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Mohikanerin

Drivblesa [10/20]

a.d. Unbekannt, v. Unbekannt

Drivblesa [10/20]
Mohikanerin, 22 Juni 2022
Bracelet, Wolfszeit und Sosox3 gefällt das.
    • Mohikanerin
      Rennen E zu A | 12. Juli 2022

      Drivblesa / Trotaholic / Just A Bear

      “Wir fahren mit Bear nach Kalmar, weil er dort drei Stuten decken soll. Kommst du mit?”, fragte mich Nour, als ich Drivblesa zurückbrachte. Sie hatte mir die Stute heute überlassen, was eine ziemlich große Ehre darstellte. Meine Kollegin gab ungern ihre Trainingspferde ab, aber sie wollte, dass ich Erfahrungen sammle. Blessa wechselte binnen Sekunden ihre Stimmung. Wenn man nicht aufmerksam den Blick auf das Pferd und Umgebung hatte, sprang sie panisch zur Seite oder riss einem die Leinen aus der Hand. Dennoch begriff ich schnell, wie ich mit der Fuchsstute umging. Leckerlis waren ebenfalls eine Hilfe.
      “Was soll ich da?”, hakte ich nach und bürstete währenddessen das Gurtzeug ab, das von Matsch Sprenkeln übersät war. Ich sah nicht besser aus, aber mit dem nächsten Pferd, wäre alles wie zuvor.
      “Manchmal bist du wirklich schwer von Begriff. Was sollst du da wohl?”, grinste sie und nahm mir die Bürste weg.
      Ich seufzte.
      “Sag’ es mir, ich habe keine Ahnung”, zuckte ich mit den Schultern.
      “Man! Du bist blöd”, stöhnte Nour sich auf der Stelle drehend, “Basti, natürlich.”
      In meiner Brust legte sich eine Schwere ab, die mich fesselte und erdrückte. Noch immer war seine bloße Anwesenheit schwierig, da auch noch sinnlos herumstehen, würde es nicht besser machen.
      „Du musst nicht“, lief Nour schließlich los nach minutenlangen Schweigen.
      „Warte“, säuselte ich unentschlossen. Freudig drehte sie sich um.
      „Ich wusste es“, triumphierte sie und half dabei Blessas Zeug aus dem Weg zu räumen. Zeitgleich packte Bruno den Hengst ein und hängte einen Sulky an. Vorher sollte dieser noch einen Heat fahren, ein Wunsch der Stutenbesitzer.
      Schließlich in Kalmar angekommen, putzte ich Bear, während die anderen Beiden ein Gespräch führten. Ich bekam davon nicht viel mit, nur, dass Basti plötzlich mit einem hübschen Rappen am Stall vorbeikam. Er bemerkte mich nicht, umso mehr Sicherheit legte sich auf meine Brust. Von meiner Position sah man die Bahn und immer wieder huschte mein Blick zu ihm. Der Hengst Ole war ungezügelt, beinah verspielt. Er biss in die Leine und versuchte diese in der Luft zu wirbeln, aber sein Fahrer hatte ihn fest im Griff. Verärgert zog er am Gebiss.
      “Vriska, kommst du bitte?”, sagte Bruno. Ich löste die Stricke und führte Bear heraus. Der Trainer trug bereits seinen Helm, um den Hengst zu zeigen. Sie wollten auf die Bahn, was erneutes Herzrasen auslöste.
      Mir wurde schlecht.
      Wir standen am Geläuf. Nour säuselte offen über den hellen Hengst, der mit keuchenden Geräuschen über die Bahn fegte. Viel mehr bekam ich nicht mit. Zu sehr vertiefte ich mich in den Rappen, oder eher Basti, der versuchte das Pferd in seine Schranken zu weisen. Es gelang ihm eher schlecht als recht. Jedes Mal, wenn Bear an dem Paar vorbeikam, legte auch Ole an Tempo zu. Was sein Fahrer davon hielt, interessierte das junge Pferd nur wenig. Er wollte sich mit seinem Artgenossen messen. Kopf an Kopf zogen sie über den Sand. Der Bauch schon vollkommen bedeckt mit Matsch, die Sulkys ebenfalls eine reine Schlammschlacht. Ich hoffte inständig, im Boden zu versinken, als alle bei uns hielten. Den Blickte senkte ich sogleich zu Boden. Hatte er mich bemerkt? War ich zu offensiv? Tausende Fragen durchlöcherten meine Gedanken und plötzlich schienen die Pferde, als Grund meiner Anwesenheit, so marginal.
      Einer der Stutenbesitzer klopfte Bears Hals, der mit pulsierenden Nüstern vor uns stand. Auch Ole, der Rapphengst, atmete schnell.
      “Ein Prachtstück”, murmelte der Mann, “der passt gut zu meiner Stute. Ihr fehlt es an Anmut.”
      Schlagartig drehte es sich in mir. Diese Oberflächlichkeit in der Zucht widerte mich an. Obwohl, ich wählte auch meine Pferde anhand ihrer Niedlichkeit aus, aber ich fand alle niedlich. Deshalb züchtete ich nicht. Anklang mit einem Fohlen von Humbria, auch als mögliche Geldanlage, fand ich in meinem Kopf trotzdem.
      „Wir sind auch sehr stolz“, gab Bruno zu verstehen, klopfte dabei Bears Po. Der Hengste zuckte zusammen.
      Basti versuchte währenddessen Ole von uns wegzubekommen, aber weder die ziehende Leine am Gebiss noch die Peitsche interessierten ihn dabei sonderlich. Mir gefiel das Bild so gar nicht und ohne groß darüber nachdenken, stieg ich durch den weißen Zaun auf die Bahn. Ich zupfte dem Rappen zart am Gebiss und er folgte mir. Einige Meter lief ich mit, ließ dann aber los. Weit kamen die zwei nicht, denn der Hengst drehte sich unbeeindruckt wieder mit dem Sulky und trottete zurück. In Bastis Gesicht zeichnete sich klare Verärgerung. Nach Hilfe fragen, wirkte allerdings ebenso unmöglich, wie das Pferd von der Gruppe zu lösen. Ole hatte ein dickes Fell. Wer weiß, was das arme Tier schon alles ertragen musste, auch wenn es mir kaum vorstellbar, dass Basti ein schlechter Mensch war. In meinen Gedanken strahlte er wie ein Stern am Nachthimmel, durch nichts zu erschüttern und weist jedem den Weg. Nun musste ich sein Stern sein.
      „Komm‘ mein Kleiner“, flüsterte ich dem Pferd zu und zupfte ein weiteres Mal am Gebiss. Dem folgten wieder Meter, bis wir von der Gruppe entfernt waren. Gerade, als ich wieder zurücklaufen wollte, rief mir Basti zu: „Warte, kannst du noch ein Stück weiterlaufen?“
      Mit einem Lächeln, das ich versuchte zu unterbinden, kam ich die fehlenden Schritte zum Pferd und lief auf der linken Seite mit. Interessiert knabberte Ole an meiner Schulter, zwischendurch kam sogar die Zunge auf den Stoff. Das Pferd war niedlich, vielleicht sogar mehr mein Fall als Netflix. Bewirkte ihr Fahrer diese Wirkung, oder gefielen mir die Hengste wirklich? Gefangen in Gedanken versuchte ich eine Entscheidung zu treffen, aber ich fand keine.
      “Du bist schon wieder … du”, stellte Basti lachend fest.
      „Tut mir leid“, murmelte ich verschlossen. Er hielt den Hengst an, der wie von Zauberhand seinem Fahrer wieder Beachtung schenkte.
      „Geh besser wieder zu den Anderen. Ich sollte ihn im Griff haben.“ Stechen traf mich in der Brust. Nickend zog ich mich wie ein verletztes Tier zurück, blickte ihm dabei für einen Moment sehnsüchtig nach.
      „Hast du toll gemacht“, zischte ich mich selbst an und kam bei der Gruppe an. Sie hatten Bear bereit hinuntergeführt und Bruno war damit beschäftigt, ihn zu entkleiden. Nour erklärte mir den Vorgang, aber trat dabei aufgeregt auf der Stelle. Ihr Blick huschte zwischen Basti, auf dem Geläuf, und mir Hin und Her. Es plagte sie buchstäblich, nicht zu wissen, was gesprochen wurde. Der Inhalt war ohnehin belanglos, deshalb sah ich keinen Grund, überhaupt zu erwähnen. Aber ihre Aufregung platzte. Sie stellte tausende Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Glücklicherweise endete das alles, als Bear decken sollte an der Hand und wir dabei halfen.

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 6674 Zeichen
      zeitliche Einordnung {März 2021}
    • Mohikanerin
      Dressur E zu A | 12. August 2022

      Glimsy / Minelli / WHC' Humanoid Crashtest / Maxou / Drivblesa

      Die Ohren gespitzt und der Blick neugierig zu dem schwarzen Ding in meinen Armen, beäugte mich Crash ganz genau, was ich vorhatte. Das junge Pferd hatte die ersten Schritte zum Reitpferd hinter sich, kannte das Reitergewicht und auch schon die ersten Hilfen. Somit legten wir den Grundriss für die Dressur, die heute auf dem Plan stand. Zur Sicherheit kam Lars mit in die Reithalle. Glimsy, die Nour unbedingt wieder fahren wollte, sollte erst mal im Sattel antrainiert werden. Ihr bisheriges Programm, seitdem sie aus Visby hierherkamen, bestand aus lockeren Ausritten am langen Zügel, nur wenig förderlich für die Muskulatur.
      „Bist du so weit?“, fragte mein Kollege freundlich nach, als ich den Gurt ein Loch fester zurrte.
      „Jetzt“, erklärte ich und ließ das Sattelblatt los.
      Er hielt am Steigbügel gegen, dass ich mich langsam in den Sattel schwingen konnte. Die Stute zuckte einmal zusammen. Lobend strich ihren Hals und steckte ihr ein Leckerli zu, dass sie eilig hinunterschlang. Als auch Lars auf dem Rücken des Pferdes saß, folgte ich zunächst in der Abteilung. Aufmerksam musterte Crash die Reithalle, ohne dabei eilig zu werden oder kopflos. Stattdessen war ein Ohr bei mir. Das andere drehte sie wie ein Sehrohr im Seekrieg. Willkürlich kaute Crash auf dem Gebiss, eher als wollte sie feststellen, ob es immer noch da war. Wenn es nach mir ginge, würde sie Gebisslos reiten, aber gerade bei den jungen Tieren in der Gewöhnungsphase war es meinem Chef wichtig, dass sie zunächst klassisch gearbeiteten wurden.
      Nach einer ausgedehnten Schrittphase mit Zirkeln, einfachen Schlangenlinien und Stangen, trabten wir in der Abteilung an. Aufgeregt trat das Kaltblut vor uns voran, während Crash in voller Entspannung folgte. Der entstehende Abstand störte sie nicht, stattdessen hielt sie das geforderte Tempo. Ich trabte leicht. Mit leichtem Druck hinter dem Gurt und Gewichtsverlagerung lenkten wir auf den Zirkel, trennten damit die Abteilung vollständig auf. Crash blieb fleißig bis zum Schluss. Auch Lars konnte im Laufe der Einheit noch Glimsy zur Ruhe bringen mit den grundlegenden Elementen der Dressur. Die Stute kam an den Zügel heran und die Schritte wurden gleichmäßiger.
      „Langsam wird es“, sagte er in der Stallgasse und nahm ebenfalls die Trense meiner Stute mit zur Sattelkammer. Ich löste stattdessen die Sattelgurte, um diese schließlich zur Seite zu hängen. Noch weitere Pferde waren auf dem Plan.
      „Das passt so gut. Ich bin auch gerade fertig geworden“, lachte Nour.
      „Sehe ich.“ Ein zartes Lächeln legte sich auf meine Lippen.
      „Mal wieder schlechte Laune?“, musterte sie mich.
      „Weiß nicht“, zuckte ich mit den Schultern, „alles wie immer, schätze ich.“
      „Du bist wirklich nie zufrieden. Aber wird schon“, langsam nickt sie einmal und führte Minelli an mir vorbei. In den großen dunklen Augen des Pferdes konnte ich ebenfalls Vorwürfe spüren. Mir kam abermals das Gefühl, hier nicht mehr hinzugehören. Es schrie förmlich in meinem Kopf.
      Nachdem Crash endlich aufgefressen hatte, brachte ich die Stute zurück auf den Paddock, um mich schließlich meinem eigenen Pferd zu widmen. Maxou kam auf mich zu getrottet und steckte den Kopf durch die Öffnung der Box. Interessiert zuckten die Ohren. Dann schnappte das Krokodil nach mir, nur, um sich ein Leckerli zu erbetteln. Durch Erik hatte das intelligente Pony schnell gelernt, wie man an die Dickmacher kam und in möglichst kurzer Zeit, sehr viele bekam. Nur ich sträubte mich, dem hinzugeben. Stattdessen schob ich sie weg und legte das Halfter um. Sie folgte mir zum Putzplatz, ohne weitere Versuche zu starten, mir ein Leckerli abzuschwatzen. Weiterhin hing ihr Blick an jeder Bewegung. Lars, der Glimsy ihre Decke umlegt hatte, kam mit der Fuchsstute zurück, die seit einiger Zeit zum Fahren bei uns war. Es fehlte an dem Grundverständnis für Hilfen und Balance. Da ich mich weiterhin sträubte, eins der Kaltblüter zu bewegen, übernahm er das.
      „Wieder auf den Platz?“, fragte Lars und legte die Bürste zurück in den Putzkasten.
      „Natürlich“, lächelte ich zuversichtlich. Aus der Sattelkammer holte ich mein Pad und ihr gebissloses Zaum. Er zurrte den Sattel fest, als ich wieder kam und ihm gleich tat. Maxou legte kurz die Ohren an, aber spürte, dass es wie immer nur das Pad war. Einen passenden Sattel hatte ich bis heute nicht, aber sah auch einen Grund dafür. Mit dem Pad waren wir beide zufrieden und sie lief zuverlässig damit.
      Zusammen betraten wir die Reitbahn und während Lars bereits Aufstieg und am langen Zügel warm ritt, arbeitete ich zunächst mit dem Pony vom Boden aus. Runde für Runde wurde sie elastischer im Genick und gab nach. Den Blick hielt Maxou bei mir, obwohl Blessa öfter sehr nah kam und das Pony Artgenossen verschmähte. Stolz klopfte ich ihren Hals.
      Schließlich führte sie in die Mitte der Reitbahn und stieg auf. Im Trab und Galopp forderte ich einfache Bahnfiguren und Handwechsel, legte die komplette Einheit einzig auf Einsteiger und Anfängerlektionen aus. Ihre Ausdauer gab mehr her, doch ihr Geist war noch immer in einem Nebel gelegt, der sich nur langsam lüftete. Das Pony hatte Stress bei jeder einzelnen Einheit. Mit Vertrauen und Ruhe versuchte ich ihr die nötige Sicherheit zu bringen, aber sie verschloss sich schnell. So kam auch die Arbeitsverweigerung zurück. Die Zügel gab ich vollständig nach und stieg ab. Maxou schnaubte ab und kaute. Nun hatte sie sich ein Leckerli verdient, das sie gierig verschlang. Ihre dunklen Augen blickten friedfertig in meine Richtung. Auch Lars war fertig und stieg von der Fuchsstute ab.
      „Und, wie war das Rennpferd unter dem Sattel?“, hackte ich freundlich nach, als wir zurück zum Putzplatz liefen.
      „Für irgendwen wird sie später ein toller Freizeitpartner“, erklärte er zuversichtlich und strich über den Mähnenkamm.
      „Später? Sie ist doch schon Neun“, skeptisch warf ich einen Blick auf Blessa, die vollkommen verschwitzt nach trottete.
      „Schon, ja, aber noch bleibt sie Rennpferd. Zumindest für dieses Jahr.“

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 5980 Zeichen
      zeitliche Einordnung {April 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel trettiotvå | 13. September 2022

      May Bee Happy / Wunderkind / Northumbria / Maxou / Planetenfrost LDS / Global Vision / Drivblesa / Moonwalker LDS / HMJ Divine / Jokarie / HMJ Holy / Pay My Netflix / Glimsy / Einheitssprache

      Samstag, eine Woche später
      Lindö Dalen Stuteri

      Vriska
      Es war schon wieder Wochenende. Ich stand mit Happy am Strick auf der Rückseite des Stallgebäudes und fröhlich zupfte er einige Grashalme. Von meinem emotionalen Rückschlag hatte ich mich entsprechend erholt. Am nächsten Tag wachte ich sehr früh am Morgen auf und nutzte die Stunde allein am Stall für ein Training mit Happy, der sich nach dem Springen deutlich leichter im Sattel gab. Wunderkind hatte frei und mit Humbria fuhr ich einen Heat. Nach einem kleinen Frühstück half ich Bruno bei der Stallarbeit. So ging es die folgenden Tage weiter. Lars kehrte erst am Dienstag zurück. Er war bei seiner neuen Flamme, die wohl seine Unterstützung benötigte. So sei es. Ich kam klar. Lina hatte ich nichts erzählt, doch aus ihrer Stimmung heraus konnte ich ablesen, dass Nour ihr berichtet hatte. Mit Niklas war es weiterhin schwierig. Wenn ich ihn im Gang traf, warf er mir beliebige Sprüche an den Kopf und Lina schämte sich dafür. Am Abend schrieb ich mein Buch weiter.
      „So kleiner Mann, das reicht“, sagte ich zu dem großen Fuchs, der die Ohren in meine Richtung drehte und den Kopf hob. Entspannt folgte er mir in den Stall. Dort nahm ich die farblich passende Decke zum Halfter ab und stellte ihn zurück in die Box. In der Gasse räumte Nour bereits die Sachen zusammen für die Abfahrt nach Visby. Maxou hatte ich longiert und morgen wollte Erik kommen, somit war ich ganz froh, nicht dazu sein.
      „Fühlst du dich wirklich bereit für das Rennen?“, hakte Nour besorgt nach.
      „Klar, wieso nicht?“, versuchte ich den Zwischenfall zu überspielen. Sie sprach es ungern an, denn es tat ihr leid, mir nicht helfen zu können.
      “Ich”, sie seufzte tief, als hätte sie seit Minuten die Luft angehalten, “ich wollte nur sichergehen, aber Humbria hat bisher eine gute Figur gemacht, oder?”
      “Ja, sie ist sehr motiviert”, erklärte ich zuversichtlich. Am Donnerstag hatte ich die Zeit gestoppt und auf einer Meile waren wir bei 1:13,5. Damit lagen die Chancen gut auf das Treppchen.
      “Du läufst das Stutenrennen, oder?”, Nour stellte weiter unnötige Fragen, denn sie hatte die Nennung vorgenommen. Somit sollte sie sich bewusst sein, was ich fuhr.
      “Genau, sofern wir die Qualifikation nachher bekommen.” Ich legte die Decke zusammen und hängte diese über die Stange an Happys Box. Glücklicherweise gab es heute um zwanzig Uhr die Möglichkeit noch einen Probelauf zu fahren, bei dem sich entschied, ob wir starten konnten. Normalerweise fand so was am selben Renntag fest und eine weitere Nennung wäre nicht möglich an dem Tag.
      “Den großen Transporter fahren wir?”, hakte ich noch einmal nach, um mich emotional vorzubereiten. Den Großen bin ich bisher nur ein einziges Mal gefahren, doch Lars weigerte sich.
      “Leider, ja. Der hat aber zwei große Schlafkabinen”, nickte Nour.

      Nach einer Stunde standen die Pferde im Stall, vorbereitet für den Transport. Zur Kontrolle schaute ich den Inhalt meiner Tasche, die bereits im Transporter lag und Dog direkt darauf. Ich hatte alles dabei, sogar meine kleine Plastikdose für die Medikamente. Noch Abend am Sonntag entschloss ich, den Kram wieder zu nehmen. Gestresst kam Nour angelaufen: „Wo steckt der Kerl nur.“
      Damit meinte sie Lars, der eigentlich zurück sein wollte, bevor wir losfahren. Zum Abschied fuhr er zu seiner Flamme, um mit ‚einem guten Gefühl zu starten‘, wie er uns gestern lang und breit bei der Besprechung am Abend erklärte.
      „Hast du versucht ihn zu erreichen?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
      „Natürlich, siebenmal“, lachte sie.
      Wir begannen die Pferde zu verladen, auch wenn er nach zwanzig Minuten in der Stallgasse sitzen, noch immer nicht zusehen war. Zunächst kamen Walker, Plano und Vision in den Transporter. Im Anhänger folgten Humbria und Blessa, eine Fuchsstute, die Mitte der Woche von Bruno als Trainingspferd übernommen wurde. Sie stammte aus Norwegen und sollte in Schweden große Erfolge erzielen. Nour fuhr sie an dem Wochenende. Ich schloss die schwere Klappe allein, als ein großes blondes Wesen neben mir auftauchte. Vor Schreck fiel mir diese beinah herunter, wenn er nicht seine Hand daran gehabt hätte.
      “Ihr wolltet nicht etwa ohne uns fahren?”, grinste Mateo. Verwundert drückte ich meine Stirn zusammen.
      “Eigentlich schon”, murmelte ich undefiniert, dann trat auch Lina hervor, “ich wusste nicht, dass euch das interessiert.”
      “Mateo, meinte, er müsse sich unbedingt mal ansehen, was seine Kollegen denn da immer so treiben”, erklärte sie, “dabei habe ich eigentlich sehr anschaulich erklärt, dass ihr nur knappe zwei Minuten im Kreis rennt.”
      “Es ist die Geschwindigkeit, Kleines”, kam Nour dazu, um ihr nun die Leidenschaft dahinter zu erklären. Ich stand grinsend daneben, denn hatte Lars’ Schwester erst mal jemanden ohne Ahnung gefunden, konnte sie stundenlang über den Trabrennsport und, vordergründig, Walker sprechen. Zwischendurch rollte ich mit den Augen, denn eine solche Leidenschaft konnte ich mit ihr nicht teilen, viel mehr, wollte ich mich, aus freien Stücken, bei Basti entschuldigen. Mein Verhalten war alles andere als in Ordnung, außerdem hatte sich in der Woche das Gefühl zu ihm, noch mehr verstärkt, obwohl ich ihn nur einmal aus der Ferne in Kalmar gesehen hatte.
      “Nour, ich glaube, dass das reicht”, kam endlich der Herr der Schöpfung an. In der Hand hielt er eine Tasche, die er in den Transporter schmiss.
      “Dann können wir los?”, ging ich nicht weiter auf seine Verspätung ein, sondern dachte nur an die Fähre und meine Qualifikation.
      “Ja”, brachte der Schweizer freudig hervor, während die kleine Brünette neben ihm nur mäßig viel Motivation ausstrahlte. Ihren Unmut konnte ich sogar nachvollziehen, obwohl ich das Pilzi dabeihatte. Vermutlich war die Stute der einzige Grund, weshalb Mateo sie überzeugen konnte.
      Die beiden Süßen setzten sich auf die Rückbank und mit Lars saß ich vorn, falls etwas sein würde. Das erste Anfahren war ruckelig, zu lange fuhr ich keinen Schaltwagen mehr, doch nach einigen Metern der Ausfahrt entlang, bekam ich ein Gefühl für das Gespann. Hinter mir wurde sich unterhalten über Linas Hengst, was mittlerweile dieselbe Stufe erreicht hatte, wie Nour mit Walker.
      Nach der Strecke auf der Autobahn kamen wir in dem Gewerbegebiet von Oskarshamn an. Trostlos lagen auf beiden Seiten riesige Hallen und Geschäfte mit leeren Parkplätzen. Selbst auf der Straße waren kaum Autos unterwegs, obwohl es Samstagmittag war. Es folgte ein Kreisverkehr und langsam wurde es ansehnlicher, sofern man Plattenbau als solches bezeichnen konnte. Zumindest hatten sie kleine Blumenkästen am Geländer, die es bunter machten in der farblosen Umgebung. Gegenüber vom Hafen standen einige alte Häuser, die die Stadt lebhafter machten. Wir stellten den Transporter ab, um auf die Fähre zu warten. Eine halbe Stunde hatten wir vor uns und ich suchte mir ein ruhiges Plätzchen zum Rauchen, Dog folgte mir unauffällig und mit ihm noch ein weiteres Wesen.
      “Vriska?”, kam Lina neugierig angeschlichen, wie eine Katze auf Erkundungstour, “bekommt man dieses Wochenende auch noch etwas … interessanteres zu sehen als euch?”
      Verwundert drehte ich mich um, kalt schlug mir eine Meeresbrise ins Gesicht, die einen Fischgeruch mit sich trug. Selbst Dog rümpfte angeekelt die Nase.
      „Als uns? Aber ich weiß nicht genau. In der Nähe sind ein Museum und ein Themenpark, der aber vermutlich noch geschlossen hat“, überlegte ich laut, jedoch fiel mir noch etwas anderes ein, das Niklas mal erwähnt hatte. „In der Nähe soll es Wildpferde geben, vielleicht wäre das, was für dich und Mateo.“
      “Wildpferde sagst du? Das klingt tatsächlich sehenswert”, nickte sie, “aber ob Mateo das ebenso spannend findet?” Sie wirkte ein wenig nachdenklich, als würde sie versuchen abzuschätzen, was der Schweizer davon halten würde.
      “Mehr als dich, braucht er nicht”, scherzte ich augenzwinkernd. Die Funken zwischen ihnen verspürte ich mittlerweile auch im Stall, wenn nur einer von ihnen zu sehen war. Wenn sie ritt, warf er einen prüfenden Blick auf Lina und andersherum. Mich brachten die beiden immer zum Lächeln.
      “Klar, weil die Welt sich ja nur um mich dreht”, rollte sie mit den Augen.
      “Jetzt übertreiben wir nicht”, schaltete ich einen Gang zurück, “ihr beide mit euren Tönnchen seid dennoch niedlich.” Dabei zog ich mein Handy hervor und zeigte ihr einige Bilder, die ich in der Woche gemacht hatte. Mittlerweile nahm ich häufiger meine Kamera aus dem Zimmer mit, um die Website und Social-Media-Plattform mit Inhalten zu füttern. Natürlich behielt ich solche Aufnahmen für mein Archiv auf dem Laptop. Lina stand an der Bande, spielte mit dem Finger an dem Zopf und blickte verträumt zu Mateo, der auf Karie saß und im Sand tanzte.
      “In Kombination von Nour und dir bleibt auch wirklich nichts verborgen. So ein wenig gestalkt, fühle ich mich ja schon”, stellte sie fest.
      “Tut mir leid, aber es war ein schönes Motiv”, ich tippte ein weiteres Mal auf das Bild, um die interaktive Oberfläche zu sehen und drückte auf den Mülleimer in der unteren rechten Ecke. Bevor ich diese Aktion bestätigte, funkte Lina dazwischen und fummelte an einer anderen Stelle auf dem Touchscreen herum, wodurch sich die Option schloss.
      “Du kannst doch so hübsche Bilder nicht einfach löschen”, empörte sie sich, “aaaber zeigen tust du es bitte trotzdem niemandem.”
      Zustimmend nickte ich und zeigte ihr noch anderen Bilder. Unter anderem war eins vom Satteln dabei, bei dem Mateo ihr half. Die Beiden waren wirklich in jedem Moment niedlich und es überraschte mich, dass keiner mich mitbekam.
      Nach einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es Zeit war, zum Transporter zurückzukehren. Ich rief den Hund zu mir und zusammen liefen wir auf den Parkplatz. Der Rest der Truppe saß bereits auf den Plätzen, als hätten sie Stunden auf uns gewartet.

      Drei Stunden später, 18:31 Uhr
      Trabrennbahn, Visby

      In Stalltrakt neun brachten wir unsere Pferde unter. Blessa hatte eine tolle Paddockbox zugeteilt bekommen und erfreute sich sofort an der kleinen Pfütze im Sand. Mit dem Huf trat sie darin herum, um sich schließlich, samt Decke, darin zu wälzen. Humbria hatte nur ein Fenster, das sie nicht sonderlich interessierte. Meine Jackentaschen raschelten schließlich verführerisch. Ich beobachtete die dunkle Stute einen Moment, bevor ich zurück zum Transporter lief. Dabei schaute ich mich um, in der Hoffnung, Basti zu entdecken. Allerdings hätte mich überrascht, dass ein beschäftigter Mann wie er, schon so früh anreisen würde. Sein erstes Rennen war erst um dreizehn Uhr dreißig Morgen. Seufzend drehte ich mich ein letztes Mal um und stieg die Treppe hinauf. Die Vier saßen am Tisch und spielten Karten.
      „Und, alles gut im Stall?“, fragte Lars höflich nach, was ich mit einem Stummen „ja“, beantwortete. Mir hatte die fehlende Anwesenheit bereits die Stimmung vermiest, obwohl ich mich lange darauf vorbereitet hatte. Dennoch gab es diesen einen kleinen Gedanken, der mich vom Gegenteil überzeugen wollte.
      „Ich gehe mit Dog spazieren“, sagte ich schließlich, als ich meine Hose gewechselt hatte und mir eine dickere Jacke überzog. Als der Hund das S-Wort hörte, sprang er sogleich auf und tänzelte am Ausgang herum.
      “Warte kurz, ich komme mit”, verkündete die Kleine, blickte konzentriert in ihre Handkarten. Lars machte einen Spielzug, legte dabei die letzten Karten ab, woraufhin Lina eine Schnute zog: “Das ist unfair, warum gewinnst du den immer?”
      “Er schummelt gekonnt”, seufzte auch Nour und legte ihre Hand offen. Das Spiel war wohl damit vorbei, doch unserer Herzensbrecher lehnte sich triumphierend zurück, ohne sich zu dem Tatbestand zu äußern. Lina stand auf, um sich ebenfalls eine Winterjacke überzuziehen. Von den beinah warmen zehn Grad Celsius auf unserem Hof, war es hier in Küstennähe unter null gerutscht und ein eisiger Wind zog über das offene Feld. Hinter uns schloss ich sofort die Tür und warf mir die Leine um den Hals.
      “Deiner Stimmung nach zu urteilen”, setzte Lina an, als wir einige Schritte entfernt waren und betrachte mich analysierend, “hast du dir erhofft, jemanden hier anzutreffen.”
      “Warum denkst du wohl, tue ich mir das alles hier an?”, gab ich offen zu, dass mir die Rennen gleichgültig waren. Ich könnte jederzeit auf den Rausch verzichten, aber wenn es Aufmerksamkeit auf mich lenkte, tat ich es gern.
      “Wäre ja möglich, dass es dir tatsächlich Spaß macht”, zuckte sie mir den Schultern, “aber dann ist der eigentliche Grund wohl Basti.”
      “Natürlich macht es mir das, aber es ist nicht der Hauptgrund. Den Spaß daran könnte ich auch auf der heimischen Trainingsbahn genießen”, berichtete ich, ohne auf ihren Nebensatz einzugehen. Seinen Namen zu hören, löste umgehend Bluthochdruck aus.
      „Da hast du recht“, nickte sie zustimmend.
      “Aber du wirst wohl kaum mitkommen, nur um ihn zu suchen? Was ist los?”, fragte ich voller Zuversicht nach, den Lina torkelte sichtlich unentschlossen neben mir her, während der Hund mit seinem leuchtenden Halsband vor uns blieb.
      „Mh, ich brauchte eine kurze Pause“, sagte sie unspezifiziert. Ihre Finger steckten in den Jackentaschen und mit leichtem gesenktem Kopf beobachtete sie den Boden, der übersät war von Hufabrücken. Hier und da lagen kleine Steine im Sand, die sie zur Seite trat.
      „Doch nicht etwas von dem netten Schweizer?“, versuchte ich mich heranzutasten.
      „Es ist kompliziert, aber eher von mir selbst“, führte sie näher aus, „Mateos Gegenwart ist etwas … verwirrend.“
      „Kann ich nachvollziehen“, log ich, zumindest halb. In meinem Kopf spielten sich alte Bilder ab, die nicht mehr das gleiche Gefühl auslösten, wie vor Monaten. Damals war es Niklas, von dem ich in der Anfangszeit nicht genug bekommen konnte, obwohl er schon mit Lina zusammen war. Dass sich dadurch Traumata lösten, die ich erst in England aufarbeiten konnte, hatte seine Anziehungskraft wie auf Knopfdruck entfernt. „Vielleicht solltest du eine Pro- und Kontraliste erstellen, um den Kopf klar zu bekommen. Oder ein Buch schreiben, wie ich.“
      „Wenn das nur so einfach wäre, wie es klingt“, seufzte sie und klickte schwungvoll einen Stein zur Seite, dem Dog augenblicklich nachsprang.
      „Ich weiß nicht, was dich so stark beschäftigt, aber wenn es nur ansatzweise dramatisch, wie in meinem Kopf ist, dann solltest du dir deinen Gefühlen bewusstwerden. Allein, dass weiteres Verlangen in dir spuckt, sollte klarmachen, dass in der Beziehung etwas falsch läuft“, möglichst oberflächlich gab ich ihr einen Tipp, den ich schon längst hätte, selbst befolgen sollen. Aber in mir gab es ohnehin so viel Reibereien, dass die Einordnung schwierig wurde. Auf dem Weg drehten wir um, den langsam sollte ich, mich für die Wieder-Qualifikation bereitmachen. Lina nickte seufzend: „Warum muss das nur so komplex sein? “

      Erneut umgezogen, huschte ich zum Stall. Lina, die noch immer in Rätseln sprach, über das, was in ihrem Inneren ablief, folgte unauffällig. Dog lag im Transporter, während die Drei verbittert, ihr Kartenspiel fortsetzten.
      Humbria steckte ihren Kopf durch das Fenster, um mein Kommen genau zu beobachten. Voller Übermut wieherte sie mir entgegen und drehte Kreise in der Box. Sie kannte es bereits aus Kanada, solange eingepfercht auf engen Raum zu sein, was mich zweifeln ließ, die heimische Leistung abrufen zu können. Ich führte sie am Halfter auf den Gang und hakte beidseitig die Stricke ein. Ihr dunkles Fell glänzte leicht geschwitzt in der dürren Beleuchtung der Deckenlampen, die leise flimmerten. In der Ferne hörte man weiterhin das Geschrei von Pferden und Schritte im Stroh.
      Im Eifer des Gefechts vergaß ich beinah, meinen Helm aufzusetzen, den Lina mir noch im richtigen Augenblick gab. Die letzten Meter führte ich Humbria aus der Gasse heraus und setzte mich in den Bock. Unauffällig folgte meine Kollegin zum Zaun, an dem zu meiner Überraschung auch der Rest der Mannschaft stand, eingehüllt in dicker Winterbekleidung. Nur Lars musste beweisen, dass ihm die Kälte nichts ausmachte und trug eine einfache Neoprenjacke. An den schlotternden Knien erkannt ich allerdings, dass ihm sehr wohl Kälte etwas ausmachte.
      „Zeige nur so viel wie nötig, sie hat morgen noch einen anstrengenden Tag vor sich“, mahnte er, was ich mit einem einfach nicken hinnahm. Dann schob ich die Schutzbrille über meine Augen und lenkte Humbria im Schritt auf das Geläuf. Wir waren nicht allein. Drei weitere Fahrer drehten ihre Runden, mit teils sehr erschöpften Pferden, wovon eins auch im morgigen Rennen genannt war. Locker fuhr ich an, legte das Warmfahren auf sinnvolle Übungen aus. Die Leute schauten nicht schlecht, dass ich zwischendrin anhielt und Humbria stehen ließ. Aber Ungehorsam könnte mir die Qualifikation kosten, deshalb arbeitete ich wie zu Hause. Meine Zeiteinteilung passte perfekt. Alle Fahrer für die Qualifikation wurden auf das Geläuf gebeten, als ich Humbria ausreichend erwärmt hatte. Zufrieden kaute sie auf dem Gebiss und schüttelte sich nicht, wie die anderen Pferde.
      „Dann wollen wir mal“, sagte ich zu ihr, als sie Startfreigabe erteilt wurde und wir vier uns hinter dem Fahrzeug aufstellten. Sicher beschleunigte die Stute, ihre großen Tritte im Trab wurden gleichmäßiger. In der ersten Kurve hielt ich noch zurück, aber nach der dritten durfte sie sich frei entfalten. Wir reihten uns in zweiter Stelle ein und fuhren an jener Position auch durch die Zielmarke bei einer Meile. Ihre Zeit war mittelmäßig, aber ausreichend für die Qualifikation. Das war es auch schon. Unsere Aufgabe war erfüllt und im Rausch der Geschwindigkeit hatte ich nicht mitbekommen, dass es mehr geworden sind, an der Bande. Bei Lina stand noch Folke und Hedda, die sich über Holy auszutauschen schienen.
      „Ich fahre jetzt auch“, nervte mich sogleich der Rotschopf, als ich das Geläuf verließ.
      „Das ist schön“, antwortete ich teilnahmslos und strich Humbria über den Po. Lars legte ihr zeitgleich eine Decke über, obwohl die Strecke vom Geläuf zum Stall kaum mehr als zweihundert Meter war.
      „Du hast sie zurückgehalten, oder?“, fragte mein Kollege beiläufig, was ich bejahte. Zustimmend nickte er.
      „Eine schöne Stute“, klopfte Folke ihren Hals und wendete sich schließlich wieder zu Lars. Sie schienen sich zu kennen, aber wie ich bereits festgestellt hatte, war die Szene ohnehin familiär strukturiert. Lina half mir dabei, die Stute wieder für die Box fertig zu machen. Den Sulky stellte ich zur Seite, an Blessas Boxenwand, und die kleine Brünette nahm den Gurt ab. Dann huschte sie zur Seite, um aus den Eimern zwei Maß Hafer zu holen.
      „Weißt du was?“, schmunzelte sie deutlich redseliger als noch zuvor.
      „Worauf willst du hinaus?“, fragte ich, ohne zu überlegen.
      „Wenn Folke da ist, kann dein Basti auch nicht weit sein“, kicherte Lina und schielte zu den Männern hinüber. Jeder hatte es gehört, zumindest sagte mir das, Lars‘ schiefes Grinsen auf den Lippen.
      „Sebastian?“, hakte Folke bei ihm nach.
      Nour nickte.
      „Der ist einen Stall weiter und füttert gerade“, antwortete Folke unbekümmert, worauf das Ganze anspielte. Mir wurden die Knie weicher und mit zittrigen Fingern fummelte ich den grünen Zopf wieder aus der kurzen Mähne der Stute, die seit ihrer Ankunft gut nachgewachsen war. Dem armen Tier hatte man alles abrasiert, aber langsam konnte man ihre schöne Farbe wiedererkennen. Zwischen den hellen Strähnen versteckten sich dunklere, die vom Deckhaar kamen. Aus der Ferne konnte man das Farbspiel nicht sehen, aber die helleren Tupfer im Fell, waren ohnehin ihr Hauptmerkmal und der Bauch, in derselben abhebenden Färbung.
      „Ganz ruhig, es wird dich schon niemand fressen wollen“, sprach sie zuversichtlich.
      „Nicht? Blonde Mädchen sind doch sonst sehr begehrt“, lachte ich, ohne von dem Band abzulassen, das mittlerweile aus der Mähne entfernt war.
      „Dann bekommt er es mit mir zu tun“, grinste sie.
      „Oh, da hat er sicher Angst“, warf ich scherzhaft ein. Das Band legte ich zurück in den Putzkasten und führte Humbria in die Box. Die Schüssel stellte ich ihr hinein und schloss mit einem Scheppern das Metall zu. Sie zuckte zusammen, aber hielt krampfhaft den Kopf im Essen.
      “Sollte er besser, nicht wahr, Mateo?”, entgegnet sie überzeugend, schielte erwartungsvoll zu ihrer Verstärkung.
      “Ich erzittere vor dir und deinen Haargummis”, lachte dieser, was mit einem Augenrollen quittiert wurde.
      „Ihr seid blöd“, merkte ich kopfschüttelnd an. Aber noch bevor ich überhaupt mich in Bewegung setzte, kam besagter Herr in den Stalltrakt gelaufen.
      „Hier steckt ihr also“, grinste er Folke und Hedda an, die noch immer bei Nour und Lars standen. Wieder einmal war Walker das Gesprächsthema.
      „Ja und man hat nach dir gefragt“, merkte Folke umgehend an und nickte zu mir. Im nächsten Atemzug verharrte ich, bis der Druck in der Brust zu stark wurde. Die weichen Knie festigten sich allerdings und zogen ein Kribbeln im Bauchbereich mit sich, das ich allerdings als Hunger abstempelte.
      „Interessant“, murmelte Basti, die Brauen zusammengezogen und lief tatsächlich auf mich zu.
      „Du steigst direkt voll ein, wie ich sehe“, stellte er vor mir fest. Vermutlich spielte er dabei darauf an, dass ich bei fast jedem Rennen dieses Jahr im fahrbaren Umfeld von Unterwegs war. Seltsamerweise stand ich als Besitzer auf dem provisorischen Boxenschild.
      „Offensichtlich, ja“, stammelte ich unsicher und vollkommen überwältigt von seiner Alltagskleidung, die an ihm ein ganz anderes Bild zeigte. Ich versuchte den Blick von ihm zu lösen, mit jedem Atemzug wurde es schwerer meine Nervosität in Zaum zu halten.
      „Und was wolltest du von mir?“, sprach Basti weiter. Bei den Worten hingen alle schweigenden Augen im Raum an uns beiden, kein angenehmes Gefühl, wenn ich mich wie ein Idiot vor ihm verhielt und kaum ein zusammenhängendes Wort aus dem Mund bekam. Aber keiner machte Anstalten, mich zu erlösen. Dennoch hatte ich mir fest vorgenommen, mich zu entschuldigen. Ich fasste all meinen Mut und hob den Kopf.
      „Es tut mir leid, dass ich letzte Woche so seltsam war“, wurde ich zum Ende hin stiller.
      „Als wäre es etwas Neues“, scherzte Nour sogleich, die es offenbar nicht abwarten konnte, sich einzumischen.
      „Okay“, antwortete er verwundert, als wüsste er nicht, wovon ich sprach. Vermutlich war es auch besser so. Nun fehlten mir allerdings die Worte und stumm wendete ich den Blick von ihm. Glücklicherweise ergriff Folke das Wort.
      „Wir wollten hinübergehen ins Restaurant, kommst du auch mit?“, fragte er seinen Kollegen.
      „Klar, wieso nicht. Aber ich gehe noch Nelly holen“, antwortete er und lief hinaus. Fragend sah ich zu Nour hinüber, die einen leichtes Lächeln auf den Lippen hatte, aber eher mitleidig wirkte als freundlich. Während die Männer voran liefen, reihte sie sich zu Lina und mir auf. Ich wollte ohnehin vorher noch zum Transporter, das millionste Mal meine Kleidung wechseln und den Hund holen.
      „Das ist so eine Sache, die wir dir bisher nicht erzählt haben“, seufzte sie. Mir stockte der Atem, aber ich wusste, was jetzt kam. Nour erzählte, dass Nelly seine Freundin sei und das schon etwas länger mit den beiden lief. Natürlich wäre auch zu einfach gewesen. Mir war der Hunger vergangenen.
      „Ich bleibe hier“, sagte ich missmutig und ließ mich auf die Bank am Tisch fallen.
      “Das tut mir leid, du hast es wirklich nicht leicht”, sprach Lina mit aufrichtiger Anteilnahme, “aber du kannst doch nicht den ganzen Abend allein hier sitzen.”
      „Aber ihn verliebt zu sehen, ertrage ich nicht“, seufzte ich.
      „Vivi, er ist alles andere als ein Romantiker. Ihnen die Beziehung anzusehen, gelang am Anfang nicht einmal mir“, wandte sich Nour zu mir.
      „Dennoch weiß ich es. Wie würdest du dich denn in der Situation fühlen?“, stellte ich als Gegenfrage.
      „Wie ich mich fühlen würde?“, wiederholte sie ungläubig, „Ich habe nie das gefühlt, was ihr alle durchmacht“, sie zuckte mit den Schultern.
      “Ich verstehe dich”, sagte die Kleine einfühlsam, ließ sich neben mir nieder und schlang ihre Arme in einer tröstlichen Geste um mich, bevor sie mit Nour sprach: “Du magst doch Walker ziemlich?” Sie nickte, blickte Lina erwartungsvoll an, was folgen würde: “Und jetzt stell dir vor, jemand anderes, dürfte den exklusiven Umgang mit ihm Pflegen und du dürftest nur zu sehen. Wärst du da nicht auch ein wenig traurig?”
      „Nein, ich würde mich für ihn freuen, dass er jemanden hat“, blieb sie weiterhin äußert irritiert über meine Zweifel.
      „Ein Grund, aber kein Hindernis“, sprach im nächsten Moment den Gedanken aus und sprang hoch. „Er wird schon sehen, was er verpasst.“
      Mit neuer, nicht unbedingt berechtigter, Motivation erhob ich mich wieder und zog die weiße Hose aus. Darunter hatte ich eine Leggings, die ich anbehielt. Nur ein sauberes Shirt warf ich mir über und wieder die Jacke.
      „So, kommt ihr“, trat ich zur Tür und sah meine Kolleginnen an.
      “Da ist ja die Vriska wieder, die ich kenne”, grinste die kleine, schnappte sich die Hundeleine von Tisch und kam samt dem Tier hinterher gewuselt.

      Bis auf unserer Truppe saß niemand in dem kleinen und eher rustikal eingerichteten Restaurant. An den Wänden hingen Plasmabildschirme aus dem letzten Jahrzehnt. Die Zeit wirkte, wie stehen geblieben, aber es sollte für das Abendessen ausreichen.
      „Das hat aber gedauert“, grinste Lars und klopfte neben sich. Aber ich wich ihm bewusst aus, denn neben Basti war ein Platz frei, den ich sofort einnahm. Freundlich zuckte ein Lächeln über seine Mundwinkel. Stattdessen setzte sich Nour zu ihrem Bruder und Lina daneben auf die Bank. Überraschenderweise saß die große blonde Dame, die wohl Nelly sein sollte, zwischen Mateo und Folke, mit denen sie sich auch unterhielt.
      Man brachte uns die Karte und ich bestellte mir ein Bier. Etwas Mut war nötig, um mit ihm sprechen zu können. Seine reine Anwesenheit verunsicherte mich, aber ich hielt mich wacker an dem Glas. Kaum flossen die ersten Schlucke meine Kehle herunter, spürte ich den Alkohol durch meine Adern krabbeln, wie kleine Ameisen breiteten sie sich aus und regulierten die Stimmung. Er erzählte von Netflix, nach dem Lars angemerkt hatte, dass unser Chef trotz der mittelmäßigen Rennergebnisse ihn noch nicht über den Haufen warf. Ich hing förmlich an Bastis Lippen, bewunderte ihn für das breitgefächerte Wissen – Natürlich war die Realität eine andere. Er erzählte davon, dass Netflix im Rennen übermütig wurde und im Umgang sehr sanft war. Kein einziges Mal gab Basti etwas über sich preis, sondern sprach neutral über das Pferd. Nur in meinen Ohren klang es anderes.
      Schließlich kam das Essen, für mich ein Salat, denn mehr gab es nicht, dass frei von tierischen Erzeugnissen war. Er schielte irritiert auf meinen Teller, aber sagte nichts. Währenddessen liefen Renn-Replays auf den alten Fernsehern, auch eins, bei dem Lars noch Glimsy in Visby gefahren war.
      „Das war ihr letzter Sieg“, erzählte Nour und nickte in Richtung des Bildschirms.
      “Der letzte, ist sie seitdem keine Rennen mehr gelaufen?”, fragte Mateo interessiert nach.
      „Doch eins noch“, erzählte Lars und stopfte sich eine Fritte in den Mund, „aber da hatte sie einen Gangfehler und dann haben wir sie aus dem Training genommen.“
      „Erst einmal“, fügte Nour überzeugt hinzu, ”die schweren Traber können bis vierzehn Jahre noch bei Rennen mitlaufen, die nur für sie sind.”
      “Oh, interessant. Also soll sie noch ein paar Erfolge einfahren?”, nickte der Schweizer.
      „Schafft die Dicke doch gar nicht mehr“, gab nun Nelly mit ihr außergewöhnlichen lieblichen Stimme zu verstehen und funkelte Lars an, der umgehend auf den Flirt einging. Verwundert schielte ich zu Basti, der in aller Ruhe weiter aß.
      „Ich zeige dir gleich mal Dick!“, empörte sich Nour, „die schafft im Training gut und gerne 1:15,6!“
      “Warum mobben denn alle immer die armen Ponys nur, weil sie kräftiger sind”, trug auch Lina bei, die sich bereits bei mir regelmäßig beschwerte, wenn ich über die Körperform ihrer kleinen Kugeln sprach.
      „Die hat schon ziemlich an Rennfigur verloren“, stellte Lars ebenfalls fest. Dann nahm er einen Schluck aus meinem Bier, nur weil sich dazu entschloss, eine Cola zu bestellen.
      „Hey!“, beschwerte ich mich, aber er reagierte gar nicht.
      “Bodyshaming ist auch bei Ponys nicht okay”, beschwerte sich die Kleine und verteidigte weiterhin die dunkle Traberstute.
      „Mit eins sechsundfünfzig ist sie über Endmaß“, erklärte Lars zunehmend genervt von uns. Als wäre es so ein Drama, wie wir die Pferde bezeichnen. Nun rollte ich mit den Augen und erhob mich von der Bank.
      „Ich gehe mal an die frische Luft“, erklärte ich freundlich.
      „Warte, ich komme mit“, stand auch Basti auf und nahm die Schachtel vom Tisch in die Hand. Lina murmelte etwas, dem Klang nach in ihrer Muttersprache, was auf einen vermutlich nicht so freundlichen Inhalt schießen ließ. Mateo vereitelte allerdings ihre Anstalten mir zu folgen, indem er sie mit einem intensiven Blick bedachte und kaum merklich den Kopf schüttelte. Irritiert zuckte ich mit den Schultern und verschwand mit Basti im Schlepptau zur Tür hinaus. Dog wollte uns nach, aber Lina hielt ihn zurück. So standen wir also allein vor dem heruntergekommenen Gebäude, das von außen einen neuen Anstrich gebrauchen könnte. Obwohl der Alkohol in meinem Blut die Gedanken lockerte, brachte er meinen Mund nicht in Bewegung.
      „Jetzt muss ich nachfragen“, sagte er plötzlich und schloss den Reißverschluss bis zum Kinn, aufmerksam blickte zu ihm, ohne lange Augenkontakt zu halten, „Warum hat Nour mich gefragt, weshalb wir uns nicht unterhalten?“
      Irritiert runzelte ich die Stirn.
      „Das wüsste ich auch gerne“, antwortete ich stammelnd und zog an meiner Zigarette.
      „Also“, er seufzte und hielt für einen Moment inne, „sind die Gerüchte reine Fiktion?“
      Ich schluckte, als wäre ein großer Klumpen in meinem Hals, der mir die Luft abschnürte, aber der Alkohol sprach aus mir.
      „Was denn für Gerüchte?“, fragte ich weiterhin verwundert und unsicher darüber, was Nour herumerzählte. Jemand anderes würde wohl kaum Puzzle legen können, wie sie. Egal, worauf das Gespräch hinauslaufen würde, ich wäre abermals der Idiot. Den Titel konnte nur ich mit stolzer Brust tragen.
      „Es überrascht mich, dass du nichts weißt“, antwortete er, ohne direkt auf meine Frage einzugehen. Als ich Augen wieder öffnete, stand er einen Schritt näher vor mir. Ein leichter Geruch von Aftershave lag in der Luft, wenn nicht gerade die Zigarette diesen übertünchte. Ich nahm einen tiefen Atemzug, um ihn abspeichern und über den Kamin aufstellen, wie ein wichtiges Artefakt.
      „Dann kann ich dir leider nicht helfen, sonst du musst sie selbst fragen“, stellte ich zur alternativen Wahl der Informationsbeschaffung.
      „Vriska - du heißt oder so, oder?“, fragte Basti unsicher nach, was ich mit einem Nicken bestätigte, „es stimmt schon, wenn ich so darüber nachdenke, bist du ziemlich oft, zufällig da.“
      Ertappt, strömte es direkt durch meinen Kopf und ich drehte mich weg, als würde ich jemanden suchen. Natürlich hatte ich gehofft, dass Lina noch nachkam und mir in der schweren Situation weiterhalf, aber sie konnte nicht jede Entscheidung treffen und hatte selbst genug zu regeln.
      „Vielleicht gehe ich besser rein“, lenkte ich dann ab, obwohl meine halbe Zigarette noch in der Hand hielt, oder besser gesagt, umklammerte.
      „Vielleicht besser nicht“, antwortete Basti direkt, „sonst können wir nichts Nours Wunsch erfüllen.“
      „Okay“, murmelte ich. Ein zartes Lächeln huschte über meine Lippen.
      „Aber ich bin neugierig. Warum stehen wir jetzt hier zusammen vor dem Restaurant und rauchen?“, konnte er von dem Thema nicht ablassen.
      „Woher soll ich das Wissen?“, wurde ich auf einmal zickig, schließlich konnte ich meiner Flucht nicht nachgehen.
      „Na, was denn jetzt los?“, tadelte er scherzhaft.
      „Es tut mir leid, es ist nur“, ich stockte. Meine Knie zitterten und in meinem Kopf explodierte es förmlich, egal welcher Gedanke in den Vordergrund trat, ich verwarf ihn. Alles, was ich wollte, war ihm meine Gefühle zu offenbaren, aber es wirkte so banal und schwachsinnig, dass er sicher Abstand neben würde.
      „Es ist nur, was?“, blieb er beharrlich. Seine Geduld schmeichelte mir wirklich. Aber ich konnte es ihm nicht sagen. Was sollte er von mir denken? Allerdings bemerkte ich, dass es der richtige Moment sein könnte, so ungestört und ohne echten Druck.
      „Es ist nur so, dass“, an derselben Stelle stoppte ich wieder, „ich finde dich gut“, verschluckte ich bestmöglich die Worte. Regungslos stand Basti vor mir und überlegte offenbar, wie sehr er mir das Leben zur Hölle machen könnte.
      „Dann lasse ich dich besser in Ruhe, bevor es Streit mit deiner Freundin gibt“, fügte ich kleinlaut hinzulief zur Tür.
      „Stopp, warte“, rief er mich zurück, „meine Freundin? Was sprichst du da bitte? Wir sind seit Wochen getrennt.“
      „Okay“, murmelte ich.
      „Und da kannst du mich nicht allein lassen, nachdem du so etwas gesagt hast. Ich muss das doch erst einmal verarbeiten und es kommt nicht alle Tage vor, dass man das hört“, erzählte er fröhlich weiter. Mich überraschte es, wie gefasst er den Umstand annahm. Nun, wenn ich mir eingestand, gab Schlimmeres im Leben.

      Sonntag, am Morgen
      Trabrennbahn Visby

      Aufgeregt huschte durch den Stall. Die wenigen Stunden Schlaf hatte ich mir selbst zuzuschreiben. Ich wälzte mich auf einer Seite zur anderen, um auf gar keinen Fall, Lars zu nah zu sein, schaute andauernd auf den abgedunkelten Bildschirm meines Handys, in der Hoffnung eine Nachricht von Basti erhalten zu haben. Nach dem, man könnte sagen, befreienden Gespräch, hatte ich ihm meine Nummer gegeben und er hatte versprochen, mir zu schreiben. Bisher kam keine Nachricht, aber in dem Moment, wo ich am wenigsten daran dachte, vibrierte es in meiner Tasche. Ich stand auf dem Tritt neben Walker, der angebunden in der Box stand und währenddessen sein Frühstück inhalierte. Mit den Fingern fummelte ich zeitgleich einen Zopf für den Start. Als ich die Hände wieder freihatte, sprang ich umgehend von Tritt und holte mein Handy hervor.
      „Godmorgon, warte auf dich vor dem Stall“, las ich und vermutlich stürmte ich nie schneller aus einer Box, wie in dem Moment. Tatsächlich stand er da, in einer Jeans und seiner Rennjacke in blau-weißer Stallfarbe am Oberkörper. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, als ich wie vom Teufel gejagt vor ihm stand, wirr ums Haar und leicht außer Atem. Noch bevor ein Wort fiel, bot Basti mir ebenfalls eine Zigarette an und wir liefen einige Meter zur Seite. Ein Fahrer in grün-weiß, mit niedlichen Rauten auf der Rückseite fuhr an uns vorbei und murmelte unverständlich, aber der Stimmlage nach, hatte er schlechte Laune.
      „Und, schon aufgeregt?“, ergriff Basti das Wort, nach Minutenlangen schweigen. Ich blickte ihn durchgehend an, ohne mein breites Grinsen verbergen zu können.
      „Es geht. Toots ist gut vorbereitet und hat mir gestern in der Qualifikation gezeigt, dass sie schneller will und auch kann“, erzählte ich zuversichtlich.
      „Toots? Heißt die Stute so?“, fragte er verwundert.
      Ich lachte.
      „Nein, Northumbria, aber sie hat viele Spitznamen und das ist mein liebster“, informierte ich.
      „Verstehe“, nickte er. „Also werde ich bei deinem Sieg dabei sein?“
      “Sehr gewagt, mich unter solchen Druck zu stellen”, grinste ich und zog ein weiters Mal an der Zigarette. “Und was ist mit deinem Hengst? Wird er es heute zum Ende schaffen?”, wechselte ich gekonnt, das Thema.
      “Na, jetzt werden wir nicht direkt frech“, scherzte er.
      „Aber er galoppiert wunderbar“, gestand ich.
      „Damit kann ich nur leider nichts anfangen, aber ja. Ich denke, dass er heute geschmeidiger läuft“, sagte Basti noch, bevor jemand von Seite dazu kam.
      “Guten Morgen”, grüßte Lina freundlich, obwohl sie noch ein wenig verschlafen wirkte. Die Leine, die sich umgehängt hatte, zeugte davon, dass es wohl Dog war, der sie aus dem Bett holte, den ich zurückließ, weil er noch friedlich schlief, als ich in den Stall ging.
      “Dann lasse ich euch Schnuckis allein”, verabschiedete sich Basti mit einem Grinsen und noch bevor ich Einspruch erheben konnte, bog er in Stall vier ein. Sehnsüchtig hing mein Blick an ihm, bis ich mich an Lina wandte.
      “Du hattest offenbar auch nur wenig Schlaf”, ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen, schließlich führte mein Weg durch den Transporter unweigerlich an ihrer Schlafkabine entlang. Den Vorhang hatten sie nicht geschlossen, also sah ich beide friedlich ruhend. “Mateo scheint ziemlich bequem zu sein.”
      “Ja, indirekt. Es ist mehr, dass er sehr Raum vereinnahmend ist und so viel Platz ist dort ja ohnehin nicht”, erklärte sie und begann sich ausgiebig zu strecken.
      “Ich lasse das so stehen, weil ich heute gute Laune habe”, zwinkerte ich ihr zu, “Frühstück?”
      “Ja, klingt nach einer guten Idee”, nickte sie.
      Im Stall räumte ich noch die stehengelassenen Gegenstände zur Seite und fütterte Humbria, die ich in der Aufregung beinah vergessen hatte. Eingeschnappt schnaubte sie in den Trog voller Hafer, als ich die Schüssel ausschüttete. Zur Entschuldigung legte ich noch einen Apfel dazu, denn ich mir frecher Weise von jemand anderes aus dem Netz stibitzt hatte. Einen prüfenden Blick schweifte ich den Stall, bevor wir zurückliefen.

      Vorbereitet stand eine kleine Auswahl am Frühstück im Transporter bereit, die Lars mit seiner Schwester gezaubert hatte. Es war kein Festmahl, aber um nicht vom Sulky zu fallen, alle Male ausreichend. So aßen wir in Ruhe, unterhielten uns über die kommenden Rennen und Mateo überlegte, wie man Lina beschäftigen könnte. So kam auch das Thema der Wildpferde wieder auf.
      „Also, ich hätte ab vierzehn Uhr Zeit und die letzte Fähre am Abend, bekommen wir ohnehin nicht, wenn Lars um achtzehn Uhr dreißig noch das Rennen hat mit Plano“, erklärte ich, als ich die leere Schüssel zur Seite geschoben hatte.
      „Was hältst du denn davon, wenn wir uns dann mit Vriska die Ponys anschauen gehen, Lina? Würde dir das mehr Freude bereiten als hier zu sein?“, wandte sich der Schweizer an die Kleine, die mittlerweile ein klein wenig aufgeweckter wirkte.
      „Finde ich gut, den Vorschlag“, lächelte sie. Die Aussicht darauf, nicht den ganzen Tag hier auf der Rennbahn zu verbringen, weckte augenscheinlich die Energien in ihr.
      “Dann werde ich schon mal ein Mietwagen reservieren”, nickte ich und holte mein Handy aus der Hosentasche. Keine Nachricht von Basti, aber anderes hatte ich es auch nicht erwartet. Die Finger schwebten über den Bildschirm, bis ich einen kleinen BMW auswählte für den frühen Nachmittag. “So, alles bereit.”
      „Perfekt“, strahlte Lina sogleich. In derselben Sekunde vibrierte ihr Handy auf dem Tisch vernehmbar. Natürlich sah sie auch direkt nach, was es denn von ihr wollte.
      „Naww, Rambi akzeptiert Ivy endlich“, verkündete sie sogleich verzückt und präsentiert ein Foto welches Samu ihr gerade geschickt zu haben schien. Besonders spektakulär war das Bild nicht, es zeigte lediglich das kräftige dunkle Pferd, welches genüsslich an sein Heu knabberte. Ivy daneben Strecke nur vorsichtig und mit langem Hals die Nase in die schmackhaften Halme, als erwarte er jeden Moment verscheucht zu werden. Zugegeben, sein Blick dabei, sah ziemlich niedlich aus.
      „Das ist doch schön“, stimmte ich ihr zu.
      Mit Nour zusammen räumte ich den Tisch ab und spülte sogar das Geschirr ab. Lars nutzte den kurzen Augenblick der Ruhe von seiner Schwester, um den Transporter zu verlassen. Wo er genau hin verschwand, wollte er nicht erzählen, aber Mateo folgte ihm. Männersachen offensichtlich. Angeregt tippte Lina noch einen Moment auf ihrem Handy herum, bevor sie aufblickte, ein neugieriges Funkeln in den Augen.
      „Vriska, sag mal, war deine Begegnung mit Basti vorhin eigentlich Zufall?“, fragte sie hoch interessiert.
      „Wenn wir jetzt endlich zu dem Thema kommen, kannst du auch noch direkt von gestern erzählen! Du hast so gestrahlt und er wirkte auch zufriedener als sonst“, warf Nour umgehend ein. Allerdings schwebte in meinem Kopf, was er mir berichtete.
      „Ich erzähle gar nichts, schließlich konntest du auch nichts für dich behalten“, antwortete eingeschnappt an sie gerichtet.
      „Was soll das denn heißen? Ich habe nur mit ihm gesprochen über dich, sonst wusste es keiner“, empörte sie sich.
      „Es wird wohl kaum Lars gewesen sein“, gab ich zu bedenken und schüttelte ungläubig den Kopf, dabei stellte ich die Teller abgetrocknet zurück ins Regal.
      „Ohhhh doch! Der kann eine ziemliche Tratschtante sein“, fiel sie ihrem Bruder in den Rücken. Dennoch änderte es nichts an meiner Meinung, dass bald der ganze Platz davon wissen würde, wenn es noch nicht Runde machte.
      „Kann mich einer aufklären, was hier überhaupt das Problem ist?“, fragte Lina und blickte irritiert zwischen uns beide her.
      „Es wird bereits herumerzählt, dass ich auffällig oft in seiner Nähe bin und ich glaube kaum, dass jemand so involviert ist, um mich zu kennen!“, kam ich Wort für Wort mehr in Range. Nachdenklich sah Nour in die Luft.
      „Zugegeben, das klingt ziemlich nach mir“, gab sie zu und atmete kräftig durch, „aber wie zuvor erwähnt Lars erzählt auch gerne, um zu prahlen und er ist schon länger in Kenntnis davon als ich.“
      Tatsächlich erkannt ich, dass sie recht hatte. Als er zu Marlene verschwand, gab er bereits Tipps, obwohl Lars unmöglich etwas wissen konnte. Außer … mir fiel es wie Schuppen von den Augen. An einem Abend hatte ich meinen Laptop nicht ausgemacht und schlief auf der Couch ein. Vielleicht hatte er sich für einen Augenblick meine offenen Tabs angeschaut?
      „Oh, ja, das klingt tatsächlich nach einem Problem“, stellte die kleine Brünette wenig hilfreich fest.
      „Aber wenn ich es offenbar nicht war, kannst du es doch erzählen?“, sprach Nour jedes Wort behutsam, als wäre ich chinesische Vase mit Rissen, die jeden Moment vom Schrank fallen würde.
      „Also gut“, ich seufzte und hängte das nasse Geschirrtuch um einen Griff der Küchenwand. Dann setzte ich mich an den Tisch. „Gestern haben wir uns minimal Unterhalten, weil du“, dabei sah ich bedrohlich zu Nour, die nur grinste, „ihm gesagt hast, dass er sich mit mir unterhalten solle.“
      „Das stimmt so gar nicht! Ich habe ihm nur einen Anstoß gegeben, damit du Anschluss findest in der Szene“, warf sie ein.
      „Auf jeden Fall, vielleicht ist mir im Rausch der Gefühle herausgerutscht, dass er mir gefällt“, ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Das auszusprechen im Nachhinein, fühlte sich unglaublich demütigend an.
      Linas Augen wurden groß: „Wow, das ist aber ein schneller Übergang von Vergessen der Sprachkompetenz, gleich hin zu ersten Geständnissen. Was hat er dazu gesagt?“
      „Zumindest hat es ihn nicht verschreckt“, lachte ich, „und ich schätze, dass es ihm schmeichelte, denn er wollte nicht, dass ich gehe. Ach, und meine Nummer wollte er auch.“
      „Oh, so kennt man ihn gar nicht. Sonst muss man ihm alles erklären, von selbst kommt er auch keine Idee. Aber das scheint für dich zu sprechen“, lachte Nour.
      „Oh wie schön, ich freue mich für dich“, grinste die Kleine und ich glaube beinahe die Herzchen in ihrem Augen sehen zu können.
      „Jetzt macht die jungen Pferde nicht scheu. Es bleibt abzuwarten, ob es was wird, schließlich gibt es noch Hindernisse zu überwinden. Auf Rennen mag es schön sein Mal zu reden, aber wer weiß“, bremste ich die beiden Mädels umgehend, vermutlich auch mich selbst. Gestern Abend hatte ich provisorisch nachgeschaut, die Heiraten hier im Norden funktioniert und festgestellt, dass Schweden im Vergleich zu anderen europäischen Ländern seine Vorzüge hat. Selbst ein wunderschönes schwarzes Kleid fiel mir ins Auge. Unentschlossen seufzte ich, als mein Handy vibrierte. Sofort sah ich nach, unter den drängenden Blicken der anderen. Allerdings war es Erik, der gerade Maxou zurückgestellt hatte und sich freuen würde, wenn ich nächstes Mal auch da wäre. Ohne zu antworten, steckte ich es zurück.
      „Ich glaube diese Hindernisse nimmst du mit Leichtigkeit“, ließ Lina sich ihre Freude nicht nehmen, „Du hast mit Happy, ja bereits gezeigt, wie gut du das kannst.“
      „Wow, dass“, stammelte ich, „schlechter Wortwitz.“
      Gemeinsam lachten wir.

      Stunden später stand ich im Stall und begrüßte Humbria, die mich mit gespitzten Ohren genau beobachtete. Obwohl ihr Fell glänzte unter Decke, putzte ich in Ruhe. Wir hatten noch mehr als eine Stunde, bevor die Parade begann und ich wollte nur ein leichtes Warm-Up fahren. Lars, der nachgekommen war, machte Vision fertig, der in Rennen vor mir lief. Aber seine Aufmerksamkeit hing an drei Männern, die vor Walker Box standen und über diesen sprachen. Hallend trugen sich die Worte zu uns, aber durch den Dialekt konnte ich kaum eins verstehen. Meinen Kollegen ließ die Sache nicht los, stattdessen blickte er unentwegt hinüber, bis er sich entschloss, der Sache auf den Grund zu gehen.
      > Kan jag hjälpa dig?
      „Kann ich ihnen behilflich sein?“, fragte er höflich und begann zu grinsen, als sich einer von ihnen, zu ihm drehte. Offensichtlich kannte er die Männer und wechselte sofort die Stimmfarbe in der Unterhaltung.
      „Kennst du sie?“, flüsterte ich Humbria zu, die im Stroh nach Ähren suchte.
      Nun wurde ich neugierig und putzte in Zeitlupe weiter das Fell, allerdings dieselbe Stelle, immer und immer wieder.
      „Vriska, komm bitte her“, rief Lars schließlich. Die Bürste legte ich zurück in die Kiste und schloss hinter mir die Box. Einer der Herren kam mir mit seinen Gesichtszügen bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht so recht einordnen. Als sich dann der ältere neben ihm, ebenfalls zu mir drehte, erkannt ich eine weitere Ähnlichkeit, vermutlich sein Vater.
      „Weißt du, was Walker dreijährig beim Breeder’s Crown gelaufen ist?“, erkundigte sich mein Kollege.
      „1:08,2“, sagte ich wie aus der Pistole geschossen.
      „Nicht schlecht“, nickte der älteste der drei.
      „Würdet ihr ihn verkaufen?“, fragte der jüngere, den Lars erkannt hatte. Der Dritte im Bunde stand nur schweigend da und beobachtete, wie der Perlino sich in der Box drehte und zwischendurch einen schrillen Schrei durch den Stall sendete. Ohne Lina oder Nour war der Hengst nur schwer zu bändigen, zeigte sich in größter Ungeduld.
      „Das liegt außerhalb meiner Verfügung, aber Tyrell hat bisher nicht darüber gesprochen, dass wir ihn abgeben. Aber er deckt an der Hand“, erklärte ich möglichst höflich und sah mich um, ob Nour in Hörweite war, aber nein. Zum Glück entging sie diesem Unheil.
      „Nun gut, danke“, sagte der Jüngere. Mir kam es noch immer seltsam vor, dass sich keiner vorgestellt hatte.
      > Är det Bastis lilla flicka?
      „Ist das die Kleine von Basti?“, flüsterte der bisher schweigende dem jüngeren zu. Glücklicherweise hatte ich mich bereits umgedreht und lief zu Humbria, somit konnte sie mein vor Scham gerötetes Gesicht nicht sehen.
      > Jag tror inte det. Hon är fortfarande ett barn.
      „Ich denke nicht. Sie ist doch noch ein Kind“, antwortete der Ältere. Lars enthielt sich, zumindest mit Worten, dem Gespräch. Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass er ihnen gesagt hätte, dass ich schon über zwanzig war, dementsprechend kein Kind mehr.
      Mich beschäftigte die Situation eine Weile, auch als ich schon im Sitz saß und die erste Runde im Schritt auf dem Geläuf drehte. Am Himmel kämpfte sich die Sonne durch die Wolken, zauberte einige Strahlen auf den feuchten Boden. In den Hufabdrücken schimmerten kleine Wasseransammlungen, während unter den Eisen es plätscherte. Ich fuhr dicht am Rand und Lars trabte bereits mit dem braunen Hengst, der flink durch den Matsch hetzte. Durch das Paar vor ihm, war seine Brust vollkommen verschmutzt. Auch von meinem Rennen huschten einige Pferde an mir vorbei und die Zweifel kamen wieder, wieso ich das überhaupt tat. Doch die Sonne brachte mir eine Erleuchtung. In der zweiten Kurve stand Basti und grinste, als ich ihn bemerkte. Neben ihm standen die Leute aus dem Stall und ich sah schnell zurück auf den Pferdepo. Mit einem einfachen Schnalzen trabte ich Humbria an, um so schnell wie möglich aus der Kurve zu sein. Den Blicken zu folgen, begriffen sie gerade, dass das „Kind“ jene Vermutung war. Allein die Vorstellung, im Vorfeld derartig verurteilt worden zu sein, bestärkte mich, dass ich mir zu viel auf die Schultern gelegt hatte. Seufzend trieb ich Humbria etwas schneller, damit mehr Takt in den Trab kam. Bisher war der Zweitakt noch durch kurze Töltphasen verschoben und nun setzte sie entspannt voran. Auch in der zweiten Runde standen sie noch an Ort und Stelle, was nur bedeuten konnte, dass ich mir Mühe geben musste.
      Für das Kaltblutrennen räumten wir das Geläuf und ich reihte mich hinter den anderen ein, die im Schritt auf dem Weg fuhren, der neben der Bahn entlanglief. Dicht wendete ich bei Basti, versuchte aber den Blick an meinem Pferd zu halten, um keinen Stoff für weitere Gerüchte zu produzieren. Allerdings machte er mir einen Strich durch Rechnung und kam angelaufen. Ruhig pfiff ich, wodurch Humbria anhielt. Gelassen schnaubte sie ab und rieb sich den Kopf am Bein. Die Brille schob ich auf den Helm, um ihn besser sehen zu können.
      „Bei deiner plötzlichen Flucht, konnte ich dir gar keinen Erfolg wünschen“, sagte Basti und klopfte der Stute auf den Po.
      „Du bist doch einfach verschwunden“, grinste ich siegessicher.
      „Es wirkte wichtig, da wollte ich kein Störfaktor sein“, wandte er ein, nun begann sich Humbria an ihm zu reiben, den hellen Teil der Jacke mit dunklen Flecken zu versehen. Sie hörte erst auf, nachdem Basti sie mehrfach weggedrückt hatte.
      „Du bist kein Störfaktor“, murmelte ich mehr, als dass es voller Elan aus meinem Mund kam, zu groß die Sorge, dass es jemand mitbekam.
      „Dein Riese sieht das ganz anderes“, scherzte er, „aber sie sieht wirklich toll aus und ihre bisherige Form spricht auch für sich.“
      „Danke dir“, schmunzelte ich.
      „Also streng‘ dich an. Ihr könnt das schaffen“, versuchte er mich zu ermutigen.
      „Ich möchte nichts riskieren. Es ist ihr erstes Rennen nach monatelangen Reitpferdetraining. Wir wollen Spaß haben, bis mein Hengst fertig ist“, erklärte ich.
      „Dein Hengst?“, wiederholte er und stellte sich zu mir.
      „Ja, deswegen war ich Malmö. Wenn er so weiter macht, könnte ich in einem Monat die Qualifikation reiten“, berichtete ich ihm.
      „Reiten? Ich verstehe nicht, was du meinst“, gestand Basti und kratzte sich am Kinn.
      „Gut, das hätte ich weiter auslegen sollen. Happy ist ein S-Dressurpferd und möchte mit ihm zur schwedischen Meisterschaft.“
      „Dressur“, ungläubig nickte er, „also bist du eins von den Prinzesschen, die sich auf ihrem Erfolg ausruhen und nur im Sattel sitzen. Verstehe.“
      Es tat in der Seele weh, als er das zu mir sagte, mit solcher Überzeugung, dass es unmöglich schien, ihn ein weiteres Mal zu sehen. Wortlos setzte ich Humbria in Bewegung und drehte sich weg. Ein letztes Mal drehte ich mich nach ihm, aber er setzte ununterbrochen seinen Weg fort. Das hatte ich gehörig vergeigt.

      Lars schaffte es mit Vision auf den zweiten Platz, während ich volles Risiko mit Humbria fuhr, in der Hoffnung, es bei Basti wieder gutzumachen oder eher, ihn zufrieden zu stimmen. Leider sprang mir die Stute dabei heraus, drei Sprünge Galopp und dann folgte wunderbarer Pass, den ich allerdings nicht gebrauchen konnte. Niedergeschlagen lobte ich sie dennoch, schließlich hatte sie bis zum Schluss ihr Bestes gegeben. Am Tor wartete niemand auf mich, weder Lars noch Nour. Selbst Lina und Mateo schienen wie in Luft aufgelöst zu sein. Dementsprechend stieg ich ohne Hilfe ab und führte Humbria an den anderen Teilnehmern vorbei. Sie schnaubte entspannt ab, aber Bammel hatte ich trotzdem. Zurück im Stall nahm ich ihr jegliches Gurtzeug ab, gab ihr Futter und ordnete alles an seinen Platz.
      „Nächstes Mal wird besser“, flüsterte ich in ihr Ohr und blieb zuversichtlich. Eine Hilfe ging zu weit, die folgende zu spät, deshalb lag der Fehler bei mir. Ich hätte gern noch Lars‘ Meinung gehört, aber am Abend würde sicher noch eine Feedbackrunde folgen.
      “Oh, du bist ja bereits fertig”, tauchte Lina plötzlich an der Box auf, “Und, wie war Pilzi?”
      „Also warst du auch nicht da“, seufzte ich nach dem ersten Schreck, dass die Brünette durch den Spalt mich im Stroh entdeckte.
      “Ja, tut mir voll leid”, entschuldigte sie sich, “ Ich wollte schauen kommen, aber du kennst meinen Orientierungssinn. Auf dem Weg zur Toilette habe ich mich verlaufen.”
      „Schon gut, meine Disqualifizierung direkt im Ziel hat damit keiner ertragen müssen“, murmelte ich weiterhin abwesend, mit den Augen an der Stute hängend.
      “Du wirkst aber nicht als sei alles gut. Ist sonst etwas vorgefallen?”, hakte sie sanft nach.
      „Niemanden hat interessiert, was ich getan habe. Niemand, keiner“, japste ich, spürte, wie erste Tränen an meiner Wange herunterliefen. Sofort trat sie zu mir in die Box und schlang die zarten Arme um mich herum.
      “Vriska, mich interessiert es, was du tust, ansonsten wäre ich nicht hier”, sprach sie einfühlsam.
      „Du bist hier, weil Mateo das wollte“, blieb ich kleinlaut am Boden sitzen, „ach und Basti hasst mich“, murmelte ich direkt.
      “Naja, Mateo hat es zwar induziert, aber sein Hauptargument war eigentlich, dass du wohl ein wenig moralische Unterstützung gebrauchen könntest”, erklärte sie, “Aber warum, glaubst du, dass Basti dich hasst?”
      Undefiniert brummte ich und richtete mich schließlich auf. Die einzelnen Strohhalme sammelte ich von der Hose ab, bevor ich auf die Frage antwortete: „Er hat gesagt, dass ich unfähig bin.“
      „Ich denke nicht, dass er das sagte“, bedachte sie nachdenklich.
      „Indirekt schon. Ich erzählte von Happy und dass ich nur vorübergehend fahre, bis er für die Meisterschaft so weit ist und er meinte, dass ich mich wie alle Dressurreiter wohl nur auf meinem Erfolg ausruhe, nichts dafür tue“, seufzte ich. Mit Lubi mag das der Fall sein, dennoch konnte ich die hübsche braune Stute nie auf einem Turnier zeigen. Ungefähr zu der Zeit wäre unsere erste Prüfung gewesen, was mich mittlerweile mehr traf, als ich mir eingestand.
      “Nimm das doch nicht einfach so hin, sondern zeige ihm, dass es auch etwas anderes gibt als Prinzesschen auf teuren Pferden”, redete sie mir gut zu, “Außerdem, dass du mit dem Pilzi hier bist, zeigt doch bereits, dass du wohl nicht ganz so klassisch unterwegs bist.”
      „Stimmt schon“, stand ich mir frustriert ein. „Aber wir müssen los, die Ponys warten nicht ewig.“

      Obwohl die Sonne sich zunehmend dem Horizont näherte und ich mich über mein Verhalten ärgerte, fuhren wir den Weg aus der Stadt heraus, in ein Gebiet, in dem sich die Ponys am häufigsten aufhielten. Im Winter wurden sie zugefüttert, so war es nicht untypisch, dass weiterhin im März nach Futter an besagten Orten gesucht wurde. Zumindest erzählte uns das die Dame im Pferdemuseum, das wir zuvor inspizierten. Ich versuchte mich begeistert von allem zu zeigen, aber Lina spürte, dass ich nicht bei der Sache war und lächelte mich warm an.
      „Das wird schon“, sagte sie, bevor Mateo wieder das Wort ergriff. Er fühlte sich sicher, dass wir die verwilderten Pferde finden würden und hielt schon seit Minuten Ausschau.
      „Ich glaube, da war eins“, rief er dann und ich trat umgehend die Bremse. Am Wegesrand stellte ich den kleinen Wagen ab. Gemeinsam stiegen wir aus und die beiden liefen vor, um sich durch das Dickicht zu kämpfen. An den mannshohen Büschen hingen kleine Fellfetzen, der Boden aufgewühlt von kleinen Hufabdrücken und einige Bäume wiesen ebenfalls auf Treiben der Wildpferde hin. In kleinen Schritten setzten wir durch die Natur, um keine Spuren zu hinterlassen. Handzahm seien sie nicht, erinnerte ich mich aus dem Artikel, aber mich durch trieb das ungewisse Gefühl, dennoch eins anfassen zu wollen. Meter um Meter setzen wir tiefer in den Wald und ich zweifelte, ob sie wirklich da waren. Doch gerade, als ich anmerken wollte, dass wir uns verlaufen würden, hielt Mateo an, den Finger auf die Lippen gelegt. Auf einer Lichtung, nur wenige Schritte entfernt graste eine Herde junger Tiere, die Mähne lang und zerzaust, ihre Hufe in einem schrecklichen Zustand und andere rollten mehr, als dass sie liefen.
      “Die sind ja niedlich”, hauchte Lina, die ganz eingenommen von dem Anblick war. Vorsichtig, um keine Geräusche zu verursachen, bekam sie auch sogleich ihr Handy hervor, um den Moment in Form von Pixeln festzuhalten.
      „Vielleicht sollten wir die Isländer von der Weide lassen“, schlug ich leise lachend vor. In zwei Jahren würden vermutlich die Tiere ebenso unförmig und verwildert aussehen.
      “Ich fürchte, das Naturschutzamt wäre davon nur wenig begeistert”, schmunzelte der Schweizer und auch Lina erklang ein unterdrücktes Lachen.
      „Aber unser Gestüt ist Privatgelände und mindestens genauso groß“, stellte ich trocken fest, „und vermutlich bekommen wir im Juni noch den Küstenabschnitt, samt Wald westlich vom Hof.“
      “Dann will ich sehen, wie du den Ponys erklärst, wo das Gelände aufhörst”, grinste die Kleine.
      „Zaun?“, fiel ich wie aus allen Wolken, ich dachte, dass es offensichtlich sei, wie Geländegrenzen gesetzt werden.
      Von der Seite kam eine Stute in kleinen Schritten, nebenher trottete ein zartes Fohlen, der Größe zu Folge kaum älter als eine Woche. Die dünnen Beine mit großen Gelenken stampften unsicher den weichen Waldboden. Es lief neugierig zu Lina und stupste sie an der Hand an. Kaum zog ich mein Handy heraus, um es für sie festzuhalten, sprang es panisch zur Seite und trabte zur Mutter zurück, die auf sicheren Abstand angehalten war. Die kleine Brünette sah aus, als würde sie gleich vor Niedlichkeit zergehen.
      “Wie kann man nur so putzig sein”, wisperte sie verzückt, “Können wir eins mitnehmen?” Ihre Augen leuchten immer mehr, je länger sie die plüschigen Tiere beobachtete. Skeptisch bewegte sich mein Blick zwischen ihr und Mateo, der sich nicht dazu äußerte, sondern geduldig die Pferde beobachtete.
      „Tendenziell hast du schon genug und wie war das mit, ‚keine Pferde sammeln‘? Langsam wird es zur Sucht“, versuchte ich ihr ins Gewissen zu reden.
      “Aber ich habe doch nur … zwei”, versuchte sie sich die Sache schönzureden. Dennoch überlegte ich, welchen Teil ich schon wieder verdrängt hatte. Kritisch blickte ich sie an: “Nur zwei? Und was war dann das Gejammer am Mittwoch?”
      “Lina, wovon spricht sie?”, fragte der Schweizer verwundert. So langsam schien auch Mateo zu begreifen, dass sie es tatsächlich ernst meinte.
      “Sie spricht von Rambi”, murmelte Lina kleinlaut, “aber wenn mir nicht bald was einfällt, wird das ohnehin nichts.”
      “Musst du wohl einen reichen Kerl heiraten”, scherzte ich und drehte mich weg, um auch zu versuchen, an eins der Plüschkugeln heranzukommen. Allerdings setzten sie sofort weg, wenn ich nur einen Zentimeter zu nah kam.
      “Wirklich lustig”, rollte sie mit den Augen, „Niklas würde das sicher machen, aber ich kann mir doch nicht ständig Pferde kaufen lassen.” Verständnisvoll nickte der Schweizer.
      „Hast du bereits an eine Teilhaberschaft gedacht? Ich könnte mir vorstellen, dass meine Schwester durchaus Interesse an dem Hengst haben könnte“, schlug er schließlich vor. Obwohl ich besten Willen versuchte, mich aus ihrem Gespräch herauszuhalten, hingen meine Ohren an ihren Mündern. „Teilhaberschaft, wie funktioniert das?“, fragte sie stirnrunzelnd, als sei ihr der Begriff nicht geläufig.
      „Man kann auch Besitzergemeinschaft sagen“, warf ich unbekümmert ein, „das ist im hohen Sport nicht unüblich. Besonders wenn es um viel Geld geht.“
      Augenblicklich spürte ich, dass ich mich abermals im Ton vergriffen hatte, aber seit dem Debakel mit Basti, konnte ich meine Stimmung nicht mehr verbergen. Mir tat es für die anderen leid, nur zu ändern war nichts daran. Es schien, als würde ich mich ihr überlegen fühlen, dabei hatte ich es auch nur von Lars aufgegriffen, der mit Tyrell regelmäßig über Hengste und Anteilverkäufe philosophierte.
      „Mhm, du glaubst also nicht, dass ich mich damit lächerlich mache? Immerhin ist Rambi so wertvoll nun auch wieder nicht.“ Unsicher blickte sie Mateo an, bevor ihr Blick sich wieder auf die Tiere richtete. Besonders als sie eines der kleinen braunen Pferdekinder betrachtete, welches an der Seite seiner Mutter den ersten Grashalm probierte, wurde ihr Blick verträumt.
      “Quatsch, frage Sam einfach”, sprach Mateo ermunternd, “Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie dem abgeneigt sein wird.” Lina nickte nur beiläufig, bekam die Augen nicht von dem kleinen Fellknäuel los.
      „Wenn du dir so viel Gedanken um seinen Preis machst, scheint er aber wertvoll genug zu sein, um über Teilung nachzudenken“, mischte ich mich ein, „und vielleicht stellt sie ihn auch Turnieren vor, dann zeigt sich, was er kann.“
      “Also denkst du auch, ich sollte Sam fragen”, schlussfolgerte die kleine Brünette aus meinen Worten.
      “Nun”, ich seufzte und zog mein Handy hervor, darauf tippte ich herum, bis ich schließlich mein Konto vor mir hatte, “ich kann dir sonst 4.503.797,34 schwedische Kronen bieten. Reicht das ungefähr für ihn?” Schließlich kramte ich noch in der Hosentasche: “Ach und hier sind noch zweihundert.”
      “Du bist viel zu lieb”, schmunzelte Lina, “aber ich denke, ich muss mir das erst einmal durch den Kopf gehen lassen und mich informieren, bevor ich das endgültig entscheide.”
      “Wie du willst, mir ist es egal”, zuckte ich abwesend mit den Schultern. Für einen Moment fühlte ich zu desinteressiert, dafür, dass es so viel Geld war, doch dann erinnerte ich mich wieder, wofür ich es bekomme, und schenkte ihm keinerlei weitere Beachtung. Stattdessen freute ich mich darüber, dass mein selbst erarbeitetes Geld langsam wuchs. Nichts war zuhörend, außer den Geräuschen, die die Pferde verursachten. Mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen, beobachtete die Kleine diese, wohingegen ich wahrnahm, dass Mateos helle Augen zu ihr abschweiften.
      “Woran denkst du gerade?”, durchbrach seine warme Stimme die Stille.
      “Nichts Besonderes, ich dachte nur gerade … siehst du das Pony dort zwischen den Büschen”, sie deute etwas abseits der Herde. Zwischen den Blättern stand ein vergleichsweise langbeiniges Pony in einen hübschen Braunton und einigen ausgeblichenen Strähnen in der dunklen Mähne.
      “Es erinnert mich nur ein wenig an ein Pferd von früher”, lächelte sie sanft und dennoch schwang ein Hauch von Nostalgie mit. Allerdings meldete sich mein Handy und ich konnte es gar nicht schnell genug aus der Tasche ziehen. Kurz trat ich einige Meter von den Beiden weg, vielleicht war die Zweisamkeit das Richtige für sie.
      „Ich habe dich bei meinem Sieg vermisst“, schrieb Basti, als wäre nichts vorgefallen.
      „Ach ja? Ich hätte mir auch mehr Unterstützung gewünscht“, antwortete ich verärgert.
      „Dann haben wir wohl beide nicht bekommen, was wir wollten.“
      „Offenbar.“ Meine Finger huschten nur so über den Bildschirm, während der Körper vor Wut kochte. Wo nahm er all die Überzeugung von sich selbst her und hatte nicht einmal eine Sekunde dafür übrig, sich bei mir zu entschuldigen, obwohl es in meinen Augen ratsam wäre. Sein Status wechselte von online direkt auf offline und damit hatte sich das Gespräch. Zumindest dachte ich das, denn gerade, als es wieder in der Jackentasche steckte, meldete es sich zurück.
      „Du hast es vergeigt, kommt vor. Nächstes Mal wird besser“, schien er mich ermutigen zu wollen, dennoch trafen mich seine Worte. Eine Stimme im Kopf sollte mich zur Vernunft bringen, dass er es gut meinte, doch sie hallten so leise, dass ich sie ignorierte.
      „Sehr freundlich“, tippte ich. Im Moment der Rage wurde die zarte Stimme dennoch lauter, sprach zu mir, dass er gut meinte. Zudem war ich es, die ihn begehrte und kennenlernen wollte, nicht er. Für ihn stellte ich nichts Besonderes dar, obwohl Basti mittlerweile die Welt für mich bedeutete. Wo dieses Gefühl herrührte, erklärte sich mir nicht, aber konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, sobald er im Vordergrund stand.
      „Wo bist du? Ich möchte noch persönlich auf Wiedersehen sagen“, leuchtete es auf dem Bildschirm. Dass er meine Provokation nicht als solche auffasste, erleichterte mich tatsächlich.
      „Irgendwo im Wald hinter Visby. Wir schauen uns Wildpferde an“, erklärte ich.
      „Schade. Dann wohl bis zum nächsten Renntag, wir fahren in zehn Minuten los. Liebe Grüße“, kam es als letzte Nachricht und wie eingefroren starrte ich auf mein Handy. Wieso wollte er damit das Gespräch beenden? Nichts wäre falsch daran, weiterzuschreiben, nur für ihn schien die Sache klar. Seufzend steckte ich es endgültig zurück in die Tasche, denn es vibrierte kein weiteres Mal. Die paar Meter trat ich zurück. Augenscheinlich führte Lina die Vergangenheit noch genauer aus, denn Mateo hielt ihr Handy in der Hand.
      “Sieht aus, als hätte ihr eine wirklich schöne Zeit gehabt”, lächelte er charmant und reichte ihr das Gerät zurück.
      “Ja, das war so. Nur leider viel zu kurz”, seufzte sie und ließ das Gerät in der Tasche verschwinden, als sie mich bemerkte. “Und? Wirst du schon vermisst?”, fragte sie neugierig, wer es wohl war, der mich von ihnen weglockte.
      „Mhm“, brummte ich unbestimmt und nickte dabei ebenso undeutlich. Als Vermissen würde ich es nicht bezeichnen, sonst hätte das Gespräch nicht als beendet entschieden.
      “Offenbar nicht, wie du dir erhofftest”, schlussfolgerte sie, ohne weiter Fragen zu stellen.
      „Immerhin scheint er der Meinung zu sein, dass wir uns nächstes Wochenende sehen“, zitterte meine Stimme und ein ungewolltes Lächeln zuckte über die Lippen. Ich versuchte es durch willkürliche Bewegung der Wangen zu unterdrücken, schließlich war ich sauer und nicht freudig gestimmt, dass er mich sehen wollte! Aber es gelang mir nicht, stattdessen fühlte das Grinsen immer größer und strahlender an.
      “Das ist doch gut, das heißt, er ist gewillt dich weiter kennenzulernen”, lächelte sie sanft.
      „Wer weiß, vielleicht hat er auch ganz andere Pläne, die einzig auf persönliche Erfolge abzielen“, blieb ich skeptisch und erinnerte mich an die Worte der Männer im Stall, die sich im Nachhinein als seine Familie herausstellten. Mich ihnen letztlich noch richtig vorzustellen, war ihm sicher peinlich, aber ich konnte es auch niemanden verübeln. Ich hatte nichts und das Rennen vergeigte ich auch. Bei meinem Glück würde Humbria nun immer rausspringen.
      “Male dir doch nicht gleich das Schlimmste aus, nur weil er nicht so offensiv vorgeht”, versuchte Lina mich etwas positiver zu stimmen. Natürlich wusste ich tief im Herzen, dass sie vollkommen recht hatte, erst recht nach dem Nour bereits andeutete, dass er kühl sei. Nur mein Kopf wollte es sich nicht eingestehen.
      “Aber vielleicht sollten wir dennoch langsam zurück”, lenkte ich ab. Die Sonne war beinah am Horizont verschwunden und damit würde man von den Pferden nicht mehr viel erkennen. Da von den Geschwistern auch nichts kam, wusste ich nicht, wie ihre endgültigen Rennen abliefen.
      “Da hast du natürlich recht”, stimmte der Mann in der Runde zu, woraufhin auch Lina nickte.

      Kategorisch verfuhren wir uns und legten damit eine Ehrenrunde über die Insel hin, zumindest fühlte es sich so an, als wären wir eine ganze Runde über als Öland gefahren. Damit kamen wir über eine Stunde später auf dem Gelände ab, schließlich musste ich auch noch das Auto zurückbringen. Nour und Lars saßen wider Erwarten nicht im Transporter.
      “Ich würde in den Stall gehen, kann man euch beide allein lassen?”, zwinkerte ich Lina zu, die müde neben Mateo saß.
      “Wir knapp überleben ohne dich”, scherzte der Schweizer, nachdem Lina nur ein Nicken, begleitet von unverständlichem Gemurmel zustande brachte.
      “Das meinte ich nicht”, scherzte ich und trat schließlich aus der Tür heraus, mit Dog im Schlepptau, der neugierig jeden Grashalm inspizierte. Auf dem Gelände war es gespenstisch leer und still. Einzig die Geräusche der Pferde aus dem Stall schallten in meine Ohren, zusammen mit dem Wind, der durch die Kronen der Bäume fegte. Irgendwo klammerte loses Holz.
      Im Stall ruhten die Tiere, doch Humbria streckte sofort den Kopf heraus und unsere anderen folgten ihr. Alle waren da, das Heu aufgefüllt und rundum versorgt. Dennoch verfolgte mich ein schlechtes Gefühl. Oder war es im heimischen Stall, was mir ein Bauchgefühl sagen wollte? Nervös fummelte ich am D-Ring der Hundeleine herum und wusste es nicht genau zu deuten. Vorsorglich schaute ich auf mein Handy, aber auch da war keine Nachricht, die mir die erhoffte Erleuchtung brachte. Also schaltete ich das Licht wieder aus und schloss die Holztür. Zähneknirschend lief ich zurück. Im Transporter saßen sie noch immer entspannt auf der Bank. Mateo sprach leise, denn Lina hing auf seiner Schulter, beinah eingeschlafen. Sie kuschelte sich noch näher an ihn heran, als ich die Tür schloss. Es war wohl eher das Geräusch, dass sie kurzzeitig weckte, als meine Präsenz. Aber ja, schlafen klang nach einer guten Idee, nach dem die Nacht schon unglaublich kurz war und wir am Morgen die erste Fähre nahmen.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 68.346 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte März 2021}
    • Mohikanerin
      Ausdauer / Rennen A zu L | 30. September 2022

      Meltdown / Trotaholic / Drivblesa / Nobelium

      Zum heutigen Training fuhren wir zur Rennbahn. Seit Wochen war es zu kalt, um auf der eigenen Trainingsbahn zu trainieren und die Bahn in Kalmar täglich mehrfach abgefahren wird. Somit war der Boden deutlich geschmeidiger. Blessa und Noby liefen problemlos in den Hänger, sodass wir binnen vierzig Minuten die Pferde anspannen konnten. Parallel fuhren bereits Meltdown und Ole durch den Sand. Besonders der Schimmel hatte sich in der seiner Form gebessert, aber hatte ohnehin nicht mehr lange die Karriere auf der Bahn, zumindest wurde es an uns herangetragen. Mit Geduld trabten wir zehn Runden mit allen Pferden, die bei den tiefen Temperaturen zu kämpfen, aber nahmen die Aufgabe auf sich. Im Stall wartete eine große Portion Futter auf sie.

      © Mohikanerin // 745 Zeichen
    • Mohikanerin
      Dressur A zu L | 30. Oktober 2022

      Osvominae / HMJ Holy / Ruvik / Harlem Shake LDS / Drivblesa

      Zum Ausgleich wurden einige Pferde heute in der Halle bewegt. Um die Pferde auf den aktuellen Trainingsstand zu kontrollieren, standen wir am Rand. Auf dem Sand bewegten sich Osvo, Blessa und Shaker. Für den Anfang hatte der Fuchshengst Probleme zwischen den Stuten, aber war nach wenigen Minuten kooperativ und lag gut an den Hilfen. Die Lektionen im Anfänger und leichten Niveau bewegten sich im sicheren Bereich, sodass nur Blessa durch ihre Unwilligkeit herausstach. Osvo war ohnehin gut ausgebildet und schon lange unter dem Sattel. Später nahmen wir noch Ruvik und Holy an die Doppellonge, um dieselben Lektionen vom Boden zu erarbeiten. Die Stute zeigte sich unmotiviert, aber mit einem dicken Bauch hätte auch ich keine Lust auf schweißtreibende Arbeit. Der gescheckte Kladruber hingegen arrangierte sich mit der Situation, obwohl er stets dem Menschen skeptisch gegenüber war.

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    • Mohikanerin
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      kapitel trettionio | 01. November 2022

      May Bee Happy / Maxou / Ready for Life / Nachtschwärmer / Glymur / Hending / Shakesbeer LDS / Meltdown / Blávör / Northumbria / Binomialsats / Harlem Shake LDS / Nobelium / Eifellust / Eichkatze / Fire to the Rain LDS / L‘Épirigenys LDS / Satz des Pythagoras / Form Follows Function LDS / Drivblesa
      HMJ Divine / Selva / Verita

      kapitel trettionio
      FREITAG, 14:20 UHR
      LINDÖ DALEN STUTERI

      Vriska
      Schlaflos lag ich die halbe Nacht neben Lars, bis er gegen vier Uhr genervt wollte, dass ich Basti anrufe. Ich haderte mit mir, aber tat es schließlich. Müde meldete er sich auf der anderen Seite. Im nächsten Moment wurde er hellwach, als ich vorschlug, gemeinsam zu frühstücken. Stunden später holte ich ihn in einer Nebenstraße seines Zuhauses ab und wir fuhren nach Växjö. Zeit zog ins Land, wir lachten und vergaßen alles um uns herum. Erst, als ich auf die Uhr sehen wollte, bemerkte ich, dass mein Handy noch immer auf dem Nachttisch lag. In der Vorfreude auf meinen Angebeteten hatte ich es wohl vergessen, aber bereute es auch nicht. Auf dem Heimweg setzte ich ihn am Hoftor ab.
      „Ich melde mich heute Abend“, sagte er beim Aussteigen und ich nickte eifrig.
      Am Auto zogen die Bäume und Häuser vorbei. Im Kopf summte ich die Melodie von Midnight City, obwohl am Himmel noch die Sonne stand, zumindest wenn sie zwischen den Wolken eine freie Stelle fand. In einem warmen Licht gehüllt, glänzten die Dächer und viele der Pflanzen trugen schon ihr grünes Kleid. Kein schlechtes Gefühl lag in mir, nur die Freude vom bisher erhellenden Tag. Wir hatten kleine Zärtlichkeiten ausgetauscht, nicht vergleichbar mit der plötzlichen Nähe im Stall, aber jede noch so winzige Berührung, brachte starke Welle hervor.
      Kaum stand mein Auto wieder auf dem Parkplatz, tippelte ich zielstrebig auf den viel zu hohen Schuhe in den Stall, mein Gang wenig elegant, aber ich wollte mein Pony sehen, das ich am Morgen verpasst hatte. Auch Happy sollte seine ausgiebige Einheit von Nähe bekommen, bevor wir eine Runde in den Wald nehmen würden. Das enge, aber lange Kleid hielt in an den Seiten nach oben, um es vor dem Dreck zu schützen. Beinah kreischend begrüßte mich das aufgedrehte Pony.
      „Alles gut“, rief ich zu und versuchte noch schneller zu ihr zu gelangen. Dann hatte ich es geschafft, stand eher kippelig vor ihr, während sie ihren Kopf durch die Öffnung reckte und sich ausgiebig am Ohr kratzen ließ.
      „Oh, da steht ein Geist auf der Stallgasse“, schallte ein scherzhafter Ausruf durch die Gasse. Im Stalleingang zeichnete sich eine zierliche, kleine Silhouette neben den Umrissen eines Pferdes ab, die unverwechselbar zu einer Person gehören musste. Ich hatte sie zunächst nicht sehen können, wie auch. Meine Brille lag ebenfalls auf dem Nachttisch neben dem Mobilgerät. Lange war ich nicht mehr so überstürzt los wie an dem Tag.
      „Absurd, Lebewesen lösen sich nicht in Luft auf“, schüttelte ich den Kopf belustigt. Mit zusammen gekniffenen Augen beäugte ich Lina, die glücklicherweise von selbst näherkam, so dass ich mich nicht direkt wieder bewegen musste. Gleichgewicht hatte ich grundsätzlich genug, aber diese Melodie in meinen Kopf provozierte beinahe, dass ich mich drehen und wenden sollte.
      “Normale Lebewesen nicht, Hexen wie du offenbar schon”, lachte sie, “Wo hast du denn gesteckt?” Die rabenschwarze Stute, die sie am Strick mit sich führte, streckte interessiert die Nase zu mir hinüber. Freundlich strich ihr über das samtweiche Fell.
      „Unterwegs“, grinste ich über beide Ohren und sprach damit nur das Offensichtliche aus.
      „Darauf wäre ich jetzt aber nicht gekommen”, rollte Lina mit den Augen. Prüfend musterte sie mich, bevor sie weitersprach: “Dem Anschein nach warst du nicht allein unterwegs, sonst hättest du dir wohl kaum die Mühe gemacht, diese Dinger da anzuziehen.” Ihre Augen glitzerten voller Neugierde, als erahnte sie bereits den Grund für meine morgendliche Abwesenheit.
      “Ach, so schwer sind sie nicht anzuziehen, außer man kann keine Schnürsenkel binden”, schaute ich noch einmal die schwarzen Schuhe an meinen Füßen an.
      “Ich zweifle auch weniger deine Fähigkeiten an, dich anzuziehen. Viel mehr vermute ich, dass du jemanden, der nicht dein Pony ist, beeindruckend wolltest”, grinste die Brünette verschmitzt.
      “Maxou würde eine Birne reichen, um beeindruckt zu sein. Aber ja, ganz falsch liegst du damit nicht”, hielt ich mich weiter geheimnisvoll.
      “Warst du bei Basti?”, platze die Frage aus ihr heraus wie eine Flutwelle über einem Damm. Ihre Stute inspizierte derweil den Boden neben ihren Füßen und wirbelte feine Staubwölkchen mit ihrem Atem auf.
      “Mit Basti unterwegs”, korrigierte ich ihre Aussage grinsend.
      “Erzähl, wie war’s?”, quietschte sie freudig, was ihre Stute verwundert, aufhorchen ließ. Auch Maxou spitze die Ohren und erhob den Kopf wieder auf dem Heu. Dann raschelte es in der Box. Das Pony drehte mir den Po zu, denn wirklich etwas aus Taschen konnte ich nicht hervorzaubern.
      Wir setzten uns in Bewegung, denn Redo wollte nicht weiter herumstehen und den beobachten. Ich setzte mich mit übereinander geschlagenen Beinen ihr gegenüber, während Lina den Staub aus dem Fell entfernte. Kaum begann ich zu erzählen, wie es zum Treffen kam, tauchte Nour neben uns auf.
      “Oh, Geschichtsstunde”, stellte sie begeistert fest und setzte sich dazu. Mein Blick wanderte von unten nach oben. Nour konnte man nicht mehr loswerden, also setzte ich das Gespräch fort. Ebenso überrascht, wie auch fasziniert hörten die Mädels meinem Monolog zu, fieberten förmlich in der Freude mit. In beinah jeden Satz musste ich erwähnen, wie schön es war, Zeit mit ihm zu verbringen, auch wenn ich mir dessen bewusst war, dass es nicht viel mehr als Freundschaft darstellte. Zwischendrin seufzte ich, aber bereit für einen Erik Zwei-Punkt-Null fühlte ich mich auch nicht.
      “Das klingt ganz danach, als hättest du einen schönen Vormittag gehabt”, schlussfolgerte Lina grinsend, während sie die Bürste abstreifte. In sanften Bewegungen flirten die kleinen Staubkörner durch die Luft und glitzerten in dem Sonnenstrahl, der zwischen den Wolken her brach, bevor sie zu Boden trudelten.
      “Vriska, darf man fragen, was Basti gestern Abend meinte, als er sagte, er sei auf der Flucht?”, schob sie eine Frage hinterher, die allem Anschein nach bereits eine Weile in ihrem Kopf herumspukte.
      „Vor seiner Freundin“, führte ich an.
      Laut stöhnte Nour neben mir auf und hielt sich die Hand die Stirn.
      „Du kannst dir nicht vorstellen, was sie für ein Drama gemacht hat“, begann sie zu erzählen. Bastis genauen Beweggründe wusste ich nicht, fragte aber auch nicht danach, solang es ihn zu mir führte. „Erst muss sie wirklich jedem unter die Nase binden, dass sie endlich schwanger sei und doch so unabhängig, aber schickt dann Basti von einer Sache zur nächsten. Nicht mal das Pferd schaffte sie allein zu putzen, als hätte sie eine ernsthafte Behinderung.“
      Ich konnte es mir gut vorstellen und rollte mit den Augen.
      “Ui, das hört sich nervtötend an. Verständlich, dass man so jemandem lieber aus dem Weg geht”, verzog die Kleine missbilligend das Gesicht, “Mein Beileid an alle, die das ertragen müssen.”
      “Vor allem”, Nour schlug die Beine zur anderen Seite über, “keiner von uns ist sich wirklich sicher, dass er der Vater ist.”
      Verwundert drückte ich die Brauen zusammen und drehte mich zu meiner Kollegin. Auch Lina putzte nur noch dieselbe an der Sattellage mit der Gummibürste.
      “Muss ich es hinterfragen?”, kam es kleinlaut aus mir heraus, denn eigentlich wollte ich mich solchen Gerüchten nicht hingeben, aber in der Situation war zu verlockend.
      “Nur so viel, Lars ist fest davon überzeugt, dass etwas falsch läuft. Basti und Nelly sind schon länger nicht mehr so fest miteinander, also nicht wie ihr beide. Erst durch dich lief das Fass über oder war zumindest ein Auslöser für ihre krampfhafte Eifersucht.”
      “Ach, das kommt mir doch bekannt vor”, sagte ich lachend zu Lina.
      “Oh ja, du scheinst solche komplexen Situationen magisch anzuziehen”, sprach Lina nachdenklich, als sie ginge sie die Kette der Ereignisse in Gedanken noch einmal analytisch durch.
      „Ein Träumchen“, lachte ich.
      „Jetzt seid doch mal still!“, ärgerte sich Nour, dass ich sie unterbrochen hatte.
      „Und jetzt versucht sie dich loszuwerden”, beendete sie die Erzählung.
      “Ahja, gut. Dann wünsche ich ihr viel Spaß dabei. Für solch einen Kindergarten ist mir allerdings meine Zeit kostbar”, stellte ich nüchtern fest. Die Frau kannte mich nicht und ich sie nicht. Dass ihr plötzlicher Hass nicht von irgendwo kam, konnte ich noch nachvollziehen, aber es gehörten mindestens zwei dazu. Kopfschüttelnd richtete ich mich auf. “Aber wunderbar, dass ihr alle so großes Interesse an meinen Beziehungen hegt.”
      “Ja, das Interesse an den Mitmenschen ist hoch”, grinste Lina unschuldig, “außerdem passiert hier sonst nicht wirklich viel Interessantes.”
      “Harlen schleicht sich seit ein paar Tagen nachts aus seiner Hütte”, funkelten Nours Augen plötzlich auf. Für einen Moment hatte ich verdrängt, dass mein Bruder noch existierte, schließlich bekam ich ihn nur noch selten vors Gesicht.
      “Nun, vielleicht geht er mit dem Hund?”, verzog ich skeptisch das Gesicht.
      “Nein, er fährt mit dem BMW dann los”, grinste sie, “außer er möchte woanders mit dem Hund gehen, aber dann nachts?”
      “Oha, ob dein Bruder versucht eine Liebschaft zu verstecken?”, kicherte die Brünette, deren helle Augen sofort begonnen hatte zu leuchten, als hätte man Lichter hinter dunklen Scheiben eingeschaltet.
      „Bisher hat er es doch mit Jonina getrieben, kaum vorstellbar, dass er woanders hinfährt“, blieb ich unbeeindruckt.
      „Und warum sprechen sie nicht mehr miteinander? Ich denke nicht, dass er zu ihr fährt“, stellte sie fest.
      „Dann frag ihn doch“, zickte ich und drehte mich auf den Hacken um. Wenn er sich nicht für mich interessierte, tat ich ihm gleich. Soll er doch von Bett zu Bett springen, das geht mich nichts an.
      “Ist ja gut, du möchtest darüber nicht sprechen”, beschwichtigte Lina sogleich, “kein Grund gleich unfreundlich zu werden.”
      „Er hasst mich, also was erwartet ihr? Dass ich Luftsprünge mache, weil er glücklich ist?“, jammerte ich mit versagender Stimme und schielte zu Happy, der seinen Kopf aus der Box streckte. Da war es wieder. Ich musste mich bis morgen entscheiden, aber hatte es vollkommen vergessen.
      “Warte, wie kommst du denn darauf, dass es dich hasst?”, hakte sie irritiert nach und versuchte sich einen Zusammenhang zu erschließen.
      „Weil er seit Weihnachten nicht mehr mit mir gesprochen hat und bis heute der Meinung ist, dass ich keine Lust auf die Familie hätte, deswegen mich überall einmische und keine Ahnung habe“, ratterte ich herunter, obwohl ich überzeugt war, sie würde das bereits wissen. Sie seufzte, strich ihrer Stute dabei über das dunkle Fell.
      “Fall es dich beruhig, ich habe seit über drei Jahren nicht mehr richtig mit meinem Bruder geredet“, scherzte sie selbst ironisch, bevor sie zurück zum eigentlichen Thema kam.
      “Ignoranz heißt noch lange nicht, dass Harlen dich hasst. Vermutlich versteht er nur nicht, was in dir vorgeht und was deine Beweggründe sind und wenn ihr nicht sprecht, ist es einfacher sich selbst eine Meinung zu bilden”, sprach sie mit bedacht.
      „Du kannst auch nicht erwarten, dass jeder auf dich zugeht, sondern auch Interesse an ihm zeigen“, belehrte Nour. Sie war weniger bemüht, die Worte durch die Blume hinwegzusagen und wirkte auch nicht sonderlich begeistert von mir.
      Ich nickte nur, wollte mich auf keine Diskussion einlassen. Stattdessen verschwand ich über den Kiesweg, der sich noch immer durch tiefe Furchen der Baufahrzeuge auszeichnete. Wie ein Storch torkelte ich zur Hütte und war froh, endlich die zwanzig Zentimeter unter mir los zu sein. Ich zog mich um und startete währenddessen die Kaffeemaschine. Es bereits auf meinem Plan zu arbeiten, aber eine innerliche Kraft wollte nicht, dass ich zurück zum Stall ging. Für heute musste ich mich dem Gefühl widersetzen. Und ich tat es. Umgezogen, abgeschminkt und mit der Brille auf der Nase lief ich zurück. In der Hand hielt ich die Kaffeetasse, aus der es dampfte. Behutsam trug ich sie bei mir und war überrascht, dass die Mädels noch immer an Ort und Stelle verharrten.
      „Es ist ziemlich absurd, dass du solch Scheußlichkeiten denkst“, hörte eine zu sehr bekannte Stimme sagen. Natürlich mussten sie sich wieder einmischen, aber vielleicht war es auch angebracht. Genervt und verärgert nahm ich mir dennoch vor, zu sein.
      „Du hast mich doch vollkommen aus deinem Leben gestrichen. Was soll ich sonst denken?“, versuchte ich, meine zitternde Stimme zurückzuhalten, aber selbst meine Hände bebten.
      „Lass uns allein sprechen“, schlug Harlen vor und sein Blick wechselte zwischen den beiden Mädels, die beinah enttäuscht waren.
      „Wieso? Ich habe nichts zu verheimlichen“, spielte ich auf Nours Gerüchte an.
      „Nun gut“, seufzte er und setzte sich hin. Ich stellte jedoch nur meinen Kaffee bei ihm ab, um Happy aus der Box zu holen. Irritiert sah mich mein Bruder an, aber ich konnte beides verbinden und tat dies auch. Der Hengst folgte mir beinah seines Namens entsprechend und legte nicht einmal die Ohren an, als wir an Redo vorbeikamen. Ihr mangelndes Interesse war wohl der ausschlaggebende Grund.
      „Ich hasse dich nicht“, stellte Harlen klar.
      „Okay“, nickte ich und bürstete und großen kreisförmigen Bewegungen den Rippenbogen des Fuchses. Dieser döste mit dem Huf angewinkelt.
      „Es ist nur so, dass du dich vollkommen abschottest und ich nicht mehr die Geduld habe, dir nachzulaufen“, erklärte er weiter.
      „Und deswegen ignorierst du mich?“, stoppte ich das Putzen für einen Moment und sah zu ihm.
      „Du kommst nie von selbst“, blieb er in seiner Verteidigung. Verwundert sah ich ihn an.
      Ich war oft im Büro, auch wenn er nur selten dort zu finden war, was mich, angesichts seiner Arbeit, verwunderte.
      „Das stimmt so nicht“, mischte sich Nour ein, „Du bist kaum da. Leider muss deine Schwester in dem Punkt in Schutz nehmen.“
      „Viele Termine finden auswärts statt, das stimmt“, ging er nur halbherzig an ihre Aussage heran, „aber gut. Dann sind wir uns einig, dass wir uns uneinig sind und machen so nicht mehr weiter?“
      „Wenn du meinst“, zuckte ich mit den Schultern.
      „Ich nehme das als ein Ja. Ach, wenn ich schon mal hier bin. Was ist mit dem Fuchs? Willst du ihn oder nicht, die Besitzer haben vorhin schon wieder gefragt“, wechselte Harlen schlagartig das Thema.
      „Erst gestern hat man mich damit konfrontiert. Lina hat über ein halbes Jahr darüber nachgedacht ein Pferd zu kaufen und ich soll mich innerhalb von vierundzwanzig Stunden entscheiden?“, eine Augenbraue zog ich nach oben. In Harlens Gesicht erkannt ich, dass er genauso gut wusste, wie ich, wie schwer mir kluge Entscheidungen fielen und ich besonders bei Pferden vorsichtig war.
      „Die Mädels können dir bestimmt helfen“, lächelte er aufmunternd. „Sonst halte ich sie weiter hin, schließlich hast du auch fast Geburtstag, also gönne dir mal etwas Ruhe.“
      Mit diesen Worten verabschiedete er sich und verschwand zum Tor hinaus. Ich stand mit den beiden in der Gasse, einer schockierter als der andere. Gekonnt hatte ich auch meinen Geburtstag in vier Tagen in den Hintergrund geschoben, denn damit jährte sich auch Jennis Tod.
      “Habe ich das richtig gehört, Happy soll verkauft werden?”, hakte Lina erstaunt nach.
      “Das stand doch schon von Anfang an fest, nur, dass es direkt passieren soll”, ich seufzte und fummelte an seiner Mähne herum, die lockig am Hals herunterhing. “Mir fällt es schwer, ihn ernsthaft, so für immer zu nehmen.”
      “Das kann ich verstehen, solange kennst du ihn ja noch nicht”, nickte sie verständnisvoll.
      „Ich kenne da eventuell, wen“, kam Nour zu Wort. „Alexa sucht ein Pferd zum Trödeln und bisschen Turnier, wenn es sich ergibt. Wenn wir ihr sagen, dass das Pferd noch weiterhin Beritt benötigt, sollte das kein Problem sein. Durch die Kinder hat sie ohnehin nicht so viel Zeit.“
      „Und was möchte sie dann mit einem Pferd?“, wunderte ich mich, auch wenn es nicht meine Angelegenheit war.
      „Zum Ausreiten, Liebhaben. Was nun mal Freizeitreiter mit ihren Tieren tun“, zuckte sie mit den Schultern.
      „Okay, dann schlage ihr ihn doch vor“, sagte ich.
      „Es ist Bastis Schwägerin, falls dich das besser stimmt“, fügte sie hinzu und tippte währenddessen auf dem Handy. Dann hob sie es an. Ich nahm einen großen Schritt zur Seite, um nicht im Bild zu sein. Nour grinste sofort.
      „Sie fragt, wann sie vorbeikommen kann.“
      Mit Fragezeichen in den Augen blickte ich zu Lina, die Redo den Sattel festzurrte und zur Trense griff.
      “Idealweise noch heute”, schlug sie vor, “Je schneller das Problem gelöst ist, desto besser.”
      Ich nickte zustimmend.
      Kaum waren die Worte aufgesprochen, texten die beiden weitere Nachrichten hin und her. Ich putzte gleichzeitig den Fuchs weiter und Lina setzte ihren Helm auf.
      „Sie fragt, ob jetzt geht, also so in dreißig Minuten“, sah sie vom Gerät auf.
      „Ja, ich schätze schon. Ich weiß nicht, was die Besitzer sich vorstellen, aber das sollte in der Zeit herausgefunden werden können“, versuchte ich zu lächeln, aber konnte mich noch nicht mit dem Gedanken anfreunden. Happy war sensibel und an mich gewöhnt. Jemand Neues könnte ihn meilenweit zurückwerfen, aber so gab es zumindest die Chance, es zu kontrollieren. Also stimmte ich zu und machte mich direkt auf den Weg zum Büro. Vorher stoppte ich noch bei Lina.
      „Wo gehst du mit ihr hin?“, fragte ich nach, um mit Happy etwas vorausplanen zu können.
      “Ich wollte in die Halle gehen”, gab sie mir bereitwillig Auskunft.
      „Okay, würde es sich stören, falls sie auch in die Halle möchte? Sonst biete ich ihr nur den Platz an?“, fragte ich nach.
      “Nein, absolut kein Problem, die Halle ist ja groß genug”, lächelte Lina froh gestimmt.
      Ich bedankte mich und huschte hoch ins Büro. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann hatte ich die Besitzerin am anderen Ende. Ihr erläuterte ich die Situation sehr genau, dass ich ihn mochte, aber nicht bereit für ein eigenes Pferd war – von dem Pony wusste schließlich kaum einer – aber bereit wäre, den richtigen Besitzer zu finden. Sie freute sich darüber, erst recht, dass ich bereits jemanden hatte.
      „Aber, was ist mit Hending?“, fragte diese zum Schluss. Ach ja, der Mini Tinker kam in dem Zuge ebenfalls zum Hof. Bisher kümmerte sich Lina um die Kleine.
      „Die können wir ebenfalls vermitteln“, bot ich an. Mir wurden noch die Preise erläutert und ich würde von beiden fünfzehn Prozent des Erlöst bekommen, fand ich mehr als fair und damit beendete ich das Gespräch.
      „So, alles geklärt. Ich soll beide Pferde vermitteln und habe volle Freiheit bekommen“, sagte ich grinsend, auch laut genug, dass Lina es hören konnte.
      “Perfekt, dann muss das nur noch funktionieren, mit Happy. Das Fusselmonster bekommst du sicher leicht vermittelt”, hallte eine Antwort durch das Gebäude.
      Ihre positive Einstellung schlug nur für einen Wimpernschlag auf mich über, denn dann wurde ich nervös. Ich wusste nichts über die Dame und konnte mir nur schwer vorstellen, welche Auswirkungen es auf die Beziehung zwischen Basti und mir bedeuten könnte. Wusste sie davon? Am besten, ich würde all das ignorieren. Das Herz überschlug sich und ich musste mich setzen. Mein Kaffee stand noch immer dort, mittlerweile kalt. Leise seufzte ich, aber sippte am Rand der schwarzen Tasse. Ich kam zur Ruhe. Nour sprang zur gleichen Zeit auf und lief hinaus. Immerhin hatte ich Happy schon vorbereitet, also konnte nichts mehr schiefgehen.
      Eine große blonde Dame lief neben Nour her, lachte freundlich und sah sich im Gebäude um. Ihr folgte Hedda, die freudig auf mich zu gerannt kam.
      “Vriska”, kreischte sie meinen Namen durch den Stall. Der Hengst streckte auf, aber beruhigte sich im nächsten Atemzug. Der Rotschopf stellte keine Bedrohung dar und wollte nicht zu ihm.
      “Es wird nicht im Stall gerannt, weißt du doch”, erinnerte ich sie freundlich, aber bestimmt. Sie nickte und sah sich zu Alexa um. Die schmale, aber kräftig gebaute Frau sah man nicht an, dass sie Zwillinge ausgetragen hatte. Zumindest dieser Umstand schindete Eindruck. Ihre Gesichtszüge waren trotz des freundlichen Lächelns rau und eingefroren, die Haut angegriffen. Die Haare trug sie in einem lockeren Pferdeschwanz und am Körper eine simple dunkle Reithose, einer hellen Jacke und schwarzen Weste darüber.
      “Nett dich nun auch persönlich kennenzulernen”, reichte sie mir die Hand, „Basti hat bereits einiges erzählt.“
      „Ähm, ja, danke, also“, rang ich nach den richtigen Worten und verspürte genau die Hitze in meinen Kopf aufsteigen.
      „Das ist Happy“, übersprang ich den Teil des Gesprächs. Alexa trat langsam an den Fuchs heran, der erstaunlicherweise die Ohren aufstellte und an ihrer Hand schnüffelte.
      „Keine Sorge, bei uns ist euer Geheimnis sicher“, setzte sie unbeirrt fort.
      „Welches Geheimnis?“, wunderte ich mich sofort.
      „Er meinte, er hätte jemanden kennengelernt und es könnte etwas Ernstes daraus werden“, trat nun bei ihrem gleichen Zustand ein. Obwohl mir ihre Worte das Herz erwärmten, konnte ich nicht genau einordnen, worauf das hinauslaufen sollte.
      „Ähm“, stammelte ich wieder heillos überfordert.
      „Die beiden lernen sich doch erst einmal kennen, Alexa. Nicht jede Beziehung läuft bilderbuchmäßig ab, wie mit dir und Henne. Außerdem kennst du doch Basti“, lachte Nour. Zuversichtlich nickte sie mir zu.
      „Du hast recht, aber ich höre doch immer die Kirchenglocken läuten“, scherzte die Blonde.
      „Happy ist sieben Jahre alt, bis zur schweren Dressur ausgebildet, aber läuft unter mir aktuell nur auf mittlerem Niveau“, betete ich stattdessen die Fakten herunter.
      „Vriska, alles gut. Entspanne dich“, beruhigte mich Alexa, „solang er drei Gänge durch den Wald geht, ist mir alles recht.“
      „Ja, tut er“, nickte ich hektisch.
      „Na dann, wo ist dein Pferd?“, hakte sie nach. Offenbar wollte sie dies sogleich austesten. Schwierig, denn bisher war ich nur mit Sulky im Wald oder allein, zusammen mit einem anderen Reiter versuchte ich zuvor noch nie.
      „Wollen wir nicht erst einmal in die Halle, dass du ein Gefühl für ihn bekommst?“, versuchte ich ihr den Gedanken auszutreiben.
      „Was im Wald nicht funktioniert, wird auch in der Halle nicht besser sein“, ließ sie sich nicht von ihrem Plan abbringen. Im Kopf ratterte unter Bestand durch. Es gab nicht viele sichere Pferde für ein solches Unterfangen. Die verrückten Jungpferde wären genau das Gegenteil und die aktuell rossigen Stuten ebenfalls. Damit blieb nur unser Haflinger Fly, auf dem ich noch nie saß, oder Glymur.
      Unentschlossen stiefelte ich los in den Stall gegenüber. Glücklicherweise traf ich Bruce an, dem ich sogleich die Situation erklärte. Er sah hinter sich die Stallgasse hinunter.
      “Ich dachte schon, dass du nie fragen wirst nach ihm. Also klar, nimm ihn dir ruhig”, lächelte er freundlich. Überschüttet mit tausenden Danksagungen lief ich direkt zu seiner Box, in der er, den Kopf in einem Heuhaufen gesteckt, stand. Ich schnalzte, dann kam der Isländer sofort an. Sanft und beinah in Zeitlupe strich ihm über den Nasenrücken. Im gleichmäßigen Tempo bewegten sich seine Nüstern. Ich war wirklich dankbar für diese Möglichkeit.
      Bei uns im Stall putzte ich den Schecken über, holte meinen so gut wie genutzten Sattel und seine Trense, die damals in Kanada schon hatte. Alles für ihn besaß sich noch, würde es nie weitergeben. Wenig später waren wir bereit.
      Ich half Alexa auf den großen Fuchs und stieg schließlich selbst in den Sattel. Kaum zu glauben, dass es Zeiten gab, in denen ich täglich auf einem Isländer saß und dass etwas anderes Gefühl in Viertakt genoss. Aber mir kamen alte Erinnerungen, gut, denn vor genau einem Jahr kam er zu mir und in mir herrschte noch jene Zuneigung wie zuvor. Mit einem breiten Lächeln thronte ich im Sattel, aber behielt das Paar neben mir in den Augen. Tatsächlich wirkten sie sehr harmonisch zusammen. Der Fuchs prüfte mehrmals, ob ich da war und wunderte sich zu gleichen Teilen über das Pony. Aber seine Ohren waren vorn, nur eins kreiste wie Radiomast und peilte Alexas Stimme ab.
      Schritt, Trab, Galopp – alles testeten wir im Wald und recht schnell stand für die Blonde fest, dass Happy genau das Richtige war. Ich zweifelte noch, denn über den Preis verloren wir bisher kein Wort und wusste, dass das Deutsche Sportpferd auch andere Tage hatte. Schließlich war er müde vom Turnier am Vortag.
      „Du, sage mal“, sagte Alexa und wendete ihr meinen Blick zu, „in Manstrop bist du auch am Montag, oder?“
      Die ganze Zeit hatten wir nur über Happy gesprochen, dass es nun wieder auf das Thema zurückkam, wunderte mich wiederholt.
      „Ja, wir bleiben über die Nacht“, erklärte ich wahrheitsgemäß.
      „Ach, das ist toll“, grinste sie beinah verliebt und klopfte den Hals des Pferdes.
      „Bist du auch da oder weshalb fragst du?“, hakte ich unverfroren nach.
      „Ja, Hennes Stute läuft mit und sein Trainingspferd ebenfalls. Das hat seine Qualifikation letztes Mal bekommen und wird nun vorgestellt“, sprach sie freudig erregt, als wäre es ein großes Jubiläum.
      „Das ist schön“, lächelte ich.
      Abschließend verabschiedete sie sich am Hof. Hedda kam hinter Nour hergelaufen und warf sich mir um den Hals, als wäre ich für immer weg. Morgen würde Alexa noch ein weiteres Mal vorbeikommen und den ganzen Haushalt mitbringen, schließlich sollte der Hengst ein weiteres Familienmitglied werden. Am Montag wollte sie mir die Entscheidung mitteilen. Zeitlich schien es mir gut zu passen. Ich plante, heute Abend mit Happy noch einmal in die Halle zu gehen, nur um sicher zu sein, dass morgen alles passen würde. Mittlerweile stand er in seiner Box. Nur Glymur war noch unter dem Rotlicht und trocknete. Während ich also wartete, dass der Isländer fertig wurde, setzte ich mich auf die Bank gegenüber und holte mein Handy heraus. Gelangweilt swipte ich die Instagram-Timeline hindurch, sah mir Niklas neuesten Bilder an und schaute provisorisch in meine Nachrichten. Tatsächlich hatte mir Basti geschrieben, denn seit dem Nelly wieder aktuell war, kontrollierte sie alles, was er sonst tat – nur hier nicht.
      „Danke für den schönen Vormittag. Aber sage mal, Happy kommt weg? Und Nour dreht ihn Alexa an? Schon ziemlich verrückt. Melde dich bitte, wenn du mehr weißt“, las ich und tippte umgehend eine Antwort: „Bitte, ich bin auch sehr dankbar. Ja, offenbar. Die beiden passen gut zusammen. Sie möchte morgen noch ein weiteres Mal testen und dann bleibt abzuwarten, wie sie sich Montag entscheiden.“
      Kaum war sie Nachricht abgeschickt, öffnete er diese bereits. Es dauerte einen Moment, dann kam seine Antwort rein.
      „Es wäre schön, wenn sie auch wieder ein Pferd hat. Sie hat das Reiten in der Schwangerschaft sehr vermisst. Hat sie sonst etwas gesagt?“
      „Ja, einiges. Unter anderem, dass sie bei uns die Hochzeitsglocken hört, aber den Zahn habe ich ihr direkt gezogen, haha“, formulierte ich möglichst galant, nur wenig über meine eigenen Gefühle preisgegeben zu haben. Obwohl die Nacht gelesen wurde, dauerte es, bis eine Antwort kam.
      „Warum?“, leuchtete einzig das Wort auf dem dunklen Bildschirm.
      „Ist es nicht etwas früh, an eine Hochzeit zu denken?“, tastete ich mich langsam heran.
      „Ach so, ja. Du hast recht. Aber, wäre es in deinem Interesse?“, einerseits erfreute mich seine Frage, andererseits hatte ich Angst, dass ich zu schnell, zu viel Emotionen in ein uns steckte.
      „Ja“, schrieb ich bloß.
      „Ok“, antwortete er, dann tauchten die Punkte auf, „ich möchte dich bei mir haben heute Abend. Kommst du mit zu meinen Freunden und danach schlafen wir im Hotel?“
      Irritiert huschten meine Augen immer wieder über seine Aussage und ich noch nicht ganz begreifen, wieso er, seit dem Abstand derart besessen war. Nicht, dass ich ein Problem damit hatte – ganz im Gegenteil – ungewöhnlich, dafür, dass ihm jeder als kalt und gefühllos bezeichnete. Bevor ich ihm zusagen konnte, kam Lina mit Redo und ich steckte das Handy weg. Aufgeregt brummte Glymur über den Besuch eines anderen Pferdes. Die dunkle Stute beschnupperte ihn kurz, doch hegte kein übermäßiges Interesse an dem Hengst. Lina hingegen begrüßte das kleine Pferd erfreut mit einem Leckerli: “Du hast Glymi hergezaubert, wie schön.”
      „Und wie ist es gelaufen? Gefällt ihr Happy?“, erkundigte sie sich sogleich, während sie ihrer Stute die Trense abzog. Kaum berührte das Leder nicht mehr ihren Kopf, regte sie den Kopf zur Seite und schubberte sich am Anbindebalken.
      “Wenn man aus dem Tor geht, dann hundert Meter an den Stuten vorbei, gelangt man zu den Isländern. Es ist kein Hexenwerk, ihn hierherzuführen”, erläuterte ich grinsend, “und ja, ihr gefällt der Fuchs. Morgen kommt sie mit der ganzen Sippe.”
      “Das klingt, als sei er nahezu verkauft”, lächelte sie.
      “Und ich bekomme fünfzehn Prozent vom Verkaufspreis, also werden neue Sets gekauft”, zog ich wieder mein Handy hervor. Natürlich verspürte ich ein hintergründiges Stechen in der Magenregion, aber bei Alexa hatte ich ein gutes Gefühl. Die Mutter von zwei Kindern war die Ruhe in Person, kam dem Pferd entgegen, ohne dabei sauer zu werden.
      “Bald benötigst du ein eigenes Zimmer nur für Pferdezeug”, scherzte Lina, obwohl sie selbst auch eine beachtliche Sammlung vorweisen konnte.
      “Das aus deinem Mund”, schüttelte ich belustigt den Kopf.

      18:04 UHR

      Stunden später saß ich neben Lina auf der Tribüne, die gespannt zur Reitbahn sah. Sam war mit zwei ihrer Stuten zum Training auf den Hof gekommen. Meine Kollegin wusste bisher nichts davon, bis Mateo kurz vor der Ankunft sie darüber in Kenntnis setzte. Seitdem konnte sie weder stillsitzen noch stehen. Was für mich immer mehr die Rennpferde wurden, drehte sich ihre Gedankenwelt einzig allein, um die schweren Warmblüter aus der Schweiz.
      Ich hatte die Isländer Stute im Beritt, bereits gearbeitet, Crash longiert und war mit Maxou für zwanzig Minuten auf dem Platz. Der raue Wind und der leicht einsetzende Nieselregen verderbten uns beiden die Stimmung intensiv zu arbeiten. Also saß ich nun mit dabei, beobachtete, wie leichtfertig die blonde junge Dame mit dem hellen Fuchs durch den Sand setzte. Verita, wie mir das Pferd vorgestellt wurde, stand an den Hilfen und schwebte im Rahmen ihrer Möglichkeiten über dem Boden. Für eine neunjährige Stute kam sie ihrem Ausbildungsstand nah. Keine schwere Dressur, aber die Anlehnung war da und man sah deutlich, dass Sam am Schwung arbeitete. Einen gewissen Charme versprühten die beiden, aber ich würde mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, dass ich mich darin verlor wie Lina. Es war niedlich und eine gelungene Abwechslung zu den Teppichklopfern in Kalmar, die dort die Halle gescheucht wurden, in einer so engen Montur, dass selbst mir der freie Wille verloren ging beim Zusehen. Vielleicht sorgte schon diese Tatsache dafür, dass ich mich emotional nicht an Happy binden konnte, dem Gedanken, dass ich mich in einem System aus Tierquälerei und Symptome Behandlungen begeben könnte.
      Ich schüttelte mich, um aus dem absurden Teufelskreis in mir zu fliehen. Aber es war auch mein Handy, das Aufmerksamkeit erwartete. Dumpf vibrierte es in gleichmäßiger Tonart auf dem Holz. Für einen Moment sah ich es an, aber dann zog Mateo mein Interesse auf sich. Er kam auf die Reitbahn mit einem weiteren Fuchs, Selva, dem anderen Pferd von Sam und begann ein Hindernis aufzubauen. Die Stute stellte er in der Mitte ab. Ihr Blick rotierte im Raum, aber wie angewachsen verharrte sie.
      „Vriska, sag mal, bist du taub, oder was?”, äußerte meine Kollegin ihren Unmut über das störende Geräusch.
      „Oh“, entfloh es mir als einziges und betätigte den Sperrknopf, ohne überhaupt auf den Bildschirm zu blicken. Wer auch immer anrief, musste warten, bis mein Erstaunen über den strahlenden Fuchs mit Stern nachließ. Doch so weit kam es nicht, denn es läutete immer wieder, bis instinktiv den grünen Hörer betätigte.
      „Wo bleibst du?“, hörte ich fragen.
      „Äh“, wunderte ich mich im ersten Moment. Zu lange benötigte mein Gehirn, um die Informationen zusammenzufassen. „Jetzt schon?“
      „Ja, ich habe die mehrmals geschrieben, dass wir uns früher treffen und ich dachte, du kommst auch direkt“, sagte Basti hörbar genervt, als wäre es ein Weltuntergang, dass für ein paar Minuten nicht am Handy hing.
      “Hui, was hat dich denn gestochen?”, hakte ich flapsig nach und verschränkte den freien Arm vor meiner Brust.
      “Nelly hat davon erfahren, dass wir uns heute getroffen haben von einer Freundin, die uns gesehen hat”, änderte sich seine Stimmenlage.
      “Mh. Und dann soll ich heute dabei sein?”, fragte ich verdutzt nach und sah mit Hilfe suchenden Augen zu Lina, die jedoch Mateo auf dem edlen Ross folgte. Wenn ich es nicht besser wüsste, stellte sie sich sehr genau vor, was wohl unter dem ganzen Stoff stecken würde.
      “Es klingt blöd und ist vermutlich unüberlegt, aber ja. Ich möchte mich ablenken und du bist die Einzige, die mich versteht”, seufzte er niedergeschlagen. Eigentlich fühlte ich mich wie im falschen Film, eher schlecht verstanden als überhaupt, aber gut. Ich musste bei ihm sein, das wusste ich zumindest.
      “Okay, dann ziehe ich mich um und fahre dann los”, redete ich Basti gut zu. Er legte auf und ich steckte das Handy weg.
      “Wenn ich nicht wüsste, dass dein Ritter gerade mit einem Bino kämpfte, würde ich dir diesen wärmstens empfehlen”, flüsterte ich Lina ins Ohr und sah zu Mateo, der mittlerweile über Stangen trabte.
      “Aber dann weißt du ja, dass kein Bedarf nach einem neuen Ritter besteht”, murmelte sie, als fühle sie sich ertappt.
      “Freut mich, dass es bei euch vorangeht”, lächelte ich, “aber meiner weint, ich muss los.”
      “Dann wünsche ich dir viel Spaß beim Trösten”, grinste sie.
      Im Zimmer wechselte ich meine Kleidung, verschleierte die tiefen Augenringe hinter Schminke und lief schließlich zum Auto. Auf der roten Motorhaube reflektierte der Himmel der untergehenden Sonne. Dahinter standen die Pferde friedlich rasend auf der Weide und freuten sich, dass der Frühling in vollen Zügen über das Land rollte und die Weidesaison einläutete. Allerdings kam mir auch etwas anderes in den Blick. Niklas hatte sein, zum Ausgleich aller Minderwertigkeitskomplexe, Auto abgestellt und sah mich leider auch.
      “Offenbar wird der Tag noch besser, wenn du endlich gehst”, grinste er scharf.
      “Denkst du nicht, dass das Thema langsam durch ist? Niemand nimmt dich noch ernst, also kannst du es auch sein lassen”, sprach ich pikiert und öffnete die Tür meines kleinen Autos.
      „Niemand? Da bin ich mir nicht sicher“, hielt Niklas meine Autotür fest, um mich am Losfahren zu hindern.
      „Anstelle mich weiter aufzuhalten, soll ich dir nicht lieber deinen Willen erfüllen“, rollte ich mit den Augen und zog ein weiteres Mal an der Tür, in der Hoffnung, er würde davon ablassen. Das war nicht der Fall, stattdessen grinste er schief. “Zeitweilige körperliche Bedürfnisse solltest du mit deiner Freundin besprechen, nicht mit mir.”
      “Du weißt am besten, dass das etwas ganz anderes ist”, zog er eine Braue nach oben und schien etwas zu erwarten, was ich nicht bieten konnte.
      “Niklas, ich fühle mich nicht wohl in deiner Nähe”, appellierte ich.
      “Nun gut”, seufzte er, “dann lass ich dich in Ruhe.”
      Endlich nahm er die Hand von meiner Tür, die sofort zu zog und den Schlüssel ins Zündschloss steckte. Kaum war dieser gedreht, schloss sich die Zentralverrieglung und ich fuhr vom Hof. Mein Herz raste, ungewiss, ob es am Grund meiner Fahrt lag oder dem ungünstigen Zusammentreffen mit Niklas. Dass er so sehr der Vergangenheit nachjagte, fiel mir schwer nachzuvollziehen. Bis ich bei Bastis Freund an der Tür klingelte, versuchte ich eine Antwort auf die Aktion zu finden, aber es gab keine. Nichts deutete auf seine Motivation hin, einzig Kontrollwahn. Aber es sollte endlich Schluss sein. Ich atmete tief durch und drückte den Klingelschalter bis zum Anschlag. Als hätte Basti bereits durch den Spion geschaut, öffnete sich Tür sofort. Mit einem breiten und erleichterten Lächeln blickte er mich an, um im nächsten Moment in die Arme zu nehmen und fest an sich zu drücken. Er trug einen anderen Duft als sonst, holziger, aber milder für die Nase.
      Der Abend verlief ähnlich wie der vorherige. Den Großteil der Zeit saß ich neben ihm auf der Couch, die Arme locker vor meiner Brust verschränkt und die Männer am Trinken. Wirklich willkommen fühlte ich mich nicht, denn den Gesprächen zu folgen, fiel mir schwer und die Themen waren ebenso oberflächlich, wie ich es aus der Schulzeit kannte. Natürlich zweifelte ich bis spät in die Nacht hinein und schlief sogar an seiner Schulter ein. Irgendwann wurde ich durch ein Flüstern am Ohr geweckt.
      „Wollen wir ins Bett?“, fragte Basti mit lallendem Unterton.
      „Okay“, murmelte ich verschlafen und richtete mich auf.
      “Wir können bei Jan im Gästezimmer bleiben, dann musst du nicht fahren”, schlug er vor.
      Ich nickte und folgte ihm. Meine Brille hielt ich in der Hand, sah also nur halb, wohin ich folgte. Aber das kleine Zimmer war altmodisch, aber wohnlich eingerichtet. An den Fenstern hingen dünne verzierte Gardinen, daneben Vorhänge in Weiß mit einem dunklen Balken unten. Das Bett, auf der nur eine große Decke lag, war ebenfalls weiß bezogen und alle Möbel aus hellem, naturbelassenem Holz. Etwas verloren stand ich an der Tür, während er den Gürtel seiner Hose öffnete und diese herunterzog.
      „Soll ich das Licht ausmachen?“, fragte Basti mit leichter Verwirrung.
      „Äh, tut mir leid“, entschuldigte ich mich, aber konnte Situation noch immer schwer einschätzen. Er lächelte mich an, als könnte er durch meine Augen hinweg, direkt die Gedanken lesen. Neben mir drückte er den Lichtschalter, torkelte zum Bett und schaltete dort eine der Nachttischlampen an. Im warmen Licht zog meinen Pullover aus und die enge Hose, obwohl mich weiterhin das Gefühl beirrte, hier nicht sein zu dürfen. Gerade, als er sein Shirt über den Kopf ziehen wollte, stoppte er in der Bewegung.
      „Ich kann es anbehalten, wenn du dich unwohl fühlst“, lenkte Basti ein. Die Sache war klar: Er konnte Gedanken lesen. Oder Körpersprache lesen.
      “Wie du möchtest”, versuchte ich ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, obwohl es sich falsch anfühlte.
      “Dann behalte ich es an”, beschloss er und legte sich ins Bett. Vorsichtig krabbelte ich dazu. Wie jedes Mal vor dem Schlaf warf ich noch einen Blick auf mein Handy. Tatsächlich hatte Lina mir geschrieben.
      “Dein Ausbleiben deutet wohl auf einen erfolgreichen Abend hin”, war die erste Nachricht, die sie bereits vor geraumer Zeit gesendet hatte. Das hatte sie offenbar direkt dazu veranlasst, noch eine weitere Nachricht zu verfassen: “Dann wünsche ich dir weiterhin viel Spaß mit deinem Ritter.” Am Ende des Satzes leuchtete ein anrüchig zwinkernder Smiley, welches eher untypisch für ihren üblichen Emoji-Gebrauch schien. Später musste sie mir Frage und Antwort dazu stehen.
      “Na, schreibst du deinem Freund noch gute Nacht?”, drehte er sich zu mir. Zweifelhaft huschten meine Augen zu ihm.
      “Natürlich, der vermisst mich ganz doll”, scherzte ich, dabei huschten meine Finger über den Bildschirm, aber Basti nahm es mir weg. Kurz prüfte er meine Reaktion, die es nicht gab.
      “Der wartet sicher auf dich, sonst ist er doof”, lächelte er und legte es auf seiner Seite des Tisches ab. Deutlicher rutschte ich an ihn heran und selbst er, nahm mich näher an sich heran. Obwohl Kuscheln unsere einzigen Zärtlichkeiten wurden, fühlte es sich nach dem perfekten Tag an.

      SAMSTAG, 9:45 UHR
      LINDÖ DALEN STUTERI

      Nach einem gemeinsamen Frühstück trennten sich die Wege wieder. Ein weiteres Treffen wurde nicht vereinbart, was mir einen kleinen Stich versetzte, aber ich musste der Realität ins Auge sehen. Ich war für unbestimmte Zeit seine Ablenkung und nur ein Spielzeug, Forderungen jeglicher Art musste ich zurückziehen und hinunterschlucken.
      Am Hof stand Duschen auf dem Plan. Doch schon auf dem Weg erinnerte mich eine freundliche Nachricht an einen Termin.
      „Hallo Vriska, wir freuen uns schon. Passt die gegen 12 Uhr? Liebe Grüße, Alexa“, schrieb sie. Auf dem Bildschirm starrend, lief ich zur Hütte.
      „Hallo, ja passt. Bis später“, antwortete ich nur und steckte das Handy weg. Die rote Batterie am Bildschirmrand versuchte mir schon seit einer Weile zu signalisieren, dass es Zeit war, dem Gerät keinerlei Beachtung zu schenken.
      „Guten Morgen“, trällerte Lina mir mit bester Laune entgegen, als ihr Weg sie zufällig, oder wohl eher gezielt, zu mir führte.
      „Du hast am Fenster gewartet oder steckt ein Schäferhund in dir?“, kicherte ich beiläufig, aber hielt bei ihr an. Offenbar bewirkte Niklas Wunder oder es waren die weiteren Freiberger in dem Gastpferdestall, die sie am frühen Morgen in Samu-Laune versetzte. Vermutlich war es von allem etwas, während meine Stimmung eher gedrückt auf meinen Schultern lag, was ich mit Höflichkeit bewusst überspielte.
      „Vielleicht ein wenig von beidem“, grinste sie und probierte, nicht einmal ihre Wissbegier zu verbergen, „Wie war dein Ausflug?“
      “Aufschlussreich, denke ich. Du bist offenbar mein Freund. Ansonsten ziemlich eintönig, aber solange er mich bei sich haben möchte, werde ich da sein”, erklärte ich meine Motivation. Vielmehr gab es nicht zu erzählen, außer es interessierte sie, wie viele Biere er trinken konnte, ohne einen Kater zu haben.
      „Cool, ich wusste gar nicht, dass ich zwei Beziehungen führe“, sprach sie erheitert, „Nicht spektakulär, aber entspanntes beisammen sein hat ja auch etwas Schönes.“
      “Das stimmt natürlich”, verschwieg ich alle weiteren Umstände. Bevor ich wieder in mein Loch aus Selbstmitleid versank, verabschiedeten wir uns für den Moment voneinander, denn ihre Pferde hallten durchs Stallgebäude. Das Wiehern könnte auch von Shaker oder Nobelium stammen, so sicher konnte man sich bei dem Geschrei der Hengste nie sein.
      In der Hütte sprang ich unter die Dusche und schnappte mir frische Kleidung. Wie mittlerweile jeden Tag, zog ich keine Reithose mehr an, nur noch Arbeitshosen, denn die meisten Stunden verbrachte ich auf dem Sulky. Seitdem die ersten Jungpferde drei und vier Jahre alt wurden, war es Zeit, sie für die Rennen oder den Verkauf als Reitpferd vorzubereiten. Selbst Zweijährige mussten schon an den Sulky, obwohl Tyrell all die Jahre zuvor versuchte, das System zu umgehen. Ihm gefielen die zu jungen Tiere im Rennen nicht, zu gestresst, vollkommen verrückt.
      Die meisten Jungtiere präsentieren bereits im Training den nötigen Rennwillen und Leistung. Nur wenige Ausnahmen gab es, doch diese waren bereits in neues Zuhause gezogen. Dennoch war jedes Pferd verkäuflich, wie es sich so gehörte, hatte Lars mir an einem Abend erklärt. Nickend nahm ich Tatsache hin, aber hoffte darauf, dass Tyrell Northumbria nur über meine Leiche abgeben würde. Die Interessenten gab es, aber von ernsthaften Angeboten hörte ich bisher nichts – besser so!
      Mit der Kapuze über den Kopf gezogen und den Händen in der Kängurutasche, lief ich zum Stall hinüber. Neugierig stellte Eifel ihre Ohren auf, als ich an der Box vorbeikam und die braune Stute mit den kleinen Abzeichen am Kopf begutachtete. Sowohl auf der Stirn als auch der Nase zeichnete sich eine beinah gleichmäßige Raute ab. Da sie bei Lars im Training stand, fuhr nur er die hübsche Stute. Einzig in die Führanlage durfte ich sie bisher begleiten.
      „Ach, sieht man unseren Topseller auch mal wieder?“, begrüßte mich besagter Herr.
      „Als hätten wir einander gestern nicht angetroffen“, scherzte ich und strich Eifel liebevoll über die Nase. Ihre Lippe bewegte sich interessiert mit.
      „Dennoch habe ich dich bei mir vermisst“, gab er offen zu, „Aber man munkelt, dass du bei Basti warst.“
      „Möglich“, blieb ich verhalten.
      „Auch, wenn mir der Gedanke noch immer nicht gefällt, freue ich mich für dich“, sprach Lars gutmütig, „worauf ich hinaus möchte: Eichi hat sich von ihrer Ankunft gut erholt. Wärst du bereit, dich um sie zu kümmern und zu fahren?“
      Mit weit aufgerissenen Augen sah ich über das Brillengestell hinweg zu ihm hinauf. Obwohl ich nur unklar seine Gesichtszüge erkannt, entzifferte ich Freude darin, die ich auf das Überraschungsmoment schob. Die zehnjährige Stute hatte ihre Rennkarriere zu großen Teilen hinter sich, würde damit ein gutes Pferd für mich sein, weitere Erfahrungen zu sammeln. Ich musste gar nicht lange darüber nachdenken. Wenn Happy nun wegfallen würde, wäre Platz für ein anderes Pferd.
      „Sehr gern“, nahm ich das Angebot dankend an.
      „Perfekt, du hast alle Freiheiten“, erklärte er. „Wie sieht es aus, hast du noch Zeit für eine lockere Runde durch den Wald?“
      „Eine nur?“, gab ich belustigt zurück.
      „Du weißt genau, was ich meine“, wies er darauf hin, dass er ein Jogg fahren wollte, dem ich mir natürlich bewusst war.
      Ich führte meinen neuen Trainingspartner aus der Box. Erst beäugte mich die Stute, schnupperte an der Jackentasche und folgte dann. Mit Ruhe putzte ich das nervöse Pferd über. Sie zitterte am ganzen Körper und wackelte mit der Unterlippe, alles andere als starke Nerven. Wenn sie einen Schritt nach vorn setzte, schob ich sie zurück. Ihr Erinnerungsvermögen sprach für den Namen, den sie trug – Eichkatze. Es fühlte sich an, wie ein unendliches Spiel, kaum setzte sie den Huf zurück und ich kreiste mit der Bürste weiter das Fell, versuchte sie erneut auf Position zurückzukehren.
      „Wusstest du, dass das Stütchen Zweite wurde im Stutenvorlauf?“, fragte Lars und luckte am Balken vorbei zu mir.
      „Welche? Eifel und Eichi?“, holte ich mir genauere Informationen ein.
      „Der plüschige Fuchs, der mich schief anschielt“, legte Lars besonders viel Wert darauf, dass sie nur noch Augen für ihn hatte.
      „Aber warum nur im Vorlauf? Was wurde aus dem Finale geworden?“, hackte ich mürrisch nach.
      „Beim Start gesprungen, das erste und einzige Mal“, zuckte Lars mit den Schultern, „seitdem ging sie von einem Trainer zum nächsten.“
      „Kann ich nicht nachvollziehen, soll das arme Pferd doch in Sportrente gehen. Gibt bestimmt jemanden, der gut mit ihr klarkommt“, sprach nachdenklich und zurrte den Gurt fest. Als würde sie mir zustimmen, wippte sie mit dem Kopf und gähnte.
      „Zumindest im Training ist sie motiviert“, führte er an, aber in seiner Stimme hörte ich Zustimmung meines Vorschlags heraus.
      Auch im Wald unterhielten wir uns weiter darüber, weshalb die Stute im Sport nichts mehr zu suchen hatte. Natürlich kamen wir dabei auch auf Eifel, die ebenfalls schon älter war und Verschleißerscheinungen, wie es in jedem Sport gang und gäbe war, zeigte. Die Aufwärmphase dauerte beinah doppelt so lange, wie die unserer Jungpferde, auch beim Abfahren zählte jede weitere Minute. Sie schwitzte zu stark, schaumig und im Wetterwechsel lahmte Eifel sogar. Heute, an einem eher kühlen Frühlingstag, schwitzten die Stuten schon nach zwanzig Minuten Schritt. Dabei hatten wir noch nicht einmal die Arbeitsphase begonnen. Gegen Wind und eine Erkältung trugen beide eine Nierendecke. Zumindest sollte diese das Schlimmste verhindern.
      Gedanklich bei Happy, aber konzentriert auf den Fuchs vor mir, fuhr ich durch den Sand. Die Pferde hatten wir in den Trab umgestellt und drehten Runde, um Runde. Zwischendurch blickte ich auf den kleinen Monitor vor mir, der zwar voll mit Matsch war, aber die Werte der Stute noch erkennbar. Was auf den meisten Trainingshöfen monatliches Monitoring war, gehörte bei uns zum Alltag. Jedes Pferd hatte am Gurt einen Pulsmesser installiert, der den Herzschlag und die Geschwindigkeit maß und wir konnten diesen Live sehen. Für ihr Alter schlug sich Eichi gut, entgegen ihrer Trainingspartnerin, die zu schnell in ungesunde Frequenzen kam. Lars bremste sie ab und daraus resultierte, dass wir ihn umrundeten.
      „Ich fahre zurück“, sagte er und bremste in den Schritt ab. An Eifels Augen kam das weiß hervor, auch ihre Nüstern pulsierten.
      „Mach‘ das, wir kommen nach“, erklärte ich nachdenklich und legte einen kurzen Sprint ein. Schnaubend kam der Fuchs Tempo. Ihre Hufe trommelten durch den tiefen Sand. Unter mir rasselte der Sulky und die Umgebung verschwamm im Augenwinkel. Gerade, als wir auf Hochtouren kamen, bremste sie aus heiterem Himmel ab, scheute und ich konnte mich am Gestell festhalten. Mit einem Satz sprang Eichi zur Seite. Mir stockte der Atem, aber wir standen und ich saß noch. Direkt stieg ich ab, um mir selbst mit der gefährlichen Situation klar zu werden. Die Stute atmete aus, wie ein Drachen und suchte nach einem anderen Ungeheuer im Busch. Ich sah nichts, hörte nur lautes Rascheln. Was uns beiden das Leben hätte kosten können, blieb im Verborgenen und auch, als wir im Schritt ganz langsam dem Geläuf folgten, trafen wir es nicht erneut.
      Am Hof angekommen, erzählte ich sofort Lars davon, der mich nur skeptisch anschaute.
      „Eichi ist nicht schreckhaft, so gar nicht“, erklärte er ungläubig und klopfte der Stute den verschwitzten Hals. Wieder zitterte sie.
      „Da habt ihr aber ein hübsches Modell am Wagen“, kam ein mehr oder weniger bekanntes Gesicht angelaufen. Abermals zuckte ich zusammen, noch nicht ganz erholt von dem Schock. Es war Bastis Bruder Henne, der, gefolgt von seiner Frau und Zwillingen, die Stute bewunderte.
      „Ja, aber die steht nicht zum Verkauf“, wandte sich Lars ihm zu und begrüßte ihn mit einem beinah brüderlichen Handschlag.
      „Du weißt so gut wie ich, dass jedes Pferd verkäuflich ist“, scherzte dieser.
      „Deswegen sind wir aber nicht hier“, mahnte Alexa, die mich freundlich anlächelte.
      „Schauen kostet doch nichts“, neckte er. Spielerisch rollte sie mit den Augen.
      Ich führte Eichkatze zum Anbinder, während Lars sich mit unserem Besuch beschäftigte. Erst nahm ich den Sulky ab, dann jedes Teil vom Rücken und der Beine. Gleichzeitig genoss sie die verdiente Portion Futter, bevor es zum Duschen, Inhalieren und Trocknen unter das Rotlicht ging. Das betreute mein Kollege, denn Alexa konnte es gar nicht erwarten, Happy auch in der Halle kennenzulernen. Leider hatte ich es aufgrund der Umstände nicht mehr geschafft, ihn zu reiten.
      Ungewiss darüber, welche Laune der großgewachsene Fuchs hatte, führte seine fast Besitzerin ihn aus der Box. Nur für einen Moment legte er die Ohren an. Beim Putzen und Satteln kam sie gut ohne mich klar, was ihr Mann natürlich nutzte, um mich auszufragen.
      „Wie viel soll der Spaß uns hier kosten?“, fragte er mit gezogener Braue. Die beiden Kinder saßen auf der Bank und spielten mit Autos.
      „Welcher Spaß? Happy?“, Henne nickte, „fünfhundertfünfzig tausend Kronen.“ Es war der Anfangspreis und um hundertfünfzigtausend durfte ich lockern.
      „Nun gut“, sagte er, „sollte passen, wenn er das Niveau laufen kann.“
      Gerade als ich ihm sagen wollte, dass der Fuchs in der Lage dazu ist, aber aktuell nicht trainiert, hielt mich Lars mit bohrenden Blicken auf. Er spürte, was ich zu sagen versuchte. Dem Pferdeverkauf ging ich bisher gekonnt aus dem Weg, so veranstaltete ich den letzten mit Lina zusammen, die gekonnt an die Situation heranging. Manchmal beneidete ich sie wirklich für ihre Neutralität.
      „Mein Bruder erzählte vorhin, dass der Fuchs bereits ein Turnier mit dir lief“, führte Henne an.
      „Das stimmt. Seit geraumer Zeit ist er bei mir im Beritt und entwickelt sich stetig weiter“, fügte ich hinzu.
      „Gut, wärst du bereit, das weiterzumachen? So, ein- bis zweimal die Woche?“, fragte er. Darüber musste ich nicht nachdenken, schließlich war dies auch eine der Voraussetzungen, über die Nour Alexa bereits informierte.
      „Beritt? Natürlich. Die ersten zwei Wochen wären ohnehin im gemeinsamen Austausch, dass Alexa ihn besser kennenlernt und ich im Namen der Besitzerin gewährleisten kann, dass er klar im Kopf bleibt“, erklärte ich ausführlich. Zwischendrin nickte Henne.
      „Vriska? Wir sind so weit“, trällerte Alexa freudig erregt. Ich wandte mich von ihrem Ehemann ab und lief vor, um ihr den Weg zur Reithalle zu zeigen. Der Fuchs trat interessiert hinterher, als wüsste er genau, worum es ging.
      Das Probereiten in der Halle begann schwierig. Happy ließ sie nicht aufsteigen, sodass ich ohne Helm mich in den Sattel setzte und zunächst einige Runden im Schritt und Trab einlegte. Genervt schlug er mit dem Kopf, drückte sich wie so oft in die Zügel, um seinen Willen zu bekommen. Zeit zum Ausdiskutieren war nur begrenzt. Mit vielen Paraden bekam ich ihn an die Hand, um nun die Interessentin reiten lassen zu können. Ich hielt ihm am Gebiss und sie stieg auf. Bereits nach einer Runde herrschte diese gewisse Verbindung zwischen den beiden und ich konnte mich entspannt zurücklehnen.
      „Gehst du mit Noby ausreiten oder soll ich ihn bewegen?“, fragte Nour von der Seite und kam mit Blesa gerade aus dem Training. Die kaltblütige Stute pumpte ebenso wie die anderen Pferde.
      „Kann ich machen, wenn du dafür mit Piri fährst“, verhandelte ich.
      „Du willst doch nur nicht mit Lars auf die Bahn“, grinste sie von sich überzeugt, aber stimmte schließlich zu. Er war weniger der Grund für Unwilligkeit, eher die zickige erdfarbene Stute. Wir verstanden uns nie wirklich. Ihre sensible Ader und meine Ungeduld trafen auf einen scheinbar unlösbaren Konflikt, den ich nur schwer zu lösen wusste. Da die Vierjährige aber täglich gefahren wurde, meistens locker für die Ausdauer, musste jeder mal ran.
      „Ist Noby der Braune, in der zweiten Box?“, fragte Henne aus heiterem Himmel.
      „Ja, wieso?“
      „Der stand doch noch vor einer Weile in Malmö und lief dort Monté mit Caro“, musterte er von der Tribüne das Pferd, dessen Kopf interessiert auf der Box lag. Ich konnte der Unterhaltung nur schwerfällig folgen. Der Grund seiner Fragen erschloss sich nicht aus den Fetzen, außerdem war ich mit einem Auge bei dem Fuchs, der fleißig unter Alexa lief.
      „Das ist richtig, aber da wir nun mehr Trainer haben, können wir das Geld sparen“, erklärte ich.
      „Henne, was habe ich zum Thema Pferdekauf gesagt?“, tadelte sie ihren Mann, der sich wieder gerade hinsetzte und zu ihr sah.
      „Ist doch gut, ich frage doch nur“, rollte er mit den Augen und blieb schließlich am Fuchs kleben. Eine Weile ritt Alexa diesen noch, bis sie schließlich abstieg und in der Stallgasse absattelte. Das Geschehen selbst beobachtete ich aus gewisser Ferne. Schwere lag weiterhin auf meinen Schultern, das Gefühl mich einer Aufgabe anzunehmen, der ich nicht gewachsen war. Woher dieses Empfinden kam, wusste ich nicht und selbst, wenn ich mit jemandem sprechen würde, klang es nach wirren Worten. Ein Teil würde wohl von meinem Vergessen kommen, Dinge, die nur um meinen Geburtstag herum aufkamen.
      „Also, wir reden noch am Renntag“, lächelte Alexa beim Gehen. Ich stimmte freundlich zu, obwohl meine Augenlider immer schwerer wurden und ich nicht genau einschätzen konnte, wie lange ich noch wach bleiben konnte. Die beiden schienen zu wissen, was der Grund dafür war, aber lächelten nur. Aus dem Gebrabbel beim Gehen entnahm ich jedoch, dass die gestrige Begeisterung über Basti und mich umgeschlagen war. Weiteres werde ich wohl noch früher erfahren, als es mir lieb war.
      Lina
      In einem flotten Schritt lief der Hengst über den Sand, der gezeichnet von hellen Sonnenstrahlen, gemustert erschien, wie die schuppige Haut einer Schlange. Die sanften Wellen seiner Mähne, die als letzte Spuren von dem Turnier geblieben waren, wogen sanft im Takt der Bewegung. Rambi hatte mich am Donnerstag wirklich überrascht, hatte ich sein Training im Vorhinein nie mitverfolgen können. So erwartete ich, dass er die Flausen, die er unter dem Sattel zeigte, ebenso vor der Kutsche zeigte, doch es kam ganz anders. Kaum hatte Sam begonnen, das ordentlich geputzt Geschirr auf seinem Rücken zu befestigen, wurde der Freiberger zum reinsten Lämmchen. Artig stand er still, interessierte sich kein Stück mehr für die Stuten, die an ihm vorbeiliefen. Mir war fast so, als habe Sam ein anderes Pferd vor der Kutsche. Ausdrucksstark rollte das Gespann über den Sand und vollführt die geforderten Lektionen in Präzision. Es sah leicht aus, wie ein Kinderspiel. Dennoch konnte ich die Performance nicht genießen. Aufgekratzt von meinem eigenen Auftritt und dem ungewöhnlichen Verhalten meines Hengstes, war ich in ständiger Erwartung, dass der Braune losspringen könnte, zuckte bei jeder unerwarteten Bewegung zusammen und krallte mich panikartig an den Arm meines Freundes. Entgegen den katastrophalen Bildern, die mein Unterbewusstsein heraufzubeschwören suchte, bleib Rambi artig. Mit Leichtigkeit gelang es Sam und dem erfahrenen Hengst, die Konkurrenz in dem mittelschweren Wettbewerb zu schlagen, womit auch er eine blau-gelbe Schleife mit nach Hause trug.
      Abrupt kam der Hengst zu stehen und brachte mich für einige Sekunden aus dem Gleichgewicht, als besagte junge Dame fröhlich grinsend am Zaun auftauchte.
      „Oh, du bist bereits fleißig“, begrüßte sie mich, während Rambi neugierig die Nase nach ihrem Kaffeebecher ausstreckte.
      „Natürlich, hast du mal auf dir Uhr geschaut?“, lachte ich, „Die ersten beiden stehen schon wieder glücklich im Stall.“ Wie es den Anschein machte, hatte Mateo seine Schwester schlafen lassen, sodass sie erst jetzt den Weg in den Stall fand. Logisch, wenn man nur zwei Pferde zu versorgen hatte, konnte der Morgen auch gemütlich starten.
      “Ach ja, ist doch noch früh. Kaffee?”, bot sie mir ihre Tasse an. Ich schüttelte ablehnend den Kopf. Wie konnten alle nur dieses Gebräu mögen? Rambi, der noch immer sehr interessiert an dem Porzellan war, steckte kurzerhand die Zunge hinein.
      “Ey, das ist meiner”, beschwerte sich die Blondine und zog dem Pferd die Tasse weg. Irritiert von dem Geschmack auf seiner Zunge, wippte der Hengst mit dem Kopf, streckte die Zunge wiederholte Male aus und schüttelte sich.
      “Offenbar findet er Kaffee genauso doof wie ich”, schmunzelte.
      “Ich weiß nicht, was dein Problem ist, dieser Kaffee ist ganz wundervoll”, entgegnete sie und nahm einen demonstrativen Schluck. Angewidert verzog ich das Gesicht. Lecker, Gebräu mit Pferdesabberzusatz.
      “Na, dann genieße du mal das da, ich mache dann mal weiter”, sprach ich und drückte Rambi sanft die Waden in die Flanken. Gehorsam setzte sich der Freiberger in Bewegung und ich begann ihn zu arbeiten. Das Pferd strotze heute vor Energie, welche es allerdings lieber dafür einsetzte, den vorbeigehenden Stuten schöne Augen zu machen, anstatt das zu tun, was ich von ihm wollte. Die Einheit gestaltete sich zäh und mühsam, was den Machtkämpfen geschuldet war, die Rambi auszufechten versuchte. So bemüht darum, die Oberhand zu behalten, merkte ich nicht, wie Niklas sich am Zaun dazu gesellte, bemerkte ihn erst, als ich den Hengst dort anhielt.
      „Der fordert dich ja ganz schön heraus, hatte ich gar nicht gedacht“, stellte die Blondine fest, die den Hengst bisher immer nur kurz unter dem Sattel sah.
      „Ja, Rambi kann ein echter Sturkopf sein. Du hattest wohl das Glück, die wohlerzogene Hälfte zu erwerben“, lächelte ich. Das Tier, welches nur wenig erschöpft schien, reichte seinen Hals zu Niklas hinüber und knabberte zart am Saum seines Sweaters. Halbherzig rettete er den Stoff vor den Zähnen und kraulte ihm die helle Stirn.
      „Wer sagt denn, dass das meine Hälfte ist?", lachte sie, „Habe ich eben deinem Freund schon gesagt, ich finde, du schlägst dich wirklich gut. Mache nur weiter so, dann ist er unter dem Sattel bald genauso brav.“ Entspannt hatte der Hengst die Augen halb geschlossen und genoss die Massage, die sich mittlerweile bis auf seine Ohren ausweitete. Kein Wunder, diese Finger konnten wahre Wunder bewirken, wenn sie in kleinen Kreisen über müde Muskeln glitten.
      „Danke“, entgegnete ich bescheiden. Bis heute war sie mir ein Rätsel. Bei ihrem Bruder war mir mehr als deutlich, woher die ständige Freundlichkeit rührte, aber bei Sam … außer der Liebe zu derselben Rasse konnte ich bisher nicht herausfinden, was uns verbinden würde und auch ihre ständige gute Laune, war schon beinahe Samu ähnlich. Die Schweizerin wirkte stetig, als wandle sie bereits seit einem Jahrhundert auf dieser Erde und habe längst alles gesehen und dennoch wusste ich kaum etwas über sie und ihren Bruder. Kaum hörte Niki auf den Hengst zu streicheln, öffnete sich die Augen und er stupste ihn fordernd an, das Wellness Programm fortzusetzen.
      „Sieht aus, als sei dir noch jemand verfallen", lächelnd ich und strich dem Hengst durch die lange Mähne. Wieder stieß das Pferd gegen seinen Arm.
      „Ich bin zweifellos unwiderstehlich”, sprach er von seiner Anziehung überzeugt und präsentierte sich wie ein balzender Pfau.
      “Glaubst auch nur du”, schmunzelte ich und funkelte ihn neckisch an. Freundlicherweise öffnete Samantha das Tor, sodass ich es passieren konnte. Ich glitt aus dem Sattel und schob den Steigbügel hoch. Als ich unter dem Hals des Hengstes hindurchtauchte und dieses dort zu wiederholen, war Niklas bereits zur Stelle und lockerte auch gleich den Gurt.
      “Wenn ich so unattraktiv für dich bin, muss ich mir wohl jemand anderen suchen, der mit mir ausreitet. Samantha, hast du Lust?” funkelte er mich dabei herausfordernd an.
      “Sam hat sicher ganz viel zu tun”, intervenierte ich, bevor sie überhaupt eine Chance hatte zu antworten. Ein leichtes Ziehen in der Magengegend schrie danach und beanspruchte augenblicklich diesen Platz nicht der attraktiven Blondine zu überlassen. Auf den Lippen meines Freundes ließ sich ein zufriedenes Schmunzeln erkennen. Er wusste genau, welche Knöpfe er drücken musste, die gewünschten Antworten zu erhalten. In der Ferne ertönte das Knirschen des Kieses unter Autoreifen, bevor das Motorsurren verstummte.
      “Geh du mal mit deiner Freundin ausreiten”, lehnte Sam ab und schielte unauffällig zum Parkplatz, der allerdings zu verborgen lag, als dass man das wirklich etwas dort hätte beobachten können. Wen sie wohl erwartete?
      “Sieht so aus als müsste ich wohl dich mitnehmen”, flüsterte er mir neckisch ins Ohr. Sein warmer Atem strich über die Wange und brachte meine Haut zum Kribbeln, als würde eine Ameisenstraße darüber kriechen.
      “Du bist ziemlich frech”, schmunzelte ich und blickte zu ihm hoch. Im hellen Sonnenlicht erschienen seine Augen in nahezu markloses Blau. Verschmitzt grinste, er streichelte mit seinem Daumen zärtlich meine Wange. In einer zarten Begegnung trafen unsere Lippen aufeinander und sendete kleine Schauer meinen Rücken hinunter.
      “Ich nehme das Pferd dann mal mit in den Stall”, grinste Samantha und griff nach Rambis Zügeln. Mit einem leichten Zupfen daran setzte sie den braunen in Bewegung. Der dunkle Schweif pendelte locker hin und her und trottete artig neben ihr her.
      “Da sollten wir wohl auch hin”, sprach ich sanft und löste mich beschwerlich von meinem Freund. Niklas gab mir einen letzten Kuss auf die Stirn, bevor wir Sam folgten. Smoothie reckte ihren Kopf aus der Box und blubberte leise, als sie ihren Besitzer erblickte, der sie sogleich freundlich begrüßte.
      “Lass dir Zeit, ich gehe erst Sam mit Rambi helfen”, drückte ich ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor Smooth ihn völlig vereinnahmte. Er nickte und betrat die Box der hibbeligen Stute.
      Am Putzplatz war die Blondine schon fast damit fertig unser gemeinsames Pferd abzusatteln, sodass ich gleich sein Futter holte. In der Plastikschüssel landete eine Schippe Kraftfutter mit einem kleinen Zusatz an Mineralstoffen, da Rambi sich ein wenig mäkelig beim anstehend Fellwechsel zeigte. Gierig steckte der Hengst die Nase in die Schüssel und begann sein Futter zu verschlingen. Während wir dem Hengst zusahen, fragte Samantha mich über Mola aus. Mateo musste ihr erzählt haben, dass ich das junge Rennpferd in Ausbildung hatte, was sie zu verwundern schien, konnte sie keine Berührungspunkte zwischen mir und den Trabrennen entdecken. Der Hengst schob die leere Schüssel vor sich her im Versuch, auch noch die letzten Krümmel zu erlangen. Ich nahm den Strick vom Haken und hängte ihn an. Die Schweizerin begleitete uns ein Stück, bis uns ungefähr auf der Hälfte des Wegs ihr Bruder begegnete, von dem sie etwas zu wollen schien.
      Rambi verschwand schnell in der Herde und brachte diese so gleich in Schwung, als zwei jüngere Tiere ihn nicht schnell genug den Weg räumten. Für den Ausritt holte ich mir Brownie vom Paddock. Ich kannte den Hengst bisher nur flüchtig, doch bereits in der Herde wirkte er freundlich. Kaum hatte ich samt Pferd das Tor zur Stallgasse betreten, ertönte eine melodische Tonfolge aus meiner Tasche. Interessiert beschnupperte Brownie das Gerät, dessen Bildschirm ich verwundert anblickte. Eine mir unbekannte Nummer mit kanadischer Vorwahl leuchte auf dem Display. Welcher Unbekannte kontaktiert mich denn aus Kanada, zumal es dort noch mitten in der Nacht sein dürfte. Erwartungsvoll wischte ich über den Bildschirm und das Gespräch anzunehmen.
      "Liiinaaa, gut, dass du dran geht's", quietschte eine Frauenstimme aufgeregt aus den Lautsprechern. Zweifelsfrei war es eine meiner ehemaligen Kolleginnen.
      “Hey, Quinn”, sprach ich freundlich, während ich mit der freien Hand versuchte, die Anbindestricke an seinem Halfter zu befestigen, “Wie geht es dir?”
      “Wundervoll”, tönte es viel zu fröhlich für die Uhrzeit aus dem Gerät. Danach folgte ein zusammenhangloser Vortrag über die neusten Ereignisse auf dem WHC, wovon ich nahezu nichts verstand. Brownie anzubinden hätte sich als ziemlich erfolglos herausgestellt, hätte Niklas dies nicht kurzerhand übernommen.
      “Sag mal Lina, du wohnst doch noch in Schweden?”, schien meine ehemalige Kollegin zu dem eigentlichen Grund ihres Anrufs zu kommen.
      “Ja”, frage ich ein wenig misstrauisch, während ich begann, dem Hengst das schokoladenbraune Fell zu bürsten. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Quinn ohne Hintergedanken so seltsam fragen würde.
      „Perfekt, dann kannst du uns sicher ein paar sehenswerte Orte empfehlen“, trällerte sie fröhlich. Warte, wer war denn uns und warum wollte Quinn nach Schweden kommen.
      „Du weißt aber schon, dass Schweden nicht nur ein Dorf ist? Du müsstest schon eine genauere Ortsangabe machen“, wies ich sie hin und überlegte sogleich. Ich selbst könnte nur wenig dazu beitragen. In der gesamten Zeit kam ich nur wenig vom Hof und kannte kaum mehr als das nähere Umland und einige wenige nette Ecken von Kalmar, die mir Niklas zeigte. Allerdings lebten ausreichend Menschen an diesem Ort, die dieses Land deutlich besser kennen sollten.
      „Ähm, ja warte kurz“, entgegnete sie. Im Hintergrund hörte ich sie mit jemandem reden, dem Klang nach eindeutig männlich. Ob sie einen Freund hatte? Weswegen würde sie sonst so früh morgens bereits einen Mann bei sich haben?
      „Kalmar“, verkündete sie froh gesinnt, „Raphael und ich kommen zu dem großen Springturnier. Na ja, und wenn wir schon mal da sind, wollten wir uns ein wenig umsehen.“ Der Name kam mir im Zusammenhang mit Springen seltsam bekannt vor, doch woher? Aus der Zeitung vielleicht?
      „Okay, da sollte sich etwas finden lassen, aber ich muss jetzt Schluss machen. Mein Freund wartet“, lenkte ich das Gespräch zum Ende hin, als Besagter mit dem Sattel begann.
      „Prima und viel Spaß euch zwei. Schreibst du mir dann einfach deine Empfehlungen?“, stellte sie eine Rückfrage. Ich nickte, bis mir erst eine Sekunde später auffiel, dass sie es nicht durch das Telefon sehen konnte.
      “Ja, ich schreibe dir nach der Arbeit”, bestätigte ich Hilfsbereich und beendete damit das Telefonat. Smoothie war schon nahezu fertig gesattelt und kratzte ungeduldig mit den Eisen über den Beton. Mit einem leichten Patscher gegen die Schulter, des Schimmels unterband Niki das Verhalten.
      “Gehe ich wohl mal einen Sattel suchen”, grinste ich voller Vorfreude auf den bevorstehenden Ritt und lief in die Sattelkammer, um in der gigantischen Auswahl an Equipment hoffentlich etwas Passendes für den Trakehner zu finden.

      AM ABEND
      Vriska
      „Der hat mich einfach den Sand gesetzt“, erzählte ich wild gestikulierend von meinem kleinen Ausflug in den Wald mit Nobelium. Vermutlich sah der Hengst dasselbe Gespenst wie Eichi am Tag zuvor. Aufgebracht sprang er zur Seite, nur rechnete ich damit nicht und verlor das Gleichgewicht.
      „Aber es ist doch noch alles an dir dran, jetzt rege dich nicht so auf“, versuchte Lars mir mit guten Worten zuzureden. Immer wieder sah er sich um, als würde jemanden suchen oder gar entkommen.
      „Das Gespenst scheint dich nun heimzusuchen“, scherzte ich, aber verzog verärgert das Gesicht. „Ist doch schon gut. Du musst das nicht an mir auslassen.“
      „Alles gut“, lachte er inzwischen und legte freundschaftlich die Hände auf meinen Schultern ab. Dabei drückte Lars leicht in die Muskulatur, als wolle er mich massieren, was zugegebenermaßen im Gehen ziemlich schwierig erschien. „Bleibst du heute eigentlich zuhause oder verschwindest du zu deinem Schwarm?“
      Ich seufzte.
      „Du wirst mich heute ertragen müssen. Es kam bis jetzt keine Antwort, obwohl er die Nachricht gelesen hat, vor Stunden schon“, erläuterte ich niedergeschlagen.
      „Der meldet sich sicher noch“, blieb er zuversichtlich.
      Vor der Hütte klopften wir die Schuhe ab, zogen sie aus und stellten sie auf der Matte innen drin ab. Zunächst drehte Lars die Heizung etwas höher und ich entledigte mich der dicken Jacke. Obwohl der Frühling Einzug behalt, wehte ein klirrend kalter Wind, den man besonders auf dem Weg von der Reithalle zum Häuschen zu spüren bekam. Immerhin konnte man hier in Socken herumlaufen und Shirt. Nacheinander besuchten wir das Bad und zogen uns um, wie jeden Tag, außer einer hatte Weidedienst. Heute waren Nour und Bruno an der Reihe, also konnten wir den Feierabend genießen.
      Nichtsahnend stand ich in der Küche und schnitt Gemüse für das Abendessen klein. Lars erzählte gerade von Ini, die aktuelle noch auf einem anderen Hof trainiert wurde, als es an der Tür Sturm klingelte. Überrascht sahen wir einander an, da öffnete er diese bereits. Zu einem Hallo kam es nicht, stattdessen kam die junge Dame mit kräftigem Körperbau auf mich zu und blickte mich mit erbostem Gesichtsausdruck an. Obwohl ich sie bisher nur einmal gesehen hatte, wirkte Nelly plötzlich so viel größer. Lockere Strähnen fielen in ihr Gesicht, die sie mit den Fingerspitzen hinters Ohr schob.
      „Was fällt dir eigentlich ein?“, keifte sie mit weinerlicher Stimme. Bevor ich überhaupt antworten durfte, klatschte ihre Handfläche auf meine Wange und ich schluckte. Starr vor Angst blickte ich zu Lars, der unseren Besuch bereits von mir wegschob. Wie eine geweckte Katze zerrte sie und versuchte wieder zu mir zu kommen, doch er hielt sie auf.
      „Nelly, Reiß dich zusammen“, versuchte Lars sie zu beruhigen, aber sie hörte ihm nicht zu.
      „Ich bringe sie um“, zeterte sie. Ich schüttelte mich. Obwohl die Handgreiflichkeiten deutlich einen Schritt zu weit gingen, konnte mein Hirn die Umstände nicht einordnen. Durfte ihr Kerl keine weiblichen Freunde haben, wenn man die Situation im Stall ausklammerte? Den pulsierenden Herzschlag spürte ich bis in den Hals, aber drehte mich unbeeindruckt um und schnitt das Gemüse weiter.
      „Warum sagst du nichts?“, provozierte die junge Dame weiter.
      „Merkst du eigentlich noch was?“, stand auf einmal Niklas in der Tür, der offenbar vom Nachbarhaus davon mitbekam. Schlagartig verstummte sie und Lars ließ sie los.
      „Das Flittchen hat sich an meinen Freund herangemacht und mit ihm geschlafen. Was denkst du denn?“, jammerte sie. Ich verdrehte nur die Augen, wollte nicht weiter böses Blut entfachen.
      „Und sagt nicht mal etwas“, fügte Nelly im selben Ton hinzu.
      „Ich weiß nicht, woher du das hast, aber meines Wissens haben die beiden nur im selben Raum geschlafen“, mischte sich nun Lars ein. Interessant, wie schnell eine solche Kleinigkeit seine Runde machte.
      „Trotzdem steht sie auf ihn“, blieb sie ihrem Punkt treu.
      „Und was gehen dich ihre Gefühle an? Letztlich gehören für mehr, zwei Leute dazu. Du solltest lieber mit deinem Kerl argumentieren und nicht mit ihr. Erst recht nicht so“, appellierte Niklas argwöhnisch.
      Als wäre ich taub, widmete ich mich weiter dem Abendessen, obwohl meine Finger zitterten, wie ein Aal und jeder Atemzug in der Brust bebten. Der Sauerstoffmangel machte sich schnell bemerkbar, aber ich versuchte, die Enge zu verdrängen.
      Als sie endlich verschwand, mit Niklas, legte Lars sofort seine Arme um mich und ich begann wie ein Schlosshund zu heulen. Dennoch entging mich nicht, dass er den beiden bis zum letzten Moment nachsah.
      Es war mir zu viel, dass alles, was um mich herum geschah, passierte zu schnell und überschlug sich. Ich hatte die Kontrolle verloren und war kurz davor, alles hinzuwerfen. Keinen Grund fand ich, dass weiterhin zu ertragen. Nun, wo auch Happy praktisch vermittelt war in ein perfektes Zuhause, fehlte mir ehrlich gesagt eine Aufgabe. Rennen waren großartig, aber zu erreichen gab es nichts. Sie fühlten sich beinah, wie die Islandpferde Turniere an, nur dass es um ziemlich viel Geld ging. Doch von Geld hatte ich grundsätzlich genug, auch wenn ich immer mehr an die Tierheime in Griechenland spendete, um das Zeug loszuwerden.
      Schluchzend löste ich mich von den kräftigen Schultern meines Kollegen und drehte mich zum Schneidebrett um. Noch eine Paprikaschote musste ich schneiden, dann konnte alles in den Ofen. Aber während ich versuchte, die Gesamtsituation zu verdrängen, spürte ich Lars‘ Hände langsam an meiner Silhouette herunterwandern. Sein Becken drückte er sanft an mich heran und legte den Kopf auf der Schulter ab.
      „Was wird denn das, wenn es fertig ist?“, fragte ich grinsend nach, obwohl ich überhaupt nicht in der Stimmung war für seine Spielchen.
      „Ich habe dich vermisst“, sprach er mit federleichten Worten, die ohne Nachhall an mir vorbeizogen. Sosehr er auch versuchte durch zarte Bewegungen und Worte, mich in mehr zu verwickeln, gelang es ihm nicht. Mir stand das Wasser bis zum Hals, der Hunger war vergangenen und am liebsten würde ich den Renntag absagen, aber das konnte ich nicht. Es war beinah so, als würde ich all mein Glück herausfordern wollen, denn ich hoffte weiterhin auf Basti.
      Seufzend setzte ich mich auf die Couch, als das Gemüse im Ofen war. Lars legte seinen Arm um mich und ich lehnte an seiner Schulter. Auf dem Bildschirm des Fernsehers flimmerte ein Film, bei dem ich die Hälfte bereits verpasst hatte. Gefangen in meinen Gedanken, starrte ich zwar zu diesem, aber durchlebte das Klatschen und ihre Worte immer wieder und wieder.
      Auch später im Bett, als Lars mich davon überzeugen konnte, nicht allein mit meinen Gedanken zu sein, drehte ich mich von der einen Seite zur anderen. Ich wusste, dass es auf kurz oder lang schwieriger werden würde, aber schon jetzt in Nellys Fadenkreuz zu sein, schüchterte mich ungemein an.
      „Ich muss ihm schreiben“, murmelte ich unüberlegt und griff zum Handy. Lars, von dem ich dachte, er würde bereits schlafen, fasste meinen Arm.
      „Vivi, egal, was sie getan hat, was er gerade erlebt, ist ebenso dramatisch“, seufzte er und zog mich an sich heran.
      „Dann muss ich erst recht, für ihn da sein“, sprach ich meinen Gedanken aus.
      „Warte ab, wenn er dich braucht, meldet er sich“, rede Lars auf mich ein, dass ich schließlich den Plan ruhen ließ. Nicht, dass die Überlegung weiterhin durch meinen Kopf geisterte, aber diese umzusetzen, zog ich zurück.
      Ich starrte hoch zur Decke. An den Wangen flossen abermals Tränen. Kurz schlief ein, um durch einen realistischen Alptraum aufzuschrecken. Tief zog ich die kühle Luft in meine Lungen. An den Fenstern wehten die Vorhänge und ein zartes Licht vom Stall schien hinein. Die Uhr auf dem Nachttisch zeichnete zwei Uhr vierzig ab.
      „Kannst du nicht schlafen?“, richtete Lars sich auf, mit verschlafener Stimme.
      „Ich hatte einen Alptraum“, erklärte ich. Anstelle mich wieder an ihn zu kuscheln und seine Sicherheit zu spüren, warf ich die Decke zur Seite. Die nackten Füße setzte ich auf den kalten Boden, die mich umgehend noch weiter in die Realität holten.
      „Wo willst du hin?“, fragte er, das Licht dabei erleuchtend.
      „Weiß nicht, den Kopf frei bekommen“, legte ich meine Unentschlossenheit offen. Kaum hatte ich mich ins Wohnzimmer bewegt und mir vom Jackenhalter eine übergeworfen, hörte ich Lars‘ Stimme aus dem Schlafzimmer:
      > Väckte jag dig?
      „Habe ich dich geweckt?“
      Möglichst unauffällig versuchte ich dem Gespräch zu folgen, selbst wenn es nur sehr einseitig an mich herankam.
      > Ja, det kan man säga. Är han med dig?
      „Ja, kann man so sagen. Ist er bei dir?“, fragte Lars in sein Telefon und baute Blickkontakt zu mir auf. Natürlich bemerkt er meine Neugier. Undeutlich wedelte er mit seiner Hand. Entweder ich sollte gehen oder zu ihm kommen.
      > Okej. Det tror jag också.
      „Okay. Das denke ich auch“, nickte er dann.
      > Jag försöker. Natt.
      „Ich versuche es. Nacht“, beendete er das Gespräch und legte das Handy zur Seite.
      Erwartungsvoll blickte ich zu ihm, aber in den leicht glasigen Augen und dem beinah leeren Gesichtsausdruck erkannt ich, dass es keine guten Nachrichten gab. Ohne weitere Fragen zu stellen, drehte ich mich weg, setzte die Kapuze auf und verschwand durch die Balkontür. Noch mehr schien mein Leben bedeutungslos und alles verloren. Von Anfang an war mir klar, dass ich meinem Hirngespinst hinterherrannte und in seinen Taten zu viel legte. Es gab kein uns. Vor mir lag eine dunkle Zukunft, die durch die ebenso finstere Vergangenheit immer mehr aufgesogen wurde. Wie konnte ich mir nur einbilden, dass ich endlich das Richtige oder besser gesagt, den Richtigen gefunden hatte?
      In der eiskalten Nacht stand ich abseits der Hütte, den Kopf leicht ins Genick gelegt und starrte hinauf zum Sternenhimmel. Es war eine klare Nacht. Keine einzige Wolke versperrte den Blick auf die Bilder, die sich zeichnen ließen. Als ich jung war, versuchte meine Mutter mir immer wieder zu erklären, was man dort oben entdecken konnte, aber bis heute sah ich nichts. Die leuchtenden Punkte schenkten mir dennoch einen Hauch von Hoffnung und Vertrauen. Tränen lagen mir weiterhin in den Augen, was ich für den Moment mit mir selbst akzeptierte. Nicht jede Situation konnte man kontrollieren oder gar für sich gewinnen. Diese Schlacht war verloren.
      Ich hatte mich auf einer der Bänke niedergelassen, die ich bis dato als unnötig erachtete, als sich Schritte auf dem gefrorenen Kies ankündigten. Langsam öffnete ich die Augen und sah zur Richtung, aus der sie kamen. Entgegen meinen Erwartungen war es Niklas, den es zu so später Stunde noch nach draußen trieb.
      „Was machst du hier?“, fragte er überrascht und setzte sich zu mir.
      „Dasselbe könnte ich dich auch fragen“, lächelte ich wohlgesonnen.
      „Ich schlafe schlecht“, seufzte er, deutlich verhalten. In den kurzen, aber innigen Blicken spürte ich, dass er darüber sprechen wollte, aber meine Reaktion abwartete. Im Magen drehte es sich, was ich am liebsten auf den Restalkohol darin schieben wollte, aber viel mehr war es Niklas. Seine reine Anwesenheit im Abendlicht unter dem herrlichen Sternenhimmel befeuerte Wünsche und Sehnsüchte.
      Ich schluckte, ohne meine Augen von ihm zu lösen. Schief grinste er mich an.
      „Du hast getrunken, oder?“, neckte er.
      „Ja“, murmelte ich und griff nach seinem Arm, um mich eng daran zu winden. „Aber warum schläfst du schlecht?“
      „Es läuft aktuell nicht. Bino macht keine Fortschritte, Form hat ihre Höhen und Tiefen und für Smoothie fehlt mir im Moment die Geduld. Deshalb gibt es Tage, an denen nur den Hengst bewege und für die anderen beiden keine Kraft mehr habe“, sprach Niklas in sich gekehrt.
      „Drei Pferde auf hohes Niveau sind wirklich eine erstaunliche Leistung“, sagte ich anerkennend.
      „Eben drum. Ich konnte nicht ahnen, dass Smoothie wieder auf Turnieren laufen kann“, vorsichtig huschten seine Augen zu mir. Noch immer hing ich an ihm, als wäre ein gefährliches Tier im Busch versteckt und könnte sich jede Sekunde zeigen. Auf seinen Lippen zeichneten sich ein zartes Lächeln und er strich mir über die Kapuze.
      „Was sagt Lina dazu?“, hakte ich nach, denn ich wusste kaum etwas über seine Umstände. Sie sollte ihm eine größere Hilfe sein können.
      „Sie weiß es nicht und hatte auch nicht vor, mit ihr darüber zu sprechen“, in seiner Stimme klang deutlich Scham mit. Wer hätte das nur denken können – der selbstüberzeugte Niklas Olofsson hat Angst, sich Schwäche einzugestehen. Für einen Atemzug zuckte ein schelmisches Lächeln auf meinen Lippen.
      „Eigentlich möchtest du doch Vielseitigkeit reiten, da wäre doch Form eher nebensächlich“, gab ich ihm einen Anstoß, die Pferde zu überdenken.
      „Das stimmt“, hauchte er kleinlaut.
      „Dann wäre es sinnvoll, wenn du sie nur zum Spaß reitest oder gar jemanden zur Verfügung stellst“, erklärte ich weiter.
      „Ach, möchte da jemand meinen Rappen haben?“, scherzte Niklas und legte seine Hand ganz langsam auf meinem Bein ab. Den Blick fixierte er für einen Augenblick zu lang an mir, sodass in Windeseile das Verlangen nach ihm, aus dem hintersten Kämmerchen meines Hirns, angekrochen kam. Wie ein Parasit hielt sich dieses Gefühl in mir fest.
      „Eigentlich nicht, aber wenn du es mir anbietest“, flüsterte ich verführerisch.
      „Das musst du mir erst einmal beweisen“, schmunzelte er. Bisher schien es mir fast unmöglich, dass die erloschene Magie zwischen uns wieder aufflammte. Die Hand auf meinem Bein wanderte bewusst auf und ab, sodass mir für den Bruchteil einer Sekunde das Atmen schwerfiel. Bedrohlich klopfte es bis in meinen Hals und ich meine, sogar sein Herz synchron zu dem meinen zu spüren.
      „Dass ich reiten kann, weißt du doch“, stammelte ich überfordert, wissend, dass die Stimmung zu kippen drohte.
      „Zeiten ändern sich und aus der Übung bist du auch, sagt man sich“, nahm er kein Blatt vor den Mund.
      Abrupt kam der Flirt zum Ende, als aus der Dunkelheit erneut Schritte ertönten. Ich löste mich von seinem Arm, wodurch er die Hand von mir nahm. Jegliche Magie erlosch wieder, was mich einerseits positiv stimmte, andererseits deprimierte.
      „Hier steckst du“, sprach Lars beim Näherkommen leicht außer Atem. „Ich war wirklich überall.“
      „Offenbar nicht überall“, grinste ich.
      „Was macht ihr beide hier?“, fragte Lars, ohne auf meine Antwort einzugehen.
      „Wir haben über Gott und die Welt gesprochen. Wie es nun mal ist, wenn man nicht schlafen kann“, klärte Niklas auf.
      „Es ist halb vier. Und vor allem du, Vivi, sollst besser wieder versuchen zu schlafen“, appellierte mein Mitbewohner, dem ich widerstandslos in wärmere Gefilde folgte.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 81.448 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte/Ende April 2021}
    • Mohikanerin
      Platzhalter
      Rennen L zu M
    • Mohikanerin
      Training / Rennen M zu S | 28. Februar 2023

      Fire to the Rain LDS / Just A Bear / Drivblesa / Eifellust / Sisko

      An einem bewölkten Tag fütterten wir die Pferde in der Früh mit ihrem ersten energiereichen Müsli, als Vorbereitung für den ansprechenden Tag. Gemeinsam fertigten wir die Trainingspferde ab. Sisko, Ini und Eifel standen bereits gegurtet in der Gasse, so fehlte nur noch Lars mit Bear und seine Schwester mit Blessa. Später kamen sie nach.
      Im Wald legten wir nach einer Aufwärmphase an Tempo zu, konzentrierten uns dabei mehr auf Durchlässigkeit und Losgelassenheit. Stress gab es am Renntag genug, so musste dieser nicht im heimischen Training gesteigerten werden. Am Anfang fuhren die Hengste, dahinter folgten die drei Stuten. Nach ungefähr zwölf Kilometern legten wir im Schritt den Rückweg ein.

      © Mohikanerin // 698 Zeichen
    • Mohikanerin
      Platzhalter
      Fahren E zu A
    • Mohikanerin
      Konditionssteigerung / Distanz E zu A | 30. April 2023

      Anthrax Survivor LDS / Drivblesa / Glimsy / Enigma LDS / Ready For Life

      Die Sonne strahlte am klaren Frühlingshimmel über den weiten Landschaften Schwedens, als wir uns auf den Weg machten, um einige der Pferde für ihr intensives Training vorzubereiten. Eine sanfte Brise trug den Duft von frisch blühenden Blumen und grünen Wiesen heran, während die Vögel fröhlich zwitscherten und ihre Lieder in der Luft verhallten. Unsere Pferde standen bereit, ihre muskulösen Körper glänzten im warmen Sonnenlicht. Der Frühling hatte ihnen neue Energie verliehen, und sie waren voller Vorfreude auf die kommenden Herausforderungen. Mit jedem Schritt, den sie ungeduldig auf der Stelle trippelten, spürten wir ihre Begeisterung und ihren Tatendrang.
      Unser Training begann mit Langstreckenritten durch malerische Wälder und über sanfte Hügel. Die Pferde bewegten sich mit gleichmäßigen, kraftvollen Schritten vorwärts. Ihre Hufe hinterließen tiefe Spuren im weichen Waldboden. Wir achteten darauf, dass wir regelmäßige Pausen einlegten, um den Pferden Zeit zur Erholung zu geben. Die Atmosphäre war entspannt und friedlich, während wir inmitten der Natur dahinritten und die Schönheit der schwedischen Landschaft genossen. Um ihre Ausdauer weiter zu stärken, konzentrierten wir uns auch auf Querfeldein-Ritte. Zumindest soweit es möglich war. Nicht jedes der Pferde im Training war bereits eingeritten, so versuchten wir auch mit dem Sulky gezielt holprige Wege und weite Felder zu nehmen, wenn wir nicht durch dichte Büsche navigieren konnte. Geschickt und gekonnt bahnten sie sich durch die Natur.
      Die Intervalltrainingseinheiten brachten eine zusätzliche Schärfe in das Training. Auf ausgewiesenen Streckenabschnitten forderten wir von den Pferden Höchstleistungen. Mit einem kräftigen Trab brachen wir in rasantes Tempo aus, die Pferde folgten unserer Führung und lieferten alles, was sie hatten. Die Atmosphäre war elektrisierend, als wir uns in einem Wechselspiel aus schnellen Trabstrecken und gemäßigten Schrittphasen bewegten. Jeder Moment zählte, und wir spürten die Intensität, die unsere Pferde ausstrahlten, um ihre Grenzen zu überwinden und ihre Kraft zu steigern.
      Mit jeder Trainingseinheit wurde der Fortschritt der Pferde deutlich sichtbar. Ihre Herzfrequenz stabilisierte sich, ihre Muskeln wurden stärker und ihre Energieausdauer nahm zu. Wir wussten, dass sie bereit waren, die nächste Stufe zu erreichen und eine Strecke von 30 km am Stück zu bewältigen, ohne Anzeichen von Erschöpfung zu zeigen.

      Im Frühling in Schweden erlebten wir nicht nur die körperliche Weiterentwicklung unserer Pferde, sondern auch eine einzigartige Atmosphäre. Die Natur erwachte zu neuem Leben, und wir spürten die Verbundenheit mit der Umgebung, während wir mit unseren treuen Gefährten durch das Land ritten. Die frische Luft, das Zwitschern der Vögel und die bunte Vielfalt der blühenden Blumen umgaben uns und trugen zur positiven Stimmung und Motivation bei.

      © Mohikanerin // 2877 Zeichen
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  • Album:
    stall.
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    Mohikanerin
    Datum:
    22 Juni 2022
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  • Blessa ist 9 Jahre alt.

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Vadstenalund [SWE]
    Unterbringung: Stutenpaddock


    –––––––––––––– s t a m t a v l a

    Aus: Unbekannt [Skandinavischer Traber]
    MMM: Unbekannt ––––– MM: Unbekannt ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Unbekannt ––––– MVV: Unbekannt


    Von: Unbekannt [Skandinavischer Traber]
    VMM: Unbekannt ––––– VM: Unbekannt ––––– VMV: Unbekannt
    VVM: Unbekannt ––––– VV: Unbekannt ––––– VVV: Unbekannt



    –––––––––––––– h ä s t u p p g i f t e r

    Zuchtname: Drivblesa
    Rufname: Blessa
    Farbe: Fuchs mit heller Mähne
    [ee Aa ff]
    Geschlecht: Stute
    Geburtsdatum: Mai 2011
    Rasse: Skandinavischer Traber [KBT]
    Stockmaß: 156 cm

    Charakter:
    neugierig; schreckhaft

    * Blessa läuft Trabrennen
    * 4-Gänger


    –––––––––––––– t ä v l i n g s r e s u l t a t

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    Dressur L [M] – Springen E [L] – Military E [E] – Fahren E ['S] – Rennen L (S) ['S] – Western E [A] – Distanz A [A]

    Juli 2022 Training, Rennen E zu A
    August 2022 Training, Dressur E zu A
    September 2022 Ausdauer, Rennen A zu L
    Oktober 2022 Training, Dressur A zu L
    Februar 2023 Training, Rennen M zu S
    April 2023 Konditionssteigerung, Distanz E zu A
    Mai 2023 Wendigkeit, Fahren A zu L

    Ebene: National

    Dezember 2023
    3. Platz, 631. Rennen

    Januar 2024
    1. Platz, 632. Rennen

    April 2024
    2. Platz, 715. Dressurturnier


    –––––––––––––– a v e l

    [​IMG]

    Gekört durch x im x 20x.

    Zugelassen für: Skandinavische Traber
    Bedienung: -
    DMRT3: CA
    Lebensrekord: 1:17,6
    Leihmutterschaft: Nicht gekört

    Fohlenschau: 0,00
    Materialprüfung: 0,00

    Körung
    Exterieur: 0,00
    Gesamt: 0,00


    –––––––––––––– a v k o m m e r

    Blessa hat 0 Nachkommen.
    • 20xx Name (von: Name)


    –––––––––––––– h ä l s a

    Gesamteindruck: gesund, im Training
    Krankheiten: keine
    Beschlag: Barhufer


    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Eigentümer: norwegischer Investor [100%]
    Pfleger: Nour Alfvén
    Trainer: Bruno Alfvén
    Fahrer: Nour Alfvén
    Züchter: [NO]
    VKR / Ersteller: Mohikanerin

    Punkte: 10

    Abstammung [0] – Trainingsberichte [7] – Schleifen [3] – RS-Schleifen [0] – TA [0] – HS [0] – Zubehör [0]

    Spind – Hintergrund