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Rhapsody

Capulet, Lewitzer *

im Besitz seit 04/2015 - gekört - Aa Ee Toto

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Capulet, Lewitzer *
Rhapsody, 20 Juli 2016
Veija und Zaii gefällt das.
    • Rhapsody
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      Honey, I'm Home!
      | 23. Januar 2016
      Gut, es war vielleicht ein wenig fies, niemanden Bescheid zu sagen, dass ich wieder kommen würde. Aber Zoe, Adèle und Declan waren auf dem neusten Stand der neuen Stände, sie hätten also damit rechnen müssen.
      Womit sie nicht rechnen würden, war mein Begleiter.
      Die letzten Monate waren vielleicht nicht so super gewesen, aber ich hatte in Deutschland schnell wieder Freunde gefunden – unter anderem eben Lesja, der sich schon schnell zu einem meiner engsten Vertrauten gemausert hatte und sogar mit nach Kanada gekommen war. Er hatte zwar schon zuvor vorgehabt, ein paar Wochen (jetzt wohl Monate) mit Rucksack durch die kanadische Walachei zu ziehen – jetzt durfte er Mistgabel schwingen und beim Trainieren der Pferde helfen (dank einer kleinen, hartnäckigen Schwester war er wohl ein ganz guter Reiter gewesen).
      Eines führte zum anderen und er hatte sich bereit erklärt, als Aushilfe mit nach Kanada zu kommen. Zwar hatten wir ein bisschen abgespeckt was die Pferdeanzahl anging – alles natürlich unter meiner Supervision, wenn auch aus Deutschland – aber das bedeutete nicht, dass es deswegen weniger Arbeit gab.
      Womit ich natürlich nicht rechnete, war, dass mehr Boxen belegt waren als ich angenommen hatte. Mit Lesja war ich durch den Stall gegangen, um ihm in Ruhe alle Ponys vorzustellen, ehe Zoe, Adèle und Declan uns wieder voll beanspruchten. Wir hatten gerade mit dem Stutenstall begonnen, ich hatte gerade angefangen, Sikari, Cíola, Medeia, Parvati und Tautou vorzustellen, als sich ein sehr dunkelbrauner, zarter Kopf über die Boxentür neben Fleas Box schob.
      „Und sie?“ fragte Lesja sofort und hielt dem Pony, welches ich nur zu gut kannte, die Hand zum beschnuppern hin.
      „Das ist Long Island Icetea und eigentlich gehört sie in den Stall gegenüber,“ antwortete ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Sowohl meine Crew als auch Elisa würden so schnell wie möglich meine Meinung davon erfahren.
      Lesja sah mich nur fragend an. Und da er ungefähr genauso stur war wie ich, kam ich wohl nicht aus der Sache raus. „Eigentlich gehört sie Elisa, die, die direkt gegenüber wohnt. Eigentlich. Aber anscheinend vorerst nicht mehr.“ Daraufhin zogen sich Lesjas dunkle Augenbrauen noch mehr zusammen aber damit musste er jetzt leben – mehr wusste ich auch nicht.
      „Hey, du hast Chepa noch gar nicht kennengelernt! Und Bucky!“ meinte ich daraufhin und versuchte mich an einem nahtlosen Übergang, der jedoch nicht unentdeckt blieb. Lesja rollte die Augen, doch drehte sich dann trotzdem zu der Lewitzerstute um, die ihm gerade den Jackenzipfel zerkaute.
      ***
      Nachdem wir auch Painted Blur, Quixoticelixer, Vaffanculo, Capulet (den Lesja sofort ins Herz schloss, das sah man ihm einfach an), Muraco und Paramour kennengelernt hatten und ich ihm versprach, morgen mit ihm Pacco zu besuchen, lief Lesja entschlossenen Schrittes in Richtung Wohnhaus.
      „Sicher, dass du bereit bist?“ fragte ich ihn zweifelnd. Es würde wohl kaum zu vermeiden sein, dass Zoe und Adèle ein bisschen die Fassung verlieren würden. Doch mit gewohnter Lässigkeit zuckte Lesja mit den Schultern und drückte schließlich auf die Klingel. Sofort fingen Ella und Khaleesi im Haus an zu bellen.
      Dann öffnete sich die Tür.
      ***
      Manchmal fällt einem erst auf, wie sehr man jemanden vermisst, wenn man diese Person wieder trifft. Aber gut, dass wir jetzt wieder im Land waren – auch, wenn es kalt war und der kanadische Winter eine absolute Sau war. Lesja hatte sogar geschafft, sich selbst vorzustellen und wurde natürlich von Zoe ausgequetscht. Declan saß daneben, hielt die Klappe aber hörte aufmerksam zu, während Adèle unsere Wiederkehr mit Kochen feierte. Meine Mutter hatte zwar sichergestellt, dass ich ja nicht verhungerte und deswegen hätte ich wohl auf die Pasta verzichten sollen, die gerade auf dem Herd köchelte.
      Aber ich war schon immer schlecht gewesen im Nein sagen.
    • Rhapsody
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      Auswärtsspiel
      | 19. Februar 2016
      Bei einem unserer täglichen Snapchatsbattles (die ich natürlich gewann, da ich die neuen Funktionen hinbekam und Elena dafür einfach nicht eloquent (nein, ich weiß nicht was eloquent bedeutet, Elena) genug war) hatte die Blondine mal eben fallen lassen, dass sie diesen Morgen neuen Sand für die Reithalle bekommen würde. Und das mussten wir natürlich feiern.
      Aber nur Pferde. Nichts unter 148!! nahm sie schließlich als Caption eines Snaps des dritten Fingers ihrer rechten Hand, samt abgeblättertem Nagellack.
      Zum Glück haben wir ja einen Wintersturm und ein Verschwommenes etwas hier war daraufhin meine Antwort, im Hintergrund eine Nahaufnahme meines rechten Auges.
      Deal, diesmal ein Bild von ihren besockten Zehen.

      ***

      Weil Lesja eine totale Heulsuse war und Zoe und Adèle lieber näher am Boden blieben, musste ich Declan leider Gottes an einem nicht ganz so schönen Tag (und bei -15°C Kälte) in den Stall schleppen. Er war wohl mehr als unerfreut, aber die anderen hatten einfach bessere Ausreden.
      „Sicher, dass das nicht so eine Art Mädelsabend ist?“ fragte er schließlich zweifelnd, als wir mit Painted Blur und Bucky fertig auf der (frisch geräumten, Lesja war doch zu was gut!) Hofeinfahrt standen und zum letzten Mal nachgurteten.
      „Erstens ist es nicht mal drei Uhr nachmittags,“ zählte ich auf, aber ohne Finger. Die waren fest damit beschäftigt, die Steigbügelriemen an Buckys Sattel einzustellen und den Helm zu befestigen. „Zweitens bedeutet Mädchenabend zumindest Sekt, da wir bei Elena sind eher Vodka in Sektgläsern, aber das ist bei einem neuen Bodenbelag für die Reithalle wohl nicht so üblich.“ Mit eingefrorenen Zehen schwang ich mich schließlich in den Sattel der 1,66m großen Stute. „Und … aller guten Dinge sind drei aber mir fällt nichts mehr ein.“
      Von Declan kam daraufhin nur Grummeln, als auch er sich endlich auf den Rappen zog. „Aber sobald ich Reitunterricht von Elena kriege, bin ich weg.“

      ***

      „Ihr seid … früher als gedacht da. Declan, ich hoffe, bevor du dich auf irgendeinem Turnier blicken lässt, lässt du dir hoffentlich nochmal Reitstunden geben, oder?“
      Bei der Begrüßung war ich mir hundertpro sicher, dass Declan einen kleinen Halbkreis reiten und sich sofort wieder in Richtung Heimat aufmachen würde, doch er knirschte nur (hörbar, autsch) mit den Zähnen und musterte Elena mit einem kühlen Blick, den ich so von ihm gar nicht gewohnt war.
      Elena selbst saß zwar ausnahmsweise noch nicht auf dem Pferd, doch Coloured Belle stand entlastend neben ihr und Belles Schabracke passte farblich zu Elenas Reithose – beide waren wild geblümt und würden bei manchen Pferden (Capulet und Muraco) Aggressionen auslösen. Bucky und Blurry hingegen standen nur desinteressiert da und guckten sich ein wenig um.
      Für geschlagene drei Minuten mussten wir dann zusehen, wie Elena versuchte, sich grazil in den Sattel zu schwingen. Darauf möchte ich gar nicht so arg eingehen – nur, dass Declan sein fieses Grinsen kaum verstecken konnte und wir mehr oder minder froh waren, als sie dann fest im Sattel saß.
      Als wäre gerade nichts passiert, rückte Elena ihren Helm zurück und ließ Belle antreten.

      ***

      Ausnahmsweise war Elena selbst auf ihr Pferd konzentriert und konnte Declan somit nicht mit ihrem Reitunterricht nerven. Mir hätte das vielleicht gar nicht so gefehlt; Bucky hatte nicht wirklich gute Laune und legte sich ununterbrochen aufs Gebiss und jeder Schenkeldruck wurde mit einem Schnauben quittiert. Declan schien mit Blurry jedoch keine Probleme zu haben. Der Rappe war mal wieder ein Streber und zog mehr als einmal stolz trabend an uns vorbei.
      Ohne uns abzusprechen waren wir alle etwa gleichzeitig fertig. Als wir die Halle verließen, murmelte Elena vor sich hin. Belle hatte sich von einer ähnlichen Seite gezeigt wie Bucky, doch im Gegensatz zu meiner Holsteinerstute war der Hannoveraner wohl irgendwie traumatisiert und dafür eigentlich doch recht fit.
      Auf dem Rückweg zeigte Bucky dann noch einmal ihre Laune mit einem Satz nach vorne und einem anschließenden Buckler, also brachte ich sie, sobald der Sattel und die Trense abgenommen waren, wieder in die Halle, damit sie wenigstens ein bisschen Dampf ablassen konnte. Und was passierte da dann natürlich? Genau. Die Stute wälzte sich und kam dann ganz ruhig und gelassen wieder ans Tor. „Du machst mich fertig,“ flüsterte ich und führte sie zurück in den Stall.
      Befreit von Staub und Dreck und unter einer dicken Winterdecke durfte sie dann zurück auf die Weide.
      Und dort wälzte sie sich gleich noch einmal.
    • Rhapsody
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      Frühlingsgefühle
      | 29. März 2016
      „Lesja, wir brauchen keinen dritten Hund.“

      „Aber guck, der hat so einen süßen Punkt auf der Nase!“

      „Ein Windhund auf einem Gestüt ist doch ziemlich fehl am Platz, meinst du nicht auch?“

      „Wir müssen einfach nur das Grundstück einzäunen und … ihm beibringen die Pferde nicht anzugehen?“

      „Nein.“

      „Aber jetzt guck doch mal –“ sprachs und schob mir das Tablet über die Frühstückstheke. Auf dem Bildschirm tollte eine Horde vor allem weißer Welpen (die trotzdem wohl fast eineinhalb mal so groß waren wie Ella oder Khaleesi) mit komischen Schnauzen über ein Areal, dass wohl so groß war wie eine unserer Stutenweiden. Selbst für tapsige Welpen sahen die Tiere doch schon mehr als anmutig aus, wenn auch etwas seltsam und … pferdeähnlich.

      „Die wurden gezüchtet für den russischen Hochadel,“ begann Lesja wieder und ich wusste, dass es in einem halbstündigen Wikipedia-Seiten-Vortrag enden würde, deswegen schloss ich das Video mit einem Seufzen und sperrte das Tablet. „Wir sind weder in Russland noch sind wir Hochadel.“

      „Aber wir würden so aussehen.“

      „Sag mal, hast du eigentlich nichts anderes zu tun?“ fragte ich. Abrupte Themenwechsel waren meine Spezialität. Und ich konnte Lesja damit immer ein schlechtes Gewissen einreden; zum einen, weil er mich von der Arbeit abhielt und zum anderen, weil er selbst nichts machte außer Hundevideos anzuschauen.
      Grummelnd rutschte er vom Barhocker und machte sich, Khaleesi an seinen Füßen hängend, auf den Weg nach draußen.

      ***

      Mittlerweile war Lesja nämlich soweit, dass ich ihn guten Gewissens auf Painted Blur ließ. Es hätte eigentlich von Anfang an sein sollen, aber Blurry war mein Baby und Bucky war absolut ungeeignet für einen Anfänger. Nach langem Überlegen arbeiteten jetzt sowohl Lesja als auch Declan mit dem Hengst, damit ersterer sicher wurde und letzterer Turniere mit ihm starten konnte. Durch die Doppelbelastung war auch der Winterspeck schneller geschmolzen und das Winterfell war schneller verschwunden.

      Apropos Winterfell – ich würde gerne sagen, dass der Frühling langsam einkehrte, aber im Vergleich zu anderen, etwas südlicher gelegeneren Ländern, war es doch noch ziemlich frisch mit knapp 7°C. Das einzige, woran man erkannte, dass es (Zitat Mama) „nauswärts“ ging, war das Verhalten der Pferde. Erst gestern waren Chepa und Parvati wie zwei Osterhasen über die Koppel gehüpft, und Tautou war davon fast kirre geworden. Das Ergebnis waren zwei Osterhasen und ein aufgebrachtes Pony, das mit aufgestelltem Schweif und langen Schritten am Zaun auf und ab trabte. Die restliche Herde ließ sich davon nicht beirren, aber ich hatte eigentlich darauf gewartet, dass Tatze ein Loch im Zaun suchen würde und wir dann auf Pferdesuche in der Dämmerung gehen hätten müssen. Stattdessen war das Spektakel nach etwa einer halben Stunde vorbei – zum Glück.

      Zoe, die mit Tautou in letzter Zeit vermehrt auf Turnieren gestartet war, hatte das Verhalten auch im Training gemerkt. Mittlerweile war jeden Tag der Longierzirkel vor, weil jemand sein Pferd vor dem Reiten lieber ein paar Runden rennen ließ, ehe man sich darauf wagte. Selbst Medeia, deren Sturkopf in den letzten Monaten gar nicht so durchgekommen war, war wieder ihr altes Selbst, weswegen Zoe vor wenigen Tagen einen ungraziösen Abgang vor einem Naturhindernis auf der Geländestrecke gemacht hatte. Glücklicherweise war nichts passiert bis auf ein paar Schürfwunden und hartnäckigen Matschflecken, und auch Medi war seelenruhig stehen geblieben und hatte nach Gras gesucht – aber es war doch ein bisschen unerwartet gekommen.

      Bei den Hengsten war es schwer zu sagen, ob sich das Wetter auf ihre Gemütslage auswirkte. Paramour und Quixoticelixer waren die gewohnten Ruhepole, vielleicht bei der Arbeit einen Ticken unkonzentrierter aber längst nicht so auffällig wie Vaffanculo, Muraco und Capulet. Vor allem bei Cap hatten wir gehofft, dass er vielleicht ein bisschen ruhiger werden würde, doch letztes Wochenende hatte er es sogar geschafft, Joline mehrmals während einer Trainingseinheit in den Sand zu setzen. Nach dem dritten Mal verließ diese dann die Lust und stattdessen ließ sie ihn noch ein wenig beim Freilaufen ausspinnen. Mit Val hatte ich mehr als alle Hände voll zu tun; trotz dass er zusammen mit Quixo auf der Koppel stand kam er mir als besonders unausgelastet vor. Also musste ich zusammen mit Zoe und Declan einen Trainingsplan erstellen, bei dem der Dunkelfuchs keine Chance hatte, sich zu langweilen. Täglich ging es jetzt entweder ins Gelände – meist mit Lesja oder Adèle – oder in die Halle, selten auch auf den Platz. Dressur, Springen, Bodenarbeit, Zirkustricks, alles Mögliche wurde mit ihm unternommen.

      Zu den hormongebeutelten „großen“ Pferden kamen dann noch die Youngsters dazu, wobei ich das Gefühl hatte, dass die gar nicht so schrecklich waren. Von Gwen kam noch keine Beschwerde über Paccos Verhalten in meiner Abwesenheit, und auch Cíola und Long Island Icetea hatten sich noch keine Macken von den Lewitzern in der Herde abgeguckt. Eistee befand sich im Aufbautraining mit Declan. Zwar sollte sie später auch gut und gern Turniere gehen, aber die Grundausbildung war in erster Linie wichtiger. Eine gute Dehnungshaltung, keine Flausen im Kopf – sie war durchaus vielversprechend. Auch mit Cíola ging es langsam los. Einfache Kommandos hatten wir ihr schon beigebracht, jetzt ging es darum, die Kommandos auch umzusetzen. Mit Adèle zusammen hatte die junge Stute schon die ein oder andere Longiereinheit hinter sich und zeigte, dass sie ein schneller Lerner war.

      Und dann wäre da noch Bucky. Von ihr hatte ich eigentlich erwartet, dass sie noch viel mehr … mehr sein würde. Schon vor dem Frühling war öfters mal der ein oder andere Buckler dabei, der manchmal aber auch auf meine Kappe ging. Trotzdem hatte ich gedacht, dass der Frühling sie noch bockiger machen würde, doch irgendwie schien das genaue Gegenteil eingetreten zu sein. Die Ohren waren die meiste Zeit nach wie vor nach hinten gestellt, aber anstatt gleich dicht zu machen, als ich ihr die Beine bandagierte und in die Halle führte – man könnte ja von ihr erwarten, dass man ein bisschen Dressur macht! – kaute sie gleich von Anfang an schön ab und streckte sich nach vorne unten. Declan, der Parvati gerade auf dem dritten Hufschlag abritt, pfiff anerkennend durch die Zähne.

      „Wenn ich sie nicht kennen würde...“ scherzte er.

      „Als ob,“ murmelte ich und verdrehte die Augen. Kurz darauf verließ Declan aber die Halle und ich konnte das Training ungestört fortsetzen. So war mir das eh lieber.

      ***

      Die Abendfütterung fiel auf Adèle und Declan, also saßen wir zu dritt an der Frühstückstheke. Lesja, der anscheinend kein anderes Thema mehr hatte außer Hund und Hochadel (Zaren, Jojo. Nicht nur Hochadel, sondern Zaren!), war drauf und dran, auch Zoe für ein pferdeähnliches Hundegetier zu begeistern. Während ich trotzig in meinen Rigatoni stocherte, sahen die anderen beiden sich Videos über Videos an. Auf mein „Eure Nudeln werden kalt, die muss ich leider essen,“ reagierten sie gar nicht, also schob ich meinen leeren Teller von mir und nahm mir Zoes vor. Solang die beiden auch noch in den Tiefen Youtubes verschwunden waren, nutzte ich die Zeit und das heiße Wasser, ehe ich in aller Ruhe meinen Schrank neu sortierte.

      Laut, vor allem durch Ellas Bellen und Winseln, kamen dann auch Adèle und Declan zum Abendessen. Ich hatte gerade mit den Oberteilen angefangen (und davor hatte ich meinen Schrank angestarrt), aber das konnte ja bis morgen warten.

      Doch als ich in die Küche kam, schien es, als würde Lesja seine Mission weiterführen. Zoe stand am Kühlschrank mit einem breiten Grinsen und verschränkten Armen und sowohl Adèle als auch Declan waren mit staunenden Gesichtern über den Bildschirm gebeugt. Sogar Declan sah begeistert aus.

      „Leute,“ jammerte ich, „wir können uns doch keinen Windhund holen.“

      Als Antwort bekam ich ein lautes „PSCH!“ im Chor und Lesja, der mich triumphierend angrinste.

      Wenigstens ließ sich nicht leugnen, dass wir ein gutes Gemeinschaftsgefühl entwickelt hatten.
    • Rhapsody
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      Slice of Life
      | 23. April 2016
      Wackeln. Erst gleißendes Licht; eine weiße Fläche wird schließlich zu einer Herdplatte, daneben liegengebliebenes Geschirr, eine Pfanne, Besteck. Geklappere im Hintergrund.

      Die Kamera schwenkt, zeigt plötzlich drei Figuren an einer Frühstückstheke, zwei junge Frauen, ein junger Mann. Der Mann sieht in die Kamera mit zusammengezogenen Augenbrauen, schließlich visiert er einen Punkt hinter dem Objektiv an.

      „Zoe, was soll das werden?“ fragt er schließlich.

      Die Kamera wackelt leicht, dann eine weibliche Stimme aus dem Off: „Ein Video für unseren Channel!“

      Die Blondie sieht nun ebenfalls in die Richtung, in die der Mann eben geguckt hat. „Welcher Channel?“ kommt von ihr, doch ihr Gesichtsausdruck bleibt freundlich, fast schon neutral. Die Brünette, die ein Telefon an ihr Ohr hält, schickt nur einen genervten Blick in Richtung Kamera, dann steht sie auf und läuft aus der offenen Küche in ein kleines Zimmer und knallt die Tür zu.

      Sowohl der Mann als auch die Blondine sehen ihr nach, dann wenden sie sich wieder der Kamera zu. Die Stimme aus dem Off seufzt, ignoriert die vorher gestellte Frage aber komplett. „Ihr seid langweilig. Das soll Entertainment sein! Ein slice of life!“

      Der Mann zieht eine Augenbraue hoch. „Ein Leben auf einem Gestüt ist vielleicht einfach nicht spannend?“ sagt er trocken, worauf die Blondine etwas lächelt. „Vor allem nicht um halb acht morgens,“ fügt sie hinzu.

      Noch ein Seufzer aus dem Off, diesmal ein wenig wehleidiger. „Dann such ich lieber die Hunde. Die sehen vor der Kamera wenigstens gut aus.“

      Schnitt.

      xxx

      Strahlend blauer Himmel, mit ein paar Schäfchenwolken, ist zu sehen. Langsam schwenkt die Kamera nach unten, zeigt Gebäude mit Paddocks, weiße Zäune. Man hört ein Schnuffeln, ein kleines Wuff, dann kommen zwei Hunde in Sicht; ein weißgrauer, etwas zotteliger, und schließlich eine kleine, gefleckte Bulldogge.

      Der Zottel steht einige Meter entfernt auf Pflaster, wackelt mit dem Schwanz. Im Maul trägt er einen gelben Tennisball, und sobald jemand hinter der Kamera mit der Zunge schnalzt, kommt er angerannt und lässt den Tennisball fallen. Die Bulldogge hingegen liegt quer über ein Paar Beine in dunklen Jeans, lässt sich den Bauch kraulen und grunzt dabei.
      Nach ein paar Mal Hin- und Her rennen lässt sich auch der Zottel neben den Beinen nieder und hechelt.

      Schließlich hört man ein Knirschgeräusch, wie Schuhe auf Kies. Eine tiefe Stimme räuspert sich. „Sag mal, hast du nichts zu tun?“

      Blende.

      xxx

      Das Bild ist stabil, an beiden Seiten sieht man einen Zaun, der ein Grasstück umgibt. Im Vordergrund grasen zwei gescheckte Ponys, im Hintergrund sieht man einen Mist Boy.
      Von links kommt ein rundliches Gesicht ins Bild, den Blick schräg über die Kamera gerichtet. Rote Locken stehen in alle Richtungen ab, die Wangen sind gerötet. Schließlich sieht die Frau in die Kamera, winkt kurz. „So,“ sagt sie schließlich, etwas leise, und räuspert sich. „Hier sind wir auf der Koppel von Paramour,“ sie dreht sich kurz um, zeigt auf den Braunschecken, der in ihre Richtung sieht, „uund Muraco.“ Das andere Pony, der Rappschecke, lässt sich nicht vom Grasen abbringen, nicht einmal, wenn die Frau auf ihn einredet. Nur kurz hebt er den Kopf, zeigt ein stahlblaues Auge und angelegte Ohren.

      „Zoe, pack die Kamera weg und mach deine Arbeit!“ kommt die tiefe Stimme aus der letzten Szene, diesmal weiter weg. Die Frau lässt schließlich von dem weniger interessierten Pony ab und stiefelt zurück zur Kamera, immer näher kommend. Die Kamera wackelt kurz, dann wird das Bild schwarz.

      Schnitt.

      xxx

      Man sieht eine Stallgasse, hell, mit Boxen auf beiden Seiten und einer rostroten Schubkarre vor einer offenen Box geparkt. Im Hintergrund läuft leise Musik.
      Die Kamera bewegt sich auf die Schubkarre zu, jemand summt das Lied mit. Die Schritte hallen laut und es ist erst ruhig, als die Kamera plötzlich stehen bleibt und das Innenleben einer Box zeigt. Der Mann von der Frühstückstheke stößt die Mistgabel in das alte Stroh und bemerkt die Kamera erst, als er aufsieht.
      „Lesja, sag hallo!“ hört man schließlich die Kamerafrau sagen.

      Der Mann guckt erschrocken auf, dann verdreht er seine eben noch weit aufgerissenen Augen. „Langsam denke ich, du bist als Paparazzi in L.A. besser aufgehoben als hier,“ murmelt er schließlich, aber er grinst ein wenig und marschiert unbeirrt auf die Schubkarre zu. Dabei kommt er nahe an die Kamera, für wenige Momente sieht man nur ein Close Up seines Gesichtes, ehe er wieder in die Box geht.

      „Komm schon, sag hallo,“ quengelt die Stimme im Off.

      Mit einem gespielt genervten Gesichtsausdruck sieht der Mann wieder von seiner Arbeit auf, setzt ein gefaktes Lächeln auf und visiert einen Punkt direkt über der Kamera an. Dabei hebt er die Hand und kurz darauf ist seine Hand nur noch verpixelt.

      „Ach komm schon, jetzt muss ich das zensieren,“ jammert es hinter der Kamera.

      Der Mann sticht wieder ins Stroh, transportiert es zur Schubkarre und geht zurück. Noch während sein Rücken der Kamera zugewandt ist, fragt er: „Hast du eigentlich so viel Freizeit, dass du uns alle stalken kannst?“

      „Oh gott,“ kommt es schließlich wieder von hinter der Kamera. „Sag es nicht Declan, okay?“
      Der Mann dreht sich wieder um, mimt einen Reißverschluss vor seinen Lippen und wendet sich seiner Arbeit wieder zu.

      Schnitt.

      xxx

      Das Bild wackelt, man sieht je eine Stiefelspitze auf Sand, während der Kameramann läuft. Von etwas weiter weg hört man Zungenschnalzen, laut, mehrfach hintereinander. Die Kamera wackelt noch mehr, schließlich sieht man die Frau mit den roten Haaren, hinter ihr ein weißer Zaun mit Buchstaben auf Schildern und eine Hecke.

      „So –“ beginnt sie, wird daraufhin aber sofort wieder von der anderen Stimme unterbrochen.
      „Komm! Auf, los –“ Daraufhin wieder Zungenschnalzen. Die Frau mit den roten Haaren beobachtet etwas, was sich hinter der Kamera abspielt, dann grinst sie. Man hört das dumpfe Geräusch von Huf auf Körper.

      „Das hast du jetzt nicht gefilmt oder was?“ fragt die Stimme, etwas genervt. „Das glaubt uns doch keiner!“

      Die Frau seufzt daraufhin, sieht aber wieder direkt in die Kamera. „Wir lassen gerade Capulet und Quixoticelixer ein bisschen laufen und –“

      „Kriegst du Geld dafür wenn du jedes Pferd mit seinem Zuchtnamen anredest? Zahlt Youtube da extra?!“

      Kurz sieht die Frau etwas verwirrt, dann fährt sie fort. „Cap und Q dann eben, Jeez – wir lassen sie ein bisschen Stress abbauen und –“ Das Bild wackelt, schließlich sieht man zwei Ponys im Trab über einen Platz flitzen. Das helle Pony hängt dem Fuchs dicht an den Fersen, wagt es, ab und an in die Flanken zu beißen und kassiert davor angedeutetes Ausschlagen und auch mal den ein oder anderen Tritt. Ab und zu sieht man die Brünette vom Frühstücken ins Bild rennen, wie sie den beiden Ponys hinterher rennt und dabei in die Hände klatscht. Nach ein paar Galoppphasen fallen beide Pferde in den Schritt und laufen nebeneinander her, als wäre nichts gewesen.

      „So hab ich Cap schon lange nicht mehr gesehen,“ sagt die Brünette, die Hände in die Hüften gestemmt.

      „Und ich hab dich schon lang nicht mehr so außer Atem gesehen,“ kommentiert die Stimme hinter der Kamera. „Ich glaub, dir tut ein bisschen Fitness etwas gut.“ Währenddessen kam das Bild der Brünetten immer näher, bis sie mit einer einfachen Handbewegung das Objektiv abdeckt. Die Kamera wackelt kurz.

      Schnitt.

      xxx

      Ein schwarzweißes Pferd trabt locker flockig in einem Kreis. Am Kopf trägt es einen Kappzaum, daran ist eine Longe eingehängt. In der Mitte des Zirkels steht die Blondine und läuft ihren eigenen kleinen Zirkel. Dann ändert sie ihre Körperstellung, stellt sich fast quer zum Pferd, woraufhin dieses in den Schritt fällt.

      Der Blick der Blondine fällt schließlich kurz in Richtung der Kamera, dann konzentriert sie sich wieder auf ihren Schützling. „Das musst du rausschneiden,“ scherzt sie, „wir können nicht einfach unsere Geheimwaffe im Internet zeigen.“

      Die Kamera zoomt auf den Kopf des Scheckens, der ruhig blinzelt und schließlich stehen bleibt. „Adèle, du musst den Namen sagen. Sonst weiß niemand, wie unsere Geheimwaffe heißt!“
      „Sag’s doch selber,“ kommt darauf und das Pony tritt wieder an. Daraufhin wackelt das Bild, man sieht die Frau mit den roten Haaren. Sie guckt ein wenig irritiert, dann grinst sie. „Das war Cíola und wenn wir ihr noch ein paar Jahre geben, dann wird sie jedes Warmblut aus dem Rennen schicken.“ Die Kamera schwenkt wieder auf das Pony, das sich jetzt im Schritt nach unten streckt.

      Vom Inneren des Zirkels hört man: „Aus dem Rennen schicken? Wirklich?“

      Schnitt.

      xxx

      Die Kamera befindet sich auf einer Tribüne einer Reithalle. In der Bahn sieht man ein dunkles Pferd mit federnden Schritten unter seinem blonden Reiter. Man erkennt nicht viel, die Kamera schwenkt auf den Mensch hinter ihr um.

      Die Frau mit den roten Haaren sitzt allein auf der Tribüne mit vollgestopften Backen. Eine Weile kaut sie, sieht dabei neben der Kamera vorbei, ehe sie zum sprechen kommt.
      „Während andere Menschen Mittag machen,“ meint sie und schluckt dann hinunter, „machen Declan und Vaffanculo Dressur.“ In einem Fakeflüstern schließlich: „Bunch’a workaholics, wenn ihr mich fragt.“

      Es ertönt ein dünnes, kaum hörbares „Das hab ich gehört!“, dann grinst die Frau und das Bild wird schwarz.

      Schnitt.


      Das Bild ist durch und durch grün; dann stellt sich der Fokus ein und man erkennt einzelne Grashalme. Während die Kamera richtig positioniert wird, sieht man wieder einen weißen Zaun, der sich diesmal bis außerhalb des Bildausschnittes erstreckt. Auf die Kamera zu kommen zwei Ponys, einmal weiß, einmal weiß-braun gescheckt.

      „Hier haben wir Chepa und Medeia, oder, wie ich sie nenne, die Bosses,“ sagt die Stimme im Off, fast ein wenig stolz. Die beiden Ponys bleiben in sicherer Entfernung stehen und erinnern doch ein wenig an Kühe, die neugierige Zuschauer am Zaun aus sicherer Distanz beobachten.

      Das Bild wird dunkler.

      Blende.

      xxx

      Die Sonne ist längst nicht mehr ganz so gleißend, doch das Bild muss sich erst einmal abdunkeln, während man die Landschaft erahnen kann.
      Man sieht in der Ferne ein Reiter-Pferd-Gespann über ein Naturhindernis springen, ehe sie näher kommen. Das Pferd ist dunkelbraun und, als es mit einer kleinen Reiterin mit rötlichen Locken vorbeirauscht, extrem fokussiert, ehe es ohne zu Zögern über einen kleinen Bach springt.

      Das Bild wackelt. „Äh – meine Güte, wie macht Zoe das – also das war auf jeden Fall Tautou,“, sagt eine andere Stimme, dann schwenkt die Kamera nach unten und zeigt ein hellbraun-weißes Pferd, das entspannt mit den Ohren spielt, obwohl gerade ein Artgenosse in einem Affenzahn an ihm vorbeigerauscht war. „Und das hier ist Parvati, die nicht so gern über Hindernisse geht aber –“ Räuspern. „Einer muss ja am Rand stehen und filmen, nicht wahr?“ Eine Hand mit schwarzen Handschuhen tätschelt den gescheckten Hals, das Pony schnaubt gelassen.
      Schnitt.

      xxx

      Die Reithalle, diesmal auf gleicher Ebene wie die Bahn. In der Mitte steht ein Mann mit blonden Haaren, während der Mann vom Frühstück auf einem großen Rappen sitzt und ein wenig verloren aussieht. Von dem Blonden kommen Anweisungen, die jedoch nicht auszumachen sind.
      Außer eine. „Zoe, weg mit der Kamera.“

      Daraufhin, unter gegrummelten Protest, wird die Kamera gesenkt und man sieht nun zwei Stiefelspitzen. „Lesja kriegt Reitstunden auf Painted Blur,“ flüstert die Stimme aus dem Off. „Aber das darf man nicht filmen weil Declan mir sonst die Kamera mit seiner bloßen Hand zerquetschen könnte.“

      Die Kamera dreht sich, man hört und sieht Schritte. „Gucken wir mal lieber, was Adèle macht.“

      Schnitt.

      xxx

      „Das ist mein absoluter Lieblingspart,“ sagt die Frau mit den roten Haaren, während sie auf etwas kaut. Sie guckt ernst in die Kamera, dann schließlich darüber hinweg. Hinter ihr sieht man die Szene der Küche des Morgens. „Adèle kocht und da keiner da ist, bin ich die einzige, die probieren darf,“ vollendet sie schließlich den Satz, dann schwenkt die Kamera und man sieht die Blondine von hinten beim Salat putzen.

      „Sag mal,“ kommt die Stimme hinter der Kamera, „was hast du eigentlich gemacht?“

      „Mich von dir versteckt,“ antwortet die Blondine und zerrupft einzelne Blätter. Eine Pause, dann seufzt sie und dreht sich schließlich zur Kamera um, sieht darüber hinweg. „Cìola hast du ja mitgekriegt, danach war ich mit Icetea –“

      „Voller Name, bitte.“

      Die Blondie ignoriert das. „Danach war ich mit Icetea eine Runde um die Höfe und jetzt werde ich von dir belagert.“

      Man hört ein Geräusch hinter der Kamera, ein Mix aus Seufzen und Quengeln. „Komm schon, wir müssen doch wissen, von wem du redest!“

      „Wenn’s dir so wichtig ist, sag’s doch selber.“ Die Blondine dreht sich wieder um und widmet sich dem Salat.

      „Aber wie blöd kommt das denn, wenn ich aus dem Nichts jetzt Long Island Icetea sage,“ murmelt die Kamerafrau.

      „Du hast es gerade getan,“ ist die monotone Antwort, dann sieht die Blondine über ihre Schulter. „Komm schon, du kannst mir wenigstens helfen.“


      Geringelte Socken, dann ein gedeckter Tisch mit Schalen in sämtlichen Größen. Aus manchen steigt Dampf auf. Als die Kamera ein wenig hinauszoomt, sieht man schließlich Menschen um den Tisch sitzen, die sich angeregt miteinander unterhalten und lachen. Keinen interessiert die Kamera.

      Schwarz. Schnitt.


      Man hört Hufgeklapper und knirschende Schritte bevor man etwas sieht. Das Licht ist dämmrig und man erkennt erst wirklich etwas, als die Kamera im Stall angelangt ist. Vor der Kamera läuft ein großes, braunes Pferd, davor die Brünette.

      „Juli, du musst Bucky noch vorstellen,“ hört man aus dem Off.

      „Das sollte mittlerweile dein Spezialgebiet sein,“ kommt es daraufhin trocken von der Brünetten. Seufzen hinter der Kamera; der Braune wird in seine Box geführt und stürzt sich daraufhin auf das Futter im Trog. Die Brünette hängt das Halfter an die Boxentür.

      „Juli –“ quengelt es hinter der Kamera. Die Brünette streckt als Antwort nur ihre linke Hand nach oben, und kurz darauf ist sie verpixelt.
      „Hör auf dich mit Lesja abzusprechen, das ist uncool. Ihr macht mir unnötige Arbeit!“

      Die Brünette senkt die Hand wieder, rollt mit den Augen. „Das war Bucky und das war es jetzt mit diesem Video. Okay?“

      „Aber –“

      Schwarz. Schnitt.
    • Rhapsody
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      Turnierwochenende
      | 29. Juni 2016
      „Jojo – ich weiß du bist Fahrer und es ist früh und wir sollten eigentlich die Klappe halten. Aber wie oft willst du noch Back to Black anhören? Bis wir da sind?“
      Ich warf Zoe einen kurzen Seitenblick über den schlafenden Declan zu, dann hielt ich meinen Finger auf die Zurück-Taste des CD-Spielers. Bis wir wieder bei Track 1 waren. Bis Rehab die kleine Fahrerkabine wieder füllte. Zoe stöhnte auf und wenn ich das Geräusch richtig deutete, schlug sie auch ihren Kopf gegen die Fensterscheibe. Zwischen uns schnarchte Declan laut auf.
      Und wir hatten immer noch zweieinhalb Stunden Fahrt vor uns.

      ***

      Der Sommer hatte Kanada auch langsam erreicht – was wieder einmal bedeutete, dass Miss ‘Straya die einzige war, die irgendwie funktionierte. Sie war auch die einzige, die sich freiwillig dafür gemeldet hatte, an diesem Wochenende mit den Pferden irgendwelche Turniere zu bestreiten – der Rest des Teams hatte dankend abgelehnt. Außer ich natürlich, denn schließlich war ich loyal und wollte Zoe das nicht allein durchstehen lassen. Nett war es auch, dass Declan uns auch noch begleitete (ich hatte ihn natürlich nicht dazu gezwungen. Das wäre ja fies gewesen!).
      Dass ich schließlich mit Parvati eine Vielseitigkeit nannte schob ich auf einen unerklärlichen Motivationsschub, der mich buchstäblich übermannte. Jetzt durfte ich bei 26°C in einem langärmeligen, schwarzen Polyesterjackett in einem Viereck herumhüpfen. Hatte ich schon erwähnt, dass Vergangenheits-Ich nicht gerade die Netteste ist?
      Aber gut, da mussten wir jetzt durch. Und vielleicht hatte wenigstens Zoe das Glück, dass es während ihrer Prüfung vielleicht schon etwas abgekühlt hatte. Und wenn nicht kam Abkühlung von unten; zusammen mit Medeia bestritt sie ein Geländespringen auf L-Level – happig, aber eigentlich machbar.
      Auf dem Turniergelände außerhalb von Winnipeg angekommen – wirklich angekommen – gab es für Parvati und Medeia erst einmal Wasser und frisches Gras. Wir waren gut durchgekommen; es war etwa neun und ich konnte in aller Ruhe frühstücken und Declan beim Einzäunen zuschauen, während Zoe das ganze Organisatorische erledigte. Nachdem die Breze vernichtet war, erreichten mich die ersten Snaps und Selfies vom Hof. Lesja, umrandet von Chepa und Tautou, die beide versuchten, eine Möhre zu bekommen, die er zwischen die Lippen gesteckt hatte. Eine grasende Bucky, im unteren Bildrand erkannte man Adèles türkislackierte Fußnägel. Eigentlich hätte ich etwas zurückschreiben oder -schicken wollen, aber gerade, als ich Whatsapp geöffnet hatte, kam Zoe und der Ernst des Lebens begann.
      Während Zoe und Declan noch einmal über Parvati drüber bürsteten und auch guckten, dass ihr Sattel keinen Schaden davon getragen hatte, flocht ich mir die Haare zurück und schlüpfte unter akrobatischen Verrenkungen im Fahrerhaus in meine weiße Reithose und debattierte dann geschlagene drei Minuten mit mir selbst, ob ich es moralisch unterstützen konnte, ohne Jackett abzureiten. Wirklich gut stand mir die Turnierbluse mit T-Shirt-Ärmeln nicht, aber dafür sah Parvati umso besser aus.
      Aber es ist nicht alles Gold was glänzt. Der Abreiteplatz war vollgepackt und jedes Pony, das uns einen Zentimeter zu nahe kam, brachte die Stute unter mir komplett aus dem Konzept. Wir hatten eigentlich schon Dressurturniere auf höherem Niveau bestritten und hatten auch schon das ein oder andere Mal eine Schleife mit nach Hause gebracht. Trotzdem lief die Prüfung ziemlich desaströs – vor jedem etwas ungewöhnlichen Geräusch hüpfte Parvati davon, ließ sich kaum versammeln und scheute sogar einmal. Ein guter Turnierstart war das auf keinen Fall. Dementsprechend fiel dann auch die Wertung aus – und das in der Disziplin, die der kleinen Scheckstute eigentlich bisher am leichtesten gefallen war.
      Declan meinte, das würde alles an der Hitze liegen. Pferde seien keine Tiere der Wärme und Hitze, da war es nur natürlich, dass Zeug schief lief. Das munterte mich zwar ein wenig auf – Declan war der Typ Mensch der einem sagte, wenn man etwas falsch gemacht hatte, vor allem, wenn Pferde im Spiel waren – aber große Hoffnung für Zoes Prüfung hatte ich trotzdem nicht. Wieso sollte meine miserable Leistung sich denn nicht auf sie übertragen? Das war doch total logisch! Diese Theorie wurde dann auch bestätigt, als Zoe mit Medeia den 8. Platz holte. Keine ganz so große Blamage wie mein Auftritt, aber auch kein Platz auf dem Treppchen. Mehr oder minder erfolgreich ging dann der erste Turniertag zu Ende – und ich hatte schon fast vergessen, wie schlecht man in einem Pferdetransporter/Wohnwagen schlief.
      Der zweite Turniertag erschien dann von Anfang an als noch schlechter. Es war stickig, schwül – man hätte die Luft meinem Buttermesser zerschneiden können. Parvati und Medeia hatten sich unter das Vordach verkrochen und es tat mir fast leid, als ich Parvati zur Arbeit da wegholen musste. Heute stand das Geländespringen auf dem Plan – der Parcours führte zwar größtenteils auch durch einen Wald, aber das brachte nur ein weiteres Problem auf. Zum Glück hatten wir ein super Fliegenmittel dabei – irgendetwas würde schon helfen.
      Während Declan Parvati von jeglichem Schmutz befreite, schlenderten Zoe und ich zur Parcoursbesichtigung. Ein wenig unwohl wurde mir dann doch; Springen machte Parvati Spaß, aber unter diesen Voraussetzungen konnte das dann durchaus happig werden, vor allem, da der Parcours schon ziemlich anspruchsvoll war – zweimal mussten wir einen Bach überspringen, es gab eine ganze Handvoll Wassergräben und einen Wall. Zum Glück hatten wir morgen noch eine Prüfung – hätte ich nach diesen Hindernissen heimfahren müssen, hätte das wohl in einem Unfall geendet.
      Ich war eine der letzten Starterinnen, konnte also noch in Ruhe frühstücken und mich fertig machen, bevor es dann auf den Abreiteplatz ging. Es bedeutete dann natürlich auch, dass es noch schwüler wurde und mir, als wir uns auf den Weg zum Parcours machten, der Schweiß in Strömen herunter lief. Es wurde etwas besser als wir nur so über die Hindernisse fegten, Parvati scheinbar in bester Form, aber dafür kamen dann die Stechmücken. Und dann wieder die Hitze. Eventuell ein bisschen Abkühlung durch die Bäche, aber alles in allem war es fast schon Tortur. Nichtdestotrotz mischten wir das Teilnehmerfeld ganz schön auf und ritten uns sogar an die Spitze und bekamen so wenigstens noch eine Schleife – Tagessieg Geländespringen. Das katapultierte uns in der Gesamtwertung auch noch mal nach oben.
      Apropos Katapult – von Adèle bekam ich an diesem Abend eine Abundanz an Snapchatvideos, anscheinend von einem Ausritt. Sie selbst hatte sich auf Capulet gewagt und neben ihr trottete Vaffanculo entspannt vor sich hin, im Sattel Lesja. So wie es sich ansah war es ein reiner Schrittausritt gewesen, ohne ungewollte Eskapaden. Vielleicht wurden die beiden Hengste endlich erwachsen.
      Nachts zogen Gewitter über das Veranstaltungsgelände – ein Glück soffen wir nicht ab. Der Springplatz war dann eine andere Sache, voll mit Pfützen und Matsch. Das musste es dann wohl gewesen sein mit den weißen Beinchen und sauberen Gamaschen. Blöd nur, dass Parvati vor jeder Pfütze wegsprang – das Ganze durfte sie dreimal machen, dann war das Turnier offiziell für uns gelaufen. Wenigstens mit einer Schleife im Gepäck ging es dann nach Hause – bei einem derart massiven Gewitter, dass wir für die 3,5h Fahrt fast 5 Stunden brauchten, und das ohne Unfällen auf dem Highway. Sollte jemand fragen, dann war die mickrige Ausbeute dieses Wochenendes natürlich nur dem Wetter zuzuschreiben.
    • Rhapsody
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      Die innere Elena
      | 13. August 2016
      Ich würde es nie zugeben, aber ja, ich war schreckhaft. Vor allem wenn jemand holternd und polternd in mein Zimmer kam, während ich versuchte, ein kleines Nickerchen dazwischen zu schieben. Nicht, dass ich den Tag über schon recht viel getan hatte, aber ich versuchte immer ein wenig, meine innere Elena nicht einzuschließen, sondern sie auch einfach mal raushängen zu lassen. Und dazu gehörte es einfach, dass man um zwei Uhr nachmittags schlief.
      Und den Wecker nicht hörte und ein paar Stunden am Stück schlief. Das alles gehörte dazu. Genauso wie das im-Bett-rumlungern-nach-dem-man-aufgewacht-war – alles Teil des Elena-sein. Nur die hereinstürmenden Riesen, die waren nicht Teil der Erfahrung. Gerade noch so konnte ich mich fangen als Lesja die Tür aufriss, um ein Haar war ich auf dem Boden gelandet.
      „Hast du schon mal auf die Uhr geschaut?“ fragte er, seine Stimme eine Spur genervt. Aber nur eine Spur. Mein Blick wanderte zum Wecker auf dem Beistelltisch und okay, vielleicht war es schon nach sechs Uhr abends und vielleicht hatte ich das Nickerchen ein wenig in die Länge gestreckt. Aber vielleicht übertrieb Lesja auch einfach nur.
      Aber weil es so spät schon war, machten wir uns erst einmal Abendessen. Von ihm erfuhr ich dann auch, dass er mit dem King ein bisschen Bodenarbeit (mit Buch. Lesja hatte das jetzt schon öfters gemacht und hatte dabei immer das Bodenarbeitsbuch in der Hand gehabt, dass ich ihm vom Speicher geholt hatte) gemacht hatte, dass Zoe irgendeine Massagetechnik an Quixoticelixer ausprobiert hatte und dass sie beide zusammen das Ganze mit der Doppellonge und Vaffanculo probiert hatten und nicht wirklich Erfolg verbuchen konnten. „Das ist ja total unerwartet,“ flüsterte ich in meine Schale Salat, aber stieß dabei bei Lesja aber auf Granit. Ich sah sein Gesicht nicht, hörte dafür aber seinen selbstmitleidigen Seufzer. Dafür bekam er einen Tritt aufs Schienbein.
      Eine kurze Pause entstand, in der ich – immer noch meiner inneren Elena folgend – den Salat in mich reinschaufelte. Als ich dann nicht sofort aufsprang, bekam ich von Lesja einen bösen Blick. „Findest du nicht, du könntest jetzt wirklich mal was Produktives machen?“
      Elena würde mir das verzeihen.
      ***
      „Produktiv“ bedeutete in meiner heutigen Lebensphilosophie, dass ich zwei Hengste ein wenig über den Platz rennen lassen würde. Da wusste ich zwar, dass Elena das nicht wirklich toll fand, aber sie würde das bestimmt verstehen. Die zwei Glücklichen waren Paramour und Capulet; vor allem bei Cap waren wir mittlerweile soweit, dass er mit dem richtigen Training fast schon ruhig geworden war. Er hatte noch immer einen immensen Dickschädel und testete immer noch extrem aus, aber das letzte Mal, dass er jemanden in den Sand gesetzt hatte, war nun wirklich schon eine Weile her. Zoe hatte einen Lehrgang in Richtung Massagen gemacht und alle paar Wochen kam eine Tierheilpraktikerin. Langsam wurde der Hengst ausgeglichener – eine Art Spritz hatte er aber behalten. Deswegen war er auch derjenige, der bei erster Gelegenheit losrannte, als ich ihm das Halfter abnahm.
      Damit es nicht nur Rumrennen war, sondern auch wenigstens ein wenig Sinn hatte, hatte ich ein paar Trabstangen auf den Boden gelegt und ein kleines Cavaletti-Hindernis aufgebaut. Capulet stürzte sich fast darauf, trabte und galoppierte über die Stangen und das Hindernis, während Paramour sich in der Mitte der Bahn seine Streicheleinheiten abholte. Irgendwann konnte ich aber ihn auch noch dazu überreden, sich ein wenig zu bewegen – Cap hatte sich da bestimmt schon zwanzig Minuten selbst beschäftigt, aber lieber spät als nie, oder?
      Auch jetzt merkte man wieder, dass der einst so aufbrausende Hengst, der nur mit viel Glück mit einem anderen Hengst zusammen stehen konnte, endlich sein Gleichgewicht gefunden hatte. Immer noch recht dominant setzte sich Cap in Führung, duldete aber das ein oder andere Zwicken des Älteren und forderte ihn sogar zum Spielen auf. Es war fast schon ein wenig süß, das musste ich zugeben. Paramour hatte zwar wenig Lust (und zeigte das auch ganz offen), aber
      Was vor ein paar Monaten auch noch unmöglich schien, war, dass ich Capulet zusammen mit einem anderen Pferd gleichzeitig führen konnte. Aber jetzt gab es keine Kabbeleien, nur zwei ruhige Ponys, die mir auf die Koppel zurück folgten.
    • Rhapsody
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      Das Glück der Iren
      | 28. September 2016
      Wach wurde ich an diesem Morgen, weil der Regen sanft gegen mein Fenster prasselte. Sanft war dabei objektiv – es klang eher, als würde jemand ununterbrochen mit langen Acryl-Fingernägeln an mein Fensterglas tappen. Morgen war auch objektiv; mein Wecker zeigte an, dass es zehn vor fünf war. Dank des Wolkenbruches war aber nicht mehr an Schlaf zu denken, dementsprechend schlug ich die Bettdecke zurück (weckte dabei Khaleesi auf, die mit einem lauten Grunzen aufschreckte und vom Bett sprang) und schlüpfte schnell in eine Jogginghose. Für Frühstück war es noch zu früh, also machte ich mir nur eine Tasse Kaffee und startete den Laptop.

      Wie ein normaler Erwachsener, der um fünf Uhr von Regen geweckt wurde, checkte ich dann erst einmal meine E-Mails. Zum einen hatte mir Svejn Álfarsson spätnachts noch einmal die genauen Details des Pferdetransports von einem kleinen Connemarahengst geschickt; vor ein paar Wochen hatte ich Rising of Storm von ihm erstanden, jetzt machte er sich auf den Weg von Calgary. Das waren – bei wenig Verkehr – schon zehn Stunden Fahrt. Damit das alles reibungslos klappte, war fast alles schon vorbereitet worden. Declan und Lesja würden nachmittags Gambit von der Weide holen, damit er zusammen mit dem Neuen den Winter über zuhause stehen konnte. Zumindest hatte ich mir das bis jetzt so ausgemalt; das Leben kam ja oft dazwischen und sollten sich die zwei aus irgendwelchen Gründen nicht verstehen, musste eine Notlösung her.

      Über Notlösungen philosophierte man aber nicht um kurz nach fünf, weswegen ich das erstmal in den hintersten Winkel meines Gehirns schob. Später. Auch, dass neben Storm auch noch Peggy samt ihrem Corgi – von dem jeder bis auf Lesja wusste; der Diskussion wollten wir so lang wie möglich aus dem Weg gehen – heute hier offiziell einziehen wollte (und sich täglich 1,5 Stunden Pendeln aussetzen wollte) rutschte mehr oder weniger weit nach unten auf meiner To Do Liste. Irgendjemand würde schon hier sein und irgendjemand würde ihr schon Adèles altes Zimmer zeigen. Irgendjemand. Vielleicht Zoe, vielleicht auch nicht. Das würde man sehen.

      Die Spam-Mails verschob ich in den Papierkorb, von Svejns E-Mail schrieb ich mir alle Daten raus, dann leerte ich die Kaffeetasse in einem Zug und beschloss, dass man mit einem angeheilten, aber doch noch gebrochenem Handgelenk ruhig das Ausmisten schon mal probieren konnte.

      ***

      Eigentlich war der Plan gewesen, dass die Pferde noch ein paar Tage länger ganztägig auf die Weide durften, aber jetzt hatte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nachts wurde es schon ziemlich kalt und gepaart mit dem Regen war das, vor allem für die Warmblüter, die für so teilweise raue Wetterbedingungen (noch) nicht genug Winterfell schoben, eine kleine Zumutung. Also war der Herbst ein paar Tage früher als geplant losgegangen und die Pferde kamen mit Regendecken tagsüber auf die Weide und abends in den Stall.
      Und um ehrlich zu sein, das machte vieles so viel einfacher. Zwar war jetzt wieder täglich misten dran, aber man musste das Pferd nicht erst von der Weide holen, um es zu füttern. Und die Angst vor herumstreunenden Bären war mir auch langsam genommen.

      Nach etwa zwei Versuchen entschied ich mich, dass das Misten jemand anderes übernehmen sollte. Glücklicherweise war Tautou auf dem Paddock gestanden und hatte sich so wenig dafür interessiert, dass die Boxentür sperrangelweit aufstand, aber eine volle (oder, seien wir mal ehrlich, auch eine leere) Schubkarre mit einer Hand zu schieben war, zumindest für mich, utopisch. Viel mehr konzentrierte ich mich dann darauf, erst den Stuten und dann den Hengsten das Frühstück zusammen zu mischen. Wenigstens für etwas war ich noch gut genug.

      Langsam aber sicherte näherten sich die Zeiger meiner Armbanduhr einer humanen Aufstehzeit. Nachdem auch der letzte im Bunde, nämlich Vaffanculo, zufrieden auf Mineralfutter und Äpfel mampfte, erklärte ich meine Mission für hashtag accomplished und stapfte im Regen zurück ins Haus. Wirklich wach war noch immer keiner. In der Küche traf ich nur auf Ella, die geräuschvoll ihren Futternapf quer durch den Raum schob und dann schwanzwedelnd auf mich zukam; die Türen zu den Zimmern waren alle noch verschlossen. Dann war es also an mir, Frühstück zu machen.

      Frühstück und Meeting-das-kein-Meeting-war-aber-so-viel-professioneller-als-Arbeitsverteilung-klingt verliefen mehr oder weniger still; ich war anscheinend nicht die einzige, die vom Regen und Wind geweckt wurde, aber im Gegensatz zu mir hatten die anderen den Fehler gemacht und waren wieder eingeschlafen. Ein wenig mürrisch räumten sie dann das Geschirr weg und auch das auf die Weide bringen verlief eher schweigsam als lebendig (aber gut, hätte irgendjemand den Mund aufgemacht, hätte er den Mund voll kaltem Regenwasser. Dem Schicksal entging man dann am liebsten). Die Pferde hingegen trotzen dem Wetter; als würden wir gerade nicht vor einer neuen Sintflut stehen, rannte vor allem Bucky wie von der Tarantel gestochen über die Weide, zwickte hier mal Medeia , da mal Long Island Icetea oder auch Parvati – im Gegensatz zu mir konnte man an der Holsteinerstute nicht mehr erkennen, dass wir erst vor wenigen Wochen einen kleinen Unfall hatten. Das Bein, mit dem sie gelahmt war, hatte eine kurze Ruhepause von einem Tag Boxenhaft gebraucht und dann war alles wieder in Butter gewesen. Und ich rannte immer noch mit einem lädierten Arm herum.

      Als dann auch die Hengste mit Regendecke auf ihren Koppeln standen, begann die eigentliche Arbeit. Für die anderen. Ich tat derweil mein bestes, das Haus ein wenig in Schuss zu halten, versuchte mich am Staubsaugen und Abwaschen (oder auch: Spülmaschine einräumen). Es wird wohl niemanden überraschen, wenn ich zugebe, dass ich den halben Tag nur herumsaß und wartete, bis der Gips abkam und ich wieder aufs Pferd steigen durfte.

      Unzähliges Rumscrollen auf Rezeptseiten, Ausprobieren von etlichen Sandwiches (die von Lesja, der gerade Zeit fürs Mittagessen hatte, nur mit einer Grimasse gegessen wurden) und fünf Folgen New Girl später erreichten mich dann zwei Notifs auf dem Handy – Peggy sagte kurz Bescheid, dass sie sich jetzt auf den Weg machen würde und auch Svejn und Rising of Storm waren außerhalb von Melville, SK und noch etwa eineinhalb Stunden entfernt. Mit meinem Glück würden beide auch etwa gleichzeitig ankommen. Aber hey, dann ging mein Plan ja irgendwie doch auf!

      Zoe, die heute ursprünglich mit Medeia auf die Geländestrecke wollte aber aufgrund der sintflutartigen Wolkenbrüche, unter denen wir heute leiden mussten, beließ sie es bei einer kleinen Longeneinheit. Das bedeutete, dass sie früher Zeit hatte als erwartet und, dass sie mit mir Adèles altes Zimmer für Peggy herrichtete. Es fühlte sich ein klein wenig komisch an; Adèle hatte wieder einen Job auf dem Gestüt ihres Vaters angenommen und sich ihre Sachen nachschicken lassen. Das Zimmer war also bis auf ein Bett, einen Tisch und eine Kommode relativ leer, aber trotzdem war es jetzt eineinhalb Jahre Adèles Zimmer gewesen. Und da sollte jetzt einfach jemand wieder wohnen? „Gib dem ganzen erst einmal ein paar Wochen Zeit,“ murmelte Zoe, während sie das Bett frisch überzog und mir bei meinem Rumgejammere überraschenderweise geduldig zuhörte. „Spätestens Weihnachten ist alles wieder im Normalen und keiner denkt sich was.“

      Grummelnd machte ich mich wieder daran, den Schrank mit einem feuchten Lappen zu putzen. „Hör auf so rational zu denken.“

      „Das ist mein Charakter.“

      „Haha.“

      ***

      Lesja und Declan waren noch unterwegs, um Gambit abzuholen, da klopfte es um halb vier an die Haustür. Zoe und ich hatten gerade eine Kaffee- und Teepause eingelegt und sahen uns jetzt mit großen Augen an. Ein paar Momente vergingen, dann atmete Zoe tief durch, verdrehte die Augen und setzte ihre Tasse ab. „Na gut, wenn du lieber kindisch sein willst.“

      Als wäre nichts passiert sippte ich dann an meinem Pfefferminztee weiter, ignorierte das Hallo und Wie war die Fahrt und das restliche Blabla, das vom Flur in die Küche drang. Lieber checkte ich noch einmal die letzte SMS von Svejn, räumte ein bisschen auf. Herauszögern? Herauszögern war ein Wort welches man nicht in meinem Vokabular fand weil ich nie im Leben etwas herauszögern würde.
      Früher oder später musste ich mich also doch meinem Schicksal stellen. Die Stimmen waren leiser geworden; Zoe hatte Peggy wohl gerade in ihr Zimmer geführt und machte jetzt ein bisschen Smalltalk, um Sympathiepunkte zu sichern und zu überspielen, dass ihre eigentliche Vorgesetzte in der Küche Zeit schinderte. Ein letztes Mal atmete ich durch, dann schlich ich mich auf leisen Sohlen in den hinteren Teil des Hauses.

      „– frühstücken meistens so bis halb sieben, sieben Uhr, aber eigentlich ist die Küche jederzeit geöffnet und hey, guck mal wer da kommt,“ kündigte mich Zoe mit einem breiten Grinsen an. Neben ihr stand das Mädchen, das ich in den letzten Tagen treffenderweise als Ab-und-zu-für-drei-Stunden-beste-Freundin betitelt hatte, und lächelte mich unsicher an.

      Das letzte Mal, als ich Peggy gesehen hatte, war sie einen halben Kopf kleiner als ich, hatte dunkelbraune Haare und eine kaum bemerkbare, rote Blocksträhne. Dazu eine Zahnspange, ein bisschen übrig gebliebener Babyspeck und schwarze Fingernägel, die sie mit Edding angemalt hatte. Klar veränderten sich Leute und sahen selten Anfang zwanzig so aus, wie sie in ihren Tweens ausgesehen hatten, aber um ehrlich zu sein war ich ein wenig geschockt. Die Peggy hatte einen braunen Ansatz, in den Längen ging die Farbe in ein schönes (aber auch nicht natürliches) Blond über; die Zahnspange war weg, der Babyspeck hatte sich verwachsen. Etwa meine Größe, aber mehr Kurven. Und vor allem trug die Jetzt-Peggy einen kleinen, stockigen Hund auf dem Arm, der mich anzulächeln schien.

      Ohne groß nachzudenken verlagerte Peggy den Hund auf ihren anderen Arm und streckte mir dann – zugegeben, ein wenig formal und gestellt – die Hand entgegen. „Danke nochmal, dass es so kurzfristig funktioniert hat,“ sagte sie mit einem leichten aber gezwungenem Lächeln. „Aber ich hätte es nicht mehr ausgehalten.“

      Ein paar Sekunden verstrichen, ehe ich mich daran erinnerte, dass ich jetzt eigentlich reden sollte. Und aufhören sollte, ihre Hand zu schütteln. „Äh – kein Problem? Also. Natürlich musst du dich jetzt damit abfinden, dass wir alle nach Pferde stinken und irgendwie kaum da sind aber – äh.“

      Hinter Peggy sah ich Zoe die Augen verdrehen. „Was sie sagen will, ist, dass wir dich herzlich willkommen heißen und dir erst mal ein wenig Zeit lassen, um dich ein wenig einzurichten.“ Dann zog sie vielsagend die Augenbrauen hoch, hakte sich bei mir unter und schleifte mich wieder zurück.

      „Du bist schlimm, das weißt du aber?“ zischte sie mir ins Ohr.

      „Tut mir leid, ich hab gerade meine Ab-und-zu-für-drei-Stunden-beste-Freundin nach zehn Jahren wieder getroffen, darf ich da nicht ein bisschen komisch sein?“ murmelte ich und schob meine Unterlippe heraus. Zoe warf mir nur einen langen Seitenblick zu, der so viel bedeutete wie Bitte, reiß dich einmal zusammen.

      ***

      Ich hatte beschlossen, dass es sich am besten auf ein Pferd warten ließ, wenn man auf dem Sofa lag. Nach meinem „Gespräch“ mit Peggy und dann mit Zoe hatte ich mich deswegen sofort ins Wohnzimmer bugsieren lassen und zappte jetzt durch das Spätnachmittagsfernsehprogramm. Khaleesi, die lieber hungern würde als bei Regen und Sturm draußen zu sein, hatte sich auf meinen Beinen zusammen gerollt und döste vor sich hin. Mein Handgelenk juckte gerade nicht, und dank Hund und Decke war mir sogar wohlig warm – und so ließ es sich auch leben, beschloss ich in dem Moment.
      Ein wenig in Gedanken versunken kraulte ich die Bulldogge auf meinen Beinen mit der linken Hand. Wahrscheinlich deswegen hörte ich das Klicken von Krallen nicht, als ein kleines, hellbraunes Etwa an den Fingern meiner herunterhängenden Hand nibbelte. Aus Reflex zog ich die Hand zurück; die Bewegung weckte Khaleesi auf, aber anstatt von meinen Beinen auf den Boden oder den Rest des Sofas zu springen, hatte ich plötzlich 10 Kilo Bulldogge auf dem Bauch stehen, die mir auch noch in die inneren Organe geknetet wurden. Am Boden stand Peggys kleiner Hund, Augen total fixiert auf Khaleesi. Hätte er einen Schwanz gehabt, hätte er damit bestimmt gewedelt; so, wie es war, wackelte er nur mit dem Hintern.

      Kurzerhand hob ich die Bulldogge auf mir hoch und setzte sie behutsam vor den Corgi. Beide standen erst wie angewurzelt da, dann bellte Khaleesi kurz und dann rannten sie auch schon davon. Hund müsste man sein.

      Die zwei mit den kurzen Beinen verschwanden im Flur, der zu den Zimmern führte, zeitgleich vibrierte mein Handy. Svejn und Storm waren da.

      ***

      Mit Hoodie und Windbreaker sah ich mich ganz gut gegen den immer noch anhaltenden Regen gewappnet. Trotzdem peitschte mir das Wasser geradezu ins Gesicht, als die Haustür hinter mir ins Schloss fiel. Auf dem Weg zum Parkplatz wurde ich so ziemlich ganz durchgeweicht, aber das war fast vergessen, als ich den großen Transporter stehen sah.
      Als ich in Sicht kam, öffnete sich die Fahrertür und eine Frau stieg aus – das war dann also schon mal nicht Svejn. Trotzdem begrüßte ich sie mit meinem breitesten Lächeln, als sie sich mit Verena O’Connor vorstellte. Dann schlug noch eine Tür zu und ein großer Hüne, der am Gehstock ging, kam herum und streckte mir auch sofort seine Hand entgegen. „Svejn Álfarsson, wir haben miteinander gesprochen.“
      Zu gerne hätte ich ihn auch noch begrüßt und beide herzlich willkommen geheißen, aber gerade, als ich den Mund öffnete, kam noch ein Transporter auf den Parkplatz gefahren. „Das nenn‘ ich mal Timing,“ grinste ich.

      Declan machte sich an der Rampe unseres Transporters zu schaffen, Lesja – ganz Gentleman – begrüßte erst einmal die Gäste mit einem festen Händedruck (Verena verzog kurz das Gesicht. Dafür würde Lesja heute Abend ein paar Ellenbogen in die Seite bekommen). Ein wenig Smalltalk hin und her, dann klapperte es auf der geöffneten Rampe und Baby Nummer Eins war angekommen. Stolz wie eh und je folgte Gambit Declan, schnupperte an unseren Händen und zog dann in Richtung Hof von dannen. Ellbogen Nummer Eins fand seinen Platz zwischen Lesjas fünfter und sechster Rippe. „Die Box muss noch gemacht werden, das machst du, oder?“ fragte ich zuckersüß und lächelte ihn dann auch noch breit an. Als Antwort bekam ich ein Augendrehen, aber das war für Lesja ein nonverbales Okay, ja, alles was du willst. Man, hatte ich den gut im Griff.

      Jetzt, da alles Wichtige getan war oder gerade getan wurde, konnte Storm endlich ausgeladen werden. Ein wenig staksig folgte der kleine Hengst Verena aus dem Hänger mit gespitzten Ohren. Ein wenig verliebt war ich ja in seinen kleinen weißen Ring ums Auge; der würde zwar bis in ein paar Jahren komplett verschwunden sein, aber wenigstens hatten wir die paar Jahre.

      Etwas steif ging es dann in Richtung Reitplatz – einmal zum Kennenlernen mit Gambit, einmal natürlich, um die Steifheit aus den Beinen zu bekommen. Schon allein auf dem Weg dahin schien der Jährling ein bisschen agiler zu werden, aber noch bevor er das braune Etwas, welches im Regen auf dem Reitplatz herumstöberte, wahrnahm, ging es für Storm erstmal im Schweinsgalopp ans andere Ende. Gambit, aufgeschreckt von der Horde Menschen und dem wildgewordenem Pony, sprang kurz zur Seite und suchte dann erst einmal Schutz am Zaun. Nach ein paar Runden hatte sich Storm ein wenig beruhigt und wandte sich jetzt Gambit zu. Die beiden Hengstfohlen tanzten ein wenig um einander herum, dann beschnupperten sie sich ausgiebig und beschlossen einstimmig, dass sie ja jetzt auch zusammen rumrennen konnten. Mir fiel fast ein Stein vom Herzen – es war noch nichts fest, aber das waren schon einmal gute Voraussetzungen für einen guten Winter.

      Nach ein paar Runden beruhigten sich die beiden und fingen schließlich an, sich in der Mitte der Bahn im strömenden Regen zu beknabbern. Svejn stieß einen kurzen Pfiff aus. „Hätte nicht gedacht, dass das so schnell gehen kann.“

      Mit einem Pfiff kam Gambit an den Zaun, Storm hinterher. „Ich würde sagen, wir bringen sie jetzt erst mal in ihre Box,“ schlug ich vor. „Dann dürfen sie die ein wenig auseinander geben und spätestens morgen dürfen sie sich dann bei den Großen beweisen.“

      ***

      Fürs Vertrag unterzeichnen gingen wir dann lieber ins Haus. Nach einer Tasse Tee war dann auch das meiste geregelt und die zwei Gäste fuhren in Richtung Melville zurück, um dort in einem kleinen Hotel unterzukommen. Kaum waren die Rücklichter hinter den Bäumen verschwunden, sackte ich ein wenig innerlich zusammen. Zu gerne hätte ich mich jetzt in mein Bett verkrochen und wäre erst morgen früh um sechs wieder herausgekrabbelt, aber die Pferde wollten noch Futter und aus dem Regen raus. Also ignorierte ich meine durchgeweichten Schuhe und stapfte zurück auf den Hof.

      Überraschenderweise traf ich im Hengststall auf Peggy. Überraschend aber auch nur, weil sie mit dem Trubel um die zwei Babys ein wenig in Vergessenheit geraten war – eigentlich war es ja vorhersehbar, dass ein Neuling sich erst einmal umsah. Aber zu meiner Verteidigung: sie sah genauso ertappt und überrascht aus, mich triefend in der Stallgasse zu sehen.

      „Ich hab mich nur ein wenig umgesehen,“ sagte sie und hörte ich da eine Spur Trotz? „Und dann hab ich Lesja getroffen und er meinte ich kann helfen –“

      Beschwichtigend hielt ich die Hände hoch und versuchte mich an einem nicht-gezwungenem Lächeln. Das konnte ich eigentlich gut, aber irgendwie fühlte ich mich plötzlich wie eine tollpatschige Elfjährige. „Kein Stress – äh, Lesja?“

      „Bringt gerade die letzten Pferde rein.“

      „Oh.“

      „Ja.“

      Ja, es war genauso unangenehm und peinlich wie es sich gerade lesen lässt. Zum Glück kam mein Retter in verschlammten Stiefeln und nassen Haaren mit Capulet und Quixoticelixer an beiden Händen genau in dem Moment in den Stall und … rettete mich. Indem er mir den Grullohengst in die Hand drückte und mit Cap zu dessen Box durchging. Ein wenig steif brachte ich Quixo in seine eigenen vier (Halb)Wände, nahm ihm die nasse Decke ab und schob die neugierigen Nasen, die von der Box nebenan kamen, wieder über die Trennwand. Q würde ein guter Boxennachbar für zwei freche Jährlinge sein, da war ich mir sicher – für die Koppel war er zwar ein wenig undominant und zurückhalten, aber auch da würden wir eine Lösung finden.

      Ehe ich mich versah, war ich wieder alleine im Stall. Ein wenig zögerlich – und wirklich, wieso fühlte ich mich nochmal komisch auf meinem eigenen Grundstück? – öffnete ich die Tür zur Stallkammer und hing Quixos Decke zum Trocknen auf. Dann hörte man Lachen und Hufe auf der Stallgasse und wirklich Lesja, jetzt schon?

      Der Weg zur Futterkammer wurde ein wenig länger als gedacht, aber so sah ich, dass Lesja und Peggy gerade Painted Blur und Waffel zurück gebracht hatten und, anhand seiner Handbewegungen, Lesja gerade das August-Spaghettidesaster im kleinsten Detail erläuterte. Verräter. Zum Glück konnte ich beim Futter mischen nicht wirklich etwas kaputt machen. Aber auch das war irgendwann abgehakt und getan und aus der Stallgasse kam immer noch leises Murren und Murmeln, das nicht von den Pferden kam. Ein klein wenig arg energisch schob ich die erste Futterschale in den Stall hinein; die Stimmen verstummten, kurz darauf tauchte Lesja in der Tür zur Futterkammer auf, mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Alles klar bei dir?“

      Ich formte mit meinen Zeigefinger und Daumen einen Kreis und, um nochmal extra zu betonen, dass es mir A-Okay ging, spreizte ich die restlichen drei Finger so weit wie möglich ab. „Super,“ flüsterte ich, schob ihm die nächste Futterschale zu. „Glaube nur, die Pferde haben Hunger.“

      Immer noch reichlich irritiert – das konnte man bei Lesja immer so gut am Gesicht ablesen, das war schön – hob er die beiden Schalen auf und verschwand dann wieder. Ich seufzte leise und unterdrückte das Bedürfnis, meinen Kopf gegen irgendetwas zu schlagen. Das würde nur unnötig laut werden und dann hätte niemand etwas davon.

      ***

      Eigentlich war ich so gut wie eingeschlafen, da riss jemand meine Tür auf. Und wie das so war, wenn man aus dem Halbschlaf gerissen wurde, saß ich plötzlich aufrecht im Bett und – hatte wieder Khaleesi aufgescheucht. Die Hündin nahm dieses Mal den direkten Weg aus meinem Zimmer und huschte an der dunklen Figur im Türrahmen vorbei.

      „Was zur –“ setzte ich an, doch dann schloss die Figur die Tür hinter sich wieder – und ja, ich wusste, dass das Lesja war, aber das klingt einfach besser und bedrohlicher und ich hatte mich wirklich sehr bedroht gefühlt – und kam in großen Schritten auf mich zu. Mein Gehirn war noch im Halbschlaf, deswegen rutschte ich sofort mit dem Rücken an die Wand, rein aus Reflex; so weit wie möglich weg aus der Gefahrenzone. Dann erkannte auch ich, dass das Lesja war und kein Dieb oder Mörder, denn die Figur hob die Bettdecke und krabbelte darunter.

      „Lesja, das ist nicht dein Bett,“ sagte ich warnend.

      „Es ist kalt, ich bleib da nicht einfach mitten im Zimmer stehen,“ zischte er zurück. Dann streifte etwas meine Wade und ich musste kurz nach Luft schnappen, so kalt war das.

      „Hast du keine Socken an?“ – „Wer schläft denn bitte mit Socken?“ – „Willst du mich jetzt für meine Schlafentscheidungen kritisieren? Um halb zwölf? Wirklich?“

      Lesja wurde plötzlich still, und so langsam gewöhnten sich meine Augen auch wieder an die Dunkelheit. Er lag ausgestreckt auf einer Hälfte des Bettes (in dem eigentlich nicht wirklich Platz war um zwei Menschen zu beherbergen, vor allem nicht, wenn sich einer davon ausbreitete, als wäre er hier zuhause) und sah mich mit ernsten Augen lange an.

      „Was?“ fragte ich leise. Eigentlich wusste ich, was jetzt kommen würde, aber Herauszögern war meine neue Lieblingstaktik.

      „Was ist dein Problem?“ Und das war das Ding mit Lesja. Zwar konnte er rau sein, sarkastisch und vielleicht auch ein bisschen ruppig. Aber wenn es darauf ankam, war er doch ein kleiner Softie, der Fragen stellen konnte, die ohne Kontext vielleicht mehr als provozierend klangen, aber unverstellt und ernsthaft gemeint waren. Was ist dein Problem bedeutete nicht, dass er mich attackierte, kritisierte – er wollte mich einfach nur zum Reden bringen.

      Eine Zeit lang war es still. Im Laufe des Abends hatte der Regen ein wenig abgenommen und peitschte nun nicht mehr ganz so arg gegen mein Fenster, Khaleesis Geschnuffe war gegangen – es fühlte sich an, als würde die Welt um mich herum die Luft anhalten. Nur, damit ich mit den Schultern zucken konnte. Lesja ließ aber nicht locker, blieb still liegen und sah mich nur an, bis ich schließlich nachgab. Es würde ja eh nur zwischen uns bleiben.

      „Es ist komisch,“ gab ich zu, senkte den Blick und zog die Decke ein wenig enger um meine Taille.

      „Wieso?“ kam da wieder von Lesja. Mit einem wütenden Schnauben funkelte ich an; wie viel er davon sah wusste ich nicht, aber es musste sein.

      „Hatten wir das Gespräch nicht schon mal?“

      Jetzt zuckte Lesja mit den Schultern. „Vielleicht. Aber gebracht hat's anscheinend ja nichts.“

      Wieder waren ein paar Augenblicke Stille, dann ließ ich meinen Kopf gegen die Wand fallen. „Weil ich es komisch mache?“

      Uund wieder Stille. Langsam fühlte ich mich unwohl, als würde ich nur mit mir selbst reden, während Lesja zusah. Denn das war alles, was er machte. Selbst, als ich „Bitte hör auf mich anzuschauen“ murmelte, grinste er nur ein bisschen, und als ich ihm drohte, ihn und seine kalten Füße hochkant rauszuschmeißen, schnaubte er nur ein kleines Lachen.

      „Bist du morgen ein bisschen besser?“ fragte er schließlich.

      „Wenn ich jetzt schlafen darf,“ grummelte ich ihn an, schob meinen Fuß in seinen Bauch und versuchte, ihn somit zum gehen zu bewegen. So einfach ließ er sich zwar nicht abschütteln, aber schließlich rollte er sich von meiner Matratze auf und machte sich auf den Weg in sein eigenes Bett. Gerade hatte ich es mir wieder gemütlich gemacht, mit dem Rücken zum Rest des Raumes, da hörte ich das sanfte //Whoosh// der öffnenden Tür, dann eine kurze Pause und schließlich ein leises „Schlaf gut“, dann wurde die Tür endgültig geschlossen.
    • Rhapsody
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      Fohlenstunde
      | 16. Oktober 2016
      Ich musste sagen, es war ein wenig enttäuschend, als Lesja auf den Parkplatz fuhr und uns keiner mit einem Transparent überraschte. Dabei kamen wir gerade vom Krankenhaus, das mir jetzt das Reiten wieder ermöglicht hatte – der Gips war ab.
      Ja, blabla, ich sollte es den Oktober noch lassen mit dem Reiten und es langsam angehen und wenn ich meine Übungen nicht machen würde, dann könnte es sich auch noch bis Anfang Dezember ziehen - Ärztegelaber eben. Wir würden schon sehen, ob ich im Oktober nicht schon im Sattel saß.
      Eigentlich hatte ich gehofft, dass diejenigen, die die größten Freudensprünge machen würden, mein Team waren. Immerhin konnte ich jetzt (bald) wieder mithelfen, man musste meinen Anteil nicht mehr aufteilen. Leider schien es so ziemlich keinen wirklich zu interessieren; als Lesja und ich komplett durchgeweicht im Haus ankamen, herrschte Stille. Auf meinen Schmollmund reagierte Lesja nur mit einem angedeuteten Augenrollen, ehe er seine Jacke auszog und mit einer monotonen Stimme verkündete, er würde Tee kochen. Kurz hörte man es in der Küche klappern, dann rief er mir nach: „Sag Peggy Bescheid“ – und zwar in so einem Ton, dass ich mich nicht traute, zu wiedersprechen.
      Ich ließ mir also ein bisschen mehr Zeit als sonst beim Anziehen von frischen Sachen und klopfte dann leise an die Tür des Eckzimmers. Wider Erwarten waren die letzten Tage und Wochen seit Peggys Einzug recht ruhig verlaufen. Gespickt mit erzwungenem Smalltalk, ja, aber ruhig. Wenn Peggy nämlich nicht gerade auf dem Weg zur oder von der Universität war, dann war sie in ihrem Zimmer und lernte. Zoe und vor allem Lesja versuchten zwar ihr Bestes, sie auch aufs Pferd zu setzen (obwohl sie, laut eigener Aussage, auch schon das ein oder andere Turnier bestritten hatte, aber das musste ich erst mal gründlich überprüfen), aber selbst am Wochenende war sie wirklich kaum außerhalb ihres Zimmers anzutreffen. Man mag es kaum glauben, aber sooo unendlich traurig fand ich das jetzt auch nicht. Auf mein Klopfen öffnete sie die Tür, schob aber sofort das Lernen vor. Dafür wartete in der Küche ihr Corgi Butters auf mich, der deutlich sozialer war als sein Frauchen.
      ***
      Es wird wohl keinen überraschen, wenn ich sage, dass ich meinen Tee so schnell wie möglich hinter mich bringen wollte. Nein, ich hatte nicht vor, heute aufs Pferd zu steigen – aber seit ein paar Wochen standen jetzt Rising of Storm und Gamble Away zuhause und genossen Capulets und Quixoticelixers Schule. Die beinhaltete aber leider nicht das Fohlen-ABC. Und außerdem empfand ich das als guten Start zurück ins Reiterleben. Lesja war zwar weniger begeistert, ließ sich aber von mir doch überreden, sich das Ganze wenigstens anzuschauen, bevor er heute Abend noch einmal Ironic longierte.
      Gambit und Donnie (der Spitzname kam von Peggy, die seinen originalen Namen verschmähte und von da an Doineann/Donnie ins Leben rief und verdammt noch mal, das blieb einfach besser im Gedächtnis!) waren fast unzertrennlich geworden – damit das aber nicht überhandnahm, blieb Donnie fürs erste auf der Weide und nur Gambit kam mit uns. Das Halftern und Führen lief schon ganz gut, auch hörte er mittlerweile auf seinen Namen. Das einzig grundlegende, was ihm noch fehlte, war das Anfassen.
      Ich hatte mir immer vorgestellt, dass ein Vollblut zappelte, wenn es eigentlich stehen bleiben sollte. Aber ich hatte fast das Gefühl, dass Gambit dieses Klischee einfach gar nicht erfüllte; bis jetzt wirkte er auf mich immer sehr ruhig. Nicht unbedingt gelassen, aber ich hatte jetzt schon fest vertrauen, dass er in einer brenzligen Situation erst einmal stehen bleiben würde, um sich das Ganze anzusehen.
      Nach dem Putzen wollte ich dann schon mal einen Schritt weiter gehen. Das Anfassen am Kopf fand er zwar immer noch nicht ganz so super, dafür gab er mittlerweile brav die Hufe – das konnte ich also mental schon mal abchecken. Dann war jetzt Zeit dafür, dass wir das Rückwärts laufen in Angriff nahmen. Immer noch etwas vorsichtig benutzte ich die linke Hand, um ihn fest zu halten, und schob ihn dann mit der rechten Hand zurück. Ein wenig verdatzt machte der Jährling einen Schritt zurück – meine Hand stoppte sofort und kramte lieber in der Tasche nach einer Belohnung.
      Am Ende der Trainingseinheit war die höchste Anzahl der Schritte nach hinten zwei. Trotzdem, fürs erste Mal war ich wirklich super stolz auf den Kleinen. Jetzt konnte man nur hoffen, dass seine restliche Ausbildung ähnlich verlief.
      Bei Donnie mussten wir erst einmal gucken. Verladen, Halftern, Führen waren kein Problem, das hatte er jetzt schon gezeigt. Putzen dafür reichlich. Mit der Hand war anfassen okay, sobald es aber mit einer Bürste geschah, wollte der kleine Hengst Reißaus nehmen. Mit Lesjas ungewöhnlich ruhiger Ausstrahlung und meinem absoluten Talent war er aber nach etwa zwanzig Minuten so weit, dass ich mit einer weichen Kardätsche auch kurz über die Beine streifen durfte. Ein kleiner Erfolg, aber trotzdem ein Erfolg.
      ***
      Wer Versprechen machte, der musste sie auch einhalten. Deswegen mummelte ich mich um halb acht abends in eine Riesendecke und pflanzte mich auf die Tribüne in der Reithalle. Hoffentlich würde ich nicht einschlafen; die Bahn war zwar beleuchtet, das Licht für die Sitze hatte ich aber ausgelassen und saß jetzt in einem Licht, das zu einem Nickerchen einlud. Fast wäre ich dann auch weggedöst, hätte sich zu dem Zeitpunkt nicht das Tor aufgeschoben.
      Ironic hatte sehr schnell begriffen, was das lange Seil und die Peitsche bedeuteten und machte sich auf Lesjas Zungenschnalzen auch sofort auf einem großen Zirkel lang. Die Nüstern fast in den Boden versenkt lief der Hengst dann Runde um Runde, ließ sich zurücknehmen, blieb auf Kommando stehen und trat wieder an, als Lesja ihn ließ. Mittlerweile war er in allen drei Gangarten doch recht sicher; er sprang zwar gern und oft noch im Außen- oder Kreuzgalopp an, aber das war zu erwarten (Gwen wartete förmlich nur auf einen Anruf, um uns da auszuhelfen). Immer mit gespitzten Ohren hörte Ironic auf den Longenführer, wechselte durch die Gangarten wie ein kleiner Profi.
      Nach einer halben Stunde beendeten die Jungs ihr Training – und mir fiel auf, dass ich dieses Mal nichts zu bemängeln hatte. Lesja anscheinend auch, denn er grinste mich triumphierend (und ein wenig schadenfroh) an und zeigte mir zweimal ein Thumbs up. Ich verdrehte die Augen, zog die Decke enger um mich herum und lief mit den beiden zurück in den Stall.
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  • Album:
    9 | Gnadenweide
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    Rhapsody
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    20 Juli 2016
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  • Capulet


    Von: Golden Ebano
    Von: Call Him Crack
    aus der: Shew O'gold


    Aus der: Seiryu
    Von: unbk
    aus der: unbk



    Rasse: Lewitzer (veredelt)
    Geschlecht: Hengst
    Stockmaß: 144cm
    Geburtsdatum/Alter: 22. Februar, 8 Jahre
    Fellfarbe/Genotyp: Braunschecke [Aa Ee Toto]


    Zuchtzulassung: [HK 476]
    Decktaxe: nicht für die öffentliche Zucht vorgesehen
    Nachkommen: -


    Letzter Tierarztbesuch: 08. Oktober 2015 [Klinik Caen]
    Letzter Hufschmiedbesuch: 09. Oktober 2015 [Hufschmied PGS]


    Den Spitznamen Katapult hat Capulet durchaus verdient. Es ist nicht so, dass er Menschen nicht vertraut oder bösartig ist – das ist ein Pferd fast nie. Doch jedes Pferd geht mit neuen Situationen anders um, und Capulets erster Impuls ist eben das Bocken. Deswegen kann man den Hengst als durchaus impulsiv beschreiben, manchmal auch als schreckhaft. Trotzdem ist er kein Problempferd, das nur durch Monty Roberts heilige Hände (Achtung, Ironie) geheilt werden kann – nachdem er den Reiter eventuell in den Sand katapultiert hat, ist er sofort wieder zu fassen und mit viel Glück war das dann der einzige Abstieg für die Dauer des Rittes. Sein Rücken, die Zähne und der Sattel passen; er ist also nicht übersensibel. Was gut ist, denn er wurde in der Westernreitweise ausgebildet, trägt also einen schwereren Sattel und ab und an ein bisschen schärferes Gebiss. Auf Westernturnieren ist er ein Star dank des bunten Fells; mit den Profis kann er zwar nicht durchhalten, doch die starken Nerven, die die Rasse mit sich bringt, ist auf Turnieren ein klarer Vorteil.
    Irgendwo in seiner Linie müssen wohl auch ein paar Vollblüter stark vertreten sein, denn anders kann man sich das feurige Temperament des Hengstes kaum erklären. Er ist unruhig, tänzelt und, wie schon erwähnt, bockt viel. Das kann man natürlich auf das Blut schieben; doch es könnte auch einfach nur Hengstverhalten sein, denn davon hat Capulet reichlich. Doch viele Hengstbesitzer machen bei dominanten Hengsten den Fehler, dass sie ihn alleine halten. Für sie gilt jedoch das gleiche wie für andere Pferde: Sozialkontakte sind das A und O. So sollte Capulet trotzdem in einer Herde mit Gleichgesinnten leben; das könnte sein Hengstverhalten auch ein wenig ausgleichen.


    Qualifikationen & Erfolge
    Fohlen ABC – eingeritten – eingefahren – Western
    Eignung: Reining

    Reining LK1 – Distanz M – Fahren L

    208. Distanzturnier
    209. Distanzturnier
    300. Westernturnier
    303. Westernturnier



    Besitzer: Rhapsody
    Ersteller/VKR: Samarti

    Offizieller Hintergrund