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Rhapsody

Dark Royale

Hannoveraner -- im Besitz seit 08/2017 -- von Dark Firestorm -- aa Ee

Dark Royale
Rhapsody, 21 Okt. 2019
Elii, Zaii, Eddi und 2 anderen gefällt das.
    • Rhapsody
      Alte Pflegeberichte
      1/8

      Büroarbeit
      25. Juli 2017 -- Elii

      Der Sommer war immer besonders stressig. Jedes Wochenende standen Turniere an, denn fast alle Pferde liefen in den unterschiedlichsten Klassen, was ein besonders gutes Zeitmanagment erforderte.
      Auch heute reichte es nur für einen kurzen Durchgang, da einiges an Bürokram anstand. Colin und Nate konzentrierten sich dafür auf das Training und waren gerade mit Coloured Belle und Golden Lights auf dem Springplatz. Danach sollten auch Dark Rubin, Colour GH’s Baila Conmigo und Long Island Icetea auf den Platz gehen. Der etwas mildere Tag heute sollte genutzt werden für Springgymnastik und Parcourspringen, je nachdem wie weit das jeweilige Pferd war.
      Poppysmic, Ékes und Tavasz hatten heute frei, genauso Kiss me Quick und Liscalina. Beides neue Stuten, die ich aus einer Insolvenz übernommen hatte. Auch Minstrel und Jacarta kamen auf diesem Weg zu uns, sowie Back to Business und die zwei Vierjährigen Dark Prince und Déchante. Da ich nicht alle behalten wollte und konnte, wurden die Pferde auf meine Freundinnen verteilt. Nur Jacarta und Minstrel würden letzten Endes bleiben.
      Da ich doch noch etwas Zeit hatte, drehte ich noch eine Runde bei den Koppeln. Am Morgen war alles noch etwas aufregender für die Pferde. Obwohl sie jeden Tag draußen standen, mussten vor allem die Hengste ihre Energie rauslassen. Cloud Nine und Clouded Sky galoppierten Seite an Seite über die Koppel, während Flavor of the Month und Flavor of the Weak bereits fertig waren mit Toben und sich eine schöne, braune Schicht aufgetragen haben. Mit dabei von der Vater-Sohn Partie waren auch Liberté’s Cresant Moon und Crescent Jewel und auch Csíny und Kalzifer standen in ihrer Nähe. Die vier grasten und sahen nur kurz hoch, als ich vorbei stiefelte.
      Die Büroarbeit sorgte nach drei Stunden doch für Kopfschmerzen, weshalb ich eine erneute Pause einlegte. Mittlerweile waren Colin und Nate mit Couleur du Deuil und Dark Chocolate aus dem Gelände zurück und berieten sich, welche Pferde als nächstes kamen. Die Wahl fiel schließlich auf Paint it Black und Császári. Für beide stand die Dressur heute an.
      Später würde wohl auch noch Romerico an die Longe kommen und ich reservierte mir Weltwunder für einen Ausritt. Dajeen hatte Glück und durfte heute freimachen.
      Bei meiner jetzigen Runde schaute ich noch bei den Kleinen vorbei. Millennium Falcon, Éllovas und Golden Cascade standen friedlich in ihrem Offenstall. Cover the Stars würde ich heute nicht besuchen. Da er momentan der einzige Junghengst war, stand er nicht am Hof.
      Seufzend schlappte ich schließlich zurück zum Haupthaus, um mich dort erneut vor meinen PC zu setzen. „Geh endlich! Du kannst morgen wieder mitmachen!“, rief mir Nate noch hinterher, was ich allerdings nur mit einem bösen Blick kommentierte.
    • Rhapsody
      Alte Pflegeberichte
      2/8

      chapter seven
      26. September 2017 -- Rhapsody

      Ares | Ironic | Painted Blur | Paramour
      Siana | Benihana | Bucky | Medeia | Cíola
      Dark Royale | Painted Basquiat | Mánas | PFS' Scion d'Or | Dark Innuendo | Painted Taloubet | Rising Of Storm | PFS' Gamble Away | Pacco

      Hi Grams,

      ich hoffe, für dich ist das in Ordnung, dass ich einen Brief schreibe und dich nicht anrufe. Außerdem kann ich mich so ein bisschen sammeln und wirklich alles erzählen, was in den letzten Wochen so passiert ist – so leg ich auf und plötzlich fallen mir 1000 Dinge ein, die ich dir nicht gesagt hab.

      Langsam aber sicher lebe ich mich wirklich ein, und langsam fange ich auch an, mich mit meiner Mitbewohnerin anzufreunden.

      An diesem schicksalhaften Tag, ab dem sich Bernie und Leslie nicht mehr wenn möglich mieden, war eine ganz besonders fiese Aufgabe dran gewesen. Nach zwei Monaten auf dem Sandringham Manor schien es Bernie, als würden die Trainer sie testen wollen. Unter dem Vorwand, Blurrys Kondition aufzubauen, schickten sie das Reiter-Pferd-Duo auf die Geländestrecke, auf den Springplatz, in die Reithalle oder den kleinen Platz beim Stall. Die einzige, die nach den Trainingseinheiten außer Puste war, war jedoch Bernie. An eben diesem Tag war sie mit Frank am Springplatz verabredet.

      England zeigte, dass es nicht umsonst den Ruf für das schlechteste Wetter weghatte. Die Sonne war die letzten Tage kaum rausgekommen und es regnete unentwegt – mal stärker, mal schwächer. Als Bernie Blurry auf dem Reitplatz abritt, begann es gerade, zu nieseln. Eigentlich sollte das ja kein Hindernis sein, dachte sie. Blurry war zwar nicht wirklich begeistert von dem Regen, aber wenigstens war sie konzentriert und ließ sich von dem bisschen Regen nicht ablenken.

      Dachte sie. Innerhalb von zwanzig Minuten klebte ihr das dünne Sweatshirt auf der Haut, sie blinzelte immer wieder Tropfen aus den Augen, und vom Schirm ihres Helmes hing der Nieselregen in ihr Gesichtsfeld. Sie tat ihr Bestes, sich trotzdem auf den Hengst unter ihr zu konzentrieren – ohne Erfolg. Blurry merkte, dass sie nicht komplett anwesend war, und nutzte das aus. Er überlegte sich zweimal, ob er die Schenkelhilfe annahm oder nicht, und so hatte Bernie alle Hände voll zu tun, den Rappen überhaupt in einem annehmbaren Tempo zu reiten.

      Normal kam sie mit Painted Blur super aus. Er kam ihr auf der Weide entgegen und brummelte sie an, wenn sie die Boxentür öffnete. Und normalerweise waren sie auch im Training ein ganz gutes Team. Aber heute rannte er bei jeder Gelegenheit an den Hindernissen vorbei, und ein paar Mal sah sich Bernie schon in die bunten Stangen krachen weil sie den Sprung gerade so geschafft hatten. Von der Mitte der Bahn kam kein einziger Kommentar, keine Hilfe. So viel zum Thema Blurry trainieren – würde es hier wirklich um den Hengst gehen, würde Frank darauf achten, dass er ordentlich lief.

      Stattdessen wurde sie nach einer halben Stunde Qual endlich erlöst. Bis dahin war ihr Sweatshirt komplett durchnässt, auf den Schenkeln ihrer Reithose waren zwei dunkle, nasse Flecken, die Beine fühlten sich schwer und steif an. Während Blurry im Solarium stand, lehnte Bernie sich an die Stallwand daneben. Im Stall war Abendbetrieb; die Stallburschen (deren Namen Bernie sich ums Verrecken nicht merken konnte) liefen mit ihren Schubkarren voll Futtereimer hin und her. Wirklich viel hatte Bernie noch nicht mit ihnen geredet – und wenn, dann war es auch eigentlich nur Cat, die mit ihnen redete, und Bernie, die blöd danebenstand. Das bedeutete, dass Bernie die Sekunden, die Blurry noch brauchte, einzeln herunterzählte.

      Irgendwann war es dann doch soweit. Blurry stand in seiner Box, kaute auf seinem Heu mit seiner Abschwitzdecke auf dem Rücken und wenigstens diese Aufgabe hatte Bernie erfolgreich abgeschlossen. Im Mitarbeiterhaus stand schon eine große Schüssel Spaghetti in der Küche, aber trotzdem schleppte sich Bernie erst einmal in ihr Zimmer. Sie schälte sich aus den nassen Klamotten und schlüpfte in eine bequeme Jogginghose, bis sie sich mit einem Handtuchturban auf dem Kopf auf ihr Bett fallen ließ.

      Sekunden später quietschte die Zimmertür und fiel kurz darauf wieder ins Schloss. Bernie unterdrückte ein Seufzen. In den letzten Monaten hatte sie sich mit ihrer Zimmerpartnerin mehr schlecht als recht angefreundet. Seit Tag 1 hatte sie das Gefühl gehabt, Leslie hätte sie am liebsten auf dem Misthaufen entsorgt. Auch jetzt sagte Leslie kein Wort – Bernie hörte nur ihre Füße über den Boden tapsen, dann das leichte Stöhnen des Drehstuhls als sie sich draufsetzte.

      Gerade wollte sich Bernie aufraffen, die Augen aufmachen und etwas essen, damit sie so früh wie möglich ins Bett und den Tag hinter sich bringen konnte, da klingelte ihr Handy. Für zwei Sekunden starrte sie die Decke über sich an, dann setzte sie sich auf, griff nach dem Handy – und sah, dass Leslie sie wie versteinert anstarrte.

      Ein paar Augenblicke verstrichen. Das Handy verstummte wieder, Leslie räusperte sich und sah auf die Unterlagen vor ihr auf dem Schreibtisch hinab. Bernie öffnete den Mund, wollte sich schon flüchtig entschuldigen, da fing Leslie an.

      „Weißt du, zufällig wollen Snafu und ich später mit der vierten Staffel anfangen. Also –“

      Bernies Mund blieb offen. Sie hatte keine Ahnung, wer oder was Snafu war aber … naja, sie hatte nichts zu tun und sie hatte die vierte Staffel wirklich noch nicht angefangen. Um ehrlich zu sein, hatte sie ihren Netflix-Account noch nicht mal angefasst, seit sie in England war. Und es klang ein bisschen ach einem Friedensangebot, also –

      „Klar, wieso nicht?“ sagte sie und versuchte sich an einem flüchtigen Lächeln. „Aber ich glaub ich muss erstmal duschen. Und essen. Also, wenn das –“

      „Klar! Klar klar, kein Problem.“ Der Stuhl rollte über den Boden, als Leslie aufstand und Richtung Tür lief. „Ich lass dir noch ein paar Spaghetti übrig, ja?“

      Dann fiel die Tür ins Schloss.

      Du brauchst dir also keine Sorgen mehr über mein nicht vorhandenes Sozialleben machen. Ich hab Cat zum Ausreiten und dank Leslie lern ich auch langsam den Rest der Leute hier kennen. Du brauchst mir also keine Links zu fremden Facebookprofilen schicken.

      Was auch neu ist: ich hab jetzt ein echtes eigenes Pferd zugeteilt bekommen. Sein Name ist Ares und er ist so ziemlich das komplette Gegenteil von Blurry. Also – komplett. Das hat meine Trainer aber nicht davon abgehalten, uns gleich mal auf eine Kür zu schicken.

      Nicht nach unten gucken. Nicht zu verkrampft lachen. Bernies Hände klebten an dem Kunstleder der weißen Handschuhe. Sommer war schön, und Turniere waren toll – auf beides zusammen konnte sie aber getrost verzichten. Sie hatte das schwarze Jackett erst angezogen, als sie sich gemeinsam mit Cat auf den Weg vom Abreiteplatz zur Dressurbahn machte, aber trotzdem würde sie es am liebsten wieder ausziehen. In eine Ecke schmeißen und die nächsten paar Wochen nicht ansehen, bis es endlich Herbst wurde.

      Ares war erst vor wenigen Tagen angekommen. Für Bernies Geschmack war es viel zu früh, ihn schon auf einer Schau vorzustellen – sie hatte ihn nur drei Mal reiten können, und wirkliches Training war auch nur die letzte Einheit. Aber wenn Mrs Fitzalan sich etwas einbildete, dann konnte man sie davon nicht abbringen; so viel hatte Bernie bis jetzt gelernt. Deswegen nahm sie entschieden die Zügel auf, lächelte Cat kurz zu und ließ Ares dann in die Bahn traben.

      Seine Gänge waren noch komplett neu für sie. Mit viel Konzentration saß sie sich in den Sattel ein, streckte die Beine nach unten und hoffte, dass sie nicht wie ein Gummiball auf dem Rücken herumhüpfte. Nicht nach unten gucken. Ein bisschen hektisch grüßte sie die Richter hinter dem Buchstaben A, dann ging es erst richtig los.

      Hauptsächlich im Trab bewegte sich das Duo durch die Bahn, anfangs auf der linken Hand. Ares‘ Ohren waren stets gespitzt und für Bernie schien es, als würde er überlegen, ob er lieber brav die Kür weitermachen würde oder ob er eine Show für das Publikum hinlegen sollte. Wirklich sicher war sie sich noch nicht, aber Bernie hatte das Gefühl, dass Turniere mit dem Hengst wirklich Spaß machen würden.
      Im Galopp lenkte sie den Hannoveraner auf einen Mittelzirkel und parierte ihn dann in den Schritt durch. Sie öffnete die Hände ein bisschen, ließ ihm die Zügel länger. Gleichzeitig versuchte sie, nicht zu arg mit der Hüfte mitzugehen; Ares hatte einen weitaus raumgreifenderen Schritt als Blurry, da war die Gefahr groß, wie ein nasser Sack auszusehen. Nach einer Kehrvolte ließ sie ihn auf der rechten Hand wieder antraben. Halbwegs durch.

      Bis der zweite Galopp kam, funktionierte alles noch super. Dann hatte Bernie das Gefühl, Ares‘ Konzentration schien langsam aber sicher zu schwinden. Mit Ach und Krach sahen die Schlangenlinien mit drei Bögen noch halbwegs passabel aus, der Übergang zwischen Schritt und Trab ginge auch schöner, aber letzten Endes steuerte Bernie Ares wieder vor den Richtertisch, verabschiedete sich und trabte schlussendlich aus der Bahn.

      Ares‘ Ohren drehten sich in alle Richtungen als er aus der Arena schritt. Der Moderator kündigte das nächste Paar an, überall auf dem Platz standen andere Pferde und noch viel mehr Menschen. Trotzdem ließ er sich mit einem leichten Zügelzupfen durchparieren. Cat tauchte an seiner Seite aus und half Bernie aus ihrem Jackett.

      Außerdem kann ich jetzt endlich auch mal mit den Youngsters arbeiten – nicht viel, aber definitiv mehr als daheim.

      Von heute auf morgen hatte das Wetter in England von ganz-okay-ich-mein-für-England-ist-das-ganz-gut-auch-wenns-in-Kalifornien-wärmer-und-sonniger-ist-wir-wissens-langsam-Leslie-Sommer in Herbst umgeschlagen. Aber komplett Herbst: Den einen Tag wachte Bernie noch auf, weil ihr die Sonne ins Gesicht schien, den anderen sah sie draußen nur noch grau.

      „Gewöhn dich dran,“ riet ihr Leslie am Frühstückstisch. „Ich hoffe, du hast genug Socken dabei. Und Pullis. Und Regenjacken.“

      Snafu, dessen Gesicht halb in der Cornflakes-Schüssel hin, stöhnte in seine Milch hinein. „Oh mein Gott, Regenjacken.“ Leslie grinste ihn daraufhin breit an, also musste das wohl irgendein Insider sein.

      „Solange ich nicht wieder im Regen Zäune kontrollieren muss,“ grummelte Bernie.

      „Viel besser.“ Leslies Grinsen wurde noch breiter.

      Viel besser stellte sich schnell heraus als halb-freier Tag. Der Hufschmied kam und die Jocks waren dafür zuständig, dass die richtigen Pferde zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Und nachdem die Großen soweit fertig waren, schickte Heath Walsh eine Delegation der Stallburschen und eine Delegation der Jocks auf die Weide der Junghengste.

      Mit Jungpferden hatte Bernie wirklich lange nichts mehr unternommen – zuhause in Boston stand ein Dreijähriger in der Box neben Bernies Pflegepferd, also hatte sie eben auch mal die Box gemistet oder ihn auf die Koppel geführt. Recht viel mehr war das ja jetzt auch nicht, sagte sie sich als sie einem Holsteiner namens Painted Taloubet das Halfter aufzog. Das ließ er zwar ganz gut mit sich machen, aber irgendetwas an ihm sagte Bernie, dass sie später lieber aufpassen sollte.

      Mit vier jungen Hengsten ging es in Richtung A-Stall. Vor Bernie und Taloubet dackelte ein fast schon ausgewachsener Hannoveraner namens Dark Royale, dahinter kamen Leslie mit ihrem Gambit und ein Connemarahengst, der von allen nur Donnie genannt wurde.

      Im Stall angekommen wurden die Stallburschen dazu verdonnert, beim Halten zu helfen. Gerade wollte sich Bernie hinsetzen, da tauchte auf einmal Cat vor ihr auf. Und deswegen war es heute nur ein halb-freier Tag: das Training fiel zwar aus, aber trotzdem rannten alle wie verrückt hin und her. Cat und Bernie halfen im B-Stall aus, trennten die beiden Fohlen in den Außenboxen für ihre Mama, damit vor allem das Hengstfohlen in nächster Zeit in eine Herde mit Gleichaltrigen kam. Der Rotfalbe machte das schon ziemlich routiniert mit, nur das Stutfohlen wieherte immer wieder nach der Mama – die natürlich ebenso herzzerreißend antwortete. Genauso lautstark war dann die Begrüßung, als beide Fohlen zurückkamen.

      Wirklich viel mehr ist in den letzten Wochen nicht passiert. Ich weiß, du kannst es nicht glauben, aber ich möchte dir jetzt nicht jeden Tag einzeln aufdröseln.

      Sag allen daheim liebe Grüße von mir.

      Bernie xx
    • Rhapsody
      Alte Pflegeberichte
      3/8

      chapter nine
      11. November 2017 -- Rhapsody

      Ares | Ironic | Painted Blur | Paramour
      Minou | Siana | Benihana | Bucky | Medeia | Cíola
      Dark Royale | Painted Basquiat | Mánas | PFS' Scion d'Or | Dark Innuendo | Painted Taloubet | Doineann | PFS' Gamble Away | Pacco

      -- Leslie --

      Oktober war Leslies Lieblingsmonat. September war immer noch ein bisschen Sommer, und November schon fast Winter; der Oktober war noch nicht ganz bitterkalt, die Blätter waren schön bunt – und es war Jagdzeit.

      Am liebsten hätte sie dieses Jahr ja selbst mitgemacht. Nicht unbedingt mit Gambit, natürlich, aber irgendein Pferd hätte sich schon gefunden. Blöderweise fand dieses Jahr die Jagd auf Sandringham Manor statt – und alle Jocks hatten Teilnahmeverbot gekriegt. Irgendwo verständlich, aber wirklich begeistert war Leslie nicht gewesen.

      Also hatte sie das Nächstbeste getan und sich Hals über Kopf in die Organisation geschickt. Zusammen mit Logan war sie die Strecke mehrmals abgeritten, hatte Pferde vom Flughafen abgeholt, auf die umliegenden Höfe verteilt und fuhr diese täglich ab. Das füllte so ziemlich den ganzen Tag, sodass sie jeden Abend todmüde ins Bett fiel – zum Leidwesen von Bernie und Snafu. Bernie, weil sie selbst dann gezwungen war, sich ab acht Uhr abends so leise wie möglich zu verhalten, und Snafu, weil der jetzt mit Goldie alleine trainieren musste.

      Dementsprechend war Leslie am Tag der Jagd auch schon um halb fünf wach. Auf Zehenspitzen schlich sie ins Bad, wusch sich schnell und tapste dann barfuß über den Gang zu Beau und Snafus Zimmer und klopfte sachte an.

      Fast gleichzeitig drückte sich dann auch schon Beau durch einen Minispalt in der Tür (durch den er gar nicht hätte passen sollen – immerhin war er bestimmt dreimal so breit wie Leslie. Mindestens) und schob sie in Richtung Treppe nach unten.

      Frühstück gab es für die beiden nicht. „Cooper ist eh schon angepisst, dass ich andauernd woanders bin,“ flüsterte Beau und steuerte Leslie an der Küche vorbei direkt an die Haustür. Draußen war es noch dunkel; nur ein leichtes, dunkelgraues Band war schon am Horizont zu erkennen. Der Hof rund um das Mitarbeiterhaus war umhüllt von Nebel und es roch nach Regen. Solange der sich für den restlichen Tag verzogen hatte, war Leslie das ganz recht.

      Wie ein kleines Kind schlappte sie Beau hinterher, der zuerst die Tür in die Sattelkammer des A-Stalles aufsperrte. Als er das Licht anmachte, war Leslie für einen kleinen Moment geblendet, dann ging sie die Spinde der Gastpferde durch. Im A-Stall waren nicht wirklich viele Boxen freigewesen; die Junghengste standen seit ein paar Tagen wieder über Nacht in den Boxen und nahmen dementsprechend Platz weg. Ein Paint Horse aus New Mexico, ein Holsteiner und ein Trakehner aus Deutschland bewohnten seit Anfang der Woche die drei freien Boxen und schienen sich ganz gut mit den Boxennachbarn zu verstehen. Dementsprechend kam Beau auch schnell wieder, nachdem er Leslie in der Sattelkammer zurückgelassen hatte.

      Die Spinde waren immer noch verschlossen, beim kurzen Inventarcheck schien auch nichts zu fehlen. „Gehen wir weiter,“ flüsterte Leslie. Wenn man den Geräuschen der Pferde in der Box trauen konnte, waren die zwar eh schon wach und verlangten auch schon langsam ihr Futter, aber irgendwie wollte sie trotzdem so leise wie möglich reden.

      Im C-Stall war dann der Großteil der fremden Hengste untergebracht. Der stand im Winter meistens eh leer – Esther verfolgte die Philosophie, dass auch Hochleistungssportler mal ein bisschen Pause brauchten und nahm deswegen am Anfang Oktober keine Trainingspferde mehr an – und war somit für die restlichen 9 Gasthengste frei. Auch hier checkte Leslie kurz, ob die Spinde nach wie vor verschlossen waren und ob auch wirklich nichts fehlte. Beau knipste das Licht in der Stallgasse an, guckte kurz in jede Box und zog Leslie dann auch schon wieder quer über den Hof.

      Langsam aber sicher meldete sich dann doch ihr Magen. Um kurz nach 5 schalteten sich immer mehr Lampen in den Ställen und Häusern an, und ihre innere Uhr sagte ihr, dass es jetzt wirklich Zeit fürs Frühstück war. Trotzdem trottete sie hinter Beau her und versuchte, das Magengrummeln einfach zu ignorieren.

      Funktionierte semi-gut. Als die beiden im Stutenstall angekommen waren und Leslie gerade Spind Nummer 3 von 7 aufsperrte, knurrte ihr Magen so laut, dass Moses kurz darauf den Kopf in die Sattelkammer steckte.

      „Ich dachte, hier drin ist ein Bär,“ sagte er grinsend, als er Leslie entdeckte. Die verdrehte nur kurz die Augen; Moses war wirklich einer der einzigen Menschen, die sie kannte, der frühmorgens (um 5 Uhr. 5 Uhr morgens frühmorgens) schon zu Witzen aufgelegt war. Einer der Gründe, warum sie den B-Stall mied, bis sie wirklich wach war.

      Gerettet wurde sie von Beau, der sich an Moses vorbeischlängelte und wortlos die restlichen vier Spinde inspizierte. Dann fiel sein Blick auf die Uhr und unter wildem Fluchen stürmte er aus der Sattelkammer. Leslie konnte ihn gerade noch auf dem Weg zum Parkplatz einholen.

      „Keine Frühstückspause?“ keuchte sie ihm hinterher.

      Er öffnete die Fahrertür eines dunkelblauen Yaris‘. „Keine Frühstückspause.“

      -- Idony --

      Wenn man monatelang jeden Tag um die gleiche Uhrzeit aufstand, dann war das irgendwann so in einem drin, dass man an jedem Nicht-Arbeitstag um fünf hellwach war. So ging es Idony heute – Training fiel für die nächsten paar Tage aus und Cam war so nett gewesen und hatte ihr freigegeben, damit sie später bei der Jagd konzentriert mitreiten konnte.

      Trotzdem – sie war um Punkt fünf Uhr wach gewesen und nach ein paar Minuten hatte sich herausgestellt, dass sie das mit dem Weiterschlafen vergessen konnte. Also war Idony zwei Stunden später schon mit den meisten Arbeiten fertig. Benihana versorgen, Benihanas neue Boxennachbarin Minou und die Reitponystute Cíola zusammen auf die Weide stellen, Stallgasse fegen und nett zu den Gästen sein.

      Gegenüber von Billies Box stand eine Scheckstute, die jeden Schritt und jedes Atmen im Stall genaustens im Blick hatte. Jedes Mal, wenn Idony kurz zu ihr hinübersah, stand die Stute woanders – mal im Paddock, mal in der Box, mal genau auf der Schwelle. Idony ließ sie kurz mit sich selbst allein und huschte an die Box des Scheckens. Die Stute hatte in etwa die gleiche Größe wie Benihana, wirkte aber zugleich imposanter als auch gebrechlicher als der Holsteiner gegenüber.

      „Schon mal die Konkurrenz begutachten?“ kam plötzlich von hinten. Idony zwang sich, nicht wie ertappt zu gucken, als sie sich umdrehte und eine junge Frau vor ihr stand – mit einem breiten Grinsen.

      Die Frau streckte auch sogleich ihre Hand aus. „Alexandra Cordes. Und das hinter dir ist Possy Pleasure Mainstream.“

      Als hätte sie ihren Namen verstanden, schnaubte die Stute und schlich sich dann sogleich wieder nach draußen auf den Paddock. Idony räusperte sich und nahm die Hand der Frau. „Idony Berqvist – aber ich bin keine Konkurrenz, ich arbeite hier.“

      „Oooh,“ machte Alexandra. „Und da dürft ihr gar nicht mitmachen? Das ist ja auch schade. Da gibt’s sowas mal und ihr werdet ausgeschlossen.“

      Ein bisschen überrumpelt von den vielen Worten in der kurzen Zeit blinzelte Idony Alexandra erst mal an. Dann registrierte sie die Worte erst. „Ach nein, das ist wirklich nicht schlimm – jetzt im Herbst sind hier so viele Jagden, also wer will—“

      „Oooh,“ machte Alexandra wieder. Possy Pleasure Mainstream kam wieder in die Box und reckte den Hals nach ihr. „Ich werde jetzt auch mal gucken, wo die zweite im Team bleibt – allmählich sollten wir ja mal beginnen, die Pferde fertig zu machen.“

      Mit einem Winken verabschiedete sich Alexandra wieder und ging aus dem Stall. Neben den Stallburschen, die die Futtereimer wieder von vor den Boxen einsammelten, war Idony die einzige im Stall. Also nutzte sie die Gunst der Stunde und richtete Benihana schon einmal so weit her, dass sie dieser später nur noch den Sattel auf- und die Trense anlegen musste.

      -- Leslie --

      Treffpunkt der Reiter war um halb elf auf dem Dressurviereck. Bis dahin hatte Leslie Zeit, den Matsch aus Painted Blurs Fell zu bürsten. Pünktlich hatte sich der natürlich in die nächstbeste Matschpfütze geschmissen – und von denen gab es auf den Weiden gerade genug. Soweit wäre es gar nicht gekommen, wären Leslie und Beau zur Stelle gewesen. So wie es war hatte nämlich Cooper Blurry auf die Weide gebracht, der hatte die Chance ergriffen – und jetzt stand Leslie in der Stallgasse des A-Stalls und versuchte, den noch feuchten Matsch so gut wie möglich aus dem Fell zu bekommen.

      Eigentlich wäre das eine Fall für die Waschanlage, dachte sie und schrubbte an einem Fleck an der Flanke des Hengstes. Eigentlich – nur leider war es kurz nach zehn, und wenn man Bernie und Cat glauben konnte, dann waren die ersten Gäste auch schon am Platz versammelt.

      (Beau hatte sich übrigens verkrümelt und frühstückte. Während Leslie nasse Matschflecken ausbürsten durfte, die vermeidbar gewesen wären. Schöner Tag war das heute.)

      10:15 Uhr ließ sie dann die Bürste fallen und schnappte sich Blurrys Sattel. Weg waren die Flecken zwar nicht, aber sollte sich jemand der Gäste drüber beschweren – naja, dann ließ sie Cooper die Sache handeln. Sie hatte gleich erst mal ein Date mit ihrer Müslischale.

      Gerade hatte Leslie Blurry das Gebiss ins Maul geschoben, als auch schon Esther in den Stall kam. Die drei Gäste, deren Pferde im A-Stall untergebracht waren, hatten sich schon längst auf den Weg zum Viereck gemacht – schön rausgeputzt mit Turnierjackett, hellen Hosen und weißen Schabracken. Leslie wusste also, dass sie spät dran war (und das würde Cooper auch noch den ganzen lieben langen Tag hören, ob er es wollte oder nicht). Dass jetzt aber schon die Chefin nach ihr sah, das hätte sie aber nicht gedacht.

      „Schon fertig,“ rief sie Esther entgegen und steckte den Zipfel des Nasenriemens noch schnell unter die dafür vorgesehene Lasche. „So gut wie’s eben ging,“ murmelte sie dann noch vor sich hin, nahm Blurry die Zügel vom Hals und führte ihn die Stallgasse hinab.

      Esther sah sich den Hengst kurz von beiden Seiten an, seufzte und zuckte dann mit den Schultern. „Sauberer wird er jetzt eh nicht mehr,“ sagte sie und klopfte Leslie kurz auf die Schulter. „Wenn du mir noch kurz helfen könntest?“

      Per Räuberleiter schwang sich Esther in den Sattel und nahm die Zügel auf. „Ich kehr‘ noch schnell, dann bin ich sofort da,“ versprach Leslie, aber Esther winkte ab.

      „Der Dreck liegt später auch noch da, wenn wir weg sind. Du solltest dir das jetzt lieber mit ansehen.“

      Gut, das ließ sich wahrscheinlich niemand zweimal sagen. Hinter dem großen Rappen und ihrer Chefin schloss Leslie das Stalltor und folgte den beiden dann in Richtung Viereck.

      -- Idony --

      „Guten Morgen und natürlich herzlich Willkommen auf Sandringham Manor.“

      Das Stimmenwirrwarr auf dem Dressurviereck verstummte augenblicklich. Neben Idony hörten sogar die zwei Geschwister auf, die schon seit sie aufgetaucht waren die Köpfe zusammengesteckt hatten, zu tuscheln. Fast alle Köpfe drehten sich nach vorne in Richtung Eingang. Vor der Kulisse des Herrenhauses saß Esther im Sattel von Blurry, hinter ihr Logan und Frank.

      „Ich freue mich, euch alle hier begrüßen zu dürfen. Das ist die erste Jagd seit fast 13 Jahren, die auf unserem Gestüt stattfindet, und ich bin sehr gespannt, wie es ausgeht.

      Ich möchte auch gar nicht groß um den heißen Brei herumreden, schließlich wollen wir alle so bald wie möglich los. Wir haben eine Strecke von etwa 15 Kilometern vor uns. Nach etwa sieben gibt es für alle eine kleine Pause auf einem benachbarten Hof. Die Pferde dürfen grasen und für uns Menschen gibt es auch ein paar Snacks. Abschließend treffen wir uns auf der Wiese ein, auf der unser Geländetraining startet. Wer besonders aufmerksam ist, wird auf dem Weg dorthin auch etwas ganz Besonderes im Wald entdecken.

      Die Regeln lauten wie bei jeder Jagd. Um einen sicheren Ablauf zu gewähren, bete ich euch alle, euch gleich euren Platz im Feld zu finden und diesen, wenn möglich, nicht zu verlassen. Und, das ist ganz wichtig: reitet nie quer zu den anderen Reitern. Außerdem dürfen die Master, die euer Feld anführen, niemals überholt werden – die kennen die Strecke und sind dafür zuständig, dass alles gut abläuft. Für die Springer sind meine Kollegen Logan Reid und Frank Montgomery zuständig,“ Esther gestikulierte auf die zwei Trainer hinter ihr, „die Nicht-Springer hören auf mein Kommando.“

      Idony sah sich ein bisschen in den Reihen rum. Einige Reiter hatten ein schmales Lächeln auf den Lippen, andere sahen Esther stockernst ins Gesicht.

      „Zu eurer Sicherheit bilden die Schlusslichter die sogenannten Schlusspiköre. Jeder noch so gute Reiter fällt mal vom Pferd – für den Fall sind die Schlusspiköre da. Sie sind auch ein bisschen die Schiedsrichter, die alles sehen.

      Auf der Strecke gibt es 15 Hindernisse, inklusive Bachläufen und feste Naturhindernisse. Sollte euer Pferd vor dem Hindernis verweigern, dann dreht am besten sofort ab und reitet um das Hindernis herum. So kann es keine Staus geben und ihr und eure Pferde werden nicht verletzt.

      Außerdem bitte ich euch grundsätzlich, aufzupassen. Wir haben einige Pferde dabei, die noch recht jung und stürmisch sind. Wenn ihr die Jagd ohne dickes Knie abschließen möchtet, dann reitet nicht zu arg auf – vor allem nicht, wenn das Pferd eine rote Schleife im Schweif trägt.

      Recht viel mehr gibt es auch nicht zu sagen, also fange ich gleich mit den Feldeinteilungen an.“

      Die ersten Reiter zogen die Gurte nach und ließen die Steigbügel herunter. Esther kramte einen Zettel aus ihrer Jacketttasche hervor und räusperte sich.

      „Feld Eins ist das erste springende Feld mit Philipp Gerdes und Daitona, Nicolaus du Martin und Ghostly Phenomenon, Elena Redling und Couleur du Deuil, Leticia Weidner und Ingénue, Octavia Blake und Raspberry, Mio Wild und Raised from Hell, Malte Tordenvaerson und Belmonts Brock und Gwendolyn Campbell und Neelix. Euer Master ist Logan Reid und euer Schlusspikör ist Idony Bergqvist.“

      Während alle, die gerade aufgerufen wurden, sich auf eine Seite des Vierecks verteilten, blätterte Esther um. „Feld zwei als zweites springende Feld mit Occulta Smith mit Co Pilot de la Bryére, Ciaran Duclair und Shenandoah, Eddi Canary und Pajero, Jonas Moser und Diarado, Lisa Zimmermann mit Halluzination, Isa Neyer mit Jonquil, Ikarus Dragomir mit Pitú, Tassilo Greving und Cover the Sun und Charlotte von Eylenstein mit Grenzfee. Euer Master ist Frank Montgomery, der Schlusspikör ist Katharina Karenin.

      Das letzte Feld mit mir als Master besteht aus Addison Moore mit My Canyon, Janina Lohmann mit Nemax, Elliot Hadley mit Vychar, Bellamy Blake mit Gun and Slide, Franziska Ziegler mit Cadeau, Nate Prescott und Dark Chocolate, Alexandria Cordes und Possy Pleasure Mainstream, Tamara Meyrohe mit Walking in the Air, Marie Wortkötter mit Macaruja, Vuyo Ndour mit Aspantau und Artemis Fortounis mit Bahar. Euer Schlusspikör ist Bree Price.“

      Ein paar Sekunden gab Esther den Leuten, um sich aufzuteilen, dann steckte sie den Zettel wieder in ihre Tasche. „Ihr könnt jetzt aufsitzen. Feld 1 macht sich in wenigen Minuten auf den Weg, ein paar Minuten später Feld 2 und dann Feld 3. Ich wünsche euch eine schöne und angenehme Jagd und natürlich viel Glück.“

      -- Leslie --

      Gemeinsam mit Bernie und Snafu hatte Leslie Esthers kleiner Ansprache vom Rande des Dressurvierecks gelauscht. Als das letzte Feld mit Blurry an der Spitze und Siana als Schlusslicht vom Platz ritt, seufzte Leslie erst einmal laut. Passend dazu grummelte ihr Magen.

      Wie auf Knopfdruck drehten sich Bernie und Snafu zu ihr um. „Schon wieder Hunger?“ scherzte Bernie.

      „Immer noch,“ grummelte Leslie. „Aber ich werd mich jetzt umdrehen und auf schnellstem Weg ins Haus gehen und schön und lange frühstücken.“

      Snafu grinste sie kurz an, dann schweifte sein Blick über ihre Schulter ab. Seine Augen wurden für einen Moment weich – und Leslie wusste genau, was sie erwartete. Mit einem lauten Stöhnen schlug sie sich die Hände vor die Augen.

      „Leslie, fertig soweit?“ kam es von hinter ihr in einer allzu familiären, tiefen Stimme. „Die Millers haben gerade angerufen, wir sollen gleichkommen – hab ich was verpasst?“

      Als sie die Hände von den Augen nahm, sah sie, dass Snafu schon antworten wollte, also ergriff sie lieber selber die Initiative.

      „Nein, gar nichts. Gehen wir.“ Schwungvoll drehte sich Leslie um, packte Beau beim Oberarm und zog ihn hinter sich her in Richtung Parkplatz.

      Schon wieder.

      -- Idony --

      Billie gefiel das Hinterhergetrotte ganz und gar nicht. Während der ersten Trabstrecke hätte die langbeinige Stute gleich mal versucht, einen wuchtigen Draught-Hengst und eine zierliche Buckskinstute zu überholen – also hatte Idony sie auf eine Volte abgewendet und sich tief in den Sattel eingesessen. Sowohl der Mann auf dem Draught als auch die junge Frau auf der Stute schienen ihr das aber nicht übel zu nehmen. Immer wieder versuchte die Holsteinerstute, irgendwie an der Gruppe vorbeizuziehen – bis sie sich dann nach dem ersten Galopp anscheinend damit abgefunden hatte. Ungeduldig kauend, aber wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung.

      Idony selbst kam auch dann erst richtig in den Genuss – bis dahin hatte so gut wie jeder seinen Platz in der Gruppe gefunden. Im Schritt unterhielten sich die meisten, lachten miteinander. Wenn Logan das Handzeichen für den Trab oder Galopp gab, verstummten jedoch alle und vor den Hindernissen wurde eine schöne Reihe gebildet. Pferd nach Pferd hüpfte über die Zäune, kletterte einen Wall hinunter und watete durch einen Bachlauf.

      Die Reiter schätzte Idony als ziemlich erfahren ein; keiner kam über den Hindernissen ins Straucheln. Eine Rappstute weiter vorne im Feld schlug den ein oder anderen Haken zur Seite, aber die Reiterin schien sich dadurch nicht aus dem Konzept zu bringen zu lassen. Trotzdem stoppte bei jedem Seitensprung kurz Idonys Herz und sie nahm Billie vorsichtshalber gleich ein bisschen zurück – sollte die Reiterin den Halt verlieren und stürzen, war es immerhin ihre Aufgabe, alle wieder einzusammeln.

      Trotz hakenschlagender Stute erreichten alle Reiter als erstes die Zwischenstation auf dem Bauernhof der Familie Wright ohne Zwischenfälle. Von einem kleinen Wäldchen ging es direkt an den Schaf- und Kuhweiden vorbei, direkt auf den kleinen Platz vor dem Guthaus. Ein paar Stallburschen von Sandringham Manor wuselten schon umher; auf ein paar Aufstelltischen standen Gläser und Wasserflaschen, auf anderen eingewickelte Sandwiches.

      Nachdem den Pferden die Zaumzeuge abgenommen und die Sattelgurte gelockert wurden, gab es für die Reiter dann das verdiente Lunch. Die alte Mrs Wright füllte Wassereimer für die Pferde auf und die Stallburschen verteilten sie schließlich. Nach und nach kamen auch Frank und Esthers Felder an, als allerletzte Cat auf Ironic. Im Gegensatz zu ihrer Gruppe sah sie ein bisschen abgekämpft aus, also machte sich Idony kurzerhand auf den Weg zu ihr.

      Ironic blubberte freundlich, als er Billie entdeckte. Als die ihm aber keinerlei Beachtung schenkte, sondern lieber ein paar vertrocknete Grashalme abrupfte, bekam er sich auch schnell wieder ein und spielte lieber mit dem Wassereimer, dem ihn ein Stallbursche hinhielt.

      Cat lächelte Idony müde an. „Du siehst ja richtig frisch aus.“

      „Kann ich von dir nicht wirklich behaupten,“ sagte Idony. „Schwere Gruppe?“

      „Die Gruppe nicht unbedingt,“ Cat nahm ihren Reithelm ab und fuhr sich durch die Haare. „Eine Stute, ich glaub ein Vollblut. Rote Schleife im Schweif, also sollte ich nicht so überrascht sein, aber im Schritt schien sie noch besser drauf zu sein.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich musste noch keinen retten, aber wir haben ja noch ein paar Kilometer vor uns.“

      „Dann solltest du ganz schnell irgendwo Holz finden und drauf klopfen.“

      „Bietest du mir deinen Kopf an?“

      Idony rollte mit den Augen, dann streckte sie die Hand nach Ironics Zügeln aus. „Los, hol dir noch was zum Essen bevor nichts mehr da ist.“

      -- Leslie --

      Ja gut, vielleicht hatte Leslie den Aufwand einer solchen Jagdorganisation ein bisschen unterschätzt. Mittlerweile war es nach 12 Uhr mittags und bis auf ein paar Gurken bei der Essensvorbereitung hatte sie immer noch nichts zwischen die Zähne bekommen. Wenn sie nicht Essen ausgab, dann schleppte sie Getränkekisten, Wassereimer oder was auch immer die alte Wright sie auch machen ließ.

      „Wenn das hier rum ist,“ sagte sie leise und bedrohlich, als Beau ihr noch eine Wasserkiste in die Brust stieß, „dann schuldest du mir ein drei Gänge Menü. Selbst gekocht. Alles andere akzeptiere ich nicht als Entschuldigung.“

      Beau, der sonst eigentlich sehr gefestigt wirkte, bekam seine kleine Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen. Jackpot. „Irgendwie sowas sollte ich hinkriegen.“

      „Das hoffe ich für dich.“

      -- Idony --

      Der zweite und letzte Abschnitt begann ein bisschen ruhiger als der erste – zumindest für Idony. Im Schritt ging es wieder zurück in das kleine Wäldchen, an einer Abzweigung jedoch geradeaus statt rechts.

      Wie als hätten die Pferde nie etwas anderes gemacht, kletterten sie einen Wall hinab, galoppierten dann geschlossen und ruhig an und nahmen die ersten paar Hindernisse des letzten Streckenabschnitts mit Leichtigkeit. Erst kurz vor der letzten Galoppstrecke verweigerte eine große Rappstute weiter vorne im Feld. Ihr Reiter fing sich gerade noch über dem Hals hängend. Die Stute ging zwei Schritte mit hochgerissenem Kopf rückwärts. Idony nahm schon Billies Zügel an, kurz davor, einzugreifen – immerhin kamen schon die nächsten Pferde, die auch über das Hindernis springen wollten, und so ein Stau konnte ziemlich blöd hinausgehen – doch dann trieb der Reiter die Stute schon seitlich und machte einen großen Bogen um den Zaun und kurz darauf nahmen beide wieder ihren Platz im Feld ein.

      Als von Logan an der Spitze das Kommando zum Suchen kam, saßen plötzlich alle aufrechter im Sattel. Alle nahmen ihre Pferde zurück, ließen die Galoppsprünge verkürzen, und sahen sich links und rechts im Gebüsch des Waldes um. Wo genau der Fuchsschwanz versteckt war, wusste Idony auch nicht; sie selbst verließ sich also darauf, dass Billie sich mit dem hintersten Platz im Feld abgefunden hatte, stellte sich in die Bügel und reckte selbst den Hals, um besser sehen zu können. Bis auf ein paar orangefarbene Blätter fand sie aber nichts, und auch die Teilnehmer gingen leer aus. Ein wenig enttäuscht setzte sich Idony wieder in den Sattel ein. Billie spielte kurz mit den Ohren, erwartete eine Parade, galoppierte aber dann letzten Endes ruhig weiter.

      Wenige Meter voraus endete der Wald schon; dann waren sie eigentlich schon wieder mitten auf dem Gestüt. An den leeren Paddocks vorbei, um das Haupthaus herum, dann tauchte auch schon das Dressurviereck vor dem Feld auf, mit dem aufgebauten Sprung. Einer nach dem anderen, wie in den letzten Stunden, sprangen die Pferde darüber. Als Idony und Billie auf dem anderen Ende des Hindernisses ankamen, waren die ersten Reiter schon abgestiegen.

      Wenige Minuten, nachdem ein paar Jocks die ersten Eichenbrüche verteilten, kam auch das zweite Feld an – ebenfalls erfolglos, wie sich schnell herausstellte. Trotzdem schien die Stimmung heiter zu sein; die Reiterin mit der nervösen Stute aus Idonys Feld erzählte im größten Detail und mit ausladenden Armbewegungen jedem im Umkreis von fünf Metern, wie sie sich dreimal schon fast am Boden liegen sah.

      Erst, als dann zwanzig Minuten nach dem ersten Feld Esther und ihre Gruppe auf dem Platz eintrafen, schwenkte jemand ein orangefarbenes Stück Pelz hin und her. Als die Gruppe sich dann auch langsam lichtete, bekam Idony einen ersten Blick auf den Gewinner: die Reiterin war noch jung und saß auf einer hellen, schweren Buckskinstute. Sie grinste, umklammerte den Fuchsschwanz eisern und unterhielt sich angeregt mit der Frau, die Idony heute Morgen im Stall getroffen hatte. Auch das Pferd kam Idony bekannt vor – da musste sie später gleich mal gucken, ob die Stute nicht sogar neben Minou einquartiert wurde.

      Esther platzierte sich wieder in die Mitte des Vierecks. Als jeder Teilnehmer seinen Eichenbruch in der Hand hielt, verkündete sie die Siegerin – Tamara Meyrohe aus Deutschland, deren Stute tatsächlich nur ein paar Boxen neben Benihana stand – und bedankte sich bei allen, die irgendwie geholfen hatten. „Und zur Feier des Tages lade ich Euch alle herzlich zum Jagdgericht ein – nachdem die Pferde versorgt wurden, versteht sich.“

      Ein wirkliches Jagdgericht im klassischen Sinn war es nicht – Idony hatte sich noch nicht mit Bree und Cat unterhalten können, ob es in deren Feldern irgendwelche Vergehen gab, aber das konnte sie sich kaum vorstellen – sondern eher ein Dinner im Herrenhaus. Die Piköre waren ebenfalls eingeladen – trotzdem ließ sich Idony viel Zeit im Stall, stopfte Billie Stroh unter die Abschwitzdecke und weichte die Kühlgamaschen in aller Ruhe ein.

      Ein bisschen verspätet und mit eiskalten Fingern kam Idony dann im Speisesaal an. Cat hatte ihr einen Platz freigehalten, direkt vor dem Teller mit Hühnchen. Um sie herum hatten die anderen schon mit dem Essen begonnen, also lud sie sich sofort ein bisschen Fleisch, Gemüse und Brot auf, ohne noch groß nachzudenken. Der Hunger war erst gekommen, als sie vor dem Speisesaal gestanden war und das Essen gerochen hatte. Komisch, wie man einfach vergessen konnte, hungrig zu sein.

      -- Leslie --

      Leslie, auf Cats anderer Seite, lud sich ihren Teller dreimal mit allem Möglichen auf, probierte jedes der drei verschiedenen Desserts und schnappte sich anschließend noch das übrige Mousse au Chocolat von Beaus Teller. Das schuldete er ihr ja schließlich.
    • Rhapsody
      Alte Pflegeberichte
      4/8

      Bodenarbeitskurs
      02. März 2018 -- Gwen

      Es war noch früh am Morgen, als ich bereits auf Townsend Acres meine Runden zog. Wie zu jedem größeren Event zog es mich auf das Gestüt meiner Geschäftspartnerin. Hier hatten wir die besten Möglichkeiten, um Gastpferde und deren Besitzer unterzubringen. Außerdem war die riesige Halle ideal im Winter.
      Fünf Teilnehmer würde ich heute erwarten. Alle kamen aus einer anderen Ecke der Welt und würden den heutigen Tag hier bei uns verbringen. Gemeinsam mit Matthew richtete ich also fünf große Boxen mit Paddock für die Gäste her. Außerdem würden einige Teilnehmer auch über Nacht bleiben und erst am nächsten Morgen wieder abreisen, so dass ich auch im Gästehaus noch einmal die Zimmer kontrollierte.
      Da um neun Uhr morgens die erste Stunde unseres Kurses startete, würde der Großteil schon sehr früh eintrudeln. Das Jahr begann entspannt mit einem Grundlagenkurs in der Bodenarbeit. Eine schöne Abwechslung für Pferd und Reiter im Winter. Gerade auch für die, die unter dem teilweise ungemütlichen Wetter doch mehr litten.
      Uns würden die Minusgrade und der dichte Schneefall nicht stören, denn Stall und Halle boten genug Platz und zum Aufwärmen ging es in den Seminarraum, wo dann bereits Kaffee und Tee warten würden. Unsere Teilnehmer sollten stets bestens umsorgt werden. So ging ich auch noch ein letztes Mal die Teilnehmerliste und die Anmeldungen durch, immerhin sollte der Kursleiter informiert sein und seine Kunden gebührend in Empfang nehmen können.

      Pünktlich neun Uhr standen wir alle gemeinsam in der Halle und aufmerksame Blicke, sowohl von Menschen als auch von Pferden, musterten mich. Ich begrüßte alle Teilnehmer nochmals herzlich und begann mit dem Organisatorischem. Angesetzt war für den Vormittag von neun bis zwölf Uhr eine Gruppenstunde.
      So konnte ich mir ein Bild von den Teams machen, um dann in den Einzelstunden intensiver an den Problemen und Wünschen arbeiten zu können. Von zwölf bis dreizehn Uhr war dementsprechend eine Mittagspause für alle eingeplant, ehe es dann im Stundentakt mit den Einzelstunden weitergehen würde.
      Für den Abend war ein gemütliches Beisammensein geplant. So konnte man das Gelernte verinnerlichen, nochmals Fragen stellen, die eventuell später aufgekommen waren und natürlich gab es nach so einem langen Tag auch ein ausgiebiges Abendessen.
      Doch nun standen wir am Anfang und allesamt waren motiviert. Das freute mich besonders und aufmerksam musterte auch ich die Teilnehmer. Es handelte sich um eine bunt gemischte Gruppe, sowohl von den Pferden als auch von den Besitzern und ich freute mich jetzt schon auf den lehrreichen Tag.
      Wir begannen die Gruppenstunde mit den grundlegenden Führübungen, alleine schon, um die Pferde bei den frostigen Temperaturen aufzuwärmen. Außerdem schadete es auch uns Menschen nicht, sich ein wenig zu bewegen, um der Kälte entgegen zu wirken.
      Also bat ich die Teilnehmer, im Schritt ihre Runden in der Halle zu drehen. Dabei konnte ich bereits erste Auffälligkeiten entdecken. Die Erziehung eines Pferdes begann bereits bei den alltäglichen Handlungen wie Putzen, Führen, der Respekt beim Füttern und auf die Weide bringen.
      So war die Bodenarbeit gerne hoch angepriesen, denn sie setzte an ähnlichen Punkten an und brachte dementsprechend auch schnell Erfolg im allgemeinen Umgang mit dem Pferd. Am auffälligsten war die weiße Vollblutstute. Sie hieß Smooth Gravity, war drei Jahre alt und bereits von ihrer Besitzerin als eher problematisches Pferd angemeldet worden.
      Schon beim Führen war sie sehr guckig, sprang gerne zur Seite und wahlweise auch auf die Besitzerin, weil sie sie einfach nicht beachtete. Käthe, ihre Besitzerin, hatte dementsprechend alle Hände voll zu tun und hielt gerne etwas mehr Abstand von den anderen Pferden, um nicht weitere Konflikte herauszufordern.
      Im Gegensatz zu dem englischen Vollblut hatten wir auch einige amerikanische Rassen in der Gruppe. Zum einen Mayor Jetsetter Oak, ein fünfjähriger Quarterhengst, welcher mit seinem Besitzer Collin angereist war. Grundsätzlich zeigte sich Mayor als äußerst sympathisches Pferd und machte wenig Probleme, wenn nicht alles so neu gewesen wäre, als dass er sich doch sehr stark aufregte.
      Das gescheckte Gegenstück dazu war Gun and Slide, sieben Jahre alt und ein gekörter Painthengst. Er war eindeutig der Ruhepol der Gruppe. Souverän lief er seine Runden und gab seiner jungen Begleiterin die Sicherheit, welche sie brauchte. Der Hengst war nämlich mit einem achtjährigen Mädchen unterwegs: Betsy. Natürlich war sie nicht alleine zu uns gekommen, sondern der Besitzer des Hengstes, Bellamy, hatte sie begleitet. Generell sollte der Fokus heute aber auf Betsy liegen und obwohl sie noch recht unsicher wirkte, machte sie ihre Sache wirklich gut.
      Auch aus England hatten wir Besuch: Dark Royale, ein schicker Hannoveranerhengst schritt neben seiner Begleitung her. Bernadette, oder lieber Bernie genannt, hatte erst seit kurzem den Hengst in ihrer Obhut. Mit seinen fünf Jahren hatte man ihm etwas mehr Zeit gegeben, doch nun sollte es langsam losgehen.
      Wie der Großteil ließ sich auch Dark Royale zu gerne von der Umgebung ablenken und Bernie musste ihn regelmäßig daran erinnern, dass sie da war und die Richtung entschied und er nicht einfach dorthin lief, wohin er gerade schaute. Da glich er sich sehr stark dem letzten Pferd der Gruppe. Quicksilver war eine fünfjährige Mustangstute, die auch lieber in der Weltgeschichte umherschaute, anstatt ihrer Besitzerin Tiara Aufmerksamkeit zu schenken.
      Abgesehen von Gun and Slide waren also alle Pferde recht umweltorientiert, dementsprechend würden wir vorerst mit einfacheren Konzentrationsaufgaben beginnen. Ich bat die Teilnehmer in eine Abteilung und erklärte, dass sie ihr Pferd immer zum Halt bringen sollten, sobald ich das Kommando gab.
      Direkt im Voraus gab ich die Anweisung mit, dass die Pferde auf Schulterhöhe bleiben sollten und wer diese Grenze übertrat, sollte sanft rückwärts geschickt werden, bis er wieder in seinem Bereich war. „Und ihr bleibt stehen. Das Pferd bewegt sich auf seine Position, nicht ihr passt euch an“, erklärte ich lächelnd und begann die Übung.
      Viel Kontext barg diese noch nicht, doch das war begründet, denn sie würde mir erst einmal noch näherbringen, wie es um die Charaktere der Reiter stand. Die Pferde ließen sich recht schnell einschätzen, doch auch die Menschen spielten eine große Rolle. Waren die Besitzer konsequent? Gaben sie klare Anweisungen? Oder wussten sie selbst nicht ganz so recht, wo es eigentlich langgehen sollte.
      Insgesamt dreimal ließ ich die Gruppe anhalten und wieder antreten. So konnte ich mir von jedem ein Bild machen. Ich rief sie zusammen in einen Kreis in der Mitte und erklärte die Grundlagen, die man im Umgang mit einem Pferd mitbringen sollte.
      „Wenn wir von unseren Pferden einfordern, dass sie stets mit Fokus und Motivation arbeiten, müssen wir das Gleiche selbst erst einmal leisten“, erzählte ich. „Wir sind diejenigen, die den roten Faden in der Hand haben. Alle eure Pferde sind von Grund auf bereit, mit euch zu arbeiten. Aber natürlich machen sie das nicht ohne Motivation.“
      Ich erklärte es kurz anhand der Teilnehmer und gab so schon die ersten Tipps. Bernie und Collin waren zum Beispiel Menschen, welche sehr aufmerksam waren und ihre Pferde sofort korrigierten, sobald sie sich aus der geforderten Position bewegten. Und wenn Bernie das bei Dark Royale fünfmal hintereinander machen musste, dann tat sie das.
      „Gerade junge Pferde hinterfragen immer wieder. Sie fordern die Bestätigung ein und die müssen wir ihnen geben und wenn es noch so oft ist. Konsequenz ist nichts Negatives, sondern bildet den roten Faden unserer Arbeit. Pferde möchten klare Regeln und die sollten möglichst immer und jeden Tag übereinstimmen.“
      Betsy war wiederum aufgrund ihres Alters und ihrer Unerfahrenheit noch etwas unsicher. Sie wollte möglichst fair gegenüber dem Pferd handeln und agierte so gerne zu vorsichtig. Doch da zeigte sich der Vorteil, wenn unerfahrene Menschen mit erfahrenen Pferden arbeiteten.
      Gun and Slide wusste, was von ihm verlangt wurde und verzieh Betsy Fehler beziehungsweise hinterfragte ihre Anwesenheit nicht. Das gab Betsy Sicherheit und sie lernte auch die Richtigkeit dessen, was sie tat.
      Käthe hingegen war grundlegend auch eine sehr sichere Person, die auch wusste, was sie wollte und doch brachte Smooth Gravity diese Sicherheit ins Schwanken. Die Stute war nicht einfach vom Charakter und Käthe hatte mir bereits am Morgen erklärt, dass sie doch manchmal darüber nachdachte, ob dieser Kauf so schlau gewesen wäre.
      Das zeigte sich in ihrer Beziehung und als feinfühliges Wesen bekam die Stute natürlich diese Schwankungen mit. Aufgrund ihres Temperaments äußerte sich das bei ihr dann auch noch direkter. „Das Tolle an solchen Pferden ist aber, dass sie dir jeden Fehler aufzeigen. Und dass sie unglaublich sensibel und menschenbezogen sind. Wenn ihr einmal eure Beziehung geklärt habt, wird sie ein tolles Pferd. Glaub mir!“
      Bei Tiara und Quicksilver war es ähnlich, nicht so extrem wie bei der Vollblutstute, doch auch hier waren die Fronten noch nicht ganz geklärt. Quicksilver war als Verlasspferd zu Tiara gekommen, zeigte im neuen Stall dann aber doch gerne rüpelhaftes Benehmen.
      Da man die Probleme bei der Wurzel anpacken musste, begannen wir bei den grundlegenden Führübungen. Das Pferd sollte stets auf seiner Position bleiben, der Mensch gab die Richtung an. Jeder durfte so für sich seine Runden drehen. Aufgaben waren vorerst klar vom Menschen vorgegebene Richtungswechsel, ebenso wie Anhalten und Rückwärtsrichten.
      Ich begleitete jedes Paar immer ein Stück und gab Tipps, um die Ausführung der Aufgaben zu verbessern. „Fragt eure Pferde nicht, ob sie jetzt bitte mit euch rechts abbiegen. Ihr arbeitet gerade gemeinsam und ihr entscheidet jetzt, dass ihr rechts abbiegt und die Richtung wechselt. Natürlich muss man so fair sein und das Pferd darauf vorbereiten und eine Reaktion zu lassen. Aber nicht das Pferd entscheidet die Richtung.“
      Bei Betsy und Bernie wurden die Seile somit von Übung zu Übung auch lockerer, so dass die Pferde immer aufmerksamer auf Stimme und Körper ihrer Menschen achteten, ohne dass die beiden direkt mit Strick oder Stick agieren mussten.
      Collin zum Beispiel musste ich immer wieder daran erinnern, dass er Mayor durchaus mehr Raum lassen konnte. Nachdem er den Hengst nach dem Anhalten mehrmals korrigiert hatte, kam die Aufmerksamkeit des Pferdes allmählich zu ihm. Nun hieß es Nachgeben und diese Aufmerksamkeit belohnen.
      Bei Tiara achtete ich auf eine besonders konsequente Weise, denn Quicksilver war ein Pferd, die, wenn sie einmal etwas machen durfte, es immer und immer wieder machte. Also war es Tiaras Aufgabe, immer und immer wieder zu sagen „Nein, das möchte ich nicht“. Zwischenzeitlich wirkte sie deshalb auch etwas frustriert, bis es plötzlich bei der Stute Klick machte, sie passend stehen Blick und schon auf Tiaras Körperspannung reagierte und rückwärts trat.
      Dieser Erfolgsmoment motivierte die Besitzerin direkt und sie lobte ihre Stute überschwänglich. Ich lächelte und nickte ihr zu, auch die kleinen Schritte sollten belohnt werden und direkt schossen Quicksilvers Ohren nach vorne und sie schien auch an Motivation gewonnen zu haben.
      Bei Käthe und Smooth Gravity blieb ich mit am längsten. Bei der Stute war teilweise eher das Problem, dass sie zu früh und falsch reagierte. Wenn Käthe nur stehen blieb, konnte es durchaus sein, dass die Stute weiterlief oder stehen blieb. Oder aber sie wich zur Seite oder direkt nach hinten aus, weil sie keine Ruhe finden konnte und in Bewegung bleiben wollte.
      Also nahm ich Käthe in die Mitte und erarbeitete mit den beiden das Jojo-Spiel. Sie schickte ihre Stute zurück und holte sie dann wieder zu sich. Zurück klappte mit Smooth Gravity wunderbar, aber das herholen war kompliziert. Doch das wiederum wurde mit Ruhe und Sicherheit bei Käthe belohnt, denn wenn sie bei ihr stand, gab es eine Pause.
      Es dauerte ein Weilchen, bis die Stute auch auf das Herholen reagierte und es kostete Käthe deutlich Nerven. Doch als Smooth Gravity das System verstanden hatte, kam sie gerne näher. Dort gab es eine Pause. „Ich weiß, es ist unglaublich schwer, aber bleibe entspannt. Du musst selber die Ruhe in Person sein, sonst hat Smooth niemanden, an dem sie sich orientieren kann“, erklärte ich Käthe und ging mit ihr noch einmal die Führübungen durch.
      Inzwischen war der Fokus der Stute auf Käthe übergegangen und so bekam sie auch mit, wenn ihre Besitzerin stehen blieb oder rückwärtsging. Und sie reagierte nicht über, denn wenn sie die Aufgabe erfüllte, gab es eine Pause, in der sie stehen und herumschauen durfte.
      Mit den anderen ging ich dann erst zum Jojo-Spiel über. Ziel war es, das Pferd möglichst nur durch Stimmkommando und das leichte Vor- und Zurückwippen zu bewegen. Käthe und Smooth gönnte ich hingegen eine Pause. Sie durften danebenstehen und zuschauen. Für die Stute war jetzt schon alles sehr aufregend und anstrengend gewesen.
      Aufmerksam musterte ich die Teilnehmer und die gesamte Gruppe war von Betsy begeistert. Inzwischen war die Kleine bei uns angekommen und fing an Spaß zu haben. Gun and Slides Ohren waren auch stets bei ihr und so wippten die beiden synchron immer vor und zurück, während Betsy begeistert grinste.
      „Betsy macht es am besten vor. Nicht so viel denken! Wir denken inzwischen zu viel, wie wir was am besten machen und dann, ob wir es jetzt am besten gemacht haben. Intuition und Gefühl sind so wichtig. Pferde denken nicht an das was vorher war oder das, was als nächstes kommt, für sie ist nur der jetzige Moment interessant und in dem sollten wir auch sein.“
      Auch bei Collin und Bernie sah es inzwischen wirklich gut aus. Bernie gab ich den Tipp, vermehrt Pausen einzulegen. Gerade wenn Dark Royale top mitmachte, war eine Pause perfekt. Inzwischen war er zwar fünf Jahre, doch es fehlte ihm noch deutlich an Konzentration und Geduld.
      Das war nicht untypisch, wenn er jetzt erst begann zu arbeiten, auch er musste sich erst einmal auf diese doch intensiven Stunden einstellen. Bernie hatte dafür aber ein sehr gutes Gefühl und kam dem Hannoveraner immer sehr entgegen, so dass er gerne mitmachte.
      Auch bei Collin sah die Übung sehr gut aus. Ihn bat ich, Mayor teilweise längere Pause bei ihm zu geben, die Nähe zuzulassen und den Hengst zum Beispiel auch zu kraulen. Dem Quarter fehlte es ab und an doch noch an Gelassenheit. Neue Umgebung, neue Pferde, das alles war aufregend, nur Collin war bekannt und das musste dieser Nutzen.
      Quicksilver erlangte hingegen langsam ein Gefühl für die jeweiligen Freiräume. „Jedes Pferd und auch jeder Mensch hat seinen Bereich. In diesem möchten wir niemanden lassen, beziehungsweise wenn, dann nur jemanden, den wir wirklich gut kennen und dem wir vertrauen. Wir wollen, dass die Pferde unseren Bereich respektieren, also müssen wir auch ihren respektieren.“
      Bei Tiara war es oft so, dass sie Quicksilver zu nah kam, wenn sie mit etwas Nachdruck ihre Position deutlich machte. Das war vollkommen richtig so, doch sie musste den Bereich der Stute akzeptieren. Es spiegelte sich nämlich dann im Herholen, wenn Quicksilver immer einen Schritt zu viel machte und beinahe Tiara anschubste.
      Als sich das aber einpegelte, wurde auch das Spiel der beiden leichter und leichter. Wir bauten eine kurze Pause ein, in der ich bereits die Theorie für die nächsten Übungen darlegte. Es sollte nun um die Verschiebung von Vorder- und Hinterhand gehen. Idealerweise so, dass eine Zuwendung des Blickes reichte, damit die Pferde sich bewegten.
      Zu Beginn musste natürlich erst erklärt werden, was gefordert war. So gut wie jedes Pferd meiner Gruppe reagierte aber intuitiv richtig und das aus unterschiedlichsten Gründen. Gun and Slide war sehr fein ausgebildet und verstand Betsys Position sofort. Mayor und Quicksilver hatten bereits mit dem Rückwärtsrichten die Form verstanden und reagierten deshalb mit Weichen auf den Druck auf die Hinterhand.
      Bei Dark Royale war es auch reiner Instinkt, aber eher aus Ruhe und Neugierde, während Smooth Gravity zum Beispiel sofort wich, weil sie Käthe ungern in ihrem Bereich haben wollte. „Dafür ist der Bereich auch ideal. Wir können unseren Pferden lehren, den Abstand beziehungsweise Bereich immer einzuhalten. Heißt, wenn wir unseren Bereich verschieben, tun sie das Gleiche, um den Urzustand wiederherzustellen.“
      So erarbeiteten wir uns in den Grundzügen die Vorder- und Hinterhandwendung. Vorerst reichte pro Hand ein Schritt in die richtige Richtung. Man musste klein anfangen und jeden Schritt loben, statt direkt eine gesamte Wendung einzufordern.
      Das Gleiche machten wir bei dem Seitwärts auf beiden Seiten: Ein guter Schritt wurde belohnt und so wurden die Pferde motiviert, noch mehr anzubieten. Die Zeit neigte sich auch rasch dem Ende zu und als Abschlussübung wiederholte ich noch einmal das Führen mit Stehenbleiben und Rückwärtsrichten.
      Bereits jetzt waren Unterschiede deutlich. Inzwischen waren sowohl Pferde als auch Menschen angekommen und alle waren entspannter und fokussierter. Der Ankunftstrubel vom Morgen war verflogen. So reagierten die Pferde auch viel genauer und aktiver, ebenso traten aber auch die Menschen souveräner auf.
      So funktionierte das Führen bereits ohne Überholen und Anrempeln und damit beendete ich die erste große Einheit. Ich dankte den Teilnehmern und entließ sie in ihre Mittagspause. In dieser erwarteten die Pferde ihre Gastboxen mit frischem Heu und auch die Teilnehmer bekam ein Büffet gestellt und konnten sich für den Nachmittag stärken.

      Die Pause war schnell um und pünktlich 13 Uhr ging es mit den Einzelstunden weiter. Als erstes waren Gun and Slide und Betsy an der Reihe. Bellamy begleitete das junge Mädchen, überließ ihr aber eigentlich alles und war nur für den Notfall da.
      Das Paar besaß eine sehr gute Grundlage und da der Hengst auch bereits ein wahrer Profi war, wollte ich in der Einzelstunde den Fokus mehr auf Betsy legen und ihr noch etwas mehr Wissen mit auf die Reise geben. Laut Bellamy sollte sie demnächst ihr eigenes Pferd bekommen und sollte dafür bestens gewappnet sein.
      Da sie am Vormittag die ersten Übungen mit Bravour gemeistert hatten, gingen wir nur noch einmal kurz zu Beginn das Führen, Anhalten und Rückwärts durch. Auch das Weichen von Hinterhand und Vorderhand machten wir noch einmal, aber auch das saß einwandfrei. Also ging ich mit Betsy einen Schritt weiter.
      Sie sollte das Seil über Guns Hals legen und sich auf seine Schulterhöhe befinden und dann sollte der Hengst neben ihr hertraben, während sie normal weiterlief. Anfangs war ihr Kommando zu zögerlich und sie wurde langsamer, weil sie Angst hatte Gun würde nicht reagieren.
      Doch das langsamer werden bedeutete Gun nur, brav im Schritt zu bleiben. Nachdem sie aber diesen Schritt überwunden hatte und dem Hengst auch mehr Energie zum Antraben entgegenschickte, folgte ihr der Hengst wunderbar und blieb immer brav an ihrer Schulter.
      Auch übten wir das Zirkeln. Der Unterschied zum Longieren bestand darin, dass im Fokus nicht die gesunde Haltung des Pferdes stand, sondern dessen Aufmerksamkeit und Reaktion auf den Menschen. Durch kleinste Fingerzeige sollte Betsy den Hengst auf den Zirkel schicken und mit leichtem Einknicken im Körper aus jeder Gangart sofort zu sich reinholen können.
      Gun and Slide war dafür ideal, denn wenn Betsy alles richtigmachte, kam er sofort. Fehlte ihm der Impuls, blieb er auf dem Zirkel. Nach einer halben Stunde war Betsy voll drin und die anfängliche Unsicherheit war vollständig verflogen. Sie hatte unglaublich viel Spaß und auch Bellamy war sichtlich begeistert.
      Da die beiden schon so weit waren und wir noch Zeit hatten, gab ich den beiden zuletzt noch die ersten Instruktionen für das Seitwärts im Trab. Als Orientierungshilfe für Betsy begannen wir an der Bande. Zuerst sollte die Gun von der Band weg, in einem Halbzirkel um sie herum wieder zu Band traben lassen.
      Dann machten wir das Ganze andersrum und als der Hengst etwa auf zwei Uhr von ihr war, sollte sie loslaufen und ihn dazu auffordern, seitwärts zu treten. Intuitiv gelang der erste Versuch super, Betsy dachte nicht viel nach, sondern agierte einfach und so reagierte Gun auch sofort auf sie und trabte seitwärts die Bande entlang.
      Ich lobte die beiden ausgiebig und Betsy war sichtlich stolz. Das Ganze machten wir noch einmal auf der anderen Hand, da benötigten wir zwei Anläufe, denn diesmal wollte Betsy es auch wieder so perfekt machen und lief deshalb ein Ticken zu spät los, so dass Gun sich nicht mehr in einer guten Position für das Seitwärts befand.
      Das zweite Mal jedoch klappte einwandfrei. „Und wenn du dich sicher fühlst, kannst du das Seitwärts im Trab durch diese Position auch frei im Viereck abfragen, ohne dass ihr noch die Bande benötigt“, meinte ich fröhlich und lobte Betsy noch einmal. Wenn Bellamy sie so weiter förderte, würde aus dem jungen Mädchen eine tolle Reiterin werden.
      Im fliegenden Wechsel tauschten nun die Teilnehmer. Betsy verließ die Halle und Käthe trat ein. Aufmunternd lächelte ich sie und ihre Stute an. Zwar hatte die erste Einheit am Vormittag bei den beiden viel bewirkt, doch es waren nur kleine Schritte gewesen und so war Käthe nicht wirklich motiviert.
      Auch mit den beiden ging ich noch einmal die Übungen von vorher durch und ließ mir bei jeder Übung sehr viel Zeit. Das war auch besonders wichtig für Smooth Gravity. Die Stute neigte schnell zur Hektik, wenn man ihr nicht lieber zu viel Zeit gab.
      Wir arbeiteten noch einmal viel an dem Heranholen und bauten als wichtiges Signal den schwingenden Stick ein. Auf diesen leichten Druck reagierte die Stute sehr gut. Es galt: Wenn du auf den Druck hin zu mir kommst, ist er sofort weg. Und genau das schien eine gute Art und Weise für die Stute zu sein.
      So nahmen wir ihr auch auf anderem Wege die Angst vor dem Druck. Klappte dies, gingen wir über zum Zirkeln. Dort gingen wir sehr kleine Schritte, denn schon ein viertelster Zirkel war bei Smooth ein großer Erfolg und Käthe sollte sie sofort reinholen. So machten wir den Zirkel Schritt für Schritt vollständiger ohne, dass Smooth sich losreißen oder losrennen wollte.
      Zwischenzeitlich ließen wir Smooth immer mal einige Pausen und ich baute das sehr beliebte „Stick to me“ ein, was in der Parelli Arbeit gerne genutzt wurde. Dabei wurde das Pferd in fünf Zonen aufgeteilt und dort jeweils mit dem Stick berührt. Sobald es seine Aufmerksamkeit dem Menschen zuwandt, verschwand der Stick.
      Wir vereinfachten das Ganze in Hals, Rücken und Hinterhand. Smooth wurde dadurch jedoch zum einen sensibler auf Käthes Signale und andererseits aber auch entspannter bezüglich Berührungen. Mit dem Paar wagte ich dann auch einen ganz anderen Schritt. Nachdem Käthe die Stute noch ein paar Mal um sich herumlongiert und auch auf Kommando super reinholen konnte, bat ich sie, den Strick zu lösen.
      Erste Reaktion von Smooth Gravity war ein simples loslaufen und gefühlt weglaufen. Tatsächlich trabte sie zwar los, blieb aber auf einem großen Zirkel um Käthe herum. Sie war das einzige was sie kannte und was in der Situation vertraut war.
      Smooth war zwar problematisch, aber sie schätzte Käthes Mühen. „Und du suchst dir jetzt einen Moment, in dem du dich kleiner machst, leicht rückwärts gehst, den Stick schwingst und sie rufst. Und du hörst nicht auf, bis sie zu dir kommt“, erklärte ich und sah deutlich das Zweifeln in Käthes Blick.
      Doch sie tat es. Nachdem Smooth mit erhobenen Schweif noch einmal eine Runde gedreht hatte, machte Käthe sie mit einem Kommando auf sich aufmerksam, verkleinerte sich in ihrer Körperhaltung und schwang den Stick. Ein Ohr von Smooth richtete sich sofort auf Käthe und sie blieb in der Ecke der Halle stehen und drehte den Kopf zu Käthe. Doch sie zeigte keine Ambitionen zu kommen.
      Auch wenn Käthe sich vermutlich doof vorkam, machte sie weiter und versuchte Smooth zu motivieren. Die nächsten Sekunden waren gefühlt ewig, doch dann zuckte Smooth und trabte tatsächlich auf Käthe zu. Ein paar Meter vorher parierte sie auch zum Schritt durch und trat bis an ihre Besitzerin heran.
      Mit einem deutlichen Schnauben und dem Senken des Schweifes gab sie auch ihre Zufriedenheit preis und ließ sich doch gerne von Käthe die Stirn kraulen. Die war überglücklich darüber, denn damit gerechnet hatte sie definitiv nicht.
      „So blöd es klingt, aber manchmal muss man sich selber erst einmal ein bisschen albern machen. Smooth ist ein Pferd, das unglaublich sensibel und eigentlich sehr menschenbezogen ist. Und gerade wie jetzt an einem neuen Ort mit neuen Leuten, da zeigt sich dann doch die bereits vorhandene Bindung zu dir. Da bist du ihre Sicherheit und ich denke, das wird mit der Zeit auch noch besser werden!“
      Ich bat Käthe noch einmal, Smooth zurückzurichten, indem sie sich nur leicht aufbaute und nach vorne lehnte. Smooth reagierte wirklich sofort und genauso reagierte sie umgekehrt auf das Herholen. Die Stute schien allmählich auch deutlich Gefallen an diesem Spiel zu finden.
      Die beiden hatten heute einen großen Schritt gemacht. Ich erklärte Käthe, dass es noch dauern würde mit Smooth, aber wenn sie weiterhin so gut dranblieb, würde sie irgendwann ein tolles und fleißiges Pferd vor sich haben.
      Sichtlich müde verließen die beiden dann die Halle und machten Platz für Tiara und Quicksilver. Die beiden traten inzwischen auch schon wesentlich entspannter auf als heute Morgen. Ich fragte Tiara vorher nach ihren Wünschen, aber sie schien aktuell recht glücklich. Also entschied ich, ihr noch mehr theoretischen Input mitzugeben.
      Grundlegend war die Beziehung zwischen ihr und der Stute nämlich auf einem guten Level und mit mehr Routine würde diese sich auch festigen. Wir gingen also ebenso noch einmal als Aufwärmung die Übungen vom Vormittag durch und wechselten dann zum Zirkeln.
      Darauf wollte ich gerne den Fokus legen, denn es erforderte von Quicksilver Konzentration. Sie musste sofort mitbekommen, wenn Tiara ihr das Kommando zum Reinholen gab. Das erste Mal verpasste sie es, kam aber verspätet rein. Sie hatte verstanden was sie sollte. Aber auch das zweite Mal kam ihre Reaktion noch verzögert.
      Erst beim dritten Mal reagierte sie wirklich sofort. Das Ganze übten wir auch noch im Trab und Galopp und anscheinend schien Quicksilver gefallen daran zu finden, so dass sie im Galopp auch beinahe etwas zu motiviert auf Tiara zugestürmt kam und das Halten kaum packte.
      So gingen wir drei zu dem Seitwärts an der Bande über. Wieder erforderte es viel Konzentration von der Stute, aber diesmal auch von Tiara. Erstmal sollte auch sie Quicksilver von links nach rechts zirkeln und dann erst beim zweiten Mal loslaufen.
      Beim ersten Mal lief sie etwas zu spät los, so dass Quicksilver nur zwei Seitwärtsschritte machte und dann etwas verwirrt vor der Bande stand. Also noch einmal. Beim zweiten Mal gab ich Tiara direkt ein Kommando und es klappte. Quicksilver lief in schöner Selbsthaltung seitwärts.
      Auf der schlechten Seite der Stute brauchten wir ein wenig mehr Zeit, denn sie versuchte sich erst davor zu drücken. Also gingen wir einen Schritt zurück und fragten es im Schritt ab. Als Quicksilver da willig reagierte, klappte es auch im Trab direkt viel besser.
      Den Abschluss unserer Einzelstunde bildete noch einmal das Jojo-Spiel, bei welchem Tiara die Stute rückwärts schicken und dann wieder herholen sollte. Nach den heutigen Übungen lief das auch schon viel flüssiger ab als am Morgen. Tiara war sichtlich zufrieden mit dem Input und auch Quicksilver schien nicht unglücklich.
      16 Uhr waren dann Dark Royale und Bernie an der Reihe. Die beiden waren normalerweise vermehrt klassisch unterwegs, aber sehr offen für Neues. Dementsprechend motiviert trat Bernie auch in die Einzelstunde. Wir klärten zu Beginn noch aufgekommene Fragen vom Morgen, denn Bernie war jemand, der gerne Genaueres wissen wollte und auch einmal hinterfragte.
      Wir gingen nur noch einmal kurz die Übungen vom Morgen durch, denn diese Grundlagen saßen bei Dark Royale nun schon. Generell brachte der Hengst ein sehr gutes Grundgehorsam mit und mit der souveränen Bernie an seiner Seite gaben die beiden ein gutes Paar ab.
      Man merkte ihnen auch kaum an, dass sie sich erst seit kurzem miteinander beschäftigten. In Bezug auf die Ausbildung des Hengstes wollte ich also Bernie vorzugsweise die Grundlagen des Longierens an die Hand geben. Das Zurückschicken und Herholen saß schon recht gut, nun ging es also weiter mit dem Verschieben der Vorderhand auf Entfernung. Das war schlichtweg der Schritt, um Dark Royale auf den Zirkel zu schicken.
      Also rückwärts, dann seitwärts und dann vorwärts. Das erste Mal war von Dark Royales Seite etwas zögernd, wollte er doch erstmal wissen, ob Bernie die Kommandos denn wirklich so meinte. Danach klappte es aber einwandfrei auf beiden Händen.
      Ab und an musste sie den Hengst noch korrigieren, dass er wirklich auf dem Zirkel blieb und nicht kleiner wurde, anhielt oder zu ihr gelaufen kam. Aber mit der Routine wurde das immer besser. Auch im Trab klappte es schon gut. Den Galopp ließen wir vorerst außen vor, denn ich wollte mich vorzugsweise mit dem Wenden auf der Zirkellinie beschäftigen.
      Nach einem Versuch war das aber geklärt. Ich fragte Bernie, wie sie es an ihrer Stelle handhaben würde, sie machte es nach Gefühl und Dark Royale reagierte. Kurzum hatte er die Hand gewechselt und die Arbeit konnte weitergehen. „Wozu braucht ihr mich überhaupt?“, fragte ich grinsend und entschied, zur nächsten Übung weiterzugehen.
      Wir beschäftigten uns auch hier mit dem Seitwärts im Schritt und im Trab. Da Bernie aber kein Fan von der Banden-Variante war und ich sie auch so weit einschätzte, dass es ohne klappen würde, gingen wir direkt einen Schritt weiter. Die passende Position fürs Seitwärts saß bei Dark Royale sehr schnell. Sobald sich Bernie leicht an der Flanke befand und Druck ausübte, ging er seitwärts.
      Irgendwann reichte diese Position, also bat ich sie, mit dem Hengst auf dem Zirkel zu laufen und dann anzutraben. Wenn die beiden auf die offene Seite kamen, sollte Bernie von der gewohnten Longierposition nach hinten rutschen zu unserer eingeübten Position und sobald Dark Royale auch nur ansatzweise zur Seite schritt ausgiebig loben und wieder in die ursprüngliche Position gehen.
      Am Anfang war es eben wirklich nur ein Ohr nach hinten und ein leichtes Weichen mit der Hinterhand. Nach einigen Loben und Motivation nahm der Hengst jedoch jedes Bein in die Seitwärtsbewegung mit und ging im Trab seine ersten Seitwärtsschritte.
      Dafür hatte er sich eine ausgiebige Pause verdient. Zum Abschluss der Einzelstunde machten wir das Ganze noch einmal auf der anderen Hand und beendeten die Stunde dann mit einem super Ergebnis. Drei sehr saubere Schritte hatte der Hengst seitwärts hingelegt. Für einen Tag waren das schon wahnsinnig gute Ergebnisse und auch Bernie war sichtlich zufrieden mit ihrem Schützling.
      Und so neigte sich der Tag auch allmählich dem Ende und der letzte Teilnehmer stand vor mir. Es war Collin mit Mayor Jetsetter Oak. Der fünfjährige Dun blickte sich aufmerksam um, aber so langsam nahm die Anspannung im Pferd ab und wurde ruhiger.
      Wir gingen auch noch einmal die Übungen vom Vormittag durch und klärten noch offene Fragen. Wichtig waren bei Mayor viele Pausen, welche wir mit einem Gefühl von Sicherheit verknüpften. Der Hengst mochte sehr gerne Streicheleinheiten, also war das ein idealer Weg der Belohnung.
      Wir begannen als nächstes mit dem Zirkeln. Anders als bei den Vorgängern klappte das Reinholen von Mayor immer sehr gut, aber das Rausschicken und Draußenbleiben war bei dem Hengst gar nicht so einfach, denn nur zu gerne wollte der Quarter in die Mitte zum sicheren Punkt und dort stehen bleiben.
      Mit kleinen Schritten bauten wir uns also den Zirkel auf und es wurde von Mal zu Mal besser, bis Collin den Hengst ohne Probleme im Schritt und Trab um sich herum zirkeln konnte. Sogar ohne sich mitzubewegen, so dass der Hengst sich alleine um seinen Besitzer bewegte und auf dessen Kommandos wartete.
      Die beiden gewannen durch den heutigen Tag immer mehr Vertrauen zueinander und abseits von all den Lektionen, war dies wohl der wichtigste Effekt des Kurses. Wir arbeiteten daraufhin noch ein wenig an der Vorhand- und Hinterhandwendung und danach an dem Seitwärts.
      Auch bei dem Paar machte ich schon den Schritt zum Seitwärts im Trab. Vorher arbeiteten wir jedoch daran, dass Mayor auch neben Collin hertrabte, wenn der im normalen Tempo weiterlief. Das war wichtig, damit Collin in Ruhe Positionen wechseln und die Kommandos geben konnte.
      Bei Mayor dauerte es ein Weilchen bis er verstand, was Collin von ihm verlangte, so gingen wir weg vom Zirkel und erarbeiteten uns das Seitwärts vorerst an der Bande. Durch die vordere Begrenzung fiel es den Pferden leichter, den Druck des Menschen richtig einzuordnen und sobald das saß, gab es ein ausgiebiges Lob.
      Auch die beiden hatten heute viel geschafft und verließen sichtlich zufrieden die Halle. Ich schaute ihnen lächelnd nach, denn auch ich hatte den heutigen Tag geschafft. Nach den Einzelstunden erwartete die Gruppe zunächst ein ordentliches Abendessen und dann ein gemütliches Beisammensein mit Reden im Kaminzimmer. Dort gab es außerdem noch Tee und Kekse und ich gesellte mich auch dazu.
      Hier konnte man ideal noch einmal den vergangenen Tag Revue passieren lassen. Erfahrungen und Geschichten wurden ausgetauscht und noch offene Fragen wurden beantwortet. Gerne wurde ich für fachliche Fragen als Ansprechpartner genutzt. Aufgrund der weiten Fahrtwege aller Gäste endete der Tag relativ früh. Ich verabschiedete mich von der Gruppe und bedankte mich für den wirklich schönen Tag.
    • Rhapsody
      Alte Pflegeberichte
      5/8

      chapter thirteen
      13. März 2018 -- Rhapsody

      Ironic | PFS' Gamble Away | Quarterback
      Ares | Painted Blur | Paramour
      Dark Royale | Doineann | Pacco

      "Ich glaube," sagte Cat und versuchte sofort wieder, die Haare, die ihr sofort in den Mund geflogen waren, mit Pusten loszuwerden.

      Bernie hatte gleich nach dem ersten Mal gelernt - Putzen musste in den nächsten Wochen stumm vonstatten gehen. Zum Extra-Schutz hatte sie auch nochmal ein Tuch über die Nase und den Mund gelegt. So blieben Blurrys Haare überall aber nicht in ihrem Mund, wenn sie mit dem Striegel über die Kruppe des Hengstes ging.
      Cat schien das lästige Haar losgegangen zu sein. "Ich glaube," fing sie nochmal an, "dass jetzt Frühling ist."

      "Soll ich dich daran erinnern, dass wir letzte Woche noch 'nen Komplettausfall hatten?" fragte Bernie, ihre Stimme ein bisschen gedämpft hinter dem Tuch. Snafu und Beau hatten ihr vor eineinhalb Wochen erklärt, dass England - im Gegensatz zu Neuengland - nicht jeden Winter von unendlichen Schneemassen überschüttet wurde. Sie fand die paar Zentimeter, die alle Schneechaos nannten, zwar eher niedlich, aber anscheinend war das wirklich ein Problem hier.

      Mittlerweile war der Schnee größtenteils geschmolzen, die Rohre enteist und alles war wieder beim alten - inklusive Regen. Auch jetzt sah sie misstrauisch aus dem Stalltor nach außen, dann wieder zu Cat, die gerade Ironics Bauch vom Winterfell befreien wollte. Der Himmel war stahlgrau, es war windig, wenn es auch gerade nicht regnete. "Wenn das der englische Frühling ist, dann weiß ich auch nicht."

      "Das riecht man," machte Cat einfach weiter, als hätte sie Bernie nicht zugehört, als hätte sie nicht mal nach draußen geguckt - als würde ihre Regenjacke nicht über Ironics Box liegen.

      Seufzend ließ Bernie den Striegel wieder in Blurrys Putzbox fallen. Der Hengst hatte gedöst, schreckte von dem Geräusch aber wieder auf. Er genoss das Putzen richtig - im Gegensatz zu Ares, bei dem Bernie aufpassen musste, dass er ihr dabei nicht auf die Füße trampelte. Mit einem Stück Karotte belohnte sie den Holsteiner und stellte ihn dann nochmal kurz in die Box.

      Sie war schon fast fertig mit Ares, mit dem Tuch über der Nase und dem Striegel in der Hand, als Cat laut pustend anscheinend mit Ironic fertig war - oder aufgegeben hatte, wie es beim Putzen im März wohl eher der Fall war. "Bist du immer noch nicht fertig?" rief sie grinsend über den Rücken des Hannoveraners hinweg. Bernie winkte ab, ohne Cat eines Blickes zu würdigen.

      Als dann auch der braune Hengst von einem guten Teil des Winterfells befreit war, warf Bernie sowohl Ares als auch Blurry eine Regendecke über - sicher war sicher. Auch Ironic wurde eingedeckt, aber aus eher praktischen Gründen; Ares und Blurry genossen den Deckhengst-Urlaub, wurden nur alle paar Tage geritten und würden in ein paar Wochen Stuten besuchen - Training war also abgesagt. Ironic hingegen sollte so trocken wie möglich bleiben, damit er für seine Leistungsprüfung fit blieb und vor allem: damit er sich nicht komplett einsauen konnte auf dem matschigen Paddock.

      (Heath hatte bei der Begründung natürlich nur mit den Augen gerollt, aber irgendeinen Sinn schien der Stallmeister auch darin zu sehen - immerhin riss er dem Hengst die Decke nicht herunter.)

      Bernie ging mit Ares und Blurry voraus; Cat kam mit Ironic hinterher. Zu dritt konnten die Hengste nicht auf den Paddock; Ares und Blurrys waren zwar beste Buddys, aber Ares war kein Fan von Ironic. Wenn Bernie ehrlich war, konnte sie ihn da auch ganz gut verstehen - Ironic war zu hibbelig, zu unentspannt, um für Ares als Weidekumpel zu passen. Also kamen Bernies Jungs zusammen auf den Paddock, und Ironic zu den zwei Ponyhengsten Paramour und Pacco.

      Als Bernie die beiden Hengste losmachte, stürmte der Braune sofort in großen Sätzen ans andere Ende des Paddocks, legte dort eine Vollbremsung ein und buckelte dann in einem großen Bogen über den Sand. Blurry hingegen blieb bei Bernie stehen, guckte seinem Weidekumpel zu und senkte dann den Kopf, um nach etwas Essbarem zu suchen. In einer Ecke stand eine kleine Heuraufe, überdacht und geschützt; dorthin verkrümelte sich der Holsteiner sofort.

      Ein paar Minuten blieb Bernie am Zaun stehen, dann fiel ihr der erste Regentropfen auf die Nase. Bis sie zurück im Stall war, war aus dem Tröpfeln schon der nächste Schauer geworden.

      Zurück im B-Stall war Cat schon wieder beim nächsten Pferd - dem Neuen mit der außergewöhnlichen Farbe. Er war jetzt schon ein paar Wochen auf dem Hof, hatte aber ein ziemlich dünnes Nervengewand und wurde deswegen erst seit ein paar Tagen trainiert. Und mit Cat hatte er da eigentlich die perfekte Reiterin gefunden - sie hatte irgendwie herausgefunden, wie man ein solches Pferd vor allem in brenzligen Situationen wieder runterbekommt und gleichzeitig konsequent bleibt. Und das konnte sie bei einem Pferd, das bei der Ankunft schon seitwärts vom Transporter gesprungen war und anschließend wie bekloppt über die Anlage gerannt war, gut gebrauchen.

      (Quarterback hatte sich zum Glück nichts getan - das einzige, was angeknackst gewesen war, war Beaus Ich-bin-der-ultimative-Pferdeflüster-und-kann-jedes-Pferd-mit-bloßer-Willenskraft-halten-Ego.)

      Eigentlich sollte Bernie selber mit ihrer Arbeit vorankommen, damit sie rechtzeitig fertig wurde, um mit Leslie später ins Kino zu fahren. Trotzdem streckte sie dem neuen Hengst ihre Finger zum Beschnüffeln entgegen. Mit gespitzten Ohren streckte er sich zu ihr hin, drehte sich aber sofort wieder zu Cat um, als diese neben seiner Schulter auftauchte und den Hufkratzer in die Putzbox warf.

      "Was steht auf dem Plan?" fragte Bernie und lehnte sich an die nächstbeste Box.

      "Für dich?" antwortete Cat und krabbelte unter dem Strick hindurch. "Fegen. Für uns longieren."

      Kritisch musterte Bernie die Stallgasse; ein Mix von schwarzen, rotbraunen und hellbraunen Haaren lag über den Boden verteilt, und wenn das liegen blieb, bis die Stallburschen zurückkamen, würde Cooper sie wohl einen Kopf kürzer machen. Mit einem Seufzen ging sie also in die Futterkammer, krallte sich einen Besen und eine Schaufel.

      Beim Zurückgehen kam ihr eine Idee. "Sag mal, können wir später mal was ausprobieren?"

      Cat hatte mittlerweile mit dem Anlegen der Gamaschen begonnen, blickte aber zweifelnd zu Bernie hinauf. "Irgendwie mag ich nicht, wie das klingt."

      Bernie rollte mit den Augen. "Meine Güte, hab doch mal ein bisschen Vertrauen in mich. Ich wollte nur mal gucken, wie sich Dark Royale so mit anderen Hengsten versteht."

      "Steht er nicht gerade in diesem Moment mit Donnie auf 'nem Paddock?"

      "Ja, aber mal mit einem fremden Hengst. Und vielleicht tut das Quarterback auch mal gut, weißt du? Das ist ja ein bisschen mehr als nur über die Boxenwand beschnuppern."

      Cat war einige Augenblicke still - die Pferde waren alle auf Paddocks verteilt oder bei der Arbeit, man hörte also nur das Geräusch des Besens auf dem Boden und das Öffnen der Klettverschlüsse an den Gamaschen. Dann seufzte Cat. "Von mir aus. Aber nur, wenns gut geht."

      "Du bist der beste Mensch auf der Welt, Cat."

      "Ach, halt doch die Klappe."

      Noch bevor Bernie mit dem Kehren fertig war, verließ Cat den Stall. Und auch Bernie musste wieder hinaus in den Regen und Dark Royale von seinem Paddock holen. Normalerweise teilte er sich diesen mit Doineann und Gamble Away - Gambit war aber mit Leslie unterwegs und somit blieb das Schimmelpony alleine zurück. Bis auf ein kleines Wiehern schien Donnie das aber wenig auszumachen; er hatte seinen Kopf schnell wieder ins Heu gesteckt und schien sich mit Fressen von der Trennung abzulenken. Royale folgte Bernie mittlerweile motiviert und blieb nicht mehr an jeder Ecke stehen, um zu schnuppern.

      Bernie hatte eigentlich gedacht, dass sie sich viel Zeit beim Putzen ließ, aber die Entscheidung hatte ihr Royale schon abgenommen: von oben bis unten war er voll Matsch, teilweise trocken, teilweise noch feucht. So gut wie möglich schrubbte Bernie und befreite den Rappen so von etwa 97% des Matsches - beim Rest verschmierte sie mit jedem Bürstenstrich nur noch mehr Fell mit Matsch. Also zuckte sie mit den Schultern, sagte sich, dass man das auf dem Schwarz nicht so sah, und löste dann die Anbindestricke.

      Im Inneren der Führanlage war ein Longierzirkel, auf dem Cat Quarterback im Schritt freilaufen ließ. "So viel zum Thema Longieren," rief ihr Bernie vom Tor der Führanlage zu. Mit einem kleinen Pfiff machte Cat den Hengst auf sich aufmerksam, ließ ihn zu sich in die Mitte kommen und winkte dann Bernie zu sich. Dark Royale schnaubte, als er das andere Pferd entdeckte, und auch Quarterback hatten den Kopf hoch und die Ohren gespitzt. Nachdem das Tor zur Führanlage geschlossen war, machte Bernie Royale auch schon das Halfter ab - sollten sich die Hengste nicht miteinander verstehen, wollte sie lieber nicht dazwischen stehen. Auch Cat ging ein paar vorsichtige Schritte zurück.

      Dark Royale, ganz der Charmeur, ging mit leichten, federnden Schritten und aufgestelltem Schweif zu Quarterback. Der bunte Hengst schien wie eingefroren; nur seine Ohren spielten hin und her, klappten nach vorne, zur Seite, nach hinten und wieder nach vorne. Ein paar Augenblicke beschnupperten sich die beiden, dann zwickte Royale dem anderen Hengst in den Hals, drehte auf der Hinterhand um und trabte in einem großen Bogen um Quarterback herum. Dieser blieb erst mal kurz verdattert stehen, bis Royale ihn nochmal in den Hals zwickte. Ein paar Runden jagten sie sich gegenseitig durch den Longierzirkel, blieben dann letztendlich stehen - ruhig, nur mit dem ein oder anderen spielerischen Biss in die Schulter oder Brust.

      Als Bernie sich zu Cat umdrehte, sah sich diese das immer noch skeptisch an. "Ach komm schon," sagte Bernie und stupste Cat mit ihrem Ellenbogen an. "Da wird noch eine ganz dicke Männerfreundschaft draus, das sag ich dir."
    • Rhapsody
      Alte Pflegeberichte
      6/8

      chapter sixteen
      12. Mai 2018 -- Rhapsody

      Ares | Painted Blur
      Dark Royale | Mánas | Painted Taloubet

      „Du wurdest also befördert zur Kindergärtnerin?“

      Bernie warf Leslie einen bösen Blick zu. Ihre Zimmerkameradin lümmelte auf ihrem Bett herum, noch in Jogginghosen, noch nicht einmal annähernd arbeitsfertig. Bernie hingegen hatte schon ihre Reithose an, die Regenjacke lag parat über den Schreibtischstuhl, der Reithelm auf dem Tisch.

      Vielleicht lag das daran, dass Leslie momentan ein Pferd bespaßte, während auf Bernies Plan drei standen – vier, wenn sie noch Zeit hatte.

      „Weniger Kindergärtnerin, mehr Vorschullehrerin. Erstklasslehrerin?“ Bernie band sich die Haare zu einem strammen Pferdeschwanz zusammen und sah Leslie durch den Spiegel über der Kommode an. „Irgendwie sowas.“
      Mit einem dramatischen Seufzer ließ sich Leslie noch mehr auf ihre Kissen fallen. „Ich an deiner Stelle würde ja eingehen. Dieser Stress—“

      „Wenn man um halb acht schon fertig angezogen ist, geht der Stress auch,“ murmelte Bernie. Dann fiel ihr Blick auf den Kalender über ihrem eigenen Bett. „Warte – heute ist Mittwoch. Du musst nicht mal ein Pferd reiten.“

      „No shit, Sherlock,“ antwortete Leslie mit einem selbstgefälligen Grinsen.

      „Dann sehen wir uns heute Nachmittag. Du, ich, Blurry und Ares.“

      Daran, dass Leslie nicht sofort protestierte, erkannte Bernie, dass dieser der Vorschlag gar nicht so doof vorkam. Jetzt spielte auch um ihre Lippen ein zufriedenes Lächeln, und sie packte den Helm und die Jacke. Von Leslie bekam sie noch ein „Viel Spaß“, hinterhergerufen, dann war sie auch schon in den Stiefeln und aus dem Haus.
      Der Morgen begann dann erst mal ruhig, mit Painted Taloubet. Der Junghengst war mittlerweile drei Jahre und, bevor es für ihn nochmal einen Sommer auf die Weide ging, sollte er schon mal ein paar Grundlagen kennenlernen. Deswegen hatte Leslie Bernie auch Kindergärtnerin genannt; sie war momentan für den Großteil der Jungen zuständig. Mit Ares im Deckeinsatz hatte sie viel freie Zeit, und zuhause hatte sie auch beim ein oder anderen Jungpferd mitgeholfen. Anscheinend gefiel sowohl den Trainern als auch Esther selbst, was sie da fabrizierte – sollte sich nicht bald ein neues Reitpferd finden, sollte Bernie sich überlegen, ob sie sich nicht ganz der Jungpferdeausbildung widmete.

      Taloubet stand gemeinsam mit Doineann auf einem Paddock in der Nähe des C-Stalls. Erst schrie das Connemarapony seinem besten Freund laut und lange nach, aber sobald Taloubet um die nächste Kurve war, hörte man ihn auch schon nicht mehr.

      Das Führen klappte schon gut – die meiste Zeit folgte er Bernie unauffällig, nur ab und zu kam dann sein Charakter durch. Mit einem Zungenschnalzen forderte Bernie dann seine Aufmerksamkeit, weg von den Gespenstern in den Büschen, wieder zu ihr. Erstmal ging es für die beiden in den C-Stall – hier war sein Zuhause. Gemütlich striegelte Bernie ihm das Fell, bürstete das letzte Winterfell heraus, verlas den Schweif und ließ den Hengst schließlich alle vier Hufe geben – immer und immer wieder. Langsam hatte Taloubet da auch den Dreh raus und hob das Bein schon, als Bernie nur das innere Karpalgelenk berührte.

      Nachdem das Putzen beendet war, nahm Bernie den Longiergurt. Der war nur zu Übungszwecken da – dadurch konnte Taloubet das erste Gewicht auf seinem Rücken kennenlernen, genauso wie das Verschnallen um den Bauch. Wirklich begeistert war er davon noch nicht; kaum lag der Gurt auf seinem Rücken, wurde er rastlos, ging immer mal wieder einen Schritt nach vorne, nach hinten, zur Seite. Bernie versuchte ihn mit guten Zusprüchen zu beruhigen, und nach zehn Minuten zeigte das auch Wirkung. Sie nahm den Longiergurt wieder ab, ließ ein paar Augenblicke vergehen, dann versuchte sie es nochmal. Und nochmal und nochmal, bis Taloubets Ohren nur noch ein wenig spielten, als der Gurt auf seinem Rücken lag. Mit viel Streicheleinheiten und Leckerlis belohnte Bernie den jungen Hengst schließlich und ließ es dann für den Tag gut sein. Noch ein paar Möhren, dann kam Taloubet wieder zu seinem Kumpel Donnie zurück auf den Paddock. Donnie selbst würde noch mehr Zeit kriegen – im Gegensatz zu Taloubet war er das totale Kind.

      Nach Taloubet war der nächste Junghengst dran: Dark Royale. Letzte Woche hatten Bernie und er ihre erste Longeneinheit absolviert – eineinhalb Monate nach dem Plan, aber besser spät als nie. Mit Kappzaum und Longe ging es dann wieder in den Zirkel.

      Bernie bemerkte immer wieder, dass Dark Royale am liebsten schon in allen drei Grundgangarten laufen würde – ihr war aber eine gründliche Ausbildung wichtig, und so blieb sie auch heute erst mal nur im Schritt. Rausschicken, reinholen, stehen bleiben – diese Lektionen standen heute auf dem Plan. Ein paar Anläufe brauchte es, bis Royales Eifer nicht mehr mit ihm durchging, und er auf die Kommandos anständig hörte. Zum Schluss wagte Bernie dann doch noch einen kleinen Trab – er sah aus wie der erste Trab an der Longe, aber Royale schnaubte zufrieden, und die richtige Haltung war eh Bestandteil einer anderen Einheit. Ausgiebig lobte sie ihn und, weil das die größte Belohnung für den Rappen war, ließ sie ihn zum Schluss noch ein bisschen freilaufen. Mit großen Galoppsprüngen sprang er durch den Zirkel und kam dann schließlich von sich allein wieder in die Mitte, als wolle er sagen: Gut, bin fertig. Gehen wir jetzt?

      Für Bernie stand jetzt erst einmal Mittagspause fest; dann schleppte sie Leslie zu Ares‘ und Blurrys Weide. Blurry schien absolut nichts gegen den fremden Reiter in seinem Sattel zu haben, und so wurde der kleine Ausritt zur Entspannung für Reiter und Pferd.

      „Und jetzt, wo du schon früher Feierabend hast,“ meinte Leslie, als sie Blurrys verschwitztes Fell bürstete, „können wir auch ein bisschen Spaß haben.“

      Bernie zögerte. „Was meinst du mit Spaß?“

      Leslie zuckte mit den Schultern. „Beau schuldet mir noch was, und Snafu muss seinen Frust irgendwo ablassen.“

      Bernie seufzte. „Wir gehen also in eine Bar.“

      „Wow,“ sagte Leslie und schnallte Blurry von den Stricken ab. „Du kannst ja Gedanken lesen.“
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      Alte Pflegeberichte
      7/8

      chapter twenty one
      04. Januar 2019 -- Rhapsody

      Cíola | Paramour | Siana | Doineann | Medeia | Minou | Mánas
      Cobain | Quarterback | PFS' Scion d'Or | PFS' Gamble Away | Dark Royale | Painted Taloubet | Dark Innuendo
      Ares

      Das alte Jahr ging auf Sandringham Manor leise zuende. Während über die Weihnachtsfeiertage die meisten bei ihren Familien zuhause saßen, waren zu Silvester wieder alle auf dem Hof. Es gab kein Feuerwerk, um die Pferde nicht unnötig zu erschrecken; allerdings sah man die Raketen der Nachbarn in einiger Ferne den Himmel erleuchten.

      Für Bernie war Silvester nur eine kleine Verschnaufspause – sie arbeitete jetzt fast jeden Tag mit den Jungpferden und Cobain. Vor wenigen Tagen hatte sie den ersten halbwegs erfolgreichen Reitversuch auf dem Vollblut abgelegt. Zwar war es noch weit von dem entfernt, was es einmal sein sollte, trotzdem war Bernie zufrieden mit dem Hengst. Dafür zeigte sich Dark Royale mehr als ehrgeizig unter dem Sattel; mit ein bisschen Glück konnte der Hengst im Frühjahr voller Tatendrang in seine erste Turniersaison starten. Und auch Painted Taloubet und Dark Innuendo schien die Arbeit langsam Spaß zu machen; bis jetzt war es nur ein bisschen Bodenarbeit, denn vor allem Jitterbug hatte noch genug Zeit, um großzuwerden. Ab und zu durfte sich Bernie dann doch noch in den Sattel schwingen und Ares weiter ausbilden. Nach den zwei Monaten, die er jetzt wieder in ihrer Obhut war, hatte sie den großen Hannoveraner auf ein gutes Level gebracht. Auf dem stallinternen Neujahrsturnier würde sie ihn dann in einer M**-Dressur vorstellen; die Lektionen hatten die beiden die letzten Wochen bis zum Vergasen geübt und sie rechnete sich gute Chancen aus.

      Leslie und Snafu waren um diese Jahreszeit oft im Gelände unterwegs. PFS‘ Gamble Away genoss eine Winterpause weg von der Rennbahn, während PFS‘ Scion d’Or den Sommer auf der Weide sichtlich genossen hatte. Nächstes Jahr soll Goldie ähnlich wie Cobain „umgesattelt“ werden, in der Hoffnung, die kleine Stute fühle sich im Busch deutlich wohler als auf der Bahn. Das bedeutete allerdings auch, dass Snafu sie an einen anderen Jock weitergeben müsste – also will er die Zeit, die ihm noch blieb, intensiv mit der jungen Stute verbringen. Gambit hingegen soll sich noch einmal beweisen – ihm macht das Rennen deutlich mehr Spaß und das zeigt sich auch an den Schleifen an seinem Spind. Sowohl Leslie als auch die Senior Trainer sahen in ihm aber noch ganz viel unentdecktes Potenzial, das er früher oder später ebenfalls unter Beweis stellen konnte. Aber jetzt noch nicht, noch darf er mit Leslie über das Gras rennen.

      Cat hat sich bereits nach einer neuen Arbeitsstelle umgesehen, sich dann aber trotzdem erstmal dazu entschieden, bei Quarterback zu bleiben. Mittlerweile sind die beiden ein eingespieltes Team; sollte Cat den Hof doch noch verlassen, plant sie, den Trakehnerhengst zu kaufen. Dafür will sie 2019 so viel Geld wie möglich zurücklegen, um sich diesen Traum zu erfüllen.

      Es wird außerdem gemunkelt, Esther hätte etwas mit den Ponys vor. Mit ihren Enkeln wieder in der Schule. Jemand der Jocks soll gehört haben, wie sie von einem Bekannten in Irland sprach, der wohl Interesse an Doineann, Medeia und Minou geäußert hätte – jemand anderes behauptete, er wolle den Kaufvertrag für Mánas schon unterzeichnet auf Esthers Schreibtisch liegen gesehen haben. Noch sind alle Ponys da, inklusive Siana, Paramour und Cíola – ob und wie lange die Ponys noch bleiben, ist ungewiss.

      Bis jetzt spricht nichts dagegen, dass 2019 ein gutes Jahr für Sandringham Manor wird. Als das Feuerwerk in der Ferne langsam abklingt und die letzten Wunderkerzen heruntergebrannt waren, sammelten alle ihre Sektflaschen und Gläser wieder zusammen und machten sich fertig fürs Bett. Immerhin war morgen ein neuer Tag, und der begann für viele schon um fünf Uhr morgens.
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      Alte Pflegeberichte
      8/8

      chapter twenty two
      09. Juni 2019 -- Rhapsody

      Cíola | Paramour | Siana | Doineann | Medeia | Minou | Mánas
      Cobain | Quarterback | PFS' Scion d'Or | PFS' Gamble Away | Dark Royale | Painted Taloubet | Dark Innuendo

      Der Sommer hatte sich allmählich auch nach England geschlichen. Doch heiße Tage bedeuteten nicht, dass man sich ausruhen konnte. Bernie und Leslie hatten allerhand zu tun – Leslie arbeitete zwar nach wie vor für Sandringham Manor, hatte aber in Absprache mit Esther die ein oder anderen auswärtigen Jobs angenommen und war fast jedes Wochenende auf der Rennbahn. Wenn sie nicht gerade dafür trainierte, half sie Bernie und Cat so gut es ging. Gambits Rennkarriere war noch nicht vorbei, Goldie hingegen sollte langsam an die feine englische Reitkunst herangetragen werden – und einem wenn auch nicht großartig erfolgreichem Renn-Galopper zu sagen, er müsse jetzt ruhig bleiben und am besten noch schön den Hals annehmen, war eine Aufgabe für sich. Bernie hatte als Ausgleich noch mit den noch nicht eingerittenen Jungpferden zu tun und das genoss sie sichtlich. Und auch Cat, die sonst sehr auf ihre Sportkarriere versteift war, musste verletzungsbedingt eine Auszeit nehmen – vor wenigen Wochen war sie vom Pferd gestürzt und hatte sich dabei das Handgelenk gebrochen. Und während das verheilte, packte sie so gut wie möglich im Stall an.
    • Rhapsody
      Steenhof, 21. Oktober
      Dark Royale, Quarterback
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      Mit Schwung fuhr ich die letzte Schubkarre voller frischem Stroh in die Box im Hengststall. Die restlichen Jungs waren alle auf der Koppel – nicht einmal Peanut und Jelly machten irgendein Geräusch (wahrscheinlich, weil sie irgendwo faul in der Ecke lagen und schnarchten). Nur das Rascheln des Strohs, als die letzten Halme auf den Boden fielen.

      Eben in diesem Moment waren zwei neue Hengste auf dem Weg zum Steenhof. Jette hatte die beiden fast gleichzeitig entdeckt und sie nach ein paar Besichtigungen kurzerhand gekauft. Hätte ich das gemacht, hätte mir Hauke wahrscheinlich ordentlich den Kopf gewaschen – bei seiner Frau stieß er da aber auf taube Ohren. Also hatte er sich dazu überreden lassen, einen der Hengste abzuholen, während sich Jette gemeinsam mit Fiete auf den Weg zum anderen Hengst machte.

      Mir kribbelte es ja schon in den Fingern. Ich hatte ein paar Fotos gesehen, bei den Besichtigungsterminen hatte ich aber immer irgendetwas anderes zu tun gehabt (manchmal musste ich auch wirklich arbeiten) und konnte es kaum erwarten, sowohl den Trakehner als auch den jungen Hannoveraner in Action zu sehen. Beide Hengste waren vielseitig begabt; während Dark Royale, der Hannoveraner, eine doppelte Veranlagung besaß, hatte der Trakehner namens Quarterback bereits eine Ausbildung in der Vielseitigkeit genossen und war dort auch schon die ein oder anderen Prüfungen gegangen. Quarterback bestach aber nicht nur durch eine tolle Springmanier und Erfahrung auf Turnieren; keinen Plan wie die Farbe genau hieß, aber er war sowohl Farbwechsler als auch Schecke. Und auch, wenn ich die Zucht nicht auf Farbe auslegen wollte – durchaus interessant war es dann doch, was da wohl für Fohlen rauskommen würden. Und mit Dark Royale zog ein vielversprechender Junghengst ein – noch nicht viel Turniererfahrung, zeigte aber im Freispringen schon viel Potenzial. Ich hatte außerdem das Glück, dass ich seinen Vater Dark Firestorm vor Jahren in Action im Parcours sehen konnte – und wenn Royale auch nur irgendetwas von seinem Vater hatte, müsste das Springen mit ihm eine fast schon religiöse Erfahrung sein. Bis es soweit war würde es aber noch ein bisschen dauern, da der Hengst erst seit kurzem unter dem Sattel war.

      Nachdem die letzte Box eingestreut war, warf ich einen kurzen Blick aufs Handy – weder Hauke noch Jette waren auf dem Nachhauseweg. Ich stemmte die Hände in die Hüften. Dann würde ich mich eben noch anderweitig beschäftigen müssen. Vielleicht konnte ich Saevitia zu einem kleinen Ausritt überreden.

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      Aus dem kleinen Ausritt wurde schließlich eine zweistündige Runde über die Felder um den Hof. Die Ankunft der beiden Hengste verpasste ich also – als ich Saevitia zurück in den Laufstall gebracht hatte und mit dem Fahrrad zu den Hengsten gefahren war, inspizierten beide Hengste schon ihre Box. Jette hatte sich über eine Boxentür gebeugt und sah dem Rappen, also Dark Royale, beim Schnobern durchs Heu zu. Als ich die Stallgasse entlang ging, blickte sie auf und grinste mich selig an.

      Ich konnte mein Grinsen auch nicht mehr zurückhalten. „Die Fahrt war gut?“

      Sie zuckte mit den Achseln. „Einigermaßen. Der hier,“ Dark Royale hatte neugierig den Kopf über die Boxentür geschoben und Jette kitzelte ihm jetzt die Nüstern, „wollte erst gar nicht einsteigen.“

      „Ist ja auch gruselig da drin,“ meinte ich und driftete dabei in meine Pferdestimme ab, als Dark Royale jetzt auch mich entdeckte und mir den Kopf entgegenstreckte. „Da würde ich mich auch nicht reinführen lassen.“ Auch ich kraulte ihm die rosa Nase. Ich hatte ja eh eine Schwäche für dunkle Pferde mit großen Kopfabzeichen – Dark Royale passte da total in mein Beuteschema.

      Aber da war ja noch einer, der neu hier war. Neugierig lugte ich an Jette vorbei, in der Hoffnung, in die andere Box hineingucken zu können. Die Boxenwände im Hengststall waren teilweise komplett geschlossen, damit sich die Hengste im schlimmsten Fall nicht über die Boxenwände hinweg terrorisieren konnten. Mir gefiel das wenig, aber nachdem die Hengste ja auch täglich in Kleingruppen entweder auf Weiden oder auf Paddocks standen, hatte ich diese Sicherheitsmaßnahme grummelnd angenommen. Das bedeutete jetzt aber natürlich, dass ich keinen Blick auf den anderen Hengst werfen konnte. Jette bemerkte meine Neugier natürlich und schob mich sanft in Richtung der anderen Box. „Quarterback hingegen war ein richtiger Engel. Sagt zumindest Hauke.“

      Quarterback hatte mir einen hellen, mit dunklen Sprenkeln übersäten Hintern zugewandt und zupfte an einem Heunetz. Mit ein bisschen Fingertrommeln auf der Boxentür drehte er sich schließlich in unsere Richtung – zumindest halb, aber es reichte, um einen Blick auf seinen Kopf im Profil zu werfen. „Wow,“ hauchte ich – ja sorry, aber es war einfach wirklich ein Hauchen. Eisblaue Augen, ein fast weißes Gesicht und ein süßer kleiner Fleck am Maul. „Kann ich dir den abkaufen? Bitte?“

      „Nein. Meiner,“ sagte Jette und fing wieder an zu grinsen. Quarterback hatte sich wieder seinem Heu zugewandt, nachdem er mitgekriegt hatte, dass die zwei komischen Hühner vor seiner Box langweilig waren. „Und den geb‘ ich auch erst mal nicht mehr her.“

      „Ich frag einfach Hauke, der wird ihn mir schon geben,“ grummelte ich. Dann fiel mir etwas ein. „Die Pässe –“

      „Liegen schon im Büro.“ Darauf hatten wir uns im Vornherein geeinigt; sollte doch einmal eine Kontrolle vom Veterinäramt kommen, brauchte ich als Stallbesitzer den Pass der eingestellten Pferde griffbereit. Aber das bedeutete…

      „Dann muss ich ja heute noch Büro machen,“ jammerte ich. Eigentlich war heute Bürofreier Tag. Das hatte ich gerade beschlossen. Und musste diesen Beschluss jetzt schon wieder rückgängig machen.

      „Du könntest dir auch einfach langsam jemanden suchen, der das für dich macht.“ Jette sah mich mit einem betont neutralem Gesichtsausdruck an. „Das hab ich dir schon fünfmal gesagt.“

      Ja, das hatte sie tatsächlich – fünfmal in den letzten zwei Wochen, weil ich mich jedes Mal über die Arbeit beschwerte. Das Problem: meine Energie wandte ich lieber für andere, spannendere Dinge auf. Dementsprechend war das Item „Jemanden fürs Büro suchen“ ziemlich weit unten auf meiner To-Do-Liste.

      „Ich überlegs mir mal.“ Genau das gleiche hatte ich auch schon fünfmal gesagt. „Schlecht wärs ja nicht… aber finden muss man erstmal jemanden.“

      „Du hast bis jetzt immer jemanden gefunden.“ Jette klopfte mir kurz auf die Schulter. „Das schaffst du schon. Bist ein großes Mädchen.“

      Haha.

      Geposted: 21. Oktober 2019
      Von: Rhapsody
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  • Album:
    3 | Steenhof
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    Rhapsody
    Datum:
    21 Okt. 2019
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    Dark Royale
    ”Royale”
    ehemals Dark Prince


    PEDIGREE
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    von: Dark Firestorm

    von: Firewall

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    aus der: unbekannt

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    aus der: unbekannt


    EXTERIEUR & INTERIEUR

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    Hengst
    Hannoveraner
    8 Jahre

    165 cm
    Rappe
    breite Blesse | h.l. weiße Fessel

    Dark Royale hatte es von Geburt an faustdick hinter den Ohren. Seine Halfter zog er jedes Mal mit Präzision aus und wäre wohl am liebsten durch den Zaun gegangen, wäre der Strom nicht gewesen.Der unabhängige, junge Hengst streifte schon sehr früh ohne seine Mutter durch die Gegend und erkundete am liebsten alles auf eigene Hand. Er bindet sich nur schwer an Menschen, was sich nur schwer ändern werden lässt.
    Seine Eltern sind beides erfahrene Turnierpferde mit unglaublichen Potenzial, was mit Sicherheit auch auf ihn übergegangen ist.


    TRAINING

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    Fohlen ABC | Eingeritten
    Englisch geritten


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    Dressur: -, Springen: -, Military: -


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    ZUCHTINFORMATIONEN

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    HK/SK Schleife
    HK-/SK-Gewinnerthema


    Decktaxe:
    Genotyp: aa Ee
    Aus der Zucht: Gestüt Sanssouci (Winnipeg, KAN)
    Nachkommen:


    GESUNDHEITSZUSTAND

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    Chronische Krankheiten:
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