Vriska wieder, von einem zum anderen Ohr grinsend. Die kleine Auszeit hatte ihr womöglich geholfen, neue Lebensenergie zu sammeln. Sie wankte zum Tisch und legte ihre Arme eng um Niklas Hals, der perplex erstarrte und Hilfe suchend durch die Runde blickte. Bei Lina setzte kurzzeitig die Atmung aus und schnappte einmal kräftig nach Luft.
      „Geh lieber deinen Freund suchen, als dir den nächstbesten zu greifen“, fauchte sie. Ihr Brustkorb bebte und ihn ihren Augen brannte neben Verzweiflung und Unbeholfenheit, auch Wut. Vriska grinste bloß, flüsterte etwas in sein Ohr, wodurch seine Augen noch größer wurden. Dann schluckte er einmal und nahm ihre Arme vorsichtig von seinen Schultern.
      “Keine Sorge Lina”, lachte sie freundlich und setzt sich auf den leeren Stuhl neben Enya. Trymr lag wieder auf seiner Decke, den Welpen anvisiert. Dieser hatte die Ankömmlinge nicht einmal bemerkt.
      “Ich habe eine lustigere Idee”, sagte Vriska und lächelte noch mal zu Lina, die noch immer nicht ganz zufrieden mit der Situation war. Aber in den Augen der beiden Mädchen wurde es entspannter, als gäbe es keinen Grund zur Sorgen. Was ihre Aktion jedoch sollte, konnte ich nicht nachvollziehen, besonders im Anblick der Umstände.
      “Ach ja?”, fragte Enya interessiert und lehnte sich zu ihr hinüber, um mehr auf ihrem Bildschirm erkennenzukönnen. Doch ihre Neugier wurde schnell gestillt. Vriska schob den Kartenhaufen vorsichtig zur Seite, damit die Reihenfolge beibehalten werden konnte. Dann legte sie ihr Handy offen auf die Tischplatte mit einem geöffneten Chat. In dem Augenblick kam auch Erik wieder, als hätte er es gerochen.
      „Genau im richtigen Moment“, scherzte Vriska und zog ihm zu sich herunter. Dieser musterte nur kurz den Chat.
      „Muss das wirklich sein?“, tadelte er mit gerümpfter Nase und blickte verräterisch zu Niklas, der nur kurz mit den Schultern zuckte, „du bist betrunken, geh lieber mit mir ins Bett.“
      „Ist doch lustig. Ich möchte endlich wissen, wer sie genauso glücklich macht wie du“, verteidigte Lina Vriskas Idee und nahm das Gerät. Beim Lesen der Nachrichten zeichnete sich eine aussagekräftige Mimik auf ihrem Gesicht ab. Immer wieder öffnete sie geschockt den Mund, lachte dann und hielt sich zwischendrin die Hand an die Nase. Auch Niklas, der zuvor in Verteidigung im Stuhl verweilte, schielte auf das Handy, schloss die Augen langsam und schüttelte den Kopf.
      “Also, ich bin das nicht”, fügte er noch hinzu und holte ebenfalls sein Handy heraus, als würde es Lina beweisen wollen. Diese winkte nur ab.
      “Aber du weißt, wer es ist”, protestierte Vriska. Er nickte.
      “Du kennst ihn gut genug, um dir keine Sorgen machen zu müssen”, musterte Niklas sie erneut, ohne den Blick von Erik abzuwenden, der noch immer verärgert seine Hand an Vriskas Rücken hatte und schließlich ihr Genick hielt.
      “Ich habe eine Vermutung”, legte Lina das Handy zurück in Mitte. Ihr Gesicht grinste vergnügt und noch mehr, als Erik eine Braue nach oben zog. Niklas schüttelte dabei noch intensiver den Kopf.
      “Sag’ es nicht”, flüsterte er kaum hörbar in ihr Ohr. Dann begann lautes Gelächter.
      “Du musst dir wirklich keine Sorgen machen”, untermalte Lina die Aussage ihres Freundes. Noch verwirrter sah Vriska sich um. Auch ich bekam eine Vermutung, ohne dabei genauer zu verstehen, worum es überhaupt ging. Enya erfreute sich an der Unterhaltung, aber wirkte genauso stutzig.
      “Engelchen, können wir nun bitte ins Bett? Mir ist das hier unangenehm”, versuchte Erik sie erneut zu überzeugen, nicht noch weiter aus dem Nähkästchen zu plaudern. Verständlich, mir würde es auch gegen den Strich gehen, wenn offenbar herrschende Missverständnisse vor versammelter Mannschaft aufgeführt werden. Anstelle sich der Bitte zu beugen, rief sie diverse Namen aus dem Gedächtnis ab, um Licht in den Nebel der Unbekanntheit zu bringen. Im Wechsel verneinten Niklas und Lina diese, was auch mich immer mehr auf den richtigen Pfad brachte.
      Erst nach einer geschlagenen halben Stunde beruhigte sich Vriska und widmete sich mehr ihrem Freund, der mit geröteten Wangen am Tisch saß. Seine Hände umspielten nervös die lockeren Strähnen ihres Zopfes. Dass ihr vermeintlicher Liebhaber gar keiner war, konnte sie sich wohl nicht vorstellen. Wir hatten stattdessen wieder die Karten zur Hand genommen und setzten die Runde fort, die ich mit großem Abstand gewann. Niklas fluchte, aber erfreute sich ebenfalls an meinem Erfolg.
      “Vielleicht solltet ihr auch hier schlafen”, wachte Vriska vom Schoß ihres Freundes auf, vollkommen benommen und mit Faltenabdrücken im Gesicht. Müde wischte sie sich Strähnen aus dem Gesicht und hangelte sich an der Schulter Eriks nach oben. Auf seinen Lippen lag ein zufriedenes Lächeln, kein Wunder. Wir alle waren froh darüber, dass sie endlich verstummt war. Nicht, dass ein grundlegendes Problem bei ihr vorlag, viel mehr, war ihre unbedachte und verletzte Art Dinge zu besprechen, die uns zum Mittäter machten. Zumindest fühlte es sich so an.
      “Das wäre toll”, gähnte Enya und sah zu mir, worauf ich ebenfalls nickte. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass die Zeiger zu weit vorgeschritten waren, um den entfernten Ort anzufahren. So konnte ich auch mit Lego noch einmal arbeiten.
      “Dann gehe ich mal das Bett beziehen”, torkelte Vriska los und verschwand aus der Tür, wieder verfolgt von dem Riesen.
      “Darf ich auch bleiben?”, tuschelte Niklas, worauf Linas Augen aufleuchteten. Seine Hand lag auf ihrem Bein, massierte sie langsam.
      “Natürlich”, flüsterte sie und drückte ihre Lippen auf seine. Aus der kurzen Berührung wurde ein leidenschaftlicher Kuss. Im Hinblick auf die halb leere Weinflasche, die sich Lina und Enya teilten, wurde ich mir ihrer Offenheit bewusster. Auch ich bekam verführerische Blicke, die ich nur zu gern erwiderte. In der Luft lag eine elektrische Magie, die vermutlich noch mehr von den beiden Turteltauben neben uns ausging. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie unangenehm es für Erik gerade sein würde und noch viel mehr, wenn es ins Zimmer hinüberging. Es fühlte sich an, als wären wir alle Protagonisten eines Teenager Film, mit jungen Leuten, die frisch ihre Sexualität entdeckten.
      Zur Erlösung kam auch Vriska wieder, die schwarze Kapuze über den Kopf gezogen und ihr Gesicht müde. Ihre Arme lagen eng am Körper.
      “Das Bett ist bezogen, eins weiter von unserem”, teilte sie emotionslos mit und musterte die beiden neben uns, die noch immer ihre Finger aneinander hatten. Sie rollte mit den Augen.
      “Wehe”, fauchte Vriska, ergriff Eriks Arm und zog vom Stuhl. Erwartungsvoll blickte er sie an, aber wurde stattdessen nur weiter durch den Raum gezerrt. Die Tiere folgten den beiden, auch wenn der Welpe nur ungern vom Schoß herunterwollte.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 34.983 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang Oktober 2020}
    • Wolfszeit
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      kapitel sechston | 28. April 2022

      Binomialsats / Maxou / Otra / Lubumbashi / Satz des Pythagoras / St. Pauli’s Amnesia / WHC' Humanoid Crashtest / Alfred‘s Nobelpreis /
      HMJ Divine / Ready for Life / Einheitssprache / Legolas


      Vriska
      Du schaffst das, schrie die Stimme in meinem Kopf während die Worte kaum hör meinen Mund verließen. Die Hände krampften fest am Waschbeckenrand und meine Augen musterten das verschlafene Ebenbild im Glas. Entdeckten dabei kleine Spritzer von Zähneputzen auf der sonst makellosen Oberfläche, die meinen Puls hochfahren ließen innerhalb weniger Sekunden. Noch bevor diese Kleinigkeit nachhaltig meine Stimmung beeinflusste, schlich mir der so kleine Welpe um die Beine. Einiges an seinem Körper mutete bereits nach einem Hund an, während die Pfoten weiterhin wie Clownsschuhe wirkten. Die letzten Wochen forderten mich zum äußersten, was nicht nur das Training mit Eskil lag, sondern vielmehr der Tatsache geschuldet war, dass ich mit Lina mehr teilte, als unsere neue Hütte. Wir sprachen es nie aus, aber jeder für sich fühlte den Schmerz der Trennung. Niklas setzte kaum noch ein Fuß auf unserem Hof, was sie am Abend verstummen ließ. Ich kannte mittlerweile den Grund dafür, aber behielt Stillschweigen darüber, dass er viel mit seinem neuen Hengst trainierte. Dieser brachte tagtäglich andere Probleme mit sich. So stand er beispielsweise vor einigen Tagen allein in der Halle herum, hatte sich offenbar aus der Box befreit und kleinen Spaziergang über den Hof gemacht. Glücklicherweise waren die Tore verschlossen. So wollte sich niemand ausmalen, was hätte passieren können. Und Erik? Er hatte viel zu tun mit seinem Studium und Fredna zeigte sich noch trotziger, was ich keine Minute aushielt. Also blieb uns nur das abendliche Telefonat. Mit meiner Stute hingegen ging es voran, auch wenn mich noch immer Angst trieb, mich auf sie zu setzen. Hatte ich mir vorgenommen, es heute zu versuchen? Ja, aber würde ich es wagen? Ich wusste es nicht. Also doch, ich wusste es. Bereits bei der Wahl einer Schabracke platzte mir der Kopf. Schwitzig rutschten meine Hände vom Waschbeckenrand ab, ein Zeichen mehr, dass ich endlich zum Stall gehen sollte. Bei einem Blick zur Uhr, die im Flur hing über der Kommode, die Lina liebevoll dekoriert hatte mit ihren Habseligkeiten, vibrierte es noch stärker in meiner Brust.
      Meine Füße setzten sich wie von selbst in mein Zimmer, das noch immer vollgestellt mit den Umzugskartons war, als hätten wir erst gestern die alles hinübergebracht. Nur war dem natürlich nicht so. Das einzig sortierte im Raum war mein Laptop auf dem kleinen Beitisch. Hektisch durchsuchte ich die Kartons, ein Kleidungsstück nach dem anderen landete auf dem Fußboden, bis ich schließlich meinen Lieblingspullover überzog und die graue Thermoreithose. Plötzlich schlug der Hund an. Neugierig streckte ich meinen Kopf durch die Tür und blickte in ein schockiertes Gesicht, das ebenso meins hätte sein können in dem Moment.
      “Du bist wach?”, strauchelte Lina, eher überrascht als bedauert. Abermals wanderten meine Augen zur Uhr. Es war kurz nach elf Uhr, also konnte ich es sogar nachvollziehen. Vor vier traf man mich in letzter Zeit nicht an.
      “Seltsamerweise ja”, nickte ich und prüfte mein Handy. Es gab heute einen Termin, der vermutlich dazu beitrug, dass ich den ersehnten Energieschub bekam, der so lang verschlossen in meinem Inneren lag.
      “Wie kommt’s, hast du dich entschieden wieder unter den Normalsterblichen zu Wandel?”, erkundigte sie sich interessiert.
      “Erik kommt nachher, aber ich wollte es dir nicht früher sagen, weil”, ich stoppte, um ihren Gesichtsausdruck näher unter die Lupe zu nehmen, der aber unverändert blieb, “ich hatte Angst dich damit zu verletzten. Und ich habe meinen Pulli gefunden.” Mit meinen Fingern fummelte ich den unteren Saum zurecht. Ich konnte nicht genau sagen, was es war, doch bisher lief es ziemlich gut, außerdem musste ich nicht zum Training nach Kalmar fahren, weil Eskil seinen Hintern hier herbewegt.
      “Würdest du dein Chaos da mehr unter Kontrolle haben, müsstest du auch nicht suchen”, belehrte sie mich halbherzig, wohl wissend, dass diese Kritik ohnehin nichts verändern wird.
      Wie ein Irrlicht im Nebel schien für den Bruchteil einer Sekunde eine Gefühlsregung in ihren Augen zu flackern, die so schnell wieder verschwand, wie sie gekommen war: “Und Danke für deine Rücksicht, aber ich komm schon klar. Schön, dass Erik kommt.”
      “Wir bleiben aber nicht, also keine Sorge”, lachte ich, um die unangenehme Spannung im Raum zu lösen, die sich eher meinerseits aufgebaut hatte. Aber deutlich interessierter, war ich nun auch an ihrem Erscheinen, denn all die anderen Tage hatte sie nicht einmal versucht, an meine Tür zu klopfen, stattdessen bekam ich das Gefühl, dass sie sich immer mehr in das Hofgeschehen selbst einordnete und den Anschluss fand.
      “Und offenbar wolltest du etwas von mir?”, hakte ich mit gespitzten Lippen nach.
      “Jap, der neue Einsteller ist da”, sprach sie und ein freudiger Ausdruck trat auf ihr Gesicht.
      “Ich hatte am Board gelesen, dass eine neue Stute kommt. Dann hast du die beiden schon gesehen?”, auch in mir kam ein Funkeln auf, schließlich waren neue Pferde immer toll.
      “Nicht nur gesehen, ich habe gerade auch schon mit ihm gesprochen”, grinste sie. Ungewöhnlich, dachte ich. In der Regel gehörte Lina nicht zu den kontaktfreudigen Menschen, die neuen Leuten als Erstes entgegentraten.
      “Ihm? Oh, jetzt wird es interessant. Sieht er gut aus? Dann muss ich mich wohl doch etwas lebendiger zeigen”, entschied ich deutlich entschlossener und verschwand direkt wieder im Badezimmer. Sie folgte mir, beobachtete, wie ich im Handumdrehen meine Schminke auftrug, damit die Augenringe bestmöglich versteckte und schließlich noch den Lidstrich aufzog. Meine Augenbrauen waren bereits vorhin schon gemacht worden.
      “Ja, also hässlich ist er nicht”, sprach sie, “und seine Stute ist auch ziemlich schick.”
      „Dass ich das noch erleben darf. Hübsche Menschen auf dem Gestüt“, kam es lüstern über meine Lippen, als wären alle anderen nicht von Gott gesegnet. Selbst bei dem Gedanken konnte ich nur leicht den Kopf schütteln. Schließlich hatte ich ganz andere Sorgen, doch nun war es Zeit den Herren mit eigenen Augen zu sehen. Ich legte dem Hund sein Geschirr an, schnappte mir die erstbeste Jacke und verließ mit Lina die Hütte. Unverändert lag eine dichte Schneedecke über Schweden, die jeden noch so kleinen Ast unter sich vergrub und augenscheinlich für immer behielt. Natürlich würde spätestens im Frühjahr wieder erwachen, doch bis dahin würde noch einiges an Zeit ins Land ziehen. Mit meinen Augen hielt ich bereits Ausschau nach unserem neuen Freund, entdeckte bis auf Jonina allerdings niemanden. Sie beachtete uns nicht einmal, sondern drehte mit Otra ihre Runden auf der Ovalbahn. Vermutlich sah sie uns nicht, zumindest hoffte ich, dass sie irgendwann zu verstand kommen würde und niedriger die Nase hielt.
      „Also wo ist er?“, versuchte ich mehr Informationen aus Lina zu quetschen, als nur noch wenige Meter vor uns lagen zum Stallgebäude. Auf den Paddocks zu den Boxen beobachteten uns bereits Ivy und Smoothie. Auch Lubi hatte wohl meine Stimme vernommen und wieherte einmal. Höflich winkte ich ihr zu, was im Nachhinein betrachtet, ziemlich dumm war. Aber das Pferd nickte, als hätte sie meine Geste verstanden.
      “Eben war er dabei, sein Zeug in die Sattelkammer zu räumen. Ich nehme an, das wird sich nicht groß geändert haben”, gab Lina nicht mehr Informationen als notwendig, um die Frage zu beantworten.
      „Verstehe“, musterte ich sie intensiv und trat durch das große Tor in die Stallgasse ein. Uns dicht folgte der junge Hund, der so gut wie nie von meiner Seite weichte.
      Als gäbe es einen Anlass zum Feiern, standen dort Harlen und Tyrell. In ihren Gesichtern breitete sich ebenfalls Erstaunen aus, wie zuvor bei Lina.
      „Dass man dich noch mal antrifft“, scherzte mein Bruder, der umgehend einen Schlag an der Schulter kassierte.
      „Ist ja nicht so, als hättest du dich auch blicken lassen können“, rollte ich mit den Augen, aber lief umgehend weiter zur Sattelkammer. Hinter mir tuschelte es, was mich nicht weiter beeindruckte. Ich wollte endlich wissen, was hier so unglaublich geheim war, dass man es nicht aussprach.
      “Vriskaaa, jetzt sei mal nicht so, dein Bruder erfreut sich doch nur deiner Anwesenheit”, brachte Lina ihr Unverständnis hervor, “geh lieber nachsehen.” Sie tippelte, wie ein Kind dem man eine Überraschung versprach neben mir her, als könne sie es kaum Abwarten, meine Reaktion zu sehen. Skeptisch warf ich noch mal einen Blick zu hinüber, bis das Knarren der Dielen unter unseren Füßen ertönte und im nächsten Moment vor der Tür verharrte. In der Sattelkammer klang hektisches Rascheln, Schritte und ich öffnete die wieder Augen. Bevor überhaupt ein Wort über Lippen huschte, musste ich erst einmal tief Luft holen. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet, konnte aber nachvollziehen, warum sie so ein Geheimnis daraus gemacht hatte. Nicht nur, dass er urplötzlich verschwunden war, betraf es vermutlich auch der Tatsache, dass es zwischen uns sehr schnell, sehr unangenehm geworden war. Eigentlich totaler Blödsinn, wenn ich vom aktuellen Standpunkt zurücksah.
      „Du? Was? Warum?“, stammelte ich verwirrt, bekam anstelle einer Antwort eine Umarmung. Auf seinen Lippen lag ein vertrautes Lächeln. War damit alles gut? Unsicher huschten wieder meine Augen zu Lina, die ein wenig, wie ein Schulkind wirkte, das gerade die beste Freundin mit dem Schwarm verkuppelte. Plötzlich schluckte ich. War er? Konnte das sein? Bestimmt nicht, das wäre unmöglich.
      In meinem Kopf kam die Verarbeitung all dieser neuen Informationen verzögert an. Und müde war ich zusätzlich auch noch. Nur eine Frage konnte ich stellen, die so sehr auf den Lippen brannte, wie Kaffee, den ich zu schnell trank. Aber diese musste erst einmal warten.
      „Majvi hat von dir erzählt. Also bist du mit Erik zusammen?“, kam Ju mir mit seiner Frage zu vor. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass dies nicht unbeantwortet bleiben konnte.
      „Ja“, schoss es wie eine Patronenhülse aus meinem Mund, obwohl es sie schwerer wurde den Kontakt aufrecht zuhalten. Etwas in mir zögerte bei jedem Anruf, aber ich machte weiter, wie immer, um so etwas wie Alltag zu verspüren.
      „Freut mich“, lächelte er weiterhin zuvorkommend und sortierte währenddessen Dinge aus einer riesigen Tragetasche in den Schrank. Es zeigte sich, dass offenbar jeder mit einem Pferd unglaublich viel Krimskrams besaß und ich kein Einzelfall war. Etwas unschlüssig, was der nächste Schritt sein würde, stand ich mit Lina an der Tür herum. Jeder seiner Handgriffe wurde von uns genaust gemustert, bis Ju sich uns zuwandte.
      “Nun möchte ich das sagenumwobene Pony sehen”, sprach er mit spöttischem Unterton.
      “Spar dir den Spott. Du wirst schon sehen, wie gut die beiden zusammenpassen”, wand Lina sogleich ein.
      „Ist das so?“, verwundert drehte ich mich zu ihr. Bisher fühlte sich Maxou eher wie ein unwilliges Berittpferd an, dass genauso schnell die Lust verlor an der Arbeit. Sie war empfindlich, reagierte auf jede Veränderung mit Ignoranz und zeigte sich ebenso ungeduldig an der Doppellonge wie auch im freien Laufen, eine reine Beschäftigungstherapie als ernsthaftes Training.
      “Ja”, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen, “ihr müsst nur noch richtig zusammenfinden, dann wird das schon.”
      „Hattest du auch so Schwierigkeiten mit Ivy?“, lag es mir schon seit Langem auf der Zunge. Beinah befreiend fühlte es sich an, als es endlich ausgesprochen war. Ich hatte keine Ahnung, zumindest vermittelte man das mir jeden Tag aufs Neue und dann eine Gurke zu kaufen? Wohl nicht die klügste Idee.
      “Das kommt auf die Betrachtungsweise an, würde ich sagen. Aufgrund seines Zustandes und ich vermute, sein junges Alter spielt da auch mit rein, war seine Aufmerksamkeitsspanne, genauer gesagt ist sie noch heute manchmal, extrem kurz und die Ungeduld war gerade zu Anfang auch problematisch. Aber wir haben unseren Weg gefunden damit umzugehen, das hat nur ein wenig Geduld erfordert”, berichte sie bereitwillig über ihren Hengst.
      “Ich hatte ihn gar nicht in so einem schlechten Zustand in Erinnerung”, versuchte ich die Bilder aus dem April wieder vor das innere Auge zu bringen, die ziemlich verschwommen aufblitzten und mich nichts erkennen ließ. Sosehr ich mit zu gekniffenen Lidern mich dazu zwang, Altes wieder hochzuholen, verblieben abgefragte Bilder im tiefen Wasser.
      “Dann muss ich deinem Gedächtnis wohl ein wenig auf die Sprünge helfen”, entgegnete sie, kramte ihr Handy hervor und tippte ein paar Mal gezielt darauf herum, bevor sie mir den Bildschirm zudrehte. Auch Ju warf einen neugierigen Blick auf das Gerät. Außer in der Farbe bestanden nur wenig Ähnlichkeiten, die eindeutig darauf wiesen, dass es sich um das gleiche Pferd handeln sollte. Der Schädel Divines wirkte auf dem dünnen Hals gigantisch, identisch galt auch für die kräftig gebauten Beine, die einen Körper trugen, der maximal die Hälfte der Masse hatte, wie jetzt. Kaum zu glauben, dass das Plüschmonster dieses Tier, mit den wenigen Fusseln, auf dem Foto sein sollte.
      “Oh nein”, zoomte ich noch einmal genauer an das Tier heran, “hast du wirklich gut hinbekommen, den Kleinen. Willst du vielleicht die Gurke haben?”
      “Danke, aber nein. Ich glaube sowohl dein Freund als auch das Pony selbst hätte ein Problem damit”, schmunzelte sie nur.
      “Ach, der ist doch nie da”, konnte ich es mir nicht verkneifen, mich eher selbst mit der Tatsache herunterzuziehen als Außenstehende, “und die mag mich nicht mal, also alles gut.”
      Aufgeregt kam auch Welpi wieder herein, begrüßte Ju mit einer intensiven Geruchsabnahme, ehe der Hund wieder umdrehte und verschwand. Den Schritten zu folgen, kamen noch andere Leute, wodurch auch wir drei zur Box der Ponystute liefen, die nur wenige Schritte von dem Eingang der Sattelkammer lag.
      “Also sie schenkt dir meistens mehr Aufmerksamkeit als Redo mir manchmal. Das ist doch schon mal was”, scherzte Lina und streckte Maxou, die den Kopf über die Boxentür erhob, die Hand mit einem Leckerli hin. Mit abgeklappten Ohren schnappte sie danach und schon war es verschlungen, als würde sie nie etwas bekommen. Leises Brummen ertönte aus der Nachbarbox, aus der auch Lubi die kleine Versammlung musterte. Unentschlossen, welches Tier ich meine Aufmerksamkeit widmete, stand ich zwischen beiden Fronten, wendete den Kopf von einer Stute zur anderen.
      „Dann zeig doch mal was“, schien Ju für meinen Geschmack zu fordernd die Wortwahl zu treffen. Ganz ruhig Vriska, redete ich abermals auf mein Gewissen ein, das rasend den Motor in der Brust antrieb und damit das Blut in den Adern scheuchte.
      „Da gibt es nichts zu zeigen“, zitterte meine Stimme, „ich setze mich nicht rauf.“
      “Entspann dich, Vriska”, sprach Lina und legte mir die Hand auf die Schulter, “du musst doch nicht reiten, wenn du nicht willst. Vor allem nicht so, du machst Maxi sonst ganz nervös.”
      „Mehr oder weniger hatte ich mehr Elan erwartet, wenn man sich ein Pferd kauft“, mischte auch Mann sich wieder ein, reichte dem Tier ebenfalls ein Leckerli. Zack, das Krokodil hatte die Nahrung im Handumdrehen verschlungen.
      „Erwartung erfülle ich eher selten“, lachte ich.
      “Man hätte auch erwartet, dass man sich als erstes Tier nicht freiwillig einen Pflegefall ans Bein bindet und siehe nur, sie tat es trotzdem”, zuckte Lina nur mit den Schultern, stimmte schließlich auch in das Gelächter ein. Von dem ursprünglichen schlechten Zustand war mittlerweile nicht mehr viel übrig. Die Hufe sind geschnitten und vorn beschlagen, die Genickbeule in Behandlung und der Pilz schon besser. Vor der Box hing ihr Halfter, das ich, ohne groß nachzudenken griff und umlegte. Sie giftete auch mich an, worauf ich nicht ein ging. Maxou unternahm bisher keinen Versuch, mich zu verletzen. So schienen die angelegten Ohren eher ein an erlerntes Verhalten zu sein, um die Menschen von sich fernzuhalten. Ich band die Stute in der Putzbucht an und nahm zuallererst ihre Decke vom Rücken. Das schmutzige Ding landete direkt über eine Halterung und dann verschwand in der Sattelkammer, um ihre Putztasche zu holen. Unter den strengen Augen meiner Mitstreiter strich nur einige Male über das saubere Fell und säuberte ihre Beine, die übersät von Matsch waren.
      „Na, warst du heute mal draußen?“, flüsterte ich dem Tier liebevoll zu. Interessiert stellte sie ihre Ohren auf und senkte den Kopf. Ihre Lippe fummelte an meiner Kapuze herum, als gäbe es dort etwas Leckeres zu entdecken. Eine Antwort bekam ich natürlich nicht.
      In der Sattelkammer stand allerdings vor der Frage, ob ich es nicht zumindest versuchen sollte. Vorbereitet war ich auf alles. In der letzten Woche kam ihr Semi-Cavesson an und die Schabracken bereits vor Wochen. Nur über den Sattel war ich unsicher. Intensiv musterte ich mein Modell, das ich ursprünglich für Glymur gekauft hatte. Die Gelpolster sollten sich an kleinste Unebenheiten anpassen und die Länge könnte ebenfalls gleich sein. Bevor der Gedanke überhaupt verarbeitet war, nahm ich den Schoner ab und trug ihn herunter, über die Schulter hatte ich den Zaum. An meinem Ohr klimperte das Metall aufeinander, während die Finger nervös an den Polstern zuckte. Meine Schritte versuchte ich auch über das Leder hinwegzusehen. Heute zu stolpern, wäre ein Reinfall.
      „Nimmt jemand nun doch die Herausforderung an?“, scherzte Ju. Tatsächlich überkam mir ein Schub an Energie durch Linas gutes Zureden, zumindest was meine Motivation des Reitens betraf. Das führte mir auch die Möglichkeit vor Auge, dass ich jederzeit absteigen konnte, sollte die Stimmung nicht passen.
      „Ja“, sagte ich mit geschwellter Brust.
      Maxou musterte zunächst den Sattel, zuckte einmal als ich Schabracke auflegte. Mit jeder Bewegung ging vorsichtig vor, als wäre die Stute eins der verrückten Jungpferde, obwohl das Attribut auch auf sie passte.
      Hoch motiviert verlor ich die anderen beiden aus den Augen, aber vernahm, dass sich auch mein Bruder und Tyrell zu ihnen gestellt hatten. Leise tönten ihre Stimmen im Echo der hohen Decke durch die Halle, als ich mit Maxou erste Übungen zum Warm werden wiederholte. Wie immer begann ich mit dem Übertreten, um den heutigen Aufwand ihrer Flexibilität zu prüfen. Sie war steif, wenn auch fleißig. Mit jedem Schritt, den sie tiefer zum Schwerpunkt setzte, lobte ich Maxou. Gefallen wollte sie, möglich vorausdenken, ohne dabei hektisch zu werden, eine schöne Eigenschaft für ein Tier, aber für mich äußerst schwierig im Training. Mit jeder Lektion forderte sie neues Wissen, als wäre ich ein Lexikon, dass ihr die Welt erklärte. Aber wie sollte ich jemanden eine Welt erklären, die ich nicht einmal verstand.
      Die Stimmung des Pferdes änderte sich. Aus der Mitarbeit wurde Gegenarbeit. Einen Schritt ihr zu erklären, entlockte die entgegensetzte Wirkung. Verhalf ich der Stute, sich mehr zu tragen, kippte sie noch stärker auf die Vorderhand. Ungezügelt schlug sie mit dem Schweif um sich und versuchte dabei in verkürzten Tritten, Raum zwischen uns zu schaffen. Ich gab ihr diesen. Aus der Ferne betrachtete ich, wie sie abwesend durch den Sand trat, weder mir noch den Zuschauern an der Bande ihre Aufmerksamkeit schenkte. Deutlich interessanter wirkte die Bodenbeschaffenheit, die sie intensiv mit den Nüstern abfuhr und schließlich wieder bei mir landete. Verzückt drehten sich die Ohren. Ihren Kopf hielt sie erhoben, als wäre sie ein Erdmännchen auf einem Hügel. Bei den zuckenden Bewegungen wackelte die kleine Palme, die Maxou weiterhin von mir bekam. Niedlich war sie schon.
      Mit einer Hand griff ich nach den, über ihren Hals hängenden, Zügel, um sie herauszuführen. So weit kam ich allerdings nicht. Das Gespräch am Rand der Bande verstummte und noch bevor ich überhaupt das Schiebetor erreichte, wurde ich aufgehalten.
      “Möchtest du es nicht mal probieren, dein Pony zu reiten?”, erklang Linas Stimme, in der ein klitzekleiner Hauch von Enttäuschung mitschwang.
      „Bin ich nicht deutlich zu schwer?“, hegte ich weigere Zweifel an der Idee.
      „Vriska. Ernsthaft? Du wiegst vermutlich weniger als der Sattel“, lachte mein Bruder herzlich und bekam umgehend ein Schulterklopfen von Tyrell, der vermutlich Ähnliches dazu beitragen verspürte. Innerlich änderte das allerdings nichts.
      “Solang du nicht vorhaben solltest Stunden zu reiten, sollte Maxou das Schaffen”, wand nun auch meine Kollegin zuversichtlich ein.
      „Ihr wollt doch nur sehen, wie ich in Sand lande“, rollte ich abfällig mit Augen. Maxou folgte mir weiter zur Aufstiegshilfe, die mit einem Handgriff aus der Bande geklappt. Das Tier musterte das seltsame Holz, das plötzlich neben ihr war. Aufgeregt prusteten die Nüstern Luft heraus, was im Echo der Reithalle noch lauter klang, als neben ihr zu stehen. In der Zeit zog in den Sattelgurt um zwei Löcher fester, dabei stellte sich heraus, dass ich für sie eindeutig einen kürzeren brauchte. Nur noch ein Loch an den Strupfen standen zur Verfügung auf beiden Seiten. Egal, wie sehr ich an jeglichen Riemen am Sattel fummelte und zog, die Stute hatte nur Augen für die Aufstiegshilfe. Wie ein Vogelstrauß regte sie ihren Hals zu ihr und begann zu quietschen, wenn sie es berührte. Seltsames Tier. Tatsächlich gab, dass mir die Möglichkeit aufzusteigen, auch wenn ich lieber die rückenschonende Methode verwendet hatte.
      Im Sattel, eher thronend als sitzend, atmete ich tief durch und tätschelte liebevoll ihren feuchten Hals. Mein Blick lag fest zwischen ihren Ohren, um abschätzen zu können, ob Maxou das böse Brett noch angreifen würde oder im nächsten Moment zur Seite sprang. Nichts dergleichen geschah, als ich sanft die Waden ans Pferd legte. Ihre Ohren drehten sich aufmerksam in meine Richtung und schon setzte sie mit weiten Schritten durch den Sand. Vollkommen Pony untypisch spürte ich jedes Abfußen der Hufe mit einer langen Wischbewegung durch den Sattel. Vor mir wedelte die Palme weiterhin. Nach einer Runde auf der ganzen Bahn, wendete ich wieder zur Mittellinie ab, hatte dabei nicht einmal die Zügel aufgenommen, hielt an und stieg wieder ab. Maxou drehte ihren Kopf zu mir, als wolle sie fragen, was los sei. Wieder tätschelte ich den Hals und flüsterte ihr Lob ins Ohr. Auch ein Leckerli verschlang der Strauß sofort.
      „So, ich saß darauf“, sagte ich zur Truppe am Rand.
      “Siehst du, dein Pony ist ganz brav”, grinste Lina offensichtlich zufriedengestellt, “aber das nächste Mal würde ich gerne mehr als eine Runde sehen.”
      „Nur gut, dass ich keine Aufstiegshilfe bin“, lachte ich. Maxou war abermals daran stehen geblieben, um das Brett zu inspizieren, als hätte sich ihr Zustand verändert. Dieses Mal wurde sie aufdringlicher, stupste mit dem Maul kräftig dagegen, immer wieder und wieder, bis das Holz schließlich sich löste und in den Ausgangszustand zurücksprang. Das Pony erschrak, sprang einige Tritte zur Seite, aber kehrte ohne großen Umweg wieder zu mir. Ihren Kopf legte sie auf meiner Schulter ab, als hätte sie einen großen Dienst an der Gesellschaft verrichtet. Sanft strich ich über ihr Maul.
      „Mausi, du kannst in der Box schlafen“, flüsterte ich mit schielendem Blick zu ihr. Sie hatte die Augen geschlossen und genoss offenbar die kleine Massage an den Nüstern.
      „Ist das immer noch das Pony, welches sich nicht mag?“, scherzte sie kleine Brünette entzückt, „Ihr zwei schaut so niedlich aus.“
      Bevor irgendwer entschloss diese Situation auf irgendeiner Art und Weise zu dokumentieren, zog ich einmal leicht am Zügel, um das Pony vorwärtszukommen. Sie atmete genervt aus, aber folgte mir.
      „Ich glaube, dass sie verstanden hat, dass man sich mit mir verstehen muss, um ein einfaches Leben zu haben“, zuckte ich währenddessen mit den Schultern. Mein Bruder begann zu lachen, so sehr, dass er sich verschluckte und Ju ihm den Rücken klopfte. Männer. Wieder rollte ich mit den Augen. Mir fiel es noch immer schwer, all diesen kleinen Moment zu schätzen, wenn jemand fehlte.
      Hinter dem Tor begrüßte mich mit dem höchsten Einsatz des ganzen Körpers Hundi, der zwar bisher noch Fred genannt wurde, aber aufgrund Eriks Tochter, dringend einen anderen Namen benötigte. Maxou giftete den Hund einmal an, als er auch um ihre Beine herum sprang.
      „Die meint das nicht so“, beruhigte ich ihn. Flüchtend hatte er sich an meine andere Seite gesellt, als müsste ich ein schützendes Schild bilden zu dem Ungeheuer. In der Stallgasse kamen wir zur Ruhe. Unsere Zuschauer hatten sich verflüchtigt.
      “Vriska warte”, stoppte mich Ju, als ich gerade eine andere Decke holen wollte.
      “Was los?”, wandte ich mich ihm zu. Nur für einen Atemzug hielten meine Augen an seinem Gesicht fest. Ich blieb nicht unbemerkt. Ein zartes Lächeln huschte über seine Lippen, während er versuchte, andere Punkte im Raum anzuvisieren. Wir kannten uns kaum, gar nicht, aber ich spürte noch immer die fadendünne Verbindung zwischen uns. Oder war es nur Einbildung?
      „Es tut mir leid“, platzte es mir heraus.
      „Was?“, fragte er mit gerümpfter Nase.
      „Das“, konnte ich nur stammeln, „dass ich dich verletzt habe.“
      Ju lachte.
      Nun war ich verwundert. Ging es nicht darum?
      „Du machst dir aber auch viele Gedanken.“
      „Ja. Nein. Du warst doch plötzlich wie vom Erdboden verschluckt und hast nicht geantwortet“, deutlich empörter, als ich wollte, purzelten die Worte aus meinem Mund.
      “Und du willst mir jetzt sagen, dass das mit dir zu tun hatte?”, seine Hand strich mir eine lockere Strähne aus dem Gesicht. Leicht spürte ich eine Kälte, die von ihm ausging, auf der Wange. Gänsehaut durchzog sich von oben nach unten.
      “Was soll ich sonst denken?”, hauchte ich mit kratziger Kehle. Mir wurde klar, weshalb ich mich all die Tage in der Hütte verschanzt hatte. Jede noch so kleine Berührung eines anderen brachte das Blut in Wallungen, nichts, außer der soziale Entzug konnte sich dem entgegenstellen. Selbst jetzt, in einer noch gewöhnlichen Situation, fand ich keinen klaren Gedanken.
      “Deshalb wollte ich mit dir sprechen”, nahm er endlich die Hand von meiner Wange weg, „ich war mit Amy bei Stockholm. Wir haben an höheren Sprüngen geübt, weil mir das Vertrauen an der Höhe fehlte. Außerdem zieht sie auf dem Platz mehr an als im Gelände, deswegen bin ich auch hier. Turniere bleiben zwar auf der Tagesordnung, aber nicht unter dem Zwang des Teams.”
      Erleichterung kam über mich. Die zittrigen Hände beruhigten sich und kontrollierte meine Atmung wieder. Zunehmend ergab es Sinn, aber ich wusste trotzdem nicht, mit seinem plötzlichen Erscheinen umzugehen.
      “Aber das hättest du doch sagen können”, jammerte ich.
      “Das stimmt, aber ich wusste nicht, was Niklas sagt. Schließlich … du kennst ihn. Er ist eine sehr einnehmende Persönlichkeit”, grinste er weiter.
      “Schon. Aber hier kannst du doch auch nicht springen?”
      “Tyrell meinte, dass in der Halle öfter mal gesprungen wird, ebenso fliege ich morgen Richtung Spanien zum letzten Turnier”, hängte er das Halfter zurück, dass die ganze Zeit in seiner anderen Hand war.
      “Die Arme muss andauernd von A nach B”, schmollte ich, “wann bist du wieder da?”

      Einige Stunden später

      Eskil
      Im Schnee versunken blitzten die dunklen Dächer unter der weißen Decke bereits aus der Ferne auf. Nur noch wenige Meter fehlten zur Einfahrt, dann knirschte der Schotter unter den Reifen meines Autos. Entlang der Baustelle stellte ich es ab und setzte die Füße durch den Schnee. Mit einem Atemzug kitzelte jede Nuance in der Nase. Lieblich vernahm ich die Gerüche der Pferde, die Feuchtigkeit des morschen Holzes aus dem Wald und Öl der Maschinen. All das zeichnete den Moment.
      “Hej”, wedelte Harlen vom Eingang der Reithalle zu mir mit seiner Hand.
      “Lang nicht gesehen”, grinste ich. Wüsste ich nicht, dass er meine Nachrichten ignorierte, hätte ich mich mehr über diese Begegnung gefreut.
      „Stimmt“, nickte er, „Du trainierst mit meiner Schwester, sagt man sich?“
      „Das ist richtig.“
      „Sie wartet schon mit Lina auf dich“, erklärte er. Zusammen liefen wir den langen und äußersten hellen Gang neben der Reithalle entlang. Überall her ertönte Hufschlag und zwischendurch hörte man auch Pferde schnauben, sowie leise Kaugeräusche. So heimisch ich auch versuchte mich zu fühlen, raubte mir die kleine Stalltour den Atem. Es fühlte sich genauso unangenehm an, wie die Fragen meines Vaters vor Jahren, wann ich als richtiger Mann endlich eine Freundin vorstellen würde. Er wusste, dass vom anderen Ufer war, aber tat es bis heute als eine Phase ab. Seitdem mied ich nicht nur Unterhaltung jeder Art, sondern auch den Kontakt.
      “Möchtest du etwas zum Trinken? Einen Kaffee?”, fragte Harlen, als ich schwieg.
      “Ja, gern”, lächelte ich, um weitere Unannehmlichkeiten zu überspielen. Es funktionierte besser als ich dachte, denn sein ernster Gesichtsausdruck lockerte sich wieder und er verschwand die Treppe hinauf zu einem der schwarzen Häuschen in diesem riesigen Gebäude. Obwohl Vriska schon einiges erzählt hatte und ich Jonina mehrmalig hier absetzte, konnte ich mir nicht ausmalen, wie gigantisch das Gebäude von innen war. Mein Blick folgte ihm, bis er im Türrahmen verschwand und ich wie angewurzelt an der Bande stand. Dann bemerktem mich die beiden Mädels.
      “Da bist du endlich”, warf sich Vriska wagemutig um meinen Hals. Ungewöhnlich fest drückte sie sich an mich. Es schien ihr eine Ehre zu sein, mich auf dem Gestüt willkommen zu heißen. Aber gleichermaßen fühlte es sich an, wie das, was Jonina und ich seit Jahren hatten und woran der Zahn der Zeit nagte. Leise schnaufte ich.
      “Wer von euch beiden hat geputzt?”, musterte ich Lubi in der Putzgasse. Ihre Beine waren am Kronenrand noch voll mit Matsch, da wollte ich mir nicht vorstellen, wie schmutzig es unter den Bandagen sein könnte.
      “Der Jemand, der sein Pferd eigentlich immer nur zu zwanzig Prozent putzt”, entgegnet die kleine Brünette und schien damit die Schuld von sich zu weisen.
      “Was heißt hier immer”, echauffierte sich Vriska umgehend und verschränkte die Arme. Lubi öffnete aus dem Halbschlaf die Augen, bekam dabei beinah die Hände ab, hätte ich die Blonde nicht vom Pferd weggezogen.
      “Es sind mindestens siebzig”, fügte sie noch hinzu.
      “Naja, Zahlen sind ja nicht so meine Freunde, aber siebzig sind es sicher, nur wenn man die eindeutig sichtbaren Bereiche nimmt”, entgegnete Lina vorwitzig.
      „Also, wenn wir bedenken, dass ihr Kopf ungefähr so lang ist wie ihr Schulter und“, dann stoppte ich Vriska in ihrem Redefluss.
      „Es reicht, wir wissen alle, dass du zumindest in dem Punkt klüger bist als wir.“
      Nickend nahm die Tatsache hin und holte aus dem Putzkasten noch mal eine Bürste, um die zumindest noch freien Stellen vom verbleibenden Staub zu entfernen. Im seichten Licht der indirekten Leuchten schwebten die Partikel durch die Luft und schienen uns ein Ballettstück aufzuführen. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wurde mir mein Kaffee gereicht, der genauso ein Kunststück aufführte.
      „Danke“, sagte ich grinsend und wärmte mir die Hände. Es war kälter als ich dachte.
      Schließlich hatte Vriska ausreichend das Pferd geputzt und führte sie auf den Platz in der Halle. Ich setzte mich zusammen mit Lina an den Rand, um zuallererst das Aufwärmen zu beobachten.
      “Wie kommt es eigentlich, dass du heute hier bist und Vriska nicht wie sonst mit Lubi rüberfährt?”, fragte sie interessiert und versuchte so ein Gespräch zu starten.
      “Erik hatte mich darum gebeten, weil die beiden heute noch irgendwo hinfahren und es sehr spät werden würde. So genau drückte er sich nicht aus, aber es macht mir auch keine Umstände und meine Schwester ist ebenfalls froh”, erklärte ich ihr und nippte an der Kaffeetasse. Die warme, bittere Flüssigkeit hatte an Temperatur verloren, wodurch es trinkbar wurde. Im Augenwinkel behielt ich Lubi, die gehorsam wie immer im Schritt lief.
      “Stimmt ja, die beiden wollten ja noch weg”, wiederholte sie die Information mehr für sich selbst, “aber cool, dann habe ich mal die exklusive Gelegenheit, mitzuerleben, wovon Vriska immer erzählt.”
      „Könnte aber etwas grob werden. Du kennst sie ja, immer schwierig.“
      Beim Vorbeireiten vernahm sie die Worte, wollte gerade ansetzen sich zu beschweren, aber mit einem einfachen Handzeichen, sorgte ich für Ruhe. Mich beeindruckte ihre übertriebene kindliche Art nicht, zu viel Zeit verbrachte ich mit meiner Schwester am Telefon, die aus wirklich jeder Mücke einen Elefanten zu pflegen schien.
      “Was du nicht sagst, wo Vriska ist, ist ein Hauch von Dramatik auch nicht weit”, lachte die Brünette, “aber dann wird es hier immerhin nicht so schnell langweilig.” Ein leichter Windzug brachten etwas von der kalten Luft in das Gebäude, woraufhin Lina den Reißverschluss ihrer Jacke ein Stück höher zog und im gleichen Zug den Schal hineinstopfte.
      „Willst du meine Jacke?“, sagte ich, drauf und dran den Windbreaker über den Kopf zu ziehen.
      “Äh, und du erfrierst dann nicht?”, beäugte sie mich argwöhnisch, schlug das Angebot aber auch nicht ab. Im Handumdrehen hatte ich den wärmenden Stoff von mir entfernt und ihr gestülpt. Tatsächlich fror ich schon, aber würde jederzeit bei Vriska mit laufen können und dann genügend Wärme verspüren.
      Wir unterhielten uns eine Weile über Linas Hengst, der sogar beim erlauschen seines Namens sich meldete. Zumindest sagte sie dies, als eins der Pferde ertönte. Eine geballte Welle an Wissen traf mich. Sie kannte ihr Pferd und beinah seine vollständige Lebensgeschichte. Hätte ich mir ausmalen können, dass Divine derartig Vieles erlebt hatte, wären meine Fragen andere gewesen. Doch schien es nun, als kannte ich die Rasse Freiberger in allen Facetten. Umso spannender wurde es, als sie von Redo und Rambi, ihren anderen Errungenschaften, erzählte. Die Worte weise gewählt, ohne dabei überschwänglich oder überheblich zu klingen. Bei ihr fühlte man sich weniger schlecht, wenn man etwas nicht wusste. Ich hegte eine Sympathie für die Brünette, konnte zu gleichen Teilen spüren, was Niklas an ihr fand. Natürlich verlor ich immer mehr den Blick für Vriska, die allerdings auf dem Reitplatz ein solch herrliches Bild auf der größten Stute zeigte, dass es mich mit Wehmut überkam, sie nicht in Stockholm begrüßen zu dürfen.
      „Und das ist dein Werk?“, kam Harlen von der Seite dazu, mit einem dampfenden Tee in der Hand, einem, dem Geruch zufolge, Früchtetee.
      „Nicht alles“, grinste ich ergeben und setzte mich dabei etwas gerade hin, auch meine Arme, die ich zuvor noch verschränkt vor meinem Oberkörper hielt, fielen locker auf meine Schenkel.
      „Aber war das gut? Ich sehe sie öfter mit dem Pferd auf dem Platz, aber dieses hüpfen kannte ich nicht.“
      Zugleich lachten Lina und ich. Besagtes Hüpfen war eine hohe Kunst in der Kontrolle und Einheit mit dem Tier – Einer-Wechsel.
      „Du hast überhaupt keine Ahnung, oder?“, fragte lieber noch einmal nach, um den Fettnäpfchen auszuweichen.
      „So würde ich das nicht sagen. Beispielsweise ist mir bekannt, dass Lubi ein Dressurpferd darstellt und sehr weit ausgebildet ist. Vorrangig aus dem Vergleich zu Tyrells Tieren, die im Vergleich sehr schwerfällig wirken und ein Rennpferd ist sie auch nicht. Ach, und das andere von meiner Schwester ist ein Pony, ein wilder Mix“, drehte er sich zu uns und präsentierte mit hektischen Gesten sein Wissen. Immerhin, das Notwendigste schien ihm bekannt.
      „Darauf kann man doch aufbauen und wenn man deine Schwester so anschaut, könnte aus dir sicher auch ein Traummann“, da musste ich schlucken, ehe ich weiter sprach: „Ich meinte, natürlich traumhafter Reiter werden.“
      “Sicher, dass du nur das meintest, das eine schließt das andere nicht aus”, lachte Lina.
      „Lina“, sagte ich flüsternd und empört zu ihr, stieß ihr vorsichtig mit dem Ellenbogen in die Seite.
      “Okay, hab verstanden, sensibles Thema. Bin schon still”, entgegnete sie friedfertig.
      „Ein anderes Mal“, gab ich ihr nickend zu verstehen. Besagter Herr bekam davon nur wenig mit, zu sehr hing er an seiner Schwester, die noch am lockeren Zügel einige Übergänge im Trab abfragte.
      „Also, wann setzt du dich mal auf ein Pferd?“, hakte ich gespannt nach.
      „Schätzungsweise“, Harlen schaute auf seine Finger, bewegte einen nach dem anderen, „gar nicht.“
      Sprache wirkungsvoll einzusetzen, lag der Familie offenbar im Blut.
      “Wenn du glaubst, du könntest auf einem Pferdehof leben, ohne jemals auf einem gesessen zu haben, irrst du dich. Das hat mein Bruder nämlich auch immer behauptet ”, entgegnete Lina amüsiert.
      „Oh, cool, ist er auch Geschäftsführer? Das wäre ein grandioser Zufall! Wo hat er studiert?“, das Leuchten trat in seine hellen Augen und eine Wucht an Fragen traf auf Lina, die überfordert von der Euphorie wirkte.
      “Ich fürchte, da muss ich dich enttäuschen. Jyrki arbeitet im Kommunikationsmanagement beim finnischen Reitsportverband und studiert hat er in Helsinki”, beantwortete sie seine Fragen dennoch.
      „Ah, aber immer noch mit Pferden unterwegs. Ich staune, dass deine Schwester nichts erzählt hatte, wo sie so schwärmte von dir und deinem Hengst“, sprach Harlen ohne den Blick von ihr zu lösen.
      „Vriska, das reicht doch langsam“, unterbrach ich das Gespräch, als ich die Kleine bemerkte, die erneut das verschwitzte Pferd angaloppierte. Sofort parierte sie durch, aber schielte verärgert zu mir. Linas Blick wendete sich kurz zu der Sandfläche, bevor sie das Gespräch nahtlos fortsetzte: “Ja, Juli ist manchmal ein wenig verplant und wie sie ihre Prioritäten setzt, ist nicht immer ganz nachvollziehbar, nicht mal für mich. Aber was ihr bei unserem Bruder fehlt, ist, denke ich, das eigene Pferd.”
      „Wir hätten da sicher etwas“, schaute sich Harlen um, als würde er das passende Pferd suchen – Ohne den Herren zu kennen, noch eins der Tiere.
      „Harlen, hör auf. Ich glaube nicht, dass Linas Bruder ein Rennpferd sucht“, mischte nun auch Vriska ein, die eine Volte vor uns drehte.
      „Wer hat die denn heute kaputt gemacht?“, lachte ihr Bruder und tat abermals ihrer Aussage als unnötig ab. Mehr konnte auch nicht dazu beitragen, so verschwand sie so schnell, wie sie kam.
      „Ich schätze, dass es an mir liegt, aber ich kann damit umgehen. Morgen kommt sie ohnehin wieder an, wenn was ist“, zuckte ich mit den Schultern, mit dem Gedanken, dass Vriska immer sehr launisch war. Der Fakt, dass sie ihren Freund laut eigenen Erzählungen kaum noch gesehen hatte, und auch an seiner Treue zweifelte, verstärkten das alles noch.
      Ich seufzte. Die Mädels machten es sich aber auch nicht leicht bei ihrer Partnerwahl. Meine Augen huschten unbewusst zu Harlen, aber als sich die Blicke trafen, wand ich mich wieder zu Lina. Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, war ihr dies nicht entgangen, ließ es aber freundlicherweise unkommentiert und schwenkte zurück auf das ursprüngliche Gespräch.
      “Ich muss deiner Schwester wohl zustimmen, ein Rennpferd sucht er sicher nicht und bedauerlicherweise sucht er aktuell gar kein Pferd. Ich habe es schon oft genug versucht, jedes Mal hat er einen neuen Grund, warum es gerade nicht passt ”, sprach sie schulterzuckend.
      “Dann hat er aber nicht viel gemeinsam”, stellte ich mit Bedauern fest.
      “Ja, das war schon immer so, was sieben Jahre Altersunterschied halt so ausmachen”, sagte sich nahezu gleichgültig, als käme ihrem Bruder ohnehin keine große Bedeutung zu. Im Inneren verspürte ich ein kratziges Gefühl. Schleichend, aber fest entschlossen umklammerte es die Organe, strich auf dem Weg nach oben die Kehle entlang, um mir den Atem abzuschnüren. Mit leicht zittrigen Fingern malte ich mein Tattoo am Unterarm nach, verspürte, dass wieder Sauerstoff meine Lungen spülte. Ich wollte keinesfalls unsägliche Gefühle ihrerseits auslösen, doch trat immer wieder in Fettnäpfchen.
      “Bleibst du noch, oder musst du gleich los?”, holte mich Harlen vollständig aus der Trance heraus.
      “Ich weiß nicht”, stammelte ich und sah fragend zu Lina, als wüsste sie eine Antwort darauf.
      “Ich würde dir ja gerne weiterhelfen, aber ich kenne deine Tagesplanung nicht”, entschuldigte sie sich, “aber vielleicht siehst du mal in deinem Handy nach.”
      “Zeit ist nicht das Problem”, flüsterte ich und schluckte, um endlich das Kratzen zu verlieren, vergeblich.
      “Verstehe”, wisperte sie und nickte, “ich habe noch ein wenig Zeit, also bleib ruhig noch.” Ein herzensguter Ausdruck lag in ihren Augen, als sie ermutigend lächelte. Der Klumpen löste sich endlich. Durch den Mund nahm ich einen kräftigen Atemzug.
      > Jag tycker att han är bra, men jag vet att han har något på gång med min syster. Båda håller tyst om det, men hon är en dålig lögnare.
      “Ich finde ihn gut, aber ich weiß, dass er was mit meiner Schwester hat”, ich seufzte und blickte in die großen Augen meiner Gegenüber, “Die Beiden verschweigen es, aber sie ist eine schlechte Lügnerin.” Um weniger verletzt zu wirken, zuckte ich mit den Schultern. Eigentlich sprach ich ungern über das Thema, aber ich wusste nicht, wem ich es hätte sonst erzählen können. Lina fasste es gut auf, fummelte bei der Erzählung an ihren lockeren Strähnen herum, schwenkte den Blick immer wieder von Harlen zu mir.
      > Åh jag är ledsen. Men ge inte upp, jag har en känsla av att det fortfarande kan hända.
      “Oh, das tut mir leid”, brachte sie ihr Mitgefühl zum Ausdruck, bevor sie versuchte ein paar aufmunternde Worte zu finden, “aber gibt nicht auf, ich habe da so ein Gefühl, dass das noch werden kann.”
      > Tror du att jag är hans typ?
      „Denkst du, ich bin sein Typ?“, konnte ich nicht anders als zu fragen. Leider kam Vriska mit einem ernsten Blick dazu. Hatte sie unser Gespräch belauscht?
      Bevor mir weiter darüber nachdachte, stelle Harlen noch einmal seine Frage, dieses Mal mit mehr Nachhall, als hätten wir ihm nicht zugehört. Dem war natürlich nicht so, also stand ich auf, um ihn zu folgen. Lina kam uns auch nach, aber bog dann ab, um Vriska mit dem Pferd zu helfen. Ob sie Räuberleiter machten, um den Sattel abzunehmen? Allein die Vorstellung vergnügte mich.
      “Wollen wir nicht bei den Mädels bleiben?”, fragte ich Harlen, der gerade zur Treppe hinauf wollte.
      “Ich dachte, dass wir erst einmal kurz sprechen. Allein.”
      Willkommen zurück, kratzige und trockne Kehle, wie du mir gefehlt hattest.

      Vriska
      Nachdem Eskil ohne Verabschiedung verschwunden war, standen Lina und ich noch eine Weile in der Stallgasse. Harlen hatte Essen gemacht, was mir die Entscheidung für heute abnahm. Zunehmend wurde es ruhiger. Keiner sah dem anderen in die Augen, nur Tyrell erzählte fröhlich von den Pferden.
      „Möchtest du nicht heute mal Crash kennenlernen? Ich habe sie vor ein paar Tagen hochgeholt“, bot er mir eins der Nachwuchspferde an. Auf Crash war ich seitdem kennenlernen scharf. Die Stute strahlte Persönlichkeit aus, zog einem, nicht nur dem Aussehen geschuldet, in den Bann. Lina wirkte nicht so, als würde sie verstehen, um welches Pferd es ginge, aber das würde sie noch erfahren. Meinen Teller stellte ich auf der Spüle ab und stürmte den Flur entlang. Einen kurzen Augenblick dauerte es, bis ich Linas eilige Schritte wahrnahm, die mir zu folgen schienen.
      “Warte, ich will auch das Pferdchen sehen”, rief sie mir nach, ”das muss ja ziemlich spannend sein, bei deiner Reaktion.”
      Ich stoppte.
      Sie holte auf.
      „Du wirst schon sehen. Die Stute sieht nicht nur extrem gut aus, sondern läuft auch noch vorzüglich. Ihre Erziehung ist nur so, semi, aber sie ist auch erst fünf und war sehr lange auf der Weide, also darf sie das“, ich kam gar nicht aus dem Schwärmen heraus. Griff mir beim Vorbeilaufen nur Maxous Lammfellhalfter. Dieses stellte ich beim Laufen ein und schnappte immer wieder nach Luft, um nicht zu ersticken.
      „Und Tyrell hat immer gesagt, niemand darf an das Pferd ran. Deswegen“, ich stoppte.
      Der Clown stand am Zaun, blickte und beide mit ihren verträumten Augen an. Hatte ich schon erwähnt, dass ich so was wie verliebt war? Verkaufen wollte er sie nicht, aber irgendwann, das schwöre ich, werde ich mir das Pferd krallen!
      „Da, das“, zeigte ich Lina die graue Stute.
      „Wow, sie ist wunderschön, mit ihrer außergewöhnlichen Scheckung“, seufzte sie entzückt.
      „Sie hat sogar ein Herzchen am Widerrist.“
      Mit den Worten taucht ich durch Stromzaun und legte der Stute das Halfter um. Sie trug ihren Kopf hoch, den Hals leicht gewölbt. Das Fell war struppig, einige lockere Haare wirbelten durch die Luft, als ein kleiner Windzug kam. Ihre Mähne war auf der rechten Seite und ziemlich mitgenommen.
      „Ich glaube, da müssen wir gleich mit der Schere ran“, murmelte ich leise. Lina nickte zustimmend, obwohl es nicht einmal an sie gerichtet war. Doch auch ihr Blick wich dem Tier keine Sekunde aus. Sie öffnete uns das Tor. Nur in Schlangenlinien durchquerten wir es, wovon auch der Weg zur Halle geprägt war. Grummelnd begrüßte ein Pferdekopf nach dem anderen sie und besonders Ivys Boxenpartner, Lego, fand gefallen an der Stute. Aus dem Grummeln wurde ein Wiehern, bei dem auch Nobel mit einsetzte. Sie interessierte sich nur wenig für die Annäherungsversuche. Ihren Ohren drehten sich bei jedem Geräusch, aber bewegte nicht einmal ihren Kopf.
      “Ich glaube, Lego findet sie auch überaus toll”, grinste Lina, wollte den Hengst kurz über den hellen Kopf streicheln, doch dieser entzog sich ihr genervt, um sich wieder seinem Flirt zu widmen. Der Warmblüter wölbte seinen Hals imposant auf, brummelte und lief, sofern es der Platz in der Box erlaubte, vor uns auf und ab. Ich war mir nicht ganz sicher, ob die Verwunderung in Linas Gesicht von der Stute herrührte, die noch immer kein Interesse zeigte, oder vom Verhalten des Hengstes.
      „Vielleicht mag sie keiner Männer, wofür ich Verständnis hätte“, lachte ich und klopfte ihren Hals. Eine große Staubwolke schwebte über ihr, die zusammen mit einzelnen Haaren zu Boden ging.
      “Immerhin interessieren sich welche ernsthaft für sie”, nuschelte sie gedämpft, ”Ich habe selten so viel Einsatz von dem Herrn da gesehen.”
      „Ach Lina“, sah ich mit überzogenem Schmollmund zu ihr herüber, „Niklas wird schon demnächst vorbeikommen. Ich meine, lass doch nicht so mit dir umgehen. Erkläre ihm, dass du extra hergekommen bist für ihn und wenn ihr komplett ungestört sein wollt, dann gehe ich zu Harlen oder Tyrell.“
      Lina schien sich nur marginal für meine Hilfe zu interessieren, stattdessen versuchte sie erneut den Rapphengst zu streicheln, der wie ein Tiger am Gitter hin und her lief. Dann kann ich auch nicht helfen.
      Ich führte Crash noch die letzten Meter zur Putzbucht und befestigte langsam die beiden Stricke an der Seite des Halfters. Kritisch beäugte sie diese, schnappte einmal nach ihnen, aber stand ansonsten ruhig da. Das Putzen stellte kein Spektakel dar.
      „Das sagt sich immer so leicht, aber mal sehen“, bekam ich schließlich doch noch eine verhaltene Reaktion. Nachdem Legolas sogar das angebotene Leckerli verschmäht hatte, kam sie zu Putzplatz nach, stecke das getrocknete Obst stattdessen in Cash Schnauze, die es gierig verschlang.
      Sie schnappte sich dann auch eine Bürste, um das lockere Sommerfell zu entfernen. Der Wechsel war kaum erkennbar, wenn ich es mit dem Plüschbären im Nebenstall verglich. Sogar Ivy platzte aus allen Nähten. Aber was sollte schon an Fell nachgeschoben werden bei einem Mix aus Trakehner und Lusitano?
      Immer mit dem Blick auf mein Handy, für die Uhrzeit, sah ich mich im Stall um. Eigentlich sollte jeden Moment Erik eintreffen und einen richtigen Plan für die Stute lag auch nicht vor. Longieren konnte ich nicht, denn die Halle war voll und der Platz voll geschneit. Gerade als Lina einige Vorschläge machte, trat mein Wunsch in Erfüllung. Wie ein Propeller kreiste der Schwanz des Ungetüms, als es ungezügelt auf uns zu rannte. Crash hob erschrocken den Kopf und trat dabei einige Schritte zurück, so weit wie es die Schnüre ihr ermöglichten. Jaulend toste der Rüde um uns, wollte so gern an mir hochspringen und auch Lina ein Küsschen geben, doch seine gute Erziehung verbot es. Stattdessen saß Trymr vor uns, tippelte mit den Vorderpfoten auf dem Boden und der Schwanz wischte die losen grauen Haare der Stute von links nach rechts. Ich kniete mich zu ihm runter. Er drückte seine Schnauze in mein Gesicht, rieb sich an mir. Kalte Eiskristalle zerflossen an der Haut und das kleine Rinnsal verkroch sich in meinem hohen Kragen.
      “Das reicht”, flüsterte ich dem Hund zu, der immer mehr die Feuchtigkeit an mir verteilte. Stattdessen drehte er sich auf den Rücken und mit weiten, kreisenden Bewegungen kraulte ich seinen Bauch durch. So sehr, dass ich für einen Augenblick das große Ganze verlor.
      „Dann kann ich wohl wieder gehen“, sagte eine wohlbekannte Stimme zu mir und tippte mich an der Schulter an. Langsam hob ich meinen Blick.
      “Also, wenn du das so sagst. Klar, danke, dass du Trymr vorbeigebracht hast”, feixte ich, ohne die Hände vom Hundebauch zu lösen.
      “Freut mich, dann, Lina, dir auch noch einen schönen Tag”, grinste Erik zu ihr. Ich hatte ihr die Aufgabe überreicht, die Mähne ordentlich zu machen. Meine zitternden Hände hätten es vermutlich nur noch schlimmer gemacht. Auf der anderen Seite flocht sie die losen Strähnen zu einem niedlichen Zopf, die dem Hals der Stute noch mehr schmeichelten.
      “Ne, den Hund darfst du da lassen, aber deine Freundin, musst du mitnehmen, sonst verkriecht sich das Wesen der Nacht wieder in seiner Höhle”, protestierte sie, was bei dem amüsierten Lächeln, allerdings nicht allzu ernst zu nehmen war.
      “Warte?”, drehte er sich verwundert aus seinem provokanten Weggehen wieder zu uns um, “wo hat sie sich verkrochen?”
      Ich zog meine Brauen nach oben und signalisierte Lina mit einer Handbewegung in Höhe des Halses, dass sie nicht weiter sprechen sollte. Kurz blickte sie mich verwundert an, aber schien das Signal nicht ganz so deuten zu können. Deshalb schloss ich meine Augen, um die Standpauke mit Fassung zu tragen.
      “Naja, … Vriska hat sich die letzten Wochen nicht so häufig außerhalb ihres Zimmers blicken lassen”, erläuterte sie zögerlich.
      Ich wollte im Boden versinken. Erik wusste nicht davon und jedes Mal, wenn er mich nach meinem Arbeitstag fragte, dachte ich mir eine neue Geschichte aus. Es gab Dinge, die ihm wichtig waren, wozu leider ein geregelter Arbeitstag zählte und, dass ich nachts einige Pferde arbeitete, würde nichts daran ändern. Viel mehr galt sein Grundsatz, dass ich mich in jeder sozialen Interaktion mit einbringen sollte. Aber ich war nicht in der Stimmung dafür, nicht einmal heute.
      “Unglaublich, das kann nicht sein”, sagte er verärgert und trat, den Schritten zufolge, die mit jedem lauter wurden, näher an mich heran. Langsam öffnete ich die Augen. Mit verschränkten Armen stand er vor mir, sah mit seinem ernsten Blick zu mir herunter. Er seufzte, als ich nicht auf ihn reagierte und schüttelte dabei mit dem Kopf.
      “Fräulein, wieso?”, tadelte Erik.
      “Was, wieso?”, fauchte ich.
      „Ich denke, das reicht jetzt, steh auf, so kannst du nicht mitkommen“, rollte er mit den Augen und reichte mir die Hand. Natürlich kannte ich ihn mehr oder weniger ausreichend, dass ich aus seinen Augen den aktuellen Gemütszustand ablesen konnte. Er war sauer auf mich, versuchte es aber durch eine gewisse Höflichkeit zu überspielen. Außerdem schien er für den Tag mehr geplant zu haben und ich wollte mich nicht ihm streiten, also nahm ich das Angebot dankend an.
      “Du kennst du Regeln”, flüsterte er in mein Ohr.
      Ich nickte und zog mich aus dem Aufstehen an ihn heran.
      “Es tut mir leid, wie kann ich es wieder gut machen?”, funkelte ich mit verführerischem Blick zu ihm hoch. Sein Gesicht wandelte sich zu einem Grinsen, dass ebenfalls davon überzeugt war, das Angebot anzunehmen.
      “Später”, gab er mir einen Kuss auf die Stirn und nahm die Hand von meinem Rücken weg.
      Lina hatte sich wieder dem Pferd zugewandt. Mir lag auch für sie eine Entschuldigung auf der Zunge, aber es würde nichts nutzen. Aber ich schwieg.
      “Lina, willst du noch mit Crash was machen?”, fragte ich alibimäßig im Gedanken daran, dass die Halle ohnehin überfüllt war.
      “Ähm, ich denke, wir würden in der Halle nur stören, also nein”, ließ sie mich an ihrem Gedankengang teilhaben. Unsicher huschten ihre Augen zwischen ihm und mir Hin und Her. Es war wieder diese eine Sache.
      “Dann lass uns die Stute wegbringen”, lächelte ich und bewunderte das Werk, was vorrangig sie an dem Pferd verrichtet hatte.
      “Hast du eindeutig toll hinbekommen”, lobte ich Linas Arbeit auf dem Weg zum Paddock. Der kalte Wind kam wieder auf. Am Horizont verschwand die Sonne hinter den Kronen der Bäume und zauberte ein seichtes rotes Licht über den Hof, selbst der Schnee leuchtete fabelhaft. Augenblicklich verlor ich mich in der Märchenatmosphäre. Mich überkam eine unersichtliche Melancholie. Sie sehr ich mich woanders hin wünschte, vordergründig in eine andere Zeit, in der ich ehrlich im Gegenüber war, mich selbst kontrollieren konnte und keinen unnötigen Gedanken an unfassbare Menschen verlor. Niklas war einer davon. Immer wieder erwischte ich mich dabei, an ihn zu denken und mir vorzustellen, wie eine Beziehung mit ihm aussehe. Was ich anderes machen würde, an Linas Stelle, was unfair war.
      “Das meiste war doch schon vorher da, aber danke”, trat wieder diese eigenartig herabstufende Haltung bei ihr ein, wie es so häufig der Fall war, wenn es um ihre erbrachten Leistungen ging.
      “Ach, hör doch auf, dich immer schlechter zu machen, als du es bist”, seufzte ich, manchmal nervten mich solche Aussagen, besonders von Menschen, die mir etwas bedeuteten. Sie konnte es sich vermutlich nicht vorstellen, aber sie war nach langem wieder so etwas wie eine richtige Freundin, auch wenn ich, durch mein eigenes Verhalten, nicht über alles sprechen konnte.
      Sie nahm der Stute das Halfter auf dem Paddock ab. Crash hatte nichts anderes vor, also in den Unterstall zu laufen und dann Kopf in das Heu zu strecken zum Fressen. Für einen Augenblick standen wir am Zaun, aber der kalte Windzug machte es beinah unfähig länger, als eine Minute hier zu stehen. Selbst in Eskils Windbreaker zitterten ihre zarten Knie.
      “Man, du klingst schon wie Samu”, entgegnet sie augenrollend, “aber ich werde versuchen daran zu arbeiten. Könnten wir das allerdings irgendwo klären, wo ich nicht erfriere?” Hoffnungsvoll blickte sie den Weg, entlang den wir kamen, als wolle sie ihr Anliegen noch unterstreichen.
      „Dann scheint wohl etwas Wahres darin zu liegen“, sagte ich mit voller Übersetzung und setzte mich mit knirschenden Schritten in Bewegung. Noch bevor wir überhaupt am Rolltor zum Stall ankamen, fing uns Erik ab.
      „Wir gehen zur Hütte“, sprach dieser und zog mich zur Seite. Er wusste nicht einmal, wo diese lag, aber schien ein Ziel vor Augen zu haben. Verunsichert blickt mich Lina an, aber ich hatte genauso wenig Ahnung davon, was der Herr vorhatte. Bei jedem anderen hätte ich wohl äußerst schändliche Gedanken gehabt, aber was ihn betraf, war ich mir sicher, dass ich von anderen nichts mitbekommen würde. Ja, ich zweifelte weiter daran, dass es ihm mit mir ernst war, obwohl er es schon oft genug zu Beweis gestellt hatte, dass es Erik wichtig war, mit mir zusammen zu sein.
      Angekommen in der Hütte steuerten mich meine Beine automatisch zur Kaffeemaschine, während meine Finger gierig das Gerät einschalteten. Für Lina, die noch immer wie ein Eisblock auf der Couch kauerte, setzte ich einen Tee an.
      „Erik, möchtest du etwas zum Trinken?“, bot ich ihm an, was er allerdings verneinte. Stattdessen trocknete er die Hunde ab. Trymr war dem Junghund weiterhin skeptisch gegenüber und suchte lieber die Nähe zu mir, während der gefleckte an Lina hing.
      Kurze Zeit verschwand meine Mitbewohnerin in ihrem Zimmer und kehrte mit bequemerer Kleidung zurück. Nur ich stand noch in meiner dicken Reithose im Raum und wartete sehnsüchtig darauf, dass das Getränk eine angenehmere Temperatur bekam. Wie bestellt und nicht abgeholt, lehnte Erik an der Wand.
      „Setz dich bitte, du machst mich nervös“, ermahnte ich ihn.
      „Gut so, dann ziehst du vielleicht um“, schien er nur wenig Verständnis für mein Leid zu haben.
      „Ich weiß doch noch nicht mal, wo du mit mir hin willst, also scheine ich, alle Zeit der Welt zu haben“, wollte ich seine Anwesenheit nicht ganz so sehr akzeptieren, wie es ein Teil meiner Gedankenwelt verlangte.
      „Wir sind zu einem Geburtstag eingeladen“, erklärte Erik grob.
      „Ach ja? Welchen?“, kam mir seine Antwort zu allgemein vor.
      „Vater.“
      Ich musste schlucken. Ihn wiederzusehen, war einer meiner nächtlichen Gedanken, die mir den Schlaf raubten. Nur schwer konnte ich mir vorstellen, wie ich Vidar vor die Augen treten sollte. Zu sehr … nein, das wäre falsch. Ich konnte nicht einmal den Gedanken näher beleuchten, ohne eine Gänsehaut zu bekommen.
      “Dein Vater hat Geburtstag?”, schaltete Lina sich ziemlich irritiert in das Gespräch ein.
      „Offensichtlich scheint Niklas dich nicht eingeladen zu haben“, murmelte Erik mitleidig. Er wirkte enttäuscht über dieser Tatsache, noch deutlicher, als es in ihrer Stimme hauchte. Wie konnte ihr Kerl nur so abweisend sein? Abartig.
      „Können wir sie nicht mitnehmen, schließlich …“
      Erik ließ mich nicht einmal aussprechen, sagte stattdessen: „auf jeden Fall kommt sie mit. Wenn ich jetzt schon immer dahin fahre, obwohl ich vorher kaum integriert wurde, sollte Lina dort mehr als Willkommen sein.“
      “Ihr … ähm … Ihr müsst mich nicht aus Mitleid mitnehmen”, stammelte sie überfordert, “Ich möchte mich nicht aufdrängen.” Die Enttäuschung in ihrem Blick war unverhüllt, als sie uns wie ein scheues Reh anblickte.
      „Sag’ nicht so was. Du bist schließlich kein Hund. Also, zieh‘ dich hübsch an und los geht’s“, sprühte er nur so vor Tatendrang, wohingegen ich noch immer in dem Gedanken gefangen war, dass wir Vidars Geburtstag feierten. Seit mehr als einer Woche sprach er mit mir darüber, dass heute etwas Besonderes auf der Tagesordnung stand, doch wollte mir nie mehr mitteilen als „wirst schon noch merken“.
      „Babe, du auch“, zog er mich leichten Ruck am Arm aus meiner Position heraus. Da Lina in einem der Zimmer verschwand, ergab es sich, dass das andere nur meins sein konnte und dort führte er mich in meiner leichten Trance. Wir trafen auf mein Chaos, kein sortiertes, vielmehr standen wir vor den halb ausgepackten Kartons, über die einige getragene und ungetragene Kleidungsstücke thronten. Irgendwo lag auch sein Mantel.
      „Es reicht, wenn du keine Reitsachen anziehst“, erklärte Erik, als er einen leichten Überblick über die Unordnung hatte. Ich zog währenddessen meine Jacke aus, die ich noch immer anhatte.
      „Und nicht diesen Pullover“, musterte er mich als Nächstes. Es war nicht in meinem Sinne, dieses Kleidungsstück anzubehalten, dennoch interessierte mich, was genau sein Problem darstellte.
      „Wieso?“, fragte ich kurz und hob den schwarzen Stoff über meinen Kopf, dabei löste sich der Zopf und meine Haare fielen durcheinander über die Schultern, lose verblieben im Inneren hängen. Mit einem Schritt trat er an mich heran und schob in Zeitlupe eine Strähne zur Seite, die über meinen Augen hing. Seine Hände fühlten sich unglaublich warm an. Wohlwollend verteilte sich dieses Gefühl in meinem Körper, machte es mir unmöglich, dem verträumten Blick seiner Augen zu entweichen. Schon die kleinste Zärtlichkeit raubte mir den Atem, unglaublich, dass nach der vergangenen Zeit noch immer anfühlte wie beim ersten Treffen.
      “Bekomme ich eigentlich keine respektable Begrüßung?”, flüsterte er. Seine Augen schielten langsam zur Tür, die noch weit offen stand und seinen Plänen im Weg.
      “Ach, ich dachte, ich sollte mich umziehen? Und Lina ist bestimmt auch gleich so weit”, grinste ich überheblich und wollte gerade nach ihr fragen, als er die Tür schloss. Die Andere hielt mir den Mund zu und stemmte mich gegen jenes Holz. Am Rücken spürte ich die leichten Erhebungen der Ornamente und biss mir, nach einem Kuss lüsternen, auf die Lippe. Nur Millimeter trennten seine von meinen. Der warme Atem aus seiner Nase kitzelte die winzigen Haare in meinem Gesicht, verriet mir im Rhythmus, dass auch er vollkommen unter Strom stand.
      “Der ist neu, oder?”, lenkte ich vom Thema ab, fuhr mit immer wieder mit meinen Augen von seinem wohlgeformten Gesicht zu seinen Schuhen hinunter und hoch.
      “Wer?”, zog er vor Verwunderung die Brauen hoch,
      “Dein Anzug”, merkte ich an und legte die Hände an seiner schmalen Hüfte ab, um ihn etwas näher an mich heranzuziehen. Ich wollte mehr von seiner Verbundenheit spüren, die Wärme, die noch immer von ihm ausging. Doch kam eher nicht zu mir heran, sondern verharrte an Ort und Stelle.
      “Es überrascht mich, dass es dir auffällt”, merkte Erik mit einem leichten Lächeln an und blickte zu meinen Fingern, die weiterhin oberflächlich den Stoff umspielten. Immer wieder verhakten sich die Spitzen in den Gürtelschlaufen am Bund. Er hinderte mich daran, das eingesteckte Hemd herauszuziehen.
      “Mittlerweile kenne ich deine Auswahl und Rot hattest du bisher nie gezeigt, sehr gewagt.”
      Wirklich rot war der Stoff nicht, vielleicht minimal. Es könnte ein Weinrot sein, mit sehr viel dunkeln Fasern, dass man nur aus der Nähe die Rotpigmente erkannt. Im richtigen Winkel sah man, metallisches Glitzern hindurchblitzen.
      “Gefällt er dir nicht?”
      “Alles an dir sieht aus, aber noch besser, wenn du nichts trägst”, sprach ich leise, mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Aber Erik schien noch immer etwas zu verstecken.
      “Dann warte mal”, stoppte er, um näher an mein Ohr zu kommen, “darunter habe ich auch Neues.”
      Ich schluckte.
      “Vielleicht sollten wir langsam fertig werden, schließlich.” Für wohl eins der ersten Male fand ich keine Ausrede. Lina würde sich ohnehin vor dem Umziehen noch frisch machen und vielleicht sogar Schminke auftragen, denn es war ihr erster Besuch bei der Familie. Da musste man einen guten Eindruck hinterlassen, zumindest lief es so in ihrem Leben – das anständige, nette Mädchen vom Dorf.
      “Deine Augen sagen anderes”, schmunzelte er, strich mir abermals eine Strähne aus dem Gesicht, die sich hinter meinem Ohr gelöst hatte.
      “Was sagen sie denn?”, erkundigte ich mich.
      “Vieles, aber nicht, dass du gehen möchtest.”
      Eine gefühlte Ewigkeit verging, ehe er mich aus dem liebevollen Gefängnis entließ, weiterhin ungeküsst, als gäbe einen Schwur, den wir damit brechen würden. Aus einem der Kartons zog ich mein einziges Kleid heraus, das nicht wie ein Vorhang an mir herunter hing und mich noch dünner wirken ließ, als ich es ohnehin schon wohl. Am liebsten hätte ich mich ein Pullover übergezogen, um meine herausstechenden Knochen an der Schulter und Halspartie zu verstecken, doch Erik hielt mich von diesem Vorhaben ab. Mit seinen Fingerspitzen umspielte er mein Dekolleté.
      „Du siehst wunderschön aus, mein Engel“, flüsterte er und gab mir einen sanften Kuss auf den Hals. Danach folgten weitere. Zwischen all seiner Liebkosen entfachte sich weiter die Flamme in mir. Aus meinem raschen Atmen wurde ein Stöhnen und bevor Lina die Geräusche hätte hören können, neigte Erik seinen Kopf und erlöste mich mit einem leidenschaftlichen Kuss auf den Lippen. Meine kalten Finger huschten zum Bund seiner Hose, zogen das Hemd heraus und berührten die glühende Haut darunter. Er zuckte zusammen, stöhnte beinah schmerzerfüllt, aber löste sich nicht von mir. Lang fuhr ich an seinem Becken herum, um immer weiter zwischen Haut und Hose zu gelangen, aber dann klopfte es an der Tür. Sofort löste ich mich von ihm. Erik steckte in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit das Hemd zurück in die Hose und richtete seinen Schritt. Dann öffnete ich die Tür.
      “Also meinetwegen können wir dann los”, verkündete sie. Ihr zarter Körper steckte in einem zartblauen, hochgeschlossen Pullover, kombiniert mit einem dunklen, in Falten gelegten Rock, der vorteilhaft ihre Figur umspielte. Eine Sache, die bei Lina natürlich nicht fehlen durfte, waren die kleinen geflochten Details in ihrer Frisur, die einen idealen Gegensatz zu dem schlichten Outfit bildeten.
      “Wow”, stieß Erik nur vor lauter Überwältigung heraus und bekam von mir den Ellenbogen in die Rippen. Nun stöhnte er vor Schmerz, verdient.
      “Aber ich muss ihm zu stimmen”, stammelte ich eingeschüchtert. Meine Finger fummelten an dem fallenden Stoff herum, der nicht ansatzweise so schön saß, wie an ihr. Ich sah an mir herunter, stellte fest, dass nichts dieses Outfit retten könnte. Von den Schultern abwärts begann mein Körper zu beben, als würde mich eine Lawine treffen. Es ging nicht darum, dass sie Konkurrenz darstellte, sondern viel mehr, dass ich ihr nicht das Wasser reichte. Alles an ihr leuchtete, strahlte eine gewaltige Macht aus.
      “Ich bleibe hier”, schwafelte ich verloren und versuchte mit meinen Händen den Reißverschluss am Rücken zu finden, vergeblich. Je länger die Finger nach dem Zipper fischten, umso verzweifeltere Geräusche gab ich von mir.
      “Engelchen”, sagte Erik zu mir und griff nach meinen Armen, um mich vom Rücken fernzuhalten, “es ist alles okay. Du siehst wunderschön aus. Verstehst du das? Niemand wird euch beide vergleichen, wenn das deine Sorge ist. Ich liebe dich, hörst du mich?”
      Tränen drangen aus meinen Augen heraus. Lina verschwand kurz aus dem Türrahmen und hielt eine Packung Taschentücher in den Händen als sie zurückkehrte.
      “Tut mit leid … ?”, sprach sie behutsam, reichte mir eines der Tücher, “Aber dein Mann hat recht, du siehst gut aus.”
      “Ich sehe aus, wie ein nasser Sack”, stotterte ich verhalten, aber wollte auch keine Diskussion anfangen. Komplimente nutzen ohnehin nichts, um meine Meinung zu ändern. Dankend nahm ich das Tuch entgegen und tupfte langsam unter meinen Augen, um die Schminke nicht noch weiter zu verwischen.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 65.017 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende Oktober 2020}
    • Mohikanerin
      Dressur L zu M | 06. Mai 2022

      Einheitssprache / Ready for Life / Hallveig från Atomic / Schleudergang LDS

      Neugierig drückte Rambi, einer der Einsteller Hengste, seinen Kopf durch die Gitter als ich mit dem Halfter kam, um ihn für den Beritt zu holen. Der Hengst verhielt sich dominant gegenüber der Besitzerin und Reitbeteiligung, was das Training sehr kläglich gestaltete. Deshalb arbeitete ich schon einige Tage mit ihm, stellte dabei erste Veränderungen fest.
      Er folgte aufmerksam und stand sogar ruhig am Anbinder, als ich alles fertig machte für die Einheit vom Boden. Ich legte ihm das Kappzaum an sowie die Doppellonge. Dann gingen in die Halle, in der zeitgleich Jonina mit Halli arbeitete. Die braune Isländer-Stute zeigte erste Seitengänge im Schritt und kam damit immer besser ins Gleichgewicht und an den Schwerpunkt heran. Ihre Reiterin achtete sehr ganz auf die Tritte und Linienführung, was für alle zum Vorteil war.
      Rambi arbeitete ich auch viel im Schritt und an der Doppellonge. Er streckte sich, trat damit hinten aktiver unter den Schwerpunkt. Sein Rücken drückte nach oben. Nach dem Aufwärmen änderte ich die Verschnallung der Doppellonge, um näher an ihm zu arbeiten. Neugierig drehte Rambi sich zu mir um, musterte die seltsamen Schüre sehr genau, die an seinem Kappzaum befestigt waren und über den Rücken lagen.
      Auf dem hinteren Teil des Platzes setzten wir die Arbeit fort. Ich fragte Versammlungen ab und nutzte diese als Grundlage für einfachere Seitengänge wie Schulterherein und Kruppe herein zu beiden Seiten. Schwerfällig setzten die Hufe in den Sand und an seinen Ohren erkannt man die Anspannung des Pferdes. Er hatte zu kämpfen, die Aufgabe, umzusetzen. Zwischen den Abfragen bekam er eine Pause im Schritt zum Strecken und Lösen. Dennoch beendeten wir nach dreißig Minuten die Einheit und er konnte nach dem Fressen zurück auf seinen Paddock.
      Für mich stand noch ein weiteres Pferd auf dem Plan, Schleudergang, unsere Barockstute aus Waschprogramm. Das Tier stand entspannt im Unterstand und zupfte am Heu. Mit dem Halfter am Kopf führte ich sie heraus. Ungeschickt folgte sie und genoss das Putzen. Wenig später lag der Sattel auf dem Rücken und ich setzte das Training vom Vortag fort. Jonina hatte mittlerweile die Reithalle verlassen und nun war Lina drin mit ihrer Rappstute.
      „Rambi macht sich gut“, erklärte ich. Sie nickte nur halb aufmerksam, den Redo war heute typisch Stute.
      „Er ist ruhiger, wenn du ihn vorher ablongierst“, fügte ich noch hinzu, bevor ich mich der Ente unter mit zuwandte. Wie üblich stolzierte sie durch den Sand, versuchte dabei nicht über die eigenen Beine zu fallen. Zumindest fühlte es sich so an. Die Stute hatte einen ziemlichen passigen Schritt, der erst nach der Versammlung besser wurde. Zwischendurch richtete ich die Rückwärts und trabte daraus an. Auch Biegungen halfen dabei, dass sie zunehmend mehr ins Gleichgewicht kam und die Tragkraft einsetzte. Erst dann begann ich mit längeren Trabphasen und Seitengängen. Schleudergang lief aufmerksam am Schenkel und ließ sich durch die andere Reiterin nicht ablenken. Am Ende der Einheit fragte ich noch eine Schrittpirouette ab, zur Festigung der Hinterhand. Dann widmete ich mich Pferden, die noch nicht so weit in den Leistungsklassen waren und machte Feierabend.

      © Mohikanerin // Tyrell Earle // 3189 Zeichen
      zeitliche Einordnung {November 2020}
      Wolfszeit gefällt das.
    • Mohikanerin
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      Hufschmiedarbeiten


      Planetenfrost LDS / WHC' Golden Duskk / Einheitssprache

      „Ich dachte dein Vater will das Eisen wieder ran machen?“, fragte Vriska mit gezogener Braue, als ich an dem Falbhengst Plano hantierte. Leicht wippte er mit dem Kopf und versuchte den Huf von meinem Bein wegzuziehen.
      „Ja, aber nein“, erklärte ich undefiniert. Aus der Seitentasche holte ich fünf neue Nägel, um das abgefallene Aluminiumeisen wieder zu befestigen.
      „Sehr gesprächig heute“, stellte sie nüchtern fest. „Aber hier, noch mehr Arbeit.“
      Vriska wedelte mit einem großen Hufeisen in der Luft, das keinesfalls von einem der Traber stammte.
      „Wunderbar, als gäbe es sonst nichts“, stöhnte ich, schließlich wollte ich noch Dustin den Beschlag abnehmen. Aktuell lief er mit Eisen an den Vorderhufen, aber ich hoffte, dass er Hengst ruhiger werden würde.
      „Kannst du wenigstens auch das Pferd herbringen und nicht nur den Verlust?“ Sie nickte und setzte sich umgehend in Bewegung.
      Mehrmals schlug ich kräftig zu und vernietete die Nägel, damit hatte Planetenfrost wieder sein Beschlag vollständig. Den Strick löste ich am Halfter, um ihn zurück in die Box zu bringen. Plano sträubte sich aber mit einem weiteren kräftigen Zug, folgte er. Derweil kam bereits Vriska mit einem Kaltblüter zurück, den ich schon mehrmals unter Lina gesehen. Wenn er sich leichtfüßiger bewegen würde, hätte ihn als Kaltbluttraber kategorisiert.
      „Ist der lieb?“, fragte ich vorsichtshalber, was sie allerdings auch nicht wusste. Entschlossen zog ich den Vorderhuf hoch, doch Rambi streckte diesen sofort wieder ab und traf mich ungeschickt am Bein. Genervt sollte ich die Augen und drückte ihn etwas zur Seite. Mehrmals machten wir das Spiel, bis es ihm zu anstrengend wurde und ich endlich den Huf auf meinem Bein ablegte. Mit der Raspel entfernte ich die spitzen Hornteile. Dann gab mir Vriska das Eisen und Sechs Nägel später, war auch der Kandidat fertig. Sie brachte das Pferd wieder auf den Paddock und ich widmete mich Dustin, der in seiner Box stand. Am Halfter lief er mir bereitwillig nach.
      Das erste Eisen war bereits ab, da kam Vriska zurück.
      „Hast du sonst nichts zu tun?“, schmunzelte ich, als ich ihre eindringen Blicke bemerkte.
      „Doch, dich beobachten“, erwiderte sie belustigt.
      „Dann kannst du auch was tun. Komm her“, sagte ich. Ohne Widerspruch kam sie die fehlenden Meter und ich zeigte ihr, wie man vorgehen würde, um das Eisen zu entfernen. Zunächst löste man die Vernietung, dafür holte ich den Huf nach Vorn auf mein Bein und gab ihr das passende Werkzeug. Sie brauchte einige Schläge mehr, bis der Nagel gelöst war. Ich wechselte die Postion und hielt ihr weiter den Huf. Mit der Zange nahm sie das Aluminium ab und sammelte vorbildlich die Nägel in die Tasche auf.
      An den anderen drei Beinen zeigte ich ihr, wie viel man vom Huf abnahm, mit dem Messer und schließlich raspelte. Den letzten übernahm Vriska allein. Nicht einmal den Huf musste ich halt. Ich korrigierte zum Schluss noch einige Stellen, dann konnte auch Dustin in die Box.
      „In den Wald?“, fragte ich.
      „In den Wald!“, wiederholte sie motiviert.

      © Mohikanerin // 18. Mai 2022 // 3026 Zeichen
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  • Album:
    LDS - Schweden
    Hochgeladen von:
    Wolfszeit
    Datum:
    29 Aug. 2021
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    EXIF Data

    File Size:
    119,5 KB
    Mime Type:
    image/jpeg
    Width:
    960px
    Height:
    640px
     

    Note: EXIF data is stored on valid file types when a photo is uploaded. The photo may have been manipulated since upload (rotated, flipped, cropped etc).

  • Einheitssprache

    Rufname: Rambi
    geboren 18. April 2006

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Lindö [SWE]
    Unterbringung: Offenstall


    __________ s t a m t a v l a

    Aus: Mélodie [Freiberger]
    MMM: Diana _____ MM: Arlette _____ MMV: Javart
    MVM: Mésagne _____ MV: Clairon _____ MVV: Johnjack


    Von: Enjoy [Freiberger]
    VMM: Jeanette _____ VM: Debora _____ VMV: Deli
    VVM: Peggy _____ VV: Enjoleur _____ VVV: Elu


    __________ h ä s t u p p g i f t e r

    Rasse: Freiberger [FM]
    Urfreiberger | 0,00 % FB

    Geschlecht: Hengst
    Stockmaß: 156 cm
    Farbe: Seal Brown
    [Ee Aa nW]

    Charakter
    Ziemlich hengstig, ungeduldig, unerzogen, liebt Bodenarbeit

    Der Hengst erinnert optisch zwar an ein Disneypferd, ist aber charakterlich eher das Gegenteil. Einheitssprache stellt gerne seine Männlichkeit unter Beweis, womit er sich auch seinen Spitznamen verdiente. Der braune Hengst zeigt sich ungeduldig und hat die Aufmerksamkeitsspanne eines Schmetterlings, wenn es ihm zu langweilig wird. Dennoch ist Rambi nicht dumm, seine Passion ist die Bodenarbeit, wobei er stets aufmerksam ist. Abgesehen davon, könnte er allerdings noch mal einen Grundkurs in Sachen benehmen vertragen. Rambi schubst den Mensch gerne herum, drängelt und ignoriert die Befehle des Menschen. Einheitssprache war bisher auf vielen Fahrturnieren erfolgreich bis Klasse S und ist auch im Straßenverkehr zuverlässig vor der Kutsche.

    *trägt immer Glocken, auch auf dem Paddock
    *ist nach dem Fahren deutlich entspannter


    __________ t ä v l i n g s r e s u l t a t

    [​IMG]

    Dressur M [M] – Springen E [A] – Military E [A] – Fahren M [S+]

    Niveau: International, Combinated Driving (1-, 2- & 4-Spännig)
    Platzierungen: 6 | 4 | 2

    Oktober 2021
    2. Platz, 515. Fahrturnier
    3. Platz, 518. Fahrturnier

    Dezember 2021
    Training, Dressur E zu A

    Januar 2022
    SW 541

    Februar 2022
    Training, Dressur A zu L

    März 2022
    1. Platz, 649. Dressurturnier
    1. Platz, 520. Militaryturnier
    1. Platz, 533. Fahrturnier
    2. Platz, 649. Springturnier

    April 2022
    1. Platz, 652. Dressurturnier
    2. Platz, 534. Fahrturnier

    Mai 2022
    Training, Dressur L zu M
    2. Platz, 529. Militaryturnier
    3. Platz, 528. Militaryturnier

    Oktober 2022
    Training, Fahren E zu A

    November 2022
    Training, Platzhalter

    Dezember 2022
    SW 558

    Februar 2023
    Training, Fahren L zu M

    März 2023
    Training, Platzhalter

    April 2023
    Training, Platzhalter


    __________ a v e l

    [​IMG]
    Stand: 01.02.2023


    Einheitssprache wurde im Juni 2022 durch HK 514 zur Zucht zugelassen.

    Zugelassen für:
    *FM [SUB HB I]
    *BRP [HB I]
    Bedingungen: Keine Inzucht
    Decktaxe: 258 Joellen, [kein Verleih]

    Fohlenschau: 9/ 8/ 8

    Feldtest: 8,15
    Exterieur: 7
    Verhalten Fahren: 9
    Verhalten Reiten: 8

    Exterieur: 6,37
    Gesamt: 7,48

    __________ a v k o m m e r

    Einheitssprache hat 2 Nachkommen.

    Ready For Inspiratin NB a.d. Ready For Life [FM] *2020
    • Europlakette a.d. Selva [FM] *


    __________ h ä l s a

    Gesamteindruck: Gesund; gut in Training
    Krankheiten: -
    Beschlag: Falzeisen


    __________ ö v r i g

    Pfleger: Lina
    Reiter/ Fahrer: Lina & Sam
    Eigentümer: Lina Valo [50%], Samantha Aubé [50%]
    Züchter: Bure [CHE], J. Schnyder
    Ersteller: Mohikanerin

    Rambi steht aktuell nicht zu Verkauf.

    _____

    Spind – Exterieur – PNG
    Rambi existiert seit dem 29. August 2021