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Chapman
Veija, 30 Jan. 2021
    • Veija
      Pflegebericht
      10.03.2020, by adoptedfox
      Seufzend lehnte ich mich über das Lenkrad meines Wagens und blickte hinaus zu den Wolken. Es war ein regnerischer Tag und der harsche Wind wiegte die Bäume, als habe er vor sie zum schlafen zu verführen. Ich schloss den Reißverschluss meiner Jacke und lehnte mich nach hinten um meine Tasche von der Rücksitzbank zu holen. Sie war schwerer als ich es in Erinnerung hatte und doch schaffte ich es, sie nach vorn auf meinen Schoß zu heben. Nachdem ich einen letzten prüfenden Blick auf die dunklen Wolken über mir geworfen hatte, öffnete ich die Tür und lief schnellen Schrittes über den Hof. An der Tür angekommen verriegelte ich den Wagen und steckte den Schlüssel in das Schloss, damit er mir nicht aus der Hand fallen würde während ich die Tasche auf dem Boden abstellte. Ich holte die Post aus dem Briefkasten und begab mich ins Haus. Vor einem Monat waren meine Pferde HMJ8345’s Continental, Bear Brooks Denahi, Smarty Jones und ich auf das weitläufige Gelände der Willowbranch Farm umgezogen. Mein Leben hatte sich um 180 Grad verändert und obwohl es eine Menge Mut gekostet hat, war ich überglücklich mit meiner Entscheidung.
      Ich stellte meine Tasche auf dem Küchentisch ab und warf einen Blick aus dem Fenster. Blanton’s Gentleman und How ‘Bout Moonies standen mit gesenkten Köpfen im Unterstand des Paddocks und dösten, während unmittelbar vor ihnen das Wetter tobte. Ich schüttelte lächelnd den Kopf und ging die Post durch, bevor ich ins Büro ging uns sie in die entsprechenden Ablagen verteilte. “Das erledige ich heute Abend.” murmelte ich und begann die Knöpfe meiner Bluse zu öffnen. In Blusen, Röcken und Kleidern fühlte ich mich alles andere als wohl und doch kam ich nicht drum herum wenn es um wichtige Termine und Treffen ging. Ich warf die Sachen aufs Bett, schlüpfte in meine Lieblingsreithose und zog einen Hoodie aus dem Kleiderschrank. Auf dem Weg in den Stall band ich meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und knotete eine Schleife in die Bänder meiner Kapuze. Thomas und Martin, meine beiden Pferdepfleger, waren gerade dabei die Boxen der Pferde zu misten als ich das Stallgebäude betrat. Four Bar Chocolate Becks, Chapman, Smarty Jones und die beiden Stuten standen entspannt in ihren Boxen. Ich ging in die Sattelkammer und begann das Futter für die Pferde herzurichten. Für Smarty Jones kochte ich zusätzlich eine Portion Mash. Während die anderen Pferde sich bereits im Fellwechsel befanden, lief es bei ihm schleppend. “Gut das du da bist!” sagte ich als Thomas in die Sattelkammer kam. “Ich zieh das Gladiator für Smarty Jones schon auf und leg es in seinen Futtereimer. Gibst du ihm das später bitte?” fragte ich ihn und griff nach der Flasche, die im Regal stand. “Natürlich.” antwortete er und nahm die Abschwitzdecken der beiden Hengste, die auf der Koppel standen, mit. Thomas war kein Mann großer Worte. Er war nur wenige Jahre älter als ich und besaß ein schier endloses Wissen über Pferde. Ich war mehr als froh ihn am Hof zu wissen. Ein paar Minuten später kamen die beiden mit den Hengsten im Schlepptau zurück in den Stall. Ich gab in jeden Eimer einen Apfel und eine Karotte und ging dann zu meinem Sorgenkind. “Na mein Großer?” begrüßte ich den Hengst und ging zu ihm in die Box. Seit einer Woche bekam er nun das Ergänzungsmittel und langsam schien es bergauf zu gehen. Er wirkte wacher und hier und da konnte ich die ersten Büschel seines dichten Winterfells herauslösen. “Ich hab mir schon Sorgen gemacht, Mensch.” sagte ich und klopfte seinen Hals. Als wollte er mich besänftigen schnaubte er und rieb seinen Kopf an meiner Schulter. Ich verließ die Box für einen Moment und holte sein Halfter, damit ich ihn auf dem Putzplatz etwas striegeln konnte. Martin lachte, als er vorbei lief. “Soll ich eine Box fertig machen? Das wird doch ein zweites Pferd.” er zeigte auf den fellbedeckten Boden und griff nach dem Besen um einen Haufen zu bilden. “Die Kur scheint zu helfen.” gab ich zurück und setzte den Zackenstriegel erneut an. Eine halbe Stunde war ich damit beschäftigt den Hengst wieder auf Hochglanz zu bringen und ich war mehr als zufrieden mit dem Ergebnis der Putzsession. Ich brachte Smarty Jones zurück in seine Box und holte das Mash aus der Sattelkammer um es ihm zu geben. “Lass es dir schmecken.” sagte ich und und zog die Boxentür zu. “Ich hätte das doch gemacht…” Martin hatte den Putzplatz bereits aufgeräumt und lächelte mich verschmitzt an. Ich bedankte mich bei ihm und ging dann ins Haus um mich der Büroarbeit zu widmen. Für morgen hatte ich keine Termine und ich freute mich schon darauf, endlich wieder Zeit mit meinen Pferden verbringen zu können.

      Ankunft
      05.08.2020, by Gwen
      "Waaas?", quietschte ich verunsichert und zog Ciaran die Zeitschrift aus den Händen. "Auflösung der Willowbranch Farm" stand in fetten Druckbuchstaben als Überschrift auf der Seite und darunter, liebevoll inseriert, der Anzeigentext der Besitzerin. Etwas wehleidig überflog ich die Zeilen. Natürlich kannte man die größeren Höfe, so auch die Willowbranch Farm, welche mit ihren Pferden immer erfolgreich unterwegs gewesen war.
      Eigentlich wollte ich die Zeitschrift schon weglegen, denn so wirklich passende Pferde hatte die Farm nie für uns gehabt, doch dann blieb mein Blick an ihm hängen. Es war nur ein Portrait, recht klein, aber trotzdem war ich direkt begeistert. "Oh, oh.", kam nur von der anderen Tischseite und ich warf Ciaran direkt einen bösen Blick zu. "Wahrscheinlich wird der seinen Job hier besser machen als du", konterte ich knapp und schnappte mir das Telefon.

      Manchmal war ich mir nicht sicher, was mich ritt, doch bereits einige Tage später führte ich einen jungen Quarter Horse Hengst vom Hänger. Er hieß Chapman und wurde bald drei Jahre alt. Ein schicker Red Dun mit korrektem Exterieur und einem angenehmen Charakter. Er hatte mich vom ersten Moment an begeistert und wieso auch immer, hatte ich entschieden, ihn zu wollen und hier war er nun!
      Etwas verliebt strich ich ihm über den Hals. "Oh, wir werden eine tolle Zeit haben", murmelte ich lächelnd und führte den Hengst auf seinen vorerst eigenen Paddock. Er sollte in Ruhe ankommen und alles kennenlernen, danach würden wir mit der Eingliederung in unsere Herde weitermachen. Doch nun hieß es erstmal durchatmen.

      Morgenrundgang
      06.08.2020, by Gwen
      Es war ein kühler Morgen und als ich das Fenster öffnete, fröstelte ich leicht. Tief über die Wiesen zogen die Nebenschwaden hinweg und man beinahe gar nichts bei der weißen Wand. Gähnend streckte ich mich und schlüpfte in warme Sachen, um hinunter in die Küche zu gehen.
      Dort setzte ich mein Teewasser auf und fütterte die Hunde und Ivy. Alle drei warteten bereits ungeduldig auf ihr Frühstück. Ich goss mir meinen Tee auf und setzte mich, in eine warme Jacke gekuschelt, auf die Terrasse, während die Hunde das erste Mal herauskonnten.
      Nachdem ich meinen Tee getrunken hatte, ging es hinaus in den Stall. Es war erst kurz nach sechs und dementsprechend döste auch der Großteil der Pferde noch. In aller Ruhe begann ich das Kraftfutter zu verteilen und während alle fraßen, teilte ich schon das frische Stroh und Heu vor den Boxentüren auf.
      Danach ging es für alle hinaus auf ihre Weiden. Manch einer war noch nicht so überzeugt von dem Nebel und lief eher zögerlich los, während andere wie gewohnt in Galopp davonstürzten. Ich huschte wieder in den Stall und begann die Boxen zu misten. Da die Pferde nur nachts drinstanden, war das im Nu erledigt.
      Neues Stroh hinein, dann das Heu für die kommende Nacht und abschließend das Kehren der Stallgasse. Dann konnte ich in der Futterkammer bereits die Dosen für den Abend vorbereiten, und während ich das tat, hatte ich die großen Stalltüren geöffnet, damit es einmal kühl durchlüftete. Unser Stall war immer sehr gut durchlüftet, aber es schadete auch nie, nochmal die Morgenluft hinein zu lassen.
      Alles war fertig, so konnte ich die Hunde und die Katze einsammeln, die munter ihre Morgenrunden über die Ranch machten und zurück zum Haus gehen, um selbst erst einmal zu frühstücken und dann mit der Arbeit mit den Pferden zu beginnen.

      Happy Halloween!
      31.10.2020, by Gwen
      Lächelnd blickte ich in die Runde. Es war der 31. Oktober und Halloween! Es war noch relativ früh am Morgen, denn wir hatten es erst neun Uhr, doch heute sollte auch noch allerhand geschehen. Und so stand meine Gruppe bereits mit fertig gesattelten Pferden auf dem großen Platz von Townsend Acres. Es waren dieses Jahr insgesamt sieben Teilnehmer, welche mit mir gemeinsam den Halloween-Trailritt bestreiten wollten. Ich war begeistert und auch etwas aufgeregt.
      Neben mir stand mein Hengst Chapman, ein Hinterbein angewinkelt und leicht dösend, während ich mit meiner Begrüßungsansprache begann: „Ich freue mich riesig, euch alle hier Willkommen zu heißen und freue mich auf unseren Ritt! Wie bereits erzählt, werden wir circa vier Stunden unterwegs sein und auch eine Pause einlegen. Das Wetter ist bisher bestens und ich denke, wir werden alle unseren Spaß haben“, meinte ich grinsend und blickte gen Himmel. Tatsächlich war uns der Oktober gut gesinnt, denn trotz der kühlen Temperaturen und des frischen Windes war der Himmel blau und die Sonne strahlte.
      Es folgte eine kurze Belehrung der Teilnehmer aufgrund unseres Rittes durch einen Nationalpark, dann ließ ich alle aufsteigen, schwang mich selbst in den Sattel und bat darum, zunächst eine Zweier-Reihe zu bilden, so lange wie wir uns auf dem Gestüt befanden.
      Unter den Teilnehmern waren viele bekannte Gesichter und so freute ich mich sehr, als Occulta sich zu mir gesellte und neben mir ritt. Sie war mit ihrer Appaloosastute PFS‘ Dancin‘ to Jazz angereist und hatte zusätzlich ihre wunderschöne Malinoishündin Zira mitgebracht. Die Gute war als Reitbegleithund ausgebildet und machte ihren Job wirklich gut.
      Wir ritten im schönsten Sonnenschein von Townsend Acres los und genossen die herbstliche Stimmung. Ich hatte eine angenehme Strecke ausgesucht, welche den Teilnehmern alle Vorzüge von Kanada offenbaren sollte, außerdem hoffte ich, dass wir den ein oder anderen Nationalparkbewohner zu Gesicht bekommen würden, aber das war leider immer recht zufallsbestimmt. Vielleicht hatten wir dennoch Glück…
      Zunächst ritten wir gut eine Viertelstunde im Schritt durch den naheliegenden Wald und konnten das bunte Farbenspiel des Herbstes bewundern. Hier und da sah man auch die Eichhörnchen noch fleißig sammeln oder die Spechte ihre Arbeit erledigen. Ein Mitreiter, Cayce Dalton, entdeckte auch eine kleine Gruppe Rehe. Sein weißer Quarterwallach Whitetails Shortcut blieb direkt stehen, als der Reiter nur leicht sein Gewicht verlagerte und so konnten wir alle die Tiere in Ruhe beobachten, ohne, dass sie entschwanden.
      Nach dem Wald folgten die weiten Wiesen des Nationalparks. Zu unserem Glück hatte es die letzten Tage nicht geregnet, so dass wir ein gutes Stück traben und dann auch galoppieren konnten. Immer mal drehte ich mich um und schaute, dass auch alle wohlbehalten noch dabei waren. Der Anblick erfreute mich immer sehr, denn jedes Mal, wenn ich nach hinten blickte, sah ich glückliche Gesichter.
      Tiara Everdeen war mit ihrer jungen vierjährigen Mustangstute Stepping Stone angereist und hatte sich aufgrund des Alters ihrer Stute direkt neben Leticia Weidner gesellt, welche ihre zehnjährige Ingénue ritt, eine wunderschöne falbfarbene Stute. Mit der erfahrenen Artgenossin neben sich, galoppierte auch Stepping Stone super entspannt und souverän in der Gruppe von acht Pferden.
      Als ich die Hand hob, parierten wir erst zum Trab und dann zum Schritt durch, denn als nächstes mussten wir den Fluss durchqueren. Ich warnte die Reiter kurz, dass sie aufmerksam sein mussten und ihren Pferden am besten die Aufgabe allein überließen, damit diese sich gut ausbalancieren konnten. Chapman marschierte wie gewohnt problemlos voran, der Isländerhengst Félagi, welcher von Malte Tordenvaerson geritten wurde, folgte trotz seines jungen Alters, ohne mit der Wimper zu zucken. Die meisten Pferde hatten keine Probleme, nur die Trakehnerstute von Brace war etwas vorsichtiger, hatte mit ihren schlanken Beinen aber auch weniger Halt in der Strömung. Doch auch HMJ Grace schaffte den Übergang problemlos und wir konnten weiter gen Berge reiten.
      In Cayce‘ Gesicht stand die Begeisterung geschrieben, er hatte sehr auf Berge gehofft und natürlich enttäuschte ich ihn nicht. Auf dem Weg dorthin durchquerten wir nochmals einen kleineren Wald, wobei der Fredericksborger von Collin einmal mächtig zusammenzuckte und dass nicht grundlos: Gefühlt vor Morians Nase überquerte ein Elch unseren Weg und der Hengst war nur bedingt begeistert von dem anderen Vierbeiner gewesen.
      Nach dem kleinen Zwischenfall erreichten wir den Fuß der Bergkette und machten uns an den Aufstieg. Nachdem wir circa die Hälfte bereits bewältigt hatten, gönnte ich Pferden und Reitern eine Pause. Wir machten Halt auf einer größeren Alpenwiese, wo auch ein Bach zum Tränken der Pferde entlang floss. Ich übergab Chapman an Occulta und während die Teilnehmer den Pferden Wasser anboten, bereitete ich zwei Picknickdecken vor und verteilte dort die Leckereien, welche die Köchin von Towsend Acres gezaubert hatte: Halloween-Muffins, herzhaft belegte Brötchen mit aufgezeichneten Gesichtern und natürlich durften die warmen Getränke nicht fehlen: Hexenpunsch und Kakao.
      Als die Pferde versorgt waren, setzten sich die Reiter und genossen das Picknick bei der herrlichen Aussicht über den Nationalpark. Wir waren inzwischen gut zwei Stunden unterwegs gewesen, durchaus hinter dem Zeitplan und so langsam würden wir uns auf den Heimweg machen, denn heute standen noch das Trick or Treat Springturnier und das gemeinsame Lagerfeuer an.
      Flott sammelten wir alles wieder ein, verstauten es, holten die Pferde und schwangen uns wieder in die Sättel, dann ging es den Berg weiter hinauf, denn eine Besonderheit hielt Kanada im Oktober noch bereit: Ritt man unten durch bunte Wälder, konnte man oben auf den Bergen bereits den ersten Schnee sehen und unter den Hufen der Pferde knirschen hören!
      Die Schneeschicht war noch recht dünn und doch wechselte irgendwann plötzlich die Vegetation und das Klima und wir ritten über verschneite Bergwege. Die Teilnehmer waren begeistert und ich lächelte zufrieden, während ich sah, wie mein Atem in weißen Wölkchen in den Himmel aufstieg.
      Wir verweilten jedoch nicht lange, sondern machten uns schon bald an den Abstieg. Der Rückweg war kürzer als der Hinweg, denn wir ritten keinen großen Bogen. Stattdessen kamen wir nach dem Abstieg fast direkt am Fluss an, welchen wir erneut durchquerten und danach noch einmal einen frischen Galopp über die grünen Wiesen einlegten.
      Pünktlich 14 Uhr kamen wir wieder auf Townsend Acres an. Ich bedankte mich bei den Reitern herzlich für ihre Teilnahme, wünschte ihnen einen schönen Tag und hoffte, die meisten heute Abend wiederzusehen. So verstreuten sich alle, um ihre Pferde zu versorgen und sich selbst aufzuwärmen. Auch ich kümmerte mich um Chapman, ehe die nächsten Vorbereitungen für das Trick or Treat Springturnier anstand.
      Elisa und Matthew waren jedoch schon fleißig gewesen und der Großteil war bereits vorbereitet. „Danke“, meinte ich lächelnd und schaute mir begeistert die beschmückte Halle und die besonderen Hindernisse an. Das Turnier begann erst 17 Uhr, denn es sollte bereits dunkel sein, wenn die Reiter in ihren besonderen Kostümen auftraten und um den Sieg kämpften. Bis dahin war noch einiges zu tun, so dass wir gut beschäftigt waren.

      Kurz nach 17 Uhr und einer beeindruckenden Willkommensrede von Matthew, startete der erste Reiter der ersten Klasse. Wir hatten E bis L von M bis S*** getrennt, um etwas Abwechslung hereinzubringen. Den Start machte Occulta Smith auf PFS‘ Skydive und die beiden sahen fantastisch aus! Skydive’s Kopfabzeichen gab es bereits zur Genüge her und doch hatte Occu aus ihrem DRP ein tolles Skelettpferd gezaubert. Sie selbst war gekleidet als Sensemann und hatte sich mit großer Kapuze und Kartonsichel als Gerte durchaus einige Handicaps eingebaut.
      Doch ihr Ritt war fehlerfrei und in einer souveränen Zeit. Das Publikum klatschte begeistert und Occu ritt fröhlich aus der Halle, um sogleich für die nächste Reiterin Platz zu machen. Es war Leticia Weidner auf Garance und das Kostüm war als aufwendig: Reiterin und Pferd waren geschminkt bzw. angemalt und starteten im Día de los muertos-Stil, welcher sich wirklich sehen lassen konnte.
      Leticia trug ein ausgefallenes Kleid, welches ihnen leider beim letzten Hindernis einen Strich durch die Rechnung machte. Garance verhaperte sich im Takt etwas, als der Saum des Kleides, welches nach einer Linksvolte auch nach links gerutscht war, sie mehr an der Flanke streifte und so passte der Abstand nicht mehr und die Stange fiel.
      Dennoch war es eine Toprunde. Gleiches galt für Bartholomäus du Martin, welcher auf seinem Araber Marid startete. Zwar schafften sie nicht die Zeit von Occulta, doch ihr Anblick machte dies wett: Insgesamt sechs leuchtende Augen schmückten das Gesicht des Hengstes und er war ein wahrer Hingucker mit abgeknickten Schaumstoffröhren, welche blutrot bemalt waren und gefährlich auf und ab wippten. Auch sein Reiter konnte sich sehen lassen mit schwarzem Schwert und ebenso vielen Augen. Er ritt als Spinnenkönig und doch kostete das aufwendige Kostüm den beiden einige Zeitpunkte.
      Es folgte Octavia Blake auf Pocahontas. Die beiden Damen starteten als Wonderwoman und erzielten auch eine ebenso bewundernswerte Leistung. Der Ritt war fehlerfrei und die Zeit war grandios. Beide machten was her in ihren Wonderwoman-Kostümen und das Publikum war mehr als begeistert.
      Den Abschluss machten Laraya Shizuka auf ihrer Stute Atlanta und die beiden starteten als Reiter-Mumie, während das Pferd grün-grau bemalt als Frankenstein durch den Parcours fegte. Die Zeit war top und so überholten die beiden mit wenigen Sekunden Occulta.
      Zuletzt ritt Bracelet auf Pluie ein. Ich war begeistert, denn die beiden kamen im Harry-Potter-Stil daher und hatten mich damit sofort auf ihrer Seite. Sie starteten als Hermine für Gryffindor und erlangten einen Null-Fehler-Ritt mit guter Zeit, jedoch leider nicht ausreichend für den ersten Platz.
      Dieser ging an letztendlich an Wonderwoman, welche mit einer unglaublichen Zeit alle anderen geschlagen hatte. Die silberne Schleife erhielten Frankenstein und die Mumie und der dritte Platz ging an unser Skelettpferd.
      Die Siegerehrung fand kurz darauf statt, stolz verteilte ich die Schleifen und gratulierte allen Teilnehmern. Dann folgte die Ehrenrunde, wobei wir alle anderen Teilnehmer noch einmal hinzubaten, denn alle hatten fantastische Kostüme an! Dementsprechend erhielten auch alle noch ein Dankeschön: Für die Pferde einen Sack Möhren, für die Reiter einen Beutel mit süßen und sauren Leckereien.

      Die Verschnaufpause war kurz und es ging direkt weiter mit der zweiten Klasse. Die Hindernisse waren umgestellt und erhöht und erneut startete ein Pferd von PFS. Diesmal war die Reiterin Lisa Zimmermann, welche auf dem bekannten Zuchthengst Colour Paint saß. Aufgrund der Schwierigkeit der Hindernisse und der Höhe, hatten sie das Kostüm schlichter gewählt, dennoch sahen die beiden toll aus. Colour Paint hatte eine Kürbisgrimasse auf der Hinterhand, welche bestens zu seinem orangeroten Fell passte. Die Reiterin trug einen schwarzen Umhang und ein orange-schwarz bemaltes Gesicht, so dass die beiden perfekt zueinander passten.
      Die Runde war fehlerfrei und wieder legte das erste Paar eine sportliche Zeit vor. Es folgte Ferre van de Veen auf Ghostly Phenomenon. Und bei dem Kostüm musste ich kurz lachen. Wer dachte sich schon den Klimawandel als Halloweenkostüm aus? Doch es war genial. Das Pferd geschmückt mit Plasteflaschen, Tüten und Verpackungsresten, und auch der Reiter schien kaum etwas unter seinem Gewand aus buntem Müll zu sehen. Es raschelte laut, als das Team durch den Parcours raste und trotz des störenden Kostüms legten sie eine geniale Runde hin und toppten die Zeit des Vorreiters.
      Es folgte die letzte Starterin für die hohe Klasse: Bracelet auf Give me Chocolate. Die Reiterin startete als Skelett und passend dazu war das Pferd als Gespenst verkleidet. Nach dem Richtergruß starteten auch die beiden in ihre Runde. Souverän null und eine super Zeit, leider nicht gut genug, um die Umweltverschmutzung zu besiegen, aber doch gut genug für den zweiten Platz.
      Ghostly Phenomenon hatte gewonnen und ich hoffte, einige Zuschauer würden sich die Nachricht der Reiterin zu Herzen nehmen. Der zweite Platz ging an das Gespenst und der dritte Platz an unseren tollen Kürbis. Ich war begeistert von den drei Kostümen und lud zum Abschluss alle noch einmal zu einer fetzigen Runde ein.

      Der Trailritt war geschafft und das Turnier war beendet. Inzwischen war es 19 Uhr und die Reiter versorgten ihre Pferde. Doch Halloween war noch längst nicht vorbei, es hatte erst begonnen. Während ein Teil des Personals den Parcours aufräumte, kümmerten sich Matthew und ich um das gemeinsame Lagerfeuer. Wir hatten fleißig Holz bereit gelegt und waren mehr als stolz.
      In der Halle trafen sich zunächst alle, ehe wir geschlossen in die Dunkelheit hinauswanderten. Das Feuer brannte noch längst nicht und es war stockduster. Ich war schon immer ein Angsthase gewesen und nur bedingt begeistert davon gewesen, Matthew die Show zu überlassen. Jetzt wusste ich auch warum.
      Von links und rechts, von vorne und hinten wuselten plötzlich Gespenster durch die Gruppe, das besondere Highlight waren Bonnie und Clyde. Die Dalmatiner hüpften etwas überfordert mit ihren Gespensterkostümen zwischen den Beinen hindurch und wollten viel lieber Menschen begrüßen, anstatt diese zu erschrecken. Ich musste lachen, als mein Hund mich schneller als gedacht ausmachte und schwanzwedelnd begrüßte. Dann entdeckte er Zira von Occulta und war erst einmal beschäftigt.
      Plötzlich flammte vor uns das Lagerfeuer auf und Halloweenmusik begann zu spielen. Links und rechts waren Tische mit Leckereien und Getränken aufgebaut und Matthew stand nur kurz stolz wie ein König vor dem Lagerfeuer, ehe er seinen Job am Grill sehr ernstnahm und uns mit Steaks und Bockwürsten versorgte.
      Die Besucher des heutigen Tages bedienten sich glücklich, unterhielten sich miteinander, lachten und schienen den Abend sichtlich zu genießen. Auch ich war mehr als zufrieden und sehr happy über den Ausgang des heutigen Tages. „Läuft“, meinte ich grinsend zu Elisa, hielt ihr mein Punschglas hin und stieß mit ihr an.
    • Veija
      Blindkäufe
      Februar 2021, by Veija
      Caleb
      Nachdem ich auf wundersame Weise meinen ehemaligen Hengst Myrkvidr zurückgekauft hatte, standen nun auch zwei bekannte Westernpferde zum Verkauf. Like a Prayer, eine Stute von Outlaw Torn aus der ehemaligen Stute von mir Honey and Milk und ein schöne Rappschimmelhengst von Elasso aus der Wearing the Inside Out, namens HGT's Unitato. Ein Zuchtfohlen vom Hofgut Tannenheide. Oder Tannenweide? Ich wusste es schon gar nicht mehr, denn das Hofgut existierte schon einige Jahre nicht mehr.
      Nachdem sich Mykr im Nebenstall eingelebt hatte, Like a Prayer bei den Jungpferden und Unitato im Trainingsstall, stand nun ebenfalls ein Kauf von Octavia in Frage. Durch Zufall hatten wir vom Verkauf einer Augen auf! Ich komme Nachzucht Wind bekommen. Durch ihren Vater Rasputin war sie ein veredelter Trakehner, der durch Augen auf sehr hoch im Blut stand. Die Stute: Aufgepasst, hier kommt Arcada! war ein Glücktreffer gewesen. So ganz sicher war ich mir nicht, was O mit ihr vorhaben würde... aber okay.
      Der eigentliche Blindkauf war Chapman. Der Hengst, den ich bei der Zuchtauflösung von adoptedfox ursprünglich auch übernehmen, aber nicht bekommen hatte.
      Gwen hatte ein höheres Gebot abgegeben und den Zuschlag bekommen. Leider musste sie nun ein paar Pferde abgeben und Chapman stand wieder zum Verkauf. Ich meldete mich sofort mit einem Gebot und bekam den Zuschlag, ohne das Pferd auch nur einmal live gesehen zu haben.
      Doch als der Hengst hier bei mir vom Hänger kam, waren alle Sorgen vergessen. Er schien auf der Fahrt hierher ziemlich geschwitzt zu haben, weshalb ich ihn nach seiner Ankunft sofort ins Solarium stellte, damit er sich erst einmal wieder aufwärmen konnte. Er zeigte sich sofort neugierig und mutig.
      Ich freute mich, dass er nun wieder mit seinen alten Kameraden vereint war. Abwarten, was die Zukunft bringen würde.
    • Veija
      Being mortal - wir sind sterblich.
      Februar 2021, by Ravenna & Veija
      Caleb
      Während ich in das Wartezimmers des Krankenhauses stolperte und so beinahe alle Aufmerksamkeit auch mich lenkte, scannte mein Blick den Raum nach dem Antlitz eines einzigen Menschen. Eines kleinen Menschens; Betsy.
      Das Mädchen stand am Fenster, wandte mir den Rücken zu. Eine Hand auf dem Fensterbrett, die Andere in der von Ylvi, die sich direkt neben ihr befand. Auch sie schaute zum Fenster hinaus, wirkte in sich zusammengesunken.
      Neben mir eine Regung, dann eine Hand auf meiner Schulter. „Fangen Sie wieder an zu atmen, nicht dass Sie uns hier noch zusammenklappen“, war die einfache Aussage einer älteren Dame, derer ich nun meinen Blick zuwandte und reflexartig einmal tief Luft holte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich sie angehalten hatte, spürte jetzt allerdings ein leichtes Brennen meiner Lunge. Meine rechte Hand zur Brust hebend ging ich einen Schritt auf die beiden Frauen zu. Auf halber Strecke wandte Ylvi mir den Kopf zu. Mit ihren blau unterlaufenen, tränenverquollenden Augen schüttelte sie kaum sichtbar den Kopf.
      Ich seufzte tief, schloss einmal kurz die Augen und als ich sie wieder öffnete, starrte ich direkt in Betsys kleines, ebenso tränenüberströmtes Gesicht. Sie sagte kein Wort aber ich spürte all den Schmerz, die Trauer und auch die unbändige Wut in ihrem Blick. Ich wollte etwas sagen doch mein Mund wollte einfach keine Worte formen. Stattdessen ging ich in die Hocke, breitete die Arme aus und hoffte, dass das Mädchen der stillen Aufforderung nachkommen würde. Augenblicklich löste Betsy sich von Ylvi, begab sich in meine geöffneten Arme und schmiegte sich schluchzend so fest an mich, dass mir der Cowboyhut vom Kopf fiel. In jeder anderen Situation hätte ich ihn sofort vom Boden aufgehoben, doch in diesem Moment war der Hut auf dem Boden das kleinste meiner Probleme, denn während mein Hemd langsam Betsys Tränen durchsickern ließ, rollten zunächst vereinzelt auch Tränen bei mir, ehe ich mich der eigenen Trauer hingab und ebenso bitterlich anfing zu weinen.

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      Eine Woche zuvor
      Caleb
      Wenn ich sagen würde, ich wäre schon eine ganze Weile auf den Beinen, wäre das mit Sicherheit gelogen; aber ich war… schon eine ganze Weile auf den Beinen.
      Ich stand am Fenster meines Schlafzimmers und ließ den Blick über den Hof schweifen. Schon einige Zeit dachte ich über eine kleine Feier im Haupthaus nach. Keine Feier im eigentlichen Sinne, einfach einen Abend, an dem wir gemütlich zusammensitzen und das bisherige Leben Revue passieren ließen; natürlich bei gutem Essen und für die Erwachsenen mit Alkohol.
      Klar, wir saßen zum gemeinsamen Frühstück auch das ein oder andere Mal zusammen, aber dort besprachen wir immer nur den Tagesablauf und fokussierten uns aufs Geschäft, auch wenn nicht immer alle Mitarbeiter am Frühstück teilnahmen. In letzter Zeit hatten sich Dell und Betsy immer öfter ausgeklinkt, was aber daran lag, dass Dell weniger Arbeit auf dem Hof und somit mehr Zeit am Morgen für seine Tochter hatte.
      Da so gut wie kein Pferd momentan in der Box stand fiel das Misten am Morgen fast gänzlich weg- dies würde sich zum Winter hin leider jedoch wieder ändern.
      Mein morgendlicher Gang führte mich nach der Dusche nur kurz in die Küche. Dort schnappte ich mir meinen Thermobecher Kaffee, dieser war größer als jede Tasse, die im Schrank stand, und ging ins Büro. Es wartete heute wieder einiges an Papierkram auf mich und wenn ich den morgigen Tag freimachen wollte, musste ich das heute erledigen.

      Ylvi
      Ich genoss die sanfte kühle die von meiner Hand in meine Stirn überging. Während gleichzeitig mir heiß und kalt wurde. Ganz zu schweigen von dem fiesen Ziehen im unteren Rücken.
      Daher zuckte ich völlig zusammen als sich die Tür zum Büro schwungvoll öffnete. Orientierungslos sah ich Caleb den Raum betreten, seinen großen Becher Kaffee in der Hand. “Oooh Kaffee!” seufzte ich hoffnungsvoll. Denn die Motivation aufzustehen. Die war ziemlich gering. “Es steht noch welcher in der Kaffeemaschine, sogar warm!” berichtet er mir. Während mein Hirn Sauer auf seine offensichtliche gute Laune war. Ich hingegen schwankte irgendwo zwischen Heulen und Aggression. Was der Knoten in meiner Gebärmutter, aber nur zum Anlass nahm um sich ein kleines Stück mehr zusammenzuziehen. Nur knapp unterdrückte ich mein Stöhnen. Ich brauchte dringend eine Schmerztablette um diesen Tag zu überleben. Nicht das ich meine Periode ohnehin schon verfluchte. Manchmal extrem Schmerzhaft, manchmal kam sie ewig nicht. Man mochte vielleicht den Unfall als Kind und die damit einhergehende Verletzung meines Unterleibes dafür verantwortlich machen. Aber auch andere Frauen litten unter Mens-Schmerzen.
      “Puh, ich würd so gern zuschlagen. Aber den Schluck gönn ich wem anders. Schmerztabletten und Kaffee sollen sich nicht so gut machen.”

      Caleb
      Schmerztablette? Ich horchte auf. “Schmerztablette?”, fragte ich sie dann. “Was hast du?” Am heutigen Morgen war ich wohl ausnahmsweise wirklich in Plauderlaune, weshalb ich sie auch einfach gerade heraus gefragt hatte.
      “Frauenprobleme”, bekam ich als knappe Antwort. Dann würde ich sie wohl lieber mal nicht zu viel nerven, dachte ich und stand auf, um den Raum kurz und schweigsam zu verlassen. Als ich wiederkam, hatte ich eine Flasche Wasser in der Hand und reichte sie Ylvi. “Wäre zwar nicht nötig gewesen, aber danke.” Beim Zurückgehen zum Schreibtisch sah ich ihre Flaschensammlung neben dem Schreibtisch. Sie hatte sich dort einen kleinen Vorrat hingestellt, um nicht immer zum anderen Haus laufen zu müssen. Idiot- dachte ich und setzte mich wieder schweigend auf meinen Platz.
      “Was macht… die Instagram-Seite? Haben wir mehr Follower bekommen, seit du auch das Training mit HMJ Saintly postest?”

      Ylvi
      Ich gab es natürlich nicht direkt zu, aber mir den Weg hinüber ins Haus sparen zu können war goldwert. Ich steckte mir die Pille zwischen die Lippen, nippte und schluckte. Und trank noch zwei weitere Schlucke um sie nicht in der Speiseröhre zu spüren. Dann erst konnte ich mich der Frage von Caleb widmen. Ich winkte ab. “Ach frag bloß nicht. Die Follower kommen, es gehen nur wenige. Schaut man sich die Statistiken an sind es viele weibliche Follower, dabei ich das Alter von 16-45 wirklich alles vertreten. Allerdings kommen so viele Anfragen an Nachrichten. Ich könnt quasi hier übernachten und nur diese beantworten. Ich musste auch die Mail von unserer Website nehmen. Wir wurden mit Spam und sinnfreien E-Mails BOMBARDIERT. Aktuell versuch ich der Lage da ein wenig Herr zu werden.” antwortete ich wahrheitsgemäß. Es machte mir Spaß. Wir hatten einige tolle Beiträge über die letzten Wochen schreiben können. Diese Fragenflut war dann aber doch ein wenig anstrengend. “Außerdem wird immer wieder gefragt ob wir nicht mal einen Live-Stream veranstalten könnten.” Das hatte Caleb bisher abgelehnt. Ich selbst hatte einige bereits gemacht, die Leute so virtuell über die Ranch geführt. Aber Caleb hatte sich bisher noch ein wenig gesträubt sich vor die das Smartphone zu hocken. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Es war schon seltsam nicht in real mit anderen Menschen zu sprechen.

      Caleb
      Ich musste kurz lachen. “Viele weibliche Follower? Vor allem… was wollen die sechzehnjährigen? Ich hoffe du postet keine Bilder wo ich und die anderen Jungs oberkörperfrei herumlaufen.” Ylvi stimmte kurz in mein Lachen ein, gab mir aber keine Antwort, die das Gegenteil bezeugte, pah!
      “Was meinst du mit Spam und sinnfreien Anfragen?”, ich überlegte… mir fiel aber tatsächlich nicht wirklich etwas ein, was Fremde uns an sinnlosen Anfragen schicken sollten. Ylvi würde da jedoch gleich Licht ins Dunkle bringen.
      “Vielleicht kann ich mich ja doch irgendwann mit dem Gedanken anfreunden, mal so einen Livestream zu machen. Ich meine wenn das von so vielen gewünscht wird?” An meinem Bildschirm öffnete ich still und heimlich Instagram, wollte mir mal anschauen, was Ylvi dort so postete. Doch ohne Benutzerkonto kam ich nicht rein. Ich schmollte kurz, überlegte und fragte sie dann doch, ob sie mir nicht an ihrem Handy die letzten Beiträge zeigen könnte.

      Ylvi
      Mit seinem Bürostuhl rückte er ein wenig zur Seite als ich mich erhob um ihm alles zu zeigen. Ich scrollte mit ihm einige Zeit durch den Feed. Zeigte ihm die Vorstellung einiger Mitarbeiter mit einem kleinen Bild in den Highlights. Neugieriger als ich es für möglich hielt wollte er sogar ein paar der Nachrichten lesen. “Meinetwegen kannst du auch ein paar Beantworten.” sagte ich leise lachend.
      Ich überließ ihm also mein Handy, denn die halb hockende, halb stehende Position neben dem Tisch war irgendwie ziemlich unbequem. Also kehrte ich zurück an den Schreibtisch. Langsam spürte ich auch wie die Tablette wirkte, das Zittern in meinem Körper fand endlich ein Ende. Meine Konzentration konnte so wieder auf die Probleme vor mir gerichtet werden. Ich hatte schließlich noch andere Arbeit vor mir!
      Tschetan und Kaya würden demnächst aus der Schule kommen. Wir hatten im Gespräch mit der Schule und den Kids direkt das Home Schooling schließlich aufgegeben. Stattdessen hatten wir uns eingesetzt das ein Schulbus die Kids abholte und auch wieder zurück brachte. Caleb hatte uns zur Förderung sogar Geld der Ranch zur Verfügung gestellt. Das hatte ich ihm gar nicht zugetraut. Aber er hatte nur abfällig lächelnd gesagt er könne schließlich nicht verantworten das seine besten Mitarbeiter ständig im Auto hockten um die Kinder wegzubringen. Damit hatte er mich völlig übergangen und Louis und Dell zugezwinkert. Manchmal war er eben ein rechter Schelm. Ich lugte über den Bildschirmrand zu Caleb. Ausnahmsweise sah man sein Gesicht, da er drinnen keinen Hut trug.
      Sein Gesicht war aschfahl, die Augen auf mein Handy gerichtet. Seine Ohren schienen zu leuchten. “Na? Da wird sogar ein Cowboy rot bei solchen Sachen.” scherzte ich.
      Caleb
      So viele, unfassbar tolle Kommentare unter den Fotos! Ich war begeistert, scrollte mich von oben bis unten durch und beantwortete einige der Fragen. Auf die Frage, wann es denn endlich mal einen Livestream mit dem Kopf der Ranch geben würde, antwortete ich ein paar Mal: Bald. Liebe Grüße, Caleb
      Noch während ich mich weiter durch laß, ploppten unten immer mehr Herzen auf. Ich klickte also darauf und wurde immer wieder zu meinem Kommentar zum Livestream zurückgeleitet. “Ylvi ich komm hier immer wieder zurück…”, sagte ich ein wenig verzweifelt zu ihr, stand auf und ging zu ihr rüber. Sie zeigte mir kurz, was das Problem war. Also setzte ich mich wieder auf meinen Stuhl und beantwortete munter Fragen. Das könnte ich den ganzen Tag lang machen!
      Bald fiel mir oben rechts ein Pfeil auf, auf dem eine rote Zahl stand- und keine Kleine. Ich drückte drauf und kam wohl zu den Privaten Nachrichten. “Darf ich die durchlesen?”
      “Klar”, kam es vom anderen Schreibtisch.
      Also las ich ein paar der Nachrichten, antwortete kurz- natürlich gab ich mich immer als… ich zu erkennen, denn bisher hatten die Personen ja immer nur mit Ylvi geschrieben. Ich dachte schon das wären viele, aber als ich auf ‘Nachrichtenanfragen’ klickte, wurde ich quasi von Texten erschlagen. Ich klickte ein paar an, verzog ein paar Mal schüttelnd den Kopf- bis ich zu einer Nachricht einer offensichtlich minderjährigen, jungen Dame kam, die uns ein paar… Nacktfotos geschickt hatte. ‘Sweet Dreams’ stand mit einem Kusssmiley darunter.
      Ich starrte den kleinen Bildschirm an, sagte nichts. Blickte dann zu Ylvi hoch, drehte den Bildschirm, damit sie wusste, was ich meinte. “Bekommen wir viele solcher Nachrichten?!”
      “Ja. Was meinst du denn, was ich mit sinnlosen Nachrichten gemeint habe…”
      “Ich mein.. wie alt ist sie? 14? Oh mein Gott…” Ich stand auf und drückte Ylvi ihr Handy wieder in die Hand.
      “Sind es nur Bilder von Mädchen oder auch von Jungs?”

      Ylvi
      Die Zeiten in denen ich rot geworden wäre waren längst vorbei. Ich zuckte also mit den Schultern. “Natürlich auch Jungs...Männer. Einige sind an mich gerichtet andere auch durchaus an die Männer der Ranch. Ich blockiere die Profile meistens, reagiere nicht auf die Nachrichten. Hätte niemals gedacht ,dass ein Profil das über das Leben hier auf der Ranch aus ist - solcherlei Nachrichten erhält”
      “Sollten wir in dem Stream erwähnen ...naja dass solche Sachen nicht gewünscht sind?” ich winkte ab. “Das wird die ganze Sache womöglich nur anstacheln. Aber ich habe da die Idee vielleicht einfach nochmal Aufmerksam darauf zu machen - was wir im Internet veröffentlichen verbleibt dort oft für Jahre. Das viel schlechtes mit Bildern im allgemeinen angestellt werden kann. Aber die passenden Worte dazu sind mir noch nicht gekommen.”
      “Die Idee ist gut….mit dem Schreiben kann ich dir allerdings wenig helfen fürchte ich. Nicht mein Fachgebiet.” damit deutete er auf den Bildschirm seines PC’s an dem er sicherlich einige E-Mails zu verfassen hatte. Zumindest hatten wir in den vergangenen Wochen die Zettelwirtschaft von Bellamy beseitigen können. Ordnung in einige der Prozesse gebracht und endlich einen ausgereiften Businessplan.
      Caleb hatte sich sogar damit anfreunden können, einige der Arbeitspläne und Aufgaben auf meinem alten Tablet zu organisieren. Ein geteilter Kalender. Eine Art Planner-App in der Aufgaben zugewiesen werden konnten. Bestanden zu einzelnen Prozessen Fragen konnte noch immer zum Telefon gegriffen werden. Caleb gab es nicht zu. Aber ich spürte zusehends wie ihm meine Hilfe mit der Digitalisierung gefiel. Vor allem hatten wir unseren einstigen Flow wieder gefunden. Als würde der Funke der Freundschaft wieder beginnen zu erstarken. Diese Entwicklung machte mich zusehends glücklicher. Die Liebe die ich in meinem Herzen noch immer für ihn empfand machte mir ein zusammensein mit ihm aber auch schwer. Wie konnte es sein? Das mein Herz sich gleichermaßen an zwei unterschiedliche und doch so gleiche Männer gehangen hatte. "Was meinst du? Heute Abend nach dem Essen drüben im Kaminzimmer der LiveStream?"

      Caleb
      Ich war ein wenig überfahren von Ylvis Aussage. Stimmte dem aber sofort zu, dass wir darauf aufmerksam machen mussten, dass Fotos und auch Beiträge über Jahre hinweg im Internet verweilten.
      “Heute Abend schon der Stream?”, ich zuckte die Schultern. “Warum nicht, dann hab ich's hinter mir.”
      “Caleb so schlimm wird es schon nicht sein. Zieh dir was nettes an und sei einfach du selbst, dann klappt das.”
      “Also soll ich, wie immer, mürrisch und schlecht gelaunt sein.”
      Ylvi klatschte sich mit der Hand an die Stirn. Sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Doch als ich grinste, stieg sie in mein Grinsen ein und wandte sich wieder ihren Aufgaben zu. Das Handy gab ich ihr zurück, ehe auch ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm lenkte. Bis zum Stream hatte ich noch ein paar Stunden Zeit, so dass ich noch eine halbe Stunde hier im Büro verbringen, dann aber nach draußen zu den Pferden gehen wollte.
      Die halbe Stunde neigte sich gerade dem Ende zu, da betrat Dell das Büro, nickte Ylvi kurz zu und setzte sich auf den Stuhl, der mir gegenüber. Auffordernd sah ich ihn an, doch er sagte zunächst kein Wort. Ich wusste schon, was er wollte. Zumindest konnte ich es ahnen- Zeit mit seiner Tochter.
      “Ich äh.. wollte fragen, ob du mir heute Abend frei geben kannst?”, rückte er dann doch mit der Sprache heraus.
      Wirkte ich wirklich so angsteinflößend auf meine Mitmenschen?
      “Ich würde gerne mit ihr zusammen in die Stadt gehen, Betsy will unbedingt einmal in dieses All you can eat Sushi Restaurant und danach würden wir noch ins Kino gehen.. ich brauch nur jemanden, der meine Fütterung und die Boxen übernimmt.”
      “Wie viele Boxen hast du?”
      “20 sind es im Moment misten und füttern. Es sind aber nicht alle Pferde im Stall, ein paar bleiben draußen.”
      Ich überlegte kurz. “Ylvi was meinst du wie lange brauchen wir, bis wir den Stream am Laufen haben?”
      Ylvi runzelte schon wieder die Stirn. Scheinbar hatte ich ihr wieder eine meiner technisch dämlichen Fragen gestellt.
      “Wir gehen da hin wo wir gutes Internet haben und ich drücke auf diesen Knopf, das wars.”
      “Können wir dann nicht im Stall anfangen? Dann kann ich neben dem Misten was sinnvolles tun und wenn ich keine Antwort parat hab, schwenkst du einfach auf dich um. Dann sehen die Menschen auch sofort was von der Ranch und der Arbeit.”

      Ylvi
      In Anbetracht vom kommenden Herbst. Der nasskälte die draußen auf mich wartete. War ich nicht ganz überzeugt. Sinn machte die ganze Sache aber schon. "Klar, ich denke das macht einen guten Eindruck. Außerdem sehen die Leute dann auch das du nicht einen auf Boss und Rich Kid machst, sondern auch in die tägliche Arbeit involviert bist."
      "Der Arbeitsbulle quasi" dabei warf er sich in die Brust. Dell sah ein wenig wirr von mir zu Caleb und wieder zurück. Der wusste natürlich nicht ganz worum es ging. "Hab ich jetzt also frei?" fragte er daher fast ein wenig unterwürfig. "Na klar." nahm ich Caleb die Antwort vorweg, streckte ihm seitlich die Zunge heraus als er seine Position veränderte. Theatralisch warf er die Hände in die Luft. "Gut, da man mich nicht zu brauchen scheint. Caleb verlässt das Büro!" damit erhob er sich tatsächlich. Dell hingegen blieb noch sitzen. "Betsy hat außerdem gefragt ob nicht Kaya auch dabei sein dürfte. Ich denke Louis wird später noch bei dir vorbeischauen um das ganze abzusprechen. Nur das du schon Bescheid weißt." "Danke , Dell."
      Damit verließ auch er das Büro.
      Da ich mich nicht wirklich auf meine Arbeit konzentrieren konnte, schaltete ich das MacBook aus. Schloss die Tür hinter mir. Nur um mich draußen auf die Suche nach meinem Mann zu begeben. Was auf einer Ranch der Größenordnung gar keine leichte Aufgabe war. Mir begegnete tatsächlich eher zweimal Murphy. O' war es schließlich die meinte ihn das letzte Mal in Richtung des Reining Platzes laufen gesehen zu haben. Dort begegnete er mir dann tatsächlich. Er arbeitete gerade mit einem jungen Rappquarter, den Nachbarn hier zum Training abgeliefert hatten. Da er noch in seine Arbeit vertieft schien. Wartete ich. Aber wie immer, bewies er seinen sechsten Sinn für Dinge, nur kurze Zeit später wandte sich sein lächelndes Gesicht auf mich. Mit dem Pferd am Strick kam er zu mir herüber, strich mir über den Scheitel. "Du siehst müde aus." ich winkte ab, er wusste welche Zeit des Monats war. Und auch wenn nicht mehr so streng, wie seine Vorfahren. So hielt er sich von mir als menstruierende Frau fern. Es war noch immer seltsam würde es wohl auf ewig bleiben. Zum Anfang hatte ich dieses Verhalten nicht verstanden. Er schlief dann auf der Couch. Ich hatte erst Lilly danach Fragen müssen. Das war - wie so vieles eines der Dinge die ihn so traditionell machten. "Caleb hat mir vorhin schon eine Schmerztablette besorgt" eine seiner Augenbrauen hob sich leicht. "Hat er das?" "Eifersüchtig?" sprach ich halb im Scherz. Den undurchdringlichen Blick vermochte ich nicht zu durchschauen. "Dell hat die Kids und mich eingeladen zum Sushi essen...und ins Kino. Ich habe dran gedacht ihn zu begleiten." Natürlich hatte er daran gedacht. Ich lächelte milde "Das wird bestimmt klasse. Auch wenn ich neidisch auf das Sushi werden könnte." "Sollen wir was mitbringen?"
      "Gute Idee."
      "Ich weiß." Über den Zaun hinweg, gab er mir einen leichten Kuss auf die Stirn, ehe seine Arbeit ihn wieder einspannte.

      Caleb
      Mein Weg führte mich sofort in den Stall, in dem ich mich umsah und mich mal wieder in einem riesigen Chaos befand. Wie lange hatte ich diesen Stall hier nicht mehr betreten? Drei Tage? Vier Tage?
      Es sah aus wie Kraut und Rüben… also fing ich zunächst einmal an, alle Utensilien wie Mistgabeln, Beulengabeln und Besen wieder an ihren Platz zu hängen. Ich leerte die Schubkarre auf dem Misthaufen und stellte sie schon einmal in die erste von zwanzig Boxen. Bevor ich jedoch mit dem Misten anfangen wollte, portionierte ich das Kraftfutter in die dafür vorgesehenen, mit Namen beschrifteten Eimer. Die Internetmenschen mussten nicht sehen, was die Pferde zu fressen bekamen.
      Dann fing ich mit dem Misten an, bis mir auffiel, dass ich vorher vielleicht noch etwas essen gehen könnte- wer wusste schon, wie lange der Stream dauern würde? Nach einem Blick auf die Uhr war ich mir auch sicher, dass das Essen bereits auf dem Tisch stand.
      In der Küche traf ich auf Bellamy und O die sich angeregt über das nächste Galopprennen unterhielten. “Willst du Pria nicht aus dem Sport holen?”, fragte ich O während ich mich setzte.
      “Doch. Aber ich hab ja noch andere Pferde. Clyde und Wildfire könnten mehr laufen, ebenso Tigres und Drama… aber nicht mehr dieses Jahr. Ich trainier die auf für eine letzte Saison und dann nehm ich sie alle aus dem Galopprennsport raus.”
      “Ach was?”
      “Ja, ich will mit denen allen in Richtung Vielseitigkeit, das macht mir mehr Spaß. Außerdem.. außer Pria ist keines der Pferde wirklich gut darin. Warum also nicht etwas anderes probieren?”
      Ich zuckte mit den Schultern, setzte mich auf meinen Platz am Kopf des Tisches und schaufelte mir etwas vom Eintopf auf den Teller. Dazu gab es Brötchen, die ich kleinriss und ebenfalls auf den Teller legte. Mit dem Löffel tunkte ich sie in den Eintopf, so dass sie sich richtig schön vollsaugten.
      Das Essen verlief ruhig, es gesellten sich noch ein paar Mitarbeiter dazu. Ich war mir nicht sicher, ob Ylvi auch dazustoßen würde. Normalerweise aß sie mit Louis und den Kindern zusammen drüben. Aber da die drei gleich wegfahren würden, würde sie uns vielleicht noch Gesellschaft leisten.

      Ylvi
      Ich sprang vor der Terrasse auf und ab um den Matsch ein wenig von den Füßen zu bekommen. Auf den Abend hatte leichter Nieselregen eingesetzt. Ich entledigte mich im Flur schließlich meiner feuchten Jacke. Sowie dem Filzhut der mir meine Frisur platt gedrückt hatte. Bevor ich an einen LiveStream denken konnte, verlangte mein Magen nun vehemmend nach Essen. Gerade da die Düfte aus der Küche ein erneutes Knurren auslösten. Mein Frühstück war nicht sonderlich üppig ausgefallen.
      Mit dem Betreten der Küche hoben sich vereinzelte Blicke, die sich anschließend dem Eintopf widmeten. Zielstrebig ging ich auf meinen Platz direkt neben Caleb zu. Seltsam war es schon. Ich wohnte bereits fast ein Jahr gemeinsam mit Louis. Essen taten wir meistens mit den Kindern. Aber der Platz blieb dennoch oft frei. War es aus reiner Gewohnheit. Oder teilten mir die Mitarbeiter unbewusst mit an wessen Seite ich hätte besser bleiben sollen? Natürlich waren diese Gedanken idiotisch. Das ganze konnte ich einfach der Gefühlsduselei meiner Periode zu schreiben. Was in meinem Kopf nur wieder los war. Dankend nahm ich von Bellamy einen Teller Eintopf entgegen. Begierig nahm ich mir auch eines der Brötchen. Die Haushälterin war Dolores, kurz von allen Dolly genannt, einzustellen war auch eine der Neuerungen gewesen. Sie kümmerte sich liebevoll um die Ordnung in den Häusern der Mitarbeiter, der Ferienhäuser und dem Haupthaus. Versorgte alle mit genug Essen. Machte Erledigungen in der Stadt. Sie hatte über den Sommer sogar begonnen einen kleinen Gemüsegarten neben dem Haus anzulegen. Die 53 jährige wohnte ebenfalls in einem der kleinen Bungalows. Sie konnte vor allem hervorragend Kochen. Was die Anzahl der Mitarbeiter die nicht mehr nur allein für sich kochten doch deutlich erhöht hatte. Noch fanden alle knapp in der Küche Platz. Genüsslich nahm ich zwei Bissen vom Eintopf. Anschließend sah ich zu Caleb. “Bereit für den Stream?” sprach ich mit gedämpfter Stimme. Murphy und O’ unterhielten sich zwei Plätze weiter. Angeregtes Stimmengewirr erfüllte die Küche.

      Caleb & Ylvi
      Caleb stopfte sich gerade das letzte Stückchen des Brötchens in den Mund, trank den letzten Schluck aus seinem Glas und sah dann zu Ylvi auf. “So langsam werde ich irgendwie doch nervös”, gestand er ihr wahrheitsgetreu und kratzte sich kurz am Kopf. “Kannst du den Stream gleich anfangen und irgendwann erst auf mich umschwenken?”
      Zunächst antwortete die junge Frau nichts, stand lediglich auf und ging in den Flur, in den ihr Caleb folgte. Sie zogen sich an, Caleb setzte seinen Hut auf den Kopf und gemeinsam gingen sie in Richtung des Stalles, in dem Caleb bisher noch nicht wirklich viel erledigt hatte.
      “Ich kann von mir aus anfangen”, antwortete Ylvi ihm dann, während sie ihr Handy zückte und Caleb sich daran gab, die Box auszumisten. Um die Hände frei zu haben friemelte die junge Frau aus ihrer Jackentasche ein kleines Stativ. Welches ihr ermöglichte ihr Handy anzubringen an die Stäbe der Box. Anschließend öffnete sie Instagram, wechselte vom privaten Account auf den der Ranch. Der Stream musste sich ein wenig herumgesprochen haben. Am Nachmittag hatte sie in der Story eine kleine Ankündigung gemacht. Es dauerte nur wenige Sekunden da kamen bereits die ersten Besucher. Es flogen die Herzchen und von überall aus der Welt kamen Grüße. “Willkommen zum ersten Livestream der Bow River Ranch mit dem Boss des ganzen Ladens. Hier im Hintergrund: Caleb O’Dell! Sag hallo Caleb!” Ylvi trat ein wenig zur Seite. Gab jetzt dem Auditorium freie Sicht auf Caleb, der in seiner üblichen Manier, eine Hand zum Gruß an den Cowboyhut nahm. Klischee dachte Ylvi sich bei seinem Move. Sie schüttelte nur den Kopf. “Da wir den Stream ziemlich spontan gemacht haben - dachte ich mir gestalten wir das ganze als FAQ. Daher stellt ruhig die Fragen die euch auf der Seele liegen.”
      Tatsächlich kamen viele Fragen wie es ihnen ging, die sowohl Caleb als auch Ylvi wahrheitsgemäß beantworteten. Einige der Fachfragen stellte Ylvi laut. Während Caleb zur Kamera sprach, nahm sie ihm die Forke aus der Hand und hievte Stroh in die Schubkarre. Zweimal während der Beantwortung von Fragen wechselten die beiden jeweils die Box. Während sie gerade dabei waren in die Dritte zu wechseln. Stolperte Ylvi über einen der Eimer auf dem Boden. Noch während ihr ein Aufruf der Überraschung über die Lippen kam, schaffte Caleb es gerade so nach ihr zu greifen. Mit einer Hand an ihrer Hüfte. “Hu, das war knapp.” suchte auf dem Betonboden nach dem Handy mit den Augen. Und hörte während des Bückens die Frage von Caleb “Alles klar?” “Nur der Schreck.” Ylvi hob das Handy auf. Dank Hülle war nichts passiert. “Und das meine Lieben, sollte Grund sein kein Zeug unnötig in der Gegend rumstehen zu lassen.” Ylvi wechselte die Kamera, deutete auf den Übeltäter.” Ihnen hatten nun knapp 200 Leute zugeschaut. Und plötzlich schienen die Herzen sich zu überschlagen. Caleb sah gar nicht auf das Handy, er arbeitete weiter. Da er merkte das keine weiteren Fragen kamen und Ylvi ihn nur bei der Arbeit filmte. Hielt er inne, sah Ylvi an. “Keine Fragen mehr?” Ylvi räusperte sich. Verzog etwas das Gesicht, dann schien sie zu entscheiden es sei ohnehin egal. “Seid ihr ein Paar?” Stille. Caleb räusperte sich auch. “Gute Freunde. Ylvi ist mit meinem Freund Louis Killsbears verheiratet.” Das war der Moment in dem der Livestream ablief. Die Zeit war auf 90 Minuten begrenzt. Caleb fuhr fort. Die Antwort von ihm hatten ihre Zuschauer nicht mehr mitbekommen. “Die Antwort ging nicht mehr durch. Vielleicht sollte ich die Info...naja ergänzen zur Mitarbeitervorstellung.”
      “Das wäre wohl… sinnvoll”, antwortete Caleb und machte sich wieder an die Arbeit. Er war mittlerweile an der letzten Box angekommen, streute sie mit Stroh und fuhr die volle Schubkarre auf den Misthaufen. Zähneknirschend betrat er erneut den Stall, warf Ylvi einen Blick zu, die wild auf ihrem Handy herumtippte. “Änderst du das jetzt gleich schon?”
      “Nein, aber da der Livestream zu Ende war beantworte ich die letzte Frage einmal in der Story.” Von den ganzen ‘#calvi’ Kommentaren, die eindeutig Ylvi und Caleb als Paar galten, erzählte sie dem Blonden nichts.
      “Verteilst du noch das Kraftfutter hier in den Boxen? Die Eimer sind alle fertig und beschriftet sind sie ja auch. Dann fang ich schon einmal an, die Pferde rein zu holen.”
      Ylvi nickte, machte sich sofort an die Arbeit und schnappte sich einen Eimer nach dem Anderen, die sie in die Futtertröge schüttete. Nach und nach brachte Caleb die Pferde in den Stall, die sich sichtlich über eine frisch gemachte Box freuten. Der leichte Nieselregen war einem stärkeren Regen gewichen und nach einem Wink von Caleb fing Ylvi an, die Decken derer Pferde zu tauschen, die mittlerweile triefend nass geworden waren. Zum Glück konnten die Decken in einer extra Kammer mit Waschmaschine auch zum Trocknen aufgehängt werden. Die meisten Decken waren mit Namen bestickt, so dass es ihr leicht fiel, schnell voran zu kommen.
      “Nächste Woche soll es wieder um die 20 Grad werden, nachts aber nur drei. Dann haben wir wieder einiges zu tun… abends eindecken, morgens ausdecken.” Caleb seufzte. Ylvi war drauf und dran ihn zu fragen, was er hatte, da der Seufzer offensichtlich nicht den Decken gegolten hatte, was sie an seinem Seitenblick zu ihr vermutete. Typisches Calebverhalten, unschöne Situationen einfach todschweigen.
      “Ich danke dir für die Hilfe, den Rest bekomme ich alleine hin”, winkte er ab und verließ den Stall. So schnell ließ sich Ylvi allerdings nicht abschütteln, denn das Haus war ohne Louis und die Kinder ziemlich leer. Selbst ein ruhiges Bad konnte sie nicht nehmen, denn dort war keine Badewanne vorhanden. Dafür hätte sie Caleb wieder fragen müssen, um das Bad im Haupthaus nutzen zu können.
      “Was musst du denn noch machen?”, fragte sie ihn stattdessen und blieb eine ganze Weile auf seiner Höhe, bis sie sich ein bisschen zurückfallen ließ.
      Erst dann drehte Caleb sich um, sah sie aus zusammengepressten Augen an. Der Wind peitschte ununterbrochen von unten und jagte ihm die Regentropfen in die Augen. “Ich will noch rüber zu HMJ Saintly, werde ihn auch reinholen. Er muss nicht bei dem Wetter draußen stehen, der ist eh noch angeschlagen… und dann wollte ich noch bei den Stut- und Hengstfohlen vorbeischauen.”
      “Gut, dann komm ich mit. Vielleicht bin ich dir dennoch eine Hilfe.” Hatte er sie abwimmeln wollen so sagte er nichts. Es gab auch kein Nicken. Draußen schlugen sie ihre Kragen an der Jacke höher, die Hüte tiefer in das Gesicht gezogen. Zwei dunkle Gestalten in der beginnenden Dämmerung, ein jeder mit den eigenen Gedanken beschäftigt.

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      Louis, Kaya, Tschetan, Dell & Betsy
      Dell hatte das Büro von Caleb und das Haus zügig verlassen, um auf die Suche nach Betsy und Louis zu gehen. Den Lakota fand er schließlich am Reiningplatz mit einer schwarzen Stute. “Caleb hat das ok gegeben, wir können fahren. Ylvi weiß auch schon Bescheid.”
      “Okay dann treffen wir uns in… einer dreiviertelstunde in meinem Bungalow?”, fragte ihn Louis. Dell nickte und verschwand, immer noch auf der Suche nach Betsy.
      Er fand sie schließlich auf der Koppel. Nicht bei Sue, dafür bei Sues Fohlen Pamina. Kaya und Tschetan standen ebenfalls dort und streichelten die Stutfohlen. Es war toll, dass die Pferde von Anfang an Kinder gewohnt waren. “Hört mal Betsy und ich wollten in die Stadt fahren, Sushi essen gehen und dann ins Kino. Ich hab schon mit Louis gesprochen, wenn ihr auch Lust habt würden wir alle zusammen fahren”- wildes Nicken von allen drei Kindern. Kaya und Betsy klatschten sich einmal kurz ab. “Ihr müsstet euch alle nur… nochmal umziehen und vermutlich auch noch schnell duschen.” Wieder nickten sie alle. “Wir treffen uns gleich bei euch im Haus, Tschetan und Kaya.”
      “Bis gleich”, trällerte Betsy, gab Pamina einen Kuss auf die Nase und verließ langsam die Koppel. Sie wusste genau, dass sie bei den Pferden nicht laufen durfte und dachte fast immer daran. Im Haus steckte Dell zuerst Betsy unter die Dusche, eher er selbst schnell drunter sprang. In Windeseile waren sie beide angezogen.
      Im Bungalow der Killsbears, erwartete Vater und Tochter ein eigensinniges Bild. Hintereinander standen Kaya, Tschetan und Louis da. Eingehend damit beschäftigt sich die Haare zu kämmen. Wie selbstverständlich sah er wie sich seine Tochter Betsy einen der Stühle schnappte, ihn hinter Louis stellte und gleichermaßen begann die Reihe fortzusetzen. Dell sah auf seine Hände hinab und ließ sich seufzend auf einen der Küchenstühle nieder. "Ich fühl mich wie ein schlechter Vater. Das einzige das meine Hände zustande kriegen ist ein fusseliger Pferdeschwanz." Damit deutete er auf das Gebilde an Betsys Hinterkopf. Die 11 jährige kicherte. "Dafür können deine Hände andere geschickte Sachen!" ein kurzes zustimmendes Brummen kam Dell über die Lippen. Louis nahm die Worte auf. "Wir haben eben alle unsere Talente. Schau ich in das Innere eines Wagens kann ich höchstens sagen, wenn der Motor fehlt."
      "Vielleicht hast du deine Kindheit ein wenig zu lang damit verbracht dir die Haare zu flechten." Louis ließ keine Regung im Gesicht erkennen, aber Dell kannte den Lakota gut genug um seine zuckenden Mundwinkel zu sehen. Als alle bis auf Betsy fertig gekämmt und geflochten waren. Begann Louis damit Betsy die Haare aus dem Pferdeschwanz zu ziehen, kämmte sie vorsichtig durch, nur um sie dann mit drei Strängen zu verflechten. “Noch ein Sommer nur draußen, die Haare kohlschwarz. Und sie geht als eine von Deinen durch. “schmunzelte Dell. Sah auf seine Tochter und spürte ein Gefühl in sich aufsteigen. Mit jedem Sommer konnte er mehr von ihrer Mutter in seiner Tochter erkennen.
      Louis Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. Tschetan und Betsy fingen an zu lachen. “Betsy Killsbears, das wärs noch”, meinte der Junge und verschwand in eines der Zimmer, um sich umzuziehen.
      Kaya schaute Louis zu, stand dann aber schließlich auf und kam wenig später mit einer Jacke zurück.
      “Sind alle fertig?” - zustimmendes Nicken, Tschetan war mittlerweile auch wieder aufgetaucht. “Ich hab gedacht wir nehmen mein Auto. Es ist zwar nicht so komfortabel wie das von Caleb zum Beispiel aber man kommt von A nach B und die Kinder passen alle auf die Rückbank.
      Während die Kinder schon zum Auto vor liefen, schlenderten Louis und Dell gemütlich hinter ihnen her. “Es fällt mir von Tag zu Tag schwerer, in ihr Gesicht zu schauen”, gestand Dell ihm. “Sie sieht ihrer Mutter immer ähnlicher, es ist so unglaublich schwer… ich werde jeden Tag mehr mit ihr und dem Tod konfrontiert.”
      Louis senkte kurz den Kopf, ließ sich weiter zurückfallen, was Dell ihm gleich tat. “Der Tod gehört im Leben dazu, Dell. Genauso wie das Leben. Deine Frau hat dir deine wunderbare Tochter geschenkt, die euch Beide auf ewig vereinen wird. Sieh die Gedanken als Geschenk an, nicht als Last. Auch wenn es schwer fällt.”
      Am Auto angekommen hatten sich die Kinder bereits hineingesetzt. Dell griff zum Türgriff, hielt dann allerdings inne. “Danke”, hauchte er fast tonlos in die Dunkelheit. Dennoch vernahm er ein kurzes Nicken von Louis.
      Die Fahrt nach Calgary verlief ruhig. Eine angenehme Spannung lag in der Luft. Noch fühlte sich das Mädchen nicht wohl genug. Kaya hatte begonnen zumindest mit den Pferden zu flüstern. Tschetan und auch Ylvi hatten es bereits gehört. Betsy war vor 3 Wochen zu ihm gekommen. Ihre Augen voller Tränen, aber ihr Mund hatte gelächelt. Kaya hatte ihren Namen gesagt. Ylvi und der Lakota hatten am Abend darüber gesprochen. Fast ein wenig...enttäuscht das Kaya beschlossen hatte ihre ersten Worte an Betsy zu richten. Wie Louis es allerdings sah? Betsy gehörte mit in den Kreis der Familie. Kaya und sie verbrachten jede Minute beieinander, sie waren sich so Nahe das sie Schwestern sein könnten. Selbst er, der nicht ihr Blut teilte fühlte Stolz in sich, wenn sie gemeinsam mit Kaya auf einem Ausritt waren. Ob es wohl daran lag ,dass er in einer großen Familie aufgewachsen war? "Welchen Film habt ihr euch eigentlich ausgesucht?" fragte der Lakota schließlich in die Runde.
      “Was eine Frage, den Pferdefilm über das kleine Indianermädchen und ihr Pferd!”, rief Betsy aufgeregt von der Rückbank. Kaya nickte zustimmend, Tschetan schlug sich mit der Hand an den Kopf. Der Junge wurde langsam zu alt für die beiden Mädchen, interessierte sich zusehends für andere Dinge. Er half mehr auf der Ranch mit, packte an wo er nur konnte und schien enttäuscht, wenn seine Hilfe abgewimmelt wurde. Octavia, die mit den beiden Mädchen so froh war, konnte kaum etwas mit dem Jungen anfangen. Mittlerweile fragte er sie schon gar nicht mehr, ob sie Hilfe bräuchte.
      Bellamy war da ganz anders. Er freute sich stets über eine helfende Hand und mutete dem Jungen manchmal sogar fast zu viel zu. Es fehlte wirklich ein weiterer Junge in Tschetans Alter auf dem Hof.
      Mittlerweile waren die fünf in der Stadt angekommen. Dell parkte das Auto und gemeinsam gingen sie zum Restaurant, in dem sie an ihren reservierten Tisch gebracht wurden. Zu ihrer rechten befand sich eine Art Laufband, auf dem Teller im Schneckentempo an ihnen vorüberzogen. “Und davon kann man sich jetzt einfach nehmen, was man möchte?”, fragte Betsy neugierig. Dell und Louis nickten synchron.
      “Zeigt einfach auf was ihr wollt oder sagt uns Bescheid und wir geben es zu euch rüber”, antwortete Louis, der mit gegenüber von Dell, ebenfalls am Laufband saß. Neben ihm saß Tschetan. Neben Dell saß Betsy und am Kopfende Kaya- so saß sie zwischen ihrem Bruder und ihrer Freundin.
      Das gemeinsame Essen war im Nu vorbei und sie befanden sich wieder alle im Auto, um zum Kino zu fahren. Tschetan beteiligte sich während des Essens kaum an den Gesprächen. Louis sah ein wenig besorgt zu dem jungen Lakota hinüber. Ob er es bereute für den Abend zugestimmt zu haben? Erst später, als der Film bereits lief fiel es ihm auf. Der Todestag seiner Mutter nährte sich zum zweiten Mal. Kaya war vielleicht zu jung um sich daran zu erinnern. Der Ältere Tschetan jedoch schon. Louis nahm sich vor mit dem Jungen in der nächsten Zeit einen Ausflug allein zu unternehmen. Er mochte es vielleicht noch nicht gern sehen, aber langsam verließ Tschetan das Kindesalter.

      Caleb&Ylvi
      "Wie bitte?"
      "Ob du noch rüberkommst, ein Bier trinken? Oder...in anbetracht deiner klappernden Zähne. Wohl eher...Kamin und einen Tee?" die junge Frau sah Caleb an. Da hatte er die vergangenen 2 Stunden geschwiegen. Jetzt da er es brach. Konnte sie kaum glauben, was sie da hörte. Allerdings wollte sie ungern das Angebot ausschlagen. "Wenn du so fragst, gern. Das Haus drüben würde ohnehin so leer sein." Caleb führte den Weg, während Ylvi ihm die Treppe hinauf ins Haupthaus folgte. Auf der kleinen hölzernen Terasse, entledigten sich beide von ihren Regenmänteln. Die junge Frau schlotterte, die plötzliche Kälte setzte ihr zu. Daher frohlockte sie bei den Gedanken gleich vor dem warmen Kamin zu sitzen. Bereits vor 2 Tagen hatte sie das getan, gemeinsam mit O' in Gespräche vertieft. Zum heizen der unteren Etage hatte Dolly den Kamin daher bisher jeden Abend entzündet.
      Calebs Abende sahen immer gleich aus. Er am ins leere Haus, ging zum Kühlschrank und nahm sich ein Bier, mit dem er sich auf die Couch, die Terrasse oder oben vor sein großes Fenster setzte. So stand er nun routinemäßig vor dem Kühlschrank. Öffnete ihn, hielt dann jedoch inne. Er wollte gar kein Bier, sondern Wasser aufsetzen für den Tee.
      Ylvi war derweil im Wohnzimmer verschwunden. Der lange Regenmantel und die dicken Stiefel hatten sie davor bewahrt, klatsch nass zu sein. Der Mantel war durch nass, aber ihre Kleidung darunter war trocken. Dennoch stellte sie sich eine Weile vor den Kamin, ehe sie sich mit einer Decke auf dem Sofa einrollte.
      Wenige Sekunden später stieß Caleb wieder zu ihr, stellte ihren Tee vor sie auf den Tisch, setzte sich aufs Sofa und setzte seine Tasse vor ihn ab.
      Eine ganze Weile schlürften beide schweigend ihren Tee, ehe Caleb das Wort ergriff. “Ylvi, wie geht es dir?”
      Eine Frage und deren Antwort, die ihn lange Zeit nicht interessiert hatte. Doch die Trennung war nun schon eine ganze Weile her, es war einige Zeit verstrichen und er war… über sie hinweg. Nicht ganz, das würde er nie sein. Aber soweit, dass er sie mit vollem Ernst fragen konnte, wie es ihr ging.
      Er merkte, dass er sie mit dieser Frage überrumpelt hatte, so ganz aus dem Nichts, dennoch wartete er geduldig auf eine Antwort. Verdutzt starrte die junge Frau ihn an. Nicht sicher welche Antwort ihn wirklich interessierte. Wie weit sollte sie zurück greifen in der Beantwortung seiner Frage? Schlussendlich blieb sie ihm diese Antwort schuldig.
      O' und Bellamy betraten schnatternd den Raum. In den Händen hatten sie zwei Flaschen, deren Inhalt eigentlich nur der selbstgebrannte von Lawrence sein konnte. Die Etiketten die Flaschen waren nur halbherzig abgerissen worden. Bellamy hatte vier Gläser in der Hand. "Da du mal wieder Kinder-frei hast. Zeit für ein bisschen Spaß!" sprach O' a Ylvi gerichtet aus. Während sich O' ungeniert mit auf die kleine Couch fallen ließ, sodass Caleb und Ylvi ein wenig enger rücken mußten damit genug Platz war. "Spaß?" fragte Caleb in die Runde. Vielsagend auf die Flaschen und Gläser schauend. Der Cowboy ahnte worauf das ganze hinaus gehen konnte.
      Bellamy griff in die Tasche seines Sweaters und warf ein Kartenspiel auf den Tisch. "Eine Runde Romé hatten wir lang nicht mehr." Ylvi plusterte ihre Wangen auf. "Die Regeln müsstet ihr mir aber nochmal auffrischen. Alles krieg ich nicht zusammen."
      Mit jeder neuen Runde leerte sich auch eine der Flaschen. Die Runde wurde lockerer. Bis Bellamy der zum vierten Mal in Folge verloren hatte, Romé für beendet erklärte. Seine Motivation war im Keller angekommen. "Womit heitern wir dich wieder auf?" fragte Ylvi belustigt, die eben die letzten drei Runden für sich entschieden hatte. "Wir müssen auf jedenfall die Flaschen leer kriegen." betonte O'. Was widerum ein fragendes Gesicht von Caleb hervorrief. Bellamy sprang ein "Die sind wohl schon älter, die müssen weg. Meinte Lawrence." "Ah prima und da dachtet ihr das wär ne prima Idee die uns anzudrehen?" O' zuckte lächelnd mit den Schultern. "Never have I ever!" "Bitte?" kam es wie aus einem Munde von Caleb und Ylvi. O' klärte sie schließlich auf "Das tun wir um die Flasche leer zu kriegen. Die Regeln vom Spiel sind allen bekannt?"
      “Ich hab noch nie… nicht im Gefängnis gesessen”, fing O an und verwirrte die gesamte Mannschaft.
      “Hä? Muss ich jetzt trinken, wenn ich schon mal im Gefängnis gesessen hab, oder wenn ich noch nicht im Gefängnis gesessen habe?”
      “Letzteres.”
      Ylvi war die Einzige, die einen Schluck aus ihrem Becher trank. "Okay, das ist eine Geschichte die mich brennend interessiert." diesen Teil aus dem Leben der beiden jüngeren war Ylvi bisher unbekannt. "Und wer stellt jetzt die nächste Frage? Uhrzeigersinn, oder diejenigen die getrunken haben?"
      "Da du die einzige warst. Bist du dran."
      "Ich hab noch nie ...eine Bank ausgeraubt." um der Frage die dieser vorausging vielleicht auff den Zahn zu fühlen.
      Niemand trank.
      “Wer ist denn dran wenn niemand was getrunken hat?”, fragte Ylvi erneut. Bell und O sahen sich an, entschieden sich dann einfach dazu, dass die Person links von der, die zuvor die Frage gestellt hatte, dran war- also Caleb.
      “Ich hab noch nie… etwas gestohlen.”
      Bellamy und Octavia hoben schweigend ihre Becher zum Mund und tranken beide einen grooooßen Schluck. Caleb grinste kurz und sah die beiden amüsiert an. Natürlich wusste er über sie Bescheid. Nun galt sein Blick Ylvi. Musste sie trinken oder nicht? Ylvi hob den Becher, sah über ihn hinweg in die Runde. "Das ist wahrscheinlich Auslegungssache."
      "Ah ja?"
      "Naja, etwas materielles habe ich noch nicht gestohlen. Aber einigen das Herz."
      O' sah in die Runde. "Na dann, schluck,schluck würd ich meinen." Dabei sah niemand wie Caleb die Augen nieder schlug.
      "Ich hab noch nie...einen prekären Text an die falsche Person geschickt." kam es von Bellamy.
      “Was heißt denn bitte prekär?”, fragte O und fuhr sich einmal durch die langen Haare.
      "Naja, du weißt schon. Schmutzig Textchen...ein paar Bildchen?"
      "Wow, das ist die wievielte Frage? Und dann schon so ein Niveaulimbo?" spach Caleb, prostete allerdings in die Runde und trank- ebenso wie alle anderen.
      “Was passiert denn nun, wenn alle trinken müssen? Und vor allem.. Bellamy du Doofkopf, es geht darum dass die anderen trinken und nicht du selbst!”, protestierte O und schlug ihrem Bruder gegen den Arm.
      “Na wenn alle trinken müssen- macht eure Becher leer. Es gibt Nachschub für alle”, formte Bell kurzerhand die Regeln neu und forderte alle in der Runde auf, ihre Reste auszutrinken und sich etwas neues von ihm schütten zu lassen.
      Nun war Octavia wieder an der Reihe mit der fünften Frage… “Ich hab noch nie… mit mehr als 10 Leuten in meinem Leben geschlafen.”
      “Was ein Nivau…”, deutete ihr Bruder an, zuckte dann jedoch die Schultern. “Na dann lasst es uns spannend machen..”
      Caleb trank. Sonst niemand.
      "Mhm...um das ganze wieder auf Kurs zu bringen. Ich hab noch nie..ein Tattoo gestochen bekommen." setzte Ylvi fort, musste allerdings nun doch selbst einen Schluck nehmen. Von Caleb wusste sie schließlich bereits das er keines besaß. War allerdings überrascht die Geschwister trinken zu sehen. "Na? Überbleibsel aus Knacki-Zeiten?" fragte sie belustigt."
      “Woher du das nur erraten konntest…”, Bellamy lachte, stand auf und zog… blank. Also naja, er zog sein Shirt hoch und zeigte am unteren Rippenbogen ein Messer. Ylvi sah Octavia auffordern an, die ebenfalls aufstand und ihr Shirt nach oben zog. Calebs Blick senkte sich fast beschämend zu Boden, als sie ihren Sport-BH ein Stück nach oben schob. Unter ihrer rechten Brust hatte sie ebenfalls ein Messer.
      “Na auf die Geschichte bin ich aber echt gespannt… auf die und auf die andere, von dem Klauen”, meinte Ylvi schulterzuckend.
      “Nun bist du dran”, forderte O sie jetzt auf, ihr Tattoo zu zeigen, weshalb sie hatte trinken müssen. Fast unauffällig, aber nicht für alle Personen im Raum unsichtbar drehte Caleb seinen Kopf noch weiter weg, während Bellamy es sich nicht entgehen ließ, Ylvis Tattoo zwischen ihren Brüsten zu begutachten, auf der es nicht nur das Tattoo sondern auch einige Narben zu sehen gab. “Starr nicht so.” Dabei hielt O ihrem Bruder die Hände vor die Augen, bis Ylvi wieder komplett angezogen war. Auch Calebs Blick hob sich wieder. “Es wundert mich ja, dass du keins hast. Hast du wirklich nicht besoffen irgendwo in einer ramschigen Ecke eins von einem Bucklebunny verpasst bekommen?”
      “O werd nicht frech”, zischte der Blonde nur und überspielte Os Frage mit einer neuen, für das Spiel angemessenen: “Ich hab noch nie… Strippoker gespielt.”
      "O!" kam es überraschend von Bellamy, der zusehen musste wie seine Schwester kleinlaut, aber frech blinzelnd einen Schluck trank. "Da tun sich ganz andere abgründe auf." murmelte Caleb, leise zu Ylvi. Als wolle Bellamy genau an diesen Anknüpfen "Ich hab noch nie...beim Sex an eine andere Person gedacht." Bell und O' setzen dieses Mal aus. Dafür waren es Caleb und Ylvi die gemeinsam einen Schluck tranken. Nicht ohne sich dabei zu Fragen, wem diese Gedanken wohl galten. Caleb konnte, dem mittlerweile erreichten Pegel zu Schulden, nicht an sich halten. Lehnte sich leicht zu Seite und flüsterte "Musstest du an mich denken während dieser Typ aus Deutschland bei dir war?" Doch er erhielt keine Antwort. Und er vermochte nicht zu sagen. Ob die Röte in ihrem Gesicht vom Kamin, dem Alkohol oder der Scham kam. Bell und O' merkten von diesem Moment der beiden nichts, denn sie hatten eifrig die Becher aller Spieler wieder gefüllt. "Dann bin wohl ich dran!" zwitscherte O' zufrieden. “Ich hab noch nie...eine Schlägerei gehabt.”
      Die beiden Jungs setzten sofort zum Trinken an und nahmen einen größeren Schluck, als sie eigentlich hätten nehmen müssen. O beugte sich über den Tisch und zog die Becher runter. “Hey, hey ihr beiden. Ihr müsst doch nicht einen Schluck pro Schlägerei trinken”, lachte sie. Auch Ylvi stimmte in ihr Lachen ein.
      “Dann würden die Becher nicht reichen”, murmelte Caleb, langte zur Flasche und schüttete sich nach. Auch den Becher von Bellamy füllte er wieder auf. Würden sie weiterhin so große Schlücke trinken, dann wäre die Flasche nach einer weiteren Runde leer. "Ich habs geahnt, ich bin wieder dran." seufzte Ylvi
      "Ich hab noch nie... vor der Polizei fliehen müssen."
      "Du lässt nicht locker,oder?"
      Ylvi schüttelte daraufhin den Kopf, deutete in Bellamys Richtung an wie sie ihren Becher hob. Blieb in der Runde allerdings die einzige, die nicht trinken musste. "Das sind sie...die braven, prüden Deutschen." zog Bell sie auf. "Wir brauchen nur andere Fragen um sie zum Trinken zu kriegen." kam es von Caleb, der triumphierend lächelte. "Ich hab noch nie ….jemanden nackt gesehen obwohl ich es nicht sollte." damit spielte er auf seinen Aufmarsch in die Küche an, als sie damals mit Max gerade gefrühstückt hatte.
      “Für deine Gemeinheit von Frage müsstest du eigentlich deinen ganzen Becher leer trinken”, brachte Ylvi zwischen zusammengepressten Zähnen heraus, ehe sie einen Schluck trank. Doch auch Octavia nahm einen Schluck aus ihrem Becher. Kurz darauf sahen Caleb und Ylvi sie auffordernd an, während sich Bellamy verlegen am Kopf kratzte. Octavia warf ihm einen Seitenblick zu: “Einen Anblick, den ich leider nie in meinem Leben vergessen werde.” Caleb prustete los, steckte die Anderen mit seinem Lachen an und kam- des Alkohols geschuldet, nicht mehr dahinter. “Caleb trink noch einen Schluck, dann gehts dir gleich besser”, schmunzelte O und sah zu Bell, der wieder mit einer Frage an der Reihe war. Vielleicht hatte der Blonde sich bis dahin wieder eingekriegt.
      “Ich hab noch nie... Eifersucht verspürt, als mein Ex-Partner eine Neue oder einen Neuen hatte.”
      “Wow…” Mit einem Mal verstummte Caleb und trank einen Schluck aus seinem Becher, während die anderen nur mit den Schultern zuckten.
      Nun war Octavia wieder an der Reihe. “So Leute… Butter bei die Fische. Ich hab noch nie...darüber nachgedacht, was einen nach dem Tod erwartet… auch wenn ich jetzt selbst trinken muss.” Sie zuckte kurz mit den Schultern und trank einen Schluck. "Wenn man dabei ist zu sterben...dann denkt man nicht daran. Eigentlich." Ylvi sah nach unten auf ihren Becher im Schoß "denkt man gar nicht." O' schlug sich mit der Hand vor den Mund. Sie hatte vergessen was im vorletzten Jahr passiert war. Sie schüttelte den Kopf und trank schließlich. "Aber überlebt man es, dann dreht sich dein ganzes Sein beinahe um diese Frage." seufzte sie. So hieß es in dieser Runde trinken für alle. Was aber auch bedeutete - die Becher wurden erneut gefüllt, die zweite Flasche angebrochen. Die Stimmung wurde lockerer, gelassener. Ylvi fand sich näher an Caleb sitzend wieder, Schulter an Schulter. Während sein Arm locker hinter ihr und O' auf der Rückenlehne lag. Es brauchte ein wenig Koordination um zu ermittelt,wer denn nun eigentlich als nächstes dran sei. Es war Ylvi. "Da wir offenbar die Anstandsfragen ja sowieso hinter uns gelassen haben. Ich hab noch nie...eine Einladung für einen Dreier bekommen."
      “Wieso bin ich schon wieder der Einzige, der trinken muss”, grummelte Caleb vor sich hin, nahm die Hand hinter Ylvi nach vorne und trank einen Schluck, ehe er den Becher wieder abstellte und seine Hand wieder zurück an den Platz auf der Rückenlehne der Couch legte.
      “Bist du nicht…”, murmelte Octavia, trank einen Schluck und grinste Bellamy frech ins Gesicht.
      “Ooooh O, das hättest du besser nicht gemacht”, mischte sich Caleb ein. “Ich hab noch nie… einen Dreier gehabt”, lautete die nächste Frage und brachte niemand anderes zum Trinken, als Octavia.
      “Lalalala”, trällerte Bellamy, schloss die Augen und hielt sich die Ohren zu. Die anderen drei brachen in heiteres Gelächter aus.
      “Iiiiich hab noch nie… jemanden gedatet, der eigenartig war.” So lautete Octavias Frage, die sie zweimal wiederholen musste, da Bellamy noch immer so tat, als würde er weder sehen noch hören können; niemand trank. “Okay dann will ich nochmal.”
      “Du darfst aber nur einmal”, meldete sich ihr Bruder zu Wort.
      “Ich will aber nochmal.”
      “Dann lass sie doch, Bell”, sprach Caleb und wartete gespannt auf die nächste Frage. Sie nahm ihren Becher an die Lippen, tippte den Rand im Takt ihrer Gedanken daran. "Ich hab noch nie….Sex in einem Auto, Zug oder Bus gehabt."
      Bellamy sah seine Schwester an. "Himmel, wer würde denn…" verstummte aber als Ylvi hastig einen Schluck trank, um sich dann zu erklären "Um alle zu beruhigen...es war KEIN öffentliches Verkehrsmittel. Aber meine Jungfräulichkeit, die hab ich in einem Bulli verloren." Woraufhin Ylvi den anderen ersteinmal erklären musste was, denn genau ein Bulli wäre. Denn mit Van konnten die anderen drei deutlich mehr anfangen. "Wo wir dann dabei wären…..ich hab noch nie mit mit einem Arbeitskollegen geschlafen." feuerte Bellamy die nächste Frage in den Raum. Die war fies, denn alle wussten schließlich das Caleb und Ylvi eine gemeinsame Vergangenheit teilten. Allerdings flog ihm die Kinnlade hinunter als auch Octavia an ihrem Becher nippte. Bellamy grummelte "Hoffentlich hat das nichts mit der Dreierfrage zu tun gehabt. Den bring ich um." O' sah ihn keck an. "Wieso...den?"
      “Also ich wars nicht! Himmel, O ist wie eine kleine Schwester für mich!”, haute Caleb raus und bekam einen Schlag gegen den Hinterkopf. Er war sich nicht sicher, ob er von rechts, also von Ylvi, oder von links von Octavia gekommen war.
      “Das will eine Frau hören. ‘Du bist wie eine kleine Schwester für mich’, pah!” - der Schlag war eindeutig von links gekommen.
      “Aber um nochmal auf die wichtigere Frage zurück zu kommen.. warum eigentlich Bell?”
      “Weil ich mir nicht vorstellen will wie du einen Dreier mit… keine Ahnung, Caleb und Cayce hast.”
      “Whoaaa, whoaa, halt mich da bitte raus Bell!”
      “Und wenn es keiner von der Ranch hier war sondern… im Gefängnis? Oder sogar mit Frauen?”
      “Heilige.. O da warst du minderjährig und hör auf mir so ein Kopfkino zu bereiten!”
      “Bell beruhig dich. Der Dreier und das mit den Arbeitskollegen sind unterschiedliche Dinge, die ich hier nicht weiter erläutern werde.” O zuckte mit den Schultern. “Außerdem müsste es in Calebs Fall heißen: Ich hab noch nie mit meinem Chef geschlafen.” Das machte die ganze Sache nicht besser. Ylvi, die mit den Gedanken gerade nicht so richtig bei der Sache gewesen war, hob den Becher zum Mund und trank, was eine wahre Welle des Gelächters auslöste. In diesem Moment zeigte Bellamy ein Flusspferd Gähnen. "Puh, ich denke ich hab für heute genug Sache über meine kleine Schwester erfahren. Ich werd mich mal aufs Ohr hauen. Morgen heißt es wieder arbeiten." O' sah auf die Uhr an ihrem Handgelenk "Streng genommen..ist seit einer Minute morgen. Aber ich geh mit dir Konform. Ich werd mitkommen." "Du kannst schön in dein eigenes Bett. Nachher stellt man uns noch als Inzest-Ranch dar." O' schlug sich die Hand an die Stirn.
      "Du hattest eindeutig zu viel."
      "Natürlich!"
      Ylvi deutete in Richtung der Becher. "Lass das Stehen, ich räum das später weg." Das Geschwisterpaar verabschiedete sich, verließ noch immer schwatzend den Raum. Ylvi ließ sich nach hinten sinken, seufzte. "Ich merke erst jetzt das ich solche Abende vermisst habe." sie schaute zum Tisch, zog eine Schippe mit den Lippen. "Nur doof das der Tee, den du mir gemacht hast, jetzt kalt ist."
      "Ich könnte versuchen dir einen neuen zu machen."
      "Lass das lieber. Mir ist ohnehin nicht mehr Kalt."
      Sie sah ihn dabei von der Seite an, spürte nun in ihrem Hinterkopf seinen Arm auf der Lehne. Sich plötzlich mehr bewusst seiner Nähe. "Es ist schwierig." murmelte sie. "Ich...ich führe ein Leben das ich mir so nicht hätte vorstellen können. Tschetan und Kaya sind mir ans Herz gewachsen. Ich liebe meinen Mann, aber…" dabei senkte sie den Kopf. "aber...ich kann nicht leugnen was meine Träume mir zeigen."
      "Ich bereue es. Jeden verdammten Tag. Ich hätte kämpfen sollen. Damals." Caleb suchte ihren Blick. "Ich denke….wir haben beide unsere Fehler gehabt. ...Ich hab noch nie...das Gefühl gehabt egoistisch gehandelt zu haben." flüsterte sie, um aus dem Becher aus ihrem Schoß zu trinken.
      “Ich hab noch nie… eine Entscheidung so lange hinausgezögert, bis mir sie jemand anderes abgenommen hat.” Damit musste Caleb nun selbst trinken. Der Abend nahm Züge an, die er in nüchternem Kopf und mit klaren Gedanken niemals angenommen hätte. Aus dem Bauch heraus (oder folgte er da doch seinem Herzen?) stellte er Ylvi folgende Frage: “Was zeigen dir deine Träume?” Er schien nicht vergessen zu haben das man sich auf ihre Träume verlassen konnte. "Manchmal tief in der Nacht, wenn Louis schläft. Dann wünsche ich mich an deine Seite zurück." antwortete sie wahrheitsgemäß "Ich kann nicht leugnen was mein Herz mir mitteilt. Ich verstehe es selbst noch so wenig." Ylvi balancierte den Becher zwischen ihren Oberschenkeln, während sie sich die Hände vor die Augen hielt. Caleb nahm der jungen Frau den Becher ab, stellte ihn gemeinsam mit dem seinen auf den Tisch. Nur um ihr die Hände vom Gesicht fortzuziehen. "Ich hab es ja verstanden. Es hat eine Weile gedauert...aber ich hab es verstanden. Louis...er war deine Chance zu bleiben. Ihr hattet eine gemeinsame Geschichte. Vielleicht war es deine Art dich bei ihm zu bedanken...er hat dir dein Leben gerettet." Caleb wischte die Tränen fort die ihr über die Wange zu laufen drohten. "Wir haben damals beide seltsam gehandelt. Aber…" Ylvi schüttelte den Kopf. "Nicht zwing mich nicht….zwing mich nicht dazu mich zu entscheiden." flüsterte sie ihm zu. Kaum hörbar. "Wer spricht von entscheiden?" Und dann...waren da plötzlich seine Lippen auf den ihren. Ein Gefühl von Heimat. Ein aufeinandertreffen von bekannten Seelen. Ihre Körper zogen sich zueinander hin, Calebs Hand suchte sich einen Weg unter ihr Shirt. Dann unterbrach sie den Kuss, ihre Hand umklammerte sein Handgelenk. Stirn an Stirn saßen sie da. Plötzlich lachte Caleb. "Verdammt. Ich kann Louis nicht mal mehr böse sein, das er dich geküsst hat. Ich muss mich ja selbst zusammenreißen dich nicht die Treppe hinauf in mein Bett zu tragen." ...keine Veränderung ihrer Position. Erst langsam befreite Caleb seinen Arm. Umarmte Ylvi, ließ sich nach hinten auf die Couch sinken. Ihr Kopf auf seiner Brust, ihr Oberkörper umschlungen von seinen Armen. "Verdammt." murmelte er nochmal.

      Louis, Kaya, Tschetan, Dell & Betsy
      “Woooooow”, schwärmte Betsy noch immer von dem Pferdefilm, den sie alle zusammen soeben gesehen hatten. Dell war noch zur Toilette, weshalb sie drinnen im warmen Kino auf ihn warteten. Tschetan grummelte ein paar mehr oder minder zustimmende Worte, ihm war der Film zu kitschig und zu mädchenhaft gewesen. Kaya allerdings teilte Betsys Meinung, weil sie bei jeder ihrer Aussagen kräftig nickte. Louis kratzte sich am Kopf, ließ den Mädchen jedoch ihre Freude, auch wenn der Film voller Fehler gewesen war.
      “Morgen früh mal ich Sue so an, wie das Mädchen ihren Akecheta (bedeutet wohl Krieger :D) angemalt hat. Mit den roten Ringen ums Auge und die Streifen am Bein.”
      “Du weißt schon…”, begann Tschetan doch Louis legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter, schüttelte den Kopf und gab ihm so zu verstehen, dass er Betsy nur machen lassen sollte.
      “Ich erklär es ihr morgen früh”, sagte er leise, nur für Tschetans Ohren bestimmt.
      Dell schloss wieder zur Truppe auf. Sie gingen alle gemeinsam zum Auto, stiegen ein und er startete den Motor, um die Heimfahrt anzutreten. “Das sollten wir öfter machen.” Dell brach die Stille. Allerdings antworteten ihm nur Louis und Tschetan, Kaya und Betsy waren beinahe sofort eingeschlafen, sobald er losgefahren war.
      “Da haben wohl zwei etwas nachzuholen.” Vergangene Nacht hatte Besy bei Kaya übernachtet. Gott allein weiß, wann die beiden endlich die Augen zugemacht und geschlafen hatten.
      Auf der Ranch angekommen schaltete Dell den Motor aus und drehte sich zeitgleich mit Louis nach hinten. Die Mädels schliefen noch immer. “Tragt ihr sie jetzt etwa ins Bett oder kann ich sie wecken?”, fragte Tschetan und machte schon Anstalten, an seiner Schwester zu schütteln.
      Dell und Louis schauten sich an, hatten denselben Gedanken im Kopf und sagten zeitgleich: “Wir tragen.”
      Leise wurde also ausgestiegen, die Mädchen aus den Gurten befreit und sich bis zum Morgigen Tag verabschiedet. Dell mit seiner Tochter Betsy auf dem Arm gingen in ihren Bungalow, Tschetan und Louis, der Kaya auf dem Arm hatte, gingen in den Ihren.
      Lautlos öffnete Dell die Haustür, schloss sie hinter sich wieder und steuerte auf Betsys Zimmer zu, wo er mit der freien Hand die Bettdecke zurückschlug und das Mädchen in ihr Bett legte. Er öffnete gerade den Reißverschluss ihrer Schuhe, da hob sie den Arm und rieb sich einmal durch die Augen. “Hmm?”, fragte sie verschlafen und richtete sich halb auf. “Sind wir schon wieder zuhause?”
      “Ja, meine Kleine, seit ein paar Minuten.”
      “Dad kann ich bei dir übernachten heute, bitte?” Diese Frage hatte sie ihm schon lange nicht mehr gestellt. Einerseits war er froh, dass sie es endlich schaffte, alleine in ihrem Bett zu bleiben und dass die Albträume aufgehört hatten. Andererseits kam ihm selbst sein Bett in letzter Zeit viel zu kalt und leer vor.
      “Natürlich. Ziehst du dich um und kommst dann rüber?” Betsy nickte zustimmend.
      Dell verließ das Zimmer seiner Tochter, machte einen Abstecher im Bad und zog sich dann ebenfalls in seinem Zimmer um. Er schlug gerade seine Bettdecke rüber, da stand seine Tochter mit ihrem Kuscheltierpferd, natürlich war es schwarz, so wie ihre Stute Sue, in der Tür. “Komm, kuschel dich schon mal ein, ich mach das Licht aus.”
      Kurze Zeit später fand sich Dell ebenfalls im Bett wieder. Seine Tochter in den Armen, an seinem Bauch das Kuscheltierpferd.
      “Weißt du… du bist der beste Dad auf der ganzen Welt. Ich hab dich unglaublich lieb.” Mit diesen Worten kuschelte sich das Mädchen noch enger an ihren Vater heran.
      “Womit hab ich das denn verdient?”, flüsterte er ihr ins Ohr und wartete geduldig auf ihre Antwort, doch Betsys Atemzüge wurden länger, gleichmäßiger und sie blieb ihm die Antwort schuldig.

      Ylvi & Caleb
      Stille lag über dem Raum. Nur das einsame Licht des Feuers, sowie eine kleine Lampe in der Nähe der Tür erleuchteten den Raum. Das Knacken aus dem Kamin blieb das einzige Geräusch. Caleb strich versonnen über die Finger die Ylvi auf seiner Brust liegen hatte. Tiefe, gleichmäßige Atemzüge zeigten dem Cowboy das sie bereits schlief. Waren ihre Träume auch in diesem Moment gefüllt von ihm? In seinen umnachteten Gedanken tauchte die Frage aus dem Spiel auf. Sah wie Ylvi trank. Ich hab noch nie...beim Sex an eine andere Person gedacht. flackerte Bells Frage durch seinen Verstand. Er schaute hinab auf Ylvis Gesichtszüge. Als er sich einer Bewegung im Türrahmen gewahr wurde. Louis trat gerade in das Licht der kleinen Lampe. Die beiden geflochtenen Zöpfe lagen unter seinen verschränkten Armen. Wie so oft gab es keine Regung auf dem Gesicht des Lakota. Beide Männer starrten sich ob der Dunkelheit gegenseitig ins Gesicht. Caleb nahm fast mechanisch seine Hand von Ylvi, wollte hinter sich greifen um aufzustehen. Da machte Louis eine Geste. Sie bedeutete Ende. Dann drehte sich der Lakota um. Hatte Caleb da ein Lächeln auf seinem Gesicht gesehen?

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      Louis
      Das ich darauf gewartet hatte wäre übertrieben gewesen. Viel mehr überraschte mich meine Reaktion. Im Schatten des Flures hatte ich sie beobachtet. Zwei Körper eng verschlungen. Hatte gesehen wie Caleb sie ansah.
      Wieso war da keine Eifersucht in mir? Fühlte ich mich zu sicher? Wegen eines blattes Papier? Meines Namens den Ylvi trug? Ich wusste nur zu gut wie sehr sie sich ihren Gefühlen hingab. Selbst am Tag der Hochzeit hatte ich gewusst, das in ihrem Herzen immer die Liebe für Caleb bleiben würde. Meine Schritte gingen hinaus in die Dunkelheit des Hauses. Caleb war wie ein Bruder für mich. Wir hatten einander in den letzten Jahren mehrere Male unser Leben bewahrt. Mein Herz war bei dem Anblick der mir wichtigsten Menschen in meinem Leben nicht zerbrochen. Hatte ich stattdessen...Stolz verspürt?
      Ich hatte Caleb zu verstehen gegeben zu bleiben wo er war. War gegangen...noch jetzt zuckten meine Mundwinkel mit einem Lächeln. Liebte ich Ylvi weniger? Ich blieb stehen, schaute hinauf in den bewölkten Himmel. Horchte tief in mich hinein. Bis mein Bauchgefühl mir eine Antwort zu geben vermochte. Mir fehlte in diesem Bezug einfach jegliches Gefühl von Eifersucht. Eher ein bestimmendes Gefühl völliger Verwirrung. Mit diesem im Kopf kehrte ich zurück in das Bett.

      Caleb
      ‘Fuck, fuck, fuck, fuck’, dachte ich unentwegt, warf meinen Kopf zurück gegen die Rückenlehne des Sofas und seufzte tief. Wie lange hatte Louis schon da gestanden? Was hatte er gesehen- und vor allem: warum war er einfach gegangen, nicht jedoch ohne mir vorher ein Zeichen zu geben, ich solle liegen bleiben? Und lag wirklich ein Lächeln auf seinem Gesicht, als er sich umdrehte?
      Der Lakota würde mir keine reinhauen, so wie ich es bei ihm getan hatte. Er würde auch nur im äußersten Fall zurückschlagen, sollte es erneut zu einem Kampf kommen.
      Alles nur wegen dieser einen Frau, bei der ich zu Beginn des Abends gedacht hatte, ich wäre über sie hinweg. War ich nicht. Augenscheinlich- und dann war ich auch noch so dumm gewesen sie einfach zu küssen! Setzte ihr Flausen in den Kopf, sie müsse sich nicht zwischen mir und Louis entscheiden. Verdammt sie hatte sich entschieden. Vor einem Jahr schon. Seit einem Jahr war sie die Frau an der Seite von Louis. Wie lange hatten wir uns gegenseitig gebraucht und aufgebaut? Auch ein Jahr? Weniger? Länger? Ich wusste es schon gar nicht mehr.
      Was würde mein dummes, egoistisches Verhalten für die Zukunft bedeuten? Hatte ich mein Recht verspielt, egoistisch zu handeln?
      Sollte ich Ylvi sagen, dass Louis uns gesehen hatte? Wobei… sie lagen nur zusammen auf der Couch- angezogen. Keine Spur von Romantik oder einem Kuss… Würde Ylvi ihm erzählen, was vorgefallen war? Würde sie ihm erzählen, was ich ihr vorgeschlagen hatte? Dass sie sich nicht entscheiden müsse? Ich wusste, dass Lakota ihre Frauen mit ihrem Kola, ihrem Freund, teilten. Wollte ich das? Stand das im Raum? Was würde das für die Ranch heißen? Dass wir hier lebten, wie die Wilden?
      Ylvi fing an sich zu bewegen, löste sich aus meinem Griff. Sie richtete sich auf und sah zu mir hoch, rieb sich einmal mit der Hand durch die Augen. “Caleb was ist los? Warum spannst du dich so an?”
      Meine Gedanken rasten. Noch immer unsicher, was ich ihr erzählen sollte, oder ob ich ihr überhaupt etwas erzählen sollte. Hatte ich dieses Mal die Eier in der Hose, ihr die Wahrheit zu sagen? Oder trug sich der Kampf wieder einmal nur in meinem Kopf zu? Der Caleb aus dem letzten Jahr hätte ihr vermutlich nichts gesagt, geschwiegen und das Gespräch zunächst mit Louis gesucht- oder eben auch nichts gesagt. Der heutige Caleb war erwachsener, reifer geworden und wollte vor seinen Problemen nicht mehr davonlaufen. Ich wollte sie anpacken, mich ihnen stellen. Ganz so wie meinen Dämonen, die mich nachts so häufig um den Schlaf brachten. Um diesen entgegen zu wirken schien dies ein guter, erster Schritt zu sein.
      Doch war es erwachsen und vernünftig, zu erst mit ihr und nicht mit Louis zu reden? Fiel ich ihm mit meinem Verhalten nicht in den Rücken?
      Ich entschied mich dazu, Ylvi die halbe Wahrheit zu erzählen- ‘verdammter Idiot’, hallte es in meinem Kopf wider.
      “Louis stand eben im Türrahmen, hat uns gesehen. Als ich aufstehen wollte, hat er mir das Signal zum sitzenbleiben gegeben und ist... gegangen.”

      Ylvi
      Ich schnappte plötzlich nach Luft, mir bis dahin nicht bewusst das ich die Luft angehalten hatte. Ich fühlte mich schlagartig weder neblig vom Schlaf, noch vom Alkohol.
      Wie sollte ich Caleb erklären das Louis und ich in dieser Sache keine Geheimnisse voreinander hatten? Mir war jedoch nicht gänzlich klar wieso Louis die Situation nicht aufgelöst hatte. Natürlich….er war nicht Caleb. Seine Gedanken setzte mein Mann nicht direkt in Aktionen um. “Caleb...Louis und ich. Wir sprechen darüber. Das war ein Versprechen nach unserer Hochzeit. Wir würden uns alles erzählen.” ich sah auf die Hände in meinem Schoß nicht ganz sicher was ich sagen wollte. Ich wollte ehrlich mit Caleb sein, aber die Worte auszusprechen war so schwer. Ich setzte an. Verstummte. Setzte wieder an. “Dass ich Gefühle für dich habe. Ich kann nicht ahnen bis wohin sein Verständnis geht. Aber...ich weiß nicht. Dass er ging.” ich sah und deutete zum Türrahmen, sah dann wieder direkt in Calebs Augen. “Ich weiß nicht ob das Louis Art war…”ich lachte kurz auf “uns eine Erlaubnis zu geben...für was auch immer.” und dann spürte ich das Kribbeln in meiner Nase und schluckte um nicht weinen zu müssen..”Oder seine Art mir Bewusst zu machen das ich mich entscheiden sollte. Wir uns entscheiden sollten.”

      Caleb
      Ich wusste ehrlich nicht was ich ihr antworten sollte, saß stattdessen einfach nur stumm da. Die Zahnrädchen in meinem Kopf rasten unaufhörlich, formten Worte und ließen sie wieder verschwinden.
      “Es kann auf jeden Fall nicht auf ewig so weitergehen. Ich habe wirklich gedacht ich sei über dich hinweg, bin es aber augenscheinlich nicht. Dich beziehungsweise euch vom Hof zu schmeißen ist allerdings auch das allerletzte, was ich möchte. Außerdem würde ich Betsy damit das Herz brechen, das könnte ich nie im Leben wieder gut machen”, ich seufzte tief, vergrub meinen Kopf in meinem Händen, schloss die Augen und verharrte einen Moment so.
      “Ylvi was machen wir hier eigentlich überhaupt? Was soll der Mist?” Langsam fing ich an mich wieder in Rage zu reden, sprach zuerst Dinge aus, bevor ich darüber nachdachte. “Wie soll das hier weitergehen? Dass wir uns alle paar Wochen betrinken, uns küssen oder andere Dinge machen und du dann zurück zu Louis gehst und neben ihm im Bett einschläfst?” Ich stand auf, fing an um den Wohnzimmertisch und die Couch herum zu tigern. “Ich kann mich nicht konzentrieren, bin ständig abgelenkt. Abgelenkt davon, nicht über uns nachzudenken. Dich nicht zu packen und zu küssen, dich nicht mit in mein Bett zu nehmen. Ich denk sogar darüber nach dich einfach zu umarmen, wenn du neben mir stehst, meinen Kopf an den Deinen zu legen und einfach deine Nähe zu spüren, dich bei mir zu haben. Wie soll ich das aus mir rausbekommen? Was soll ich machen? Wenn du eine Lösung weißt, sag es mir. Ich kann das auf jeden Fall nicht mehr, es macht mich wahnsinnig.” Beim letzten Wort blieb ich stehen. Zwischen Couch und Tisch war ich wieder genau vor Ylvi angekommen, schaute sie von oben herab an und atmete einmal schwer.

      Ylvi
      Ich konnte nicht anders als das Tränen meine Wangen hinab liefen. “Ich...Ich wünschte bloß ich könnte zwei Personen sein. Eine...die liebende Frau, eine gute Mutter für Kaya und Tschetan. Zufrieden, mit dem was ich habe, wie ich es bin. Die zweite? ...jemand anderes, jemand neues. Vielleicht nur für einen Tag..damit ich an deiner Seite sein kann, dich küssen, dein Bett teilen....ohne mich illoyal gegenüber Louis zu fühlen.”
      “Und du glaubst….du wärst damit zufrieden? Oder...ich?” Caleb nahm eine Strähne meines Haares und steckte es mir hinter die Ohren. “Ich habe es erst nicht begriffen. Bis heute nicht. Aber ich sehe eure Blicke, denselben mit dem du mich anschaust.” “Caleb..” seufzte ich “Hab Geduld mit mir. Wie ich Geduld mit dir hatte...bis ich, wir, eine Lösung haben..” ich wische fahrig meine Tränen fort. “Danke...für den Abend. Aber...ich, ich sollte gehen.”
      Ich verzichtete auf den nassen Regenmantel, sogar meinen Hut. Ich zog nur die Stiefel an und joggte hinüber zum Bungalow.Ich schloss leise die Tür. Fand meinen Weg auf Socken hinein in das Schlafzimmer das ich mit Louis teilte. Gedämpftes Licht kam von einer Lampe, über der ein gelbes Tuch hing. Daneben rauchte ein Bündel Salbei in einer Schale. Ich wusste um die Bedeutung. Louis schrak auf als ich den Raum betrat. Wir sahen einander nicht an. In Klamotten legte ich mich neben ihm ins Bett. “Darf ich fragen?” setzte er an. “Nein Louis.” ich seufzte und schniefte gleichzeitig. “Frag mich nichts” Stattdessen rückte er ein Stück näher, nahm mich in den Arm. Mein Kopf nun auf seiner Brust, während ich einfach nur weinte. Ich hatte nicht die Kraft jetzt darüber nachzudenken was für eine Entscheidung ich treffen wollte...treffen sollte. Mein Herz liebte zwei Männer...und es zerriss mir selbiges. Es spürte Liebe und Mitleid für beide Männer die ich auf die eine oder andere Weise betrogen hatte.

      Caleb
      ‘Ich wünschte bloß ich könnte zwei Personen sein’, dieser Satz hallte Minuten, nachdem Ylvi den Raum und sogar das Haus verlassen hatte, noch immer in meinem Kopf nach. ‘Hab Geduld mit mir. Wie ich Geduld mit dir hatte, bis ich, wir eine Lösung haben.’ Eine Lösung haben? Ich hatte alles ruiniert. Hätte ich sie bloß nicht geküsst, ihr nicht nahegelegt, was in mir vorgeht. Hätte ich Schweigen sollen? Nein, mit Sicherheit nicht. Ich hatte etwas sagen müssen, meinen Gedanken freien Lauf gewähren müssen… und von jetzt an: musste ich mit den Konsequenzen leben. Der Jetzige Zustand hätte mich auf Dauer von innen heraus zerfressen. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber ich fühlte mich einsam wie schon lange nicht mehr. Auf dem Hof war vom Frühstück morgens bis zum Abendessen abends immer etwas los. Ich hatte Menschen um mich herum, manchmal mehr als mir lieb war. Von jungs bis alt, mit allen kam ich aus und war froh um jeden Einzelnen, den ich hier hatte. Aber spät abends, wenn ich alleine auf der Couch saß und die Mitarbeiter ihre Wege in die Bungalows angetreten hatten, dann fühlte ich mich einsam. Ging ich abends alleine in ein leeres Bett, fühlte ich mich einsam. Stand ich morgens alleine auf, fühlte ich mich einsam. Ging ich morgens runter zum Frühstück an den gedeckten Tisch, der voll mit meinen Mitarbeitern saß, war das Gefühl der Einsamkeit verflogen.
      Saß ich mit Ylvi zusammen im Büro, verspürte ich eine große innere Anspannung, bei der ich ständig versuchte, sie nicht nach außen hin durchkommen zu lassen.
      Bisher hatte es funktioniert, bis zum heutigen Abend. Ob es dem Alkohol oder Louis Reaktion geschuldet war, wusste ich nicht. Tatsache war, dass ich meine Gedanken ausgesprochen hatte und ich sie nicht wieder zurücknehmen konnte.
      Ylvi hatte mich vor ihrem Verlassen eben darum gebeten, ihr Zeit zu geben. Zeit, eine Lösung zu finden- und genau das würde ich jetzt tun. Es gab diese Momente im Leben, da musste man sich zusammenreißen, nun war einer dieser Momente gekommen.
    • Veija
      Being mortal - wir sind sterblich.
      Februar 2021, by Ravenna & Veija
      Caleb
      Am nächsten Morgen tauchte ich erst spät beim Frühstück auf, lediglich Dell und Betsy saßen noch am Tisch, alle anderen waren schon auf der Ranch unterwegs und fingen mit ihren Arbeiten an.
      “Wars gestern schön im Kino gewesen?”, fragte ich an Betsy gewandt und trank einen langen Zug aus meiner Kaffeetasse.
      “Oh ja und wie! Darf ich mir Sue nehmen und sie wie ein Indianerpferd anmalen? Das hat das Mädchen im Film auch gemacht mit ihrem Pferd, bitte, bitte, bitte!”
      Ich grinste kurz, sah zu Dell der nur mit den Schultern zuckte. “Ja darfst du. Nimm sie aber mit auf einen der kleinen Paddocks, dann kann sie ein bisschen fressen, sieht die anderen Pferde und wenn sie keine Lust mehr hat kann sie weggehen, aber nicht weglaufen. Pass nur auf, dass du sie auf einen der Stutenpaddocks stellst, nicht auf die andere Seite zu den Hengsten… sind Tschetan und Kaya auch dabei?”
      “Kaya ist immer dabei, Tschetan weiß ich nicht.. aber ich glaube, Louis wollte mir da noch was erklären.”
      ‘Zusammenreißen...zusammen… reißen…’ “Wenn Louis dabei ist, umso besser. Geh gleich mal rüber und frag ihn ob er Sue sogar mit dir von der großen Koppel holen kann.” Ich hoffte, dass er Betsys Einladung folgen würde. So wusste ich wenigstens, welchen Bereich der Ranch ich heute meiden würde. Das Büro und die Stutenpaddocks.
      “Dell kannst du gleich nach dem Pferdehänger schauen? Seit Cayce und Bell mich und Tschetan mit Saintly vom Flughafen abholen sollten, steht der hier herum und ist kaputt. Ich kann auch deinen Stalldienst übernehmen, gar kein Problem.”
      “Also wenn das so ist… natürlich.”
      Betsy stopfte sich das letzte Stück ihres Brotes in den Mund, stand auf, umarmte ihren Vater mit den Worten “Hab dich lieb” und ging dann nach draußen. “Hab dich auch lieb…”, murmelte er, aber seine Tochter war schon lange verschwunden.
      “Ich hab mir beim besten Willen niemals vorstellen können, einmal so viele Kinder um mich herum zu haben. Ich bin von einer festen Beziehung und Vater sein meilenweit entfernt, ich mein… bei mir hier im Haus kommen und gehen sie, ich hab die Kids nie 24 Stunden am Tag um mich herum… aber, wie ist das Leben eigentlich überhaupt, wenn das Kind… von einem selbst ist? Man Vater ist?
      “Wie es ist Vater zu sein?”, wiederholte er meine Frage in einfachen Worten. Ich nickte, dann antwortete er: “Es ist anstrengend… es bereitet dir unendlichen Kummer. Wenn Betsy krank ist oder es ihr nicht gut geht, leide ich mit ihr, manchmal sogar mehr als sie. Ich weiß nicht wie es wäre, wenn ihre Mutter noch da wäre… aber Caleb, es ist das Schönste im Leben.”
      Ich nickte wieder, lächelte ihn an. Dann stand ich auf, füllte Kaffee in meine Thermoskanne, bedankte mich bei Dolly für das Frühstück und begab mich dick eingepackt nach draußen. Dort steuerte ich sofort auf den Trainingsstall zu, fernab von den Stutenkoppeln oder dem Bungalow von Ylvi und Louis.

      Louis fand die beiden Mädchen auf einem der Paddocks. Sue fraß genüsslich an der Schubkarre voll Heu. Kaya und Betsy waren in Gummistiefeln begeistert dabei Farbe, nicht nur auf Sue, sondern auch sich zu streichen. Wehmütig lehnte er sich an den Zaun, seufzte leise. Wann nochmal hatte er sich ausgesucht ein Vater zu sein? Das war einer der Momente in denen er es nicht mochte.
      "Louis! Schaut Sue nicht toll aus! Wie gestern in dem Film." seufzte Bety verträumt. Louis sah zu Kaya, aus ihren Zöpfen hatten sich die Strähnen gelöst, flatterten wild im Wind. Und er versuchte sich daran zu erinnern, als ihre Mutter noch gelebt hatte. Kaya war damals noch in Windeln umher gelaufen, in einer für sie angefertigten Regalia hatte sie an der Seite ihrer Mutter begonnen zu tanzen. Viel zu lange hatte Louis seine eigene Regalia nicht getragen. "Kommt mal hier rüber Mädels." winkte er die beiden Mädchen heran, setzte sich auf den Rand der Badewanne, die hier als Tränke diente. Auch die Kids setzten sich neben ihn. Dann deutete er auf Sue, die weiter ungeniert ihr Heu fraß. "Könnt ihr euch daran erinnern? An die Geschichte von Wakan Tanka? Was habe ich dabei zu seinem Namen erzählt?" Betsy und Kaya sahen ihn an, Kaya machte ein Zeichen. Und wie es für die beiden mittlerweile üblich war sprach Betsy die Worte für sie. "Du hast gesagt Wakan..das heiße Heilig. Sein Name bedeutet Großer Geist. Hat das etwas damit zu tun was du mir gestern erzählen wolltest?" fragte Betsy neugierig. Louis lächelte ihr zu antwortete jedoch nicht. "Als die ersten Siedler mit ihren Pferden dieses Land betraten wussten die Leute unseres Volkes nicht was sie da vor sich sahen. Es transportierte große Lasten, konnte weite Strecke laufen ohne zu ermüden. Sie dachten sie hätten es mit etwas heiligem zu tun. Man kannte kein Wort für diese Geschöpfe also nannte man sie Sunka Wakan. Sie nannten also das was sie vor sich sahen heiliger Hund." beide Kinder folgten dem Blick des Mannes der mit den Lippen eine kurze Geste in Richtung der Stute machte. Er ließ Betsy eine ganze Weile Zeit. Dies war nicht die erste Lehrstunde über das Leben der Lakota oder viel mehr. Nicht die erste über alle Indigenen Völker. "Heißt das...ich darf Sue nicht mehr anmalen? Es sieht doch so schön aus!" seufzte Betsy
      Louis sah das blonde Mädchen von der Seite an, bevor er ihr zu lächelte. Er schüttelte beruhigend den Kopf. "Du bist ein Kind. Aber du bist dabei erwachsen zu werden. Und wie bisher. Möchte ich das du verstehst. Für Tschetan, Kaya, mich und viele andere Indigene ist es da draußen gar nicht so einfach. Nicht wie hier auf der Ranch. Am Ende des Tages, wenn das Wasser dir die Farbe von der Haut gewaschen hat. Dann bist du wieder einfach nur Betsy." Betsy sah zu Boden, fast ein wenig enttäuscht. "Eure Kultur ist keine Verkleidung ich weiß. Bist du mir böse?" damit sah Betsy ihn wieder an. "Ich wäre dir nur böse, wenn du nicht lernen würdest. Komm ich erkläre euch ein paar der Zeichen, die man mir beibrachte. Die WarPaint eines jeden Kriegers war unterschiedlich und auch nicht jedes Pferd wurde mit den gleichen Zeichen bemalt. Das kam ganz darauf an ob das Pony ein Büffelläufer oder ein Kriegspony war."
      Für die nächsten zwei Stunden lernten beide Kinder durch die kleinen Geschichten die Louis ihnen erzählte. In der Kultur seines Volkes wurden die Kinder nicht bestraft. Es gab unzählige Lehrreiche Geschichten die dazu dienen sollten die Kinder zu erziehen. Louis selbst war nicht auf die selbe Weise erzogen worden. Doch mit den Geschichten der Ältesten kannte er sich aus.

      Ylvi
      Ich war müde und verheult aufgewacht. Schlaf hing in den Augenwinkeln, meine Klamotten die ich gestern nicht mehr ausgezogen hatten hingen an mir. Fast ein wenig feucht. Ich konnte mich nur vage an meine Träume erinnern, aber ich musste geschwitzt haben. Ich schlich mich leise aus dem Zimmer unter die Dusche. Draußen war es noch dunkel. Die Anzeige der Uhr in der Küche zeigte mir das es kurz vor 6 war.
      Wie ein Geist stand ich in der dunklen Küche. Mein Bademantel hielt mich nur vage Warm..noch rann mir ein Tropfen Wasser über das Knie. Auf leisen Füßen schlich ich mich in unser Schlafzimmer zurück, fand im Zwielicht den Schrank und zog einige neue Sachen für mich hervor. In der Dunkelheit konnte ich Louis nicht sehen. Aber die Scham drückte mich nieder, also verließ ich den Bungalow. Noch würde niemand auf sein, aber es sprach nichts dagegen bereits die Decken der Pferde abzunehmen, die Boxen zu misten. Ich brauchte jetzt Beschäftigung!
      Vielleicht würde ich mir zum Mittag eines meiner Trainingspferde entführen um einen Ausritt zu machen.

      Caleb
      Eine ganze Weile schon war ich dabei, Dells Boxen zu misten, die Pferde umzudecken, nach draußen zu bringen und schon das Futter für den Abend vorzubereiten. Bei den Pferden, die nur Mineralfutter und Kraftfutter bekamen, wartete ihr Futter am Abend bereits im Trog. Das waren auch die Pferde, die momentan nicht wirklich im Training standen.
      Alle anderen, besonders die, die ich so gut wie jeden Tag ritt, weichte ich Rübenschnitzel auf. Die konnte ich erst beim reinholen der Tiere in den Trog schütten, da sie sonst das restliche Kraftfutter zu einem labbrigen Brei aufweichen würden.
      Die Stutenkoppeln umgehend schaute ich noch bei HMJ Saintly vorbei, der momentan ein Luxusleben führte. Herumstehen und Fressen, was könnte es besseres geben.
      Da ich doch nicht drum herum kam, einige E-Mails zu beantworten, schlich ich mich ins Büro, welches zum Glück leer war, schnappte mir das Tablet und ging damit hoch in mein Schlafzimmer, wo ich mich vors Fenster setzte und mit dem Blick auf den Hof E-Mails beantwortete. Ich konnte Bellamy mit einigen der Pferde bei der Führanlage sehen, Louis und Betsy bei Sue sowie Dell beim Pferdeanhänger. Ich hoffte, dass er ihn wieder zum Laufen bringen würde.
      Doch kaum hatte ich ein, zwei Mails beantwortet, musste ich mich doch runter ins Büro setzen, da das Akku den Geist aufgegeben hatte.

      Dell
      Nach dem Frühstück war ich zunächst wieder in den Bungalow gegangen, um mir andere Kleidung anzuziehen. Die Jeans, mit der ich die Ställe mistete, war zum Reparieren des Anhängers nicht wirklich geeignet, denn sie hatte zu wenige Taschen.
      Ich schlüpfte in meine Arbeitshose- die mit den extra vielen Taschen, und machte mich zum Anhänger auf den Weg. Da wo er jetzt stand kam ich nicht gut dran, weshalb ich Calebs Truck dranhängte, um ihn mir auf den Hof zu ziehen. Caleb hatte was erwähnt, dass er sein Auto später brauchen würde, weshalb ich es wieder abhing und ein paar Meter nach vorne fuhr.
      Nachdem ich nun auch meine Arbeitsutensilien alle beisammen hatte, schaute ich mir einmal an, wo denn das Problem war. Schon beim Fahren war mir aufgefallen, dass der Hänger ziemlich schief war. Zunächst schaute ich mir also den Reifen an. Doch wenn dieser platt gewesen wäre, wären Bellamy und Cayce schon auf die Idee gekommen, ihn zu ersetzen. Also musste ich weiter drunter gehen und fand eine Stelle an der Achse, die sich verzogen hatte. Genaueres sah ich nicht, dafür musste ich mir den Hänger wohl aufbocken, um weiter drunter zu kommen- eine Aufgabe, die ich schon hundert mal erledigt hatte.
      Ich war mir sicher, ich könne den Schaden ohne großen Aufwand beheben, weshalb ich auch den Reifen drauf ließ. Ohne noch lange weiter darüber nachzudenken, bockte ich mir den Hänger auf, legte mich auf den Rücken und robbte mich zu der Stelle vor, die ich genauer unter die Lupe nehmen wollte.

      Bellamy
      Heute war einer dieser Tage, an denen ich mit dem falschen Bein aufgestanden war und mich das Gefühl nicht losließ, dass der Tag schrecklich werden würde. Dabei hatte ich heute gar nicht viele Aufgaben zu erledigen oder irgendwelche Sachen zu machen, auf die ich keine Lust hatte. Mir lag einfach ein Gefühl im Magen, dass heute kein guter Tag war.
      Ein Scheppern riss mich aus meinen Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Die Führanlage hatte den Geist aufgegeben. “Toll. Wirklich toll. Dann kann es heute ja nur noch besser werden…”, murmelte ich, ehe ich die beiden Führstricke von Magic und Tex schnappte, die Anlage mit der Hand weiterdrehte, um die beiden Pferde ans Halfter zu bekommen und mich auf den Weg zum Stall machte.
      Wieder hörte ich ein Krachen, dieses Mal jedoch etwas weiter weg. “Was hat denn nun schon wieder den Geist aufge… Oh mein Gott!” Die Stricke der Pferde glitten mir beim Anblick dessen, was ich vor mir sah, einfach aus der Hand. Ich rannte los, ganz gleich was die Tiere machen würden, die könnten wir später wieder einfangen.
      “Scheiße… hörst du mich? Oh Gott… HILFE!”, in einem wahrlichen Schockzustand brüllte ich so laut ich konnte, doch auf der weitläufigen Ranch würde mich vermutlich niemand so einfach hören können.
      Ich schien jedoch Glück zu haben, Ylvi lief auf mich zu. “Ylvi ruf einen Krankenwagen! Schnell!” Sie stoppte in der Bewegung, kramte ihr Handy aus der Tasche und lief wieder auf mich zu. Neben mir ließ sie sich auf die Knie fallen. “Was ist passiert? Hörst du mich… Dell?!”
      Keine Reaktion. Die Wagenheber, mit der Dell den Hänger aufgebockt hatte, war gebrochen. So war der Hänger mit voller Wucht nach unten gekracht und hatte Dell unter sich begraben. Dieser reagierte nicht mehr, ich wusste nicht einmal ob er atmete!
      “Bellamy atmet er? Die vom Rettungsdienst sind unterwegs…”
      “Ich weiß es nicht, wie soll ich denn dran kommen? Sollen wir den Hänger hochheben??”
      “Nein, bloß nicht. Wir müssen warten, die Feuerwehr kommt auch hierher, wenn wir den Hänger heben und er bekommt nicht sofort Hilfe… stirbt er.” Ylvi versuchte die Tränen zurückzuhalten und dem Mann am anderen Ende des Hörers Antworten zu geben.
      “Bellamy versuch herauszufinden, ob er atmet…”, gab sie mir die nächste Anweisung.
      Ich schluckte, kroch vorsichtig ein wenig unter den Hänger und blickte direkt in eine große Blutlache, die sich von Dells Kopf auf den Boden ergoss.
      Regungslos, wie erstarrt blieb ich liegen und starrte seinen Kopf an. Überall… war Blut… er hatte die Augen geschlossen… wirkte tot… “BELLAMY!”, schrie Ylvi mich nun an. “ATMET ER NOCH?”
      Zaghaft befreite ich mich aus meiner Erstarrung, hob eine Hand nach vorne und hielt sie unter seine Nase. Ich spürte einen ganz schwachen Luftstoß, legte zwei Finger an seinen Hals und kontrollierte seinen Puls, welcher ebenfalls schwach, aber noch da war.
      “Ganz schwach, Atmung und Herzschlag”, gab ich Ylvi Bericht und krabbelte wieder unter dem Anhänger heraus. “Ylvi er hat eine große Wunde am Kopf, liegt in einer ziemlichen Blutlache.” Ich versuchte mich zu besinnen. Wie oft schon hatten damalige “Bekannte” mir von Situationen erzählt, in denen sie beim Raub handgreiflich geworden waren oder sogar absichtlich Menschen verletzt hatten, um sie zu beklauen. O und mir war das nie passiert, noch nie hatten wir einen Mensch absichtlich oder unabsichtlich verletzt. Einmal war ich dabei gewesen, als mein Partner auf einen Menschen geschossen hatte. Mir sollte der Anblick von Blut nichts ausmachen, aber es war etwas ganz anderes auf einen fremden zu schießen oder seinen Freund hier, in seinem eigenen Blut liegend, vorzufinden.

      Ylvi
      Man konnte die Anspannung im Saal förmlich in Stücke schneiden. Auch ich konnte auf meinem Stuhl nicht vernünftig sitzen, mit tat der Hintern weh. Außerdem hatte ich taube Knie. Allerdings wollte ich mich auch nicht bewegen. Louis war vor 3 Stunden mit Betsy ins Krankenhaus gefahren. Bellamy war inzwischen wieder gefahren. Calebs Truck hatte wieder gesponnen, daher musste er warten bis Bell zurück war um selbst ins Krankenhaus zu kommen.
      Wir warteten bereits 5 Stunden im Wartezimmer des Krankenhauses. Ich hatte jetzt erst eine klare Vorstellung davon wie es Louis und Caleb ergangen sein musste, als ich die Patientin gewesen war. Louis hatte eine Hand um die meine geschlungen. Ich hatte Betsys Kopf auf meinem Oberschenkel. Das Kind hatte geweint. Selbst jetzt in ihrem unruhigen Schlummer der Erschöpfung zuckten ihre Schultern. Mechanisch strich ich ihr über die Stirn, durch das blonde Haar. Plötzlich wurden unsere Namen aufgerufen. Da ich mich nicht rühren wollte, erhob sich Louis an meiner statt. Eine der Ärztinnen erklärte ihm genau was nun mit Dell passierte. Ich brannte darauf auch zu hören was los war. Doch ich wollte die gerade schlafende Betsy nicht wecken. Keine Regung sah ich im Gesicht meines Mannes. Erst als die Frau sich herum drehte und ging strich sich Louis Seufzend die losen Haare aus dem Gesicht. Seine Backen plusterten sich auf,die Luft entwich seinen Lippen auf dem Weg zurück zu mir. Ich hielt Betsys Ohr zu, während mir Louis leise in mein Ohr flüsterte. "Sie haben ihn wieder zusammen geflickt. Aber seine Reaktionen auf sämtliche Tests, sieht nicht gut aus. Noch ist es zu früh um zu sagen er sei Hirntod, die Prognose allerdings ist schlecht." Ich starrte hinunter auf den Kind. Alsbald würde sie womöglich mehr mit ihrer Freundin teilen als sie ahnte. Wie nur sollte ich ihr erklären, dass nach ihrer Mutter nun auch der Vater ihre Welt verlassen würde? Ich schluchzte auf, das war einfach zu viel. Da erscholl eine zarte Stimme von meinen Knien her. "Er wird nicht wieder gesund,oder?" Betsy richtete sich auf. Sah uns beide an. Plötzlich wirkte sie viel älter als sie es in Wahrheit war. Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Ich zog Betsy an meine Brust. Mir fehlten ohnehin die Worte, welche Bedeutung hätten sie jetzt auch noch?

      Caleb
      Wenige Minuten später, nachdem ich mich ins Büro gesetzt hatte klingelte mein Telefon. Die Rinder waren unten am Fluss durch den Zaun gegangen und unterwegs in Richtung der Hauptstraße. Ich seufzte, manchmal, wenn man am wenigsten Zeit hatte, kam einem sowas noch dazwischen.
      Ich legte das Handy auf den Schreibtisch, zog mir die Stiefel, die ich der Bequemlichkeit halber eben ausgezogen hatte, wieder an und ging dick eingepackt und Schal und Jacke nach draußen. Sogar unter dem Hut hatte ich eine Mütze auf dem Kopf. Es war kalt geworden, hier in Kanada.
      Im Stall traf ich den Mann, den ich gesucht hatte: Cayce. “Hey Cayce schnapp dir Shorty und triff mich am hinteren Ausgang der Ranch, Richtung Fluss. Wir müssen die Rinder nochmal einfangen die sind da durch den Zaun, Mr. Lance hat mich gerade angerufen.”
      “Okay ich beeil mich.”
      Während Cayce zu den Nordkoppeln lief steuerte ich die Südkoppeln an, denn dort stand Gipsy, der zwar schon eine Weile nicht mehr an den Rindern gearbeitet hatte aber zur Zeit besser im Training stand als Gangster oder Devil.
      Fünfzehn Minuten später traf ich auf Cayce und Shorty, die ebenfalls Packtaschen mit Werkzeug und Zaunstücken zum Reparieren besorgt hatten.
      Wir brauchten etwa eine dreiviertel Stunde bis zu den Rindern, trieben sie über eine halbe Stunde zusammen, reparierten den Zaun und ritten wieder eine dreiviertel Stunde zur Ranch zurück, wo mich der Schlag traf: auf dem Hof standen Feuerwehrleute und die Cops, die sich den Hänger anschauten, an dem Dell heute morgen gearbeitet hatte. Ich trieb Gipsy im flotten Galopp auf die Männer zu, hielt ihn an und sprang von seinem Rücken. “Was ist hier passiert?”

      “Caleb beruhig dich, wenn du aufs Lenkrad einschlägst, startet der Motor immer noch nicht”, versuchte Cayce mich zu besänftigen. Der verdammte, alte Truck sprang mal wieder nicht an, weshalb ich keine Möglichkeit hatte, jetzt nach Calgary ins Krankenhaus zu kommen.
      Dell hatte einen schlimmen Unfall gehabt. Der Hänger war auf ihn draufgefallen, schon vor Stunden. Weder Cayce noch ich hatten unsere Handys auf der Einfangaktion dabei gehabt, weshalb uns niemand hatte erreichen können. Mittlerweile wusste ich, dass Ylvi, Louis und Betsy im Krankenhaus waren und warteten. Bellamy befand sich gerade auf dem Rückweg zur Ranch, damit ich mit dem anderen Truck nach Calgary fahren konnte.
      Arme Betsy.. ich konnte mir gar nicht ausmalen, wie es ihr gerade erging.
      Als ich Bellamy die Einfahrt hochfahren sah lief ich ihm schon entgegen. “Ich halte hier die Stellung!”, rief Cayce mir nach, ich winkte ihm kurz und riss dann die Beifahrertür des Trucks auf.
      “Ich… hatte sowieso vor wieder zurück zu fahren…”, murmelte Bellamy, wandte und fuhr wieder zurück dorthin, von wo er gerade gekommen war- nämlich zum Krankenhaus, in das Dell eingeliefert worden war.

      Während ich in das Wartezimmers des Krankenhauses stolperte und so beinahe alle Aufmerksamkeit auch mich lenkte, scannte mein Blick den Raum nach dem Antlitz eines einzigen Menschen. Eines kleinen Menschens; Betsy.
      Das Mädchen stand am Fenster, wandte mir den Rücken zu. Eine Hand auf dem Fensterbrett, die Andere in der von Ylvi, die sich direkt neben ihr befand. Auch sie schaute zum Fenster hinaus, wirkte in sich zusammengesunken.
      Neben mir eine Regung, dann eine Hand auf meiner Schulter. „Fangen Sie wieder an zu atmen, nicht dass Sie uns hier noch zusammenklappen“, war die einfache Aussage einer älteren Dame, derer ich nun meinen Blick zuwandte und reflexartig einmal tief Luft holte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich sie angehalten hatte, spürte jetzt allerdings ein leichtes Brennen meiner Lunge. Meine rechte Hand zur Brust hebend ging ich einen Schritt auf die beiden Frauen zu. Auf halber Strecke wandte Ylvi mir den Kopf zu. Mit ihren blau unterlaufenen, tränenverquollenden Augen schüttelte sie kaum sichtbar den Kopf.
      Ich seufzte tief, schloss einmal kurz die Augen und als ich sie wieder öffnete, starrte ich direkt in Betsys kleines, ebenso tränenüberströmtes Gesicht. Sie sagte kein Wort aber ich spürte all den Schmerz, die Trauer und auch die unbändige Wut in ihrem Blick. Ich wollte etwas sagen doch mein Mund wollte einfach keine Worte formen. Stattdessen ging ich in die Hocke, breitete die Arme aus und hoffte, dass das Mädchen der stillen Aufforderung nachkommen würde. Augenblicklich löste Betsy sich von Ylvi, begab sich in meine geöffneten Arme und schmiegte sich schluchzend so fest an mich, dass mir der Cowboyhut vom Kopf fiel. In jeder anderen Situation hätte ich ihn sofort vom Boden aufgehoben, doch in diesem Moment war der Hut auf dem Boden das kleinste meiner Probleme, denn während mein Hemd langsam Betsys Tränen durchsickern ließ, rollten zunächst vereinzelt auch Tränen bei mir, ehe ich mich der eigenen Trauer hingab und ebenso bitterlich anfing zu weinen.

      “Caleb?”, riss mich Louis Stimme aus den Gedanken. “Die Ärzte wollen mit dir reden… mit dir und Ylvi.”
      Ich sah auf, stand vom Boden auf und reichte Betsy die Hand, um auch ihr vom Boden auf zu helfen. “Mit mir und Ylvi?”
      “Ja, ihr seid als Notfallkontakte angegeben worden und… mehr weiß ich nicht, Ylvi wartet bereits vor der Tür.”
      Ich nickte, drückte noch einmal feste Betsys Hand, ehe Louis das Mädchen in den Arm nahm. Wieso hatte Dell Ylvi und mich gemeinsam als Notfallkontakte angegeben?
      Draußen angekommen folgte ich dem Arzt sowie Ylvi in einen separaten Raum, dessen Tür geschlossen wurde, ehe der Mann im weißen Kittel ein Klemmbrett herausnahm und sich vor uns stellte.
      “Ich möchte sie nicht anlügen, es sieht wirklich schlecht aus. Wir haben alle getan was wir konnten, aber die Verletzungen waren zu schwerwiegend. Um ihn für Hirntod zu erklären, ist es offiziell noch zu früh. Wir würden gerne 48 Stunden abwarten und in gewissen Abständen unsere Test wiederholen. Wenn wir bis dahin noch immer keine Reaktion erkennen können, müssen wir über weitere Schritte wie das Abschalten der Maschinen sprechen… Dell hat sie beide gemeinsam als seine Notfallkontakte angegeben. Was seine Tochter”, er suchte auf seinem Zettel nach dem Namen des Kindes, “Betsy angeht.. Wir können eine liebevolle Sozialhilfe anrufen, die sie in Obhut nimmt, bis der Papierkram geklärt ist und…”
      “Kommt gar nicht in Frage”, antwortete ich und schüttelte den Kopf. “Betsy bleibt in unserer Obhut und kommt zur Ranch mit zurück. Sie kennt uns, sie kennt die Ranch. Das ist ihr Zuhause. Da wird es doch eine Möglichkeit geben?” Wie schaffte ich es, in dieser Situation so ruhig zu bleiben? Ich war selbst von mir überrascht. Im Kopf ging ich bereits durch, was ich Betsy erzählen müsste, was mich unglaublich traurig stimmte. Die nächsten Tage, Wochen und Monate würden die Hölle für sie werden. Nicht, dass es schon schlimm genug war, seine Mutter in so jungen Jahren zu verlieren. Nein. Nun verlor sie auch noch ihren Vater. Offiziell konnten sie ihn noch nicht für tot erklären, aber er war kurz davor. Aufwachen würde er nicht mehr, es gab nur noch einen Weg für ihn.
      “Ich… ich bin mir sicher, dass dies in Ordnung geht. Ich spreche noch einmal mit unserer Sozialabteilung und gebe Ihnen in kürze Bescheid. Wenn sie möchten, können sie zu Herrn William Dell ins Zimmer. Überlegen Sie jedoch gut, ob Sie das Mädchen mitnehmen möchten oder ob der derzeitige Anblick ihres Vaters nicht zu viel für sie ist… Intensivstation Zimmer 23.”
      Damit verabschiedete sich der Arzt und ließ eine völlig baffe Ylvi und mich zurück. Eine ganze Weile sagte niemand von uns etwas, dann entschieden wir uns, zunächst alleine zum Zimmer zu gehen, um zu schauen, ob wir Betsy den Anblick ihres Vaters zumuten konnten.
      Bei Dell angekommen schlug Ylvi sofort die Hand vor den Mund. In seinem Hals steckte ein Beatmungsschlauch, um seinen Kopf hatte er einen großen Verband. Sein Gesicht hatte weniger abbekommen als erwartet, weshalb wir uns entschieden, Betsy zu ihm ins Zimmer zu holen, da er noch immer wie ihr Vater aussah und nicht wie ich zunächst vermutet hatte, völlig entstellt war.
      Betsy betrat wenige Minuten später zusammen mit Louis das Zimmer. Sie schluchzte, auch wenn so langsam keine Tränen mehr aus ihren Augen hinauskommen wollten.
      “Kann ich… mich zu ihm legen?”, fragte sie Ylvi leise, welche nickte und ihr aufs Bett half. Keiner von uns vermochte ein Wort zu sagen. Was auch? Betsy wusste vermutlich genau, was hier los war und dass wir ihren Vater nicht mehr mit nach Hause nehmen würden.
      Das Mädchen war durch die vielen Stunden total ausgelaugt, weshalb sie sich kurze Zeit später, im Krankenhausbett ihres Vaters, in den Schlaf geweint hatte. Mit einem kurzen Nicken befahl ich Ylvi und Louis in den Flur.
      “Was machen wir jetzt?”, fragte ich in die Runde und knetete nervös meine Hände. Mit aller Kraft hielt ich die Tränen zurück, dafür war nun nicht der richtige Zeitpunkt.
      “Wir warten noch eine Weile hier und fahren dann zurück zur Ranch? Wir dürfen bestimmt nicht die ganze Nacht hier bleiben”, meinte Louis.
      “Könnt ihr Betsy mit zu euch beziehungsweise Kaya nehmen? Wie erklärt ihr den beiden, was passiert ist?”
      “Ich weiß es noch nicht”, gestand Louis mir wahrheitsgetreu. “Aber wir nehmen sie heute Nacht mit zu uns. Morgen sehen wir weiter.”
      Ich nickte zur Antwort ehe wir wieder ins Krankenzimmer gingen und darauf warteten, dass die Besuchszeit vorbei war und wir nach Hause gehen mussten.

      ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

      22:00 Uhr - Stunde 2 von 48
      "Ich hab Betsy zu Kaya ins Bett gelegt, sie ist völlig fertig. Beide schlafen jetzt." antwortete Ylvi flüsternd auf die beiden fragenden Blicke der Männer am Küchentisch des Bungalows. Calebs Hut lag auf dem Tisch, er strich sich gerade mit beiden Händen von seinen Augen durch seine Haare. "Ich wünschte ich könnte auch so schlafen. Mir brennen die Augen, aber ich glaube kaum das ich in den nächsten Stunden schlaf bekomme." Die junge Frau ließ sich ebenso erschöpft auf den Stuhl nieder, nur um dann wieder aufzustehen in Richtung Schrank. "Es ist so schrecklich nichts tun zu können."
      Klirrend stellte sie eine Flasche Whisky sowie drei Gläser auf den Tisch. "Ich denke der kann uns allen nicht schaden." damit goß sie jedem etwas ein. Das würden die längsten 48h ihres Lebens werden.

      6:00 Uhr - Stunde 8
      Louis hatte sich mittlerweile auch ins Bett verzogen. Caleb und Ylvi saßen an dem kleinen Tisch. Die Zeit zog sich in dürren Fäden. Schweigen zwischen ihnen. Ylvis Hand fuhr nervös immer wieder den Rand des leeren Glases entlang. Die Flasche stand fast unberührt in der Mitte des Tisches. Jeder hing seinen Gedanken nach. "Wieso er wohl uns beide eingetragen hat?"
      "Mhm?" Ylvi hob den Kopf und verzog die Augenbrauen, die junge Frau hatte die Frage nicht verstanden. "Dell, uns beide hat er als Kontakte eingetragen. Wieso?"
      "Findest du nicht das ist offensichtlich?" Caleb zuckte mit den Schultern. "Er hat keine andere Familie, falls ja so hat sie nicht viel Interesse an Betsy oder Dell gezeigt. Du bist das näheste was einer Bezugsperson für Betsy gleicht. Und ich...ich denke die Eintragung stammt noch aus der Zeit, als wir ein Paar waren. Drinnen gelassen hat er es sicherlich auch...um zu gewährleisten, daß Betsy einen Ansprechpartner hat. Darum hat er mich mal gebeten." Nun sah Caleb die junge Frau etwas verwirrt an. "Im Sommer….da hat er mich gebeten mich um Betsy zu kümmern..bei Fragen um Frauensachen. Die Pubertät steht in den Startlöchern..und dann nur mit einem *verschrobenen Vater* aufzuwachsen sei ungünstig." Als sie Dells Worte wiedergegeben hatte, nutze sie seinen texanischen Akzent um klar zu machen das es sich um seine Worte handelte. Caleb erwiderte darauf nur ein bedächtiges Kopfnicken, dann riss er den Mund weit auf. Sein Gähnen steckte auch Ylvi an. "Ich denke wir sollten auch schlafen gehen." kommentierte Caleb mit einem Japsen. "Wach vor den Handys zu sitzen bringt die Zeit auch nicht schneller dazu zu vergehen."
      "Willst du auf der Couch schlafen?" fragte Ylvi und deutete auf das kleine Wohnzimmer .
      "Ich wäre gern in der Nähe von Betsy, ja." So leise wie möglich bereiteten sie also für Caleb die Couch zum Schlafen vor. Gerade als sich Ylvi verabschieden wollte, kam eine verschlafene Betsy aus dem Zimmer von Kaya und Tschetan getappert. Mit einem müden Blick sah sie in Richtung Caleb auf der Couch. "Darf ich bei dir schlafen?" kam es ihr über die Lippen. Der Blonde lächelte, tappte neben sich. "Komm her." Betsy sprang beinahe zu ihm unter die Decke, kuschelte sich an ihn. Ylvi beugte sich über das Mädchen strich eine Strähne aus ihrem Haar, küsste sie auf die Stirn. "Gute Nacht." flüsterte Ylvi. "Ich mach das Licht aus." sagte sie dann in gedämpfter Stimme. "Ylvi? Bleibst du auch?" halb aufgerichtet, fragend sah Betsy Ylvi an. Der Blick der Frau ging von dem Mädchen zu dem Mann hinter ihr. Er sah sich um, als wolle er schauen ob genug Platz da war. Gerade als Ylvi ansetzen wollte das die Couch zu klein war. Rückte Caleb ein wenig weg. "Wir rücken einfach alle zusammen."
      Also fand sich die junge Frau wenige Augenblicke später auf der Couch wieder. In ihren Arm gekuschelt, schlief das Mädchen beinahe schon wieder. Ihr kleines Gesicht war in Richtung Caleb gedreht. Sein Arm lag über dem Kind und ruhte auf Ylvis Hüfte. Die ganze Situation war völlig absurd. Ylvi wusste sie würde keinen Moment schlafen können. Doch noch während sie diesen Gedanken fasste, entführten sie die regelmäßigen Atemzüge ihrer Bettgenossen in einen traumlosen Schlaf.

      10:00 Uhr - Stunde 12
      Gefühlt war der Blonde mit Betsy und Ylvi im Arm eingeschlafen, da riss ihn die ihm ins Gesicht scheinende Sonne schon wieder aus dem Schlaf. Nach einem Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk wusste er, dass es höchste Zeit war einen kurzen Abstecher im Stall zu machen. Aber konnte er gehen? Betsy hatte sich zu ihm und Ylvi gekuschelt. Was würde sie denken, wenn sie aufwachte und er wäre weg? Wobei Betsy den Tagesablauf auf der Ranch ganz genau kannte… außerdem wäre Ylvi ja noch da.
      Also setzte er sich langsam und zögerlich auf, langte nach dem Tisch und kletterte vorsichtig über die beiden schlafenden Frauen hinüber. Als er sich gerade über Ylvi befand, öffnete diese die Augen und ihre Blicke trafen sich. Mit der einen freien Hand legte Caleb seine Finger über die Lippen, zum Zeichen, dass Ylvi nichts sagen solle. Er machte eine Essensgeste, zeigte dann nach draußen und sah Ylvi nicken- sie schien verstanden zu haben.
      Im Stall traf er auf einige der Mitarbeiter, denen er stets nur mit Kopfschütteln berichten konnte, dass es keine Neuigkeiten bezüglich Dells gab. Schneller als sonst deckten sie die noch im Stall verbliebenen Pferde um, brachten sie nach draußen und Caleb delegierte das Boxenmisten an seine Mitarbeiter ab, damit er wieder zurück zu Betsy gehen konnte.
      Mittlerweile war es schon 12:00 Uhr mittags, Ylvi und die drei Kinder saßen am Esstisch. Louis stand in der Küche und schien eine Kleinigkeit zu kochen. Das flaue Gefühl im Magen, sich jetzt dazu zu setzen schob Caleb ganz schnell beiseite. Er würde auch in zwei Tagen noch genug Möglichkeit haben, sich in der Gegenwart von Louis und Ylvi unwohl zu fühlen.

      12:00 Uhr - Stunde 14
      “Louis kannst du mir einen Kaffee mitmachen?”, fragte er den Lakota, welcher kurz nickte und sich der Kaffeemaschine widmete. Wenig später stand eine wohl duftende Tasse auf dem Tisch, in die Caleb ein wenig Milch kippte und langsam daran nippte. Niemand sagte etwas, alle saßen schweigend am Tisch. Betsy starrte ins Leere, Kaya drehte die Gabel in ihrer Hand hin und her. Selbst Tschetan, der immer am quasseln war, schien im Moment keine Worte zu finden.
      “Fahren wir später nochmal zu Dad?”, durchsprach Betsy die unangenehme Stille und schaute zunächst zu Caleb, dann zu Ylvi, welche letztendlich das Wort ergriff: “Ja, natürlich. Gleich nach dem Essen.”
      “Ich hab keinen Hunger…”, erwiderte das Mädchen und richtete den Blick gen Boden.
      Caleb seufzte kurz, rückte auf der Bank ein wenig näher an das Mädchen heran und nahm sie in den Arm. Sie lehnte sich sofort gegen ihn, schlang ihre kleinen Arme um seinen Körper und fing wieder an zu weinen. “Ich kann mir vorstellen, dass du keinen Hunger hast, Betsy. Mir geht es genauso. Aber wir müssen alle etwas essen, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist. Du möchtest doch nicht umkippen.”
      “Aber damit ist meinem Dad auch nicht geholfen, wir können nichts machen, damit es ihm besser geht”, schluchzte das Mädchen. “Der große Geist wacht über ihn.” flüsterte Tschetan zu ihr, während er einen Arm um sie legte.
      Louis hielt mit seiner Hand inne, die gerade zum Mund fuhr um sich den Kaffee einzuverleiben. Er hielt sie in der Luft. "Vielleicht könnten wir eine kleine Healing Ceremony machen. Tschetan erinnerst du dich? Wie damals für deinen Onkel."
      "Ich könnte die Trommel für dich schlagen, während du singst." sprach der Junge andächtig.

      14:00 Uhr - Stunde 16
      Die Fahrt zum Krankenhaus war für alle erdrückend gewesen. Die Hälfte der Leute musste im Warteraum sitzen bleiben. Tschetan hatte versprochen ein paar der Heilpflanzen im Wald zu suchen. Sowie eine gute, ruhige Stelle für die Zeremonie und ein Feuer zu suchen. Louis und Kaya durften die Intensivabteilung nicht betreten. Caleb und Ylvi saßen, Hand in Hand, auf den Stühlen im Zimmer. Dell angeschlossen an viele piepsende Geräte, das Pumpen und Zischen der Beatmungsmaschine. Und dazwischen auf der Bettkante das Mädchen. Ylvi spürte wie es ihr kalt den Rücken herunter lief. Der Ausdruck ihrer Augen. Nicht leer. Nicht länger verweint. Sondern geklärt. In diesem Moment schienen die Augen einer Erwachsenen aus dem Gesicht eines Kindes auf die Situation zu schauen. Und was sie sahen war der Tod. Die Ärzte hatten bereits davon berichtet, das sein Nieren kurz davor waren seinem Körper den Dienst zu versagen. Die Hoffnung des Erwachens das wir noch vor einigen Stunden gehabt hatten schwand immer wieder.

      22:00 Uhr - Stunde 24
      Am späten Nachmittag, gegen 17 Uhr waren sie alle wieder zurück zur Ranch gefahren. Dies war Betsys Idee gewesen. Sie hatte gesagt, dass dort genug Arbeit auf alle von ihnen warten würde, als dass sie es sich erlauben könnten, den ganzen Tag im Krankenhaus zu sitzen. Betsy, Kaya und Tschetan hatten den Rest des Tages im Bungalow von Louis und Ylvi verbracht. Letztere leistete den Kindern Gesellschaft. Louis als auch Caleb kamen den Arbeiten auf dem Hof nach.
      Gegen 20 Uhr klingelte das Telefon. Das Krankenhaus. Sie sollten, wenn sie Dell noch lebend sehen wollten, sofort kommen.
      Gegen halb 10 waren sie alle in Calgary angekommen. Louis, Ylvi, Betsy und Caleb. Cayce und Bellamy passten auf Kaya und Tschetan auf.
      Hier saßen sie nun, Louis auf einem Stuhl in der Ecke des Intensivzimmers, Ylvi und Caleb auf je einer Seite des Bettes. Betsy im Arm ihres Vaters. Sie hatte sich an ihn gekuschelt, weinte bitterlich, auch wenn die Tränen erneut versiegt waren.

      Gegen 22 Uhr verstarb Dell im Beisein derer, die für ihn in den letzten Jahren zur Familie geworden waren.

      ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

      3 Uhr - Stunde 5
      Als das Licht angeschaltet wurde, gab der Blonde ein brummendes Grunzen von sich. Im Reflex zog er sich die Decke vor seine Augen. Sein Schlaf, oder eher das Ruhen im Bett wurde je unterbrochen. Im Schlafanzug, mit großen Augenringen stand Ylvi vor seinem Bett. Allerdings vermochte er dies nicht zu sehen - wir erinnern uns?
      Stattdessen gab ihr hastiges Gequatsche ihre Identität preis. Er spürte wie etwas auf seine Decke geworfen wurde. Anschließend bewegte sich die Matratze. "Caleb? Hast du gehört?!" Sie zog ihm die Decke weg, sein genuscheltes Nein, entfuhr ihr ein Seufzen. Dann wedelte sie mit einem Haufen Papier vor ihrer Nase. "Caleb, hör zu. Du musst dich entscheiden. Entweder du übernimmst Verantwortung, oder die Behörden könnten entscheiden, dass sie woanders besser aufgehoben wäre."
      Caleb griff nach dem Haufen Blätter, blinzelte die Müdigkeit fort.
      'Adoptionsantrag' -waren was die Druckbuchstaben auf dem ersten Zettel verkündeten.
      Fohlenweide: Like a Prayer, BR Dissident Whiz, BR Colored in Style, BR Alans Smart Dream, BR Raised to Slide, A Walking Dignity, BR Wimpys Bright Gangster, BR Atlantis Dream, BR Double Gunslide, Blue Fire Cat, Dual Shaded Ace

      Jungpferde: tc Mister’s Silvermoon Cody, Smart Lil Vulture, PFS‘ Unclouded Summer Skies, GRH’s Funky’s Wild Berry, Four Bar Chocolate Becks, Chic‘ N Shine, Chapman, BR Colonels Lil Joker, BR Colonels Golden Gun, Jacks Inside Gunner, Gun Sophie, Ginger Rose, Colonels Blue Splash, Captains Blue Crystal, BR Dress to Impress

      Trainingsstall: Bittersweet Temptation, Cielos, Whitetails Shortcut, Zues, Abandon all Hope, California Rose, Cupcake Cult, Easy Going, Frosty Lagoon, HMJ8345’s Continental, Honey’s Aleshanee, Kholáya, Lady Blue Skip, My sweet little Secret, Snapper Little Lena, Stormborn, Special Luna Zip, Stormborn, Striga, Tortured Witch HMJ 6693, Blanton’s Gentleman, Heza Bat Man, HGT’s Unitato, How ‘Bout Moonies, I’m a Playboy, Silent Bay, Small Town Dude

      Zuchthengste: Alan’s Psychedelic Breakfast, Chocolate Dream, GRH’s Bellas Dun Gotta Gun, Gun and Slide, Gunners Styled Gangster, Hollywoods Silver Dream, Nachtschwärmer, Till Death, GRH’s Unbroken Soul of a Devil

      Zuchtstuten: A Walking Honor, Bella Cielo, Black Sue Dun It, Chou, DunIts Smart Investment, Ginny my Love, GRH’s A Gun Colored Lena, GRH’s Aquila T Mistery, GRH’s Unbroken Magic, Jade, Kristy Killings, Lovin‘ Out Loud, Magnificient Crow, Miss Independent, Only Known in Texas, Tainted Whiz Gun, Wimpys Little Devil

      Sommerweide: Aufgepasst, hier kommt Arcada!, Breia LDS, Ceara Isleen, Dakota, Drama Baby, Flashlight, Leuchtfeuer di Royal Peerage, Pocahontas, Priamos Ruffia Kincsem, Prias Colourful Soul, Raspberry, Tasmania, Tigres Eye, Absolute Bullet Proof, Birk, Culain, Myrkvidr, Peacful Redemption, Wildfire xx

      Verkaufspferde: Magic Lanijos, Chapter 24, General’s Coming Home, A Shining Chrome, Picture of a Ghost, Verdine, Whinney, Cruel Twist of Fate, Kisshimbye, Sweet like Chocolate, BR Homecoming Queen, BR Hollywoods Dream Anthem, BR Sheza Topnotch Babe, BR General Pleasure, BR Black Pamina, BR Heart N‘ Soul, BR Lovely Gun, BR Twenty 4 Killings
    • Veija
      Juturity, Matjurity, Djerby Teil I
      August 2021, by Veija
      Caleb
      “Sir, ich weiß um die Umstände, in denen Sie und die Ranch sich gerade befinden, deshalb ist es mir fast ein wenig peinlich zu fragen… aber…”
      Ich lauschte dem Klang der Stimme eines jungen Mannes am anderen Ende des Telefons mehr oder weniger aufmerksam. Auf meinem Drehstuhl im Büro sitzend und die Füße auf dem Tisch liegend ließ ich den kleinen Gewehranhänger, den mir Ylvi vor einigen Jahren für Vulture geschenkt hatte, durch die Finger gleiten. Er hing schon eine ganze Weile nicht mehr am Halfter, genau genommen seit dem der Hengst den Verschluss kaputt gemacht hatte. Nur durch Zufall war mir das silberne Stück Metall auf der Koppel aufgefallen. Da ich es bisher nicht repariert hatte, lag es auf meinem Schreibtisch und war gerade das gefundene Fressen, meinem Gesprächspartner nur mehr oder minder zuhören zu müssen.
      “... deshalb würde ich Sie gerne erneut für die Juturity, die Matjurity oder sogar noch das Djerby im Dezember dieses Jahres nominieren. Leider konnten Sie, wie Sie ja selbst am Besten wissen, im vergangenen Jahr nicht teilnehmen- Sie hatten sich für das HMJ und den Hengst HMJ Saintly entschieden, wenn ich mich recht erinnere… in diesem Jahr findet ja kein HMJ statt, deshalb dachte ich nur…”
      “Moment”, unterbrach ich den jungen Mann, nahm die Füße vom Tisch, legte den Anhänger auf eben diesen und richtete mich in meinem Stuhl auf. “Sie möchten mich für alle drei nominieren?!” Ungläubig starrte ich auf den Computer, auf dessen Bildschirm gerade eine neue E-Mail aufploppte. Mit einem Klick öffnete ich diese und fand eine ganze Reihe an Teilnahmebedingungen vor.
      “Anhand ihres Schweigens vermute ich, dass Sie die E-Mail gerade bekommen und geöffnet haben. Ich weiß, es gibt einige Zulassungsvoraussetzungen und es kommt ein Haufen Arbeit auf Sie zu, Sir, aber ich bin mir sicher, Sie wären eine sehr große Bereicherung für die Turniere. Schließlich sprechen wir, auch wenn es noch niemand von uns laut ausgesprochen hat, über eine Qualifikation zu den Joelleweltreiterspielen, bei denen Sie für das Team Reining starten könnten.”
      Noch immer schwieg ich. Es dauerte eine kurze Zeit, bis ich wirklich realisierte, was er da gerade gesagt hatte. “Ich.. ich.. ja! Ja, auf jeden Fall nehme ich dieses Jahr daran teil!”
      Damit war die Katze aus dem Sack. Übers Telefon klärten wir noch einige Formalitäten, ehe ich völlig geflasht auflegte. Wow, damit war die Sache also beschlossen. Nun musste ich nur eine pferdige Vorauswahl treffen und die Tiere trainieren. Je drei Pferde durfte ich pro Turnier mit an den Start nehmen. Für die Juturity würde mir die Auswahl viel schwerer fallen, denn ich hatte momentan so viele gute Jungpferde hier auf der Ranch! Angefangen bei den dreijährigen wie Katie, Izzie, Sophie oder Champ, Goldy, Joker… über die vier- und fünfjährigen Pferde wie Stormborn, Cody, Vulture & Gangster bis zu den sechsjährigen wie Smartie oder Dude- und das war nur eine grobe Auswahl der Tiere.
      Für die Matjurity würde es mir leichter fallen. Honor, Rose, Ginny, Barbie, Batman und Plankton. Diese sechs kamen mir als erstes in den Sinn.
      Und fürs Djerby? Tja, da fielen mir sofort 6 Pferde ein. Devil, Jade, Shorty (falls er mithalten können würde, da er ja eher ein Ranchpferd war als ein Turniercrack), Unitato, Blue und Hollywood.
      Cayce, Laurence, Bellamy und Brian würde ich vorerst einweihen, denn diese Masse an Pferden konnte ich unmöglich alleine stemmen. So waren wir schon einmal zu fünft. Naja, viereinhalb.. vier. Laurence konnte ich nur zum Abreiten draufsetzen und Bellamy konnte die Manöver nicht reiten. Aber aufwärmen und abreiten war für ihn kein Problem.
      Wenig später fand ich mich in der Halle wieder. Meine Wenigkeit saß auf Devil, Bellamy auf Jade, Brian auf Silver, Laurence auf Blue, Cayce auf Shorty und Octavia auf Unitato. Noch wusste niemand worum es ging oder warum ich sogar Octavia auf eines der Pferde gesetzt hatte. Meine Ausrede war gewesen, die Pferde einfach ein wenig für die kommende Turniersaison vergleichen zu können.
      Während die anderen aufwärmten startete ich die Manöver schon mit Devil. Die Stute leistete gute Dienste als Ranchpferd, machte sich aber im Training, trotz der Fohlenpause, noch immer gut. Zur Zeit trug keines der Pferde Slidingeisen, weshalb ich auf das Testen der Stops verzichten musste. Spins, Speed Control, Roll Backs, Back Up oder Flying Lead Changes stand jedoch nichts im Weg.
      Mein Blick glitt immer wiede rüber zu Blue und Silver, aber auch Unitato lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Der schöne Graue, den ich erst vor kurzem dazugekauft hatte, war bisher nie dazu gekommen, im Rampenlicht zu stehen- heute war sein Moment zu glänzen- und vielleicht, ganz vielleicht, würde er im Kampf ums Djerby eine Runde weiterkommen.
      Ein weiteres großes Problem würden die unterschiedlichen Leistungsklassen sein, in denen sich die Pferde befanden. Unitato, Shorty und Silver befanden sich ganz am Anfang, nämlich in der LK 5. Jade in der LK 4, Blue und Wimpy bereits seit langer Zeit in der LK 1. Bis zum Dezember war es zwar noch eine gewisse Zeit, aber ich musste mich schon vorher auf Turnieren beweisen und die Pferde qualifizieren. Ziel war es, die Tiere möglichst schnell auf die LK 1 zu bekommen, ohne sie im Training zu überfordern. Dazu war es aber unbedingt notwendig, dass sie in nächster Zeit einen Hufschmied sehen würden, damit sie alle mit Slidingeisen beschlagen werden konnten. Aber genug der abschweifenden Worte, weiter im Text. Devil machte sich wie immer gut. Sie schien zwar ein bisschen steif und eingerostet, das war aber kein Problem.
      Jade sah unter Bellamy nicht so gut aus. “Lass die mehr unter dir laufen… Beine ran, nimm sie vorne auf und treib sie rein… guuuut”, korrigierte ich den jungen Mann, der in den nächsten Tagen wieder dringend eine Reitstunde bei mir brauchen würde- ich hatte ihn viel zu viel vernachlässigt, hielt ihn für einen Selbstläufer. Dem war aber nicht so. Unterricht hatte er bitternötig. Nun lief Jade versammelter. “Halt sie mal an, wir tauschen”, meinte ich fix, stellte Devil neben der anderen Stute ab und schwang mich auf deren Rücken. Ich testete ein wenig herum, stellte sie mal innen, mal außen, machte sie weich in meiner Hand. Potenzial war auf jeden Fall da, dem war ich mir sicher.
      Ich stieg ab und drückte Bellamy auch diese Stute in die Hand und schickte ihn zum Absatteln und eindecken. Blue brauchte ich nicht zu vergleichen. Ich wusste was er konnte und war dankbar für diesen ausgeglichenen Hengst. Laurence konnte ich ebenfalls guten gewissens entlassen. Ich selbst stieg nun auf Unitato auf. Noch mit mir hier unten waren Cayce auf Shorty und Brian auf Silver. Silvers bestes Manöver war das Zirkeln. Er sprang wahnsinnig sauber um und die schnellen Galoppzirkel waren wirklich, wirklich schnell. Dafür die langsamen aber umso holpriger, weil er nicht langsamer werden wollte. Einst sagte mal ein weiser Horseman zu mir: Die langsamen Pferde schnell zu bekommen ist keine Kunst. Die schnellen langsam zu bekommen dagegen schon.
      Unitato war ein kleiner Streber. Er schien schnell zu lernen, war wissbegierig aber auch sensibel. Man durfte ihn nicht zu hart anpacken, da wurde er sofort unsicher und nervös- dann funktionierte gar nichts mehr.
      Shorty war… Shorty eben. Ein genügsamer Kerl der oft nach dem Motto: Kommst du heut nicht, kommst du morgen- lebte. Durch seine vorherige Arbeit am Rind und seine Ropingerfahrung war er wendig und wirklich flink. Ob er das Zeug zum Reiningcrack haben würde, das stand noch in den Sternen.
      Grundsätzlich war ich zufrieden mit einem ersten Vergleich der Pferde fürs Djerby. Die einen hatten wahre Stärken, die ich weiter ausbauen und so die Schwächen überdecken konnte, die anderen brauchten gar nicht mehr viel Training; zumindest für die ersten Qualifikationsturniere.
      Nachdem alle Pferde abgeritten, abgesattelt und eingedeckt in die Boxen gestellt wurden, waren nun die Pferde für die Matjurity an der Reihe. Drei Stuten und drei Hengste. Honor, Rose, Ginny, Barbie, Batman, Plankton.
      Laurence setze ich auf Honor, Bellamy auf Ginny, Octavia auf Rose. Cayce auf Barbie, Brian auf Plankton und ich selbst machte mir Batman zurecht. Drei Pferde liefen in der LK 5, eins in der LK 4 und zwei in der LK 3. Arbeit würden wir hier auch reichlich haben.
      Auf den heutigen Test mit Batman freute ich mich am meisten, denn ich hatte noch keine fünf Mal auf dem schicken Hengst gesessen- dabei stand er jetzt schon über ein halbes Jahr hier am Hof und war auch schon bereit für seine Krönung! Zusammen mit Cayce hatte er bei einigen Turnieren ein paar Platzierungen erhalten. Er hatte also die Möglichkeit gehabt, bereits Turnierluft zu schnuppern, was mir für die nächste Zeit auf jeden Fall von Vorteil sein würde.
      [folgt…]
      Jungpferde: tc Mister’s Silvermoon Cody, Smart Lil Vulture, PFS‘ Unclouded Summer Skies, GRH’s Funky’s Wild Berry, Four Bar Chocolate Becks, Chic‘ N Shine, Chapman, BR Colonels Lil Joker, BR Colonels Golden Gun, Jacks Inside Gunner, Gun Sophie, Ginger Rose, Captains Blue Crystal, BR Dress to Impress
    • Veija
      The Last Ride
      November 2021, by Ravenna & Veija
      Zeitliche Einordnung: März 2021

      Caleb
      Die letzten Tage, ja sogar die letzte Nacht, kamen mir vor wie im Traum. Ich wachte am frühen Morgen mit einem Stapel Blätter auf meiner Bettdecke auf. Ein Teil des Papiers breitete sich auf dem Boden aus. Auf der obersten Seite stand in Großbuchstaben: ‘Adoptionsantrag’. Ich hatte mich also doch nicht getäuscht. Ein Traum, in dem Ylvi vorgekommen wäre, hätte mit Sicherheit nicht eine solche Richtung eingeschlagen.
      Müde rieb ich mir einmal durch die Augen, ehe ich alle Blätter aufsammelte und auf meinen Nachttisch neben dem Bett legte. Ich würde mir den Antrag am Nachmittag anschauen, jetzt musste ich erst einmal in den Stall und… es war, als träfe mich der Schlag. Mit einem Mal kochten alle Emotionen hoch, die ich am gestrigen Tag, für Betsy, so gut zu verdrängen versucht hatte. Ich ließ mich wieder aufs Bett sinken, legte meinen Kopf in meine Hände- und fing an zu weinen. Auch Dells Tod am gestrigen Abend war kein Traum gewesen, nein. Es war die bittere, grausame Realität. Er war fort, einfach so. Plötzlich. Einfach aus dem Leben gerissen.
      Eine ganze Weile saß ich auf meinem Bett und gab mich meinen Gefühlen hin. Sobald ich aufstand, würde ich stark sein müssen. Stark für meine Mitarbeiter und stark für Betsy. Das allerletzte was sie gerade brauchte, waren weinende Erwachsene um sie herum. Es war so schon schwer genug für sie.
      Am vorigen Abend war sie mit Kaya und Tschetan ins Bett gegangen. Louis, Ylvi und ich hatten es für das Beste gehalten, die Kinder nicht zu trennen. Ylvi war mit zu ihnen in den Bungalow gegangen, während Louis und ich dem Rest der Ranch den Tod Dells mitgeteilt hatten. Octavia traf es besonders hart. Sie hatte sich in Bellamys Arme geworfen und bitterlich geweint. Laucene, der jegliches Schluchzen unterdrückte, schien ebenso mitgenommen.
      Nun war es an der Zeit aufzustehen, ich konnte nicht mehr länger hier sitzen bleiben… Also zog ich mich an und ging die Treppe nach unten. Im Haus war niemand, selbst Laurence, der immer als erstes am Tisch saß und seinen Kaffee trank, fehlte. Das Einzige was auf einen frühen Vogel hindeutete, war der warme Kaffee in der Kaffeekanne. Aus dem Schrank nahm ich mir einen der Thermobecher, ehe ich mir den letzten Rest des braunen Getränks hinein schüttete und vorsichtig daran nippte. Kurz verzog ich das Gesicht. Laurence’ Gebräu. Um es auch nur annähernd genießen zu können, kippte ich mir eine Menge Milch hinein. Schließlich ging ich in den Stall. Auch dort traf ich niemanden an. Die Boxen waren nicht gemacht und gefüttert hatte auch noch niemand. Dennoch fiel mir auf, dass einige Pferde fehlten. In der Halle stieß ich dann auf Bellamy, Cayce und Laurence.
      Ich setzte mich auf die Tribüne, legte meine Füße auf den Vordersitz und schaute den drei Reitern einfach eine Weile zu. Es dauerte allerdings nicht lange, da wurde ich bemerkt und das Training stoppte kurz.
      “Wir… ähm…”, fing Cayce an, stockte dann jedoch.
      “Wir konnten irgendwie alle nicht schlafen… zu erst war nur ich hier, dann kamen die anderen dazu”, beendete Laurence den angefangenen Satz von Cayce.
      Ich lehnte mich auf dem Sitz etwas vor, um nicht so laut reden zu müssen. “Ist schon in Ordnung.” Damit stand ich auf und verließ die Halle wieder. Ich wollte ungern in ein Gespräch verwickelt werden, weshalb mich meine Schritte wie von selbst in den Trainingsstall führten, in dem ich schon einmal die morgendliche Fütterung übernahm und die Pferde danach nach draußen brachte.

      Ylvi
      Lange hatte ich wach gelegen neben Louis. War immer wieder aufgestanden um mich zu vergewissern ob die beiden Kinder schliefen. Tschetan hatte sein Bett für Betsy zwar geräumt. Schlussendlich fand jedoch Betsy ihren Weg in das Bett von Kaya. Beide Mädchen hielten sich im Arm. Ihren Schmerz konnte ich nicht verstehen. Aber Kaya war Betsy womöglich in dieser Zeit die beste Stütze. Da der Schlaf nicht einsetzte war ich drauf und dran Tschetan von der Couch zu jagen.
      Als ich nach ihm sah, merkte ich das die kleine Lampe noch brannte. Als er meine Fußtritte vernahm, ging hastig das Licht aus. "Ich hab das Licht noch bemerkt." flüsterte ich in die Dunkelheit hinein. Hörte das leise Rascheln und schließlich das klick des Schalters. "Schlafen sie?" fragte Tschetan, deutete dabei vage mit den Lippen in Richtung des Zimmers der Mädchen. Ich lächelte, nickte ihm zu. "Was hält dich wach?" fragte ich den Jungen. "Die Couch, die ist einfach unbequem…" dann sah er hinab auf seinen Schoß. "Naja...und eigentlich." er machte eine unbedeutende Handbewegung in den Raum. "Bevor das ganze Chaos der letzten Tage passiert ist….also ein Mädchen aus der Schule, die wollte in Calgary mit mir in die Mall. Jetzt weiß ich nicht ob das angebracht ist." Ich schmunzelte ein wenig in mich hinein. Ein Mädchen interessierte sich für Tschetan? Nicht, dass mich das ganze überraschte. Natürlich waren mir die Blicke der Mädchen, sogar junger Frauen schon aufgefallen. Tschetan wurde bald 15 Jahre alt. Er sah seinem Cousin Louis bereits jetzt sehr ähnlich. Seine Gesichtszüge wirkten nicht länger wie die eines Kindes. Sein Gang hatte die Schlaksigkeit verloren. Er sah älter aus als er war. Natürlich hatten die Mädchen seines Alters Interesse an ihm. Und obwohl der Schmerz von Dells Tod allgegenwärtig war. So machte mir dieser Moment bewusst wie andere Bereiche des Lebens einfach weiter gingen. Das Rad des Lebens würde sich weiter drehen. "Ich denke ein Treffen in der Mall ist genau das Richtige, um ein wenig Zerstreuung zu finden. Aber lass mich mit Louis darüber sprechen, wann wir das einplanen können,ja?" Tschetan nickte besonnen. "Schlaf jetzt...morgen wird genug zu tun sein."

      Caleb
      Nachdem alle Pferde auf der Weide oder den Paddocks waren, hatte ich angefangen die Boxen zu misten. Ich wusste gar nicht mehr, wie lange ich bereits im Stall gestanden und geschaufelt hatte.
      “Caleb, kommst du auch was essen? Es ist schon Mittag.”, fragte mich irgendwann eine Stimme hinter mir. Ich wandte mich dieser zu und rieb mir einmal die Augen.
      “Ich äh.. ja, Ylvi”, murmelte ich in mich hinein, stellte die Bollengabel gegen die Schubkarre und folgte der Frau schweigend nach drinnen. Erst dann schaute ich auf die Uhr und erschrak kurz. Das Mittagessen war schon eine Weile vorbei, die Zeit war mir einfach davongelaufen.
      Klar, dass schon alle fertig mit essen waren, so spät wie es war. Nur wo waren sie alle abgeblieben?
      Ylvi setzte sich ebenfalls an den Tisch, lud sich eine kleine Portion des Auflaufs auf den Teller und aß schweigend. Nachdem ich mir ein Glas Wasser befüllt und auf meinen Platz gestellt hatte, nahm auch ich mir etwas zu essen. Das Schweigen dauerte nicht lange.
      “Caleb… wir müssen das mit der Adoption regeln- und wir müssen uns Gedanken zu… seiner Beerdigung machen.”
      Zunächst sah ich nicht von meinem Teller hoch. Als ich es dann doch tat, drohten sich meine Augen erneut mit Tränen zu füllen, die ich mit aller Mühe hinunterschluckte. “Ich bin mir sicher, dass er ein Plätzchen nahe der Ferienranch ausgesucht hätte, wenn er dazu selbst die Chance gehabt hätte. Oben an einer Stelle, wo man in der Ferne die Ranch sehen kann. Wir lassen.. wir lassen ihn einäschern, reiten alle zusammen zur Ferienranch, er in der Tragtasche eines der Pferde.. als seinen letzten Ritt.”
      Ylvi hörte mir gebannt zu, schien mich zu verstehen. Schließlich nickte sie traurig: “Das hört sich wunderschön an.” Wir schwiegen einen Moment. “Aber Caleb, was ist mit den Adoptionspapieren?”
      “Hat das nicht noch ein wenig Zeit?”
      Ylvi verneinte. “Wir müssen uns schnell darum kümmern, bevor uns diese Entscheidung abgenommen wird.”
      Ich seufzte, legte das Besteck auf meinen Teller ab und leerte mein Glas Wasser in einem Zug. “Ich geh die Papiere holen.”

      Ylvi
      “Vielleicht sollte ich besser meine Seele verkaufen!” damit flog der Stift beinahe quer über den Tisch. Caleb lehnte sich nach hinten, verschränkte die Arme vor der Brust. Seine gesamte Stirn lag in Falten. Wir waren bereits eine gute Stunde damit zugange die Papiere der Adoption gemeinsam auszufüllen.
      Es war Chaos. Nicht nur weil Caleb in den letzten Jahren seine Unterlagen nicht vernünftig geführt hatte...nein Dell hatte das quasi auch nie getan. Ich stupste ihn mit der Schulter an. “Ich weiß...mir geht es doch ähnlich. Wir müssen ganz schön blank ziehen vor den Behörden. Aber ist das ganze erstmal durch. Sind wir einen Schritt weiter. Für Betsy ist das die beste Entscheidung. Und zumindest stehen wir bereits in der Verfügung von Dell. So können nicht irgendwelche weiten Verwandten plötzlich einfach Anspruch auf Betsy erheben.”
      “Du hast ja nicht Unrecht….Aber es hat eben schon seine Gründe wieso du mittlerweile für den blöden Papierkram der Ranch verantwortlich bist. Ich versteh die Hälfte von den Sätzen und Vorschriften gar nicht. Das könnte doch immerhin in einer leicht verständlichen Sprache verfasst sein.”
      “Das wäre zu einfach”
      “Na klasse, stattdessen muss ich mich hier herum plagen.”
      “Bier?” kam plötzlich eine fremde Stimme von der Seite. Tschetan stand im Türrahmen, zwei Biere in der Hand. Sein Haar trug er offen. Es schien gerade frisch gewaschen. “Tschetan, du bist mein Retter.” verkündete Caleb schelmisch. Ein zaghaftes Lächeln auf seinen Lippen. Es tat gut das zu sehen. Auch wenn es nur wenige Lidschläge anhielt. Ich angelte über den Tisch nach dem weg geworfenen Stift. “Komm schon. Die Konzentration wieder hier rauf. Es sind nicht mehr viele Seiten.”
      “Das sagst du so einfach.” gerade wollte er die Flasche von Tschetan an die Lippen setzen. Da griff ich danach. Verdutzt sah er mich an. Bestimmt tippte ich auf die Papiere und schob sie ihm zu. “Sieh das Bier als Belohnung.”
      “Hmpf”

      Caleb
      Wir waren bei der letzten Seite des Adoptionsantrages angekommen. Etwas verwundert war ich schon, dass folgende Frage so weit am Schluss, kurz vor den Unterschriften der möglichen Adoptanten seinen Platz fand: Familienstand: [ ] ledig, [ ] verlobt, [ ] verheiratet.
      „Ähm Ylvi..“, murmelte ich und kratzte mir mit den Stift, den ich mittlerweile wieder in der Hand hielt, am Kopf. „Kreuzen wir jetzt ledig und verheiratet an? Oder nur verheiratet? Oder nur ledig?“
      Sie stutzte. „Ich glaube, dass wir sowohl ledig, als auch verheiratet ankreuzen sollten. Das entspricht ja der Wahrheit.“
      Ich setzte also einen Haken bei ledig, als auch bei verheiratet. „Dann sollten wir aber wohl eine kurze Erklärung daneben schreiben, oder? Den Fragen, die dazu auftauchen werden, zuvorkommen?“ Ylvi nickte, ich reichte ihr den Stift und sie schrieb unsere Situation auf. Dass wir zum Zeitpunkt, an dem Dell uns als potenzielle Adoptiveltern auserkoren hatte, ein Paar gewesen sind, dass wir nun getrennt wären, Ylvi verheiratet sei aber dennoch hier auf der Ranch leben würde und sie wie auch ihr Mann meine Angestellten wären. Kompliziert konnten wir.
      Nun fehlten nur noch die Unterschriften. Ylvi sah mich an, ich sah sie an. Tschetan schaute abwechselnd zwischen uns beiden hin und her. Außer unseren Herzschlägen und unserem Atem herrschte völlige Stille. Ylvi setzte den Stift an und unterschrieb zuerst, dann folgte meine Unterschrift. Nun gab es kein Zurück mehr, der erste Schritt zur Adoption Betsys war getan.
      „Ich werde gleich nach Calgary fahren, mich um einige Dinge für die Beerdigung kümmern. Wenn ich es noch früh genug schaffe, kann ich die Unterlagen direkt auf dem Amt abgeben. Fährst du mit?“, fragte ich Ylvi und streckte meinen Arm aus, um an das Bier zu kommen, welches sie mir vorenthalten hatte.

      Ylvi
      Skeptisch hob ich die Augenbraue. “Also entweder, wartest du bis wir wieder zurück sind mit dem hier.” damit tippte ich mit dem Fingernagel gegen das Glas.” oder du lässt besser mich fahren.”
      Caleb zuckte nur mit den Schultern. “Soll mir Recht sein. Fahr du nur.” Damit erhaschte er das Bier aus meiner Hand. Ich schüttelte seufzend den Kopf. Brachte etwas Ordnung hinein in die Unterlagen. Steckte sie zurück in den Hefter. Das schließen des Druckknopfes schien beinahe etwas endgültiges zu haben. “Großer Schritt. Nicht wahr?” kam es im ernstem Ton von Caleb. “Ich….ich weiß wirklich nicht ob ich das kann.”
      “Vater sein?”
      “Ich möchte Dell gar nicht ersetzen.”
      “Caleb, das kann niemand. Aber du kannst für sie da sein. Ihre Vertrauensperson. Ihr Fels in der Brandung. Du bist mit der Entscheidung nicht allein...wir alle werden helfen. Gemeinsam packen wir das.” ich legte meine Hand an seine, strich mit dem Daumen über seinen Handrücken. Spürte wie seine Hand erst zuckte, als wolle er sie weg ziehen. Dann trafen sich unsere Blicke. Und ich war mir nicht ganz im klaren darüber was ich in seinen Augen sah. Es war so vieles unausgesprochenes zwischen uns. Dann nahm er seine andere Hand, fort vom Bier, legte sie auf meine Hand. “Gemeinsam.” ….dann lächelte er “das haben wir eine verdammt lange Zeit nicht gesagt.” Ich spürte wie sich mir die Nackenhaare aufstellten. Begann dieser griesgrämige Cowboy mir etwa tatsächlich zu verzeihen? “Dann lass uns mal losfahren. Ehe es zu spät wird.”

      Caleb
      In Calgary angekommen stolperten wir kurz vor knapp beim zuständigen Amt für Adoptionsverfahren hinein. An der Rezeption wurden wir darauf hingewiesen, dass wir zwar ganz schön spät dran seien, die zuständige Sachbearbeiterin allerdings gleich von einem Besuch im Außendienst zurückkommen würde und sie uns noch kurz reinschieben könnte.
      So setzen wir uns ins Wartezimmer und vertrieben uns die Zeit damit, uns über die Plakate zu Adoptions- und Pflegefamilien zu unterhalten. Schließlich wurden wir aufgerufen und betraten das freundlich eingerichtete Zimmer der uns zugeteilten Sachbearbeiterin, welche nach uns das Zimmer betrat, uns die Hände schüttelte und sich dann hinter ihren Schreibtisch setzte. Sie wirkte auf mich ziemlich jung, ungefähr unser Alter, eventuell ein paar Jahre jünger, hatte rötliche Haare und helle Augen. Ich war mir nicht sicher ob grün, blau oder sogar eine Mischung aus beidem. „Ich bin Hailey Miller und ihre Sachbearbeiterin im Falle der eventuellen Adoption von Betsy Dell. Die Unterlagen haben Sie ausgefüllt dabei, nehme ich an?“ Ylvi nickte hastig und legte sie ihr auf den Tisch. Die Frau uns gegenüber überflog die Papiere grob, nickte schließlich und klappte die Mappe. „Unterschriften sind drauf, die werden gerne vergessen. Auf den ersten schnellen Blick haben Sie alles ausgefüllt. Ich werde Ihre Angelegenheit bei Zeiten prüfen und mich dann bei Ihnen melden. Sie hören also von mir.“ Damit stand die Frau auf, reichte zuerst Ylvi, dann mir die Hand und scheuchte uns mehr oder weniger aus ihrem Büro hinaus.
      Draußen sah Ylvi mich verdutzt an. „Dass das heute so schnell geht, damit hätte ich nicht gerechnet.“
      „Sie hat auch keine Frage zum Familienstand gestellt, was mich wirklich gewundert hat“, antwortete ich, warf Ylvi wieder die Schlüssel des Trucks zu und setzte mich auf den Beifahrersitz. „Jetzt zu den unangenehmen Angelegenheiten“, seufzte ich und beschrieb Ylvi den kürzesten Weg zum Bestatter.
      Die Wahl der richtigen Blumen, der Urne und allem was dazu gehörte war quälend und der Papierkram dazu wollte kein Ende nehmen. Schlussendlich war alles geregelt. In drei Tagen würden wir die Urne abholen dürfen, ebenso wie die Blumen, mit denen wir die Pferde als auch die Stelle, an der wir Dell beerdigen würden, schmücken wollten. Ylvi und die anderen wussten noch nichts davon, aber ein wenig Asche wollte ich oben auf dem Berg verstreuen, ein Teil von Dell verdiente es, frei wie der Wind zu sein.
      Als wir wieder beim Auto ankamen, ließen wir beide uns vollkommen fertig auf die Sitze fallen. Ylvi kämpfte wieder mit den Tränen, verstaute die Unterlagen auf der Rückbank und kreuze meinen Blick für einen Moment. „Ich weiß…“, flüsterte ich und nahm ihre Hand, drückte sie leicht und schwieg. Eine ganze Weile saßen wir so da, ehe sie die Hand wegzog, den Motor startete und wir uns auf die eineinhalbstündige Heimfahrt zur Ranch machten.

      Ylvi
      Die Fahrt...zog sich dahin. Endlos leierten die Lieder hintereinander weg. Keiner von uns fand die richtigen Worte. Keiner füllte die Stille. Stattdessen hingen wir nur den Gedanken hinterher. Es begann bereits zu dämmern als mein Truck die Auffahrt zur Ranch hinauf fuhr. “Der erste Schritt ist tatsächlich getan.” murmelte Caleb als ich den Motor ausgeschaltet hatte. “Pack ich das?”
      Meine Gedanken schweiften zurück. Zu dem Moment da Caleb mit einer angelegten Waffe vor mir stand. Über die Prügeleien die er geführt hatte. All die Momente in den letzten 3...fast 4 Jahren die ich mit ihm erlebt hatte. An all die Geschichten die ich gehört hatte von seiner Zeit auf der Gips Reminder Ranch und davor. “Caleb...ich glaube. Von dem unbeherrschten jungen Cowboy ist nicht mehr viel übrig. Seitdem ich dich kenne hast du uns hier ein neues zu Hause gegeben. Bist Betsys guter Freund geworden. Und für Tschetan sogar ein richtiges Vorbild. Du packst das.”
      “Ohne dich hätte ich den Schritt nicht gewagt.” Ich lächelte ihn schwach von der Seite an. Ich wusste, dass es die Wahrheit war. Ohne mich hätte er vielleicht so einiges nicht gewagt. “Lass uns vorerst...nur an die Beerdigung von Dell denken. Einen Schritt nach dem anderen. Danach kommt alles weitere.”
      “Kommst du noch mit? Schauen ob die Pferde genug Wasser haben.”
      Mein Blick huschte hinüber zum kleinen Bungalow. Dort brannten die Lichter, an der Stelle wo sich unsere Küche befand. Louis bereite sicherlich gerade das Essen vor. Caleb hatte es bemerkt. Er seufzte und wollte beginnen aus dem Wagen zu steigen. “Was?” fragte ich in seine Richtung. “Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen….du als Mutter.” ich konnte nicht anders als zu schmunzeln. “Das sagt der richtige...schließlich dürfen wir dich demnächst Papa Caleb nennen.”

      Caleb
      Unsere Wege trennten sich und ich verbrachte den restlichen Tag bei und mit den Pferden. Die tägliche Arbeit machte auch heute keinen Halt vor mir, so dass ich erst wieder daran denken konnte, ins Haus zu gehen, als es bereits dunkel war. Von meinem Arbeitszimmer aus konnte ich die Bungalows sehen. Mit zusammengekniffenen Augen trat ich näher ans Fenster heran. In Dells… Betsys Hütte brannte Licht.
      Schnellen Schrittes ging ich wieder nach unten, schnappte mir an der Tür Jacke und Stiefel und ging nach draußen. Wenig später kam ich am Bungalow an, klopfte an der Tür. Sie war offen, so dass ich hineinging. “Hallo, ist hier jemand?”, fragte ich in die Stille hinein. Nichts war zu hören. Das komplette Haus schien beleuchtet, denn als ich ins Wohnzimmer ging und von dort aus die anderen Zimmer durchkämmte, kam mir jedes Mal ein Lichtschwall entgegen. Im großen Schlafzimmer schließlich fand ich die Person, die dafür verantwortlich war. Vorsichtig schob ich die Tür auf und blickte in Betsys tränenüberströmtes Gesicht. Sie hielt einen von Dells Pullis im Arm und hatte sich damit auf seinem Bett zusammengekauert. Ich senkte kurz den Blick. “Darf ich.. reinkommen?”, fragte ich das Mädchen, welche zaghaft nickte und auf dem Bett ein wenig zur Seite rutschte, so dass ich mich neben sie setzen konnte.
      Ich horchte in mich hinein, wollte nichts falsches sagen. Gab es hier in dieser Situation überhaupt ‘das Richtige’?
      “Möchtest du heute Nacht hier schlafen?”, fragte ich sie dann leise und streckte meine Hand aus, um sie auf ihren Rücken zu legen und sie sanft zu drücken. Betsy nickte, entzog sich aber meinem Versuch ihr irgendwie Trost zu spenden, indem sie den Rücken wegdrückte. “Möchtest du, dass ich hierbleibe?” Keine Reaktion. Dann jedoch nickte sie zaghaft. Ich zog meine Jacke und die Stiefel aus, schlug die Decke zur Seite und legte mich neben sie ins Bett. Nichts war zu hören, außer meinem gleichmäßigen Atem und Betsys leisem Schluchzen. Das Einzige, was ich in diesem Moment für sie tun konnte, war für sie da zu sein, zu versuchen, ihr Halt zu geben; wenn auch nur, dass ich hier im Bett neben ihr lag, damit sie nicht alleine war.
      Das Schluchzen endet. Betsy zog den Pulli enger an sich heran, ehe sie zaghaft etwas näher an mich herangerückt kam. Dann noch ein Stück… und noch ein Stück, bis ich sie schließlich in die Arme schließen konnte. Es dauerte keine fünf Minuten, da erkannte ich an ihrem regelmäßigen Atem, dass sie eingeschlafen war.
      Ich schrieb Ylvi schnell eine Nachricht, dass ich hier mit Betsy im Bungalow sei. Die Lichter ließ ich brennen, denn ich wollte nicht mehr aufstehen und riskieren, dass ich sie weckte- sie hatte den Schlaf so dringend nötig. Und ich ebenso, denn auch mich riss die Erschöpfung wenig später ins Land der Träume.

      Ylvi
      Es vergingen 3 Tage, in denen die ganze Ranch versuchte wieder einen normalen Ablauf des Tages hinzubekommen. Ich befand mich gerade auf dem Heimweg. Die Kids hatten alle einvernehmlich beschlossen wieder zur Schule zu gehen. Sie wollten nicht zu viel vom Stoff verpassen. Außerdem vermittelte ihnen die Schule ein gewisses Maß an Normalität.
      Tatsächlich...war es fast leicht in der Weite der Ranch zu vergessen. Schob man den Gedanken an Tod aus dem Gedächtnis. So konnte man einfach denken, Dell sei irgendwo beschäftigt.
      Nur am Abend, wenn sich alle im Haupthaus versammelten. Ein Platz in der Mitte des Tisches frei blieb. Erst dann kam der Gedanke daran zurück. Wie ein blöder Moment eine Person aus ihrer Mitte gerissen hatte. Aus Gewohnheit, wurde der Platz von jedem der Küchendienst hatte mit gedeckt. Als würde Dell einfach nur zu spät kommen.
      Ich blieb noch einen Moment im Truck sitzen. Auch ich hatte beschlossen heute meine Arbeit im Büro wieder aufzunehmen. Schließlich galt es Rechnungen zu erstellen. Arbeitspläne zu erstellen. In den letzten Tagen hatte ich eher die körperliche Arbeit bevorzugt, aber der Alltag musste nunmal auch weitergehen. Seufzend öffnete ich meine Tür, zog den Kragen meines Pullis höher gegen den kühlen Wind der heute über das Land fegte.
      Im Büro startete ich den Rechner gerade, als das Telefon auf Calebs Arbeitsplatz klingelte. Ich schlängelte mich vorbei am Tisch und dem Beistelltisch, um ranzugehen, bevor die Rufumleitung aktiv wurde.
      “Ja?” - blöde Angewohnheit
      “Mister o’Dell?”
      “Nein, Ylvi ...Ylvi KillsBears”
      “Gut, sie stehen als Kontakt auch in meinen Notizen. Hier ist Miranda McNamara. Ich rufe vom Krematorium aus Calgary an. Die Überreste von Mister Dell können abgeholt werden. Ich würde gern einen Termin zur Übergabe mit ihnen ausmachen”
      Ich musste schlucken. Das war unerwartet schnell gegangen. “Mhm”, ich räusperte mich.
      “Ich könnte die Überreste sogar noch heute abholen. Ich werde am Nachmittag meine Kinder aus Calgary holen.”
      “Wir haben bis 18 Uhr geöffnet. Schaffen Sie das?”
      “Selbstverständlich. Dann würde ich etwa zu 17.30 bei Ihnen vor Ort sein?”
      “Wunderbar. Bis später Miss KillsBears”
      Das Geräusch als ich den Hörer beiseite legte hörte ich kaum, durch das Piepen in meinem Ohr. Der letzte Ritt hinauf zur Ranch stand damit kurz bevor. Wie in Trance schrieb ich Caleb eine Nachricht.
      Das Krematorium rief an. Heute 17.30 Abholung der Urne. Willst du mit?

      Caleb
      Gemeinsam mit Bellamy hatte ich den Tag im Sattel verbracht. Der Alltag pendelte sich schnell wieder ein, zu schnell, wenn man mich fragte. “Wir müssen uns vor dem nächsten Frühjahr und vor den neuen Fohlen Gedanken machen, welche Pferde wir verkaufen sollen”, meinte ich irgendwann und sah zu Bellamy rüber, der seine Stute Dakota ritt. Sie war definitiv nicht meine erste Wahl gewesen, um bei den Rindern vorbei zu schauen, doch er hatte darauf bestanden. Die Stute kam viel zu kurz im Moment und hatte sich einen schönen Ausritt redlich verdient. Ich selbst saß auf Devil, wie konnte es auch anders sein. Die anfangs unberechenbare Stute war zu meinem besten Ranchpferd geworden. Im nächsten Jahr sollte sie ihr vermutlich letztes Fohlen bekommen, erneut von Blue. Somit hatte sie ein Fohlen von Gangster, eins von Unbroken Soul of a Devil, und zwei von Blue. In Bailey, das Stutfohlen von Gangster, steckte ich große Hoffnungen, ein ebenso tolles Ranch- und Cuttingpferd zu werden, wie Vater und vor allem Mutter.
      Wir hatten zur Zeit sowieso einige Verkaufspferde, aber noch fast keines wirklich im Netz angepriesen. Das kam auch Bellamy wieder in den Sinn.
      “Vielleicht sollten wir mal neue Verkaufsfotos schießen? Die Verkaufspferde nochmal kurz ins Training nehmen und ordentliche Fotos machen- dann lassen sie sich gleich leichter verkaufen”, meinte er schulterzuckend. “Ylvi kann dir ja die Fotos machen, das ist kein Problem. Trainingstechnisch haben wir alle im Moment Kapazitäten frei, also sollten wir das auch auf die Reihe bekommen.”
      Ich nickte. Recht hatte er.
      Als wir uns gerade auf dem Rückweg zur Ranch befanden und ich wieder Netz hatte, piepste mein Telefon. Eine Nachricht von Ylvi. Mist, wir waren noch ganz schön weit weg von zuhause. Dennoch antwortete ich ihr ein knappes ‘ja’ und sah dann zu Bellamy. “Lust auf ein kleines Wettrennen nach Hause?” Bellamy nickte. Wir gaben den Pferden Küsschen und galoppierten aus dem Schritt an. Devil ließ sich das nicht zweimal sagen und hängte Bellamy schon nach den ersten Metern ab. Dakota schien das aber vollkommen egal zu sein, denn sie galoppierte einfach in ihrem Tempo hinter uns her. Bellamy lachte nur und ließ sie laufen, ohne sie wirklich anzutreiben. Nach einem weiteren kurzen Blick nach hinten, ob alles in Ordnung sei, schaute ich wieder nach vorne und trieb Devil an. Wie hatte ich das vermisst. Im gestreckten Galopp, ein klares Ziel vor Augen, die Sorgen und Ängste für einen Moment vergessen.
      Dieses Gefühl war jedoch viel zu schnell vorbei, denn als ich nicht mehr weit von der Ranch entfernt war, nahm ich meine Stute zurück und forderte von ihr einen schönen, gesetzten Galopp. Das Leben war eben nicht nur Spaß und Freude.
      Am Hof angekommen wusste ich nicht, wer gerade stärker pumpte. Devil, oder ich. Das fiel auch Cayce sofort auf, der kopfschüttelnd auf mich zukam. “Da haste es aber wieder gut gemeint, nicht wahr?”, tadelte er mich, nahm mir die Stute aber direkt ab, als ich mich aus dem Sattel auf den Boden schwang. “Kannst du die waschen und ins Solarium stellen? Ich muss mit Ylvi nach Calgary… die ähm.. die Urne abholen.” Da war er wieder, der Kloß in meinem Hals. Auch Cayces Miene trübte sich. Er nickte nur, klopfte der Stute den Hals und verschwand in Richtung des Stalles.
      Ylvi fand ich vor dem Haupthaus vor. “Beeil dich”, rief sie mir zu und tippte auf ihren Arm, an dem sich die Uhr befand. “Von wo kommst du überhaupt?”
      “Rinder…”, antwortete ich knapp und schnappte mir ihren Arm, um auf die Uhr zu schauen. Ein paar Minuten hatten wir noch, bevor wir losfahren mussten. “Ich muss schnell noch duschen”, murmelte ich. Das gekeifte ‘Wir müssen los!’ nahm ich gar nicht mehr wirklich wahr. 10 Minuten später saßen wir im Truck und ich erzählte Ylvi von der Idee mit den Verkaufsfotos.

      Ylvi
      Da war er wieder, der feste Klumpen der sich irgendwo in meinem Bauch gebildet hatte. Nicht nur das ich genervt davon war,dass wir viel zu spät los kamen. Es ging wieder normal weiter…..und der Klumpen in meinem Magen. Dieser zog sich munter enger zusammen. Verkaufsfotos machen...war fast genauso schlimm wie heute morgen das Büro zu betreten. “Dann gehen wir das denke ich nach der Beerdigung an”, murmelte ich leise. “Hat heute morgen allen geklappt bei den Rindern?” “Aye” ...Caleb schwieg, schien aber noch etwas anfügen zu wollen. “Leider ist deutlich zu merken...naja uns fehlt halt ein Arbeiter. “ da seufzte er “Ich fürchte neben den Verkaufsfotos muss ich dich wohl auch bitten eine Stellenanzeige zu schreiben. Die Stelle ist schließlich frei.”
      “So früh?” wieso zitterte meine Stimme dabei so?
      Dann spürte ich eine Hand auf meinem Oberschenkel, Calebs Hand. Ich konnte nicht anders, griff danach und suchte den Halt. Eine Träne verirrte sich nun doch aus meinem Augenwinkel. Das war einfach nicht fair. Nicht für Betsy, nicht für uns, nicht für die Ranch. Ich war wütend. Auf das ganze Universum. Vielleicht sogar auf Dell der ohne richtige Vorrichtung diesen doofen Trailer hatte reparieren wollen.
      Erst als ich den Motor abstellte an der Schule um die Kinder abzuholen. Verschwand Calebs Hand von meinem Oberschenkel. Die Stelle blieb einen Moment warm, dann schien sie kälter als zuvor. Als würde sie vermisst werden. Mit den Händen wischte ich etwas grimmig die Tränen weg. In Gedanken beugte ich mich hinüber zu dem Platz der nun von Caleb besetzt wurde. War es auf die Macht der Gewohnheit. Möglicherweise auch die allgemeine Verwirrung und Trauer die aktuell herrschte. Ich küsste raue Lippen. Was flüchtig hatte werden sollen. Was...aus reiner Gewohnheit geschehen war. Eine übliche Verabschiedung von Louis. Wurde plötzlich erwidert. War das ein Seufzen der Verwirrung oder der Erleichterung die ich von Caleb wahrnahm? Ich spürte seine Hand in meinem Nacken. Wieso geriet ich immer wieder in diese Situationen? Ich konnte nicht aufhören. Gewohnheit, mein Körper der sich erinnerte...und der simple Fakt das mein Verstand diesen blöden Cowboy noch immer liebte. Ähnlich wie Caleb lehnte ich mich ihm entgegen. Hing am Kragen seiner Weste, bis mir die Luft ausging.
      Flüchtig, gemurmelt mit einem “Bis gleich.” stieg ich aus dem Auto. Bis mein Verstand realisiert hatte was ich soeben getan hatte. Ich drehte mich nochmal um. Mechanisch, das Gesicht verzogen in Verwirrung, der Mund geöffnet. Dann beschloss ich nichts zu sagen. Verschloss die Tür und stiefelte vom Auto fort. Wie konnte ich jetzt nur wieder einsteigen?
      Noch viel schlimmer, wie sollte ich das aufklären. Mit verkniffenen Augen schüttelte ich den Kopf, rieb mir über die Stirn. Als ich frontal mit jemandem zusammenstieß. Mein Hirn schien noch immer umnachtet. Louis? War mein erster, erschrockener Gedanke. Bis ich...schlaksige Arme wahrnahm, geflochtene Zöpfe. “Tschetan!” entfuhr es mir ..ertappt? erschrocken? Wie viel mochte er gesehen haben? Er war alt genug um zu verstehen...und mitzubekommen was gewesen war. “Alles in Ordnung?” hörte ich da eine gewisse Skepsis in der Stimme des jungen Mannes? Raste mein Herz da etwa? “mhm, alles super.” log ich. Mit dem herben Geschmack von Caleb auf den Lippen.

      Caleb
      Verdattert blieb ich im Auto sitzen, meine Gedanken kreisten. Aus Reflex hatte ich den Kuss erwidert, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutete. Nun hatte ich Zeit zum Denken. Seufzend klatschte ich mir die Hand vor den Kopf. ‘Du Vollidiot.’ Diese Worten hallten immer wieder in meinem Kopf nach. Doch Ylvi hatte den Kuss ebenfalls erwidert! Sie hätte ihn abbrechen können, was sie aber nicht getan hat. Und ich? Wieso hätte ich mich zurückziehen sollen, wo sie doch damit angefangen hatte! Weiter kam ich mit meinen Gedanken nicht. Ylvi kam mit den Kindern zurück.
      Die Schultaschen wurden verstaut und die drei Kinder setzten sich auf die Rückbank. Tschetan erzählte munter von der Schule, Kaya und Betsy hörten ihm neugierig zu, Ylvi und ich schwiegen. Am Laden der Bestatterin hielt Ylvi an, wartete im Wagen mit den Kindern. Ich ging nach drinnen, klopfte meine Stiefel kurz auf der Fußmatte ab und sah zu Ms. McNamara, die für unseren Fall zuständig war. “Hallo, Caleb O’Dell”, stellte ich mich erneut vor und reichte ihr kurz die Hand. “Ich wollte die Blumen und die… Urne von William Dell abholen.”
      Ms. McNamara nickte, kramte in ihren Unterlagen und führte mich zu ein paar Kisten. Weiße Blumen hatten wir bestellt, viele verschiedene, aber alles in weiß. Das würde morgen wunderschön aussehen, wenn wir die Pferde damit schmückten und zur Dude Ranch reiten würden.
      Als mein Blick jedoch auf die Urne fiel, hielt ich einmal kurz inne, stockte in der Bewegung. Einen Moment später sah ich zu McNamara. “Sie ist wirklich.. schön geworden.”
      “Wir haben sie extra nach ihren Wünschen gestaltet, die Gravuren waren nicht einfach, aber ich denke, wir haben es doch sehr gut hinbekommen.”
      Die Kisten mit den Blumen waren schnell eingeladen, auch die Urne und den kleinen Grabstein wurde in einer Kiste verstaut, ehe diese ebenfalls eingeladen wurde. Ich bezahlte die junge Frau und verabschiedete mich. “Falls doch etwas fehlen sollte oder sie morgen spontan den Wunsch nach etwas anderem haben, lassen Sie es mich wissen.” Damit verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Rückweg zur Ranch.
      “Die Blumen sind wunderschön”, flüsterte ich zu Ylvi rüber. Betsy war eingeschlafen, wer konnte es ihr verübeln. Nachts schlief sie kaum durch, schreckte immer wieder hoch. Die einzige Nacht, in der sie bisher durchgeschlafen hatte, war die gewesen, in der sie und ich in Dells Bett geschlafen hatten. “Die Gravuren auch… in der Urne.” Ylvi blickte zu mir hoch. “Jaja ich weiß, davon wusste niemand etwas. Ihr werdet es morgen sehen.” - als sei es eine Überraschung, auf die sich jeder freuen könnte, Vollidiot, tadelte ich mich innerlich selbst und schaute wieder geradeaus auf die Straße. Niemand sagte auch nur einen Satz zum vorherigen Kuss, nichts.
      Auf der Ranch angekommen räumte ich die Blumen und die Kiste mit Urne und Grabstein in die Garage, wo sie bis morgen stehen bleiben würden. Die Blumen standen alle im Wasser, so dass ihnen dort nichts passieren und sie nicht verwelken würden. Dann ging ich nach drinnen und setzte mich an den Tisch, um mit den anderen gemeinsam Abend zu essen. Neben Kaya und Tschetan saß Betsy, die viel zu müde war um viel zu essen. Schließlich stand Ylvi auf und erklärte sich bereit, das Mädchen ins Bett zu bringen. Momentan schlief sie zusammen mit Kaya drüben im Bungalow von Ylvi und Louis.
      Es hatten fast alle den Tisch verlassen. Lediglich Cayce und Bellamy saßen noch dort. Für meinen Plan kam mir das gerade gelegen. “Was habt ihr zwei heute Abend noch vor?”, fragte ich in die Runde und schaute abwechselnd zwischen den beiden hin und her.
      “Äh.. nichts mehr”, antwortete mir Cayce und schaute neugierig zu mir rüber. Auch Bellamy war noch nicht verplant.
      “Ich brauch eure Hilfe, drüben im Schuppen beim Holz. Also deine erstmal, Cayce. Bellamy du kannst dir meinen Truck schnappen, wir brauchen Schaufeln, Beton, Schrauben, Nägel und sowas.. wir fahren gleich noch rüber zur Ferienranch. Sie bekommt heute Abend endlich einen Namen.”

      Ylvi
      Das Abendessen war ruhig verlaufen. Louis hatte es benommen Betsy und Kaya in ihr Bett zu verfrachten. Mit Tschetan hatten wir noch begonnen einen Film zu schauen. Allerdings reichte meine Konzentration kaum um dem Film zu folgen. Louis hatte seine Hand über die Lehne der Couch um mich gelegt. Seine Finger streichelten mir unablässig über die Schulter. Sie schienen bleischwer. Mich beschäftigte der Kuss. Ich wollte ihn nicht ungeschehen machen. Noch viel schlimmer der Kuss hatte mich an andere Zeiten erinnert.
      Ich konnte das alles gar nicht fassen. Eigentlich sollten meine Gedanken bei Dell sein. Schließlich hatten wir vorhin seine Asche aus dem Krematorium geholt. Hier saß ich allerdings. Konnte nicht fassen was geschehen war. Und war trotzdem drauf und dran hinüber ins Haupthaus zu gehen. War ich eigentlich jetzt vollkommen bescheuert geworden? Ich regte mich in meiner Position, die innere Unruhe ließ mich schwer still sitzen. "Ich muss mal auf Toilette", murmelte ich einem verwirrt zu mir schauenden Louis zu. Gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und erhob mich. Im Bad warf ich mir ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht. Betrachtete mein Gesicht im Spiegel. Hatte ich da etwa Augenringe? Ich seufzte schwer, sah hinaus aus dem Fenster. Von hier aus konnte ich einen Teil der Ranch sehen. Verwundert ging mein Blick zur kleinen Lichtquelle an der Seite des Berges. Jetzt war es natürlich duster, aber ich wusste natürlich, dass dort der Berg war. Licht? Oben an der Ferienranch. Verwunderlich. Was tat Caleb um diese Zeit dort oben noch? Vielleicht hatte er noch vor dort oben einiges zu schmücken. Da er mich nicht eingeweiht hatte, beschloss ich sollte es mir egal sein und verließ das Bad wieder. Nur um in ein dunkles Wohnzimmer zurückzukehren. "Tschetan ist ins Bett verschwunden." flüsterte es aus der Dunkelheit. Die Augen stellten sich noch auf sie ein, also nahm ich nur einen kleinen Umriss wahr der auf der Couch saß. "Wer kann es verübeln. Morgen wird…" ich seufzte und spürte schon wieder die Tränen in mir aufsteigen. Louis rückte näher zu mir auf der Couch heran, seine langen Arme schlossen mich in eine warme Umarmung. Seine Finger Strichen mir über den Rücken. Ich wollte jetzt nicht denken. Louis Lippen spürte ich auf meinem Hals, wanderten mein Kinn hinauf. Sein Atem spürte ich in meinen Ohren. Die Gänsehaut lief mir über den Körper. Schließlich fanden sich unsere Lippen. Wie nur konnte sich auch dieser Kuss so natürlich anfühlen? Dies war mein Mann...und dieser Kuss, die Art wie er meinen Körper zu berühren kann. Ich liebte es. Ich liebte ihn. Und trotzdem wusste mein Körper um einen anderen Mann, der eine andere Art des Feuers in mir entfachen könnte. Louis nahm mich auf den Arm, ohne dabei den Kuss zu unterbrechen. Trug mich durch die Dunkelheit zu unserem Schlafzimmer. Schloss fast ein wenig unsanft die Tür. In dieser Nacht spendeten wir uns einander Trost.

      Caleb
      Am nächsten Morgen war ich früh auf den Beinen; also wirklich früh. Ich quälte mich in die Küche und ging schnurstracks zur Kaffeemaschine, von der mir ein wohliger Geruch in die Nase stieg. Ich blickte zuerst auf die Uhr: wir hatten gerade einmal halb 5. Um halb 1 war ich endlich im Bett gewesen, die Arbeiten für die Ferienranch hatten länger gedauert, als ich gedacht hatte.
      Ich schaute mich in der Küche um. Laurence saß in der Ecke auf seinem Platz und grummelte mir ein “Morgen” entgegen. Laurence, Laurence. Immer der erste, der auf den Beinen war, egal wie früh am Morgen man die Küche betrat. Ehe ich mich auf meinen Platz setzte, schenkte ich mir eine Tasse des wohlig duftenden, aber viel zu starken Gebräus ein. Knapp die Hälfte Milch ruinierte die schöne, dunkle Farbe. “Seit wann sitzt du schon hier?”, fragte ich den älteren Mann neben mir, nachdem ich einmal an der Tasse genippt hatte.
      “Etwa eine Stunde. Ich konnte mal wieder nicht schlafen. Außerdem habt ihr gestern Abend ganz schön Krach auf der Ranch gemacht”, tadelte er mich.
      Ich seufzte, legte meinen Hut neben mich auf die Bank und starrte auf meine Finger. “Das war es wert.”
      Zwei Stunden später hatte ich mit Laurence und auch Cayces Hilfe alle Pferde versorgt. Bellamy und Octavia waren auch dazu gestoßen und hatten sich um die Verkaufspferde und die des Nebenstalls gekümmert, so dass wir schon anfangen konnten, die Pferde zu satteln und für den letzten Ritt (The Last Ride) Dells zu schmücken.
      Als alle Pferde hergerichtet waren, zog ich mir den schwarzen Anzug, den ebenfalls schwarzen Hut und die weiße Krawatte an.
      Nach und nach trudelten die Mitarbeiter der Ranch ein. Ich teilte ihnen die Pferde zu und sie setzten sich in den Sattel. Lediglich Betsy und ich standen noch am Boden. Das Mädchen drehte sich zu mir um und sah mich aus geröteten Augen an: “Ich möchte, dass er von Sue getragen wird… von meiner Sue. Ich möchte Blue reiten.”
      Ich nickte, verstaute die Urne in der Satteltasche von Sue und ging Blue holen, den ich für Betsy sattelte und schmückte. Dann saßen wir alle im Sattel. In der linken Hand hielt ich die Zügel von Devil, auf deren Rücken ich saß, in der rechten den Strick des Halfters von Sue, die ich als Handpferd mitnahm.
      Gemeinsam ritten wir vom Hof und machten uns auf den Weg von ungefähr zwei Stunden (da wir viel Schritt gehen würden) zur Ferienranch.
      Betsy auf Blue, Laurence auf Honor, Cayce auf seinem Shorty, Bellamy auf Dakota, Octavia auf Raspberry, Louis auf Whinney, Ylvi auf Kristy, Tschetan auf Alan, Kaya auf Hope, ich auf Devil und… Dell mit Sue.

      ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

      Nach dem Verlassen des Hofes hielten sie sich eine ganze Weile auf dem Feldweg in Richtung Berge auf. Niemand sprach ein Wort, alle schienen in ihren eigenen Gedanken versunken. Plötzlich hielt Octavia, die an der Spitze ritt, an. “Oh, schaut mal!”, sagte sie leise, drehte sich dabei zum Rest der Truppe um und zeigte nach rechts vorne. Dort stand eine Herde Bisons die friedlich graste.
      “Ich habe hier soweit südlich bei uns noch nie Bisons gesehen”, murmelte Caleb. “Lasst sie uns bitte großzügig umreiten, aufschrecken und in Panik versetzen möchte ich sie wirklich nicht.”
      Also verließen sie den Feldweg und wandten nach links auf die großen Wiesen ab. Hier war kaum noch etwas eingezäunt, der Blick reichte soweit das Auge schauen konnte. Um etwas Abstand zwischen die Bisonherde und die Pferde zu bekommen, legten sie eine kurze Trabphase ein. Als die fremden Tiere nur noch kleine Punkte am Horizont waren, wurde wieder zum Schritt durchpariert.
      Nun waren sie am Fluss angekommen, der durchquert werden musste. “Caleb, hey Caleb, schau mal!”, sprach Betsy aufgeregt und zeigte zu den wenigen intakten Bäumen, die es an dieser schmalen Flussstelle noch gab. An den Stämmen machten sich einige Biber zu schaffen. Caleb lächelte. Auch diese Tiere hatte er hier bisher kaum zu Gesicht bekommen. Stetigen Schrittes wateten die Pferde durch die schmale Stelle des Flusses. Die Biber hielten inne in ihrem Tun, beobachteten die seltsamen Tiere, die ihre Ruhe störten, aus ihren schwarzen Knopfaugen. Hinter der Biegung des Flusses die alle durchquert hatten, öffnete sich eine weite Wiese mit vereinzelt stehenden Bäumen, die ihre Schatten warfen. Deutlich waren die tiefen Spuren der Bisons zu sehen. Louis deutete auf sie um Kaya auf sie aufmerksam zu machen. Caleb wendete sein Pferd nicht auf die weite Ebene des Tales, sondern zur Baumgrenze die hinauf in die Berge führte. Ab hier begann die anspruchsvollste Strecke für die Pferde, die sonst eher die flache Ebene gewohnt waren. Auf manchen der Pfade mussten alle hintereinander reiten. “Caleb? Wo führst du uns lang? Das ist nicht der übliche Weg zur Ranch hoch!” rief Ylvi von ihrer Position zwischen Betsy und Kaya. Caleb drehte sich halb im Sattel, lugte unter seinem Hut hervor. “Wir reiten von hinten heran. Da wir keine Rookies sind, sollten wir den Weg packen.” Ylvi schien sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben und rückte ihr Kleid am Knie ein wenig zurecht. Im Sattel in einem Kleid war wirklich keine gute Idee gewesen. Als sie nach 2 Umwegen, da der Weg vor ihnen durch einen umgestürzten Baum versperrt gewesen war, schließlich die Gebäude der Ferienranch erreichten, da herrschte leichte Verwirrung was nun eigentlich zu tun war. Jeder stieg aus dem Sattel. Hielten ihre Pferde an den Zügeln. Spiegelten im Grunde Calebs Verhalten wider. Dieser sammelte sich. Sortierte die Zügel seinen Reittieres und die Leine an dessen Ende Sue hing. Drehte sich in Richtung eines kleinen Zaunes. Dort öffnete sich nicht nur der dichte Wald um sie herum. Ein Felsvorsprung ragte einer Nase gleich aus dem Berg. Stand man an seinem Ende, so blickte man in das Tal des Bow River. Von hier aus konnten sie alle die Ranch durch die Bäume sehen. Die Wiesen auf den gegenüberliegenden Weiden erahnen. Ein Schluchzen unterbrach die Stille. Dabei stammte es nicht nur von einer Person. Doch Ylvi fand die Worte die allen auf der Zunge lagen.”Von hier aus wird er über das Tal wachen...und alle beobachten können. Das ist ein perfekter Ort.” Sie griff nach Calebs Hand, entwand ihnen die Zügel von Devil. Um ihm den möglichen Freiraum zu geben mit Blue näher an den Zaun zu gehen. Dort war bereits eine kleine Mulde ausgehoben worden. Tannenzweige lagen darum. Ein kleiner Haufen,in ihm eine Schaufel um die Erde später wieder zu verschließen. Alle wandten plötzlich ihre Blicke in Richtung des Himmels, als das Rufen von Gänsen über ihnen zu vernehmen war. Noch kündigte die Temperatur nicht davon, doch der Sommer schien früh in diesem Jahr zu kommen, wenn sich die Gänse auf den Weg in den Norden machten. Ob sie wohl Dells Seele mit auf Reisen nahmen?
      Zusammen mit Sue trat Caleb an das Grab heran. Den Zaun am Abgrund hatte er am vergangenen Abend noch mit Cayce und Bellamy gebaut, er würde ihn gleich noch brauchen. Der Cowboy öffnete die Packtasche des Sattel, entnahm die Urne und stellte sie neben das Grab auf den Boden, dann führte er Sue zurück zu Ylvi, die die Stute festhielt.
      Schließlich ergriff er das Wort: “Knapp dreieinhalb Jahre war Dell bei uns gewesen. Hatte nach dem Tod seiner geliebten Frau und Mutter seiner Tochter bei uns ein neues Zuhause gefunden. Vom Fremden zum Stallburschen, zur Hand für alles und schließlich zum Freund. Sogar zum guten Freund, einer meiner Besten. Er stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite, half mir auf die Beine, wenn es mir mal nicht so gut ging oder ich wieder… zu aufbrausend wurde, so dass ich jemanden hätte in der Luft zerreißen können. Er hat mir gezeigt, was es überhaupt bedeutet, ein Vater zu sein. Ich kann mich noch genau an unser Gespräch am Frühstückstisch erinnern vor ein paar Tagen.. da habe ich ihn gefragt, wie es ist, Vater zu sein. Wisst ihr was seine Kernaussage war? ‘...aber Caleb, es ist das Schönste im Leben…’”, Caleb seufzte. “Aber auch ich habe ihm geholfen. Wenn er mal nicht weiter wusste, mit der Welt überfordert war, da war ich für ihn da gewesen- wie Freunde das so machen. Ich habe gestern mit Betsy gesprochen. Sie hat mir gesagt, ich darf einen Teil seiner Asche über das Tal verstreuen. Dell verdient es, über die Ferienranch zu wachen, er verdient es, weiterhin in unserer Mitte zu sein, er verdient es, immer einen Blick auf Bow River zu haben ; aber er verdient es auch, frei zu sein. Frei wie der Wind.” Mit diesen letzten Worten ging Caleb auf die Urne zu, stellte sich zum Zaun und… zückte sein Handy, klickte etwas darauf herum und startete das Lied, welches er extra für diesen Moment ausgesucht hatte. Aus den Boxen hinter ihnen lauschten alle den leisen Klängen der Musik, ehe eine Frau zu singen anfing.

      “Pack my bags cause I'm headed farther south
      Turn around, see the chaos of this house
      The road ahead is dark and lonely
      It's so cold and it's so stormy
      And it looks like I'm the only one around
      I'm going where the world ends and the sky begins
      Leaning over the edge but pushed back by the wind
      Reaching out for heaven but I pull my arm back in
      I'm standing where the world ends and goodbye begins
      I think I'm lost but I have no place to go
      Should I start walking back, try to find someone I know
      But the road behind is dark and lonely
      It's so cold and it's so stormy
      And it looks like I'm all on my own
      I'm standing where the world ends and the sky begins
      Leaning over the edge but pushed back by the wind
      Reaching out for heaven but I pull my arm back in
      I'm standing where the world ends and goodbye begins
      I'm going where the world ends and the sky begins
      Leaning over the edge but pushed back by the wind
      Reaching out for heaven but I pull my arm back in
      I'm standing where the world ends and new life begins” - ‘Where the World Ends von Layne Elizabeth’

      Während des Liedes öffnete Caleb die Urne, nahm Betsy kurz in den Arm, die sich zu ihm gesellt hatte und stellte sich auf die unterste Latte des Zaunes. Betsy tat es ihm gleich, sie hatten das so abgemacht und er hatte es ihr versprochen. Als das Lied verstummt war, herrschte für einen kurzen Moment Ruhe. Schließlich ergriff Caleb erneut das Wort und sprach: “I'm standing where the world ends and goodbye begins.” Er streckte seinen Arm über den Abgrund, neigte die Urne gen Boden und schüttelte sie leicht auf und ab, so dass die Asche nach unten rutschte. Die ausgeschüttete Asche wurde von einer Windböe erwischt und schien im Wind zu tanzen. Zunächst stieg sie etwas nach oben, ehe sie sich schnurstracks auf den Weg zum Boden machte. Kurz bevor sie aus unserem Sichtfeld verschwunden war, wurde sie von einem Adler durchstoben, der sich seinen Weg nach oben suchte, kurz vor uns abwendete und in die Weite des Tales hinaus flog. Nun war es auch um Caleb geschehen, der, um Betsy ein Fels in der Brandung sein zu wollen, versucht hatte, nicht zu weinen. Eine Träne nach der anderen kullerte seine Wange hinunter, als er vom Zaun stieg, Betsy hinab half und die Urne ins Grab legte. Ein Mitarbeiter nach dem Anderen warf eine weiße Blume ins Grab. Zum Schluss auch Betsy und Caleb, ehe der Mann sich die Schaufel nahm und das Loch zu schaufelte. Betsy drückte sich an ihn. Caleb nahm sie fest in den Arm.
      So standen sie eine ganze Weile einfach nur da, starrten die aufgetürmte Erde an und weinten. Nicht nur Betsy und Caleb. Alle Mitarbeiter, nein Freunde Dells, weinten um ihn, zückten Taschentücher und fielen einander in die Arme.
      Caleb sah auf. Es war eine Mädchenstimme zu hören, leise und unbekannt. Zunächst sah der Mann runter zu Betsy, die vor sich hin schluchzte… Als er den Blick schweifen ließ blieb er an Kaya hängen. Sie sprach! Die stumme Kaya! Caleb traute seinen Ohren kaum.
      Auch die anderen schauten sie an, hörten ihr zu. Die schmale Gestalt hatte sich halb umgedreht. Als würde sie nicht zu den anderen sondern ihrem Pferd sprechen. Die Hände um die Zügel waren fest um sie geschlungen, weiß traten ihre Knöchel hervor. Die Worte die sie sprach verstand niemand. Nicht, weil Kaya zu leise sprach. Nein..es waren Worte gesprochen in Lakota. Viele der Gäste drehten sich daher zu Louis und Tschetan um, doch diese waren zu baff um den anderen eine Übersetzung zu geben. Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Mutter sprach das Mädchen. Ylvi und Louis stürzten vor. Tschetan hatte seine kleine Schwester bereits in die Arme genommen. Wirbelte sie herum und flüsterte. “Es ist gut deine Stimme zu hören, kleine Schwester!”
      Die anderen Verteilten sich. Begannen die Pferde zusammen zu treiben. Oder irgendwo sicher anzubinden. Jeder einzelne konnte an das kleine Grab heran gehen. Seine ganz persönlichen Worte an Dell richten. Betsy lief, mit Calebs Hand in der einen auf die kleine Familie zu die Kaya umarmten. Kayas Augen strahlten. Und obwohl der Schatten von Dells Tod über ihnen allen hing. So sah man das Lächeln in den Gesichtern der kleinen Gruppe. Auch Betsy schenkte ihrer Freundin ein Lächeln. Kaya zog sie in eine Umarmung, wieder ihre zarte, raue Stimme die Betsy ins Ohr flüsterte “Ich bin jetzt für dich da, čhuwé(große Schwester).” Betsy hatte Kaya den Schmerz erleichtert als sie ihre Mutter so plötzlich verloren hatte. Die stetige Stille zwischen ihnen hatte Betsy nie für einen Grund genommen Kaya nicht zu akzeptieren. Und hier, auf dem Plateau der Ferienranch, am Grab des Vaters ihrer Freundin gab sie das Versprechen wie eine Schwester für Betsy zu sein. Und plötzlich fand sich die ganze Familie in einer Umarmung wieder. Ylvi schlang die Arme um das Mädchenpaar, Betsy die noch immer Calebs Hand hielt, zog diesen näher zu sich. Und auch Louis und Tschetan gaben sich einen Ruck um diesen Moment zu genießen. Als würden sie Kayas Versprechen damit besiegeln wollen. Von der kleinen Versammlung unbeobachtet sah man den alten Mann die Gruppe fixieren. Laurence's sowieso faltiges Gesicht, zeigte ein schmales Lächeln.
      Sie verbrachten beinahe den ganzen Tag auf der Ferienranch. Als die Sonne sich ganz langsam gen Erde neigte und so den Sonnenuntergang ankündigte, machten sie sich wieder auf den Weg zurück zur Ranch. Weit kamen sie allerdings nicht, denn Caleb wählte dieses Mal den Haupteingang zur Ferienranch, ritt durch ein Schild, hielt davor an und ließ die ganze Gruppe umdrehen. “Die Ranch hat einen Namen!”, quietschte Octavia und stellte sich in die Bügel ihres Pferdes, um den Namen besser lesen zu können. “Dells Rookie Ranch.”
      “Das ist es also, was ihr gestern Abend so spät noch hier gemacht habt”, schlussfolgerte Ylvi und sah mit einem Lächeln zu Caleb.
      Betsy kamen erneut die Tränen. Sie saß nun auf Sue, Blue hielt Caleb in der rechten Hand und nahm ihn als Handpferd mit nach Hause. “Ich danke dir, Caleb”, waren Betsys Worte an ihn. “So bleibt er unvergessen.”
      Caleb seufzte. Dieses Mädchen hat in ihrem Leben schon so viel mitmachen müssen, so viel Leid und Tod erfahren, dass es gut und gerne für zwei Leben reichen würde.
      “Ich dachte… weil er die Ferienranch so geliebt hat und viel hier gearbeitet hat.. und… und nun hier begraben ist… ein besseres Andenken hätten wir ihm nicht machen können.”
      Alle stimmten ihm nickend zu. Auch Louis lächelte, ihm schien der Name ebenfalls zu gefallen.
      Etwa zwei Stunden später, so langsam wurde es wirklich dunkel, erreichte die Mannschaft die Ranch. Die Pferde wurden versorgt, die Abendrunde abgeschlossen und die Menschen verteilten sich auf der Ranch. Louis nahm die Kinder mit in den Bungalow, es war höchste Zeit, dass sie ins Bett gingen.
      Ylvi machte noch einen kurzen Zwischenstopp im Büro, überflog die heute liegengebliebenen E-Mails und entschloss, sie am nächsten Tag zu beantworten, denn es war nichts wichtiges dabei. Sie machte gerade den Computer aus und wollte den Raum verlassen, als Caleb ins Zimmer gestürmt kam. Er hielt einen aufgerissenen Brief in der Hand.
      “Verdammt Ylvi, wir haben ein Problem”, knurrte er und drückte ihr den Brief in die Hand. Ylvi las die fett geschrieben Wörter laut vor: "Vorladung zum Adoptionsantrag Betsy Dell”

      Fohlenweide: Chocolate Dazzle, BR Devils Angel Eyes, Like a Prayer, BR Dissident Whiz, BR Colored in Style, BR Alans Smart Dream, BR Raised to Slide, BR Heart N‘ Soul, BR Wimpys Bright Gangster, BR Atlantis Dream, BR Double Gunslide, BR Sheza Topnotch Babe, BR Hollywoods Dream Anthem
      Jungpferde: tc Mister’s Silvermoon Cody, Smart Lil Vulture, PFS‘ Unclouded Summer Skies, GRH’s Funky’s Wild Berry, Four Bar Chocolate Becks, Dual Shaded Ace, Chic‘ N Shine, Chapman, BR Colonels Lil Joker, BR Colonels Golden Gun, Jacks Inside Gunner, Gun Sophie, Ginger Rose, Captains Blue Crystal, BR Dress to Impress, Blue Fire Cat
      Trainingsstall: Up Town Girl, Small Town Dude, Bittersweet Temptation, Whitetails Shortcut, Zues, Abandon all Hope, HMJ Courtesy, HMJ8345’s Continental, Striga, Tortured Witch HMJ6693, Blanton’s Gentleman, HGT’s Unitato, HMJ Saintly, How ‘Bout Moonies
      Zuchthengste: Chocolate Dream, GRH’s Bellas Dun Gotta Gun, GRH's Unbroken Soul of a Devil, Gun and Slide, Gunners Styled Gangster, Heza Bat Man, Hollywoods Silver Dream, Nachtschwärmer, Till Death, Whinney
      Zuchtstuten: Black Sue Dun It, California Rose, DunIts Smart Investment, Easy Going, Frosty Lagoon, Ginny my Love, GRH’s A Gun Colored Lena, GRH’s Aquila T Mistery, GRH’s Unbroken Magic, Magnificient Crow, Only Known in Texas, Stormborn, Tainted Whiz Gun
      Sommerweide: Wunderkerze LDS, Breia LDS, Ceara Isleen, Dakota, Drama Baby, Leuchtfeuer di Royal Peerage, Pocahontas, Prias Colourful Soul, Raspberry, Tigres Eye, Absolute Bullet Proof, Birk, Culain, Myrkvidr, Peacful Redemption, WHC‘ Happy Sunshine, Wildfire xx
      Ferienranch: A Walking Honor, Chou, Jade, Krosty Killings, Honey’s Aleshanee, Colonels Blue Splash
      Ferienranch: A Walking Honor, Chou, Jade, Kristy Killings, Honey's Aleshanee, Colonels Blue Splash
      Verkaufspferde: Alan's Psychedelic Breakfeast, General’s Coming Home, Cup Cake, A Walking Dignity, BR Black Pamina, A Shining Chrome, Priamos Ruffia Kincsem, BR General Pleasure, Picture of a Ghost, Wimpys Little Devil, Lovin‘ Out Loud, Kholáya, Tasmania, Cruel Twist of Fate, Lady Blue Skip, Miss Independent, Kisshimbye, My sweet little Secret, Sweet like Chocolate, Snapper Little Lena, Special Luna Zip, I’m a Playboy
    • Veija
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      Dakota Trail LK 5 - LK 4, Ginger Rose Trail LK 3 - LK 2, Chapman Reining LK 5 - LK 4, Drama Baby Galopprennen A - L, Wildfire xx Galopprennen A - L

      Januar 2021, by Veija
      Caleb
      Schon früh am Morgen war ich dabei, Octavia zu helfen zwei ihrer Vollblüter zu verladen. Drama Baby und Wildfire xx fuhren mit ihr auf die Bahn für ein Galopprenntraining. Sie beide liefen gerade in der Stute A, sollten nun also für L trainiert werden. Da wir dazu hier am Hof keine Möglichkeit hatten, mussten wir eben verladen und zur einer Bahn fahren. “O du bist dir sicher, dass dort auch im Winter trainiert werden kann?”, fragte ich sie nachdenklich während Filly rechts von mir tänzelte und einen wunderschönen Tralopp zeigte. Ich hasste die Vollblüter noch immer, aber was wollte man machen.
      “Ja Caleb, ich bin mir ganz sicher. Mir wurde versichert, dass ich dort nicht nur reiten, sondern dass mir auch zwei Jockeys aushelfen würden. Leider bin ich ja doch etwas außer Übung”, antwortete sie mir und piekste sich selbst in die Seite. War sie etwa dicker geworden?
      “Hast wohl auch etwas Winterpelz zugelegt, nicht wahr?”, neckte Bellamy sie. Octavia plusterte die Backen auf und wollte etwas kontern, doch ich unterbrach sie jäh. “Nimmst du mir den Gaul hier jetzt mal ab?!”, brummte ich und ruckte einmal am Führstrick des Hengstes. “Benimm dich jetzt mal du Idiot, wie kann man nur so bekloppt in der Birne sein.” Dies war weniger eine Frage, sondern eine Aussage. Ich übergab O den Hengst, welcher sich gleich ein wenig beruhigte und ohne zu mucken in den Hänger stieg. “Ich glaub er merkt, dass ich ihn nicht leiden kann”, schlussfolgerte ich, schloss die Zwischenklappe und auch das nächste sowie übernächste Abteil, ehe wir Drama einluden, die es uns auch nicht einfach machte. “Viel Spaß mit den Bekloppten”, murmelte ich doch erntete nur einen bösen Blick. “Ich glaub es ist nicht mehr für lange, ich überlege die Vollblüter zu verkaufen.”
      Nun horchte ich auf. “Oh, echt?”
      “Ich erzähl dir die Tage mehr.” Damit verschwand sie im Auto und verließ den Hof.
      In der Stallgasse stand gerade Bellamy mit seiner Dakota- natürlich in voller Westernmontur. “Na, gehts eine Runde raus?”
      Bellamy verneinte. “In der Halle baut Cayce gerade einen Trail für Ginger Rose auf, um die auf die LK 2 zu bringen. Ich wollte mich mit Dakota anschließen und schauen, ob ich sie in die LK 4 bekomme.”
      Ich nickte. Endlich zeigte der junge Mann mehr Interesse am Training und war gewillt, sein eigenes Pferd voran zu bringen. Die Stute lief zwar schon in der Dressur auf Stufe L, doch er wollte sie in Zukunft weiter Western fördern.
      Ich hatte mir für heute Chapman vorgenommen. Ich wollte gerne aus ihm und Stormborn ein Fohlen ziehen, dazu musste er allerdings erst trainiert und gekört werden. Heute war also ein guter Tag, um mir anzuschauen, wie er sich unter dem Sattel machte. Von der Vorbesitzerin hatte ich erfahren, dass er doch manchmal unter so einigen Unarten litt. So zum Beispiel beim Anbinden. Kaum hatte ich den Strick festgemacht, stemmte er sich dagegen und zog mit all seiner Kraft zurück. Bevor Strick oder Halfter reißen konnten, touchierte ich ihn an der Kruppe mit einer Gerte. “Spinnst du eigentlich?” Champ machte einen Satz nach vorne, plusterte die Nüstern auf und sah mich mit groß aufgerissenen Augen an. “Den Quatsch brauchst du bei mir nicht zu probieren”, konterte ich, langte nach der Bürste und fing an, den Hengst zu putzen. Als ich damit fertig war ging ich zur Sattelkammer und wühlte mich durch die passenden Gamaschen. Auch das Pad nahm ich schon mit. Eine Sekunde später flogen die Gamaschen durch die Luft und landeten an den Hinterbeinen des Hengstes. “Hör auf!”, zischte ich und scheuchte ihn mit einer ‘husch’ Bewegung wieder nach vorne. Er hatte es tatsächlich erneut probiert! Das würde ein Spaß werden, ihm diesen Blödsinn wieder auszutreiben.
      Der Rest des Sattelns erfolgte ohne weitere Vorkommnisse, so dass ich eine viertel Stunde später in der Halle war und Cayce dabei beobachtete, wie er Bellamy bei den Hindernissen half. Es freute mich sehr, dass alle sich gegenseitig so unterstützten.
      Ich ritt Chapman ausgiebig warm und fing mit der ersten Lektion an: Spins. Um überhaupt daran denken zu können, ihn in den Spin reinzudrehen, musste ich es schaffen, dass er den Schritt über die Schulter machte. Das hieß, er musste mit dem äußeren Bein nach innen treten, ohne die innere Schulter fallen zu lassen. Außerdem musste er mit dem hinteren inneren Bein Last aufnehmen und sich auf die Hinterhand setzen. Das war die Voraussetzung. Wir übten zunächst im Schritt daran. Aus einem großen Kreis wurde schließlich ein kleiner Kreis. Als das gut klappte, ritt ich ihn kurz auf der Gerade und wechselte dann die Hand. Schließlich drehte ich ihn ein paar Mal rein. Ich war mit ihm zufrieden und übte noch ein wenig das Zirkeln, ehe ich die Einheit für heute beendete.
      In den nächsten Wochen arbeitete ich intensiv mit Chapman. Fast immer waren Cayce und Bellamy mit Ginger Rose und Dakota dabei. Für Ginger stellte der Januar den letzten Trainingsmonat vor der Krönung dar, so dass Cayce auch daran feilte. Dakota und Chapman hatten noch eine Weile, bis sie an der Reihe waren.
    • Veija
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      Hufschmiedbericht für Drama Baby, Striga, Dakota, Chapman
      Januar 2022, by xSera
      Ein weiterer Sammeltermin wartete auf mich, diesmal ging es auf die Bow River Ranch, welche unter der Leitung von Caleb O’Dell stand. Es ging dabei um vier Pferde: Chapman, Striga, Dakota, Drama Baby. Zweimal Barhufpflege und zweimal beschlagen, wobei sich der Beschlag doch sehr unterschied. Als ich die Ranch erreichte herrschte bereits reges Treiben. Ich war gerade dabei Otto, meinen fahrbaren Helfer, auszuladen als mich jemand freundlich begrüßte. Da ich noch näher an den Stall ranfahren konnte, schnappte sich Caleb meinen Otto und ging mit diesem voraus. Ich folgte ihm im Wagen und parkte nun direkt am Stall. Am Anbindeplatz wurde gerade ein Fuchs angebunden, welcher wohl mein erster ‚Patient‘ für heute war. Caleb erklärte kurz wie die Pferde so drauf waren und, dass wohl kein besonders schwieriges heute dran war. Da es auf dem Hof immer genug zu tun gab winkte ich daher ab als er mir anbot noch hier zu bleiben, doch wenn was sein sollte, war ja immer jemand in der Nähe. So machte ich mich also ans Werk. Ich bereitete alles vor und machte mich mit dem Hengst Chapman bekannt. Er schient zwar immer mal auszutesten, ob er wirklich angebunden war, doch sonst wirkte er sehr interessiert an Otto und würde wohl zu gerne seine Nase mal in die Schubladen und Fächer stecken. Ohne Probleme konnte ich die Hufe des Hengstes bearbeiten und schließlich beschlagen. Die vorderen bekamen Stahleisen und die hinteren Slidingeisen. Nachdem ich mit ihm fertig war, machte ich auf mich aufmerksam und bekam auch schon das nächste Pferd gebracht. Ein weiterer Fuchs, doch diesmal eine Stute und sie schien nicht sonderlich begeistert zu sein, wobei sie sich wohl auch nicht recht entscheiden konnte, ob sie interessiert oder beleidigt war. Nun war also Drama Baby an der Reihe. Sie sollte Renneisen bekommen. Bevor ich begann, ließ ich sie meine Hand beschnuppern und strich ihr sanft über den Hals. Diese kurze Streicheleinheit schien ihr zu gefallen und so forderte sie mich, während ich an ihrem Hufen zu schaffen war, immer wieder dazu auf ihr Aufmerksamkeit zu schenken und nicht nur ihren ollen Hufen. So dauerte das Beschlagen der Stute zwar etwas länger als üblich, doch immerhin war sie nicht nervös oder unruhig, aber irgendwie süchtig nach Aufmerksamkeit. Ein leichtes Schmunzeln huschte über mein Gesicht, als die Stute mit angelegten Ohren und fertig beschlagen wieder zurückgebracht wurde. Das nächste Pferd war eine Braune Stute (Dakota), die man einfach nur als Ruhepol beschreiben konnte. Sie zuckte, selbst wenn mal Eimer schepperten, noch kaum mit den Wimpern. Da bei ihr nur die Hufbearbeitung auf dem Plan stand war ich nach etwas Ausschneiden, Raspeln und Feilen auch schon fertig, denn die Hufe waren an sich sehr korrekt. Nun fehlte nur noch Striga, eine wirklich besondere Stute wie ich finde. Durch ihre ruhige Art dauert es erneut nicht besonders lange. Ein wenig Ausschneide, Raspeln und Feilen später, steht die Stute mit ordentlichen Hufen da. Einer der Pfleger bedankt sich bei mir und ich reiche ihm die Rechnung, damit er diese an Caleb weiterleiten konnte. Somit war meine Arbeit hier auch schon getan und ich machte mich, nachdem Otto wieder sicher verstaut war, auf den Weg.
    • Veija
      Dells Rookie Ranch
      Februar 2022, by Ravenna & Veija
      Zeitliche Einordnung: April 2021
      Ylvi
      "Ich habe vorhin mit der Adoptionsbehörde telefoniert. Wir haben einen Termin für den Montag in knapp einer Woche bekommen. Um 18 Uhr. Dann sollten die gröbsten Arbeiten auf der Ranch erledigt sein."
      2 Tage hatten wir wie gelähmt damit verbracht auf de Brief zu antworten. Hatten uns die Verantwortlichkeit hin und her geschoben. Heute in der Bürozeit fand ich endlich den Schneid den Hörer in die Hand zu nehmen. Am Telefon hatten sie mir leider keine Auskunft über den Grund der Vorladung geben wollen. Einerseits zitterte ich. Hatte das Ganze mit der ungewöhnlichen Situation zwischen Caleb und mir zu tun? Oder war es ganz anders...hatte sich tatsächlich noch Verwandtschaft finden lassen die Betsy zu sich nehmen wollte? Wie sollten wir das den beiden Mädchen nur beibringen. Caleb sah von seinen Unterlagen auf. "Das erscheint mir gerade wie eine Ewigkeit. Wie sollen wir die Zeit nur überbrücken?" Da es mir ganz ähnlich ging, zuckte ich nur mit den Schultern. Schließlich deutete ich aber auf das was Caleb da so eifrig in den Händen hielt. "Wir könnten quasi damit starten, die Verkaufspferde zu fotografieren. Das Wetter da draußen ist quasi perfekt. Leicht Bewölkt, die Blätter färben sich bunt. Die Pässe der Pferde scheinst du ja bereits sortiert zu haben? Meine Kamera wäre ebenfalls startklar."
      Caleb
      Gesagt, getan. In Windeseile fanden wir uns auf dem Reitplatz wieder. Die beiden Pferde, die für heute Morgen angedacht waren, waren Alan und Homy. Von Homy (General’s Coming Home) behielten wir das letztjährige Stutfohlen BR Homecoming Queen, weshalb ich mich dazu entschlossen hatte, den Hengst nun zu verkaufen. Mit Queen, deren Mutter Face Down ja bei der Geburt verstorben war, hatten wir so einen Glückgriff gemacht, dass wir die Vaterlinie nun in einem anderen Stall zur Verfügung stellen wollten.
      Ähnlich war es mit Alan’s Psychedelic Breakfast. Von ihm blieb sein letztjähriges Hengstfohlen BR Alans Smart Dream sowie zwei seiner Stutfohlen, BR Sheza Topnotch Babe und BR Black Pamina. Sein Verkauf würde mir etwas schwerer fallen, doch ich war mir sicher, dass er ein gutes Zuhause finden würde. Seine Nachkommen würden sein Erbe hier auf Bow River weiter vertreten.
      Wir konnten leider nicht alle Pferde behalten. Der letzte und auch diese Fohlenjahrgang war so unglaublich stark, so dass wir uns von ein paar alten Pferden trennen müssen.
      Wir starteten mit ein paar Portraits und Ganzkörper Bildern der Pferde, zunächst ohne Ausrüstung, dann mit.
      Schließlich folgten Reitfotos und Videos. Die beiden Pferde merkten genau, dass ich mit den Gedanken nicht bei der Sache war. Vor allem Homy nutzte dies schamlos aus. Ich wank Ylvi ab. Sie sollte aufhören Fotos zu machen, ich müsste den Hengst zunächst nochmal schön weich bekommen, bevor sie weiter draufhalten konnte.
      Schließlich klappte es dann doch.
      Später schauten wir uns am PC gemeinsam die Fotos an, suchten die passenden heraus und Ylvi fing mit der Bearbeitung an, während ich einen kurzen Text zu den Tieren verfasste und auch den Preis festlegte. Ganz billig waren sie nicht, aber sie waren beide erfolgreich im Sport, waren gekört und hatten gute Nachzuchten, was man außer Acht lassen durfte. Alan setzte ich mit 1300 Joellen und Homy mit 1100 Joellen an.
      Dann drehte ich mich zu Ylvi um. Sie nickte mir zu, sandte mir die Fotos rüber auf meinen PC und ich konnte sie der Verkaufsanzeige hinzufügen.
      “Uff”, seufzte ich, nachdem ich auf ‘absenden’ gedrückt hatte. “Verkaufen ist immer schwer, besonders bei Pferden, die man schon länger hat.”
      Ylvi nickte, lächelte kurz und wendete sich dann wieder ihrem Bildschirm zu. Schließlich sagte sie: “Wir bräuchten auch nochmal neue Fotos der Fohlen und Jährlinge, schau mal, wann wir sie das letzte Mal abgelichtet haben.” Ich stand auf und ging rüber zu ihrem Bildschirm, auf dem ich McDreamy erblickte, wie er auf wackeligen Beinen stand und mit seinem viel zu langen Hals versuchte, etwas Gras zu fressen.
      “Der sieht jetzt ganz anders aus, wie ein richtiges Pferd schon!”, lachte ich und Ylvi nickte erneut.
      “Deshalb müssten wir neue Bilder machen… direkt?”
      “Okay.”
      Ylvi
      “Lass uns fix zwei der Pferde trensen und dort hinauf reiten. Ich denke ein bisschen Beine und Seele baumeln lassen tut uns beiden sicherlich gut." Den Vorschlag musste Caleb tatsächlich kein bisschen überdenken. "Dann lass und gleich 2 aus dem Trainingsstall nehmen, die haben immer etwas Bewegung nötig."
      "Wen auch immer du mir zuweisen möchtest."
      Caleb rieb sich über das Kinn. Auf dem ich jetzt erst so richtig bemerkte das er sich in den letzten Monaten hatte einen Bart stehen lassen. Oder in den letzten Wochen? Warum fiel mir das erst jetzt auf. Als Caleb merkte das ich ihn anstarrte, schlug ich verschämt meinen Blick nieder. "Ich denke Plankton und Nic sind keine verkehrte Wahl. Nic hatte ich dabei für dich im Sinn."
      Im Stall bemühten wir uns tatsächlich nicht mal damit den Ponys ihre Trensen zu verpassen. Mit einfachen Knotenhalftern half mir Caleb auf den Rücken von Nic. Schwang sich in einem eleganten Sprung auf Plankton, während wir Richtung Osten die Ranch verließen um an den Hängen vor der Ferienranch, mein Hirn hatte sich an den neuen Namen noch immer nicht gewöhnt, nach der Herde den Jungpferde ausschau zu halten. Im Grunde war das allerdings beinahe nicht nötig - die gesamte Herde schien dermaßen neugierig auf Artgenossen. Sie stromarten bereits aus den Teilen des Waldes die Hänge hinunter in die Ebene, in Richtung des Zaunes. Ungewollt hielt ich Nic an. Sah den Pferden dabei zu, wie sie sich ihren Weg uns entgegen suchten. Ein schweres Gefühl schien sich plötzlich von meinen Schultern zu lösen. Ein Seufzen kam über meine Lippen. Schließlich, bevor ich es noch ganz begriffen hatte, schluchzte ich auf. Tränen liefen mir die Wangen hinunter. Ich wusste nicht mal wieso. Aktuell schien ich mit allem überfordert. Der Kuss mit Caleb hing mir im Gedächtnis. Die Tatsache, dass Tschetan uns gesehen haben musste. Ich noch keinen Mut gefunden hatte Louis davon zu erzählen. Dells Tod. Die Tatsache, dass Kaya nun tatsächlich begonnen hatte zu sprechen. Die Angst, dass Betsy all das hier vor uns, vielleicht nicht mehr lang haben würde. Diese Angst war fast genauso groß wie jene gewesen diese Ranch für immer zu verlassen. Plötzlich zog mich jemand von meinem Pony. Calebs Arme schlangen sich wortlos um meinen Körper, während ich von Schluchzern überwältigt wurde.
      Caleb
      So standen wir eine ganze Weile im feuchten Gras. Unsere beiden Pferde hatten die Köpfe gesenkt und fraßen seelenruhig vor sich hin. Ich vernahm ein leises Schnauben, dann herrschte wieder Stille- bis auf das Schluchzen Ylvis.
      An Dells Beerdigung hatte es mich überkommen, ich hatte mich der Trauer hingegeben, geweint. Nun allerdings, jetzt hier bei Ylvi, versuchte ich stark zu bleiben. Ihr ein Fels in der Brandung zu sein.
      “Das ist einfach nicht fair”, murmelte Ylvi und drückte sich enger an mich.
      “Was im Leben ist schon fair”, antwortete ich zwischen zusammengebissenen Zähnen und fuhr ihr mit einer Hand über die Haare. War es fair, dass die Frau, die ich geliebt hatte tot war? War es fair, dass die Frau, der ich mich geöffnet hatte, mit einem anderen verheiratet war? War es fair, dass sie jetzt hier in meinen Armen lag und weinte, anstatt sich ihrem Ehemann zu öffnen? Nichts davon war fair. Weder das Leben, noch der Tod. Wir konnten uns nur damit abfinden und nach vorne schauen. Ein Schritt nach dem Anderen. Auf einen Tag folgt ein Anderer.
      “Wir werden das schon hinbekommen, Ylvi. Es wird alles wieder gut.” Da war es wieder. Das Verlangen, was mich in der letzten Zeit immer wieder überkommen hatte. Wieder entfacht durch den Kuss Ylvis vor ein paar Tagen im Auto. “Es wird alles wieder gut...,”, murmelte ich erneut, hob ihren Kopf mit meinem Zeigefinger an und legte meine Lippen auf die Ihren. Ich küsste sie und es fühlte sich an wie damals. Vertraut, nach Zuhause. Obwohl mich ein schlechtes Gewissen überkam, ließ ich nicht ab von ihr, legte ihr meine Hand in den Nacken und zog sie so ein wenig enger an mich heran. Nach einem kurzen Zögern erwiderte sie den Kuss, wurde fordernder.
      Schließlich lösten wir uns voneinander, sahen uns an. Niemand sagte ein Wort, ehe wir uns in einem erneuten Kuss wiederfanden.
      Tschetan
      Mir perlte der Schweiß von der Stirn. Ich stand inmitten einer Box, meine Gummistiefel in der nassen Plörre, die der Hengst hinterlassen hatte. Ehrlich gesagt war mir gar nicht bewusst in wessen Box ich gerade stand.
      Aber das dämliche Vieh hatte seinen Arsch so lang an der Tränke geschubbert, bis selbige abgebrochen war. Und die gesamte Wasserleitung hatte munter fröhlich die Box,sowie den Gang gewässert. Heute morgen hatte mich also eine Masse aus Scheiße, Wasser und Stroh in der Stallgasse erwartet. Das noch vor Schulbeginn!
      In Windeseile hatte ich zumindest mal das Wasser abgestellt. Nun stand ich also in der Sauerei. Die Ablenkung kam mir allerdings gerade Recht. Zu viel das mir durch den Kopf ging. Simples Schaufeln brachte mich fort davon.
      “Tschetan!”
      “WAH!” schrie ich, zuckte sogar richtig zusammen. Sah mich um nach dem Ursprung der Stimme.
      “Bist du verrückt? Hast du mal auf die Uhr geschaut? Du musst zur Schule. Mach hin! Ich hab nicht wieder Lust auf euch zu warten” zeterte Octavia mich an. Noch im Schreck klammerte ich mich an die Mistgabel. “Hee!” sie winkte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht umher “Schau nicht wie ein Schellfisch.” Ich stellte die Gabel vor der Box ab. Tauschte meine Gummistiefel. Während O mir dabei zu sah. So richtig wusste ich ihren Blick nicht zu deuten. “Hattest du schon Frühstück?” fragte O in ihrem üblichen Ton. “Bisher nicht.” kam mir die knappe Antwort über die Lippen. “Dann schlag ich vor, du bewegst dich unter die Dusche. Du stinkst.” flüsterte sie in einer zuckersüßen Stimme. Fast augenblicklich fingen meine Ohren zu glühen an. Hervorragender Morgen.
      Aimee
      Ich hatte gerade das letzte Pausenbrot geschmiert da kam Tschetan in die Küche gestolpert. Seine langen Haare zu nassen Zöpfen geflochten sprang er quasi über den Tisch auf die Rückbank, schmierte sich in einer Schnelligkeit, die mich nur staunen ließ, ein Brot und stopfte es sich gefühlt komplett in die Backen. “Mal wieder zu spät dran”, lachte ich und reichte auch ihm eine der Tüten, in die ich das Essen gepackt hatte.
      “Na einer von uns muss doch hier auf dem Hof was helfen, Caleb rastet aus wenn wir hier nicht mit anpacken”, schmatzte er mir entgegen.
      “Mach den Mund beim Kauen zu- oder besser, mach den Mund leer, bevor du etwas sagst.”
      “Jaja…”
      Octavia platzte in die Küche, schaute uns Schulkinder einen nach dem Anderen mit einem Todesblick an und sagte: “Ab ins Auto!”
      Tschetan, Kaya, Betsy und ich flüchteten geradewegs aus dem Haus und nachdem ich das ‘Ich sitz vorn’- Spiel gegen Tschetan verloren hatte, nahm ich hinter O Platz. “Ääääätsch”, hörte ich vom Beifahrersitz, gefolgt von einem “Aua, sag mal spinnst du?!”. Ich hatte Tschetan gegen die Schulter geboxt.
      Eineinhalb Stunden später waren wir in Calgary angekommen. “Ich komm euch später abholen”, sagte O, ermahnte uns, die Türen des Wagens fest zu zu machen und fuhr dann zu ihrem Termin- was auch immer sie hier in Calgary zu erledigen hatte.
      “Sehen wir uns in der Pause?”, fragte ich in die Runde und ging nach einem allgemeinen Nicken meiner Wege.
      Tschetan
      In dem Versuch mich etwas bequemer hinzusetzen, erhob ich mich leicht auf dem Stuhl. Meine langen Beine passten kaum unter den Tisch. Ich musste, wenn ich sie lang streckte aufpassen sie nicht zwischen die Beine meines Vordermannes zu schieben. Anschließend starrte ich aus dem Fenster. Dieser Tage fiel es schwer mich zu konzentrieren. In meinen Noten spiegelte sich das ein wenig wieder. Aber auf der Ranch konnte ich vieles davon aufholen. Der Schulstoff fiel mir nie schwer. Manchmal war ich sogar fast ein wenig unterfordert damit. Mein Starren aus dem Fenster blieb jedoch nicht unbemerkt. Plötzlich versperrte mir eine Gestalt den Ausblick. Mein Blick wanderte vom Rüschen und Blumen verzierten Rock, hinauf zum rosa Strick Pulli. Um schließlich in die blauen Augen von Mrs. Schuyler zu schauen.
      Irgendwo, ganz tief unter ihrem sehr verwirrenden Kleidungsstil war sie sicherlich hübsch. In den meisten Fällen wirkte sie allerdings nur lächerlich und das nicht nur wegen ihrer Größe von nur 1,50 m. Sie schien auch nicht sonderlich viel von den First Nations zu halten. Das hatte ich bereits einige Male deutlich zu spüren bekommen. Ihre Hände hatte sie in die Hüften gestützt. “Ich gehe stark davon aus, dass du meinem Unterricht nicht gefolgt bist?” sprach sie mahnend. Da mein Hirn einen Moment brauchte um ihre Worte zu verarbeiten, schaute ich sie wenige Augenblicke verklärt an. Das ganze schien sie irgendwie zu irritieren. Sie leckte sich nervös über die Lippen. Dann legte ich den Kopf schief, grinste leicht und sprach in meiner süßesten Stimme “Nein, tut mir Leid Mrs. Schuyler.” Tat ich ihr etwa plötzlich Leid? Das Lehrerkollegium wusste sicherlich um den Todesfall auf der Ranch. In der letzten Zeit verhielten sich so einige Frauen in meiner Umgebung äußerst seltsam. “Ich sammle mich einen Moment und arbeite wieder mit. Versprochen.” Mrs. Schuyler schien darauf keine weiteren Einwände zu haben, tapperte auf kurzen Beinen wieder vor zum Smartboard...um ihren Unterricht in Sozialkunde fortzusetzen. Vielleicht fiel mir jetzt wieder ein, wieso ich dem Unterricht nicht hatte folgen wollen.
      Nicht das ich die weibliche Anatomie langweilig fand, aber sie erinnerte mich zu sehr an das was mein Kopf seit einigen Tagen auseinander nahm. Zu sehr an Ylvi...und an Caleb. Und ihren Kuss. Oder vielmehr Küsse. Ich hatte gedacht der im Auto sei eine einmalige Sache gewesen. Doch vorgestern hatte ich sie auf einem Ritt mit Dakota erneut gesehen. Ich konnte mit diesem Wissen nicht umgehen. Noch hatte ich niemandem davon erzählt. Allein mit mir ausgetragen. Einerseits...meinte ich zu verstehen was sie zueinander zog. Andererseits kannte ich mich damit nicht aus. Weder mit Frauen, noch mit Beziehungen. Mich verwirrte sogar die Anziehung die ich gegenüber Octavia empfand. Seither stürzte ich mich in die Arbeit auf der Ranch. Sie war geradlinig. Folgte ihren eigenen Regeln, während alles andere meinen Verstand zu sehr durcheinander brachte. Mein Verständnis von Liebe war...gelinde gesagt wohl als durchwachsen anzusehen. Mit dem Umzug zur Ranch hatte ich zumindest ein Verständnis für Familie entwickelt. Nur erschütterte Ylvi dieses gerade in meinen Grundfesten.
      Aimee
      „Aimee wie lange bist du jetzt hier in der Klasse?“, fragte mich meine Sitznachbarin, was mich erst zum Grübeln und dann zum Lachen brachte.
      „Ich glaube... drei, vier Monate? Letzten Dezember sind mein Vater Brian und ich auf die Bow River Ranch umgezogen. Caleb hatte neues Personal gesucht, mein Vater unterstützt ihn beim Training der Pferde”, antwortete ich während ich mit meinem Stift immer wieder die grauen Linien nachfuhr, die die Mähne meines gemalten Pferdes darstellen sollte. Ich hatte schon immer gezeichnet, mal mehr, mal weniger. In letzter Zeit und mit dem neuen Leben auf der Ranch war das etwas hinten runtergefallen, doch hier im Unterricht, in der Selbstlernzeit, fand ich wieder Motivation dazu.
      “Psst, der Lehrer kommt”, flüsterte mir jemand von rechts zu. Sofort blätterte ich in meinem Block eine Seite weiter. Gerade rechtzeitig. Fast.
      “Aimee ich weiß, dass du noch relativ neu hier bist und auch, dass privat bei euch allen viel los ist aber ich bitte dich, konzentriere dich und mach die Aufgaben. Malen kannst du im Kunstunterricht.” Mit diesen Worten nahm er mir mein gemaltes Bild weg. Ich wollte protestieren, stand schon halb auf. Doch Louis, der links von mir saß, zog mich an der Schulter wieder auf meinen Platz zurück, schüttelte den Kopf. “Leg dich nicht mit dem an”, flüsterte er mir zu und zuckte kurz mit den Schultern.
      In der Pause erzählte ich Tschetan davon. Natürlich hatte ich mein Bild nicht zurückbekommen, sondern es war im Müll gelandet. Mein Gegenüber reagierte aufbrausend, doch auch ihm gab Louis zu verstehen, dass wir uns nicht mit diesem Lehrer anlegen sollten. Es wurde geredet. Dass die Kinder von der Bow River Ranch Sonderbehandlungen bekamen, dass sie zeitens viele Fehltage aufwiesen. Jetzt einen Aufstand wegen eines Blatt Papiers zu schieben, wäre nicht förderlich.
      In der zweiten Pause stellte ich mich zu Kaya und Betsy. Die beiden waren in der selben Klasse. Tschetan ein paar darüber, ich eine über ihm. Die beiden Mädchen waren nicht wirklich für ein Gespräch zu gewinnen, weshalb ich mich umschaute. Tschetan sah ich gerade nicht, aber die anderen Jungs und Mädchen, die in Gruppen umher standen, schauten immer mal wieder zu uns rüber und tuschelten. Bildete ich mir das nur ein, weil Louis heute davon gesprochen hatte? Oder wurde wirklich so viel über uns geredet?
      Ich entschied, der Sache auf den Grund zu gehen und Tschetan zu suchen. Während ich umherging, schnappte ich immer wieder Gesprächsfetzen auf. Es wurde über die Schule gesprochen, das Wetter, die Lehrer. Kein einziges Mal bekam ich etwas über uns mit. Einige Grüppchen verstummten allerdings auch, als ich an ihnen vorbeikam.
      Wo trieb sich Tschetan eigentlich schon wieder herum? Nahe des Footballfeldes fand ich ihn schließlich. Dort stand er mit ein paar anderen indianischen Kindern und unterhielt sich mit ihnen auf einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich blieb mit einigem Abstand stehen, winkte ihn zu mir herüber und lächelte den Anderen im Kreis freundlich zu. Diese drehten sich jedoch einfach weg. Verwirrt wandte ich mich meinem Freund zu. “Hab ich denen was getan?”, platzte es aus mir heraus. Das war doch eigentlich überhaupt nicht das, weshalb ich ihn mir hergerufen hatte.
      “Nein.” Mehr Antwort bekam ich nicht. Okay… dann musste ich mich wohl damit zufrieden geben.
      Ich räusperte mich. “Ich ähm… ist dir etwas aufgefallen, dass die Anderen über uns reden?”, fragte ich ihn dann. “Es war mir gar nicht bewusst… aber eben als Louis das erzählt hat, und mein Mathelehrer eben im Unterricht. Und wie er mit mir gesprochen hat: ‘Aimee ich weiß, dass du noch relativ neu hier bist und auch, dass privat bei euch allen viel los ist aber ich bitte dich, konzentriere dich und mach die Aufgaben.’”, äffte ich meinen Mathelehrer nach. “Hast du davon was bemerkt?”
      Tschetan
      Gossip also. Ich seufzte schwer. "Aimee, Aimee...du gibst einfach zu viel darauf was andere über dich denken könnten." Dabei legte ich einen Arm um ihre Schulter. "Ich achte nicht darauf. Aber was dein Lehrer da gesagt hat, klingt schon ein wenig seltsam. Dabei muss man zugeben.Wir Ranch-Kids werden schon manchmal anders behandelt." Dabei dachte ich nicht nur allein an die Bow River. In der Fahrgemeinschaft, sowie der damaligen Versammlung um Heim-Unterricht. Da waren es mehr Eltern gewesen, die einen Bus-Shuttle gewünscht hatten. Im letzten Semester der Schule hatte der auch noch funktioniert, doch über den Schneereichen Winter war das wieder abgebrochen. So hatten wir uns alle in Fahrgemeinschaften organisieren müssen. So wechselten aktuell alle mit einem Auto auf der Ranch, sowie der umliegenden Ranches ab. Aimee legte den Kopf schief "mhm, du magst vielleicht Recht haben.Ich find es einfach nur auffällig." sprach sie konsterniert. "Nur Mrs. Schuyler ist in letzter Zeit so seltsam. Du kennst sie? Die junge Lehrerin mit Hang zu Rüschen und rosa Strick-Sachen?"
      "Die Sozialkunde-Lehrerin?" "mhm, genau die."
      "Tut mir Leid...ich kenn die zwar flüchtig. Aber im Unterricht habe ich sie nicht. Inwieweit ist sie denn seltsam? Ich liebe ja ihr lockiges Haar." schwärmte Aimee. "Haar hin oder her. Meine Freunde hatten, aufgrund ihrer Herkunft aus dem Reservat schon so einige Probleme mit ihr. Auch an mir ist das nicht ganz vorbei. Letztens musste ich mal wieder Nachsitzen bei ihr. Ich bin vielleicht ein wenig unaufmerksam im Unterricht." ich kratzte mir am Kopf dabei. Sollte ich Aimee von Ylvi und Caleb erzählen? Sie war noch nicht lang da. Aber in den wenigen Monaten eine wirklich gute Freundin geworden.
      Aimee
      “Hm, ist denn alles ok?”, fragte ich den jungen Mann und schälte mich aus seinem mich umfassenden Arm, um ihm wieder gegenüber zu stehen und ihn ansehen zu können. Dieser winkte nur ab und schaute in Richtung der Schulglocken, die uns mit ihrem Klingeln zu verstehen geben, dass wir uns für die letzten zwei Stunden wieder zurück ins Schulgebäude begeben sollten. “Bis später”, verabschiedete ich mich von Tschetan, für den mir einfach kein geeigneter Spitzname einfallen wollte, um wieder in mein Klassenzimmer zurück zu gehen. Beim Hineingehen langte ich flink in den Papiermüll und zog mein Bild wieder heraus.
      An meinem Platz angekommen glättete ich es sorgfältig mit meinem Ärmel, ehe ich es in meinen Block steckte- sicher verwahrt vor weiteren Lehrern, die es mir wegnehmen könnten.
      Die letzten beiden Stunden vergingen wie im Flug. Draußen traf ich Kaya und Betsy wieder, mit denen ich schon einmal zum Auto ging. O holte uns wieder ab. Da Tschetan nicht da war, krallte ich mir den Beifahrerplatz und streckte ihm die Zunge raus, als er sich auch endlich bequemte, zu uns rüber zu kommen. Kaya und Betsy unterhielten sich auf der Rückfahrt munter. Tschetan und ich schienen beide eigenen Gedanken nachzuhängen, denn niemand von uns sagte ein Wort.
      Auf der Ranch angekommen ging es zum gemeinsamen Mittagessen, danach an die Hausaufgaben. Ich blieb am Küchentisch im Haupthaus sitzen, eine der wenigen Gelegenheiten, den Trubel hier hautnah mitzubekommen. Caleb stiefelte ein und aus und beachtete mich nicht weiter. Ylvi ging ein und aus, immer darauf bedacht, an der Küche vorbei zu huschen und immer genau gegenteilig zu Caleb. Ging er raus, kam sie rein. Ging er rein, kam sie kurz danach raus. Die Beiden waren mir ein Rätsel.
      “Na Aimee, brauchst du noch lange?”, fragte mich Laurence, der auf einmal in der Tür zum Flur stand.
      Ich sah auf, schlug mein Heft zu und sah ihn strahlend an. “Gerade fertig geworden!”
      “Gut, kannst du mir mal bei der neuen Tränke helfen? Ich bekomm die Schrauben nicht gut rein. Wird wohl doch Zeit, dass ich mir eine Brille hole”, grummelte der alte Mann und ich folgte ihm schweigend.
      Tschetan hatte so etwas heute Morgen erzählt, dass einer der Hengste in einer Box die Wassertränke zerstört hatte. Wir brauchten nicht lange, da konnte ich wieder meiner Wege gehen. Ich steuerte auf den Bungalow meines Vaters und mir zu, in dem ich in mein Zimmer ging und mich umzog. Als ich den Bungalow wieder verlassen wollte, stand Tschetan vor der Tür. “Ich äh.. hast du Lust auf einen Ausritt? Caleb sagte wir dürften Chou und Jade mitnehmen.”
      Tschetan
      Nach den Hausaufgaben, sowie dem Beritt zweier Trainingspferde von Caleb, hatte ich mich mit der Bitte auf einen Ausritt aus seinem Dunstkreis retten können. Wie ich mit ihm umgehen wollte, oder besser sollte mit dem Wissen das ich hatte wusste ich nicht. Normalerweise fiel es mir nicht schwer mit ihm solche Sachen zu besprechen. Manchmal hatte ich ihm mehr anvertrauen können als meinem Onkel. Mit dem Bruch in meinem Vertrauen hatte ich nun wirklich ein Problem erreicht das ich nicht wirklich zu klären wusste.
      Aimee erschien mir daher wie die naheliegendste Wahl. Zu einem Ausritt musste sie selten überredet werden. In der Stallgasse quatschten wir über belanglose Dinge. Ließen uns Zeit damit die Pferde fertig zu machen, schließlich blieb es immer länger hell. Die Sonne schien sogar manchmal schon so sehr vom Himmel, dass sie einem die Haut wärmte. Ich hielt Chou vorn am Zügel fest, während Aimee sich in den Sattel schwang. Ehe ich es mir auf dem Rücken von Jade bequem machte. Ihr entging mein Zeichen mit den Lippen den Weg zu weisen. Also wiederholte ich die Geste mit der Hand. "Manchmal vergesse ich, dass du nicht wie ich aufgewachsen bist." Aimee drehte sich halb zu mir um, Verwirrung in ihrem Blick. "Wir geben oft mit vorgeschobener Lippe eine Richtung an, oder deuten auf andere Personen. So " damit wiederholte ich die kleine Geste. "Das ist mir so geläufig. Selbst Ylvi kannte das. Aber in der Schule oder mit dir. Vielen entgeht das einfach."
      "Warum macht ihr das auch?"
      "Mit dem Finger oder der Hand auf andere zu weisen ist schrecklich unhöflich." Aimee grinste breit "Bei uns auch, aber ich glaube niemand kam auf die Idee einfach die Geste zu verändern."
      "Du kannst eben noch eine ganze Menge von mir lernen." ich drückte meinen Rücken durch, schob die Brust heraus und schaute 'weise' wie möglich drein. "Musst du kacken?" fragte Aimee spöttisch, trabte Chou an und verschwand einen Moment aus meinem Blickwinkel. Ohne nachzudenken gab ich Jade die Zügel vor. Schrie "Yihaaw" und preschte im Galopp an ihr vorbei. Chou hatte keine Schwierigkeiten damit mir und Jade zu folgen. Nachdem der Pfad in den Wald allerdings verwurzelter wurde parierte ich das Pony durch. "Mach das nicht nochmal!" schimpfte Aimee mit mir. Doch das Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Natürlich wusste ich, dass Aimee ein bisschen aus der Übung war mit dem Reiten. Sie war zwar auf einem Pferderücken aufgewachsen, hatte die letzten 6 Jahre aber in der Stadt gelebt und keine Pferde gesehen. Ich war mir sicher, hätte sie mich erreicht, dann hätte sie mir wütend auf die Schulter geschlagen. Das war eine ihrer seltsamen Angewohnheiten. Trotzdem entschuldigte ich mich nicht, es war schließlich nichts passiert. "Sieh dir lieber diesen Ausblick an!" stichelte ich, deutete in Richtung des Bow River der sich unter uns erstreckte. Der Galopp hatte den leichten Anstieg in den Wald genommen. “Erinnert ein wenig an den auf der Ferienranch.” sprach Aimee zögerlich. Ihr war es unangenehm über Dell’s Tod zu sprechen. Sie hatte den Mann schließlich kaum gekannt. “Tatsächlich, das ist mir so direkt noch nie aufgefallen. Allerdings ist es der falsche Hang.” Ich gab Jade das Zeichen weiter voran zu laufen.
      “Tschetan...sag mal, normalerweise bist du ein wenig gesprächiger mit mir. Bedrückt dich irgendwas? Ich hatte auf dem Schulhof schon das Gefühl du möchtest etwas loswerden.” Ich zuckte mit den Schultern. “Schon ja, aber irgendwie finde ich die richtigen Worte nicht.”
      “Sprech sie einfach aus.Richtige Worte lassen sich schwer finden.”
      “Ich hab...vor ein paar Tagen gesehen wie sich Caleb und Ylvi im Auto vor der Schule geküsst haben. ...und dann am Sonntag, also gestern. Hab ich auf meinem Trainingsritt mit Dakota gesehen wie sie auf der Ebene standen. Erst hat er sie nur umarmt. Und plötzlich haben sie sich innig geküsst. Sie waren ein Paar, weißt du. Bevor Louis sie geheiratet hat. Ich weiß das war..naja mehr aus Zweckmäßigkeit. Sie hätte sonst die Ranch verlassen müssen. Aber ich sehe auch wie sie zu uns ist...mit Louis umgeht. Ich verstehe nicht viel von Liebe...aber die Art wie sie Louis anschaut. Das bilde ich mir doch nicht ein? “ bei meiner Unsicherheit blieb Jade plötzlich stehen, sodass Chou beinahe in sein Vorderpferd hinein lief.
      Aimee
      “Oh shit”, bekam ich gerade noch über die Lippen, da hing ich am Hals meines Pferdes. Die Zügel hatte ich aus Reflex fallen gelassen, um mich selbst am Tier festzuhalten. Zum Glück hatte Chou nur aus dem Schritt einen Satz zur Seite gemacht, so dass es mich nicht komplett vom Rücken gefegt hatte.
      “Mein Gott, Aimee”, bekam ich von Tschetan zu hören, der lachend die Augen verdrehte und mich wieder aufs Pferd schob. Auch langte er nach meinen Zügeln, um sie mir wieder in die Hand zu drücken.
      Ich schaute ihn schmollend an. “Jaja, du darfst jetzt gerne wieder aufhören zu lachen.” Wir ritten weiter. Ich war ihm noch immer eine Antwort schuldig.Es war wirklich schwer für mich, Caleb, Louis und Ylvi einzuschätzen. Genau das antwortete ich Tschetan schließlich auch. “Ich habe immer mal wieder ein paar Bruchstücke mitbekommen, von den Dreien. Dass Ylvi zuerst mit Caleb zusammen gewesen ist, dann mit Louis. Anscheinend gibt es öfter Streit, was die betrifft?” Tschetan nickte. “Hmpf…”, murmelte ich und lenkte Chou durch die tiefhängenden Äste, bis wir ganz oben auf dem Hügel angekommen waren, von dem aus man das gesamte Tal überblicken konnte. Ich atmete einmal tief ein. Oh wie hatte ich das vermisst, diese Landluft und die großen Weiten von… nichts. Okay nichts war es nicht wirklich, aber keine Straßen und Autos oder Hochhäuser oder… “Aimee, hallo, komm wieder hierher zurück”, lachte Tschetan und legte seine Hand kurz auf mein Bein.
      “Ist ja gut”, grummelte ich, drehte Chou so, dass seine Hand von meinem Bein rutschte und sah zur Bow River Ranch rüber. “Ich verstehe Caleb und Ylvi aber auch nicht… meine Eltern haben sich getrennt und kämen nie auf die Idee, nochmal etwas miteinander anzufangen und…”
      “Ich glaube Caleb und Ylvi haben sich nie richtig getrennt.”
      “Hm?”
      “Na… Louis hat sie geheiratet, damit sie bleiben konnte. Auf der Ranch. Ich glaube, sie haben nie richtig Schluss gemacht.”
      “Oh”, war meine knappe, verwunderte Antwort. “Aber das ist doch trotzdem kein Grund.. ich mein.. ach was weiß ich denn schon.” Ich zuckte die Schultern. Tschetan sah mich ebenso ratlos an. “Komm, lass uns zurückreiten.”
      Wir wählten dieses Mal einen leichteren Weg, so dass wir viel auf der Geraden traben und galoppieren konnten.
      Auf dem Hof angekommen kam uns Laurence entgegen, der nicht sehr erfreut aussah. Ich wechselte einen kurzen, hilfesuchenden Blick mit Tschetan, ehe das Donnerwetter losging. “Wenn ihr nochmal so vom Hof prescht wie die Bekloppten… dann wars für ein paar Wochen das letzte Mal, dass hier einer von euch ein Pferd reitet!”
      “ ‘tschuldigung, Laurence”, murmelten Tschetan und ich synchron. “Kommt nicht wieder vor.” Laurence nickte und tigerte um uns herum. “Die werden jetzt hoffentlich gewaschen und ins Solarium gestellt. Was habt ihr mit denen gemacht?”
      Tschetan ergriff das Wort, erklärte sich und versicherte ihm, dass wir die Pferde waschen und anschließend unter das wärmende Solarium stellen würden. Noch war es zu kalt, um sie an der Luft trocknen zu lassen.
      Tschetan
      Ich pulte an dem getrockneten Schweiß in Jades Fell herum. Wir standen gemeinsam unter dem Licht des Solariums. Chou war etwas ungeduldig, sodass Aimee das Pferd immer wieder korrigierte. “Aimee. Ignoriere das Scharren einfach. Du weißt doch...Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit, auch wenn das Pferd scharrt.” Der Blick den ich über Chous Rücken zugeschickt bekam, hätte mich wohl getötet, wenn Blicke solcherlei Dinge vermochten. Ich konnte nicht anders als ihn mit einem breiten Grinsen zu erwidern. Aimee seufzte “Du bist fast so schlimm wie Caleb.” dabei rollte sie die Augen. Ich zuckte die Schultern “Das hat gar nichts mit Caleb zu tun. So hab ich es gelernt. Lakota strafen ihre Kinder nicht. Sie müssen ihre Erfahrungen selbst machen. Stattdessen wurden uns lehrreiche Geschichten erzählt. Kein Elternteil bei Verstand würde gegen seine Kinder die Hand erheben.” Zumindest war es in alten Zeiten so gewesen...Louis hatte uns so erzogen. Auch meine Großmutter. Mein Vater jedoch, wenn er zu viel Alkohol getrunken hatte. Ich schaute hinab zu meiner Hand die noch immer mit der verschwitzten Stelle spielte. Das war ein Thema an das ich nicht gern dachte. Genauso wie den Tod meiner Mutter. Aimee sprach mich nicht an, es herrschte eine ganze Weile einfach nur Schweigen. Dafür war ich ihr Dankbar. Sie wusste manchmal ganz genau, wenn es sich nicht lohnte weiter nach zu bohren.
      “Ich denke wir können die zwei wieder auf die Paddocks bringen.” murmelte Aimee irgendwann zu mir. “Ich will nur noch schnell die Schweißkruste aus dem Fell bürsten.”
      “Das ist keine schlechte Idee.” erwiderte Aimee. Seite an Seite bürsteten wir beiden Pferden die Rückenpartie. Trotzdem sie beinahe trocken waren, beobachteten wir beide Pferde noch dabei wie sie sich ausgiebig im Dreck wälzten. “Tschetan?” ich drehte mich suchend nach der Stimme um, die meinen Namen gerufen hatte, es war Ylvi gewesen. “Hast du deine Schwester in der letzten Stunde zufällig gesehen?”
      “Tut mir Leid, ich war auf einem Ausritt.”
      “Diese zwei Kids machen mich wahnsinnig. Also, wenn du Kaya oder Betsy irgendwo siehst - schick sie zum Bungalow. Es wird Zeit für das Abendessen. Bist du heute dabei? Oder isst du drüben mit den anderen?” Ich schenkte Aimee einen Seitenblick. Ihre Lippen formten das Wort ‘Drüben’.
      Dabei fiel mir etwas ein. “Hast du drüben im Haupthaus mal nach den beiden gesucht? Schließlich wird Betsy über kurz oder lang dort ihr Zimmer beziehen. Ich denke vor dem Kamin in der Bibliothek werden sie es sich bequem gemacht haben.” Nicht das sie sich sonderlich für die Bücher dort interessiert hätten. Vielmehr den riesigen Bildschirm den Laurence dort vor einigen Wochen aufgehängt hatte.
      Laurence
      Gähnend schaute ich nach oben, als eine Gestalt in die Bibliothek gepoltert kam. Es war Ylvi, die sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht strich. “Hier habt ihr euch verkrochen!” Damit meinte sie vermutlich eher Kaya und Betsy als mich. “Was schaut ihr euch da eigentlich an?”, setzte sie nach, schnappte sich die Fernbedienung und knipste die Kiste aus. “Es gibt Essen, kommt. Du auch Laurence.”
      Im Esszimmer angekommen fiel mir sofort auf, dass Ylvi den Weg zur Haustür eingeschlagen und rausgegangen war. Aß sie nicht mit uns? Ich überflog den gedeckten Tisch mit einem kurzen Blick. Zwei Teller zu wenig. Ylvi und Louis.
      Kurzerhand nahm ich Platz und schaute zur Tür, als Tschetan und Aimee den Raum betraten. Ich sah sie fragend an und bekam schließlich von Tschetan Antwort: “Jade und Chou sind wieder auf ihren Paddocks.” Kurz nickte ich, ehe ich zu Caleb sah, der sich mit Betsy unterhielt. Seit neustem haben wir die Sitzordnung am Tisch etwas geändert, so dass die Kleine neben Caleb saß. Dieser Platz war ehemals Ylvi zugeteilt gewesen.
      Dolly hatte sich wieder die größte Mühe gegeben. Lasagne gab es am heutigen Abend und alle schlugen sich die Bäuche voll. Was Louis und Ylvi drüben wohl aßen?
      Ich war froh, dass wir morgens und abends gemeinsam hier am Tisch sitzen und essen konnten. Die Haushaltshilfe Dolores, liebevoll von uns allen Dolly genannt, war eine unglaubliche Bereicherung- und das schon über einen geraumen Zeitraum hinweg! “Dolly, setz dich doch und iss auch etwas mit uns”, bot ich ihr an und rückte auf der Bank ein Stück zur Seite. Sie nickte lächelnd und setzte sich mit einem Teller und Besteck neben mich.
      Die Mitarbeiter unterhielten sich munter, es herrschte eine lockere Stimmung. Schließlich war es Zeit, den Tisch abzuräumen. Wir hatten uns angewöhnt, dass jeder seinen Teller nach dem Essen in die Spülmaschine stellte. Dolly nahm uns zwar viel Arbeit ab, aber das bekam jeder auch gut selbst auf die Reihe und entlastete sie so ein wenig. “Bis morgen früh, Dolly”, verabschiedete ich mich und machte mich auf den Weg in den Stall. Heute war ich mit der Abendrunde dran.
      Tschetan
      “Wo hast du Kaya gelassen?” kam eine Stimme aus der Dunkelheit. Ich zuckte doch tatsächlich zusammen als Aimees Stimme plötzlich auftauchte. “Übernachtungsparty drüben bei Betsy. Bedeutet...endlich mal wieder in meinem Bett schlafen!” Aimee zog verwirrt das Gesicht kraus.
      “Betsy hat in den letzten Wochen so oft bei uns geschlafen. Da war die Couch mein Bett”
      “Stimmt, die Bungalows sind alle gleich geschnitten. Du hast kein eigenes Zimmer.”
      “Richtig. Es war mal in der Sprache das ich rüber in das Haupthaus ziehe...aber irgendwie kam das Thema nie wieder auf.”
      “Und du findest das okay dir mit deiner 12 jährigen Schwester und ihrer Freundin das Zimmer zu teilen?”
      “Das ist schon...naja in Ordnung. Im Reservat haben wir oft zu 5 in einem Raum geschlafen. Ich kenn es tatsächlich gar nicht anders.”
      “Ouh...tut mir Leid, ich vergess das immer wieder.”
      “Schon gut.” winkte ich ab. “Gut...dann mal gute Nacht.” ich winkte ihr zu, öffnete die Tür und verschwand im inneren. “Wo ist Kaya?” ich musste ein wenig Grinsen. Innerhalb weniger Minuten dieselbe Frage gestellt zu bekommen. “Sie schläft drüben bei Betsy.”
      Ylvi seufzte “Vielleicht sollten wir mit ihr sprechen...es ist ja schön das sie so erwachsen wird. Aber sollte sie uns nicht um Erlaubnis fragen?” fragend sah sie sich zu Louis um. Der machte eine Geste die sie nicht verstand. “Sie hat ihrem Bruder bescheid gegeben. Sie ist nicht weit fort.”
      “Ja also dann.”
      “Ich wünsche euch beiden eine gute Nacht.” damit ging ich zur Couch. Umarmte Louis...und gab Ylvi einen Kuss auf die Wange. Nur weil ich gesehen hatte was zwischen ihr und Caleb vorgefallen war, wollte ich vorerst nicht anders mit ihr umgehen. Noch wusste ich nicht was ich mit meiner Information anstellen würde. Aber es hatte gut getan Aimee heute davon zu erzählen.
      Caleb
      Sonntagabend. Die Woche war wie im Flug vergangen. 11 Tage war Dell nun schon begraben. Oben auf dem Hügel auf dem nun die neue Ferienranch trohnte. Dells Rookie Ranch. Den Sommer über würden wir an den Gebäuden arbeiten, so dass sie zum Winter hin einzugsbereit war. Ich saß in meinem großen Sessel im unteren Wohnzimmer vor dem imposanten Kamin und schauten den Flammen zu, die sich immer wieder ihren Weg nach oben suchten, züngelten wie eine Schlange, um im nächsten Moment wieder in sich zusammen zu fallen. Ich nahm einen Schluck des Bieres, welches sich in meiner rechten Hand befand. In meiner Linken drehte ich Vultures Anhänger, das kleine Gewehr, immer wieder hin und her. Ich war mir sicher gewesen, ich hätte es wieder am Halfter meines Hengstes befestigt. Wie also konnte ich es dann in der Tasche meines Hemdes finden?
      Meine Gedanken schweiften, ich war aufgeregt, unruhig. Morgen Abend war der Termin auf dem Jugendamt wegen Betsy. Am Telefon wurde uns nicht verraten, um was es ging. Wieder nippte ich an der Flasche, steckte den Anhänger zurück in meine Tasche und beobachtete weiter die Flammen. Schließlich schloss ich meine Augen und lehnte meinen Kopf seufzend zurück gegen die Kopfstütze des Sessels. *klong* “Prost, Caleb”, trällerte Octavia, die gerade mit ihrer Flasche an meiner angestoßen hatte, ehe sie sich aufs Sofa setzte. Ihr folgten Cayce, Murphy und Bellamy, die sich ebenfalls im Raum verteilten und munter miteinander anstießen. Ich grummelte etwas unverständliches, drehte den Sessel und wohnte ihrer Unterhaltung bei. Octavia unterhielt sich über Bellamy hinweg mit Murphy, dass sie mit den Fortschritten von Soul absolut begeistert wäre. Bellamy derweil warf immer wieder ein, dass sich seine Dakota gemacht hätte, seit wieder Zeit da war, um sie regelmäßig zu arbeiten.
      “He Cayce, was macht Shorty?”, fragte ich den braunhaarigen Mann der mir am nächsten saß. Shorty war beim letzten Zusammentreiben der Kühe in den Stacheldraht gekommen, als er einer ziemlich übel gelaunten Mutterkuh ausweichen musste.
      “Halb so wild”, murmelte er und nahm einen Schluck aus der Flasche. “Es heilt gut. Ich denke, ihn nehm ihn morgen wieder mit.”
      “Wenn du ihm dennoch etwas mehr Ruhe gönnen möchtest, nimm ruhig weiterhin Gangster oder Devil. Es sei denn… du suchst die Herausforderung. Dann schnapp dir Crystal. Eigentlich bräuchte sie mehr Routine…”
      “Routine?”, lachte Cayce. “Um Routine zu entwickeln, müsste die erstmal eine ordentliche Grundausbildung am Rind haben und… verdammt.”
      Alle lachten, auch die, die unserem Gespräch bisher nicht wirklich gefolgt waren. “Du hast deine Aufgabe für die nächsten Wochen gerade selbst festgelegt.”
      “Noch irgendwelche Jobs, die du mir aufdrücken willst?”, murrte er und rollte dabei theatralisch mit den Augen.
      “Nein, nein. Erstmal nicht.”
      Mir war gar nicht aufgefallen, dass Ylvi den Raum betreten und sich auf den zweiten Sessel, mir gegenüber gesetzt hatte. Ich nickte ihr zu, hob mein Bier und wir beide tranken einen Schluck.
      Nach und nach leerte sich der Raum, bis es nur noch wir beide waren, die sich darin befanden. Einzig und allein das Knacken des Feuers bewahrte uns davor, uns in peinlicher Stille gegenüber zu sitzen.
      Ylvi
      Ich hatte versucht ihm aus dem Weg zu gehen. Aber zwischen den Schlucken von Wein und Bier hatte ich den Moment verpasst das Zimmer frühzeitig zu verlassen. Das Knacken des Feuers...und mein gelegentliches blättern war zu hören.
      Ab einem Punkt zwischen den Gesprächen hatte ich mich dem Buchregal zugewandt. “Das hast du lang nicht getan.” durchbrach Calebs Stimme plötzlich die Stille.
      “Mhm?” fragte ich verwundert.
      “Ich hab dich eine ganze Weile nicht mehr lesen sehen.”
      “Reine Ablenkung.”
      “Solltest du die Ablenkung nicht drüben bei deinem Mann suchen?” Wieso betonte er das Wort Mann nur so sehr? Ich klammerte mich an das Buch auf meinem Schoß. “Caleb, bitte..”
      “Was? Ich dachte ich hätte dich vergessen...und dann fängst du mit diesem...ja was...Spiel? An.”
      Ich musste schwer schlucken, sah ihn an wie ein verschrecktes Reh. Irgendwie hatte er ja Recht. Aber da draußen auf der Ebene, da hatte er mich schließlich geküsst! “Also wieso bist du hier?”
      “Ich...ich wollte dir Gesellschaft leisten..Morgen ist ein wichtiger Tag. Wir haben beide Angst. Vielleicht mag es dir nicht einleuchten. Aber Betsy ist auch in meinem Haushalt ein und aus gegangen. Ich bin für sie genau so eine Ansprechpartnerin wie du es bist. Ich fände es schrecklich sie zu verlieren. Ich dachte…”
      “Ich glaube nicht das du denkst..” sprach Caleb bitter. Ich klappte mein Buch zu. Fein, wenn er meine Gesellschaft nicht wollte. “Nein, vielleicht denke ich dieser Tage nicht ganz rational. Aber wir haben auch eine ganze Menge durchgemacht. “ ich erhob mich aus dem Sessel. Musste jedoch einen Moment inne halten. Meine Beine im Schneidersitz hatten begonnen zu kribbeln, jetzt waren sie eingeschlafen. Von meinem Standpunkt aus sah ich Caleb an, der sich noch einen Schluck von seinem Bier nahm. Den Flaschen auf dem Tisch zu schließen auch nicht unbedingt seine erste. Und bei meinen Worten hatte er nur aufgelacht. Er schien auf Streit aus...oder sprach der Alkohol aus ihm? Dann deutete er mit der Flasche auf mich. “Ich versteh dich einfach nicht. Gerade schien es als würden wir zu einem normalen Miteinander zurückkehren können. Und dann...küsst du mich.” Ich wollte diese Konversation nicht, also humpelte ich, trotz eingeschlafenem Fuß aus dem Raum. Ich hatte gerade seinen Sessel erreicht. “Du solltest dich wirklich entscheiden was du willst.” nicht nur Caleb hatte zu viel getrunken.
      Ich hatte noch gar nicht vernünftig darüber nachgedacht, da war ich bereits herumgewirbelt und das Schallen meiner Ohrfeige klang durch den Raum. Calebs Körper, an jahrelange Prügeleien gewohnt, schoss aus dem Sessel auf.Die Bierflasche fiel dabei dumpf auf den Teppichboden. “Nur zu..” drohte ich, auf meiner Wange lief eine Träne der Wut hinab. Mein Blut kochte.Ich sah ihm in die funkelnden Augen. “Du hast deine Chance vertan.” damit stieß ich meinen Finger in seine Brust. “DU hast damals nichts getan. Dabei hab ich gedacht...ich hab gedacht ich würde dir irgendetwas bedeuten. Eine Woche lang...hab ich mir die Augen ausgeheult. Du bist mir aus dem Weg gegangen. Ich dachte du hättest mich abgeschrieben…” flüsterte ich unter dem Einfluss des Alkohols, weinte dabei stumme Tränen und schlug ihm auf die Brust. “Louis war derjenige der mich davor bewahrt hat diesen Ort zu verlassen. Erst war es nur Anziehung, aber auch er brauchte die Hochzeit um die Kinder zu behalten. Die Zuneigung kam erst mit der Zeit. Es ist unfair mich dafür zu verurteilen. Du hattest deine Chance.” schluchzte ich.
      “Du hast dich entschieden...ich hatte...Angst. Angst dich zu fragen. Bist du vielleicht mal auf die Idee gekommen mich danach zu fragen? Nein...stattdessen hast du dich meinem besten Freund an den Hals geworfen, Ylvi. Du hast mich zerstört. Mein Vertrauen missbraucht. Keine Lügen...kannst du dich an das Versprechen noch erinnern?” knurrte Caleb mir zu. “Ich habe dich nie belogen, Caleb. Ich habe dir die Wahrheit gesagt.”
      “Dann verrat mir mal...wieso dein Mann da drüben in seinem Bungalow sitzt...und du hier bist,mhm? Belügst du dich selbst so sehr? Wohin gehört dein Herz Ylvi.”
      “Du bist nicht fair...Zwing mich nicht zwischen euch wählen zu müssen.” schluchzte ich. Wollte mich umdrehen um zu gehen. Das ganze Gespräch hatte sich in eine völlig falsche Richtung entwickelt.
      Um meiner Verwirrung und Frustration noch mehr Futter zu geben, fand ich mich plötzlich in einem stürmischen Kuss wieder. Lippen auf den meinen. Meinem Hals. Zähne die an meinem Ohrläppchen knabberten. Ich seufzte hinein in die Zärtlichkeiten. Obwohl mein Verstand befahl mich sofort von ihm loszureißen. Was sollte das hier eigentlich werden. “Sag mir das ich aufhören soll.” forderte Caleb. “Caleb” stotterte ich, meine Knie zitterten. Seine Arme zogen mich enger an ihn. Er wusste wie sehr ich unter seinen Armen zu zerfließen konnte. Schon von seiner ersten Berührung vor all der Zeit. “Muss ich dich wirklich zwingen mich zu wählen.” hauchte er atemlos in mein Ohr. Natürlich war die Antwort nicht so einfach. Das musste selbst Caleb wissen. Ich krallte meine Finger in seinen Rücken, als er mich an der Hüfte packte und mich auf seinen Arm hob. “Caleb, wir…..nicht..”
      “Du wolltest mir doch Ablenkung schenken, lass mich jetzt nicht allein.” Mein Verstand...ein kleiner Teil davon schrie an ihm zu widerstehen. Aber der Teil, der ihn vermisst hatte, dieser Teil öffnete meine Beine für ihn und hieß ihn willkommen. Die Scham...sie kam erst später. Warum nur hatte sich mein Herz, mein Verstand und mein Körper zwei Männern verschrieben?
      Caleb
      Wir saßen im Wartezimmer des Jugendamtes. Ylvi hatte sich, ‘damit es besser aussah’ widerwillig auf den Stuhl neben mich gesetzt, obwohl wir beide innerlich nach Abstand zu schreien schienen. Der gestrige Abend hatte mich zum platzen gebracht. Meine Gefühle, Wut, die ich so lange angestaut hatte, war einfach explodiert. Ich war zwar aus dem Sessel aufgesprungen und hatte einen Satz auf Ylvi zugemacht, aber die Hand gegen sie erhoben hätte ich niemals, nie.
      War es eigentlich nur Wut, die da in mir brodelte? Nein. Es war Enttäuschung, Unsicherheit, Verletzbarkeit, Verrat, Wut und.. Trauer. Ja, traurig über die Umstände, in denen sich die Ranch gerade befand. Traurig darüber, dass wir jetzt hier saßen und jemand anderes über das Schicksal von Betsy entscheiden würde obwohl in Dells Testament glasklar stand, dass Ylvi und ich für sie sorgen sollten.
      Wir wurden aufgerufen und konnten ins Zimmer unserer Bearbeiterin Hailey Miller gehen, bei der wir ja schon einmal gewesen waren.
      Schweigend setzten wir uns hin und warteten auf die Frau. Niemand von uns sagte ein Wort oder sah den anderen an. Die Fahrt hier nach Calgary war mir schon wie eine Ewigkeit vorgekommen.
      “Guten Morgen Mr. O’Dell und Misses Kills-Bears. Ich möchte direkt zum Punkt kommen, bevor ich lange um den heißen Brei herumrede. Ich habe die Auflagen geprüft und wurde stutzig, als ich mich mit dem Familienstand von Ihnen Beiden beschäftigt habe. Sie, Mr. O’Dell sind ledig und Sie, Misses Kills-Bears sind mit einem… lassen Sie mich nachschauen, Louis Kills-Bears verheiratet, welcher zwei Kinder: Kaya und Tschetan adoptiert hat von seinem… verstorbenen Schwester”, die Frau schwieg und blätterte in ihren Unterlagen hin und her. Wie tief mochte sie wohl gegraben haben?
      “Ich kann Ihnen gemeinsam das Sorgerecht für Betsy Dell nicht übergeben, auch wenn Mr. William Dell diesen Wunsch in seinem Testament hinterlassen hat.”
      Stille. Schweigen. Fassungslosigkeit.
      “Nein?”, kam es irgendwann leise von Ylvi, die ihre Hände auf ihrem Schoß nervös hin und her bewegte.
      “Nein, leider nicht.”
      Ich schluckte schwer. Was bedeutete das für Betsy? Musste sie jetzt doch in ein Heim? Gab es Verwandte? Hatte sich jemand gemeldet? Würde man sie uns wegnehmen?
      “Ich kann, unter diesen Umständen, nur einem von Ihnen das Sorgerecht übertragen. Meiner Erfahrung nach wäre das Kind besser bei Ihnen aufgehoben, Misses Kills-Bears. Sie sind verheiratet und ziehen bereits zwei Kinder groß, während Sie Mr. O’Dell ledig sind und keine bisherigen Kinder vorweisen können. Auch habe ich die Befürchtung, dass sie mit der Aufgabe ein Kind großzuziehen neben ihren anderen Arbeiten als Ranchbesitzer überfordert sein könnten.”
      Uff. Der hatte gesessen. Ich ballte eine meiner Hände zu einer Faust, während ich mit der anderen meinen Hut vom Kopf nahm und mir durch die wieder viel zu langen Haare strich. Da war sie erneut. Die Wut, gegen die ich in letzter Zeit wieder viel zu oft hatte ankämpfen müssen. Ylvi schaute besorgt zu mir rüber, ich sah, wie sie aus dem Augenwinkel auf meine Faust starrte, zögerlich ihre Hand darauflegte und sie erst wieder wegnahm, als ich meine Finger entspannte und die flache Hand auf meinem Bein platzierte. Dennoch blieb die Wut.
      Bevor ich etwas dummes sagen konnte, ergriff Ylvi das Wort. “Ist das jetzt ihr finales Urteil? Ich meine.. Caleb hat sich in den letzten Tagen und auch schon vor Dells Tod um das Mädchen gekümmert, sie vertraut ihm, kommt mit Problemen zu ihm und sucht bei ihm Trost. Sie und Kaya verstehen sich wunderbar, sind viel zusammen aber ein kleiner Umzug ins Haupthaus, zu Caleb, hat schon stattgefunden. Außerdem ist…”, sie stockte, “... meine Familie auch auf der Ranch und somit nie weit weg. Wir… wir stehen Caleb mit Rat und Tat zur Seite.”
      ‘Danke’, formte ich lautlos in Ylvis Richtung mit meinen Lippen. Sie nickte kurz, sah dann wieder nach vorne zu Miss Miller. Ylvi wusste genau, wie viel mir an Betsy lag und dass ich es nicht ertragen könnte, sollte sie nicht bei mir bleiben dürfen.
      Auch ich setzte an um mich zu rechtfertigen, wurde jedoch schnell von der Frau unterbrochen: “Es tut mir sehr Leid, aber ich habe meine Entscheidung für ein vorläufiges Sorgerecht bereits getroffen. Ich kann Louis & Ylvi Kills-Bears das Sorgerecht für Betsy Dell übertragen, dazu muss Mr. Kills-Bears natürlich noch hierher kommen und dem zustimmen.”
      “Moment, vorläufiges Sorgerecht?”, warf Ylvi ein und ließ auch mich wieder aufhorchen.
      “Ja, genau. Ein vorläufiges Sorgerecht. Wenn Sie das wünschen, Mr. O’Dell, würde ich sie einer Prüfung unterziehen, um zu schauen, ob ich Sie für fähig erachte, in nahe Zukunft das alleinige Sorgerecht für das Kind zu übernehmen. Dazu würde ich Ihnen ein paar Unterlagen mitgeben, die Sie bitte ausgefüllt zurückschicken. Außerdem würde ich Sie ein paar Mal unangekündigt besuchen kommen, um die Umstände vor Ort zu prüfen.”
      “Ja.” Schneller als ich hätte über ihre Worte nachdenken können, hatte das Wort ‘ja’ meinen Mund schon verlassen. Ja, ja, ja. Was gab es da noch zu diskutieren?
      Miss Miller überreichte mir die Unterlagen und wandte sich nun wieder an Ylvi. “Ich möchte gerne noch mit Ihnen alleine sprechen… Mr. O’Dell ich danke Ihnen für Ihr kommen und erwarte die Unterlagen zeitnah zurück.”
      Mit diesen Worten stand ich auf, blickte zu Ylvi herab die mich aus leicht verquollenen Augen ansah und verließ den Raum, nur um mich dort auf einen der Stühle fallen zu lassen und die Papiere in den Händen hin und her zu drehen. Zehn Minuten vergingen, zwanzig Minuten vergingen. Mittlerweile war ich aufgestanden und tigerte im Flur auf und ab. Letztendlich ging ich nach draußen, um weiter zu warten. Ich hielt es im Gebäude nicht mehr aus. Immer wieder warf ich einen Blick auf die Unterlagen. So viele Fragen! So viel was das Amt über mein Leben wissen wollte. ‘Verhältnis zu den eigenen Eltern’, ‘Wie sieht ein typischer Tagesablauf aus?’, ‘Trinken Sie Alkohol’? und und und. Ich wirbelte herum und trat mit aller Kraft gegen den Mülleimer, der hinter mir gestanden hatte. Er flog über den Gehweg und entledigte sich all seiner Inhalte. “Verdammte Scheiße!”, fluchte ich und fing dennoch an, alles wieder aufzuheben, in den Mülleimer zu stecken und das blöde Teil wieder dorthin zu stellen, wo es hingehörte.
      Nach einer halben Stunde öffnete sich die Tür und Ylvi trat heraus, ging schnurstracks ohne ein Wort zu sagen an mir vorbei, stützte sie sich an einen der Bäume und atmete ein paar Mal tief durch. Alle meine Gefühle wischen Besorgnis, als ich mich neben sie stellte und eine meiner Hände auf ihren Rücken legte. “Ylvi, ist alles in Ordnung?”
      “Ja.. ja.. es ist nur…”, sie richtete sich wieder auf. “Caleb, verdammt. Reiß dich doch mal zusammen! Durch das Fenster vom Zimmer, in dem wir eben saßen, kann man genau hier herunter schauen. Meinst du dass du den Mülleimer über den Gehweg getreten hast bringt dich Betsy auch nur einen Schritt weiter?”
      “Was weißt du schon!”, knurrte ich sie an, wollte mich umdrehen und zum Wagen gehen. Ylvi griff nach meinem, setzte zu einem neuen Satz an doch ich entzog mich ihr und ging zum Wagen.
      Auf der ganzen Rückfahrt sprach ich mit ihr kein Wort, auch wenn sie ein paar Mal versuchte ein Gespräch zu starten.
      Auf der Ranch angekommen packte sie mich wieder am Arm. “Caleb, hör mir doch kurz zu…”
      “Nein, lass mich in Ruhe!” - Kindskopf. Ich stieg aus, schnappte meine Papiere und wollte ins Haus gehen. Ylvi war aus dem Wagen gesprungen und hatte sich vor die Motorhaube gestellt, um mich noch zu sehen. “Ja, Caleb, lauf ruhig wieder davon, das kannst du ja besonders gut!”
      Die Tür des Haupthauses knallte ich besonders feste zu, lehnte mich mit dem Rücken dagegen, schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Verdammte Scheiße…
      Ylvi
      Erst schritt ich hinterher, blieb dann nach 3 Längen stehen, verschränkte meine Arme vor der Brust um zu sehen ob er nochmal raus käme. Scheinbar war das allerdings nicht der Fall. Also seufzte ich. Verschloss die Türen des Autos, nachdem ich meine Tasche raus gefischt hatte. “Lief das ganze nicht gut?” kam die skeptische Frage von meinem Ziehsohn. “Eigentlich...naja schon. Anders als Caleb das wollte, aber zumindest kann Betsy vorerst auf der Ranch bleiben.”
      “Anders? Darf ich? Also willst du es erzählen?”
      “Vorerst wird sie mir und Louis anvertraut. Wir bekommen vorübergehende Pflegschaft für Betsy.”
      “Das hat ihm nicht gefallen.”
      “Hat es nicht nein….vielleicht aber noch weniger die Tatsache. Naja, das Amt will prüfen wie geeignet Caleb als Vaterfigur ist...alleinstehend, mit seiner Vergangenheit, der Rancharbeit. Wir mussten komplett blank ziehen. Und Caleb wird sich einigen Untersuchungen und Besuchen unterziehen müssen. Das kann ein langer Prozess werden. Am Ende könnte es sogar sein, dass er nie die Pflegschaft für Betsy bekommt. Ich kann seinen Zorn verstehen.”
      Tschetan ließ sich keine Regung anmerken. Schaute nur zu der Tür, die hinter Caleb ins Schloss gefallen war. Nur seine Augenbrauen zuckten ein wenig. “Ich fürchte wir können ihm in der Sache wenig helfen.” Ich sah den jungen Mann an, manchmal zeigte sich in Tschetan die beginnende Weisheit des Alters. Ich spürte ein unbestimmtes Gefühl in der Brust. War es Stolz? Ich legte eine Hand auf seine Schulter. “Ich fürchte nicht wirklich. Aber..” ich lächelte ein wenig. “Vielleicht ein wenig Ablenkung verschaffen. Frag ihn doch ganz ungeniert nach einem Ausritt. Mit den Mädchen zusammen. Ich denke das wird ihn auf andere Gedanken bringen. Sprech am besten nicht an..was du eben mitbekommen hast.”
      Tschetan
      Ich war zwar nicht unbedingt begeistert davon die Mädchen auf den Ritt mitzunehmen. (Manchmal wünschte ich mir dann doch meine stumme Schwester wieder). Aber ich Verstand sehr wohl ihren Gedanken dahinter.
      Ich überbrückte also die Distanz zur Haustür. Drückte die Klinke hinunter und stieß gegen einen Widerstand auf der anderen Seite. “Verdammt nochmal verschwinde, Ylvi” brüllte es auf der anderen Seite von Caleb. Ich schmunzelte, ließ den Spalt ein Stück offen. “Das letzte Mal als ich schiffen musste, hatte ich was zwischen den Beinen.” sprach ich ganz tonlos sachlich. Calebs Gesicht erschien im Spalt der Tür. “Oh Tschetan, mit dir hab ich nicht gerechnet.”
      “DAS hab ich soeben bemerkt. Eigentlich...naja ich wollt die Mädels auf einen Ausritt entführen. Cayce meinte ich solle dich fragen welche Pferde. Da hab ich direkt gedacht du könntest mit. Die Zäune bei den Rindern auf der oberen Weide checken. Das hatten wir letztens erst im Gespräch, erinnerst du dich?” Gut das ich dieses Gespräch noch im Sinn hatte. Hoffte allerdings keiner der anderen Jungs hatte die Aufgabe schon aufgedrückt bekommen. Sonst fiel mir in diesem Moment nichts besseres ein.
      Caleb
      Ich seufzte, rappelte mich auf und ging einen Schritt zur Seite, damit die Tür ganz geöffnet werden konnte. “Wir könnten die Pferde mitnehmen die ich für die Ferienranch trainieren will. Honor (A Walking Honor), Chou, Jade, Kristy (Kristy Killings) und Shanee (Honey’s Aleshanee). Such dir welche aus, nur Kristy kommt auf jeden Fall mit- unter dir oder unter mir. Ich komm gleich.” Mit diesen Worten schloss ich die Tür und bekam die Antwort, die Tschetan mir entgegenbrachte, gar nicht mehr mit. Mein Weg führte mich hinauf in mein Zimmer, von dessen großem Fenster aus ich Tschetan beobachten konnte, wie er auf die Stallungen zuging. Ich beobachtete ihn dabei, wie er Steine des Schotterweges bei jedem seiner Schritte durch die Gegend kickte.
      Ich wandte mich vom Fenster ab und zog mich kurz um. Andere Jeans, ein anderes Hemd und eine ärmellose Weste- so warm war es noch nicht.
      In der Küche füllte ich mir kurz ein Glas Wasser und trank dieses in einem Zug. Ein paar Minuten stand ich ans Waschbecken gestützt, ließ meine Gedanken schweifen. Etwas in mir, und wenn es nur ein kleiner Funke war, wünschte sich das Rodeoleben zurück. Immer auf Tour, immer unterwegs, immer unter Leuten. Keine Pflichten, keine Aufgaben, keine Verantwortung. Nichtmal Liebe. Liebe zum Sport, ja. Liebe zu den Tieren, ja. Doch eine Liebe zu einem anderen Menschen? Nein. Spaß, der stand im Vordergrund, aber durch das ständige Umherreisen war es nie mehr geworden. Und nun? Heute? Besaß ich eine Ranch. Bezahlte Mitarbeiter, beherbergte meine.. eine.. Liebe mit ihrem Mann, war eigentlich auf einem guten Weg gewesen, ein Kind zu adoptieren! Herr im Himmel, ein Kind für Caleb O’Dell!
      Das Glas stellte ich in die Spülmaschine, schnappte mir im Rausgehen meinen Hut und zog mir die Stiefel an, ehe ich draußen auf vier gesattelte Pferde traf. Drei davon waren schon besetzt von Tschetan, Betsy und Kaya. Verdutzt schaute ich in Tschetans Gesicht. Wie lange hatte ich in der Küche gestanden und vor mich hin geträumt?
      ~ etwa eine Woche später ~
      Tschetan
      “Du hättest ihn einfach in Ruhe lassen sollen.”
      “Tschetan…nun schau mich nicht so an. Bryces Vater sitzt im Schulrat. Du hast viel riskiert.”
      Ich funkelte Aimee an, die vor mir auf dem Boden hockte, um mir ins Gesicht zu schauen. Bitterkeit klang in meiner Stimme mit. “In Ruhe lassen? Findest du? So wie er dich in Ruhe ließ?” Hatte Aimee gerade die Augen gerollt? “So ist Bryce nun eben manchmal. Du kennst ihn nicht.” Das Auflachen konnte ich mir nicht verkneifen.
      “Ich habe doch gesehen wie du versucht hast ihn abzuwehren. Für mich sah das nicht nach Spaß aus…”, ich verstummte einen Moment “und falls es so ist bist du nicht diejenige für die ich dich gehalten habe. Jemanden wie Bryce einen Freund zu nennen.” Aimee richtete sich auf. Die Hände in die Hüften gestemmt.
      “Was soll das jetzt bitte bedeuten?”
      “Dass du eine seltsame Auswahl an Freunden hast.”
      “Und was ist mit dir? Deine Freunde kriegen ja kaum ein englisches Wort von den Lippen. Und die Blicke, wie sie mich mustern.”
      Mein Blick zuckte zu ihr herunter. “Das kannst du doch wohl nicht Ernst meinen. Du vergleichst mich und die anderen mit Bryce? Weißt du wie er mich nannte? Rothaut! Ha! Natürlich hast du, du hast ja immerhin eng an ihm da gestanden. Und sollte es dir vielleicht entgangen sein. Dich hat er dabei auch beleidigt.”
      “Und? Was weiß ich was deine indianischen Freunde da so sprechen?”
      “Wasicu withko(verrückte Weiße)” entfuhr es mir unwillkürlich in meiner Sprache, dabei fuhr ich mir mit der Faust im Kreis über die Stirn. Ich wollte diese Unterhaltung nicht weiter führen. Rein aus Gewohnheit machte ich das Zeichen für Ende. Verschränkte die Arme und starrte konsterniert vor mir her. Aimee indes funkelte mich wütend an. Nicht in der Lage, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. “Genau das mein ich! Viel Spaß beim Warten. Such dir ein anderes Taxi zurück zur Ranch! ICH fahre!” Ich sah ihr hinterher, wie sie sich keck das rotbräunliche Haar über die Schulter warf. Nichts verstand sie. Vielleicht hatten die anderen Recht. Freundschaften mit Weißen brachten nur Probleme. Aimee hatte es in ihrem Leben so furchtbar einfach gehabt. Sie konnte nicht verstehen wie es für mich und die anderen war. Gehasst allein für das was wir waren. Welche Leiden vergangene Generationen durchgemacht hatten. Wie wenig wir noch immer in der Gesellschaft verankert waren. Bryce hatte das heute eindeutig bewiesen. Sein Vater war Großgrundbesitzer. Seine Firma baute geradewegs eine Pipeline durch das heilige Land der Tsuu T’ina Nation. Dem Stamm aus dem viele meiner Freunde entstammten. Weder Bryce noch Aimee hatten eine Ahnung, welche Gefühle das auslöste.
      Nicht allein wie er Aimee begrapscht hatte. Für mich hatte es nicht gewirkt als sei das ganze Spaß gewesen. Ich hatte ihn gebeten sie in Ruhe zu lassen. Bryce jedoch hatte gefragt ob ich Probleme damit hätte, wenn er sich meiner Sqaw widmen würde. Ich hatte zwischen den Zähnen hervorgezischt, dass Aimee nicht meine Freundin sei. Und kurz blitzte in mir der Gedanke auf, dass es diese Aussage vielleicht gewesen war - das was Aimee vielleicht wirklich so wütend machte. Denn wieso sollte es Aimee stören, dass ich Bryce ins Gesicht geschlagen hatte? Natürlich erst, nachdem er mich eine Rothaut genannt hatte..und die Dreistigkeit besessen hatte einen meiner Zöpfe zu packen.
      Da war mir eine Sicherung geplatzt. Ich hatte schließlich nichts provoziert. Noch mehr nagte die Sache an mir, das ICH jetzt hier vor dem Zimmer des Direktors hocken musste…nicht etwa Bryce.
      Caleb
      “Ja.. nein.. ja ich verstehe…das macht Sinn.. okay..”, ‘tuuuuut, tuuuuuut’, “Moment, ich muss auflegen hier kommt ein anderer Anruf rein. Ja, ja ich melde mich. Nein, sie brauchen nicht..” ‘Klack’. Aufgelegt. Der neue Futterlieferant war wirklich ein Idiot. Beschwerte sich, bis hier raus auf die Ranch zu fahren. Wir sollen das Futter in der Stadt abholen.
      Ungläubig schüttelte ich den Kopf und nahm den neuen Anruf an. “Principal Webber am Apparat, spreche ich mit Louis Kills Bears? Nein? Ach, Mister O’Dell Sie stehen hier auch in den Unterlagen, dann spreche ich mit Ihnen. Ich möchte, dass Sie Tschetan Kills Bears von der Schule abholen, er hat einen Mitschüler geschlagen. Alles Weitere besprechen wir gleich in meinem Büro.” ‘Klack’. Was waren die Personen am anderen Ende der Leitung bloß alle so unhöflich heute? War es zu viel verlangt, das Gespräch mit einem ‘auf Wiedersehen’ oder mit einem ‘bye’ zu beenden?
      Seufzend erhob ich mich aus meinem Stuhl. Ach Tschetan… wo war er jetzt schon wieder hineingeraten?
      Wenige Minuten später, ohne Ylvi oder Louis gefunden zu haben, um Bescheid zu geben was mit Tschetan los war, saß ich im Truck und telefonierte erneut mit dem Futterlieferanten herum. Wenn ich schon wegen Tschetan extra nach Calgary fahren musste, dann konnte ich auch gleich das Futter in einem mitnehmen. Aus diesem Grund hatte ich einen der großen Pferdehänger am Wagen hängen. Schnell konnte ich damit nicht unterwegs sein- aber nach etwas mehr als einer Stunde parkte ich mit meinem Gefährt 5 Parkplätze des Schulgeländes zu, setzte mir beim Aussteigen aus dem Wagen meinen Cowboyhut auf den Kopf und kämpfte mir meinen Weg durch neugierige Schüler hinauf zum Büro des Direktors.
      Nachdem ich mich bei der Sekretärin angemeldet hatte, ließ sie mich weiter durchgehen in das kleine Vorzimmer, in dem der Junge saß. Mit einem ‘Warum um Himmels Willen muss ich jetzt hier her kommen?’ starrte ich Tschetan an. “Caleb… Aimee und ich…”, weiter kam er nicht denn die Tür zu Principal Webbers Büro öffnete sich und er bat uns beide hinein. Ich konnte ihn nicht leiden, schon von Anfang an nicht. Ihm gegenüber hegte ich stets Misstrauen, sogar die Vermutung, er konnte die Kids von der Ranch nicht ausstehen- egal um welches es sich handelte.
      Tschetan und ich setzten uns vor den riesigen Schreibtisch ihm gegenüber und warteten, dass er etwas sagte. Ohne um den heißen Brei herum zu reden erzählte er mir eine Geschichte, die ich so nicht zu glauben vermochte. “Tschetan hat einen unserer Schüler, Bryce, brutal ins Gesicht geschlagen, nachdem dieser mit Aimee Carter… eng zusammen gestanden hatte. Ich habe bereits mit Bryce gesprochen, er ist sich keiner Schuld bewusst und…” Ich lachte so herzlich auf, dass Tschetan zusammen zuckte.
      “Bitte? Er ist sich keiner Schuld bewusst? Das glauben Sie und ich nicht, dass Tschetan hier jemandem ohne Grund ins Gesicht schlägt. Jetzt erzählen Sie mir noch einmal die wahre Geschichte, warum ich hier sitzen muss.”, knurrte ich.Tschetan war selten ruhig, daran erkannte ich, dass die Geschichte sich auf keinen Fall so zugetragen hatte, wie mir der Principal weismachen wollte.
      “Nun gut. Tschetan, erzähl uns doch deine Sicht des Vorfalls.”
      Tschetan erzählte. Zunächst zögerlich, doch im Verlauf wurde mir immer mehr bewusst, welch verlogene Kinder hier auf dieser Schule herumliefen.
      “Also an dieser Schule ist Mobbing und Lügen absolut okay, sich dagegen zu wehren allerdings nicht? Was hätte Tschetan machen sollen? Danke und Amen sagen?”, ich fing - wie immer- an mich in Rage zu reden.
      “Mister O’Dell bitte unterlassen Sie diesen sarkastischen Ton. Uns ist es wichtig, ein harmonisches Miteinander zu fordern und zu fördern. Wir sitzen nun gemeinsam hier um darüber zu sprechen, welches Disziplinarverfahren auf Tschetan zukommt und…”
      Ich nahm meinen Hut vom Kopf, fuhr mir einmal durch die Haare und warf einen kurzen Blick zum Jungen, der rechts neben mir auf seinem Stuhl immer kleiner wurde. Ihm war das Ganze hier sichtlich unangenehm und ich merkte ihm an, dass er nicht sagen konnte, was er wollte. “Mister O’Dell, haben Sie mir zugehört?”
      “Nein”, antwortete ich wahrheitsgetreu, setzte meinen Hut wieder auf den Kopf, stand auf und legte Tschetan eine Hand auf die Schulter mit einem Blick der ihm ‘Steh auf’ signalisierte. “Der gute Tschetan hier wird dann wohl auf der Ranch eine Woche die Boxen misten müssen. Mit schmerzender Hand von seinem Schlag wird das gewiss kein Spaß, das genügt als Disziplinarmaßnahme”, das letzte Wort sprach ich absichtlich ziemlich lächerlich aus, “des Weiteren fordere ICH, als besorgter… Sorgeberechtigter… dass dieses mobbende Arschloch sich seine zukünftigen Worte ganz genau überlegt- und wenn ich auch nur im entferntesten mitbekomme, dass er sich unserer Aimee erneut nähert, komm ich wieder und reiß ihm den Arsch auf. Schönen Tag noch, Mister Principal.”
      Mit diesen Worten und einer heruntergeklappten Kinnlade des Principals verließen Tschetan und ich das Büro, das Schulgebäude und schließlich im Pick Up sitzend das ganze Schulgelände.
      Wir fuhren zum Lieferanten, luden gemeinsam die Futtersäcke in den Hänger und machten uns auf den Heimweg zur Ranch.
      Schließlich fand Tschetan seine Worte wieder und sprach mit mir: “Caleb… ich weiß nicht, ob du alles jetzt besser oder schlimmer gemacht hast, aber den Blick von Webber… dafür hat es sich allemal gelohnt.”
      Ich lachte. “Glaub nicht, dass das mit den Boxen ein Witz war.”
      “Ich… ich weiß. Aber Bryce hatte es verdient, er….so behandelt man niemanden.”
      “Warum bist du eigentlich so ausgeflippt? Doch nicht wegen der Worte, die er zu dir gesagt hat? Was war wirklich der Grund?”
      “Er hat meine Zöpfe angefasst”, antwortete er mir zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich wusste um die Bedeutung der Zöpfe und konnte Tschetans Wut und seinen Ausraster nun besser verstehen. “Bitte sag Louis und Ylvi nichts hiervon- und sag Aimee nichts vom Gespräch. Ich möchte selbst noch einmal mit ihr reden.”
      “Dann hüten wir beide wohl nun ein Geheimnis des Anderen”, murmelte ich und sah kurz zu ihm rüber. Fragezeichen spiegelten sich in seinem Blick wieder.
      “Was meinst du?”
      Wieder traf mein Blick den Seinen. “Ich habe gesehen, dass du uns beobachtet hast. Ylvi und mich, als wir uns geküsst haben.”
      Tschetan schwieg.
      “Warum hast du mich nicht darauf angesprochen?”
      “Ich verstehe es nicht, deshalb. Ylvi und Louis sind verheiratet… wieso küsst sie dich dann?”
      “Ein ‘es ist kompliziert’ reicht dir bestimmt nicht als Antwort, oder?”, fragte ich ihn und lächelte zu ihm rüber. Tschetan schien es jedoch gar nicht zum Lachen zu sein. “Tschetan ich kann es dir auch nicht richtig erklären. Ylvi und ich sind durch so viele Höhen und Tiefen und… du weißt, dass Louis sie geheiratet hat, damit sie bleiben konnte.” Ich stockte und überlegte mir die nächsten Worte genau. Schließlich konnte ich schlecht zu ihm sagen: ‘Bestimmt liebt er sie gar nicht richtig. Oder gar nicht mehr richtig.’ Das ging mich nichts an, diese Worte standen mir nicht zu. Stattdessen sagte ich: “Wir haben nie richtig Schluss gemacht, nie wirklich über das gesprochen, was Tatsache war und ist. Ja, ich habe noch Gefühle für sie und ja ich weiß, dass das falsch ist… aber gegen seine Gefühle anzukommen, so zu tun als gäbe es sie nicht, sie nicht durchzulassen und ihnen keine Macht zu geben.. puh. Auch das habe ich lange versucht… und wir beide haben ja gesehen, wohin es letztendlich geführt hat.”
      Tschetan schwieg wieder, er schien nachzudenken. Schließlich sagte er: “Du weißt, dass es falsch ist?”
      Ich nickte. “Ich weiß, dass es falsch ist.”
      “Dann ist dein Geheimnis bei mir sicher.”
      Tschetan
      War Liebe falsch? Konnte man seine Liebe zwischen mehreren Personen aufteilen? Tatsächlich hatte ich bereits solche Dinge bei Google gesehen. Dokumentationen am Abend geschaut. Das Begreifen dessen was ich sah, tat mir allerdings schwer.
      “Und was erzählen wir jetzt wieso Amy mich hat sitzen lassen?” Caleb sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. “Streit im Paradies?”
      Ich verschränkte die Arme vor der Brust. “Was heißt Streit? Sie hat sich tierisch darüber aufgeregt was ich getan habe! Ich versteh die Frauen nicht.”
      Da ertönte plötzlich ein schallendes Lachen von dem Cowboy neben mir, was mir die Situation nicht unbedingt behaglicher machte. Caleb versuchte 2x zu einer Antwort anzusetzen, musste aber immer wieder prusten. Ich rollte die Augen. “Glaub mir, Tschetan. Manchmal verstehen die sich selbst nicht.”
      “Na der Wahnsinn.”
      “Ich hab dich einfach abgeholt damit du mir bei den Säcken Futter hilfst. Nur falls einer fragt, Aye?”
      “Aye” gab ich Caleb seine typische Piraten-Antwort. Die mich manchmal ebenso verwirrte wie die Frauen.
      Zurück auf der Ranch verzog ich mich auf die Außenpaddocks. Ich brauchte jetzt körperliche Arbeit um nicht nachdenken zu müssen. In den Ohren laute Musik von “a tribe called red”. Ich hatte unter der Anleitung von Louis im Winter begonnen ein wenig PowWow zu tanzen. Vielleicht würde ich mich ähnlich wie er in diesem Jahr zu meiner ersten seit Jahren anmelden. Irgendwo in meinen alten Sachen musste sich meine alte Regalia befinden. Vieles würde mir mit Sicherheit nicht mehr passen, aber vielleicht konnte Ylvi mir dabei helfen einiges zu überarbeiten. Sie hatte ein Recht gutes handwerkliches Geschick dafür. Ich schreckte zusammen als mir plötzlich jemand mit der Hand auf die Schulter schlug. “Meine Güte. Wie laut hörst du Musik?” vernahm ich O’s Stimme.
      “Eh…sehr laut?”
      “Ich wollt mit den Jungs später rüber zur heißen Quelle. Kommst du mit?”
      “Jungs?” ich stand vollkommen auf dem Schlauch
      “Ach, denen der Nachbar…Ranch? Na du weißt schon dem Haufen Bereiter vom etepetete Stall nebenan.” Mein noch immer wirres Gesicht veranlasste O die Augen zu rollen und noch etwas anzuführen “Rennen in viel zu engen Hosen rum. Klingelt's?” Jetzt ging mir ein Licht auf. Im nächsten Tal hatte ein Dressurstall aufgemacht. Viele der Bereiter waren in O’s Alter. Auch dort lebten einige Familien, deren Kinder die Schule in Calgary besuchten. Ich konnte zwar wenig mit deren Reitstil anfangen, allerdings waren die Typen alle schwer in Ordnung.
      “Lass mich das mit Ylvi und Louis klären, dann bin ich dabei.”
      “Wunderbar!”
      Octavia
      Eine dreiviertel Stunde später saßen Aimee, Tschetan und ich auf den Pferden, um den Jugendlichen aus dem Dressurstall entgegen zu reiten. Die Quelle befand sich etwa in der Mitte. Betsy und Kaya hatten mitkommen wollen, doch Ylvi schien sie auf wundersame Weise davon abgehalten zu haben. Ich glaube sie wollten zusammen Cupcakes backen. “Können wir?”, fragte ich in die Runde und kontrollierte noch einmal, ob die Packtasche an Shanee (Honey’s Aleshanee) richtig verschnallt war. Tschetan hatte sich, auf Geheiß von Caleb, für Layla (Sweet like Chocolate) entschieden. Aimee für Honor (A Walking Honor). “Von Layla hab ich tatsächlich noch nicht viel gesehen. Die ist auch noch nicht wirklich gefördert worden, oder?”, fragte ich Tschetan, der, was das Training der Westernpferde und Calebs Arbeiten, immer besser im Blick hatte als ich.
      “Nee, die läuft bisher nebenbei. Caleb hat sich jetzt entschieden, dass sie auch für die Guest Ranch trainiert werden soll.”
      “Apropos Guest Ranch…”, überlegte ich “wann gehts denn da weiter?”
      Tschetan zuckte nur mit den Schultern. “Ich glaub Caleb hat gerade andere Probleme.”
      Mit diesen Worten trabten wir die Pferde vom Ranchgelände und galoppierten sie auf dem Feldweg an.
      Eine halbe Stunde später trafen wir auf die Jugendlichen des anderen Stalles. Sie schlossen sich uns an und gemeinsam ritten wir ein Stück zurück, ehe es hoch zum Fluss und der heißen Quelle ging.
      Dort angekommen tauschten wir die Trensen der Pferde gegen Halfter, ehe wir sie an den Bäumen anbanden, damit sie grasen konnten.
      Aimee und ich waren die einzigen Mädchen, vom anderen Stall kannte ich nur die beiden älteren Jungs, Eric und Trevor. Nachdem Aimee mich zur Seite gezogen hatte und mir kleinlaut von den jüngeren Kerlen erzählte, wusste ich auch ihre Namen. Bryce und Nicholas. Bryce war derjenige, den Tschetan heute morgen geschlagen hatte. Deshalb war dieser auf dem Ritt so kleinlaut gewesen. Nicholas dagegen hatte Frage um Frage zu den Westernpferden gestellt.
      Nachdem wir uns umgezogen und in die Quelle gesetzt hatten, schaute ich zu Tschetan, der immer noch drein schaute wie sieben Tage Regenwetter. Ich nickte ihm unbemerkt zu. Zunächst erwiderte er nichts, doch dann nickte er mir zurück. ‘Dann ist alles ok’, schlussfolgerte ich.
      Langsam ließ ich mich nach unten ins warme Wasser sinken. Tschetan hatte die Quelle vor einiger Zeit bei einem Ausritt gefunden. Seither kamen wir regelmäßig hier hin. Hätte er gewusst, dass Bryce unter den Jugendlichen des anderen Stalls wäre, hätte er sie mich nicht hier her einladen dürfen. Ich hatte das leider auch nicht vorher gewusst, denn dann wären wir ohne sie hier hoch geritten.
      Eric und Trevor hatte ich durch Zufall in der Stadt kennengelernt und wir hatten uns ein paar Mal getroffen.
      “He Tavia, guck mal was ich mitgebracht hab”, riss mich Trevor aus den Gedanken und warf mir eine kleine Flasche in die Hände, die ich aus dem Wasser nach oben riss und Aimee vollspritzte. Von der Seite hörte ich nur ein “pffpfpfpfttt” und nahm ein Armfuchteln wahr. “Oh jetzt wird es interessant”, murmelte ich und betrachtete die Flasche Bier in meiner Hand. Trevor gab auch Eric eine der Flaschen, während er den vier ‘Kindern’ Root Beer gab. “Nett”, quittierte Bryce diese tolle Geste, schien sich damit aber dennoch zufrieden zu geben.
      Tschetan
      Als sich hinter den älteren Jungs noch zwei weitere Pferde aus der Dämmerung schälten, hatte ich eigentlich direkt wieder Lust mein Pferd zu wenden. Da hockte doch tatsächlich Bryce auf einem der Tiere. Nicht nur, dass wir gerade unterwegs waren zu einer geheimen Location - denn mit den Erwachsenen hatte ich das Wissen noch nicht wirklich geteilt, er war auch noch einer derjenigen, die ich ganz besonders gerade nicht um mich haben wollte. Über seinen Kumpel Nicholas vermochte ich wenig zu sagen - schließlich kam er neben Bryce selten zu Wort. Ich unterdrückte also ein Seufzen, biss die Zähne aufeinander. Und schwor mir den Typen einfach zu ignorieren.
      Umso überraschter war ich gewesen, als Nicholas Stimme die meiste Zeit zu hören war. Er unterhielt sich abwechselnd mit Aimee und O' und stellte einige fundierte Fragen zu den Westernpferden. Obwohl er auf einem der Pferde des Dressurstalles, in einem englischen Sattel hockte, schien er dort nicht wirklich zu Hause. Im Gegensatz zu den Anderen trug er zum Beispiel auch keine der üblichen engen Hosen, sondern eine normale Jeans. Ich lenkte Layla vorsichtig näher an die Gespräche. Lauschte den Fragen und den Antworten der Mädchen, beteiligte mich aber ansonsten herrlich wenig mit den anderen.
      Trevor und Eric hatten uns jüngeren Root Beer mitgebracht - immerhin eine nette Geste. Allerdings musste ich trotzdem schmunzeln. "Seit wann halten wir uns denn an die Gesetze des Landes?" fragte ich hinüber zu O'.
      Auf der Ranch nahm man es für gewöhnlich nicht ganz so genau mit dem Alkoholverbot unter 21. Ganz besonders Ylvi hielt das Gesetz für "Mumpitz" wie sie immer sagte. Ich hatte allein Probleme das Deutsche Wort überhaupt zu artikulieren. Ich für mich entnahm dem Alkohol nicht viel. Der meiste schmeckte furchtbar, das wenige gute Bier - ließ sich Ylvi aus ihrer Heimat Deutschland schicken. Außerdem hatte ich in meiner Kindheit oft genug gesehen was der Alkohol mit den Menschen anstellte, welche Hemmungen er niederbrach. Daran war nichts ehrenhaftes. Meine Ahnen hatten es nicht umsonst Feuerwasser genannt. O' winkte meinen Satz ab. "Ja gut, aber vielleicht sollten wir damit nicht vor allen prahlen." lachte sie fröhlich.
      Aimee
      Ich nippte an meinem Root Beer und sah immer mal wieder auf. Sobald ich nach links schaute, sah ich Bryce direkt an. Er war wirklich hübsch. Ein Junge, der mir gefiel. Sobald ich nach rechts schaute, sah ich Tschetan direkt an. Ein Junge, der irgendwie wie ein Bruder für mich geworden war. Manchmal schien ich mir aber nicht ganz sicher, ob es das wirklich für uns war. ‘Wie Geschwister’. Ich hatte bisher nie ernst mit ihm darüber gesprochen. Vielleicht wurde es mal Zeit?
      Andererseits.. war da Bryce. Er sah mich für das an, was ich war. Eine Freundin. Nicht eine Schwester. Allerdings schien er Tschetan heute morgen so beleidigt zu haben, dass Letzterer ihm eine reingehauen hatte. Ich war nicht mehr sauer auf Tschetan, eher auf Bryce und mich. Aber nicht heute Mittag. Jetzt genoss ich das warme Wasser, die Gesellschaft und das… Leben.
      Erneut nahm ich einen Schluck aus der Flasche. Plötzlich spürte ich einen Handrücken an meinem linken Bein, welcher langsam hoch und runter fuhr. Etwas panisch sah ich zunächst runter ins Wasser, dann hoch in Bryce Gesicht. Rechts von mir spürte ich eine Regung im Wasser. Tschetan griff, in meine Richtung, hinter sich. Dabei berührte eines seiner Beine das Meine. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Fand ich es jetzt toll, dass Bryce mein Bein streichelte? Oder fand ich es toll, dass Tschetan mich berührt hatte? Seine Berührung war nur flüchtig und unbeabsichtigt gewesen, die von Bryce mit voller Absicht.
      Tschetan beugte sich weiter nach hinten. So sehr, dass ich ihm Platz machte und ein Stück nach vorne rutschte. “Klappt das da?”, fragte ich ihn verwirrt und drehte mich um, um zu schauen, was er denn da eigentlich tat. Er hob einen flachen Stein auf, drehte ihn in den Händen und warf ihn dann in den Fluss. Er hüpfte zweimal übers Wasser und sank aufs Flussbett hinab. Schließlich setzte er sich wieder richtig hin.
      Bryce behielt seine Hand bei sich. Hatte Tschetan das gerade extra gemacht?
      Tschetan
      “Ah…wunderbar bei diesem Wetter.” seufzte Trevor, ließ sich bis zum Kinn weiter in den Pool gleiten. Der Boden bestand aus feinem Sand. Große Findlinge trennten die heiße Quelle vom Rest des Nebenarms des Bow River. “Ich hab gar nicht gewusst, dass es in Kanada auch heiße Quellen gibt, die nicht erschlossen sind. Das letzte Mal hab ich auf Island in einer gesessen.”
      Das Gespräch nahm eine Wende die mir ganz entgegen kam. Zwar hatte Bryce seine Hände von Aimee genommen. Wie ich weiter damit verfahren wollte, das wusste ich nicht. Ich wusste nicht was ich eigentlich wollte. Sollte ich versuchen ihr näher zu kommen? Ich sah wie Selbstsicher O’ sich zwischen den älteren Jungs verhielt. Eric hatte einen Arm um ihre Schulter, was in mir ebenfalls ein seltsames Gefühl aufkommen ließ. Trevors Worte kamen kaum an meine Ohren, bis O’ das Wort an mich richtete. “Keine Ahnung….Tschetan hat den Ort gefunden. Wie kommt das?” ich starrte auf das Wasser, dann zu O’ “Mhm?”
      “Trevor fragte gerade. Wie es kommt, dass der Pool nicht längst mit Touristen überschwemmt ist.” Ich schluckte. Sah wie alle mich erwartungsvoll ansahen. Und einen Moment länger als nötig blieb mein Blick an Bryce hängen. Was er wohl dachte?
      “Das liegt vor allem daran…dass dieser Teil des Landes, und des Flusses….auf Native American Land liegt. Ich war hier mit Freunden aus der Schule wandern, als ich die Quelle entdeckt hab.”
      “Das ist das Land der Siksika. Nicht wahr?” fragte Eric nun. Milde überrascht hob ich die Augenbraue. Es kam selten vor das sich jemand mit den First Nations auseinander setzte. “Du hast Recht, ja.”
      “Lebst du auch dort? Im Reservat? Versteh mich nicht falsch. Ich hab viel von der Welt gesehen, bevor ich mich als Bereiter hier beworben habe. Ich hab einen Faible für First Nations.”
      “Na großartig. Wollen wir jetzt nach Federn suchen und schreiend um die Quelle rennen?” beschwerte sich Bryce lautstark. Ich machte den Rücken gerade, ballte die Faust unter dem Wasser. Bereit ihm noch eine zu verpassen. Er taxierte mich. O’ richtete sich auf, schlug mir die flache Hand auf die Brust um meine Vorwärtsbewegung zu stoppen. “Entweder, du benimmst dich, oder du gehst.” grollte sie in Richtung Bryce. “Fein. Ich gehe.!” Damit erhob er sich aus dem heißen Wasser. Wischte sich das Wasser vom Körper. Als er gerade nach der Trense seines Pferdes griff, drehte er sich um. “Nicholas!” brüllte er. Sein Freund zuckte zusammen im Wasser, sah in die Runde, erhob sich. Und zur Überraschung von allen: “Aalso, ich denke ich werd noch eine Weile hier bleiben”, sagte er mit bebender Stimme. Er wusste, dass Bryce diese Entscheidung nicht mögen würde. Dann sah sich Bryce zu Aimee um “Aimee?”. Reflexartig legte ich Aimee unter Wasser die Hand auf das Knie. Hielt sie fest. Ich wusste nicht wieso, aber ich wollte auf gar keinen Fall das sie mit Bryce ging. Es blieb ruhig bis wir Bryce zwischen den hohen Felsen nicht mehr sahen. Nur das Rauschen des Flusses neben uns. “Hui…ich das tut mir Leid. Vielleicht hätte ich das Thema nicht aufbringen sollen. Ich wusste ja wie sein Vater…” ich winkte ab.
      “Ich will ja nicht sagen ich hätte mich dran gewöhnt, aber…ich kenn das. Man ist öfters Anfeindungen ausgesetzt. Zu deiner Frage….nein. Ich lebe nicht in der Reservation. Nicht mehr zumindest. Allerdings, bin ich kein Siksika. Ich bin Lakota.” sagte ich mit einem gewissen Stolz in der Stimme.
      “Du bist weit fort, vom Land deiner Ahnen.” stellte Eric fest und ich war dankbar für das Mitgefühl das in seiner Stimme mitschwang. Ich spürte plötzlich eine Hand auf der meinen, die ich noch nicht von Aimees Knie genommen hatte. Sie zog mich zurück in eine sitzende Position neben ihr. Nicholas machte uns Platz. “Dann können wir froh sein das es First Nations Land ist. Wir werden immer unsere Ruhe hier haben.” brach Trevor die Stille. O’ schmunzelte. “Da magst du Recht haben. Also…keine fetten Partys hier. Die können wir uns für andere Gelegenheiten offen lassen.”
      “Tschetan, ich dachte einen Augenblick du willst ihm nochmal eine verpassen.” witzelte O’ um die Stimmung zu lockern.
      “Ich hätte gut und gern Lust dazu gehabt.”
      “Besser nicht, du hättest ihn aus den Latschen gehauen. Bryce hat Oberarme wie ein Baby.” stellte Trevor belustigt fest. “Meistens versteckt er sich hinter seinen bulligen Freunden.” damit schenkte er Nicholas einen vielsagenden Blick. Der Junge rückte, etwas ungemütlich, weiter an die Felsen in seinem Rücken. “Ich bin auch nicht Stolz drauf. Früher…da war er anders.” Nicholas sah sich nach seiner Flasche Root Beer um, musste dabei hinter mich greifen.
      Nicholas
      “Wisst ihr zuhause da haben meine Eltern auch ein paar Westernpferde. Ich bin nämlich gar kein Englischreiter”, gab ich preis und sah dabei zu den Pferden, die genüsslich grasten. Zumindest ein paar davon.
      Die Tiere der Bow River Ranch hatten ihre Köpfe gesenkt und sich damit abgefunden, angebunden zu sein und nur in einem kleinen Radius das saftige Grün abpflücken zu können. Die Pferde, die wir mitgebracht hatten allerdings, schienen sich damit nicht zufrieden geben zu wollen. Starlight, die Stute die ich ritt, hängte sich immer wieder in den Strick, rempelte eins der Bow River Pferde dabei ständig an. Dieses schien jetzt genug von dem Zirkus zu haben, hob schlagartig den Kopf und biss die Stute in die Schulter. Starlight machte einen empörten Satz nach vorne und quietschte, weshalb alle anderen Pferde auch die Köpfe hoben und nervös schnaubten. Das Pferd neben Starlight legte noch immer die Ohren an und taxierte das Tier. Gerade als ich die Situation auflösen wollte, stand Tschetan aus dem Wasser auf und ging zu den Pferden rüber. “He, Layla, lass die mal in Ruhe”, sagte er ruhig zu der Dunkelfuchsstute und legte ihr eine Hand auf die Kruppe. “Ist das deine?”, fragte ich Tschetan, welcher mir erst antwortete, als er wieder im Wasser war.
      “Nein, auf Bow River hab ich kein eigenes Pferd. Die gehören fast alle Caleb, wir dürfen die meisten davon aber reiten. O’ hier hat ein paar eigene Pferde, aber alles… keine Westernpferde”, lachte er.
      “He ich hatte mal Westernpferde! Und Dakota wird von Bellamy mittlerweile ja auch Western geritten.”
      “Was hast du eigentlich mit den ganzen Vollblütern vor, O’?”. fragte Aimee schließlich.
      “Verkaufen.”
      Nun horchten alle auf. “Echt?”, mischte sich Trevor verwundert in die Unterhaltung ein.
      “Ja, ich merke, dass ich immer mehr im Westernsattel zuhause bin. Kein Wunder, auf einer Westernranch voller Westernpferde und Cowboys.” Alle lachten, die Stimmung hatte sich so gelockert, seit dem Bryce abgedampft war.
      “Ich wollte die Pferde Pineforest anbieten oder Phoenix Valley. Dann weiß ich wenigstens, dass sie weiterhin ordentlich trainiert werden und sich später gut in der Zucht machen.”
      “Erzählt mal, wie es so auf der Ranch ist?”, fragte ich dann in die Runde. Aimee erzählte, Tschetan erzählte und O erzählte. Ich konnte mir alles bildlich vorstellen.
      “Ihr könnt doch mit rüber kommen, dann zeigen wir euch die Ranch. Caleb oder Cayce können euch und die Pferde später bestimmt zurückfahren, das ist kein Problem.”
      Trevor schaute auf sein Handy, was er in seiner Hosentasche neben der Quelle verstaut hatte. “Ich hab gleich Training. Wenn ich das absage, bekomm ich die Hölle heiß gemacht”, meinte er und sah zu seinem Kumpel Eric rüber. “Sieht wohl so aus, als müssten wir uns verabschieden”, erklärten die beiden älteren Jungs und sahen zu mir. “Aber du kannst ja mitreiten, Bryce spielt heute auch den restlichen Tag die beleidigte Leberwurst.”
      Ich nickte. Warum nicht?
      Tschetan
      “Schade das Louis die Indian Relays aufgegeben hat. Einige deiner Vollbüter wären sicherlich dafür geeignet.” O’ zog eine Augenbraue nach oben. “Aber grundsätzlich könntest du das doch auch tun,oder nicht?”
      Ich zuckte mit den Schultern. “Schon, aber ganz ungefährlich ist es nicht. Ich weiß nicht wie Ylvi und Louis darüber denken. Da helf ich lieber bei dem Training der Westernpferde.”
      “Du hilfst da mit?” fragte Nicholas erstaunt neben mir. Noch bevor ich eine Antwort geben konnte, fiel Aimee mir ins Wort. “Wenn er so weiter macht, dann ist er bald der beste Trainer am Stall. Caleb vertraut ihm seine besten Pferde an.” Ich senkte betreten den Kopf. “Jetzt übertreib mal nicht.” murmelte ich. “Naja, ganz Unrecht hat sie nicht. Du sitzt manchmal auf Pferden, von denen würde ich nur träumen kann“, erwiderte O’ trocken. Ich wusste, dass es stimmte. Doch ich war nicht der Typ dafür, vor anderen anzugeben. Ich rutschte ungemütlich im Sattel herum, bei dem bewundernden Blick, den mir Nicholas von der Seite zuwarf. “Vielleicht sollte ich den Stall wechseln.”
      “Wir geben keinen Reitunterricht”, gab ich wahrheitsgemäß von mir.
      “Aber Hilfe bei der Rancharbeit braucht ihr doch sicherlich? Im Westernsattel fühl ich mich einfach wohler.”
      “Vielleicht lässt sich was finden. Darüber müsste man mal mit Caleb sprechen”, warf Aimee ein. Darauf erwiderte ich nichts. Ich hatte einfach im Hinterkopf, dass Nicholas zu oft bei Bryce rumhing. Der Gedanke, diesen Idioten vielleicht auch auf der Ranch zu wissen, missfiel mir. Deshalb versuchte ich erst gar keine Bande der Freundschaft zu Nicholas entstehen zu lassen. Ich misstraute ihm.
      Caleb
      Gleich als ich auf der Ranch angekommen war, machte ich mich daran, das Futter abzuladen. Zum Glück kamen mir Brian und Bellamy zur Hilfe, so dass alles ziemlich schnell an seinem Platz verstaut war.
      Da es noch relativ früh war, entschloss ich mich dazu, noch rüber zur Ferienranch zu reiten.
      Dazu machte ich mir meinen Vulture fertig. Er war noch nicht so viel im Gelände gewesen, und vor allem nicht alleine. Das würde also abenteuerlich werden.
      Ich wollte schon ein wenig Werkzeug mit hoch nehmen, so dass ich die Satteltaschen am Sattel des Hengstes befestigte und packte. Einerseits mit nützlichen Utensilien, andererseits mit Papier und Stift, um mir aufzuschreiben, woran wir in der nächsten Zeit arbeiten wollten.
      Als ich aus dem Stall raus ging traf ich auf Bellamy. “Ich reite hoch zur Ferienranch und schau, ob ich heute schon was machen kann. Dann weiß einer wo ich bin.”
      “Okay alles klar. Soll ich dann das Futter für heute Abend fertig machen? Du wirst ja eine Weile brauchen.”
      “Ja, das wäre top. Könntest du dich heute Mittag auch noch um das Training von Cody und Ginger kümmern? Lass die einfach im Round Pen ein bisschen laufen. Falls du dann noch Lust und Zeit hast… Nic bräuchte auch mal wieder Bewegung.”
      “Nic?”, fragte Bellamy verwirrt und schien nachzudenken. “Ach du meinst Moonie! Mensch, nenn den doch einfach mal um. Nic kann sich keiner merken!”
      Wir beide lachten, dann gurtete ich Vultures Sattel nach und schwang mich rauf. Absolut gesittet verließen wir das Ranchgelände. Als ich ihn dann jedoch antrabte, durfte ich erst einmal ein paar Buckler aussitzen.
      “Gehts jetzt wieder? Funktioniert dein Hirn jetzt wieder so, wie es funktionieren soll?”, fragte ich den Braunen kopfschüttelnd, verlangte nun aber über ein langes Stück einen gleichmäßigen, ordentlichen Trab. Erst als er mir schön genug lief, parierte ich ihn zum Schritt durch. So konnte er etwas verschnaufen, bevor ich ihn gleich angaloppieren würde.
      Ich hatte die Strecke an der Rinderkoppel vorbei gewählt, so dass wir diese einmal überqueren konnten. Eine Abkürzung sozusagen. Es stellte sich jedoch als gar nicht so einfach raus, das Tor von diesem Pferd aus zu öffnen. Ständig sprang er zur Seite, tänzelte vor sich hin oder ließ mich gar nicht nah genug heran.
      Da ich heute keine Zeit zum Rumdiskutieren hatte, stieg ich kurzerhand ab, öffnete das Tor vom Boden aus und schloss es wieder, nachdem wir beide die Wiese betreten hatten. Ich stieg wieder auf und manövrierte Vulture auf die Rinderherde zu. Je näher wir ihr kamen desto mehr prustete der Hengst und machte den Hals rund. “Man glaubt dir wirklich nicht, dass du Cutting gezogen bist, mein Freund.”
      Völlig unbeachtet dessen, dass er wieder zu tänzeln anfing, lenkte ich ihn souverän durch die Herde durch. Die Zügel der Kandare hatte ich nun leider fast auf Anschlag, weil Vulture den sterbenden Schwan spielen musste.
      Als wir auf der anderen Seite fast wieder aus der Herde raus waren, trabte ich ihn locker an, was sich hinterher als Fehler herausstellte. Eines der Rinder machte neben uns einen Bocksprung und überholte uns von hinten. Vulture, so explosiv wie er manchmal sein konnte, machte erst einen Satz nach vorne, ehe er die Beine in die Hand nahm und im Galopp davonstob. Dieses Pferd war noch sowas von grün, fluchte ich innerlich und sortierte die Zügel, ehe ich den einen langsam immer mehr annahm. Den ‘one rein stop’ kannte er vom Anreiten. Alle Pferde der Ranch kannten ihn. Man nahm einen Zügel langsam immer mehr auf, bis die Nase des Pferdes eines der Reiterbeine berührte. Die Pferde wurden automatisch langsamer und blieben irgendwann ganz stehen, da man sie so komplett aus dem Gleichgewicht brachte. Auch Vulture hielt irgendwann an. Das Rind hatte es aufgegeben uns zu verfolgen. Nach ein paar weiteren Metern waren wir am Tor angekommen. Ich stieg dieses Mal direkt ab, um ein erneutes Theater zu vermeiden.
      Eine gute halbe Stunde später waren wir fast an der Ferienranch angekommen, wir mussten nur noch durch den Wald nach oben reiten.
      Als ich die Ferienranch durch die Bäume erblickte, hielt ich Vulture an und starrte einfach nur das Schild “Dells Rookie Ranch” an. Dell… die letzten Tage hatte ich die Gedanken an ihn zur Seite geschoben. Der Alltag hatte uns wieder. Damit aber auch weitere Sorgen und Probleme.
      “Na komm”, sagte ich zu Vulture, schnalzte kurz und wir ritten unter dem Namensschild hindurch, direkt auf den Zaun zur Klippe zu. Dort, wo ein Teil der Asche von Dell begraben war. Ich stieg vom Pferd, kniete mich hin und nahm den Hut vom Kopf. In Gedanken sprach ich ein paar Worte.
      Dann setzte ich mir meinen Hut wieder auf den Kopf und fing an, mit Vulture im Schlepptau die Ranch abzulaufen. Nebenbei machte ich mir immer wieder Notizen, was alles gemacht werden musste. Hier oben befanden sich drei Hütten in einem mehr oder weniger guten Zustand. Außerdem zwei Koppeln und ein in der Mitte geteilter Offenstall, der an beide Wiesen angrenzte. Perfekt, um die Pferde hier oben nach Stuten und Wallachen zu trennen.
      Allzu viel konnte ich hier heute alleine nicht erreichen, doch hier zog ich mal eine lose Schraube fest, dort hammerte ich etwas, hier schnitt ich etwas ab oder zupfte Unkraut raus, wo definitiv keins wachsen sollte.
      Leider verlor ich die Zeit völlig aus den Augen. Ich schaute nämlich erst wieder auf die Uhr, als es anfing, kalt zu werden. “Mist…Komm Vulture, wir müssen zurück.” Übernachten konnte man hier oben nämlich nicht- noch nicht.
      Vulture, der sich dem Gras gewidmet hatte, schien wenig davon begeistert, nun wieder aufbrechen zu müssen. Widerwillig ließ er mich die Trense wieder über das Knotenhalfter ziehen. “Wenn du so weitermachst gibts für dich ein paar Tage hardcore Anstandstraining”, murrte ich, schloss den Kinnriemen und schwang mich nach dem nachgurten in den Sattel.
      Beim Verlassen der Ranch schaute ich noch einmal zum Schild zurück. Dells Rookie Ranch. Ich hoffte, wenn ich einmal starb, würde auch jemand als Andenken an mich eine Ranch nach mir benennen. O’Dells Pro Ranch wäre ein schöner Name.
      Es schüttelte mich. Eigentlich wollte ich noch lange nicht sterben… aber man konnte ja nie wissen.
      Der Ritt zurück zur Ranch dauerte dieses Mal wesentlich kürzer an. Wir galoppierten dieses Mal aber auch mehr- gesittet, versteht sich.
      An der Bow River Ranch angekommen traf ich auf die Kids, die heute Mittag unterwegs gewesen waren. Sie hatten einen fremden Jungen dabei.
      “Hey ihr”, sagte ich freundlich und streichelte den verschwitzten Hals meines Hengstes.
      “Was hast du denn mit dem gemacht?”, fragte Tschetan mich und zeigte mit vorgeschobener Lippe, wie er es so oft machte, auf mein Pferd.
      “Wir waren oben bei der Ferienranch. Ich hab mir Notizen gemacht was alles zu tun ist, damit wir da bald anfangen können.”
      Tschetan nickte vielsagend, dann ergriff Aimee das Wort: “Hör mal, das hier ist Nicholas von dem neuen Dressurstall drüben im Tal, er ist aber eigentlich Westernreiter, nur hängt er drüben viel rum wegen seinem Freund Bryce. Falls du Arbeit hast würde er hier gerne ab und an mal aushelfen.”
      Bryce. Als Aimee diesen Namen nannte, flog mein Blick unauffällig zu Tschetan, der unbemerkt seinen Kopf hin und her bewegte.
      Ich zog eine Augenbraue hoch, schaute dann jedoch wieder zu Aimee. Nicholas wirkte auf den ersten Blick nett, aber… “Im Moment brauchen wir tatsächlich keine Hilfe… aber wenn wir drüben bei der Ferienranch anfangen sieht die Sache wieder ganz anders aus. Aimee kann sich ja bei dir melden, falls sich was ändert?”, schlug ich freundlich vor.
      “Vielen Dank, Mr. O’Dell”, antwortete mir der Junge, was mich kurz zum Schmunzeln brachte. Sah ich etwa so alt aus?
      “Caleb.”
      “Okay, danke Caleb.”
      “Geht schon mal vor, ich komm gleich”, schickte Tschetan die drei in Richtung Stallung.
      “Also… DER Bryce?” Tschetan nickte mit zusammengebissenen Zähnen.
      “Ich misstraue Nicholas, er hängt zu viel mit Bryce rum.”
      Ich nickte verständnisvoll. “Auf den ersten Blick scheint er mir nicht wie dieser Bryce vorzukommen. Lern ihn doch kennen, wenn du dein ok gibst stell ich ihn ein.”
      Tschetan nickte erneut und wandte Layla zum Gehen.
      “Ach übrigens, Tschetan”, setzte ich an und strich Vulture wieder kurz über den Hals. “Falls du Lust hast hier ein wenig mehr Verantwortung zu übernehmen… such dir doch ein oder zwei der Jungpferde für die Ferienranch aus und mach aus ihnen zuverlässige Arbeitstiere.“
      Der Junge sah mich mit großen Augen an. “Echt?”
      “Echt.”
      Pferde: BR Devils Angel Eyes, BR Sheza Topnotch Babe, BR South Texas Gangster, Blue Fire Cat, BR Atlantis Dream, BR Colored in Style, BR Dress to Impress, BR Homecoming Queen, BR Raised to Slide, BR Wimpys Bright Gangster, Captains Blue Crystal, Gun Sophie, Jacks Inside Gunner, BR Alans Smart Dream, BR Colonels Golden Gun, BR Colonels Lil Joker, BR Double Gunslide, BR Heart N’ Soul, BR Hollywoods Dream Anthem, Chapman, Chocolate Dazzle, Up Town Girl, Bittersweet Temptation, Whitetails Shortcut, Zues, Abandon all Hope, Ginger Rose, HMJ Courtesy, HMJ8345 Continental, Lady Blue Skip, Striga, Tortured Witch HMJ 6693, Blanton’s Gentleman, Chic’ N Shine, Four Bar Chocolate Becks, GRH’s Funky’s Wild Berry, HGT’s Unitato, HMJ Saintly, How ‘Bout Moonies, PFS’ Unclouded Summer Skies, Smart Lil Vulture, tc Mister’s Silvermoon Cody, Small Town Dude, Dual Shaded Ace, GRH’s Bellas Dun Gotta Gun, GRH’s Unbroken Soul of a Devil, Gun and Slide, Gunners Styled Gangster, Heza Bat Man, Hollywoods Silver Dream, Till Death, Black Sue Dun It, California Rose, DunIts Smart Investment, Easy Going, Frosty Lagoon, Ginny my Love, GRH’s A Gun Colored Lena, GRH’s Aquila T Mistery, GRH’s Unbroken Magic, Magnificient Crow, Only Known in Texas, Lovin’ Out Loud, Stormborn, Tainted Whiz Gun, Breia LDS, Ceara Isleen, Dakota, Drama Baby, Leuchtfeuer di Royal Peerage, Moonshine LDS, Pocahontas, Prias Colourful Soul, Raspberry, Tigres Eye, Wunderkerze LDS, Absolute Bullet Proof, Birk, Culain, Myrkvidr, Peacful Redemption, WHC’ Happy Sunshine, Wildfire xx, A Walking Honor, Chou, Jade, Lika a Prayer, Kristy Killings, Honey’s Aleshanee, Colonels Blue Splash, BR Dissident Whiz, Sweet like Chocolate, Alan’s Psychedelic Breakfast, General’s Coming Home, Cup Cake, A Walking Dignity, A Shining Chrome, Priamos Ruffia Kincsem, BR General Pleasure, Wimpys Little Devil, Kholáya, Whinney, Miss Independent, Kisshimbye, My sweet little Secret, Snapper Little Lena, Special Luna Zip, I’m a Playboy
    • Veija
      Noise in the silence
      Zeitliche Einordnung: Mai 2021
      April 2022, by Ravenna & Veija

      Tschetan
      Ich streckte meinen Körper Seesternartig aus, drehte mich dann auf die Seite, um mein Handy zu erreichen. Dabei zuckte ich zusammen - ich zog mir selbst an den Haaren. Der Wecker zeigte gerade 5 Uhr an. Mir missfiel das einerseits. Andererseits richtete ich mich auf, nachdem ich den Wecker aus und meine Haare befreit hatte. Mit den Händen strich ich mir über das Gesicht, klatschte die Hände gegen meine Wangen, um die Müdigkeit aus mir heraus zu bekommen. Anschließend rollte ich über das Bett, um den Raum zu erhellen.
      Der Anblick war noch immer seltsam. An das große Bett dagegen hatte ich mich schnell gewöhnt. Nicht mehr meine Schwester im selben Raum atmen zu hören, hatte mich einige Zeit gekostet. Vor knapp 2 Wochen hatte ich endlich das versprochene Zimmer im Haupthaus beziehen können, mit einer tollen Aussicht auf den Wald und einen Teil der Berge. Von hier aus konnte ich bei guter Sicht den Eingang zur Ferienranch sehen. Allerdings befand ich mich nicht auf der Sonnenseite des Hauses. Diese würde genau in der anderen Richtung aufgehen. Ich konnte gerade so erahnen, dass die Dämmerung einzusetzen begann. Vom Boden klaubte ich meine Shorts vom Vortag und warf sie in den Wäschekorb, drehte die Socken wieder auf richtig herum und zog sie mir an. Dabei schaute ich mich etwas um. Wo war die Hose gestern gelandet?
      Wenig später schlich ich mich mit meinen Boots in der Hand die Treppe hinunter. In der Küche kippte ich mir schnell ein Glas Wasser in den Rachen - das musste als Frühstück genügen. Anschließend - mit dem Hut auf dem Kopf - befand ich mich bereits auf dem Weg in den Stall. Seit einigen Wochen hatte mir Caleb die Pflege und das Training von zwei der Pferde anvertraut. Nicht nur das, ich hatte sie mir aus allen Jungpferden aussuchen können. Ich hatte mich dabei für eine zweijährige Stute namens Like a Prayer entschieden, die ich überhaupt einmal an den Menschen gewöhnen musste - nachdem sie ihre meiste Zeit auf den weitläufigen Weiden am Nordhang verbracht hatte. Colonels Blue Splash war meine nächste Wahl: eine solide vierjährige Fuchsstute, die es mir mit ihrer Neugierde zum Menschen angetan hatte. Vor allem aber mit ihrer Ruhe. Laurence hatte letztens einen der Bäume fällen müssen. Während also die Kettensäge angeworfen wurde und nach und nach die Äste flogen. An diesem Tag war sie mir im Gedächtnis geblieben. Also hatte ich nicht lange gezögert, sie zu wählen. Als Pferd für die Ferienranch war sie damit hervorragend geeignet. Beide Stuten teilten sich ein Paddock, damit ich nicht nur ihr Training, sondern auch ihre generelle Pflege übernahm. Und an Tagen wie heute trieb es mich auch sehr früh aus dem Bett.

      Am Eingang des Paddocks stand die Badewanne voll mit Wasser. Ich schüttete mir ein wenig des kalten Nass ins Gesicht, um auch den letzten Anflug von Müdigkeit aus dem Gesicht zu bekommen. Anschließend widmete ich mich den Haufen der beiden Stuten, die es aus dem Weg zu schaufeln gab. Immerhin war ich so die elendigen Boxen los. Das nasse Stroh oder die Späne aus den Ecken zu holen empfand ich als deutlich ätzender. Aus dem Container füllte ich die Wanne weiter mit Wasser und lugte hinein, um zu sehen, wie viel Wasser noch darin war. Ich beschloss, diesen am Wochenende zu füllen. Ein kritischer Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich noch genügend Zeit hatte, um mit Blue Splash zu arbeiten. Zügigen Schrittes holte ich mir also den Strick samt Halfter aus der Sattelkammer. Vorerst beschränkte sich meine Arbeit auf den Round Pen. Blue Splash hatte bereits gelernt sich im Round Pen zu bewegen, sich überall anfassen zu lassen und vor allem war aufgefrischt worden, die Hufe zu geben. Aktuell lernte sie auf leichten Druck zu weichen und meiner Körpersprache dabei zu folgen. Dabei beschäftigte ich sie gern mit den Pylonen: Slalom oder die liegende Acht. Heute hatte ich eine ganz neue Übung mit ihr vor.
      Da sie mittlerweile gut gelernt hatte seitwärts an mich heran zu treten wollte ich mit ihr an der Aufstiegshilfe stehen. In ihrer künftigen Aufgabe als Ferienranchpferd, musste sie auch von ungeübteren oder nicht so gelenkigen Reitern bestiegen werden. Dafür war es besonders wichtig, dass sie ruhig an der Aufstiegshilfe stand. Also nahm ich nach dem putzen die solide Box mit in den Round Pen. Nach einer kurzen Aufwärmphase holte ich die Box zu mir rein, ließ sie die junge Stute begutachten, nahm sie dann wieder auf und trug sie an eine andere Stelle. Dort stellte ich mich auf die Box. Neugierig kam Blue Splash näher. Ich gab einen kleinen Pfiff von mir für sie als Bestätigung, strich ihr mit der Hand zwischen die noch plüschigen Ohren. Dann gab das Handzeichen für die junge Stute seitlich zu mir zu kommen. Kurz ratterte es in ihrem Kopf, dann tat sie einen fragenden Schritt auf mich zu. Also ließ ich wieder meinen kleinen Pfiff hören.
      "Das hast du dir von Louis abgeschaut, oder?", vernahm ich Cayce Stimme hinter mir.
      "Was meinst du?"
      "Das Gepfeife. Louis hör ich auch in einer Tour mit seinen Pferden pfeifen." Ich musste schmunzeln.
      "Wir haben beide vom selben Großvater das Reiten gelernt. Ich denke, daher kommt das. Um ehrlich zu sein habe ich nie gefragt, wieso er das macht. Ich habs einfach kopiert." Dabei kratzte ich mir lachend am Hinterkopf.
      "Viel Erfolg beim Training", wünschte mir Cayce und fasste sich dabei an den Hut.

      Aimee
      “Hm?”, horchte ich auf, als mein Vater zum wiederholten Mal meinen Namen rief.
      “Aimee, mach doch mal den Eierkocher aus. Mensch Kind, was ist denn in letzter Zeit los mit dir?”, damit drehte er sich um und verließ die Küche des kleinen Bungalows. Ich stand seufzend auf, ging zum Eierkocher und zog den Stecker aus der Steckdose. Augenblicklich hörte das nervtötende Piepsen, das mir bis eben völlig entgangen war, auf zu nerven und verstummte. Irgendwie hatte ich vergangene Nacht nicht gut geschlafen und war heute komplett gerädert. Dagegen konnte auch der Kaffee, den ich ab und zu morgens trank, nichts ausrichten. Der einzige Trost, der sich mir heute bot, war der Wochentag. Freitag. Der Nachmittagsunterricht beschränkte sich auf zwei Unterrichtsstunden nach dem Mittagessen. Das Wochenende näherte sich mit großen Schritten.
      Ich schüttete das Wasser der Eier im Waschbecken ab. Der warme Dampf erwärmte mein Gesicht und vertrieb tatsächlich einen Teil meiner Müdigkeit.
      Aus dem Schrank kramte ich zwei Eierbecher hervor, die ich mit Eiern befüllt auf den Tisch stellte.
      Wenig später kam Brian wieder in die Küche und setzte sich an den Tisch. “Soll ich später aus Calgary noch das Kraftfutter für die Pferde mitbringen? Ein paar Säcke bekomm ich ja in den Kofferraum.”
      “Ja, das wäre gut. Frag Caleb gleich noch, dass er dir einen Scheck mitgibt. Dann kannst du direkt bezahlen.”
      “Wenn gleich noch Zeit ist”, murmelte ich und sah auf die Uhr. Ich musste mich so langsam ranhalten.
      “Sonst lass dir halt eine Rechnung ausstellen und nimm die mit… apropos, du nimmst doch gleich die Kids und Tschetan mit rüber, oder?”, ich nickte “der kann dir dann ja tragen helfen. Oder du fragst jemanden, der da arbeitet.”
      “Ja, Dad. Ich werd schon klar kommen. Bin ja nicht zum ersten Mal da.”

      Eine viertel Stunde später stand ich vor der Tür des Haupthauses und hob die Hand, um zu klopfen. Total dämlich, sonst lief ich dort doch auch ein und aus, was war denn heute los? Vorsichtig drückte ich die Klinke nach unten trat in den dunklen Flur. Hm, war er noch nicht wach? Und sonst war auch noch niemand hier? Oder waren schon alle auf der Ranch unterwegs?
      Ich räusperte mich. “Ca… Caleb?”, rief ich in den dunklen Flur hinein und vernahm ein Poltern aus dem 1. Stock. War Tschetan etwa auch noch nicht fertig für die Schule? Kaya und Betsy waren mir bisher auch noch nicht begegnet.
      “Ich komm gleich”, rief Caleb dann jedoch von oben zu mir runter. Ich nickte. Im Nachhinein dachte ich mir, dass er das Nicken ja gar nicht hatte sehen können. Schließlich trat ich ganz ins Haus hinein, zog die Tür hinter mir zu und ging in die warme Küche. Dort legte ich meine Hände um die warme Kaffeekanne auf dem Tisch. Morgens war es noch echt kalt draußen.
      Wenige Minuten später trat Caleb in die Küche. Er war noch dabei, sich sein Hemd zuzuknöpfen. Es blieb mir erspart, mich peinlich wegzudrehen, weil Caleb unter dem Hemd ein Shirt anhatte. Stattdessen nahm ich meine Hände von der Kanne weg und rieb sie ein paar Mal gegeneinander.
      “Wie kann ich dir helfen, Aimee?”, fragte er mich freundlich, nahm eine Tasse aus dem Schrank und schenkte sich etwas des warmen Getränks ein. Ich beobachtete ihn dabei, bis mir bewusst wurde, dass er mir eine Frage gestellt hatte.
      “Ich.. äh..”, stammelte ich drauf los und stoppte mit der reibenden Bewegung meiner Hände. “Ich fahr gleich mit dem Auto zur Schule. Hab meinen Dad gefragt ob ich dann schon mal einen Teil des Kraftfutters mitbringen soll. Dazu müsstest du mir aber einen Scheck mitgeben, damit ich das schon mal bezahlen kann, was ich mitnehme.”
      “Mmm hm”, antwortete er nur und verschwand aus der Küche. Verdutzt schaute ich ihm nach, bis ich ein “Kommst du?”, aus dem Flur hörte. Unsicher stapfte ich ihm nach.
      “Wo bist du denn hin?”, fragte ich ins Dunkle hinein, ehe mich der grelle Lichtstrahl der Deckenlampe kurz blendete.
      “Erstmal das Licht anmachen”, verkündete er schulterzuckend, aber mit einem Grinsen auf den Lippen.
      Wir kamen in seinem Büro an. Dort standen zwei Tische. Auf dem Rechten herrschte ein sichtliches Chaos um den PC- Bildschirm herum. Der Linke dagegen schien sichtlich aufgeräumter. Es gab verschiedene Stapel mit Unterlagen, alle schön säuberlich und akkurat aufeinander gelegt. Ich grinste kurz. Der Schreibtisch gehörte wohl Ylvi. Ich sah mich weiter im Raum um, während Caleb in diversen Schubladen herum kramte. Gegenüber seines Schreibtisches hing ein neues großes Foto. Es zeigt ein paar der Hengste vor schwarzem Hintergrund. Blue und Gangster waren dabei, natürlich. Aber auch Nachtschwärmer, der seit kurzem verkauft war.
      “Hier”, meinte Caleb plötzlich und reichte mir ein Blatt aus dem Scheckheft mitsamt dem Kuli, mit dem er unterschrieben hatte. “Trag einfach später den Betrag ein, für den du Säcke mitbringst. Bezahl nichts weiter im Voraus.” Ich nickte, bedankte mich und verließ das Haupthaus. Kaya und Betsy standen bereits am Wagen, von Tschetan fehlte weiterhin jede Spur.
      Hinter mir fiel die Tür erneut ins Schloss, was mich zum umdrehen bewegte. Auch nicht Tschetan. “Caleb ist Tschetan noch drinnen?” Er schüttelte den Kopf. “Habt ihr ihn gesehen?”, fragte ich die Mädchen, klickte gleichzeitig auf den Autoschlüssel, damit das Auto sich auf schloss. Beide verneinten ebenfalls. Wo steckt er denn wieder?
      “Ich muss noch grade meinen Schulranzen holen gehen, bin gleich wieder da”, erklärte ich mich und joggte zurück zum Bungalow, holte meine Tasche, verabschiedete mich von meinem Vater und ging zügigen Schrittes zurück zum Wagen. Die Tasche verstaute ich im Kofferraum. Dann beschloss ich Tschetan anzurufen. Er hatte sein Handy zwar fast nie dabei, aber falls doch, ging er immer ran. Gerade hatte er es wohl wieder irgendwo liegen gelassen, denn es kam sofort die Mailbox. Ich schaute auf die Uhr. 5 Minuten Zeit hatten wir noch, dann mussten wir aber wirklich los.

      Tschetan
      Auf die Minute genau riss ich die Beifahrertür auf, ließ mich ätzend auf dem Sitz nieder und zog Beine und Tür als letztes hinzu. Aimee sah mich ungläubig von der Seite an. “Was?” fragte ich. Gestikulierte nach vorn. “Willst du nicht los?” Keine Regung. Die Mädchen auf der Rückbank kicherten.
      “Ist das’n Scherz?”
      “Kannst du in ganzen Sätzen sprechen?”, so ganz sah ich immernoch nicht was ihr Problem war. Ich widmete dem Tacho einen Blick, auf dem die Uhrzeit stand. Genau genommen war ich nicht zu spät.
      “Der Hut, dein Aufzug. Alter, du miefst nach Pferd. Deine Haare sind nicht gekämmt und wenn ich genau hinseh, find ich sicherlich noch Heu”, kommentierte Aimee.
      “So renn ich doch ständig rum?”
      “Aber doch nicht in der Schule!”, ich zuckte mit den Schultern.
      “Heute dann wohl schon. Umziehen und Duschen würde bedeuten, wir kommen zu spät”, ich deutete dabei mit den Lippen auf die Uhr im Armaturenbrett. Aimee grunzte, schüttelte den Kopf und startete ohne weiteren Kommentar den Motor. Ich warf den Mädchen auf der Rückbank einen Blick zu. Kaya grinste und schlug die Hand vor den Mund, um das Kichern zu unterdrücken. Ich machte eine kreisende Bewegung mit der Faust vor meinem Gesicht. Das Zeichen für ‘verrückt’. Dann zwinkerte ich.
      “Schnall dich an!”, ranzte Aimee mich an. Während der Wagen die lange Auffahrt der Ranch hinaus fuhr.
      Um nicht weiter in ihren Unmut zu gelangen schnallte ich mich an, zog mir den Hut vom Kopf und steckte ihn fest zwischen Scheibe und Armaturenbrett vor mir. Im Spiegel des Wagens sah ich mir mein Gesicht an. “Im Handschuhfach sind Feuchttücher”, stellte Aimee sachlich fest. Also wischte ich mir den groben Dreck aus dem Gesicht. Anschließend löste ich die beiden geflochtenen Zöpfe und zog mir die Zopfgummis über den Arm, um mit gefächerten Händen meine Haare ein wenig zu kämmen.
      “Willst du meine Bürste?” fragte Betsy hinter mir und rechts von mir tauchte eine zierliche Hand mit Bürste auf. Dankbar griff ich danach und kämmte mir meine langen Haare. Mittlerweile kamen keine Kommentare mehr von Aimee, dass ich mich in Bezug auf die Haare schlimmer hatte wie ein Mädchen. Sie hatte ziemlich schlucken müssen, als sie von den Residential Schools erfahren hatte. Noch meiner Großmutter hatte man als Mädchen in eine solche geschickt. Ich trug meine Haare also lang, für all jene Ahnen, denen es nicht erlaubt worden war.
      Nach dem Kämmen entfernte ich die Haare aus der Bürste, warf sie aus dem Fenster und gab Betsy ihre Bürste zurück. “Dankeschön”, bedankte ich mich ehrlich bei ihr. “Besser?”, fragte ich in Aimees Richtung, erhielt allerdings keine Antwort von ihr. Ich knuffte sie leicht in die Seite, sie zuckte zusammen, quiekte und sah mich halb lachend, halb ungläubig von der Seite an. Aber ihr Lächeln zeigte mir, dass sie nicht mehr wirklich wütend auf mich war. Ich lehnte mich im Sitz zurück, streckte die Beine so, gut es eben ging, aus und genoss den Ausblick aus dem Fenster. Noch ein paar Monate dann hatte auch ich endlich den 16. Geburtstag hinter mir und durfte fahren.

      An der Schule trennten sich unsere Wege ab dem Auto. Ich nahm Kaya in den Arm, küsste sie auf die Stirn. “Tschetan, du bist peinlich!”, schimpfte sie dabei mit mir. Ich zog eine Augenbraue nach oben, sah Betsy an.
      “Wann hat meine kleine Schwester beschlossen ihr Bruder sei peinlich?”, Kaya kicherte leise. “Als mein Bruder beschlossen hat, sich noch schlimmer als Louis zu benehmen!”, damit verschwanden beide Mädchen mit kichern. Ich spürte noch immer ein leichtes Zittern in mir, jedes mal, wenn Kaya sprach.
      “Wohin starrst du?” hörte ich eine mir mittlerweile bekannte Stimme in meinem Rücken. Nicholas trat an meine Seite, die Hand an der Stirn, als würde er seine Augen gegen die Sonne abschirmen. “Gibt´s da heiße Mädchen zu sehen,mhm?”
      “Ich hoffe doch nicht, dass du ein Auge auf meine Schwester geworfen hast, sonst müsste ich dich töten”, knurrte ich spielerisch. Nicholas verweilte in seiner Pose.
      “Niemand tötet hier irgendwen. Bewegt euch Jungs. Ab zum Unterricht!”, scheuchte uns Aimee los. Ich spürte ihre Hand in meinem Rücken, wie sie Nicholas und mich vorwärts schob. Wann war das eigentlich passiert?
      Seit dem Tag an den heißen Quellen…und der Zeit, in der Nicholas auf der Ranch half. Irgendwie hatte er sich in den kleinen Kreis unserer Freunde geschlichen. Wie lang war das jetzt her? 1 oder sogar fast 2 Monate? Nur Aimee fand ich von Zeit zu Zeit noch bei Bryce….und noch immer mochte ich nicht, dass sie mit ihm zusammen abhing. Selbst Nicholas hatte mir einmal zugestimmt…dass sein ehemaliger Kumpel nicht der beste Umgang war. “Was hast du als erstes?”, fragte ich Aimee.
      “Geschichte, bei Mrs. McIntosh …genau wie du auch!”
      “Dann trenn ich mich noch draußen von euch, Doppelstunde Sport,” seufzte Nicholas.
      “Dann sehen wir uns in der Mittagspause.” trällerte Aimee. “Komm jetzt!”

      Ylvi
      Seitdem Aimee die gesamte Bande mit zur Schule nehmen konnte, hatte sich mein Leben ziemlich erleichtert. Plötzlich hatte ich einen fast ungewohnten Raum an Zeit am Morgen. Abgesehen davon hatten Louis und ich den Bungalow auch immer öfter für uns allein. Tschetan hatte drüben im Haupthaus eines der Zimmer bezogen. Betsys Zimmer wurde auch bereits fertig gestellt. Solang bewohnte sie hier bei uns mit Kaya das Zimmer. Immer häufiger nahmen wir unser Frühstück auch drüben im Haupthaus ein. Wir hatten Dells Tod noch nicht alle vergessen, würden es vermutlich nie. Aber ein jeder hatte seinen eigenen Frieden damit geschlossen. Die Situation mit Caleb hatte sich beruhigt. Wir hatten nicht weiter über die Küsse gesprochen. Oder im generellen viel über uns. Trotzdem verbrachten wir viel Zeit. Die beiden Mädchen, Louis, Caleb und ich. In Calgary sorgten wir gern mal für verwirrende Blicke von fremden Menschen. Louis hatte ich in einem ruhigen Moment von den Küssen mit Caleb berichtet.
      Zu meiner Überraschung war daraufhin kein Streit entstanden. Keine Vorwürfe.Genau in solchen Momenten wurde mir klar, wieso ich Louis an meiner Seite hatte. So anders als Caleb. Dabei fielen mir immer wieder seine Worte ein von einst. Dort oben auf dem Hügel an dem Tag als Louis mir das Leben gerettet hatte. Wolf und Rabe.
      Sie führten eine Symbiose. Doch eine jede Spezies band sich auf Lebenszeit an einen einzigen Partner. Lange Zeit hatte ich die Worte für Irrsinn gehalten. Doch immer häufiger kam mir der Gedanke das es vielleicht gar nicht mal so verkehrt war. Die Anziehung, die Gefühle die ich für Caleb empfand, konnte ich nicht ignorieren. Offenbar erging es ihm da ähnlich. Wir hatten ein Miteinander gefunden. Arbeiteten normal gemeinsam. Doch eine gewisse Distanz herrschte. Ich konnte allerdings nicht sagen ob es an unserer erneuten Annäherung lag, oder seinem generellen Unmut darüber, dass Louis und ich die vorläufige Vormundschaft für Betsy übernommen hatten. Zumindest war ich froh, dass er es gut verbergen konnte, wenn wir unterwegs waren mit den Mädchen.
      Plötzlich wurde die Welt um mich herum duster. “Wolltest du nicht abwaschen, statt in die Luft starren?“, hörte ich Louis amüsierte Stimme in meinem Ohr. Er nahm die Hand von meinem Gesicht, stattdessen spürte ich sie an meiner Schulter. “Erwischt”, murmelte ich. Starrte hinunter auf meine Hände, die im Wischwasser hingen. “Ein wenig Tagträumen sei dir erlaubt.”
      “Zu gütig.”
      “In der Zeit wie du hier rumstehst, hatte ich Zeit das Bad zu reinigen und dich dabei zu beobachten, wie du in der Gegend rumstarrst.”
      “Ah ein Stalker also?”
      “Ich hab eher daran gedacht, wie schrecklich langweilig wir geworden sind.”
      “Langweilig?”
      “Überleg doch mal. Wir haben heute einen kinderfreien Tag. Vor drei Jahren hätte ich dafür gesorgt, dass wir den ganzen Tag nicht aus dem Bett kommen”, schnurrte er neben mir. Ich schenkte ihm einen Blick mit erhobener Augenbraue. Soso. “Stattdessen sind wir spießig und putzen das Haus.”
      “Vor drei Jahren hätten wir allerdings auch nicht jederzeit mit einer Überprüfung durch das Jugendamt rechnen müssen”, stellte ich nüchtern fest. “Aber wir könnten nach dem Abwasch einen Ausritt machen.”
      “Jetzt, fängt es an interessant zu werden“, sprach Louis anzüglich. Ich schüttelte meine nasse Hand in seine Richtung.
      “Draußen, mit den Pferden!”, lachend wich er mir aus. Küsste mich auf die Wange.
      “Dann widme ich mich mal meinem Stalltrakt und wir sehen uns später?”
      “Geh schon!” scheuchte ich ihn davon, musste lächeln und kehrte nicht zu meinen trübsinnigen Gedanken zurück.

      Aimee
      Ich hasste Geschichtsunterricht. Also eigentlich liebte ich Geschichte- und Tschetan saß eh jedes Mal gerade, wenn irgendwas über die Native American gesprochen wurde. Aber bei Mrs. McIntosh, bei der ich mich wirklich fragte, wer diese Frau freiwillig geheiratet hatte, verging mir der komplette Spaß daran.
      “Aimee, wie hieß der 1. Präsident der Vereinigten Staaten?”, fragte sie mich. Natürlich, sie wusste immer genau, wann ich ihr nicht zuhörte. Dumm nur, dass ich die Antwort wusste.
      “George Washington”, antwortete ich mit gestreckter Brust. Pah, die Antwort war goldrichtig.
      “Und wie hieß der zweite?”, fragte sie mich weiter.
      Diesmal musste ich überlegen. Jefferson oder Adams? Nein, Jefferson kam später, dann muss es wohl Adams sein.
      “Adams…ähm, John Adams.”
      Mrs. McIntosh nickte. “Der Dritte?”
      “Thomas Jefferson”, kam meine Antwort wie aus der Pistole geschossen.
      “Von wann bis wann?” Uff. Tschetan sah mich zerknirscht von der Seite an und zuckte kaum merklich die Schultern. Er konnte mir also auch nicht helfen. Also musste ich drauflos raten.
      “1800 bis 1810?”, fragte ich unsicher.
      “Fast”, antwortete die Lehrerin. “1801 bis 1809. Für die Klausur nächste Woche möchte ich alle 46 Präsidenten wissen. Wer die Daten dazu schreibt, bekommt Extrapunkte. Feierabend für heute.” Mit diesen Worten klingelte die Pausenglocke. Mir fiel die Kinnlade runter. Alle Präsidenten plus Jahreszahlen? Wann würde ich diesen Blödsinn in meinem Leben nochmal brauchen? Richti, niemals.
      “Manchmal hab ich das Gefühl, die ist verrückt”, sagte Tschetan und setzte sich schräg auf meinen Tisch. Ich war nur durch Zufall hier in seiner Klasse gelandet. Eigentlich war nur in der Parallelklasse ein Platz frei gewesen. Doch hier in dieser musste ein Schüler mit seiner Familie umziehen, so dass ich nun doch hier war. Darüber war ich nun unglaublich froh, denn Tschetan und ich konnten uns bei den Hausaufgaben unterstützen- oder eher voneinander abschreiben. In manchen Fächern war er unglaublich gut, in anderen ich.
      Es klingelte wieder, die kurze Pause war vorbei und es ging mit Englisch weiter. Eins meiner Lieblingsfächer.
      Fünf Schulstunden später war endlich Mittagspause. Tschetans und mein Weg trennten sich im Flur getrennt, als Bryce auf uns zukam. Mit einem “Würgs” verschwand Tschetan im Gang rechts von uns.
      “Hey Aimee, wie gehts dir?”, umschwärmte Bryce mich, stellte sich neben mich und zog mich an der Hüfte näher an ihn heran.
      “Gut, gut”, war meine knappe Antwort. Irgendwie war mir heute nicht so wirklich nach ihm zumute.
      Er zog mich noch enger zu sich rüber. “Kommst du mit raus zu den Jungs?”
      “Klar”, antwortete ich reflexartig, obwohl ein ‘nein’ in meinen Gedanken kreiste. Zusammen mit ihm ging ich also raus zu den Jungs. Ein paar der Cheerleaderinnen standen auch dabei. War ja klar, dass die Sportlerjungs die Cheerleadermädels anzogen. Wie ich allerdings darein passte, das wusste ich bis heute nicht. Ich fand Cheerleading toll, konnte mir aber selbst nicht vorstellen, von einer Menschenpyramide runterzuspringen und wie eine Katze auf den Füßen zu landen. Da saß ich lieber im Sattel, obwohl ich wirklich kein Profi darin war.
      Die Mädels erzählten von ihrem letzten Training und wie unglaublich anstrengend das gewesen war und wie unglaublich erschöpft sie gerade waren, und dass man Football doch gar nicht mit Cheerleading vergleichen konnte. ‘Würgs’ dachte ich und meine Gedanken kreisten augenblicklich um Tschetan. Wo war er hin verschwunden?
      Ich ließ meinen Blick schweifen. Heute bei dem tollen Sonnenschein hatte es fast alle Schüler in der Mittagspause nach draußen verschlagen. Kaya und Betsy saßen mit ein paar anderen Mädchen auf einer großen Decke und aßen ihr Mittagessen. Tschetan stand.. natürlich. Drüben bei den Bänken bei den anderen Natives. Wo hätte er auch sonst sein sollen? Allerdings hatte sich Nicholas zu ihm gesellt, das war neu. Er und Bryce schienen nicht mehr so gut miteinander auszukommen. Tschetan hob den Blick und schaute zu mir rüber. Ich lächelte ihn an, er lächelte kurz zurück.
      Bryce war meinem Blick gefolgt und räusperte sich, womit er meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. “Ihr habt euch vor fünf Minuten noch gesehen, vermisst du die Rothaut etwa schon?” Plötzlich verstummten alle in unserem Kreis. Jeder wusste, dass Bryce es auf die Jungs (und natürlich Mädchen) drüben abgesehen hatte. Ich gab ihm die Chance, seine Aussage noch einmal zu überdenken.
      “Bitte?”, fragte ich ihn spöttisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
      “Ich hab dich gefragt, ob du die Rothaut da hinten etwa schon vermisst. Ihr könnt den Blick gar nicht voneinander lassen.”
      “Kannst du mal aufhören ihn so zu nennen?”, erhob ich meine Stimme. Die anderen tauschten fragende Blicke. “Er heißt Tschetan. So wie ich Aimee heiße und du Bryce. Wieso musst du immer gleich rassistisch werden?”
      “Die Rothäute haben hier auf unserer Schule nichts verloren, die haben ihre eigenen Reservate oder was auch immer, wo sie hingehen können. Was machen die überhaupt hier?” Zustimmendes Gemurmel aus dem Kreis.
      “Weißt du was Bryce? Fick dich. Dich und deine rassistische Meinung. Ich hab echt gedacht, der Schlag ins Gesicht hätte dir einen Denkzettel verpasst. Aber anscheinend bist du wirklich ein Arschloch… Ich geh dann mal zu den Rothäuten, wie du sie so charmant nennst. Ciao!” Damit wollte ich abdampfen, doch Bryce hielt mich am Arm fest. Ich wurde etwas lauter. “Lass mich los!”
      “Erst haut der indianische Spast mir eine rein, dann klaut er meinen besten Freund und jetzt stiehlt er auch noch mein Mädchen?” Bryce machte einen Schritt auf mich zu, niemand in der Runde schien auch nur zu atmen, alles schien sich in Zeitlupe abzuspielen.
      Plötzlich spürte ich Hände, die mich von hinten erfassten und von Bryce wegzuziehen versuchten. Ebenso machte sich jemand an Bryce’ Hand zu schaffen, um sie von meinem Arm zu bekommen. Benommen schüttelte ich den Kopf, ich sah wieder klarer. Zwischen meinen “Rettern” Tschetan und Nicholas sowie Bryce hatte sich ein heftiges Wortgefecht aus rassistischen Beschimpfungen und sonstigen Schimpfwörtern entwickelt.
      Endlich hatte Nicholas meinen Arm befreit. Gemeinsam mit Tschetan stolperte ich einen Schritt nach hinten, doch er fing mich geschickt auf. Nicholas diskutierte noch immer mit Bryce.
      “Wie kann sich ein Mensch so verändern? Mensch Bryce, wir waren beste Freunde!”
      “Wie kann mein bester Freund mir einfach so den Rücken kehren und einem anderen Kerl so in den Arsch kriechen!”
      “Was ist aus dir geworden?!”, keifte Nicholas und drehte sich zum Gehen.
      “Ja, nimm das Gesocks von der Ranch gleich mit, ihr seid doch alle nicht ganz normal!”
      Ich wollte ansetzen, um noch etwas hinzuzufügen, doch war augenblicklich damit beschäftigt, Tschetans Faust festzuhalten und ihn wegzuschieben. “Nicht nochmal”, flüsterte ich ihm zu, berührte dann seine Schultern und drehte ihn zum Gehen um.
      Aus dem Augenwinkel folgte ich Bryce’ Blick zu Kaya und Betsy rüber. Auch Tschetan war seinem Blick gefolgt. “Halt dich bloß von ihnen fern!”, knurrte er.
      ‘Er wird doch nicht?’, dachte ich.
      Als wir uns ein paar Meter entfernt hatten, seufzte Nicholas. “Er war nicht immer so.” Ich sah ihm dabei zu, wie er zurück schaute und etwas murmelte wie: ‘Warum war ich eigentlich mit ihm befreundet?’

      Wenige Stunden später saßen wir im Auto. Nicholas hatte sich dazu gesellt, er saß hinten in der Mitte zwischen Kaya und Betsy und schien mit den Beiden den Spaß seines Lebens zu haben. Immer wieder sah ich Tschetan einen kurzen Blick in den Seitenspiegel zu werden, in dem er Kaya lachen sah. Niemand von uns ‘Großen’ schien Worte über die Sache mit Bryce verlieren zu wollen. Schließlich erhob Tschetan doch die Stimme: “Kaya, Betsy. Habt ihr gesehen, was in der Mittagspause vorgefallen ist?”
      Die zwei nickten.
      “Ich möchte, dass ihr euch von diesem Jungen, Bryce, fernhaltet. Wenn er auf euch zukommt oder euch belästigt, bleibt nicht stehen, geht weg und sucht euch jemanden, der euch helfen kann. Zur Not einen Lehrer.”
      “Tschetan, ich glaube nicht, dass er so etwas tut”, mischte sich Nicholas kleinlaut ein. “Ich meine ja, er ist ein Arsch und ja, er ist rassistisch. Aber er wird sich doch von den Kindern fernhalten…”
      “Teenies”, warf ich ein.
      “Was?”
      “Kaya und Betsy werden dieses Jahr schon 12. Kinder ist da gut gesagt”, ich lachte, um die Situation doch ein wenig aufzulockern. “Apropos Nicholas. Gut, dass du dabei bist. Wir müssen noch zum Laden und Kraftfutter für die Pferde abholen. Dann kannst du tragen helfen.”
      “Na großartig”, antwortete er mir lachen.

      Beim Laden angekommen klärte ich die Bezahlung anhand des Schecks, während Tschetan und Nicholas die Säcke einluden. Akribisch studierte ich die Rechnung, ehe ich den geforderten Betrag in den Scheck eintrug und ihn schließlich, nach einer weiteren Kontrolle, überreichte. Es handelte sich um ein paar hundert Dollar- und dabei nahmen wir gerade mal einen Teil des Futters mit. Ein Pferd war schon teuer, aber eine ganze Ranch? Die ganzen Kosten zu stemmen erschien in meinen Augen unmöglich!
      Wieder auf der Ranch angekommen trafen wir sofort auf Caleb. “Bringt ihr die Säcke bitte in die Futterkammer des Hauptstalls?” Wir nickten alle fleißig, dann ging er wieder seiner Wege.
      Kaya und Betsy verschwanden in Richtung des Bungalows, während ich das Auto vor den Hauptstall stellte, damit wir noch so weit tragen mussten. Zum Glück kamen uns Cayce und Bellamy entgegen und halfen uns beim Ausladen.
      “Nicholas ich hab gesehen, deine Eltern verkaufen einen ihrer dreijährigen Hengste? Oder stellen ihn zur Verfügung?”, fragte Cayce.
      Nicholas nickte. “Ja, Rocket… ich meine Rocking Waves. Ein tolles Tier.”
      “Caleb hat ein Auge auf ihn geworfen, er wollte jetzt am Wochenende auf Turnier fahren und ihn sich vielleicht auch anschauen, er fährt ja quasi an eurer Haustür vorbei dazu.”
      “Caleb fährt weg? Jetzt?”, fragte Tschetan ungläubig und runzelte die Stirn. “Aber die Frau vom Jugendamt kann doch zu jeder Zeit kommen?”
      Cayce zuckte die Schultern. “Er wird wohl wissen, was er tut.”
      “Ich wusste gar nicht, dass ihr auch Pferde habt?”, mischte sich Bellamy interessiert ein.
      “Wir besitzen eine kleine Deckstation, manchmal wird da auch ein wenig hin und her getauscht. Rocket ist so ein Tausch, aber meine Eltern haben einfach keine Zeit für eigene Pferde, geschweige denn, sie auf Turnieren vorzustellen. Wir haben noch drei Wallache, unsere Freizeitpferde. Aber Rocket fällt aus dem Raster… vielleicht nimmt Caleb ihn ja auch zur Verfügung und stellt ihn auf Turnieren vor? Wenn er gut ist, kann er in ein paar Jahren zurück zu uns kommen zum Decken.”

      ~ Ein paar Tage später ~

      Ankunftsbericht von Thiz Bye Bye Bay
      Trainingsbericht für Gunners Styled Gangster (Reining LK 3 - LK 2), Heza Bat Man (Reining LK 5 - LK 4) und GRH’s Bellas Dun Gotta Gun (Reining LK 3 - LK 2)

      Caleb
      Selbstsicher verließ Gangster die Laderampe des Pferdeanhängers. Erst als all seine Hufen knirschend im Schotter zu Stehen kamen, reckte er den Hals in die Luft und wiehrte einmal laut. Aus dem Inneren des Hängers antwortete ihm Batman lautstark. Auch Barbie machte sich bemerkbar. Ein paar Pferde wieherten ebenfalls. Manche ganz nah und lauter, andere weiter weg und leiser. Ich befand mich mit den Pferden auf dem Gelände des ersten Turniers für dieses Jahr. Mit an Bord hatte ich nur meine drei Pferde Gangster, Batman und Barbie. Für das Training mehrerer Pferde hatte mir die Zeit gefehlt. Für Batman würde es auch das erste Turnier unter mir sein. Ich war wirklich gespannt, wie der Hengst sich in fremder Umgebung machte. Barbie und Gangster hatte ich schon ein paar Mal mit auf Tour gehabt, weshalb sie auf den ersten Blick ruhiger zu sein schienen. Batman würde ich in der LK 5 vorstellen und meine beiden anderen Pferde in der LK 3, um alle drei für höhere Turniere in diesem Jahr zu qualifizieren. Blue war bewusst zu Hause geblieben. Mit ihm zusammen hatte ich bereits so viele Erfolge mein Eigen nennen können, und er machte sich bei der Rancharbeit und im Reitunterricht so gut, da brauchte ich ihn mir nicht mehr auf den Turnieren zu verheizen. Und Gangster? Tja, Gangster würde hoffentlich noch ein paar Turnierjahre vor sich haben. Nach und nach rückten nun aber auch die Jungpferde auf, so dass ich mir um den Turniernachwuchs keine Sorgen machen musste. Eine Ranch präsentierte sich am Besten durch seine Nachzucht, die … erfolgreich auf Turnieren abschnitt. ‘Und dann hast du nur eins deiner Nachwuchspferde dabei’, lachte ich innerlich und drückte einem der Helfer auf dem Turnier meinen Hengst in die Hand. Es war ein kleines Turnier, jeder kannte hier jeden. Deshalb hatte ich auf eine Begleitung verzichtet. Freundliche Helfer gab es hier zur Genüge.
      Nachdem alle drei Hengste in ihren Paddockboxen verstaut waren und Gangster sich beruhigt hatte, schlenderte ich zum Abreiteplatz, um mir die Konkurrenz anzuschauen. Eines der Pferde fiel mir sofort ins Auge. Ein hübscher Braunschecke mit schwarzer Mähne und weißem Schweif. Ein wirklich unglaublich hübsches Tier! Eine ganze Weile schaute ich dem Training dieses Pferdes zu. Mir fiel sofort auf, dass er schnell überfordert schien, rollte sich vorne ein und entzog sich den Zügelhilfen. Ich blickte auf die Uhr. Batman hatte heute Abend noch seinen ersten Start, wenn ich ihn in Ruhe an die Umgebung gewöhnen und warmreiten wollte, musste ich ihn gleich fertig machen.
      “Entschuldigen Sie”, sprach ich den Reiter des Schecken an, “starten sie auch später in der LK 5?” Er nickte. “Perfekt, Sie haben da ein wirklich hübsches Tier!”, lobte ich das Pferd.
      “Hübsch ist er wirklich, leider nicht unglaublich talentiert. Das hier ist jetzt sein… ich glaube sechstes Turnier. Wenn er sich heute auch nicht gut macht, werden wir ihn verkaufen.” Ich schmunzelte.
      “Wie ist er denn gezogen, wo kommt er her?”
      “Wir haben ihn seit er ein Jährling ist. Er kommt von einer Farbzucht in Montana. Vater ist Town ain’t big enough und die Mutter Worth the wait”, erklärte mir der Mann und klopfte den Hals des verschwitzten Hengstes.
      “Ich bin immer auf der Suche nach neuen Pferden”, lachte ich und stellte mich vor.
      “Bow River Ranch? Davon hab ich schon gehört”, er schien in seinem Gedächtnis zu kramen, “Reiner und Cutter kommen von da, nicht wahr? Startest du auch später?”
      “Ja genau”, antwortete ich und erzählte ihm kurz etwas zu den drei Pferden, die ich mitgebracht hatte.
      “Ist davon eins zu verkaufen?”
      Ich verneinte.
      “Schade, aber vielleicht sagt dir Benny hier ja zu.”
      Etwa eine Stunde später saß ich auf einem von oben bis unten rausgeputzten Batman. Ich strich ein letztes Mal über meinen schwarzen Hut, ehe ich ihn auf den Kopf setzte und mit dem Abreiten begann. Ich gab dem Hengst genug Zeit, sich die Umgebung zunächst anzuschauen. Ich wollte vermeiden, dass er mir wegen eines flatternden Vorhangs oder einem Knacken im Lautsprecher wegsprang, dessen Existenz er vorher nicht zur Kenntnis genommen hatte. Der schicke Scheckhengst, dessen Name Benny, also eigentlich Thiz Bye Bye Bay war, hatte sich eine Pause verdient und wartete am Rand, während sein Reiter gewechselt wurde. Der Mann, der ihn eben geritten hatte, schien nicht der zu sein, unter dem der Hengst gleich laufen würde. Ich schmunzelte. Unüblich war das nicht. Ich war gespannt, wie der Hengst sich unter seinem richtigen Reiter machte.
      Nachdem Batman abgeritten war, ließ ich ihn noch ein paar Runden am langen Zügel drehen. Als Benny aufgerufen wurde, verließ ich mit ihm den Abreiteplatz und stellte mich am Rand auf, um dem Ritt beizuwohnen. Batman schaute sich interessiert um, ließ sich gar nicht verrückt machen von dem ganzen Trubel und ließ wenige Sekunden später den Kopf und die Unterlippe hängen.
      Benny zeigte schon beim Einreiten Schwierigkeiten. Meines Erachtens nach war er viel zu lange und zu hart abgeritten worden. Er betrat schon klatschnass den Platz. Da hatte es auch nichts gebracht, ihm eben eine kurze Pause zu gönnen. Das ruhige Stehen an X schaffte der Hengst schon nicht, das reindrehen in die Spins war eine Katastrophe. Bei der zweiten Richtung machte er sogar einen Hopser nach vorne, da er mit Galopphilfen gerechnet zu haben schien. Mit einem Ruck an der Kandare wurde er zurück nach hinten gezogen, ehe der Spin in die andere Richtung folgte. Die Spins waren nicht schlecht, aber der Hengst stand so unter Spannung, dass er sein Potenzial gar nicht zeigen konnte. Der Rest der Pattern war eine ebenso große Katastrophe, wie ihr Anfang. Zerknirscht streichelte ich Batmans Hals. Würde das ein Mitleidskauf werden oder hatte Benny vielleicht doch das Zeug, gar nicht so schlecht zu sein, wenn man ihm Zeit ließ?
      Nach dem Ritt verschwand der Reiter des Hengstes mit hochrotem Kopf und einem 0 Score, einer der Roll Backs war in die falsche Richtung gewesen, auf dem Abreiteplatz. Noch bevor er den Hengst für seinen Misserfolg, der zu 100% auf den Reiter zurückzuführen war, strafen konnte, griff ich ein. “Ich kauf den.”
      “Wie bitte?”, der Mann mit dem roten Kopf schien verwirrt.
      “Entschuldigen Sie, ich hatte eben beim Abreiten des Hengstes mit dem … Dude gesprochen, der ihn abgeritten hat. Er meinte, wenn Benny heute auch nicht läuft, geht er weg. Ich hätte ihn gerne.”
      “Was zahlen Sie denn?”
      “Das, was er wert ist.”
      Nach einigem Feilschen einigten wir uns auf einen eher niedrigen Preis. Der Hengst wurde in die freie Paddockbox neben meinen Hengsten gebracht. Ich würde später nach ihm sehen, jetzt musste ich erst einmal mit Batman starten und ein besseres Beispiel für den Reitsport abgeben, als der Dude mit Benny.
      Batman war gelassen, hörte mit wunderbar zu und stand an X auch wirklich still. Die Spins waren langsam aber genau. Es kam mir heute nicht auf Schnelligkeit sondern auf Sauberkeit an. Die Zirkel waren okay für meine Ansprüche, ich musste ihm noch viel helfen, die Spur zu halten – aber das war in Ordnung. Die Galoppwechsel waren nur einfache mit einer kurzen Trabphase dazwischen, Punktabzug würde es dafür nicht geben, aber auch keine Pluspunkte. Die Sliding Stops und Roll Backs waren ebenfalls langsam aber sauber. Wir verließen den beleuchteten Platz mit einem 69er Score. Einen Punkt Abzug gab es, weil es mir beim zweiten Roll Back im Außengalopp angesprungen war. Kann passieren, war kein großes Ding.
      Als ich am noch Besitzer von Benny vorbeikam hielt ich kurz an und sagte: “Ich veranlasse gleich die Überweisung des Geldes für den Hengst.” Er übergab mir die Papiere und einen hingekritzelten Kaufvertrag. Dann dampfte er mit noch immer hochrotem Schädel davon.
      Nach einem kurzen Abreiten von Batman, der nun auch sichtlich geschwitzt hatte, fand ich mich wieder im Stalltrakt ein, in dem meine Tiere untergebracht waren. Ich versorgte Batman, band ihn mit Abschwitzdecke in der Box an und näherte mich der Box meines neuen Scheckhengstes. “Hey, Benny”, sagte ich leise und öffnete die Tür. Die Ohren des Hengstes flogen sofort nach vorne und er kam neugierig auf mich zu. “Du bist ein Braver, nicht wahr?”, ich streichelte über seinen warmen Kopf. Augenblicklich fiel mir auf, dass er komplett verschwitzt ohne Decke hier stand. Ich ging also kurz zu meinem Trailer und nahm eine der Ersatzdecken, die ihm von der Größe her mit Sicherheit passen musste. Zum Glück hatte ich immer mehr Decken dabei, als ich brauchte. Er schien dankbar über die Wärme zu sein, denn seine Hinterhand hatte zu zittern begonnen. “Armer Kerl …”, murmelte ich und entschied dann, ihn über Nacht auch mit einer gefütterten Decke einzudecken.
      Auf dem Weg zurück zum Trailer autorisierte ich die Überweisung des Kaufvertrages für den Hengst. Nun hatte ich offiziell ein neues Pferd. Ich schmunzelte. Die Farbzucht in Montana, aus der er stammte, würde ich mir in naher Zukunft aber auch noch anschauen fahren. Denn wie hieß es so schön? Pferde konnte man nie genug haben.
      Ich verbrachte noch zwei Stunden im Stall. Batman war umgedeckt für die Nacht und alle hatten noch eine ausgiebige Portion Heu bekommen. Benny war noch immer nicht trocken und fing wieder an zu zittern. Ich fluchte leise vor mich hin, ging wieder zum Trailer und holte eine andere Abschwitzdecke, die ich auf seinen Rücken legte, nachdem ich ihm die Nasse ausgezogen hatte. Über die Abschwitzdecke legte ihn nun die gefütterte Regendecke und schloss die Paddocktür, damit es von außen nicht so in seine Box zog. Ich kontrollierte nochmal, ob alle Boxen richtig verschlossen waren. Dann ging ich zu meinem Trailer, um endlich ins Bett fallen zu können.
      Am nächsten Morgen kam ich nicht so gut aus den Federn. Cayce hatte mich darüber unterrichtet, dass zuhause ein Sturm gewütete hatte. Die Rinder waren weg – Bisons hatten den Zaun zertrampelt und auf der Ranch war wohl auch nicht mehr alles im grünen Bereich. Wir telefonierten eine Weile. Ich war schon am Zusammenpacken und wollte mich auf den Rückweg machen. Cayce versicherte mir jedoch, dass sie alles im Griff hatten. Ich versprach ihm, gleich nach meinem letzten Start einzupacken und nach Hause zu kommen.
      Zum Glück waren meine beiden verbleibenden Starts mit Gangster und Barbie am Morgen, so dass ich mich am frühen Mittag mit meinen drei, nein vier Pferden auf den Rückweg machen konnte.
      Nach einem schnellen Kaffee ging ich sofort in den Stall. Gangster, Batman und Barbie fraßen genüsslich ihr Heu. Benny lag noch mit geschlossenen Augen in der Box. Er hatte schließlich auch einen anstrengenden Tag gehabt. Als ich jedoch seine Boxentür öffnete, öffnete er die Augen und stand auf. Kurz schüttelte er sich, ehe er mir wieder seinen Kopf entgegen streckte. Ich lächelte. So ein nettes Pferd!
      Zu meinem Glück zitterte er nicht mehr. Unter der Decke war er angenehm warm, weshalb ich auch entschied, ihm die doppelte Decke anzulassen.
      Dann machte ich Gangster fertig, denn mit ihm würde ich zuerst starten. Um Zeit einzusparen sattelte ich Barbie ebenfalls und band ihn an seinem Halfter in der Box vor seinem Heunetz an. So hatte er etwas zu tun und ich müsste ihn nicht gleich noch in aller Eile putzen und satteln.
      Zusammen mit Gangster ging ich zum Abreiteplatz. Bennys Besitzer traf ich auch wieder an. Er schaute nicht schlecht, dass ich auch so einen schönen Scheckhengst vorzuweisen hatte. “Das ist einer von meinen Reinern die auch Cow Sense haben”, meinte ich und fuhr durch Gangsters rabenschwarze Mähne. “Hab schon drei Nachkommen von ihm Zuhause, top Tiere.” Ich zog ihm absichtlich die Nase lang, denn, und ich hatte mir das schon gedacht, kam prompt die Nachfrage nach dem Verkauf der Tiere. Ich schüttelte den Kopf, versicherte ihm aber, dass ich mich bei ihm melden würde, falls er doch in Frage kommen würde – natürlich würde ich mich nicht bei ihm melden, dachte ich, als ich mich umgedreht hatte.
      Der Ritt mit Gangster war leider eine halbe Katastrophe. Er regte sich so über Kleinigkeiten auf, so dass er am Ende beim Roll Back nicht einmal mehr von meinem Bein wegging. Ich bog ihn um mein inneres Bein herum, wechselte die Seite und bog ihn auch um mein anderes Bein. Erst als er schön davon wegging, positionierte ich ihn erneut, gab die Hilfen zum Roll Back und parierte ihn nach ein paar Metern wieder durch. 0 Score, ich dankte ab und verließ trotzdem unter mäßigem Applaus den Platz.
      Auf dem Abreiteplatz ging ich die einzelnen Bestandteile der Pattern mit ihm nochmal durch. Dieses Mal sprang er beim Roll Back direkt vom Bein weg. Ich parierte zum Schritt durch und ließ ihn noch eine Weile am langen Zügel gehen. Meine Gedanken kreisten um die Heimat, ich war nicht bei der Sache.
      Wenig später spiegelte sich das auch beim Ritt von Barbie wider. Aufgrund seines antrainierten Know Hows überspielte er meinen Fehler mit dem Zurückwechseln in den richtigen Galopp – ich hatte ihn im Außengalopp fälschlicherweise anspringen lassen. Das kostete uns definitiv die Platzierung, denn der Rest der Pattern war nicht schlecht.
      Nach meinen beiden Starts packte ich alles zusammen und lud es in den Trailer. Mit Batman hatte ich Platz 13 gemacht, mit Gangster gar keinen und mit Barbie Platz 19. Für das erste Turnier dieses Jahr war ich … ganz zufrieden. Ich wusste, woran ich arbeiten musste und würde auch mit den Gedanken hoffentlich mehr bei der Sache sein. Mit einem neuen Pferd im Schlepptau machte ich mich auf den Heimweg.



      Tschetan
      “Wartet!” Ich stemmte die Füße in die Bügel, drehte mich der Stimme zu. Louis lief auf mich zu. “Nehmt das hier mit”, damit hielt er ein Gewehr im Holster nach oben. Wortlos befestigte er es an meinem Sattel. Ich war erstaunt…dass er mir eine Waffe anvertraute. “Cayce und Laurence mussten auf der Suche gestern 2 der Rinder erlösen”, sprach Louis ernst, “passt aufeinander auf und keine Risiken in den Bergen, ja?” Nicholas sah zu mir, dann nickten wir ihm zu.
      Vor zwei Tagen war ein heftiger Sturm über die Ranch gefegt. Wir hatten gut mit den Reparaturen zu tun. Von den Pferden war keiner zu Schaden gekommen. Eine kleine Herde Bisons hatte sich ins Tal verirrt und war an den nördlichen Hängen durch die Gatter der Rinder gebrochen. Zäune hielt diese Giganten nicht auf. Dadurch war eine Panik in der Herde entstanden. Wenige der Tiere waren vom Plateau an der Ferienranch in den Tod gestürzt, andere hatten wir einfangen können. Allerdings fehlten einigen der Kühe noch immer ihre Kälber. Daher waren O’, Nicholas, Aimee und auch ich herangeholt worden, um die Kälber zu suchen. Waren sie zu stark verletzt, würden wir sie erlösen müssen. Aimee war im Team mit Octavia und Cayce bereits losgeritten. Wir hatten das Areal aufgeteilt. Sicherlich hatte auch Cayce ein Gewehr dabei, denn weder Aimee noch O’ traute ich zu, abzudrücken.
      “Wo willst du starten?”, fragte Nicholas.
      “Wir reiten hinauf zu den Weiden. Es hat noch nicht wieder gestürmt oder geregnet. Oben auf dem Hang folgen wir am besten den Spuren. Die der Bisons werden sich deutlich von denen der Kühe unterscheiden. Von da aus…könnte ich vielleicht die Spuren der Kälber ausfindig machen.”
      Nicholas zog sich den Hut tiefer ins Gesicht. “Wie die Cowboys alter Zeiten! Mit Gewehr und Fährtenlesen.” Ich ging nicht weiter darauf ein. Ich war nicht wirklich erpicht darauf, Gebrauch vom Gewehr zu machen. Allein bei dem Gedanken daran zog sich in mir etwas zusammen. Ich hatte bereits geschossen. Louis und Caleb hatten mir im letzten Sommer den Umgang damit gezeigt. Natürlich hatte ich auch bereits getötet. Was allerdings nicht bedeuten musste, dass es mir gefallen hatte. Außerdem war ich auch nicht sonderlich erpicht darauf, der Bisongruppe zu begegnen. Die Jungen wurden geboren, die Kühe konnten ziemlich ungemütlich werden in dieser Zeit. Das würde die erste Bewährungsprobe für Sungila werden. Sie war noch nicht allzu lang unter dem Sattel. Ihre Hauptaufgabe würde eines Tages aber werden, Touristen sicher durch das Gelände zu tragen. Daher hatte ich mich für sie entschieden. Louis hatte meine Wahl nicht weiter kommentiert. Jedoch hatte er angemerkt, dass Nicholas besser Easy reiten sollte. Ein rancherfahrenes Pferd, um Sungila die nötige Sicherheit zu geben. Am Rind war die Stute unerschütterlich, schließlich liefen die Rinder teilweise mit bei den Pferden auf der Weide - um die Pferde von Beginn an, an ihre Aufgabe zu gewöhnen. Ein Bison jedoch war eine komplett andere Hausnummer.

      Von Sungilas Rücken aus starrte ich auf den Boden. Zumindest konnte ich keine neuen Spuren ausmachen. Weder von den Bisons, noch von den Rindern. Die Spuren der Bisons hatten keine kleinen Abdrücke. Um mir das ganze besser anzusehen, stieg ich vom Pferd und gab Nicholas die Zügel meiner Stute in die Hand. Ich trennte die Spuren voneinander. Zwei größere Herdenteile waren kleiner, als die Spuren der Bisons. Sie führten in unterschiedliche Richtungen. Nur eine jedoch führte weiter in das Gebirge hinein, fort von der Ferienranch. Ich konnte drei Tiere erkennen, deren Spuren tief im Boden zu sehen waren. Sie konnte ich als die Mutterkühe erkennen. Neben zwei davon befanden sich kleinere, schlurfende Spuren. Die Kälber mussten müde gewesen sein, dass sie kaum die Füße gehoben hatten. Wohlwollend nahm ich außerdem zur Kenntnis - die Spuren der Bisons führten in die andere Richtung. Von meiner hockenden Stellung erhob ich mich wieder. Nicholas Blick ruhte auf mir. Die Art und Weise, wie er mich ansah, vermochte ich nicht ganz zu deuten. Verwirrung? Dann huschten seine Augen hastig auf den Pfad. “Wir müssen in die Richtung, wenn ich dich richtig gedeutet hab?”, fragte er ernst. Mich richtig gedeutet? Ich nickte, deutete mit den Lippen in die entsprechende Richtung.
      “Die Spuren mit den Kälbern führen den Berg weiter hinauf. Die der Bisons gehen weiter hinunter ins Tal.”
      “Beeindruckend. Ich mein…ja ich kann die Spuren sehen. Das ist nicht schwer. Aber das du überhaupt diese Stelle gefunden hast. Natürlich hört und sieht man in den Filmen von Fährtensuchern. Aber so in Persona. Hab ich das noch nie erlebt. Ich bin beeindruckt! Könnte ich nicht durch die Bäume unten das Tal mit der Ranch erahnen wäre ich hier vollkommen aufgeschmissen”, er reichte mir Sungilas Zügel und ich stellte einen Fuß in den Steigbügel.
      “Tja, selbst die US Army musste auf indianische Scouts zurückgreifen,” sprach ich stolz und zwinkerte. Dann stemmte ich Kraft in meinen Fuß und zog mich nach oben. Gerade als ich mein Bein über den Rücken der Stute legen wollte, schoss sie plötzlich rückwärts. Ich prallte mit dem Gesicht heftig auf ihren Hals, krallte mich an Mähne und Hals fest, als Sungila neben rückwärts auch zu einer behenden 180° Wendung ansetzte. Dabei verlor ich endgültig mein Gleichgewicht, flog aus dem Sattel und vom Pferd. Allerdings blieb mein Fuß im Bügel hängen, sodass Sungila mich bei ihren drei Galoppsprüngen neben sich her schliff. Durch das dichte Unterholz gebremst blieb sie allerdings fix wieder stehen. Das alles war so schnell passiert, dass ich perplex in die Richtung starrte in der wir uns soeben noch befunden hatten. Nicholas schien vom Pferd gesprungen zu sein und hastete mir entgegen. Ich richtete den Oberkörper auf um den Fuß aus dem Bügel zu befreien. “Elch!”, sprach Nicholas. Verwirrt sah ich ihn an.
      “Elch?!”
      “Ja, der kam plötzlich aus dem Unterholz. Hat uns gesehen und rannte wieder weg. Davor muss sie sich erschrocken haben. Alles gut bei dir?”
      Erst jetzt merkte ich den unangenehm stechenden Schmerz in einigen Teilen meines Körpers. Beim aufstehen verstand ich auch wieso - Sungila hatte mich und sich in einen riesigen Busch Brombeeren befördert. Mit dem Gesicht war ich einmal durch die Äste gezogen worden. “Dein ganzes Gesicht ist völlig zerkratzt”, stellte Nicholas zerknirscht fest. Ich widerstand dem Versuch mir mit der Hand durch das Gesicht zu fahren. “Erklärt zumindest, wieso das so brennt.” Ich manövrierte die Stute rückwärts aus dem Gestrüpp und kontrollierte ihre Beine. Aber die Stute war unversehrt. Ich sah mich einmal um und machte anstalten, den Sattel wieder zu besteigen. “Wart ‘nen Moment. Du hast da Brombeer in deinem Haar.” Nicholas kam auf mich zu, während ich noch an meinen Zöpfen hinab sah und das unangenehme ziehen im Nacken wahrnahm. Der Versuch, den Strunk einfach aus den Haaren zu ziehen, war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Nicholas versetzte mir einen Schlag auf die Hand. “Du machst das nur schlimmer.” Dann machte er jedoch keine Anstalten. “Darf ich?”
      “Was?”
      “Hab ich keinen Schlag zu erwarten?”, ich musste schmunzeln. “Du erinnerst dich daran?”
      “Zu meiner Verteidigung… ich musste Aimee danach fragen. Für mich waren es nur Haare.”
      “Jetzt hol mir schon den Strauch da raus, es piekst. Ich denke nicht du willst mir etwas böses”, dabei zwinkerte ich ihm grinsend zu.” Nicholas drückte behutsam gegen meinen Kopf, damit er besser an meinen Nacken heran kam, friemelte eine Weile an den Haaren herum, um schließlich den Strunk Brombeeren daraus zu befreien.
      “Das wär..ouh”, ich sah ihn ratlos an. “Du hast ein paar Dornen im Gesicht.”
      “Dann mal ans Werk”, ich hatte da so eine vage Ahnung, wo sie drin steckten. In Ermangelung eines Spiegels war ich auf Nicholas Hilfe angewiesen. Mit den Fingerkuppen holte er vorsichtig die Dornen aus meinem Gesicht. Aus halb gesenkten Augenlidern beobachtete ich ihn. Spürte plötzlich allzu deutlich die Berührung seiner Haut auf der Meinen…und seinen Atem in meinem Gesicht. Als sich unsere Blicke trafen verharrten wir in dieser Position, starrten nur dem anderen in die Augen. Nach einigen Sekunden riss Nicholas sich los, kommentierte meine Befreiung mit “Alles weg” und richtete sich auf.
      Ich wischte mir die nassen Hände an der Jeans ab. “Dann lass uns mal diese Rinder finden.”

      Aimee
      “Was rennt der denn so”, sprach O mehr zu sich selbst als zu mir, dennoch kommentierte ich ihre Aussage mit einem: “Das ist eine gute Frage.” Ich parierte Gin, die Cayce mir wohlwollend zugeteilt hatte, zum Schritt durch. O tat das Gleiche mit Honor. Cayce trabte noch immer mit Devil vorne weg und schien keine Anstalten zu machen, sein Tempo zu drosseln. Plötzlich blieb er so abrupt stehen und drehte sein Pferd in unsere Richtung um, dass Gin laut prustend einen Satz zur Seite machte. “Tschetan hat mir grade getextet, sie haben ein paar Spuren, die hoch zur Ferienranch führen. Wir sollen uns unten im Tal unter dieser umsehen.” Klar, dazu waren wir ja gerade auch nur eine Stunde in die falsche Richtung geritten.
      “Willst du nicht Bellamy anrufen? Bis wir dort sind, eine Stunde zurück zur Ranch und eine Stunde in Richtung Ferienranch, ist es schon stockduster. Bell kann ja mit Laurence los, Blue ist ja noch zuhause”, warf O schulterzuckend ein. Cayce runzelte die Stirn und schien wirklich konzentriert nachzudenken. Er wurde immer mehr in die Dunstwolke seiner klatschnassen Devil gehüllt, die sichtlich froh um diese Pause zu sein schien.
      “Wieso muss Caleb ausgerechnet jetzt Weltenbummler spielen”, brummelte er vor sich her.
      “Er weiß doch Bescheid und kommt heute Abend vom Turnier zurück, mit ihm wäre die Situation hier genau die Gleiche, außer, dass wir noch jemanden mehr zum Suchen hätten”, kommentierte O. Ich hielt mich bedeckt, wollte mich nicht in die Diskussion der Erwachsenen einmischen. Ich kannte weder das Areal noch die Tiere wirklich gut.
      Cayce schnalzte und trieb Devil im Schritt an. Als er zwischen uns durchritt erkannte ich sein Handy am Ohr. Ein paar Sekunden später unterhielt er sich schon mit Bellamy, der sich mit Laurence sogleich auf den Weg machen wollte. “Nehmt Blue und Alan. Ich wollte dir schon Gangster unter den Hintern setzen, aber dann kommt ihr mit einem Pferd oder einem Reiter weniger nach Hause.” Cayce lachte. O und ich sahen uns an, sie rollte zunächst die Augen, ehe sie mich doch angrinste. Auch ich lächelte, warf aber dann einen besorgten Blick nach hinten.
      “Ähm Leute, wo kommt denn jetzt der Nebel her?”
      “Was?!”, fragte Cayce irritiert und drehte sich ebenfalls nach hinten um. “Das auch noch, was ein Mist. Damit wird die Suche noch schwieriger.”
      Wir trabten die Pferd an. Ich war mir nicht ganz sicher, ob Cayce einfach nur schneller zurück zur Ranch, oder unter keinen Umständen in den Nebel geraten wollte. Beides, schlussfolgerte ich, denn bereits nach wenigen Metern galoppierte er Devil an. Gin und Honor folgten schnaufend. Zum Glück befanden wir uns im Tal, so dass sich die Ebene flach vor uns erstreckte und wir nicht ständig bergauf oder bergab reiten mussten.

      “Das gibt ganz schön Kondition”, japste ich aus dem letzten Loch pfeifend während der nächsten Schrittpause.
      Cayce drehte sich zu mir um: “Bei dir oder beim Pferd?” Er und O sahen sich kurz an, ehe beide laut losprusteten.
      “Haha”, kommentierte ich seinen überaus lustigen Witz, stemmte dann jedoch eine Hand in die Hüfte und atmete einmal laut ein und aus.
      Als ich an der Ranch angekommen endlich vom Pferd hüpfen konnte, fühlten sich meine Beine wie Wackelpudding an. O schien es da ähnlich zu gehen.
      “Wisst ihr was ich gleich brauche? Eine lange und sehr heiße Dusche. Badewanne wäre noch besser. Meint ihr Caleb köpft mich, wenn ich sein Riesenteil oben benutze?”
      “Caleb hat oben eine riesen Badewanne?”, richtete ich mich neugierig an O.
      “Klar, warst du noch nie oben in seinem Zimmer?”
      Cayce zog die Stirn in Falten, verkniff sich ein Grinsen und fragte mit aller Ernsthaftigkeit, die ihm durch sein breites Grinsen noch übrig blieb allen Ernstes: “Ja Aimee, warst du noch nie in Calebs Zimmer?”
      Perplex starrte ich die Beiden an. Was sollte das denn jetzt werden? Noch bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte, boxte O ihm gegen den Arm. “Hey, du hast damit angefangen!”, beschwerte er sich, griff dann jedoch die Zügel von Devil nach, die sich mit angelegten Ohren rückwärts und weg vom Tumult bewegte. “Lasst uns jetzt erst die Pferde versorgen.”

      Eine halbe Stunde später hatten wir allen Pferden den Schweiß aus dem Fell gewaschen und sie unters wärmende Solarium gestellt. Zum Glück hatte Caleb bereits vor dem Winter aufgerüstet. Zu dem einzelnen Solarium waren zwei weitere dazu gekommen. Dies kam uns jetzt zugute, denn sonst hätten wir die Pferde nicht waschen können.
      “Murphy kannst du einen Blick auf die drei haben?”, fragte Cayce, der nun selbst zu merken schien, wie verschwitzt er war. Er rieb sich den Oberarm und schien zu frösteln. Tagsüber war es zwar mittlerweile angenehm warm aber abends wurde es rasch kälter.
      “Klar, ich bin eh noch am Misten, wenn die trocken sind stell ich sie euch in die Box. Geht euch aufwärmen.” Dankend nickten wir und verließen den Stall.
      Ich wollte in Richtung des Bungalows gehen, in dem mein Vater und ich wohnten, doch O zog mich in Richtung des Haupthauses. “O, was machst…”
      “Psssst”, sie legte einen Finger auf ihre Lippen und sagte in Cayces Richtung gewandt: “bis später beim Essen, Cayce.”

      O zog mich ins Haupthaus hinein und die Treppe nach oben. Zögerlich folgte ich ihr. Sie schien sich hier gut auszukennen, steuerte sofort ein Schlafzimmer mit Blick über die ganze Ranch an. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mir die tollen Möbel anzuschauen, als dass ich merkte, wie O sich hinter mich gestellt hatte. Erst als es vor mir dunkel wurde begriff ich, dass sie mir die Augen zuhielt. Ich spürte einen Druck an meinen Beinen, der mich dazu zwang, einen Schritt nach vorne zu machen. Dann noch einen- und noch einen. “Na geh schon”, sprach O aufgeregt und ehe ich mich versah glotzte ich Calebs riesige Badewanne an.
      “Das ist also Calebs riesen Teil”, kommentierte ich das, was ich da vor mir sah.
      “Das ist Calebs riesen Teil”, wiederholte Octavia lachend, ging zum Wasserhahn hinüber, stellte ihn auf ‘heiß’ und öffnete ihn.
      “O ich glaub nicht, dass wir hier drin sein dürfen.. und seine… seine Sachen benutzen.”
      Octavia zuckte mit den Schultern. “Er braucht sie gerade nicht – und außerdem reißt er uns schon nicht den Kopf ab.. hier”, sie schmiss mir eins der großen Handtücher rüber, “zieh dich aus, ich such uns was zum Anziehen gleich.” Mit diesen Worten verschwand sie wieder im Schlafzimmer, welches, dem war ich mir jetzt zu 100 Prozent bewusst, Calebs sein musste.
      Ich schälte mich aus meinen verschwitzten Sachen. Nach und nach kamen sie auf dem Boden zu liegen, während ich mir das Handtuch um den nackten Körper wickelte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Wanne vollgelaufen war. Neben dieser standen ein paar Duschschäume. Ich nahm mir die Packung mit der Aufschrift ‘Himmlischer Rosenblütenduft’ und goss davon einen Schuss ins Wasser. Sofort fing es an zu schäumen.
      O kam mit einem Stapel Kleidung aus Calebs Zimmer zurück, teilte sie auf zwei Haufen auf und legte sie auf den Boden unweit der Wanne. “Jetzt klauen wir auch noch seine Klamotten?”
      “Er bekommt sie ja zurück.”
      Während O sich auszog schaute ich mir das Bad an. Es war aufgeräumt und sauber. Klar, Dolly putzte hier ja auch fleißig. Ob er selbst auch mal einen Handschlag tat? Ich bezweifelte es. Dafür war er viel zu sehr beschäftigt und ich konnte mir ihn wirklich nicht mit einem Putzlappen in der Hand vorstellen. Mit einem Feuchttuch, um einem Pferd die Nüstern abzureiben, damit sie für ein Fotoshooting auch schön glänzten, schon eher.
      “Komm”, riss O mich aus meinen Gedanken. Sie ließ das Handtuch auf den Boden fallen und glitt ins Wasser. Sie schien weniger Probleme damit zu haben, nackt zu sein, als ich. Wer konnte seinen Körper als Teenager schon leiden? O schien meine Gedanken lesen zu können, denn sie drehte sich überaus auffällig zur Seite Weg, sagte aber kein Wort. Das Handtuch glitt von meinen Schultern gen Boden. Ich kletterte ins warme Schaumbad und ließ mich langsam hineingleiten. “Du bist echt noch nie hier oben gewesen?”, fragte mich Octavia ungläubig, legte den Kopf auf dem Badewannenrand nach hinten ab und schloss die Augen.
      “Nein, was hätte ich denn hier zu suchen gehabt?”, fragte ich sie irritiert.
      “Wohl wahr. Ich vergesse nur allzu gerne, dass du nicht die selben Erinnerungen mit Caleb teilst, wie ich. Es kommt mir vor, als seid ihr schon von Anfang an dabei, seit damals.”
      “Hm?”
      “Ach, nicht so wichtig. Genieß das warme Wasser.”
      “Das tut wirklich unglaublich gut”, seufzte ich und schloss ebenfalls die Augen. Was ein Tag…

      Wie viel Zeit wir im warmen Wasser verbrachten wurde mir erst bewusst, als ich Stimmen aus dem Flur vernahm. ‘Sie sehen heute wieder bezaubernd aus, Miss Dolores’, jemand kicherte. ‘Ach Laurence, ich sagte Ihnen doch schon ein paar Mal, sie sollen mich Dolly nennen.’
      “O, psssst, O!”
      “Hm?”
      “Da kommt jemand!” Kaum hatte ich meine Warnung beendet, öffnete sich die Tür des Badezimmers. Zuerst trat Dolly herein, gefolgt von… Laurence?
      “Ach du liebes bisschen!”, erschreckte sich Dolly und zuckte kurz zusammen. Laurence drehte sich peinlich berührt im Türrahmen um, als hätte er gar nichts gesehen. “Was macht ihr hier?”, richtete sich Dolly an uns, die sich von ihrem ersten Schreck erholt zu haben schien.
      “Caleb hat eine große Wanne und wir waren den ganzen Tag unterwegs, um die Rinder zu suchen”, erklärte sich O und kramte mit einer Hand nach dem Badetuch, welches sie schließlich erwischte und schwungvoll nach oben zog. Bemüht, es nicht ins Wasser zu tunken. “Das Wasser wird allerdings kalt, sieht wohl so aus, als müssten wir eh jetzt raus.” Sie stand auf, wickelte das Handtuch geschickt um ihren nackten Körper und verließ die Wanne, indem sie sich auf den flauschigen Teppich davor stellte. “Wenn ich bitten darf?”, fragte sie an Dolly gewandt und zeigte zur Tür, aus dessen Rahmen Laurence verschwunden war. “Wir sind direkt weg”, kicherte sie.
      Dolly stellte ihren Putzeimer mit dem dampfend heißen Wasser auf den Boden, verließ das Badezimmer und zog die Tür hinter sich bei. Von draußen hörte ich sie und Laurence leise miteinander reden. Mir war schon öfter aufgefallen, dass die Beiden Zeit miteinander verbrachten. “Ich würde es Laurence gönnen”, zwinkerte O mir zu.
      “Iiiih O, da ploppen Bilder in meinem Kopf auf, die ich nicht sehen möchte”, ich lachte und stieg ebenfalls aus der Wanne, wickelte mich ins Handtuch ein und rubbelte mich irgendwie trocken, damit ich mich anziehen konnte. “Du hast selbst die Boxershorts von Caleb geklaut?”, kommentierte ich ein wenig verzweifelt die Ausbeute der Braunhaarigen. Sie zuckte nur mit den Schultern und wiederholte ihre Aussage von eben: “Er bekommt die Sachen ja wieder.”
      Fertig angezogen verließen wir das Bad. Beim Vorbeigehen an Laurence und Dolly schien Octavia sich die Aussage: “Schönen Abend noch euch Beiden”, nicht verkneifen zu können. Manchmal war sie kindischer als ich.
      Wir wollten gerade das Haupthaus verlassen, öffneten die Tür und liefen – wer hätte es gedacht, in Caleb hinein. Dieser musterte uns von oben bis unten. “Kann es sein, dass ihr meine Sachen tragt?”, fragte er uns grinsend und verschränkte die Arme vor der Brust.
      Ich fing an etwas unverständliches zu stammeln, was einer Entschuldigung gleich kam. O dagegen blieb cool, drückte ihm ihr Handtuch in die Hand, drehte sich nach hinten um, nahm mir meines weg und tat das Gleiche.
      “Kannst du ja gleich mit in die Wäsche nehmen, dann kannst du dir auch sicher sein, dass sie wieder in deinem Schrank landen, bis gleich beim Essen.”
      Ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg und ich meine Augen niederschlug. O stolzierte an Caleb vorbei nach draußen, blieb nach wenigen Schritten jedoch stehen, als sie merkte, dass ich ihr nicht folgte. “Kommst du oder was?”
      “Ich… ähm…”
      “Die Sachen hätte ich gerne wieder, ja?”, entgegnete Caleb mit einem belustigten Unterton in der Stimme, machte mir Platz, damit ich nach draußen gehen konnte und schloss dann kopfschüttelnd die Tür hinter sich.
      “Wo kam der denn jetzt her?!”, fragte ich O, die mir vor Lachen gar nicht antworten konnte. Sie bekam sich gar nicht mehr ein – und als sie anfing wie ein Schwein zu grunzen, konnte ich nicht mehr anders und prustete ebenfalls drauflos. “Also langweilig wird’s hier nie.”

      Caleb
      Hinter mir fiel die Haustür mit einem dumpfen ‘klack’ ins Schloss. Grinsend zog ich mir den Hut vom Kopf und legte ihn auf seinen Platz auf der Kommode. Meine Stiefel stellte ich daneben auf den Boden und meine Jacke hängte ich an einen der freien Haken. Ich legte den Kopf schief. Es waren zu viele Haken unbesetzt. Betsys Jacke fehlte. War sie noch draußen unterwegs?
      “Betsy?”, rief ich einmal laut doch erhielt keine Antwort. “Hm.”
      Mein Weg führte mich von der Küche, in der ich mir ein Glas Wasser holte, ins Esszimmer, wo ich einen gedeckten Tisch vorfand. Nach einem Blick auf die Uhr wurde mir klar warum. Ich hatte es pünktlich zum Essen nach Hause geschafft, was ein Zufall!
      Nach und nach trudelten die Mitarbeiter der Ranch ein und verteilten sich auf die freien Plätze. Laurence und Dolly traten gemeinsam ein und Laurence rückte ihren Stuhl zurecht. Seit die gute Dolly hier arbeitete, bestand ich darauf, dass sie mit uns gemeinsam aß- wann immer sie das wollte. Morgens erwischte ich sie fast immer beim Naschen, so dass sie später beim Frühstück so gut wie nie Hunger hatte. Abends aber gesellte sie sich beinahe immer zu uns.
      “Cayce, schon was Neues von Tschetan und Nicholas gehört?”
      Cayce nickte. “Eben über den Pager kam, dass die Beiden die Rinder und Kühe gefunden haben, ein Kalb ist dabei. Sie müssen allerdings draußen übernachten … sie hätten es nicht mehr vor Anbruch der Dunkelheit zurück geschafft.”
      Ich nickte. Das war zwar nicht die Antwort, die ich hören wollte, aber immerhin hatten sie die Tiere gefunden und würden sie hoffentlich am nächsten Morgen unbeschadet zurückbringen. “Und die anderen Tiere? Ich hab die Herde eben überflogen – wo ist der Rest?”
      Betretenes Schweigen.
      Schließlich räusperte Laurence sich. “Zwei Tiere waren so schwer verletzt, dass wir sie erschießen mussten”, dabei zeigte er auf sich und Cayce.
      “Verdammte Bisons!”, warf Bellamy ein und wurde jäh von Laurence unterbrochen.
      “Verdammter Sturm, Bellamy. Die Bisons gerieten auch nur in Panik, gib ihnen nicht die Schuld.”
      Das Gespräch über die Rinderherde zog sich noch ein paar Minuten. In meinem Kopf rechnete ich unentwegt hin und her, wie viele und vor allem welche Tiere noch da waren.
      “Hab ihr zwei Rinder oder zwei Kühe erlöst?”, fragte ich in Cayces Richtung gewandt.
      “Zwei Kühe, von den Kälbern keine Spur.”
      “Also zwei Kühe und zwei Kälber weniger, macht 13 erwachsene Tiere und 4 Kälber”, ich überlegte weiter, “Tschetan und Nicholas haben ein Kalb und die Mutterkuh sowie… wie viele der Rinder?”
      “Ich glaube 2 weitere”, warf Bellamy ein.
      “Dann müssten draußen 10 erwachsene Tiere und 3 Kälber stehen?”
      Alle schienen zu überlegen. Es waren zwei aufregende Tage gewesen, rechnen gehörte heute Abend wohl zu niemandes Stärke.
      “Ach, ich geh jetzt zählen.” Cayce stand auf und verließ den Raum, bevor irgendjemand auf die Idee kam, Widerworte einzulegen.
      Wieder sah ich mich am Tisch um. Betsy fehlte noch immer. Octavia, Aimee, Louis, Kaya und Ylvi fehlten aber ebenfalls noch, weshalb ich mir noch keine allzu großen Sorgen machte.
      Die Haustür wurde geöffnet und wenig später stand Cayce im Türrahmen. “10 Erwachsene und 3 Jungtiere.” Er stemmte den Arm in die Hüfte und schnaufte.
      “Sind Sie etwa gerannt, Mr. Cayce?”, fragte Dolly belustigt, hielt sich die Hand vor den Mund und kicherte.
      “Na aber sicher!”, er lachte und setzte sich wieder auf seinen Stuhl.
      “Essen Louis und Ylvi heute nicht mit?”, fragte ich in die Runde und bekam als Antwort Gemurmel.
      “Und Kaya und Betsy?”
      Wieder keine Antwort.
      Sollte ich zu Louis und Ylvi rüber gehen und schauen, ob alles in Ordnung war? Bevor ich allerdings, vielleicht umsonst, einmal quer über den Hof lief, zückte ich mein Handy und schrieb Ylvi eine kurze Nachricht. Kaum hatte ich es wieder in meine Hosentasche gesteckt, vibrierte es. Die Antwort auf dem Bildschirm machte mich stutzig. Kaya war bei ihnen, aber Betsy fehlte.
      “Hat jemand von euch Betsy heute gesehen? Sie ist nicht bei Louis und Ylvi.”
      Ich blickte in zunächst ratlose Gesichter. Hier und da wurde sie heute gesehen, aber seit ein paar Stunden wusste niemand mehr, wo sie sein sollte.
      “Es tut mir Leid euch alle jetzt hier vom Esstisch vor dem Essen aufzujagen, aber …”
      “Ich such in den Ställen”, meldete sich Cayce sofort zu Wort.
      “Ich schau bei den Koppeln … Laurence, guckst du bei den Paddocks?”, dirigierte Bellamy und stand auf.
      “Ich geh zu Louis und Ylvi und von dort zum hinteren Teil der Ranch.” Damit stand auch ich auf und verließ den Raum.

      Hinter mir fiel die Tür des Bungalows von Ylvi und Louis ins Schloss. Auch sie waren in heller Aufregung und halfen bei der Suche nach Betsy. Kaya hatte mir einen guten Tipp gegeben. Ich solle mal im alten Bungalow von Betsy und Dell schauen. Ihre Freundin hat heute immer wieder von ihrem Vater gesprochen und wie sehr sie ihn vermisse.
      Ich hatte nur noch wenige Schritte, bis ich vor der Tür des Bungalows stand, in dem einst Dell gewohnt hatte. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, wie unfair das Leben war. Als ich an die Tür klopfte, bildete sich ein Kloß in meinem Hals. War sie überhaupt hier? Was würde ich gleich zu ihr sagen? Was wollte sie hören – oder viel besser, was musste sie hören?
      Es blieb still hinter der Tür, dennoch trat ich ein. Der zunächst dunkle Raum wurde von Licht durchflutet, als ich den Schalter betätigte. Kurz musste ich die Augen zusammenkneifen. Allerdings gewöhnten sich meine Augen schnell an die Helligkeit.
      “Betsy?”, fragte ich einmal in den Raum hinein, erhielt jedoch wie im Haupthaus zuvor keine Antwort.
      Mein Weg führte mich sofort in Betsys altes Zimmer, in dem ich sie jedoch nicht antraf. Langsam stieg ein wenig Panik in mir hoch. Wo war sie bloß?!
      Mit dem Öffnen der Tür von Dells altem Schlafzimmer fiel jedoch alle Last von meinen Schultern. Dort im Bett lag das Mädchen zusammengekauert unter der Decke.
      “Betsy?”, fragte ich erneut, erwartete allerdings keine Antwort.
      Zu meiner Verwunderung jedoch drehte sie sich im Bett um und schaute mich aus verquollenen Augen an. “Hm?”, war ihre Reaktion auf meine Frage. Dann drehte sie sich zurück, wandte sich wieder von mir ab und zog die Decke bis an ihr Kinn.
      Langsam ging ich auf das Bett zu, vernahm jeden meiner Schritte zehnmal so laut. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Nervös rieb ich meine Hände aneinander, als ich das Mädchen fragte: “Darf ich mich zu dir setzen?”
      Statt einer Antwort rückte sie nach links und machte mir am Rand des Bettes Platz. Eine meiner Hände legte ich auf ihre Schultern, mit der anderen tippte ich flink ein ‘hab sie’ in unsere Hofgruppe, damit sich niemand weiter Sorgen machen musste.
      Eine ganze Weile saß ich schweigend neben ihr, während sie leise vor sich hin schluchzte. Sie so weinen zu hören zerbrach mir jedes Mal das Herz, besonders deshalb, weil ich ihr den Schmerz nicht nehmen konnte.
      “Wir haben dich beim Abendessen vermisst und uns Sorgen gemacht”, fing ich an leise mit ihr zu reden, “zum Glück hatte Kaya einen Verdacht, wo ich dich finden kann … Ich … Möchtest du … Möchtest du darüber reden?”
      “Nein”, kam nach einer ganzen Weile die knappe Antwort des Mädchens.
      “Soll ich einfach hier bei dir sitzen?”
      “Ja …”

      Ich schwieg wieder, strich ihr sanft über die Schulter und schaute mich im Zimmer um. Wir waren noch nicht dazu gekommen, den Bungalow auszuräumen. Es fühlte sich noch nicht richtig an. Alles hieran war falsch. Wieso musste so ein liebes und nettes Mädchen zuerst die Mutter verlieren und dann auch noch den Vater?
      An der Wand, genau gegenüber des Bettes, hing ein Bild von einem jungen Dell zusammen mit einer sehr jungen Frau, die ein Kind auf dem Arm hielt. Ich vermutete, dass es sich dabei um Betsy und ihre Mutter handelt. Die Beiden sahen so glücklich aus und strahlten in die Kamera. Da war er wieder, der Kloß in meinem Hals, der sich eben zu lösen begonnen hatte.
      Ein paar Mal noch versuchte ich Betsy zu überreden, mit mir über ihr Verhalten und ihre Traurigkeit zu sprechen. Jedes Mal blockte sie mich ab. Also versuchte ich es mit Ablenkung.
      “Ich hab heute mit Steffen telefoniert. Nima geht es unglaublich gut bei ihm, er freut sich so sehr, sie gekauft zu haben. Außerdem möchte er Kholáya auch haben, dann hat Nima eine Freundin von hier.”
      Endlich drehte sie sich in meine Richtung um, setzte sich auf und wischte sich die Tränen vom Gesicht. “Nima geht es gut?”
      “Ja, Nima geht es sehr gut, Steffen hat sie unglaublich lieb.”
      Betsy lächelte kurz, senkte dann jedoch ihren Blick. Zögerlich streckte sie die Hand aus und legte sie auf die Meine. Ich rührte mich nicht. Meine Angst war zu groß, eine falsche Bewegung zu machen und sie zu verschrecken. Als Adoptivvater, was ich für sie noch immer werden wollte, müsste ich mich an solche Dinge langsam herantasten. Ich hatte nicht die größte Erfahrung mit Kindern und jüngere Geschwister besaß ich ebenfalls nicht.
      Dennoch hob ich langsam meine andere Hand und legte sie sachte auf die Ihre. Sie zuckte nicht zurück, sah jedoch wieder zu mir auf.
      “Caleb, ich vermisse ihn so sehr.”
      Langsam nickte ich. Mein anfängliches ‘Ich weiß’ verwarf ich und antwortete stattdessen: “Ich auch.”
      “Heute haben alle geholfen – bei der Rindersuche, weißt du? Sogar Dolly hat geholfen, sie hat Lunchpakete für unterwegs gepackt. Kaya und ich waren beim Satteln der Pferde dabei und haben hier auf dem Hof mit angepackt. Louis wollte nicht, dass wir mitkommen und bat uns stattdessen, die Pferde zu füttern – schließlich hatten die auch Hunger … aber alle waren da … selbst du hast versucht so schnell es geht nach Hause zu kommen”, sie fing wieder an zu schluchzen, “nur Dad nicht. Mein Dad war nicht da, er konnte nicht helfen.”
      Sie zog ihre Hand aus den Meinen und setzte sich auf ihre Knie, um auf einer Höhe mit mir zu sein und mich zu umarmen. Etwas überfordert legte ich meine Arme um ihren kleinen Körper und hielt sie fest … Ich hielt sie eine ganze Weile einfach nur fest.
      Als das Schluchzen wieder verebbt war, erzählte sie weiter, was sie bedrückte: “Alle Leben irgendwie ihr Leben weiter, als hätte er nicht existiert. Niemand redet über ihn, wenn ich dazu komme und über ihn gesprochen wurde verstummt ihr, als wäre ich noch zu klein, um mit der Wahrheit umzugehen. Ich werde dieses Jahr 12 Jahre alt, ich bin kein kleines Kind mehr. Ich weiß, was der Tod bedeutet und ich hasse ihn, ich hasse den Tod und ich hasse die Welt, dass sie mir meinen Dad genommen hat!” Wieder stiegen Tränen in ihren Augen hoch.
      Ich wusste zunächst nicht, was ich ihr antworten sollte. Ein paar Mal setzte ich an, verstummte dann jedoch wieder, bis mir die richtigen Worte einfielen: “Betsy das Leben geht weiter, so schwer es uns auch fallen mag. Wir sprechen noch viel über Dell und denken an ihn. Doch wir haben… Angst in deiner Gegenwart über ihn zu sprechen. Wir möchten dich nicht verletzen. Wir können nicht in dich hineinschauen wie es dir geht und wie du damit klar kommst. Deshalb verstummen wir.”
      “Aber ich möchte, dass ihr über ihn sprecht”, kam es von dem Mädchen neben mir. “Ich möchte, dass ihr euch an ihn erinnert und ihn nicht… vergesst.”
      “Wie könnten wir, die Ferienranch trägt seinen Namen”, ich lächelte mild. “Hör mal … bezüglich der Ferienranch wollte ich noch mit dir sprechen. Irgendwie ist nie der richtige Zeitpunkt dazu, warum dann nicht jetzt?”, ich sah sie auffordernd an, “So langsam wird es Zeit, dass wir den Bungalow hier räumen. Ich mein, hier ist alles noch so … hier ist alles noch so. Ich habe überlegt, dass wir einen Teil zur Ferienranch bringen und einen Teil ins Haupthaus in dein neues Zimmer. Ich möchte, dass du entscheidest was wir wohin bringen sollen.”
      Betsy erwiderte nichts, setzte sich nur auf und sah sich im Zimmer um. So viele Erinnerungen hafteten an den Möbeln, den Bildern, der Kleidung. “Die Entscheidung musst du nicht jetzt treffen.” Betsy nickte. Ihr Blick blieb an dem Bild hängen. Das Bild von ihren Eltern und ihr. “Für das allerdings habe ich einen besonderen Platz ausgesucht. Darf ich ihn dir zeigen?” Sie nickte. Ich nahm vorsichtig das Bild in die Hand, reichte ihr Schuhe und Jacke und nachdem wir beide angezogen waren, verließen wir den Bungalow in Richtung des Haupthauses.

      Drinnen führte unser Weg sofort zum großen Wohnzimmer und dessen Kamin, auf dem einige Bilder standen. Unter anderem auch ein Bild von Verena und Svejn … wie schnell die Zeit vergeht.
      “Hier möchte ich es gerne dazu stellen. Es sollte einen Ehrenplatz bekommen, wo es jeder sehen kann.” Ich reichte Betsy das Bild und hob sie hoch, um es auf den Kaminsims zu stellen. Zwischen das Bild von mir zusammen mit Vulture und dem Bild von Louis, Ylvi, Kaya und Tschetan. “Zu meiner neuen Familie …”, murmelte Betsy. Ich hatte sie nicht ganz verstanden, vermutete nur, was sie gesagt haben könnte. Nachfragen wollte ich jedoch nicht, es schien nicht für meine Ohren bestimmt gewesen zu sein.
      “Wollen wir jetzt zu den Anderen gehen und noch was essen? Vielleicht haben sie uns sogar noch etwas übrig gelassen”, lachte ich und kratzte mich kurz am Hinterkopf.
      Wir gingen zurück ins Esszimmer, in dem sich wieder alle befanden. Sie hatten tatsächlich auf uns gewartet – auch Louis, Ylvi und Kaya befanden sich nun im Haupthaus. Betsy wurde von den dreien in die Arme geschlossen, ehe wir uns setzten.
      Ein paar Minuten später hatte jeder sich den Teller vollgeladen und war, nach einem wirklich anstrengenden Tag, zufrieden am Kauen.
      “Ich möchte, dass ihr über ihn sprecht.” Betsy erhob die Stimme, “Ich bitte euch. Redet über meinen Dad, erzählt euch lustige und nicht so lustige Geschichten … und vor allem, hört nicht auf, wenn ich dazu komme, denn sonst habe ich das Gefühl, dass ihr ihn vergessen wollt.” Es folgte eine unheimliche Stille. Die Menschen am Tisch hielten in ihren Kaubewegungen inne und rührten sich nicht mehr.
      Laurence war derjenige, der als Erster etwas sagte: “Also einmal … ja genau, da hat mich dein Vater ganz schön zur Weißglut getrieben, ich hätte ihn am liebsten mit dem Besen verprügelt”, er lachte. Alle anderen stimmten in sein Lachen ein. Die Geschichte kannte ich auch noch nicht – und während Laurence erzählte, nahm ich Betsys Hand. Als unsere Blicke sich trafen nickte ich ihr zu. Betsy lächelte kurz zurück, wandte sich dann aber wieder Laurence und seiner Geschichte zu, wie Dell einen ganzen Tag lang nicht das tun wollte, was Laurence ihn angestellt hatte.

      Tschetan
      “Wieso bleibst du stehen?”, kam Nicholas Stimme von hinten. Ich ließ ihn bis zu mir aufschließen, als er das getan hatte, brauchte ich ihm keine weitere Erklärung geben. “Du hast sie tatsächlich gefunden!”
      Unten in einer kleinen Senke standen drei erwachsene Kühe. Ich sah mich von dem idyllischen Anblick ein wenig um. Das Tal war weit fort. Die Spurensuche hatte uns tief in das Gebirge geführt. Die Bäume an dieser Stelle wurden immer karger. Wir hatten oft absteigen müssen, um einige der Wege mit den Pferden bewältigen zu können. Die halbwegs gerade Senke vor uns war bewachsen mit hohen Gras. Unzählige unterschiedlich große Findlinge lagen herum. Vor einigen Jahrhunderten musste ein Gletscher an genau dieser Stelle existiert haben und diese riesigen Felsen zurückgelassen. Andererseits konnten sie auch von einer Gerölllawine stammen, die hier hindurch gegangen war. Da es sich jedoch nicht um Neue zu handeln schien, galt dem weniger meine Sorge. Viel mehr schaute ich gen Himmel. “Ich hoffe du hast keine Angst vor Ungeziefer”, murmelte ich in Nicholas Richtung. Der schaute mich von der Seite erst ein wenig verwirrt an, folgte dann allerdings meinem Blick gen Himmel.
      “Wir schaffen es nicht mehr zurück,oder?”
      “Nicht rechtzeitig. Außerdem brauchen die Pferde eine Pause. Noch haben wir genügend Zeit. Satteln wir sie ab und suchen nach einem Rastplatz für uns.”
      “Sollten wir die Pferde nicht anbinden?”
      “Nein, die Senke hier ist gut. Sie haben das Gras – und der kleine Bachlauf sorgt für Wasser. So wie die Erde hier aussieht, haben auch die Kühe schon eine Weile hier verbracht. Sie werden sich nicht weit voneinander entfernen. So hoch oben ist die Gefahr zu groß, dass Bären unterwegs sind. Die Pferde sind angebunden eine zu leichte Beute. Wir müssen einfach darauf vertrauen, dass sie nicht weg laufen.”
      Ich kaute mir auf der Unterlippe herum. Meine Überlegung war es, eines der Kühe zu hobbeln. Doch wollte ich alle wieder wohlbehalten ins Tal bringen. Sollten Wölfe oder sogar ein Bär auf unsere Truppe stoßen, so war das gehobbelte Tier in Gefahr. Weit würden die Tiere nicht laufen – nicht beim Angebot des Futters. Außerdem kannten sie einander und waren an die Nähe des Menschen gewöhnt. Wir mussten also ihren Instinkten vertrauen. Also zog ich Sungila die Trense vom Kopf, löste den Knoten, mit dem der Riemen am Sattel befestigt war. Schmunzelte. Jetzt war ich froh um die Wahl der Satteldecken, denn genau um solche handelte es sich. Auseinander gefaltet konnten sie uns als Decken in der Nacht dienen. Ein Trick, den ich noch aus dem Reservat kannte. Wie oft hatten wir die Nächte draußen verbracht, irgendwo in der Prärie. Ich suchte in der Satteltasche nach meinem Smartphone. Kein Empfang. “Nicholas? Hast du Netz?”, ich winkte mit meinem Handy, damit er wusste, was ich meinte. Kurz suchte auch Nicholas, schüttelte dann den Kopf. “Gut, ich hab an den Pager gedacht. Ich schick denen im Tal fix eine Nachricht. Dass wir alle gefunden haben, aber die Nacht hier oben verbringen.”
      “Gib mir deine Wasserflasche, ich füll die Mal unten am Bach auf. Ich hab tierisch Durst.” Die Idee war tatsächlich keine verkehrte. Ich löste also meine Aluflasche aus ihrer Lederhalterung am Sattel, um sie ihm zu reichen. Schließlich machte ich mich auf zu den Kühen, schaute genau auf die erwachsenen Tiere, ob ich Verletzungen fand. Und sobald die Mutter mich ließ, ging ich auch zaghaft auf das Kalb zu, das im hohen Gras lag. Es schien erschöpft. Aber ansonsten wohlauf. Ein Teil der Anspannung fiel von mir ab. Der erste Teil war geschafft. Ich spürte das Brennen meiner Muskeln, das Ziehen in meinem Gesicht von den Kratzern. Aber ich war glücklich. Erst jetzt konnte ich die wunderschöne Natur um mich herum wirklich sehen. Mit geübtem Blick scannte ich meine nähere Umgebung. Gar nicht allzu weit entfernt sah ich einen riesigen Findling. Auf seinem Weg ins Tal war er dabei auf einen anderen Felsen gefallen. Daneben stand ein halb kahler Kiefernbaum. Darunter platzierte ich beide Sättel, legte die Decken darauf. Einen Platz für die Nacht hatten wir schonmal. Überrascht war ich, als Nicholas nicht nur mit den Flaschen wieder kam, sondern auch einen kleinen Arm voll Äste mit sich trug. Es schien also nicht sein erstes mal draußen in der Natur zu sein. “Sehr schön, du denkst mit!”
      “Aber glaub bloß nicht, dass ich das Feuer entfacht krieg.” Er reichte mir meine Flasche zurück. Ich genehmigte mir direkt ein paar Schlucke des kalten Getränks. Der kleine Bach musste von Gletscherwasser getränkt sein.
      “Schau in meinen Satteltaschen nach, da müsste eine kleine Metalldose sein. Da hab ich alles drin was wir für ein Feuer brauchen.” Nicholas drehte sich zu den Sätteln um und kramte die Dose hervor. Mit dem größten Stück Holz räumte ich eine kleine Stelle frei und schaffte so eine kleine Grube. Anschließend nahm ich mich der Dose an. Ich holte den Feuerstahl heraus. Ein wenig faseriges Zunder Gras und gut getrocknete Birkenrinde. Mit meinem Messer trennte ich kleine Stücke vom gesammelten Holz ab, um viele kleine Stücke zu haben. Anschließend erzeugte ich einige Funken, um die Birkenrinde zu entzünden. Mit ein wenig Fingerspitzengefühl entfachte ich rasch ein kleines Feuerchen, das wir fleißig mit den kleineren Ästen fütterten, um ein großes Feuer zu erhalten. Nicholas hatte in der Zwischenzeit die Stelle unter dem Felsvorhang von grobem Geröll und Stöckern befreit. Heruntergefallene Kiefernzweige hatte er im Abstand um das Feuer auf dem Boden verteilt. Das Moos auf den Steinen eignete sich nicht, noch war es zu nass, um es zu nutzen.
      “Gut, dass wir die Satteldecken genommen haben,” murmelte er, “wird sicher ‘ne kalte Nacht. Ich geh gleich nochmal auf die Suche nach ein wenig Feuerholz, damit wir gut nachlegen können.” Dann griff er sich plötzlich an den Bauch, lächelte. “Ich bereue außerdem, heute morgen das Frühstück ausgelassen zu haben.” Auch ich spürte das leichte Gefühl von Hunger in meinem Magen. Zwar hatte ich ausgiebig gefrühstückt aber, der Tag war anstrengend gewesen.
      “Ich denke das Feuer ist sicher. Ich werd mal was essbares besorgen. Nicht, dass mir der arme, weiße Junge noch verhungert”, scherzte ich. Am Bach hatte ich vorhin schon nah des Wassers die verräterischen weißen Blüten der Brunnenkresse entdeckt. Ich pflückte einige gute Hände voll, wusch sie ausgiebig im kalten Wasser aus. Da wir kein Gefäß hatten, um darin zu kochen, ließ ich die Pilze stehen – auch, wenn sie eine ausgiebige Nahrungsquelle ergeben hätten. Ich blieb unschlüssig am Bachlauf stehen. Er war zu klein, um wirklich Fischen eine Heimat zu geben, außerdem konnte ich kein Leben in ihm ausmachen. Also fiel auch das Angeln aus. Abgesehen von der Tatsache, dass wir wohl auch kein Angelset fertigen konnten. Daher konzentrierte ich mich eher auf essbare Pflanzen, ging hastig eine Liste dieser in meinem Kopf durch … und vor allem die auch zu dieser Jahreszeit wuchsen. Für Blaubeeren war es leider noch zu früh. So pflückte ich Löwenzahn, auf den sich auch die Ponys zu stürzen schienen. Außerdem machte ich am Waldrand eine überraschende Entdeckung. Hier in diesen Höhen hatte sich wilder Lauch angesiedelt. Ich holte ein paar der Stangen aus dem Boden. Sein Geschmack erinnerte stark an den einer Zwiebel, aber immerhin würde er uns ein wenig sättigen. Langsam setzte die Dunkelheit ein. Also beeilte ich mich, das gesamte Zeug am Bach zu waschen.

      Zurück im Lager sah ich Nicholas mit einem großen Haufen totem Holz neben dem Feuer sitzen. Die Sättel waren weiter unter den Vorhang verstaut. Beide Decken auf den Lagern aus Kiefernzweigen ausgebreitet. Die Steinwand reflektierte Licht und Wärme, als ich eintrat. “Oh, ich sehe, heute wird das Mahl wohl ein grüner Salat?”
      “Lass uns das alles ein wenig klein rupfen und schneiden. Alles zusammen wird das sicherlich kein Festmahl, aber es wird sättigen.”
      “Und ich hätte gedacht du gehst mit der Schießbüchse auf die Jagd!”
      “Donnerbüchse.”
      “Mhm?”
      “Donnerbüchse wurde das Gewehr oft genannt. Nicht Schießbüchse.” Nicholas lächelte, rufte seine Brunnenkresse in den Schoss. Ich schnippelte den wilden Lauch, steckte mir eine der Scheiben zwischen die Lippen. Ihr Geschmack erinnerte tatsächlich stark an eine Zwiebel, jedoch deutlich milder. Ich hatte mir das Ganze schlimmer vorgestellt. “Ich hab tatsächlich daran gedacht eine Hasenfalle zu bauen. Doch ich würde in der frühe eher aufbrechen wollen um die Tiere ins Tal zu kriegen, statt Zeit zu verplempern, einen Hasenbraten fertig zu machen.”
      “Da pflichte ich dir bei. Das ist deutlich vernünftiger. Ich muss allerdings gestehen … einen mehrere Tage andauernden Ritt mit dir in der Wildnis unterwegs zu sein … ich hab darauf richtig Lust.” Nicholas sprach mit glasiger Begeisterung in den Augen. Ich sah nicht richtig auf in meinem Tun. Doch sah ich, wie meine Finger einen Moment in ihrer Tätigkeit stoppten, bevor sie fortfahren konnten.
      “Hier, iss”, damit reichte ich ihm eine Hand voll wildem Lauch und er reichte mir die zerrupfte Brunnenkresse sowie den Löwenzahn. Ohne auf seine Worte einzugehen aßen wir stumm das Mahl. Jeder hing irgendwie seinen Gedanken nach. Wir hatten einen spektakulären Blick auf den Sonnenuntergang. Die Gipfel vor uns wurden nach und nach in weniger Licht getaucht, bis der Himmel aufbrach und dunkelrosa Sonnenstrahlen auf den Berghang geworfen wurden. Leichte Kälte zog ein. Also nahm ich mir die Decke, um sie mir um die Schultern zu legen. Beim Anblick des Himmels konnte ich Nicholas Wunsch schon verstehen, allerdings machte ich mir zu sehr Sorgen um die kleine Herde draußen. Ab und an konnte man die Pferde leise schnaufen hören. Die Geräusche des nächtlichen Waldes wurden immer surrealer und von den Berghängen hallte das Echo eines Wolfsgeheuls wieder.
      “Zugegeben das Geräusch jagt mir doch ein Schauer über den Nacken“, flüsterte Nicholas in die Dunkelheit. Ich schlug die Decke ein Stück zur Seite, um den Blick auf die Tasche mit dem Gewehr freizugeben.
      “Sie werden uns nicht angreifen. Falls doch, haben wir noch immer die hier.”
      “Dann halte ich mich lieber an dich. Ich hab nie gelernt, damit umzugehen.” Bewusst oder unbewusst rückte Nicholas näher zu mir heran. Mein Wunsch noch einmal nach den Tieren zu sehen wuchs. Da ich sie jedoch hören konnte, ließ ich davon ab.
      “Lass uns schlafen, der Tag war anstrengend genug.”

      Leicht schlotternd erwachte ich. Da mein Handy ausgeschaltet war, hatte ich keinerlei Vorstellung davon wie spät es war. Ich richtete mich halb auf, nahm einen der verbliebenen Totholz Zweige und warf sie auf das langsam sterbende Feuer. Nicholas bewegte sich. Im Licht des Feuers sah ich, wie sich seine Augen öffneten. “Erinner mich dran, wenn wir wirklich mal unterwegs sind einen Schlafsack einzupacken. Meine Gänsehaut nimmt die Ausmaße einer Rauhfasertapete an!” Ich strich mir mit den Händen durch das müde Gesicht, entfernte die kitzligen Haare so gleich mit. Ich legte also noch einen der Scheite auf das Feuer. Dann richtete ich mich auf, schnappte meine Decke.
      “Rutsch ein Stück rüber”, gähnte ich lautlos. Nicholas ließ sich nicht weiter bitten. Er rückte gerade so nahe wie er es wagte, an das Feuer heran. Dann hob er seine Decke an. Etwas ungelenk legte ich mich neben ihn. Anschließend warf ich die Decke über die Seine. Tatsächlich spürte ich fast augenblicklich, wie sich unsere Körperwärme unter den Wolldecken verbreitete. “Ich hätte gern mein Büffelfell dabei”, seufzte ich schläfrig. Nicholas rückte mit dem Rücken näher an den meinen heran. “Oh warte,” flüsterte ich, “meine Haare!” Nicholas hob leicht den Oberkörper, damit ich einen meiner Zöpfe unter seiner Schulter hervorziehen konnte.
      “Gute Nacht”, seufzte Nicholas. Langsam kroch wohlige Wärme in meine Gliedmaßen und allmählich fand ich halbwegs erholsamen Schlaf.

      Schlaftrunken blinzelte ich, brauchte einen Moment das blonde Gesicht so dicht vor dem meinen überhaupt wahrzunehmen. Ich hatte jahrelang so dicht neben Kaya geschlafen, nicht ihre Stirn an der meinen zu spüren erschreckte mich. Ich hatte den Atem von Nicholas in meinem Gesicht. Ich spürte die Gänsehaut in meinem Körper. Vorsichtig rückte ich von ihm fort, machte flüchtig einen Blick in Richtung des Feuers. Nur noch eine leichte Glut glimmte vor sich her. Um die zurückkehrende Kälte zu entfernen, richtete ich mich auf, strich über die vom Tau ganz klamme Decke. Bevor wir los konnten, musste sie ein wenig trockener werden. Ich widerstand dem Gefühl Nicholas bereits zu wecken. Wie es mir erschien, erwachte der Morgen gerade erst. Uns bliebe noch der gesamte Tag, um ins Tal zurück zu reiten. Ich warf die Decke in die ersten Strahlen der Sonne auf einen der Findlinge. Unten am Fluss füllte ich die beiden Flaschen wieder mit klarem Wasser auf. Ich spürte das Brennen in den Fingern vom eiskalten Wasser, spritze mir das kühle Nass jedoch auch ins Gesicht, um meine Gemüter ein wenig zu beruhigen. Ich wusste, dass es zum erwachsen werden gehörte, doch konnte ich getrost darauf verzichten. In meinem Kopf blieb nur der Schatten einer Erinnerung was genau ich geträumt hatte, aber offensichtlich hatte es ausgereicht, die Freude in einige Teile meines Körpers zu befördern. Ich zupfte, nachdem ich mich nach Nicholas umgesehen hatte, sachte an meiner Hose herum um das einengende Gefühl los zu werden. Dann sah ich mich um. Sungila hob ihren Kopf aus dem Gras. Ich schmunzelte und machte mich durch das nasse Gras auf den Weg zu ihr. Es freute mich, alle Tiere wohlbehalten an der selben Stelle zu finden. In der Nacht schienen sie, wie ich es vermutet hatte, eng zusammengehalten haben. Hierin sah ich den großen Vorteil, dass die jungen Pferde oft zwischen den Kühen standen - sie sahen sie durchaus als Teil ihrer Spezies und Herde an.
      “Wollen wir direkt los?”, meinen Körper durchfuhr der Schreck, ebbte nur langsam ab. Ich war zu konzentriert auf meine schweifenden Gedanken gewesen. Nicholas in der Stille des Morgens hatte ich nicht erwartet.
      “Ich denke wir genehmigen uns noch ein Grünzeug-Frühstück, lassen die Decken in der Morgensonne trocknen und buddeln das Loch vom Feuer wieder zu.”
      “Dann übernehm ich das Buddeln … such du das Grünzeug. Die Decke hängt schon neben dem Stein von deiner.”

      Nur langsam kamen wir aus dem Hochgebirge in die unteren Regionen. Mittlerweile hatte ich mit dem Lasso dem Kalb die Beine zusammengebunden und den jungen Bullen auf Sungilas Rücken gelegt. Zwischenzeitlich hatte ich bereut, die junge Stute genommen zu haben. Allerdings meisterte sie jede der Aufgaben, die ich ihr geben musste, mit einer Souveränität. Sie erfüllte mich mit Stolz. Wir hatten einen Umweg um die kleine Geröllhalde machen müssen, denn wir hatten nicht riskieren wollen, dass die Kühe dort abstürzten. Hatten sich ungefähr so die ersten Siedler dieses Landes gefühlt, als sie mit ihren Trecks die Gebirge überwanden? “Nicholas! Schau!”, rief ich zu ihm nach hinten. Er bildete das Schlusslicht unserer kleinen Herde. Zwischen dem dichten Wald konnten wir nun das Blockhaus der Ferienranch erkennen.
      “Du hast es geschafft!”, rief Nicholas von hinten und schenkte mir ein breites Grinsen, “Ich hoffe Dolly hat den Kühlschrank gefüllt. Mir hängt der Magen in den Kniekehlen!”, rief er spitzbübisch.
      “Hat dir mein Festmahl nicht gefallen?”
      “Seh ich aus wie ein elender Veganer?”
      “Dann lass ich dich das nächste Mal auf die Jagd gehen, ja?”
      “Es wird also ein nächstes Mal geben?”, fragte Nicholas, als er neben mir auf dem Hauptweg angekommen war. Ich machte eine unbestimmte Handbewegung.
      “Lass uns erstmal dieses Abenteuer beenden”, dann zwinkerte ich und stieg hinter dem Kalb wieder in den Sattel. Bevor Easy unruhig wurde da ich bereits losgeritten war, fand auch Nicholas seinen Weg in den Sattel. Wir trieben nun auf dem breiten Weg die Kühe einfach vor uns her. Der Abstieg hierher war für die Kühe genauso anstrengend gewesen wie für uns, daher ließen wir uns Zeit. “Warte mal, ich setz das Kalb jetzt mal wieder runter”, seufzte ich – darauf hätte ich ja auch kommen können bevor ich aufgestiegen war! Also stieg ich wieder umständlich vom Pferd, löste die Schlinge um die Vorder und Hinterbeine und gab das Kalb zurück in die Obhut der Mutterkuh. Blökend bockte es in Richtung seiner Mutter.
      Pferde: BR General Pleasure, BR Wimpys Blue Gun, BR South Texas Gangster, BR Rebel Hearted, BR Heavens Wild Side, BR Devils Angel Eyes, Blue Fire Cat, BR Atlantis Dream, BR Colored in Style, BR Dress to Impress, BR Homecoming Queen, BR Raised to Slide, BR Sheza Topnotch Babe, BR Wimpys Bright Gangster, Captains Blue Crystal, Gun Sophie, Jacks Inside Gunner, BR Alans Smart Dream, BR Colonels Golden Gun, BR Colonels Lil Joker, BR Double Gunslide, BR Heart N' Soul, BR Hollywoods Dream Anthem, Chocolate Dazzle, Up Town Girl, Bittersweet Temptation, Whitetails Shortcut, Zues, Abandon all Hope, HMJ Courtesy, HMJ8345's Continental, Lady Blue Skip, Striga, Tortured Witch HMJ 6693, Blanton's Gentleman, Chic N' Shine, Four Bar Chocolate Becks, GRH's Funky's Wild Berry, HMJ Saintly, How 'Bout Moonies, PFS' Unclouded Summer Skies, Smart Lil Vulture, tc Mister's Silvermoon Cody, Thiz Bye Bye Bay, Small Town Dude, Dual Shaded Ace, GRH's Bellas Dun Gotta Gun, GRH's Unbroken Soul of a Devil, Gun and Slide, Gunners Styled Gangster, Heza Bat Man, Till Death, HGT's Unitato, Chapman, Black Sue Dun It, California Rose, DunIts Smart Investment, Easy Going, Frosty Lagoon, Ginny my Love, Ginger Rose, GRH's A Gun Colored Lena, GRH's Aquila T Mistery, GRH's Unbroken Magic, Magnificient Crow, Only Known in Texas, Lovin' Out Loud, Stormborn, Tainted Whiz Gun, Breia LDS, Ceara Isleen, Dakota, Leuchtfeuer di Royal Peerage, Moonshine LDS, Pocahontas, Raspberry, Wunderkerze LDS, Absolute Bullet Proof, Birk, Myrkvidr, WHC' Happy Sunshine, A Walking Honor, Chou, Jade, Like a Prayer, Kristy Killings, Honey's Aleshanee, Colonels Blue Splash, Kisshimbye, BR Dissident Whiz, Sweet like Chocolate, Drama Baby, Prias Colourful Soul, Priamos Ruffia Kincsem, Tigres Eye, Wimpys Little Devil, Miss Independent, Culain, Snapper Little Lena, Special Luna Zip, Peacful Redemption und Wildfire xx
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  • Album:
    BRR Zuchthengste
    Hochgeladen von:
    Veija
    Datum:
    30 Jan. 2021
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    EXIF Data

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  • Exterieur
    Name: Chapman
    Rufname: Champ
    Alter: 2018, 4 Jahre
    Geschlecht: Hengst
    Größe: 1,56m
    Rasse: American Quarter Horse
    Fellfarbe: Red Dun


    Stammbaum
    von: unbekannt
    aus der: unbekannt

    Charakter & Beschreibung:
    Chapman ist ein sehr neugieriger und mutiger Hengst. Er stellt sich jeder neuen Aufgabe und versucht diese mit Bravour zu meistern, was manchmal zur Frustration führt. Das zeigt er auch deutlich mit Schweif schlagen. Er ist aber auch als Anfängerpferd geeignet durch seine gutmütige Art und zeigt sich gerade bei weniger erfahrener Reiter sehr geduldig und verzeiht einige Fehler. Aber auch beim Schmied zeichnet er sich durch seine tolle Art ruhig, entspannt und gemütlich aus und vergibt gerne mal Küsschen wenn der Schmied die Hinterhufe bearbeitet. Nur ein Manko hat der Rotfalbe : Er zieht sich schnell Schrammen zu, was ihm öfter mal eine Auszeit beschert, die er nur schwer über sich ergehen lässt, denn schließlich will er gearbeitet werden. Außerdem legt er sich beim Anbinden gerne ins Halfter, weshalb man schnell herausfindet, dass man den Strick nur irgendwo durchzieht ohne ihn festzuknoten. Sollte beim Reiten ein Pferd sich in seiner Nähe erschrecken, zieht der sonst so gutmütige und schrecklose Hengst mit, aber er ist dabei händelbar.

    Zuchtinfos
    Gekört/Gekrönt: ja
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    [HK 513] Alle Hengste
    [​IMG]
    7,30

    Nachkommen:
    - BR Heavens Wild Side, aus der Stormborn
    - BR Tainted Love Chapter, aus der Tainted Whiz Gun

    Besitzer: Veija (Caleb O'Dell)
    Vorbesitzer: Gwen
    Gezüchtet bei/Zucht:

    VKR: sadasha (verfallen)

    Kaufpreis: 500 Joellen
    Zu Verkaufen: nein


    Qualifikationen:

    eingeritten
    nicht eingefahren

    Dressur E
    Springen E
    Military E
    Distanz E
    Galopprennen E

    Western
    Reining LK 4




    Erfolge:
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    1. Platz 458. Distanzturnier, 3. Platz 499. Militaryturnier, 1. Platz 497. Distanzturnier, 1. Platz 503. Military, 1. Platz 639. Dressurturnier, 1. Platz 504. Militaryturnier, 2. Platz 640. Halloween-Springturnier, 1. Platz 642. Springturnier, 1. Platz 520. Fahrturnier, 3. Platz 608. Westernturnier, 2. Platz 643. Springturnier, 1. Platz 503. Distanzturnier, 3. Platz 512. Militaryturnier, 3. Platz 505. Distanzturnier, 1. Platz 570. Rennen

    Gesundheit:
    Gesundheitszustand: gesund
    Letzter Besuch:

    Hufschmied:
    Hufzustand: gut
    Letzter Besuch: Januar 2022
    Beschlag: Stahleisen vorne, Slidingeisen hinten

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