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Wolfszeit

Briair*[3]

ad. Unbekannt v. Unbekannt|| 21. Februar 2020 - 27. Oktober 2022 || Grund: Verkauf als Sportpferd

Briair*[3]
Wolfszeit, 27 Nov. 2022
    • Wolfszeit
      Nationalteam XIII | 1. Juni 2021
      Northumbria // Satz des Pythagoras // Glymur // St.Pauli‘s Amnesia
      El Pancho // WHC’ Solist // Don Carlo // Briair // Legolas// Ases Maswamozi// WHC’ Ahvani// Lilli vom Hirschberg// Ermgravin// Liliada// Avicii// Balisto// Ardehel// BS’Little Snowwhite// Torashko// Chocolate Churro// Aldaire// Löwenherz // Finest Selection // Nathalie


      Niklas
      “Wie oft willst du uns heute noch stören?”, stöhnte Ju und stütze sich aus dem Bett nach oben. Linh lag unter ihm, bekleidet.
      “Macht doch was ihr wollt, ich wechsle nur meine Schuhe, denn Frühstück wartet.” Ohne einen weiteren Blick auf sie zu werfen, griff ich nach meinen dreckigen Turnschuhen und stellte die Reitstiefel beiseite.
      “Ist es schon so spät?”, fragte er dann in den Raum. Ich nickte und ging aus dem Zimmer. Eine erneute Auseinandersetzung wie am früheren Morgen wollte ich verhindern. Viele Gedanken und Eindrücke rauschten durch meinen Kopf, verwirrten mich. Auf halbem Weg drehte ich eruptiv um und rannte beinah hektisch zurück. Wieder hingen sie übereinander aber schenkten mir keine Aufmerksamkeit. Im Badezimmer stand meine kleine Dose und ich griff nach hier. Direkt sammelte sich Speichel in meinem Mund, den ich nutzte, um die zwei kleinen Pillen zu schlucken. Die Wirkung würde erst in einer halben Stunde einsetzen, doch die reine Tatsache beruhigten meinen Geist. Dass Smoothie unter keinen Umständen abgegeben werden wird, stand fest, bloß bei Humbria war ich mir unsicher. In der kurzen Zeit baute ich eine Bindung zu ihr auf. Sie ließ nur wenige an sich heran und gab mir die Möglichkeit neue Dinge zu versuchen, zu entdecken. Es half mir zur Ruhe zu kommen. Am Geld scheiterte es nicht, doch meine Zeit war begrenzt. Insbesondere, wenn ich nun häufiger bei Einsätzen in Stockholm eingesetzt werden sollte. Dann fehlte sogar die Zeit, um Smoothie zu besuchen.
      Die Tische zum Frühstücken waren voll besetzt. Lina saß lachend bei ihrer Truppe, Chris hatte Vriska noch im Schlepptau. Einige Reihen weiter war mein Bruder mit seinen Chaoten und noch weiter der Rest des Vereines. Es fühlte sich plötzlich so an, als wäre ich das lästige Beiwerk des Vereins.
      „Är det ingen som vill ha dig med dig längre? “, lachte Ju mit Linh im Arm, die es nicht so lustig fand. Schmerzerfüllt zuckte er zusammen, denn ihre Faust berührte alles andere als sanft seinen Oberarm. Unverständlich zischte er ihr etwas zu und setzten sich mit an den Tisch, an dem bereits Milena und Max saßen. Bevor ich entschied, mich doch zu Chris zugesellen, atmete ich tief durch und lief los. Als ich mich setzte, rutschte meine Brille von der Schiene. Sie blickten zu mir, jedoch sagte keiner etwas. Ich schob sie wieder hoch und suchte nach Herrn Holm, der uns alle um 10 Uhr geordert hatte.
      “Und? Was ist mit der Stute?”, erkundigte sich nun auch Chris.
      “Sie kommt mit nach Schweden, aber im Team werde ich nicht mit ihr reiten”, antwortete ich nach einer Bedenkzeit.
      “Also verlässt du uns?” In seiner Stimme schwangen Enttäuschung und eine Traurigkeit mit, die ich nicht richtig deuten konnte. Ich lachte.
      “Nein natürlich nicht, sonst würdet ihr nur noch National reiten können. Das will doch keiner”, scherzte ich.
      “Na dein Glück. Aber mit welchem Pferd? Du kennst die Regeln”, erinnerte mich Chris.
      “Mal sehen, was ich Zuhause dann finde. Irgendein Pferd wird mir schon zu laufen. Ansonsten kenne ich genug Leute, die mir für das gewisse Kleingeld eins finden.” Vriska meldete sich dann zu Wort, doch ich benötigte einen Moment, bevor ich mich auf ihre Worte einlassen konnte. In mir kochte wieder die Wut hoch, aber ich riss mich zusammen.
      “Wir haben eine Stute in der Ausbildung, Form. Sehr geschickt und talentiert unter dem Sattel. Wenig Tölt, kein Pass aber viel Galopp. Sie wird derzeit vom Chef geritten, der genauso wenig Interesse an mehr als drei Gängen hat”, erklärte sie und nahm ihr Handy zur Hand.
      “Und was soll an der besser sein als Humbi?”, fragte ich abfällig und stütze meinen Kopf auf meinen Arm ab.
      “Mir ist es egal. Ich versuche dir nur bei der Pferdesuche zu helfen”, antwortete sie und schob das Handy zu mir. Vor mir erstrahlte eine pechschwarze Stute mit einem kleinen Stern auf der Stirn und einer rosafarbenen Unterlippe. Ihre blauen Augen schauten direkt in meine Seele, doch vom äußeren ließ ich mich bereits bei Humbi blenden. Das durfte kein zweites Mal passieren. Ich scrollte weiter und lass den Trainingsplan der Stute. Der Chef arbeitete beinah täglich mit ihr, neben entspannten Ausritten in allen Gangarten stand sie öfter im Aquatrainer und lief schon L-Lektionen auf dem Platz. Ihre Trackingwerte vermittelter ebenfalls einen guten Ausbildungsstatus. Die Mutter hatte sich einen Namen im Rennsport gemacht und auch ihr Vater schien erfolgreich zu laufen. Sogar in der Dressur hatte er sich lokal einen Namen gemacht. Erstaunt schaute ich mir die Noten an und auch, die aus dem Westernsport. Vintage war ein ziemlicher Alleskönner, was für Form follows Function nur Gutes vermelden ließ.
      „Na gut, sie scheint wirklich gar nicht so schlecht zu sein. Ich werde dann einen Termin mit deinem Chef ausmachen“, sagte ich schließlich zu ihr und gab das Handy zurück.
      „Schon in Ordnung, ich kläre das mit ihm“, bot Vriska an. Zustimmend nickte ich. Auch Chris wollte die Rappstute nun genauer betrachten und klickte interessiert auf dem Bildschirm herum, bis es vibrierte. Schnell griff sie wieder nach ihrem Handy und das gleiche Lächeln wie im Stall breitete sich in ihrem Gesicht aus. Genervt verdrehte ich die Augen und schweifte meinen Blick zu Lina, die amüsiert mit Jace sprach. Einige Wortfetzen griff ich auf, natürlich war das Hauptthema Pferde. Anfangs sprachen sie über Divine, was mich neugierig machte. Doch schnell sprangen sie um zu einem anderen Pferd, was offenbar ein Nachwuchshengst von Jace war.
      „Und Vriska, weißt du schon, wie es weitergeht? So ganz ohne uns?“, fragte Chris und lenkte wieder die Aufmerksamkeit auf ein unnötiges Gespräch.
      „Vor euch hatte ich schon ein Leben, ein sogar wunderbares. Den ganzen Tag auf dem Pferdehof arbeiten und früh schlafen. Was man nun mal, so macht“, scherzte sie und sah immer wieder zu mir. Wieder biss sie auf ihrem Lippenpiercing herum, was ein unangenehmes Geräusch mit sich brachte.
      „Ach, wenn das so ist. Ich freue mich auf monatliche Einladungen zum BBQ“, strahlte er.
      „Ich weiß gar nicht, ob ich euch so oft ertragen kann“, lachte sie.
      „Und ich schätze das da ohnehin keiner kommen würde“, mischte ich mich beim Gespräch ein.
      „Sei doch nicht immer so ein Spaßverderber“, echauffierte sich Chris. Unrecht hatte er nicht, aber einen Kommentar dazu ersparte ich mir. Endlich sah ich Herrn Holm kommen. Die Nacht ging wohl bei ihm noch länger. Unter seinen Augen zeichneten sich große Augenringe ab und sein Gang war geknickt.
      „Guten Morgen alle miteinander. Ich entschuldige meine Verspätung und deswegen ist der Plan für heute ein anderer. Wer bedarf für ein Training hat, kann ab 11 Uhr mit uns am Platz und der großen Halle rechnen. Ansonsten übt so viel wie ihr könnt. Am Abend soll jeder seine Dressurkür einmal Ablaufen auf dem Platz und wer möchte, kann noch an einem Geländespringtraining teilnehmen, das wir ab 20 Uhr machen wollen. Stärkt euch, ihr habt noch viel zu tun!“, sprach Herr Holm und setzt sich zu der Chefin und ihrem Mann an den Tisch zum Essen. Schon nach einigen Minuten amüsierten sie sich prächtig und ich war immer noch wütend auf Vriska. In ihrem Gesicht zuckte nicht einmal, wenn ich zu ihr schaute. Sie schien mich Größenteils zu ignorieren, als hätte sich das mit uns in Luft aufgelöst.

      Lina
      “Was tust du da?”, fragte ich neugierig und schielte auf Jace Handy, auf dem er gerade herumtippte. Ich konnte lediglich sehen, dass er mit Alec schrieb.
      “Euch beweisen, dass ich mein Pferd nicht vor euch verstecke”, antwortete er und tippte weiter.
      “Welches Pferd versteckst du vor uns?”, fragte nun Jayden der offensichtlich nur ein Teil des Gespräches mitbekommen hatte.
      “Gar keins. Ich werde Solist nämlich gleich herholen!”, antworte Jace überschwänglich.
      “Das glaube ich erst, wenn ich es sehe”, betonte ich noch einmal, es war typisch für Jace eine große Klappe zu haben. Doch, ob er das auch durchziehen würde, war meistens recht ungewiss.
      “Na, dann wirst du heute noch ins Staunen kommen, ich muss nämlich jetzt los, mein Pferd wartet”, erwiderte er und stand auf, um sein Geschirr wegzubringen.
      “Macht er nicht wirklich?”, murmelte Jayden staunend.
      “Natürlich macht er das. Du kennst doch Jace, bietet sich eine Möglichkeit, dass er sich beweisen kann, macht er das auch”, sagte Samu lachend zu ihm, der das Gespräch bisher stumm verfolgt hatte, um sich sein Frühstück hineinzuschaufeln. Wie recht Samu da nur hat, selbst wo es nichts zu beweisen gibt, versucht Jace etwas zu beweisen … genug davon, kein Jace heute!
      “Jayden, du möchtest sicherlich Masko mit zum Freispringen nehmen?”
      “Ich vermute mal, Nein ist keine Möglichkeit?”, schlussfolgerte Jayden auch so gleich.
      “Richtig, gut erkannt!”
      “Ok, dann nehme ich das Monster wohl mit”, antworte er und mampfte weiter.
      “Sie ist kein Monster, zumindest nicht, wenn sie ausreichend beschäftigt wird”, stellte ich die Faktenlage richtig. Samu grinste nur vor sich hin. Er selbst hatte die Stute ein halbes Jahr lang trainiert und kannte somit ihre Eigenarten. Die roten Streifen, die Masko vor zwei Tagen mit der Longe verursacht hatte, zeichneten sich immer noch auf meinen Handflächen ab. Allerdings war die Stute daran nicht wirklich schuld. Die Fuchsstute nicht ausreichend auszulasten ist einfach doof und ohne Handschuhe longieren, noch viel doofer, gerade bei einem Pferd wie Masko.
      “Dann nehme ich eben das nicht Monsterpferd mit, auch gut”, antwortete Jayden und leerte seine Tasse. „Na dann gehe ich wohl mal an die Arbeit“, fügte er an und verschwand in dieselbe Richtung, in die Jace vorhin verschwunden war.
      “Was wird das denn? Hast du heute noch irgendetwas vor?”, fragte Samu zwischen zwei bissen.
      “Ja, nämlich die letzten Tage hier genießen oder es zumindest versuche ich es. Und das geht deutlich besser, wenn man keine 5 Pferde am Tag bespaßen muss”, erklärte ich munter. “Und wo wir schon bei Bespaßen sind, hast du eine Idee was ich heute mit Pancho machen kann?”
      “Was hast du denn die letzten Tage so mit ihm gemacht?”, fragte er und steckte sich das letzte Stück Brötchen in den Mund. Ich musste einen Moment nachdenken. Innerhalb der letzten zwei Wochen war so viel passiert, dass ich mir nicht wirklich sicher, ob ich Pancho überhaupt nennenswert trainiert hatte.
      “Jaaa … ich glaube, er ist ziemlich kurz gekommen in den letzten Tagen”, räumte ich ein.
      “Was heißt denn hier, ich glaube? Normalerweise kannst du doch jedes Detail deines Trainings aufzählen?”, stellte er fest.
      “Hänellä on sinut ilmeisesti pää kierretty sinulle”, fügte der Finne amüsiert hinzu. Damit hatte Samu nicht ganz unrecht. Normalerweise notierte ich mir nach jedem Training alle wichtigen Dinge. Was ich gemacht hatte, was gut gelaufen war, was nicht so gut funktioniert hatte. Doch bei dem, was hier alles los gewesen war, hatte ich nicht nur Divine vergessen, sonders offensichtlich auch noch andere Dinge.
      “Ach, auf einmal findest du das also lustig? Missä on herra. Tiedän paremmin, mikä on sinulle hyväksi?”, fragte ich ihn. Entweder war mein bester Freund kaputt oder er hatte endlich begriffen, dass ich selbst auf mich aufpassen konnte.
      “Hän on tyytyväinen, Että olet onnellinen”, antwortete er mit einem Lächeln auf den Lippen. Er schien einen Moment lang, nach den richtigen Worten zu suchen, bevor er weitersprach: “Jos Ruotsi sinulle onnellisuus tarkoitta Aion et sinä edelleen olla tiellä.” Trotzdem widerstreben in seiner Stimme, spürte ich, dass er es so meinte.
      “Kiitos, se merkitsee minulle paljon”, antwortete ich ihm und lächelte. Für ein paar Minuten aß jeder von uns stumm sein Frühstück.
      “Du wirst dir jemand Neues suchen müssen, der dich daran erinnert, dass du noch keine 80 bist, wenn ich nicht mehr da bin. Sonst wirst du noch zum Opa”, scherzte ich, um die Stille zu unterbrechen.
      “Jetzt werde mal nicht frech junges Fräulein. Ich weiß immerhin, wie man einen Koffer packt im Gegensatz zu dir!”, zog er mich auf und lachte.
      “Dank dir habe ich diese Weisheit nun auch erlangt. Aber zurück zur eigentlichen Frage: Was mache ich mit dem dicken Knabstrupper?”, versuchte ich auf mein eigentliches Anliegen zurückzukommen.
      “Weiß ich doch nicht, er ist dein Schützling nicht meiner. Vielleicht machst du das mit Pancho, was du nicht mit den anderen Pferden machst. Ich muss dann auch mal los. Im Gegensatz zu dir habe ich ein paar Pferde mehr zu versorgen als du”, beantwortete Samu die Frage wenig hilfreich und trank seinen Kaffee aus.
      “Vielen Dank für deinen Rat”, sagte ich sarkastisch und verdrehte die Augen.
      “Für dich doch immer gerne.” Grinsend stand er auf und sammelte sein Geschirr ein. “Viel Spaß beim Nachdenken, irgendwas wird dir sicher einfallen. Du bist doch sonst so kreativ”, sagte mein bester Freund und wand sich ab, um wie auch schon Jace und Jayden zuvor im Stall zu verschwinden. Nicht mal in Ruhe Frühstücken konnten die Jungs, als gäbe es einen Wettbewerb wer am schnellsten Arbeitet. Ein Blick auf meine Schüssel verriet mir, dass ich noch ca. eine halbe Müslischüssel lang Zeit haben würde, darüber nachzudenken wie ich den grauen Hengst heute bespaßen wollte. Während ich so darüber nachdachte, ließ ich meinen Blick über die anderen Tische schweifen, bis mein Blick an Niklas hängen blieb. Obwohl er bei Chris und Vriska saß, schien er an der Konversation nicht wirklich Teil zuhaben. Stattdessen ging sein Blick vielmehr in meine Richtung. Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich sollte ihm Gesellschaft leisten gehen und vielleicht hat er auch eine Idee, was ich mit Pancho machen kann. Also schnappte ich mir den Rest meines Frühstücks und begab mich zu dem anderen Tisch rüber.
      “Hey, ist hier noch ein Platz frei?”, fragte ich Niklas und deutete neben ihn auf die Bank.
      “Sieht so aus”, murmelte er leise und rückte ein beiseite, um mir Platz zu machen.
      “Alles ok so weit?”, fragte ich, während ich mich neben ihn setzte. Mir war nicht entgangen, das Vriska ihn gewissermaßen nicht beachtete.
      “Offenbar bin ich für alle nur noch Luft, außer dir”, stammelte Niklas.
      “Was redest du denn für einen Quatsch?”, protestierte Chris und richtete sich zu uns auf.
      “Also wenn ich das Richtig sehe, bist du maximal Luft für Vriska … und die ist, glaub ich gerade in einer anderen Welt”, merkte ich an, denn sie tippte schon wieder auf ihrem Handy herum.
      “Was ist mit mir?”, erhob sie ihren Kopf und schien wieder anwesend zu sein.
      “Nik ist der Meinung, dass er für uns nicht mehr existent ist”, wiederholte Chris.
      “Aha. Und wie kommst du bitte darauf?”, legte Vriska ihr Handy zur Seite.
      “Können wir bitte das Thema lassen, es nervt”, stand Niklas aus und blickte erwartungsvoll zu mir.
      “Ich habe ein viel besseres Thema, und zwar könnte ich mal ein wenig Inspiration gebrauchen in Bezug auf El Panchos Bespaßungsprogramm für heute. Du hast doch sicher eine großartige Idee”, wand ich mich Nik zu.
      “Da Smoothie ewig warm geritten werden muss, wollen wir Ausreiten? Dann kann ich danach mit ihr noch die Kür üben”, schlug er vor.
      “Ja, das klingt nach einer perfekten Idee. Dass ich da nicht von selbst drauf gekommen bin …”, stimmte ich zu. “Dann lass uns doch gleich die beiden holen.” Er nickte und lief voraus. Ich stellte noch schnell mein Geschirr weg und machte mich dann auf den weg zur Koppel. Natürlich standen die Hengste heute auf der hintersten Koppel, damit der Weg auch möglichst lang war. Die meisten Hengste standen am Waldrand und grasten dort im Schatten. Nur drei von ihnen waren nicht allzu weit vom Tor weggekommen. Divine und El Pancho grasten gerade einmal 3 Meter vom Tor entfernt. Tiger, der auf seinen Schatten beim Grasen nicht verzichten wollte, stand bequem unter Divine. Immerhin muss ich so nicht auch noch über die ganze Koppel rennen.
      “Na ihr drei”, sprach ich die drei an, während ich das Tor öffnete. Natürlich haben Ivy und Panchy den Kopf und kamen freundlich auf mich zu getrottet. Freundlich streichelte ich den beiden über die Stirn, bevor ich den Strick in das Halfter des Knabstruppers einhakte. Divine trottete hinter uns her, als ich Pancho aus dem Tor führte. “Du bist erst später dran”, sprach ich zu dem Hengst und schloss das Tor vor ihm. Mit dem grauen Hengst am Strick machte ich mich auf den Weg zurück zu Stall, doch offenbar wollte El Pancho seinem Namen mal wieder alle Ehre machen und lief unglaublich langsam hinter mir her. Kurzentschlossen baute ich den Strick als Zügel an sein Halfter.
      “Wir machen das jetzt anders, sonst sind wir morgen nicht am Stall”, sagte ich zu dem Hengst und zog mich auf seinen Rücken, was auch nur ging, weil er nicht allzu riesig war. Geduldig warte Pancho, bis ich oben war. In einem fleißigen Schritt ritt ich das graue Pferd zum Stall.

      Niklas
      Lina verschwand mit der nötigen Ausrüstung, um das besagte Pferd zu holen. Ich vergaß bereits nach einigen Minuten, welches es sein sollte und lief, in das Stallgebäude. Smoothie stand ruhig in ihrer Box und steckte aufmerksam den Kopf nach draußen. Leise brummelte sie. „Jag går inte tillbaka. Kommer också att gå med skorna “, informierte ich meine Stute und legte ihr das Halfter um. Gemütlich folgte sie. Prüfend warf ich mein Blick nach hinten. Ihr rechtes Hinterbein hakte und die Kurve aus der Box heraus, nahm ich zu eng. Unsanft knallte sie mit ihrem Huf gegen die Tür. „Jag är ledsen“, entschuldigte ich mich. Vor dem Gebäude wäre mehr Platz, um sie zu putzen. So band ich sie an der Stange an und holte von drinnen ihre Putzbox. Einige Strohhalme dekorierten ihren Schweif, die ich als Erstes entfernte und zu Boden warf. Ihr Fell war mäßig dreckig, Grasflecken trug sie keine. Das erleichterte mir das heutige Putzen und ich war fertig, als Lina auf dem Rücken von dem grauen Hengst ankam.
      „Ach und ich dachte, dass ich vor dir fertig sei“, scherzte ich kniend an dem verletzten Bein meiner Stute. Ich massierte ihr Gelenk und legte die wärmend um es.
      “Ja sorry, der gnädige Herr möchte heute seinem Namen alle Ehre machen”, antwortete Lina und rutschte vom Rücken des Pferdes.
      „Wieso denn das?“ Verwundert folgte mein Blick ihrer Bewegung. Als sie am Boden aufkam, schreckte Smoothie mit dem Kopf nach oben und brummelte den Hengst an, der neugierig sich zu ihr streckte.
      “El Pancho heißt der Gelassene. Manchmal praktisch, aber meistens würde ihm ein wenig mehr Geschwindigkeit nicht schaden”, schilderte Lina und band den Hengst an.
      “Dann wird er heute einiges zu tun haben”, merkte ich an und wickelte die erste Bandage um ihr Schienbein. Die Unterlage ließ ich aufgrund der hohen Temperaturen im Putzkasten.
      “Gut so, der hatte die letzten Tage genug frei.” Lina machte ebenfalls den Hengst fertig und sprintete förmlich. Nur Vriska machte schneller ihr Pony fertig. In der Sattelkammer betrachtete ich mein Equipment und entschied doch die Kandare zu nehmen. Für das Training im Anschluss würde ich sie benötigen. Ein Spiegel hing an der Wand, erinnerte mich daran, dass ein Helm heute nicht funktionierte. Es gab nichts Schlimmeres als die Kombination aus Helm und Brille außerdem saßen meine Haare ungewöhnlich gut. Vorbereitung war alles, doch ich war es nicht. Die Kontaktlinsen hatten mir am morgen Schmerzen zugefügt, meine Schuhe wechselte ich bereits mehrfach und unentschlossen saß ich am Morgen beim Essen. Dafür vergaß ich die Medikamente nicht, immerhin. Smoothie spitzte die Ohren, als ich mit dem Zaum herauskam und nahm die Gebisse an. Die Zügel legte ich über ihren Hals und zog noch mal den Gurt nach. Auch Lina war beinah fertig mit ihrem Hengst.
      “Können wir dann?”, fragte ich und lief zur Aufstiegshilfe, die einige Meter neben dem Anbinder stand. Smoothie folgte mir und ich schickte sie näher heran, in dem ich mit meiner Hand zu mir deutete. Einige Schritte setzte sie vor, ehe ihre Hinterhand sich näher zu mir drehte. Nun konnte ich aufsteigen, ohne mich anstrengen zu müssen. Ich drehte im Stall zu Lina, die ihrem Hengst gerade die Trense über die Ohren zog.
      “Bin gleich so weit”, antworte sie und verschloss die Trense.
      „Ihr benötigt aber auch immer lange“, scherzte ich. Meine Stute trieb in die Richtung der beiden, die sich so gleich wieder anbrummten. Eigentlich sollte ihre Rosse vorüber sein, doch bei einigen Hengste konnte Smooth nicht wieder widerstehen, es zu versuchen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Offenbar waren wir uns beide noch ähnlicher, als ich es bisher für möglich kannte. Obwohl ich die Stute, solange mein Eigen nennen konnte, lernte ich sie täglich mehr kennen. Im selben Gedanken kamen mir wieder die Zweifel. Zweifel, ob ich wirklich bereit für ein weiteres Pferd sein könnte. Ob ich mich von ihr trennen könnte und wie es mit ihr weitergehen würde. Mir würde die Zeit fehlen ein Pferd für die Turniere vorzubereiten, zu arbeiten und dann noch weiterhin ihr gerecht zu werden.
      “Bist du da festgewachsen? Ich dachte, wir wollten los”, unterbrach Lina meine Gedanken, die inzwischen auf ihrem Pferd saß.
      “Im Kopf vielleicht, aber bewegen geht”, antwortete ich kurz und trieb Smoothie voran. Den Kandarenzügel legte ich auf den Sattel vor mir und die anderen hatte ich nur locker in einer Hand. Pancho hatte Mühe uns zu folgen, so bremste ich die Stute über meinen Sitz. Sie holten uns auf. Schweigend ritten wir nebeneinanderher. Lina hatte ein wenig Mühe den grauen Hengst in einem vernünftigen Tempo zu halten, denn das Gras schien deutlich interessanter zu sein als alles andere. Immer wieder versucht Pancho stehenzubleiben, um sich einen Snack zu schnappen. Es war ziemlich lustig mit anzusehen, denn Smoothie lief treu gerade auf, warf nicht einmal einen Blick zum Gras. Ich spürte, währenddessen das noch immer ihr rechtes Bein Taktfehler verursacht, wodurch sie das Tempo immer mal wieder erhöhte, was ich mit einer Erhöhung der Körperspannung herunterregulierte. Die Stute reagierte punktgenau.
      „Bist du immer so still beim Ausreiten? Sonst hast du doch immer was zu sagen“, unterbrach ich die Stille.
      “Ja und Nein. Hier draußen verliere ich mich gerne mal in meinen Gedanken”, antwortete Lina und blickte mich entschuldigend an.
      “Und worüber denkst du nach? Willst du doch lieber hierbleiben?” Smoothie wehrte mit ihrem Schweif die Fliegen ab und stolperte dabei mehrfach über die Wurzeln, die vom feinen Sand bedeckt waren. Unkonzentriert kippte ich nach Vorn, was Smoothie dazu bewegte eruptiv stehenzubleiben und mich nach hinten kippen ließ. Elegant sah anders aus. Auch Pancho bremste.
      “Nein, das ist es nicht. Ich freu mich auf Schweden, wirklich. Es ist nur … ich habe ein wenig Angst davor, die die für mich zu einer Familie geworden sind, zu verlieren … wahrscheinlich mach ich mir einfach wieder zu viele Gedanken.” Während sie sprach, zupfte sie an Panchos Mähne herum.
      “Ich weiß, wie es ist seine Familie zu verlieren, nicht schön. Aber ich denke, dass sie dich nicht direkt vergessen werden, und sie können dich doch besuchen kommen. Du ziehst nur nach Europa und nicht auf den Mars”, versuchte ich sie aufzumuntern.
      “Du hast einfach irgendwie recht”, murmelte sie, doch Panchos Mähne hatte noch keine Ruhe vor ihren Fingern.
      “Wenn du so weiter machst, dann hat das arme Pony gleich gar keine Mähne mehr”, versuchte ich den Hengst aus ihren Fängen zu befreien.
      “Oh, ja”, murmelte sie und strich die Stelle glatt, an der sie herumgezupft hatte. “Sorry Panchy, wenn du jetzt meinetwegen eine blöde Frisur hast, tut es mir leid”, sprach sie zu dem Hengst. Schon fast erleichtert darüber, dass das Gezuppel endlich ein Ende hatte, schüttelte sich El Pancho.
      Mittlerweile hatten wir uns wieder in Bewegung gesetzt und auch das Sprunggelenk meiner Stute bewegte sich flüssiger. So entschieden wir endlich zu traben. Ich nahm den rechten Kandarenzügel zwischen Zeige- und Mittelfinger, darunter den linken und den Trensenzügel hielt ich normal. Die Kandare nahm ich sehr locker und ließ die Zügel ohne Spannung hängen. In der rechten Hand hatte ich nur den rechten Trensenzügel. Smoothie trabte im mittleren Tempo vorwärts und schnaubte mehrfach ab. Lina mit Panchy hatte deutlich mehr Arbeit, um ihn überhaupt in den Trab versetzen zu können.
      “Kommt ihr klar?”, fragte ich und blickte nach hinten.
      “Ja, alles klar bei uns”, meldete sie zurück. Mit gespitzten Ohren trabte ihr Hengst hinterher und Smoothie verlangsamte ich über meinen Sitz etwas ab. Im Gegensatz zu meinen Kameraden lehrte mich mein Opa Teile der Reitkunst. So trieb ich sie nur, wenn eine Hilfe notwendig war. Ansonsten lagen meine Beine locker und ruhig im Sattel und parallel zum Bauch. Meine Stute konzentrierte sich darauf, auf Impulse meinerseits zu achten. Im Westernreiten verbreitete sich ebenfalls diese Art des Reitens. Während sie locker im Genick blieb und es der höchste Punkt in ihrer Oberlinie war, streckte sich der Kopf von Pancho nach oben. Bequem sah es nicht aus. Lina kämpfte damit den Hengst vorwärts zubekommen. Doch er ignorierte die treibende Hilfe und lief in seinem Tempo weiter. Wir bauten immer Abstand zu den beiden auf. Ich parierte meine Stute in den Schritt durch, legte die Kandarenzügel wieder ab und die der Unterlegtrense hingen locker durch. Mit gerötetem Kopf und vollkommen außer Atmen holte Lina auf. Panchy bremste abrupt ab. Seinen Kopf legte er in die Zügel und schüttelte diesen mehrmals von oben nach unten. Es brannte in mir ihr zu helfen und vor allem dem Pferd mehr Freiraum zu geben. Doch ich sagte nichts, denn erst zu kritisieren, dass sich bei Humbi einmischte am Vortag und dann einen Vortrag zu halten, wäre unklug. Deswegen richtete ich mich wieder auf Smoothie ein, die tiefenentspannt vorwärtsschritt. Freundlich strich ich über ihren Hals. Die Rappstute kam vor meinem inneren Auge wieder auf und es war naheliegend auf dem Lindö Dalen Stuteri.
      Sie gehörten zu den Einzigen im Småland und Östergötland, die Standardbreds als Reitpferd züchteten. Zudem stand Nobel ebenfalls bei ihnen, den Opa vor seinem Tod an sie abgab. Es wäre schön zu sehen, was aus ihm geworden ist. Von meiner nächtlichen Schlaflosigkeit wusste ich, dass er regelmäßig auf Passrennen Siege nach Hause brachte. Je später die Nacht, umso mehr Pferde recherchierte ich aus unserer Zucht. Es lag mir am Herzen, wo die Pferde nun waren. Nicht jedes konnte ich bisher finden, doch einige wie Nobel standen noch in der Region.
      “Sag mal, was machst du eigentlich so, wenn du nicht gerade auf einem Pferd sitzt, hast du noch irgendwelche anderen Hobbys?”, fragte Lina interessiert.
      „Wenn ich nicht arbeite oder koche, dann bin ich wohl im Urlaub. Oder eben im Club mit meinen Leuten“, dachte ich laut. Lina wählte eine ziemlich schwierige Frage, um die Stille zu unterbrechen.
      “Reisen, ein schönes Hobby. Ich würde so gerne mehr von der Welt entdecken. Früher war mein größter Traum immer ein Känguru in freier Wildbahn zu sehen”, erzählte sie versonnen.
      “Hast du sie denn mittlerweile schon mal gesehen?”, fragte ich neugierig.
      “Nein, leider nicht. Australien ist leider nicht gerade um die Ecke”, antwortete sie.
      „Na dann sollten wir, dass nächstes Jahr ändern. Bisher war ich nur in Sydney. Mehr kenne ich von Australien nicht.“ Als würde meine Stute dem Gespräch folge, hob sie den Kopf und schnaubte bestätigt ab. Freundlich lachte ich und strich über ihre kurze Mähne.
      “Wow, das wäre toll.” Ein begeistertes Leuchten trat in ihre Augen.
      “Dann haben wir einen Plan. Aber jetzt sag mir mal, was mit deiner Schwester ist. Wir reden nur über Pferde, Schmerz und die Zukunft. Was ist denn mit dem hier und jetzt?” Es bedrückte mich, sie einfach von hier mitzunehmen, denn sie war vermutlich nicht besser auf Vriska zu sprechen als ich. Dann würde Lina in wenigen Tagen gemeinsam mit ihr sein Tag und Nacht den Hof bewirtschaften. Unaussprechliches würde in ihrem Kopf los sein, soviel dachte ich mir.
      “Juliet ist fast der einzige Mensch, den ich mitten in der Nacht anrufen kann und der dann auch noch zuhört. Mir verdankt sie sicherlich bald eine Schlafstörung”, scherzte sie. “Aber ganz ehrlich, ich glaube ohne sie wäre ich schon lange durchgedreht. Egal wie bescheuert meine Ideen auch sein mögen, sie steht immer hinter mir. Sogar als ich damals, ich müsste so ungefähr 8 gewesen sein, mitten in der Nacht im Wald Einhörner suchen wollte, ist sie mitgekommen, anstatt mir zu erklären, dass es Einhörner gar nicht gibt. Ach, Juli ist einfach die beste große Schwester, die man sich wünschen kann und genau deshalb freue ich mich umso mehr, sie bald wieder zusehen, also so in echt, nicht nur auf dem Bildschirm”, erzählte Lina unbeschwert.
      “Jetzt hast du doch sogar ein Einhorn, also erkläre mir nicht, dass es die nicht gibt. Das Horn ist vermutlich durch die Evolution verschwunden, aber es gibt sie noch”, sagte ich Ernst zu ihr und war froh darüber, dass ihre Stimmung direkt besser wurde.
      “Ich könnte mir auch kein besseres Einhorn wünschen, auch wenn er kein Horn hat”, stimmte sie mir zu.
      “Das lässt sich sicher ändern. Also, das fehlende Horn mein ich”, scherzte ich weiter.
      “Möchtest du ihm etwa eins ankleben? Ich weiß einfach nicht, ob das eine vielversprechende Idee wäre, so tollpatschig wie Ivy ist … nicht, dass er noch irgendwen aufspießt”, gab sie zu bedenken, lächelte aber weiterhin.
      “Man kann doch einen rosa Plüschball auf die Spitze machen, oder so was. Lass uns aber erst mal den heutigen Tag überstehen. Das wird sicher noch stressig”, legte ich nach und am Wegesrand tauchten die ersten Zaunpfähle des Hofes auf.
      “Was du nicht sagst, aber irgendwie wird das schon werden”, sagte Lina optimistisch. Sie hatte recht, doch nach dem, was heute schon alles geschah, würde es nur schlimmer oder viel besser werden. Wir trabten die Pferde erneut an, aber die Kandare hing weiterhin locker herum. Panchy kam diesmal auch besser hinterher. Während Lina am Stall abstieg, ritt ich weiter zum Platz, auf dem Herr Holm noch Unterricht machte mit Ju und Amy.

      Lina
      Am Stall sattelte ich El Pancho ab. Als ich gerade wieder aus der Sattelkammer kam, ritt Samu mit seiner Schimmelstute in die Stallgasse.
      “Ah, wie ich sehe, hast du wohl eine Beschäftigung für Pancho gefunden”, sagte der Finne und ließ sich aus dem Sattel gleiten.
      “Ja, ich war mit Niklas ausreiten, hat sich so ergeben”, erläuterte ich. Briair streckte die Nase aus, um an Pancho zu schnuppern, doch der döste bereits.
      “Und war euer Ausritt schön?”, erkundigte Samu sich, während er die Trense seiner Stute öffnet.
      “Ja, schon. Wir haben eine nette Unterhaltung geführt”, antwortete ich und warf einen Blick auf mein Pferd, dessen Kopf mit jeder Minute tiefer sank.
      “Ich glaube ich bring den mal lieber zurück auf die Koppel, bevor er hier noch umfällt”, scherzte ich und sprach mein Pferd an, um es zu wecken. Langsam gingen Pancho Augen auf und seine Ohren nach vorn.
      “Na komm, du kannst auf der Koppel weiterschlafen”, sagte ich zu dem Hengst und zog sanft am Strick. Pancho bewegte sich kein Stück weit.
      “Sieht nicht so aus, als wäre Pancho überzeugt davon mitzukommen”, machte sich Samu über mich lustig.
      “Warte nur ab, den Überzeuge ich schon”, antworte ich und gab dem grauen Pferd einen Klaps mit dem Strick. Langsam verlagerte er sein Gewicht auf alle 4 Beine und machte tatsächlich einen Schritt. “Siehst du, sage ich doch.” Triumphierend verließ ich mit El Pancho den Stall und brachte ihn auf die Koppel. Nachdem ich den Knabstrupper auf die Wiese entlassen hatte, ging ich direkt weiter zu der Koppel, auf der Legolas stand. Diese Koppel war deutlich bewaldeter. Von den Pferden war von Weitem nicht zu sehen. Sicherlich würden sie irgendwo zwischen den Bäumen stehen oder sie standen hinter dem kleinen Dickicht am Bach, wo es etwas kühler war als auf der Freien Fläche.
      Schon als ich am Rand des Dickichts angekommen war, konnte ich das helle Fell von Don Carlo durch die Blätter schimmern sehen. Ein Zeichen, das vermutlich auch die anderen Hengste, nicht allzu weit sein konnten. Und tatsächlich auf der anderen Seite des Dickichts stand die kleine Herde. Einige der Pferde hoben den Kopf, als ich von Blättergeraschel begleitet zwischen den Bäumen heraustrat.
      Zwischen den ganzen hellen Pferden fiel der Rappe regelrecht auf. Mit gespitzten Ohren blickte mir Lego entgegen. Ich kraulte den Hengst kurz an seiner Lieblingsstelle, bevor ich ihm sein Halfter überstreife. Brav folgte mir der Rappe von der Koppel.
      Der Stall war bereits wieder leer, als ich ihn mit Legolas erreichte. Um dem Hengst zu ersparen, schon vor dem Training zu schwitzen, beschloss ich ihn drinnen zu putzen. Das Fell des Hengstes war nicht sonderlich dreckig, dafür hatte er Menge Kletten in Schweif und Mähne hängen.
      “Du möchtest heute wohl besonders viel Aufmerksamkeit, großer”, sagte ich zu dem Hengst und ging in die Sattelkammer, um Mähnenspray und Putzkasten zu holen.
      Während das Mähnenspray trocknete, putzte ich schon einmal das restliche Pferd. Anschließend machte ich mich an die Entfernung der Kletten. Nach fast einer halben Stunde war Legolas schließlich wieder Kletten frei. Schnell war der Rappe gesattelt. Bevor ich die Trense holte, räumte ich noch den Putzplatz wieder auf, denn gefühlt 100 Klettern auf dem Boden sahen nicht gerade aus. Da ich beim Putzen eine kleine Verletzung im Maulwinkels des Pferdes entdeckt hatte, hatte ich Divine Glücksradzaum aus dem Spind gekramt. Was auf den Dickschädel des Freibergers passte, sollte auch einem Pferd wie Legolas passen. Meine Vermutung bestätigte sich, leidlich den Backenreimen musste ich ein wenig länger schnallen. “Perfekt”, zufrieden strich ich Legolas über die breite Blesse. Die Glitzersteine auf dem Stirnriemen begannen im Licht zu funkeln, als Legolas seinen Kopf runternahm, um das Leckerli entgegenzunehmen, welches ich ihm hinhielt. Vorsichtig nahm er es von meiner Hand und begann darauf rumzukauen. “So, jetzt müssen wir aber wirklich anfangen zu arbeiten Großer”, sagte ich zu dem Hengst und führte ihn zur Aufstiegshilfe vor dem Stall.

      Während auf dem WHC alle mit ihren Pferden beschäftigt sind, ist Jace fast auf dem SMA angekommen.

      Jace
      Von Weitem konnte ich schon das Efeu bewachsene Stallgebäude sehen. Zuletzt war ich hier Ende Juni gewesen, als das kleine Fohlen von wie hieß die Stute noch mal...Wamzi. Eigentlich trug sie einen anderen Namen, doch der war so unaussprechlich, dass ich ihn mir nicht merken konnte. Wo ich so gerade an das Fohlen dachte, fiel mir wieder ein, dass ich Alec dringen Fragen musste, ob es wirklich auch diesen Tölt hatte. Irgendwie konnte ich mir das nur schwer vorstellen.
      Der Kies knirschte unter den Reifen als ich den Parkplatz erreichte. Schon von hier aus konnte ich sehen, dass sich auf dem Hof doch wieder einiges verändert, hatte in den letzten zwei Monaten. Die Türen und Fenster des Stalles hatten einen neuen Anstrich bekommen und die fehlenden Steine im Pflaster waren ersetzte worden. Die Paddocks, die zu den Boxen gehörten, waren nun nicht mehr gepflastert, sondern mit Sand eingestreut.
      Auch im Stall sah es nun um einiges neuer aus, stelle ich fest als ich eintrat. Jetzt machte der alte Hof echt etwas her. Auf dem Putztplatz entdeckte ich Anu, die gerade die Tinkerstute sattelte.
      “Hey, Jace. Was machst du denn hier? Ich dachte, ihr hab Gäste drüben?”, begrüßte sie mich und umarmte mich freudig. Die Stute sorgte dafür, dass die Umarmung nur kurz war, denn sie schob ihren Kopf zwischen uns. Schon fast so als sei sie ein wenig Eifersüchtig.
      “Ja, da denkst du richtig, aber ich wollte mal nach meinem kleinen schauen kommen. Außerdem sind die vielen Menschen ganz schön anstrengend…”
      “Seit wann findest du Menschen denn anstrengend? Du kannst doch sonst nicht genug Aufmerksamkeit bekommen.” Anu lachte und begann dem Tinker die lange, dicke Mähne einzuflechten.
      “Mm, die meisten von denen gehen mir auch nicht auf die Nerven, nur dieser eine Typ..”, erklärte ich Anu. “... weiß gar nicht, was Lina so großartig an ihm findet”, fügte ich murmelt hinzu.
      “Macht dir etwas jemand Konkurrenz um die weibliche Aufmerksamkeit? Vielleicht sollte ich dann auch mal vorbeikommen”, scherzte Anu. “Aber sag mal wie kommt es dann dazu, dass du ihn so wenig leiden kannst? Ich meine, er macht dir deine Aufmerksamkeit streitig, aber das tut Jayden auch und über den redest du nicht so”, fragte sie neugierig.
      “Das ist eine lange Geschichte. Weißt du wo Alec ist?”, versuchte ich ihre Frage unbeantwortet zu lassen.
      “Der müsste mit Gräfin auf dem Platz sein”, antworte sie.
      “Ok, danke. Dann sehen wir uns später vielleicht noch mal”, verabschiedete ich mich und verließ die Stallgasse, bevor sie noch weitere Fragen stellen konnte.
      Tatsächlich fand ich Alec auf dem Platz, wo er gerade mit einer braunen Stute an einfachen Galoppwechseln arbeitete. Etwas weiter hinten auf dem Reitplatz ritt Eva gerade Liliada warm. Mit ihren langen Beinen hatte die Vollblutstute ein ordentliches Tempo darauf uns schritt elegant durch die Gegend. Um Alec nicht in seiner Konzentration zu stören, stelle ich mich leise an den Zaun und beobachtete ihn dabei, wie er mit der Stute arbeitete. Nach gut 10 Minuten hatte er das Training offenbar beendet, denn er trabe die Stute nun in einem folgten Trab am langen Zügel. Als Zeichen, dass er mich bemerkt hatte, nickte er mir zu und trabte weiter. Während ich darauf wartete, dass Alec endlich fertig war, scrollte ich eher desinteressiert durch meinen Instafeed, bis ich über einen Beitrag von Lina stolperte. Sie musste ihn offenbar gestern irgendwann gepostet haben. Das Bild zeigte Divine und El Pancho die im Sonnenuntergang grasen. Neugierig las ich die Bildunterschrift: “ For the world has changed, and we must change with it.
      Wie ihr sicher alle gemerkt habt, ist es hier ein wenig still gewesen die letzten drei Tage. Es gibt ein paar Ereignisse, die hier einiges Verändern werden.
      Wie die meisten von euch bereits mitbekommen haben sollten, hat das HMJ leider ein Ende gefunden. Auch wenn Divine so die Möglichkeit verwehrt, bleibt sich im Finale zu präsentieren, freu ich mich dennoch, sein Können zukünftig auf zahlreichen Turnieren zu präsentieren. Bisher stand noch nicht fest, was Mit Divine, nach ende des HMJs geschehen wird doch in diesem Zuge habe ich eine gute Nachricht für euch. Divine wird bei mir blieben. An dieser Stelle wünsche ich auch noch allen andren HMJ Teilnehmer weiterhin viel Glück mit ihren Schützlingen und dass die Pferde, die nicht bei ihren Trainern bleiben, ein schönes neues Zuhause finden.
      Ich auch noch etwas Weiteres anzukündigen. In meinem Leben wird es bald eine große Veränderung geben. Bei dieser Veränderung werde ich Divine erst einmal nicht mitnehmen können, weshalb es hier auch vorübergehen ein wenig stiller bleiben wird. Aber macht euch keine Sorgen, Divine wird von Samu gut versorgt und ihr werdet trotzdem noch das ein oder andere Update bekommen <3. Leider werdet ihr dann nicht mehr viel von Lego und den anderen Pferden hören, denn die werde ich leider auch nicht mitnehmen.
      Jetzt noch etwas zur aktuellen Lage. Wenn es eins gibt, was ich diese Woche gelernt habe ist es: longiere niemals ohne Handschuhe! Vor allem, wenn es ein Pferd mit zu viel Energie ist. Masko ohne Handschuhe zu longieren war definitiv die dümmste Idee diese Woche. Ansonsten stand für Nathalie diese Woche recht viel Gelände- und Springtraining an. Legolas wird langsam zum Dressurcrack und Pancho hatte eine ziemlich entspannte Woche. Mit Divine freue ich mich endlich über Fortschritte in der Dressur, langsam macht der süße das richtig gut. Klar von einer S Dressur sind wir noch weit entfernt, aber die Grundlagen werden immer sicherer.

      Ich hoffe, ihr hattet auch ohne meine Updates, eine schöne Woche.”
      “Was liest du da?”, riss mich Alec stimme auf einmal aus meinen Gedanken. Er hatte mit seiner Stute neben mir angehalten
      “Nur Linas letzten Post”, antwortete ich ihm und hielt ihm mein Handy hin. Er ließ die Zügel seiner Stute auf ihren Hals sinken und nahm das Gerät entgegen.
      “Was für Veränderungen meint sie denn? Und wie kommt es eigentlich dazu, dass Divine jetzt ihr gehört?”, fragte er als er mir das Handy wieder gab.
      “Ach, stimmt, das weißt du ja alles noch nicht.” Ich hatte ganz vergessen, dass Alec zwar da gewesen war, aber er war nur da gewesen, weil ich irgendetwas dämliches gemacht hatte. “Okay, du bekommst jetzt erst mal die Kurzfassung. Die genauen Details kenne ich nämlich auch nicht zu 100 %. Na ja, dass da irgendetwas zwischen Niklas und Lina läuft, hast du ja mitbekommen. Frag mich nicht was sie an dem Typen so großartig findet …”, fing ich an zu erzählen.
      “Ach, ist doch ein hübscher. Ich verstehe schon was sie an ihm findet”, was Alec ein.
      “Äh, ja … wärst du dabei gewesen bin ich mir sicher, du würdest anders denken. Aber egal, darum geht es jetzt nicht. Dass ich dann ein wenig Eifersüchtig geworden bin und ein wenig die Kontrolle verloren habe, weißt du auch. Na ja, auf jeden Fall am Abend, nachdem das alles passiert ist, gehörte ihr auf einmal Divine. Ich weiß auch nicht genau, wie es dazu kam, aber ich würde mal sagen Niklas ist bei der Sache nicht ganz unbeteiligt. Niklas hat sie auf jeden Fall erfolgreich zwei Tage lang vom Arbeiten abgehalten … was meinerseits zu einer weiteren Dummheit führte, aber das weißt du auch schon. Was dann zwischen den beiden passiert, ist weiß ich nicht so genau. Was ich weiß ist, dass Niklas gestern auf einmal was mit Vriska am Laufen hat oder hatte? Keine Ahnung. Und warum Lina heute Morgen trotzdem so gute Laune hat, ist mir ein Rätsel …” Ich ließ absichtlich aus, was gestern zwischen ihr und mir auf dem Reitplatz geschehen war. Bestimmt musste ich mir ansonsten wieder einen Vortrag anhören oder irgendeine Lebensweisheit über das Schicksal anhören.
      “Also der letzte Teil ergibt irgendwie nicht so viel Sinn”, sagte Alec und trieb seine Stute in den Schritt.
      “Aber es ist so passiert, ich bin mir sicher! Wobei ihre gute Laune könnte auch mit Divines Zuchtpapieren zusammenhängen …”, überlegte ich laut, während ich neben seiner Stute herlief.
      “Was haben denn jetzt die Zuchtpapiere damit zu tun?”, frage Alec verwirrt.
      “Na, die sind heute angekommen, also kann Lina ihn jetzt zur Körung anmelden. Auf jeden Fall hat sie sich sehr über die Papiere gefreut”, erklärte ich.
      “Aber hat sie in ihrem Post nicht irgendwas von Veränderung geschrieben, wo sie Divine nicht mitnehmen kann?” Mittlerweile waren wir am Stall angekommen und Alec hielt die Stute an.
      “Ach ja, habe ich dir gar nicht gesagt … Sie geht mit Niklas nach Schweden, zumindest ist das ihr Plan”, murmelte ich. Der Gedanke gefiel mir nicht sonderlich gut vor allem nicht, wenn ich daran dachte, dass sie dort mit Niklas und Vriska hinging. In meinem Kopf konnte dabei einfach nichts Gute bei rauskommen.
      “Ah, ja jetzt ergibt das schon mehr Sinn, auch wenn ich das Gefühl habe, dass da noch ein paar Infos fehlen.” Alec war abgestiegen und begann nun die braune abzusatteln.
      “Kannst du mir gerade mal Gräfins Halfter holen, hängt vor ihrer Box”, fügte er noch hinzu.
      “Ja, ich weiß, so ganz zusammen Reimen kann ich mir das ganze auch noch nicht”, räumte ich ein und ging in die Stallgasse, um besagtes Halfter zu holen. Ich lief zweimal die Stallgasse auf und ab, denn auf keinem der Schilder konnte ich den Namen Gräfin entdecken. Avicii, Ases Maswamozi … Ermgravin … gravin. Vielleicht meinte Alec diese Box. Ich nahm das rote Halfter, welche vor der Box hing und ging damit zurück zu Alec: “Ich hoffe, das ist richtig.”
      “Ja, danke. So, jetzt haben wir schon eine Menge geredet, aber das war doch nicht der eigentliche Grund warum du gekommen bist, oder?”, fragte Alec nun nach. Ich war ganz froh darüber, dass er das Thema wechselte.
      “Ja, genau. Eigentlich möchte ich Solist mitnehmen. Meinst du denn, das geht?”
      “Ich kann dir ja schlecht verbieten dein eigenes Pferd mitzunehmen, oder?”, lachte Alec. “Aber, ja das ist kein Problem. Balisto ist so ruhig, dass es ihm meisten reicht mit den älteren zu spielen. Ich bringe sie jetzt auf die Koppel, dann können wir deinen Rabauken gleich holen”, schlug er vor.
      “Perfekt, so machen wir das. Aber ich hätte da noch ein Anliegen”
      “Das wäre?”, fragte Alec, während er die Stute losband und loslief.
      “Ich muss noch eine Dressurkür ausarbeiten und habe einfach keinen Plan, wo ich angefangen soll”, erläuterte ich mein Anliegen.
      „Wofür benötigst du denn eine Dressurkür? Und bis wann benötigst du die?“, fragt Alec verwundert.

      Währenddessen sind Vriska und Chris auf dem Whitehorse Creek mit ihrer Kür beschäftigt.

      Vriska
      “Ich kann das nicht”, beschwerte ich mich lautstark, als ich Glymur zurück in den Schritt holte. Der Hengst lief großartig, doch meine Schulter schmerzte heute wieder besonders stark. Chris kam mit seinem Wallach zu uns.
      “Ach, jetzt stell dich doch nicht so an. Ihr macht das großartig”, lobte er uns.
      “Schon, aber ich kann mir das nicht merken und es bringt mir auch nichts.” Enttäuscht trabte ich Glymur wieder an und ritt auf dem Zirkel bei A. Er schüttelte mit dem Kopf und ich lockerte wieder meine Hände, denn er trug die neue Kandare, die ich mit Lina zusammen in der Stadt kaufte. Ehrlich gesagt ritt ich zuvor nur ein einziges Mal mit einer isländischen Kandare und da war Bruce dabei, der mich immer wieder korrigierte. Die Kinnkette hing durch, da ich nicht wusste, wie fest diese sein sollte.
      “Dann steig ab und lass es. Verkriech dich im Zimmer, versinke im Selbstmitleid oder was auch immer du dann machst”, zickte mich Chris an und lenkte seinen Wallach zurück auf die Mittellinie.
      “Warte!”, rief ich ihm nach und trieb Glymur in seine Richtung.
      “Jetzt hörst du mir doch zu?”, fragte er überrascht und hielt wieder an.
      “Ist das der Eindruck, den du von mir hast?”, hinterfragte ich seine Aussage. Es machte mir zu denken, wenn Leute diese Meinung von mir hatten.
      “Schon, du unterhältst dich mit kaum jemanden, willst, dass alle auf dich zu kommen und hast dich direkt an den nächsten ran gemacht, der eigentlich jemanden hatte. Und das hast du dann wiederholt und jetzt erwartest du, dass alle dich mögen. Wirklich sozial ist das nicht. Dazu kommt dann noch, dass unwillkürlich bei jedem Drama du mit drinhängst, also würde ich mir an deiner Stelle mal Gedanken machen”, gab er offen zu. Verblüfft bremste ich Glymur in den Halt. Wie er es aussprach, wurde mir klar, wovon er sprach. Eine Bindung hatte ich zu niemanden und durch den Ausschluss für eine bestimmte Zeit, machte ich mir nichts mehr daraus was die Leute von mir dachten.
      “Danke”, murmelte ich und eine Träne lief die Wange herunter.
      “Klar, müssen wir uns nicht alle lieben, auch wenn Niklas das anderes sieht. Aber es wäre trotzdem nicht schlecht, wenn man sich unterhalten könnte. Zudem hast du auch die Möglichkeit wieder zu kommen, auch wenn das nun schwieriger wird”, sprach Chris weiter und umkreiste uns im Trab. Glymur schlug mit seinem Schweif und jedes Mal, wenn Hammy uns vorbeitrabte, legte er die Ohren an.
      “Denkst du wirklich, dass ich wieder komme?”, fragte ich verunsichert.
      “Von dem was ich bisher sah, dein Umgang mit den Pferden, deine reiterlichen Leistungen, würde ich ja sagen, aber das drumherum ist auch wichtig. Wenn es dir wirklich wichtig ist, dann solltest du etwas ändern”, erklärte Chris und lenkte Hammy weg von uns. Aus seiner Hosentasche holte er wieder seine Kür und verabschiedete sich. Ich verließ den Reitplatz, damit er ungestört üben konnte und trabte sinnlos, um die aufgebauten Sprünge herum. Die Sonne brannte auf meiner Haut. Langsam, aber sicher breitete sich die Mittagshitze aus.
      „Eigentlich gehört sich das nicht, aber ich habe euer Gespräch belauscht“, sagte Herr Holm und trat an uns heran.
      „Okay“, antworte ich kurz und blickte ihn an.
      „Die Neuen haben es in der Gruppe nie leicht, aber es wäre schön, wenn du wiederkommst“, erklärte er sanft und legte seine Hand an mein Bein. Innerlich breitete sich ein ungutes Gefühl aus. Ich wusste nicht richtig zu deuten, was er mir damit sagen wollte. Auch, weil ich Ähnliches schon bei den anderen beobachtete.
      „Aber dazu gehört auch, dass du an deinem Sitz arbeitest“, lachte er und schob mein Bein in eine andere Position. Meine Wade berührte mehr den Bauch des Hengstes und ich setzte mich um. Zustimmend nickte er und ich ritt wieder an. Zum Glück ging es um meinen Sitz. Er gab mir noch einige Tipps, ehe er sich wieder zu Chris richtete. Im Schritt ritt ich Glymur ab.
      Am Stall duschte ich meinen Hengst ab und legte wieder die Decke um. Aus dem Putzkasten holte ich das Kadaveröl, um die Mistviecher loszuwerden.
      “Alles gut, du hast gleich wieder deine Ruhe”, beruhigte ich Glymur beim Einsprühen. Unruhig schlug er mit seinem Schweif. Wenig später liefen wir zur Weide und Glymur schmiss sich mit der Decke direkt in den Dreck. Wozu machte ich das Ding eigentlich sauber? Chris' Worte schwebten immer wieder durch meinen Kopf. Was ich bisher tat, war wirklich nicht das klügste, umso überraschter schaute ich, als Linh zu mir kam.
      “Gut, dass ich dich gefunden habe”, sagte sie und gab mir ein Zeichen, ihr zu folgen.
      “Ach ja? Was ist denn los?”, fragte ich überrascht und lief ihr nach. Es konnte nicht um ihre Stute gehen, denn sie trug keine Reitsachen und steuerte die Zimmer an.
      „Ich ertrage den Typ nicht mehr, bring den zur Vernunft“, erklärte sie und öffnete die Tür. Wie ein eingeschnapptes Kind saß Ju auf dem Sofa und sah in die Leere. Überfordert schaute ich zu Linh, die Tür wieder schloss. Auf dem Gang hörte ich ihre Schritte.
      “Kannst du mir erklären, warum ich hier bin?”, fragte ich daraufhin Ju, der mir keines Blickes huldigte.
      “Weil ich ihr das gesagt habe”, antwortete er trocken.
      “Aha. So, jetzt bin ich da. Und was soll ich machen? Putzfrau?” Der Gedanke kam nicht von irgendwo. Obwohl Niklas nicht da war, herrschte hier wieder ein heilloses Chaos, dass dringend beseitigt werden sollte. Auf der Arbeitsfläche der kleinen Küche türmte dreckiges Geschirr in Kombination mit benutzten Töpfen und Werkzeugen. Auch auf dem Tisch sah es nicht besser aus. Neben Häufchen aus Papier und Besteck lagerte sich getragene Kleidung.
      “Wenn du schon so fragst … aber nein. Ich will wissen, wie es passieren konnte, dass es plötzlich so unangenehm zwischen uns wurde. Am Anfang hatte ich das Gefühl, endlich jemanden gefunden zu haben, der mich versteht und die gleichen Ziele verfolgt wie ich. Doch dann verschwand die Person auf einmal und trieb einen Keil zwischen alle”, begann er zu erzählen. Es brauchte in meinem Kopf etwas, bis ich verstand, worauf das gerade hinauslief. Tausend Dinge schwirrten durch meine Gedanken und nach dem, was Chris beim Reiten zu mir sagte, machte es das nicht einfacher. Viel tiefer war meine Begeisterung verankert, dass Erik heute kommen wollte, aber sich seitdem auch nicht mehr meldete. Stattdessen fing ich wirklich an, etwas Ordnung zu machen, wogegen Ju nichts einzuwenden hatte.
      “Wenn du so anfängst, stelle mir bitte präzisere Fragen. Ich möchte nicht beim Urschleim anfangen”, murmelte ich beim Abwaschen.
      “Wieso habt ihr miteinander geschlafen, da gehören immer zwei dazu? Und sag’ jetzt nicht wieder, dass du es nicht weißt”, holte er den Hasen aus dem Sack. Wieso? Das war eine gute Frage. Die Töpfe hatte ich sauber, bevor ich antwortete. Es schien, als hätte Ju alle Zeit der Welt, um auf meine Antwort zu warten. Nicht mal sein nerviges Nachfragen und Druck ausüben, kam nicht.
      “Es war für den Moment einfach so ein Gefühl”, hielt ich mich kurz. Doch die Antwort reichte ihm nicht und er fragte erneut: “Was für ein Gefühl? Werde genauer.“ Ich fühlte mich wie bei einem sehr unangenehmen Vorstellungsgespräch oder als würde hier gleich die Verstecke Kamera zur Tür hereinkommen.
      „Wieso ist das denn so wichtig? Es gehört jetzt der Vergangenheit an“, murmelte ich.
      „Wer hätte es gedacht! Da redest du dich direkt wieder heraus. Ich möchte nur verstehen, wieso er nicht mit mir darüber gesprochen hat, sondern so ein Geheimnis darum macht”, gab er zu.
      “Verstehe ich, aber wieso sprichst du dann nicht mit ihm, sondern mit mir?”, fragte ich.
      “Es nervt mich einfach und aus seiner Sicht wird es deutlich unpersönlicher sein. Ich möchte nur mit ihm wieder eine normale Freundschaft führen können.” Jus Worte klangen wirklich besorgniserregend. Hatte ich mich dazwischen gedrängt?
      “Ich wollte einfach dazu gehören und nicht als die Süchtige weiter dastehen. Das ist nur nach hinten losgegangen und dann auf einmal heute früh, wurde er extrem Ernst und hat mehr hineininterpretiert als ich wollte. Deswegen habe ich mich heute entschieden, dass mehr oder weniger zu beenden und habe dann endlich einen Schritt gewagt, den ich nach dem ersten Mal schon hätte tun sollen”, erklärte ich beim Abtrocknen der Teller, die ich nacheinander in den Schrank stellte. Langsam konnte man wieder die Oberfläche der Arbeitsplatte sehen.
      “Wie, es wurde dir zu Ernst?”, wollte er genauer wissen.
      “Es wurde ihm plötzlich wichtig, was ich fühle und wie es mir geht. Aber das wollte ich nicht. Ich empfand ihn als attraktiver, als es ihm egal war und er nur seinen Willen wollte.” Ich schämte mich dafür, dass zu sagen, aber ihm eine Lüge aufzutischen, hätte es nicht angenehmer gemacht.
      “Tiefgründiges ist wohl nicht deins”, sagte Ju trocken und stand nun auf, um mir beim Sauber zu machen zu helfen.
      “Meine erste und einzige Beziehung endete in einem großen Drama und seitdem nehme ich Abstand von Menschen, die der Meinung sind, mir bei meiner emotionalen Lage helfen zu wollen. Deswegen wollte ich auch nicht, dass das mit uns in eine Richtung gelenkt wird. Reicht das jetzt?”, fragte ich eindringlich und blickte zur Tür.
      “Du wolltest einfach nur mit ihm schlafen?”, wollte er erneut wissen. Langsam nervte mich dieses Gespräch.
      “Ja, wie oft den noch. Mehr nicht. Und du hättest das nicht mit gemacht”, sagte ich warf ihm das Geschirrtuch entgegen.
      “Du hättest einfach fragen können, aber als ich bei dir war, wolltest du so viel Abstand wie möglich”, rief Ju mir nach, als ich zur Tür lief.
      “Ich rede darüber nicht und jetzt vertrag dich bitte wieder mit Niklas, das ist mir wichtiger als alles andere”, sprach ich aus. Er nickte und ich konnte endlich gehen. Die Küche hatte ich in der Zeit geschafft und ich musste auch bei mir endlich etwas Ordnung hineinbringen. Deswegen lief ich zur mir und begann saubere und dreckige Wäsche auf jeweils einen Haufen zu werfen. Dabei stelle ich fest, dass so gut wie alles in die Maschine musste. Ich wechselte meine Reithose und zog meine geliebten grauen Jogger an, die mich förmlich anlachte. An meinen Beinen zeichnete sich die Naht der Leggings ab. In einem Korb brachte ich alles zum Waschraum und stellte die Maschine ein auf 30 °C.

      Zurück bei Alec und Jace auf dem SMA.

      Jace
      “Ich habe dir sicherlich erzählt, dass ich super gerne auf internationalem Niveau reiten würde, oder?”, begann ich zu erklären.
      “Ja, das hast du schon des Öfteren erwähnt, aber was hat das mit einer Dressurkür zu tun?”, hakte Alec nach.
      “Ja, dazu komme ich ja jetzt. Unsere Gäste haben Sonntag eine Prüfung und mir wurde vorgetragen, dass auch ein Vorstandsmitglied des kanadischen Teams sitzt, anwesend sein wird. Wenn ich mich anstrenge, könnte, dass meine Chance sein.”
      “Ich verstehe, wobei ich dir nicht ganz abnehme, dass das deine einzige Motivation ist. Wen willst du beeindrucken?”, antworte Alec breit grinsend. Er kannte mich wohl einfach zu gut.
      “Niemanden, außer dem Vorstandsmitglied versteht sich”, beteuerte ich.
      “Ist klar”, feixte Alec. Mittlerweile waren wir an den Koppeln angekommen und Gräfin beobachtete mit gespitzten Ohren die anderen Pferde auf der Koppel. Ich öffnete für Alec das Koppeltor, sodass er die Stute hineinführen konnte.
      “Achtung Jace, die Minis”, versuchte Alec mich noch zu warnen, doch da waren die Ponys schon durch das Tor geschlüpft.
      “Machen die das immer?”, fragte ich ein wenig erstaunt und sah den beiden Miniponys hinterher. Alec blieb dabei ganz entspannt und stellte derweil die Warmblutstute auf die Wiese.
      “Ja, kommt schon mal vor. Die beiden haben einfach nur Unsinn im Kopf”, antwortete Alec nur schulterzuckend und schloss das Koppeltor. “Na, dann suchen wir mal die beiden, die sind bestimmt wieder in der Futterkammer.” Ich folgte meinen Kumpel zurück in den Stall, wo die beiden Ponys gerade die Stallgasse herunter trabten.
      “Wofür habt ihr die beiden eigentlich?”, fragte ich, während wir den Ponys folgten. Die beiden erreichen nun langsam das Ende der Stallgasse und wurden langsamer.
      “Na kommt her ihr zwei”, lockte Alec die Stuten. Daraufhin drehten sie sich tatsächlich um und kamen näher.
      “Wir haben sie einfach so. Gerade Magnus hat einen Narren an den beiden gefressen. Er nimmt sie gerne mit zum Ausreiten mit oder so”, erzählte Alec und griff nach dem Halfter der kleinen Fuchsscheckstute, die nun vor ihm stand. Ich griff nach dem Halfter der anderen Stute, die auch so gleich zu schmusen versuchte.
      “Habt ihr schon mal überlegt die beiden zu fahren, dann haben sie vielleicht weniger Unsinn im Kopf”, schlug ich vor und griff nach einem Strick, der vor einer der Boxen hing.
      “Nein, daran habe ich bisher nicht gedachte, aber das wäre sicherlich mal einen Versuch wert. Da wäre nur das Problem, dass sich außer Allister niemand damit auskennt und der ist schon beschäftigt genug mit seinem Tory.”
      “Weißt du was, ich komm nächste Woche mal vorbei und schau mir die beiden mal an, vielleicht kann man mit den beiden ja was anfangen. Aber ich komme nur, wenn du mir dafür bei meiner Kür hilfst.” Auch Alec hatte mittlerweile einen Strick in das Halfter der Ministute eingehängt und so konnten wir zurück zu Koppel gehen.
      “Na gut. Ich helfe dir, aber du wirst allein damit anfangen müssen oder noch ein wenig hierbleiben. Ich habe hier nämlich noch zu tun und du hast doch sicher auch noch ein paar Pferde zu bewegen. Ich kann kaum glauben, dass du schon fertig bist mit der Arbeit”, antwortete Alec mit einem Blick auf die Uhr.
      “Ja, da hast du recht. Ich bin zwar schnell, aber so schnell auch wieder nicht. Also kommst du dann heute Abend vorbei?”, fragte ich und wir stellten die beiden Miniponys wieder auf die Koppel, wo sie direkt davon flitzten.
      “Ja, denke schon, aber ich werde noch mal anrufen und dir Bescheid sagen, wann ich komme. Aber jetzt lass uns doch mal dein kleiner Solist holen”, erinnerte mich Alec wieder an den Grund für mein Kommen. Ich hatte schon ganz vergessen wie entspannt ich in der Gegenwart meines Kumpels war. Manchmal vermisste ich die Zeit in New York, wie wir gemeinsam um die Häuser zogen. Kaum zu glauben, wie man von New York mitten in der Einöde landete.
      “Alec wir sollten uns öfter sehen”, verkündete ich.
      “Wie kommst du denn jetzt da drauf?”, fragte Alec amüsiert.
      “Ich dachte gerade an New York. An die Zeit als wir noch jung waren, also so richtig jung meine ich”, teilte ich meine Gedanken mit ihm.
      “Ja, New York, das waren Zeiten. Aber Jace, du weißt schon, dass du einen Club hier vergeblich suchen wirst, oder?”, scherzte er.
      “Ja, aber ich rede auch nicht vom Feier gehen an sich, mir geht es viel eher um unsere Freundschaft, wir sehen uns viel zu selten.” Mittlerweile waren wir an den Hengstkoppeln angekommen. In etwas Entfernung konnte ich die Pferde grasen sehen. Ich konnte Alec Hengst Chocolate Churro entdecken und gleich daneben graste das Pferd von Magnus. Zwischen Churro und einem kompakten Fuchsschecken stand ein heller, schlaksiger Junghengst. Sein helles Fell glänzte in der Sonne und die zweifarbige Mähne fiel ihm in leichten Wellen über den Hals.
      “Wow, er ist echt groß geworden”, sagte ich staunend zu Alec.
      “Ja, er ist schon fast so groß wie Churro. Und ein unglaublich kluger kleiner Kerl hast du da”, stimmte Alec mir zu.
      “Ich hoffe vor allem, dass er genauso talentiert ist, wie hübsch. Auf ihn wartet eine große Karriere, wenn er mal so weit ist”, sagte ich mir ein wenig Stolz in meiner Stimme zu ihm.
      “Selbst, wenn er nur halb so begabt ist, wie seine Mama hast du ein spitzes Pferd und jetzt hole ihn endlich. So wie ich dich kenne, ist dir nicht einfach so eingefallen ihn jetzt abzuholen, da steckt doch sicher wieder irgendeine von deinen Wetten hinter.” Ein Grinsen trat auf in seinem Gesicht.
      “Sag mal, warst du heute Morgen dabei?”, scherzte ich. “Du hast nämlich recht. Jayden, Lina und Samu sind mir nämlich so sehr damit auf die Nerven gegangen, ich würde Solo verstecken, da habe ich beschlossen ich hole ihn jetzt.”
      “Ahh, ganz der Jace den ich kenne, muss sich ständig beweisen.” Alec lachte herzhaft. “Und jetzt los, hol dein Pferd”, fügte er hinzu und drückte mir ein Halfter in die Hand.
      “Klingt fast so als wolltest du mich loswerden”, erweiterte ich empört ging aber trotzdem mit dem Halfter auf die Pferde zu.
      “Na, Kleiner kennst du mich noch?”, freundlich hielt ich dem Falben die Hand hin. Neugierig schnupperte der Hengst an mir. Nach einer ausgiebigen Inspizierung durch Solist streife ich ihm das Halfter über den Kopf.
      “Mein Gott hast du viel Mähne bekommen”, staunte ich nicht schlecht als Schopf und Mähen auseinander sortierte. Mit dem Junghengst am Strick kehrte ich zu Alec zurück, der bereits am Tor wartete.
      “Mein Gott warum hat er denn auch so viel Mähne, ich glaube die muss ab”, beschwerte ich mich bei ihm.
      “Oh mach das bitte nicht. Die letzte Mähne, die du geschnitten hast, sah einfach nur schlimm aus. Außerdem was machst du denn schon mit ihm, er wird doch sicher wieder auf die Koppel kommen, da kann er seine Mähne doch wohl behalten”, brachte Alec als Einwand.
      “Na gut, da hast du recht, vielleicht sollte ich das lieber lassen”, gab ich zu. Alec hatte irgendwo recht, die letzte Mähne sie ich geschnitten hatte, war nicht allzu ansehnlich gewesen. Auf dem Weg zu Hänger fiel mir wieder die Frage ein, die ich Alec noch stellen wollte: “Sag mal Alec, was ist eigentlich mit Ahvani, macht die auch diesen komischen Tölt wie ihr Vater?”
      “Ja, Ahvani töltet ganz ausgiebig, das macht sie meisten sogar lieber als Trab, aber daran ist doch nichts komisch”, sagte Alec amüsiert.
      “Na, ich weiß nicht. Ich finde diese Gangart äußerst suspekt.” Inzwischen waren wir am Hänger angekommen und Alec war so freundlich die Klappe zu öffnen.
      “Meinst du er wird darauf gehen?”, fragte ich meinen Kumpel als mir einfiel, dass vermutlich niemand das mit ihm geübt hatte.
      “Wirst du doch gleichsehen”, antwortete er nur geheimnisvoll. Langsam führte ich den Falbhengst an die Rampe heran. Brav folgte er mir auch als ich weiterging. Wow, so problemlos hatte ich wohl noch kein einziges Jungpferd verladen.
      “Warum kann er das so gut?”, rief ich Alec aus dem inneren des Hänger entgegen.
      “Na, weil ich das mit ihm geübt habe, du Dummkopf. Mir war schon klar, dass du ihn irgendwann wieder mitnehmen wirst”, antwortete er und verschloss die Stange hinter Solist.
      “Oh cool, kann er denn noch irgendwas?”, fragte ich nach und kletterte wieder aus dem Hänger.
      “Er kann alles, was ein Pferd in seinem Alter können muss und ich muss schon sagen, er ist echt ein kleiner Streber, ganz im Gegensatz zu seinem Besitzer”, triezt er mich.
      “Ey, so schlecht war ich jetzt auch nicht in der Schule”, protestierte ich.
      “Ja, in ausgewählten Fächer warst du gut, stimmt.” ich schloss die Hängerklappe und sah dann noch einmal nach Solist. Er stand ruhig im Hänger und knabberte an seinem Heunetz.
      “Na, wenn du so charmant heute bist, freue ich mich ja so richtig dich heute Abend noch einmal zu sehen”, erweiterte ich seine Sticheleien. “Also dann mach ich mich mal auf den Weg”, verabschiedete ich mich und umarmte meinen Kumpel freundschaftlich. “Wir sehen uns dann heute Abend”, verabschiedete auch Alec sich. Ich stieg in mein Auto und mit Solist im Hänger machte ich mich auf den Rückweg.
      Nach 1 ½ Stunden fahrt, auf denen sich Solist ausgezeichnet benommen hat, ist Jace auch wieder auf dem WHC angekommen.

      Lina
      Ich hatte gerade Divine nach dem Training wieder auf die Koppel gebracht und entdeckte Samu im Innenhof, der sich dort wohl gerade für eine Pause niedergelassen hatte.
      “Ist das etwas eine kalte Wasserflasche, die du dahast?”, fragte ich und setzte mich dazu.
      “Ja ist es und mich beschleicht das Gefühl, das du die gerne haben möchtest. Ich habe das Gefühl heute hast du es eindeutig auf meine Getränke abgesehen”, scherzte er und reichte mir die Flasche. Gierig nahm ich einen großen Schluck. Bei den Temperaturen, die heute schon wieder herrschen, war ein kaltes Getränk Gold Wert.
      “Eigentlich ist mir das egal wem das Getränk gehört, Hauptsache es ist kalt”, antwortete ich ihm, als mein erster Durst gestillt war. Ein Motorengeräusch ließ mich aufhorchen.
      “Ach, schau mal wer auch wieder auftaucht. Was glaubst du, hat er sein Pferd auch wirklich dabei?”, scherzte Samu sogleich. Seine Frage beantworte sich praktisch von selbst, denn aus dem Anhänger kam ein aufgeregtes Wiehern, welches auch gleich für irgendwo beantwortet wurde.
      “Ich glaube, das heißt ja”, antwortete ich lachend. Es dauerte noch einen kurzen Moment bis der Motor ausging und sich die Tür des Autos öffnete.
      “Es ist immer noch so warm hier draußen”, beschwerte sich Jace, während er ausstieg.
      “Na, das ist mal wieder typisch. Kaum angekommen schon gibt es Beschwerden”, kommentierte ich.
      “Ah, was ein großartiges Empfangskomitee, das geht aber netter. Was macht ihr zwei eigentlich da, müsst ihr nicht Arbeiten oder so?”, fragte Jace.
      “Im Gegensatz zu dir haben wir schon gearbeitet, du hast immerhin ziemlich lange gebraucht”, beantworte Samu seine Frage.
      “Ja, ich musste noch bestaunen, was Alec aus dem Hof gemacht hat. Das sieht doch immerhin aus wie einen komplett neuen Hof”, berichtete Jace von seinem Ausflug.
      “Aber jetzt zeig uns doch mal endlich dein Pferd, oder hast du das doch dagelassen”, forderte ich ihn neugierig auf.
      “Nein, natürlich habe ich ihn nicht dagelassen. Schaut!”, antworte Jace und öffnete die kleine Tür am Hänger. Neugierig schaute dort ein heller Kopf mit einer hübschen Blesse heraus.
      “Ihr kennt ihn ja bereits, auch wenn er noch deutlich kleiner war als er das letzte Mal hier war. Aber einer von euch beiden könnte sich dann jetzt mal nützlich machen und mir beim Ausladen helfen”, rief er uns zu.
      “Ah, bei einem so hübschen Kerlchen helfe ich doch gerne”, rief ich begeistert und stand auf.
      “Dann klettre mal rein”, forderte Jace mich auf und reicht mir seine Hand, damit ich leichter hineinsteigen konnte.
      “Danke”, sagte ich und ließ mir von ihm in den Hänger helfen. Im Hänger kam mir auch gleich eine neugierige Schnauze entgegen. Natürlich fand diese Schnauze auch direkt die Hosentasche mit den Leckerlis. “Tervetuloa takaisin Solist”, sprach ich zu dem Falbhengst und steckte ihm ein Leckerbissen in die Schnauze. Zwischenzeitlich hatte Jace nun auch die Hängerklappe geöffnet.
      “Lina, wenn du so weit bist, könnt ihr zwei aussteigen”, reif Jace mir von draußen zu. Mit einem sanften Zug löste ich den Strick, mit dem der Hengst angebunden war.
      “Na, dann wollen wir mal aussteigen, hübscher.” Langsam ließ ich den Hengst ein paar Schritte rückwärts treten und schlüpfte unter der vorderen Stange hindurch. Brav ging das junge Pferd Schritt für Schritt die Rampe hinunter, bis er schließlich auf dem Hof stand. “Braaav”, lobte ich den Falben und klopfte ihm den Hals.
      “Der kleine ist definitiv echt hübsch geworden”, sagte Samu anerkennend, der inzwischen auch neben dem Hänger stand. Ich betrachtete den Hengst, der neben mir stand und neugierig die Umgebung beobachtete. Obwohl er jetzt erst ungefähr 1 ½ Jahre alt sein müsste, war er schon recht groß. Sein helles Fell glänzte in der Sonne und die Mähne lag im lang auf dem Hals.
      “Also bei der Mama ist das auch kein Wunder, der, na ja nun mehr nicht mehr so, kleine war schon immer hübsch”, fügte ich zu Samu Kommentar hinzu.
      “Danke für deine Hilfe”, bedanke sich Jace und nahm mir den Führstrick aus der Hand. “Meint ihr, der Platz ist frei? Dann kann der Kleine sich erst einmal ein wenig austoben”, fragte Jace und strich Solist über die Mähne.
      “Keine Ahnung. Da wirst du nachsehen müssen”, antworte Samu schulterzuckend. Schritte kamen näher zu uns und drehte mich um. Niklas stand da mit einer Kochschürze und im ersten Moment sah es aus, als trüge er nichts darunter. Jedoch unpassender Weise Reitstiefel dazu.
      “Hej ihr drei, Hunger?”, fragte er freundlich.
      “Wo du es so erwähnst, ja! Was gibt es denn?”, antworte Samu. An seinem lächeln konnte ich erkennen, dass er Niklas Outfit offenbar ziemlich lustig fand.
      “Einen kalten Kartoffelsalat mit warmem Reh dazu. Es genug für euch alle da”, lud er uns ein. Wie Niklas so beschrieb, was er gekocht hatte, begann sich mein Bauch zu melden. “Oh, das klingt unheimlich lecker. Da bekomme ich gleich richtig Hunger”, sagte ich begeistert.
      “Wir haben alles aufgebaut und warten auf euch. Normalerweise hätte ich es mit Elch oder Rentier gemacht und noch Camembert hinzugefügt, also experimentell heute”, erzählte Niklas offen weiter und schien wie ausgewechselt. Ohne auf eine Antwort zu warten, lief er zurück. Bis auf eine Unterhose trug er wirklich nichts unter der Schürze. Während Niklas davon schlenderte, faselte er weiter, schien nicht zu erwarten, dass jemand zuhörte.
      “Was ist denn bitte mit dem los? Hat der irgendwie zu viel Sonne abgekriegt?”, murmelte Jace verständnislos vor sich und sah Niklas mit einem irritierten Blick hinterher.
      “Keine Ahnung, ich weiß nur, dass du dein Pferd da jetzt bald bewegen solltest, weil ich jetzt sonst gleich verhungere”, antwortete ich Jace.
      “So hungrig kannst du ja noch nicht sein, wenn du noch so wissbegierig auf das Pferd sein kannst”, stichelte Samu. Allerdings wusste ich, dass er mindestens genauso neugierig war wie ich. Jace hatte sich tatsächlich schon in Bewegung gesetzt. Auch wenn Solist noch ein wenig schlaksig war, ließ sich bereits eine gewisse Anmut in seinem Gang erkennen. Der Reitplatz war tatsächlich leer, was sicherlich auch der Mittagshitze zu verdanken war. Kaum hatte Jace den Hengst freigelassen, trabte er auch schon los. Solist trabe erst eine Runde in einem eindrucksvollen Trab am Zaun entlang, selten hatte ich ein Pferd seine Füße so hochheben sehen.
      “Die Füße bekommt er schon mal hoch, wobei das ziemlich lustig aussieht”, merkte Samu an. Kurz blieb Solist vor dem kleinen Zäunchen, welches das Dressurviereck abgrenzte, stehen, um kurz darauf einen riesigen Satz darüberzumachen.
      “Was geht denn hier ab? Und warum wurde ich nicht eingeladen?”, kam Milena an und wackelte aktiv zu uns. Sie führte sich, als gehöre sie zu uns.
      “Die zwei da bewundern meinen kleinen Solist”, brüste Jace sich sogleich, wobei er das meinen besonders betonte.
      “Na da macht er sich seinen Namen zumindest allen Ehren und passt auch ziemlich gut zu dir”, antwortete sie und stellte sich zu uns.
      “Danke dir, er war auch schon als Fohlen immer so, dass er alle Aufmerksamkeit auf sich zog, deshalb habe ich ihn ausgewählt”, erklärte er Milena stolz. Jace genoss die Aufmerksamkeit, die ihm und seinem Pferd zuteilwurde, sichtlich. Solist galoppierte ein paar Meter, bevor er wieder langsamer wurde. Mit der Nase auf dem Boden lief er im Schritt über den Sand und schien eine geeignete Stelle zu suchen, um sich zu wälzen. Scheinbar wurde er nicht fündig, denn statt sich auf den Boden zu werfen, kam er zu uns an den Zaun.
      “Na dann beeilt euch mal mit dem Hübschen, Niklas wartet sicher nicht ewig auf uns”, verabschiedete sie sich und verschwand ebenfalls.
      “Ich für meinen Teil habe genug gesehen, ich habe jetzt Hunger”, verkündete ich und wandte mich auch zum Gehen. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Samu mir folgte.
      “Dann geht ihr zwei schon mal vor. Ich bringe ihn hier noch weg und komme dann auch”, rief uns Jace noch hinterher.

      Niklas
      “Und wie genau kamst du an diese Zutaten? Im Kühlschrank hatten wir nichts mehr oder überhaupt irgendjemand”, erkundigte sich Ju, der sich dazu entschloss wieder netter zu sein. Eine Entschuldigung verließ seinen Mund bisher nicht, was man ihm schwerlich verdenken konnte. In all den Jahren gab es mehrere Streite, die ich an der Hand abzählen könnte, doch dass er nicht einmal seinen Standpunkt darlegte, war neu für mich. Umso mehr freute ich mich, dass Ju wieder gut auf mich zu sprechen war.
      “Lätt. Jag red med Smoothie till affären och köpte allt som behövdes”, erklärte ich ihm und briet die klein geschnittenen Rehschenkelstücken in der Pfanne an. Zustimmend nickte Ju. Einige Minuten später brachte er alles Wichtige zur befestigten Feuerstelle, an der wir sonst auch immer saßen.
      ”Har du inte övat dressyr?”, fragte Ju, als er wieder hineintrat.
      ”Självklart”, antworte ich konzentriert. Die letzte Portion brutzelte noch. Es benötigte ein gewisses Gefühl, damit es von allen Seiten gleichmäßig gebraten war, ohne zäh zu werden oder verkohlt zu sein. Normalerweise gab es zu Hause Wild nur, wenn ich mit Vater jagen war. In Kanada wäre es mir zu kompliziert die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ein Reh zu schießen. Im Laden fand ich in der Fleischtheke etwas und nun können Teil daran haben.
      Ju holte den mittlerweile kalten Salat aus dem Kühlschrank und ich zog mir ein anderes Outfit an. Während ich meine Sachen durch sah, entschied ich noch unter die Dusche zu hüpfen. Obwohl es seit Tagen ziemlich warm war, erschien es heute besonders unerträglich zu sein, weswegen ich das Wasser aus dem Duschkopf genoss. Schritte näherten sich, als ich mir ein Shirt überwarf.
      “Kom nu”, scheuchte mich Chris auf. Ich nickte und folgte ihm. Am Tisch hatten sich wirklich viele Leute versammelt.
      “Jag går till Lina”, flüsterte ich ihm zu. Sein allseits bekanntes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus und er ging zu Ju, der mit Linh und Milena an einem Tisch saß. Mein Herz pochte, als ich zu Lina schaute. Samu saß bei ihr und Jace hatten sie offenbar auf der kurzen Strecke verloren, mein Glück. Obwohl ich mir alle Mühe gab, ihm das Leben nicht noch schwerer zu machen, doch ich spürte die negative Energie, die er ausstrahlte, wenn ich dazu kam. Beiden sahen so aus, als könnten sie ein Kaffee gebrauchen.
      “Ska jag göra en espresso?”, fragte ich freundlich und stellte mich zu ihnen.
      “Ja da ich für ein Nickerchen wohl nicht die Zeit habe, wäre so ein wenig Koffein sicher ganz gut”, antworte Lina auf meine Frage.
      “Das du noch mal zu Kaffeetrinker wirst, hätte ich nicht gedacht”, scherzte Samu. “Ich würde auch einen nehmen”, schloss er sich dann Linas Antwort an.
      “So viel noch zu tun heute? Ich könnte da helfen. Aber dann gehe ich mal für jeden eine Tasse holen”, sagte ich und verschwand. Eine Antwort bekam ich ist erst einige Minuten später, als ich die kleinen Heißgetränke brachte. Dann setzte ich mich dazu. Das große Fressen eröffnete ich kurz und bündig.
      “Naja an der Menge bin ich zu einem gewissen Teil selbst schuld, eigentlich ist Ivy schon bewegt, aber ich wollte mit ihm noch mal zu Fluss runter, weil er so gerne badet und dann muss ich noch Nathy bewegen und die Koppeln muss ich auch noch abäppeln. Wenn du helfen willst, gerne, aber musst du nicht, es gibt sicherlich spannenderes als das”, erklärte Lina.
      “Ach, nicht alles muss spannend sein, aber du reichst mir vollkommen”, schmunzelte ich und schob mir eine Gabel voll mit Salat in den Mund. Dann fragte ich: “Macht ihr nachher mit beim Springen auf dem Geländeplatz?”
      Da Lina gerade noch kaute, antwortete Samu zuerst: “Ja, man hat schließlich nicht alle Tage so geniale Trainer wie eure zu Gast.”
      “Zum Glück muss das Pferd springen und nicht ich, das sollte ich gerade noch so schaffen, denke ich. Das ist übrigens echt lecker, könnte ich mich dran gewöhnen”, antwortete dann auch Lina und steckte sich gleich eine weitere Gabel Salat in den Mund.
      “Freut euch nicht zu früh, heute werde ich auch mit als Trainer zur Verfügung. Und gewöhne dich lieber nicht dran. Du könntest natürlich auch mit bei uns wohnen, aber ich glaube nicht, dass Vater darüber so erfreut wäre und entspannt, wäre es sicher auch nicht”, sagte ich zu ihr freute mich über das Kompliment.
      “Wer weiß, vielleicht lernt es sich von dir noch viel besser”, sagte sie lächelnd. “Ich vermute mal, die wenigsten Väter wäre da so begeistert. Vielleicht auch besser, wenn ich mich nicht an so leckeres Zeug gewöhne, sonst kann ich mich nicht mehr allein ernähren”, schob sie noch ein.
      “Ach doch, Chris oder Ju sein Vater würden sich freuen, wenn plötzlich eine nette und hübsche junge Dame einzieht. Aber solang man Vater keine ordentlichen Abstammungspapiere nachweisen kann, wird es ohnehin schwierig”, lachte ich und freute mich über die Anspielung.
      “Na, wenn das so ist, solltest du wohl eher mein Pferd mitnehmen”, scherzte sie munter.
      “Lieber nicht, der hat zu viel gekostet, um auf dem Teller zu landen. Aber jetzt Spaß beiseite, wir müssen heute Abend noch etwas besprechen”, erklärte ich Lina zunehmend ernster.
      “Okay”, antwortete sie irritiert. “Sollte ich mir deshalb Sorgen machen?”
      “Ich denke über ein Kind nach und brauche deine Hilfe nachher”, brachte ich beide zur Kenntnis, denn alles wollte ich nicht direkt verraten.
      Samu blickte ein wenig verwirrt zwischen uns beiden her und man konnte förmlich die Fragezeichen über seinem Kopf schweben sehen.
      “Sanoiko hän lapsi?”, fragte er Lina und der Ausdruck in seinem Gesicht wechselte von verwirrt zu besorgt und wieder zu verwirrt.
      “Kyllä, ja ennen kuin kysyt, en tiedä, myös mistä hän puhuu, Mutta saan pian tietää”, antworte Lina ihm. Ihre Antwort schien ihn nicht wirklich zu beruhigen, denn statt verwirrt sah er nun ein wenig misstrauisch aus.
      “Mein Pferd soll Mutter werden, nicht Lina”, klärte ich ihn auf. Was dachte er nur von mir? Wenn es anderes wäre, würde ich das vor allem nicht vor ihm mit ihr besprechen wollen.
      “Dann ist doch gut”, entgegnete er, aber das Misstrauen war offensichtlich noch nicht ganz verschwunden denn er aß nur zögerlich seinen Salat weiter.
      Lina hingegen schien viel mehr begeistert: “Für Pferdekinder bin ich immer zu haben, vor allem wenn sie dann auch noch so eine hübsche Mama haben sollen.”
      “Dazu aber erst später mehr, Ju will sicher nicht allein sauber machen”, erklärte ich ihr und nahm ihre Teller mit.

      Bis auf Vriska, erfreuten sich alle am Essen und eine Siesta abhielten. Sie saß allein im Zimmer, dachte über Zukunft nach und verfiel erneut in einen Teufelskreis des Selbstmitleids. Auch die Gefühlsachterbahn mit Niklas machte ihr deutlich mehr zu schaffen, als sie sich erhoffte. Er verschwendete bei der Arbeit mit Lina keinen Gedanken an Vriska, denn ganz das Gegenteil. Durch die große innerliche Wunde, die sie wieder aufriss, verlor er den Glauben an sie und widmete sich einer weniger toxischen Person. Der frühe Abend setzte ein, die Temperaturen wurden niedriger und die meisten bereiteten sich auf das Springen auf dem Geländeplatz vor. Niklas wurde als zusätzlicher Trainer herangezogen, da er kein Pferd zur Verfügung hatte. Feste Gruppen wurden nicht eingeteilt, stattdessen konnte jeder kommen und gehen, wie er wollte. Lina, Samu und Jayden ritten ihre Pferde bereits warm. Die wenigen vom Team machten ihre Pferde noch fertig.

      Vriska
      “Ich bin wirklich erstaunt, dass du bei dem Training mit machst”, lobte mich Chris, der seinen Wallach bereits fertig hatte. Ich für meinen Teil kämpfte noch immer mit den Gamaschen, die eigentlich sehr simpel zu befestigen waren. Ungeduldig riss der große Typ sie aus meiner Hand und machte die Gamaschen an den Beinen meines Hengstes fest.
      „So gute Gamaschen und du schaffst es nicht, sie an deinem Pferd zu befestigen.“ Chris klang genervt, drückte mir meinen Helm in die Hand und verließ den Stall.
      “Danke?” Vermutlich wäre das die einzig angebrachte Antwort und wir liefen zum Platz. Glymur trottete müde neben mir her, denn das Training in der Dressur hatte uns beiden ziemlich viel Kraft gekostet. Die Entscheidung heute noch zu springen, traf ich vermutlich unterbewusst, denn als ich Lina mit Niklas so beschäftigt betrachtete, wurde es mir wacklig um die Beine.
      “Benötigst du Hilfe, oder schaffst du es allein?”, bot Chris mir an, als ich den Sattel festzog. Ich verneinte und stieg selbstständig auf mein Pferd auf. Jenni hätte ich dich heute anrufen sollen, dachte ich im Stillen, während Glymur im Schritt entspannt seinen Kopf senkte und schnaubte. Vielleicht war ich wieder mal sehr voreilig in meinen Entscheidungen, genau wie mein Umzug vor einigen Jahren zu Eva, meiner Tante. Tief in mir sehnte ich mich nach der alten Zeit in Deutschland und der Freiheit, die ich damals genoss. Der Tag lief geregelter ab und die Vorfreude am Nachmittag mit dem Fahrrad zu fahren, fühlte sich besser an, als am Morgen früh aufzustehen und an nichts anderes zu denken als ‚Wann beginnt das Frühstück und wann kann ich endlich mal sitzen‘. Es fehlte mir, dass meine Familie wollte, dass etwas aus mir wird und ich mir Gedanken darüber machen sollte, was ich studieren will oder doch lieber eine Ausbildung. Schlussendlich endete es mit einem abgesprochenen Physikstudium und einer miserablen Ausbildung zum Pferdewirt ohne wahrhaftigen Perspektiven.
      “Vriska, hörst du mir überhaupt zu?”, ermahnte mich Frau Wallin. An ihrem Ton entnahm ich, dass schon mehrfach versuchte mit mir zu kommunizieren.
      “Jetzt, ja”, antwortete ich verwirrt und prüfte meinen Sitz, mit dem gleichsam alles stimmte.
      “Du sollst dich mehr auf dein Pferd konzentrieren und nicht in den Gedanken verlieren”, erinnert sie mich. Glymur stolperte derweil fröhlich vor sich hin. Sein Kopf streckte er zum Boden wurde immer schneller, bis ich ihn langsam zurückholte und mit einigen Übungen mehr auf die Hinterhand brachte. Ich schaffte es jedoch nicht einen klaren Gedanken zu fassen und klammerte mich an alten Zeiten fest, die lange zurücklagen und keinen großen Einfluss mehr haben können auf die Zukunft.
      Mein Pony hatte ich genügend aufgewärmt, um den ersten Sprung in Angriff zu nehmen. Die Steigbügel kürzte ich mithilfe meiner Trainerin und galoppierte Glymur auf der rechten Hand auf dem Zirkel an. Vor uns lag ein Baumstamm, den ich auf der Geraden ansteuerte und sprang. Ich merkte, dass sich mein Körper zu früh aus dem Sattel erhob, doch mein Hengst entschied selbstständig später abzuspringen und bei der Landung plumpste ich unsanft in den Sattel.
      „Wenn du so weiter machst, hat dein Pferd bald keinen Rücken mehr“, ermahnte mich Niklas direkt, der mehrere Meter entfernt stand. Genervt schnaufte, ich trabte mit Glymur weiter. Auf einem Zirkel galoppierte ich erneut an und wiederholte den Sprung. Diesmal konzentrierte ich mich besser, sowohl Absprung als auch die Landung waren leichter und koordiniert. Wen wollte ich etwas beweisen? Mir oder Niklas? Egal, zufrieden galoppierte weiter und wechselte mit einem einfachen Galoppwechsel die Hand. Ich blickte fokussiert zum Trapez, das sicher einen Meter hoch war. Glymur wurde schneller und kurz vor dem Hindernis regulierte ich sein Tempo, um ihn besser zu kontrollieren. Gezielt sprang er hab und ich schloss meine Augen, denn sollte ich wieder einmal fallen, würde ich es nicht mitbekommen. So mein Gedanke, doch wir landeten grazil am Boden und galoppierten weiter. Erfreut klopfte ich seinen Hals und parierte einige Meter weiter in den Schritt durch.
      “Offenbar verstehst du nur, wenn man dich beleidigt”, grinste Niklas schelmisch. Ich freute mich, dass er wieder mit mir sprach, doch Lina schien es nicht zu gefallen. Stechende Blicke warf sie mir zu, als sie mit Nathy über den Zaun mit Busch sprang. Die Tage hinwegwuchsen sie extrem gut zusammen und von Stunde zu Stunde verbesserte Lina sich im Sattel. Was anfangs beim Springen noch sehr gezwungen wirkte, machte sie nun wie aus dem Handgelenk. Statt ihm eine Antwort zu geben, schaute ich immer wieder zur Einfahrt, die man vom Platz aus gut im Blick hatte.
      „Da gibt es doch nichts Spannendes zu sehen“, kam Ju angeritten.
      „Doch, einen Weg“, sagte ich knapp und richtete meinen Kopf wieder auf den Platz. Es ich Niklas Stimme wieder vernahm, rollte ich mit den Augen, auch wenn es nicht an mich gerichtet war.
      „Du tust gerade zu, als wäre es der schlechteste Mensch auf der Welt“, kommentierte es Ju und ritt weiter im Schritt neben mir.
      „Und du tust so, als wäre plötzlich alles in Ordnung“, rollte ich wieder mit den Augen und trabte mit Glymur davon. Es fehlte mir gerade noch, dass er mit der Moralkeule um sich schwang, nur weil wir vorhin uns aussprachen.
      „Was denn mit ihr los?“, hörte ich Chris fragen.
      „Die bekommt bestimmt ihre Tage“, stempelte Ju mich ab und trabte Amy an. Für mich waren damit die Typen das letzte, was ich sehen und hören wollte. Im Galopp entfernte ich mich deutlich von der Gruppe, denn der Geländeplatz war weitläufig und brachte mir den nötigen Abstand. Abstand, den ich gerade gut gebrauchen konnte, um den Kopf freizubekommen. Im gestreckten Galopp trieb ich meinen Hengst voran, der auch gefallen daran fand, die letzte vorhandene Kraft herauszulassen. Ich fühlte mich frei und nichts vernebelte mir mehr den Kopf. Der warme Wind umschloss uns und ließen alles hinter uns. Nach einer Weile erreichten wir das Ende des Platzes, was durch einen sehr großen Zaun deutlich wurde. Es befand sich eine Art Tor in ihm, das mit Litze geschlossen war. Dort entlang mussten sich noch weitere Sprünge befinden, die ich jedoch nicht entdecken wollte. Ohne Aufsicht der Trainer wollte ich mich nicht auf die Reise machen, noch nach dem Unfall.
      „Hier sind wir ungestört“, sagte ich zu meinem Hengst, der schnell atmete und gierig am Gras zupfte.
      „Einerseits hoffe ich, dass er es heute nicht mehr schafft“, begann ich meine Gedanken laut auszusprechen.
      „Andererseits bleibt nicht mehr viel Zeit in Kanada und wer weiß, vielleicht ist er genau das, was ich benötige, um Abstand von dem ganzen zu bekommen“, erzählte ich meinem Pferd, dass noch immer seinen Kopf im Gras hatte.

      Samu
      Sally sprang heute konzentriert und war mal wieder mit viel Freude dabei. Jace, der mit Alec und ein paar anderen Menschen am Zaun stand, sah mäßig begeistert aus. Offenbar fand er die Tatsache, dass Niklas heute den Trainer machte, nicht wirklich gut, vor allem Linas Anwesenheit auf dem Platz spielt dabei sicher eine Rolle. Da Alec da war, muss man sich immerhin keine Sorgen darüber machen, dass Jace irgendwelche Dummheiten anstellen würde. Ich für meinen Teil bin mir noch nicht so ganz sicher was ich von Niklas halten soll. Lina hatte heute Nachmittag ziemlich glücklich ausgesehen, obwohl sie bei sengender Hitze die Koppel abäppelten. Das freut mich auch für sie, aber Niklas Stimmungen schienen gefühlt jeden Tag zu ändern und ich bin mir nicht sicher, wohin das noch führen wird.
      Doch statt weiter darüber nachzudenken, konzentrierte ich mich lieber wieder auf meine Stute. Mit recht hohem Tempo überwand ich die Distanz zu dem Sprung, bevor ich die Fuchsstute zurücknahm. Vor uns lagen mehrere Stufen, die es hinaufzuspringen galt. Aufmerksam sah die Stute in die Richtung des Hindernisses, bevor sie absprang. Der erste Sprung war ein wenig zu weit, weshalb wir bei der zweiten Stufe ein wenig knapp waren, doch Sally schaffte dies auszugleichen. In einem leichten Galopp ritt auf Wall bis zum Ende, bevor ich hinunter trabte. Im Vorbereiten bekam ich ein paar Gesprächsfetzen, des Gespräches zwischen Ju und Vriska mit und es schien kein sonderlich harmonisches Gespräch zu sein. Diese Vermutung bestätigte sich, als Vriska zum anderen Ende des Platzes galoppierte. Ich beschloss ich unauffällig zu folgen, denn irgendwie hatte ich im Gefühl, dass sie jemanden zu reden gebrauchen könnte. Sprung für Sprung näherte ich mich dem anderen Platzende. Sobald ich Vriska und ihrem Pferd näherkam, ließ ich Selection langsamer werden.
      “Hey, was machst du denn ganz allein hier hinten. Alles Okay?”, fragte ich und ließ meine Stute neben dem Isländer stehen bleiben.
      “Eigentlich die Ruhe genießen, aber es ist okay, wenn du hier sein möchtest”, antwortete sie abwesend und strich ihrem Pferd weiter über die Mähne. Einen Moment lang beobachtete ich sie dabei, bevor ich weitersprach: “Ruhe vor denen da vorne? Die scheinen dir das Leben ja nicht gerade einfach machen zu wollen.”
      “Ich werde dazu einen großen Teil mit beitragen, aber ich weiß auch nicht so genau, was mit mir nicht stimmt. Das verwirrt mich alles und dann noch so viele Gefühle auf einmal. Ich trage das nicht”, murmelte sie.
      “Was verwirrt dich, möchtest du darüber reden?”, fragte ich freundlich. Sally schnaubte und begann Gras zu zupfen. Vriska dachte mehrere Minuten nach, bevor sie antwortete.
      “Ich dachte, dass ich ein anderer Mensch werde, wenn ich mit jemandem Schlafe und mich dann irgendwie besser fühle. Vermutlich war die Wahl, die erste Möglichkeit zu nutzen, aber auch nicht beste. Doch jetzt ist alles so kompliziert, ich musste mich so vielen schon erklären und eigentlich will ich nur nicht mehr einsam sein. Und dann ist da noch der Typ, mit dem es irgendwie so unverhofft gut anfängt, dass irgendwas nicht stimmen kann”, erklärte sie schließlich und eine Träne lief die Wange herunter. Ich verspürte sofort das Bedürfnis von meinem Pferd zu steigen und sie in den Arm zu nehmen, so traurig und verloren, wie sie gerade aussah. Ich versuchte meine Worte mit bedacht zu wählen, denn nur ungern wollte ich sie noch trauriger machen, als sie ohnehin schon war. “Weißt du ein anderer Mensch wird man nicht einfach so über Nacht, das ist ein Prozess, eine Entwicklung. Dein erster Schritt mag vielleicht nicht der Beste gewesen sein, aber du hast es jetzt in der Hand was du daraus machst. Und auf dem Gebiet Typen bin ich zwar kein Experte, aber ich finde, du solltest mit ihm reden, sieh, wohin es dich führt.”
      Vriska zögerte und betrachtete das Geschehen am Horizont. Die Leere in Augen füllte sich langsam wieder mit Leben. Lächelnd wischte sie die Tränen aus dem Gesicht und begann zu lachen, vollkommen grundlos, zumindest sah ich keinen.
      “Du hast recht, ich hoffe, er schafft es heute Abend. Hier mitten im Nirgendwo ist man schließlich so was wie gefangen”, sie schmunzelte noch immer und gab mir ein Handzeichen im Schritt wieder loszureiten. Ich musste Sally ein wenig zurückhalten, doch nach ein paar Metern passte sie sich dem Tempo des Isländers an.
      “Ja, da hast du recht. Aber manchmal hat das Nirgendwo auch seine Vorteile, hier gibt es wenigstens sehr viel Ruhe”, antwortete ich. ”Ich bin mir sicher, dein Typ wird es schaffen”, fügte ich zuversichtlich hinzu.
      “Danke für deine Zuversicht. Ich mache mir vermutlich wieder viel zu viele Gedanken, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass das was werden könnte. So vom ersten Moment an fühlte ich was, weißt du was ich meine?”, schwärmte sie.
      “Ja, ich verstehe, was du meinst”, antworte ich und strich meiner Stute über den Hals.
      “Wer zuerst wieder bei den Anderen ist?”, fragte Vriska herausfordernd und galoppierte den Kleinen an.
      “Na, dann zeig mal was dein Kleiner darauf hat”, reif ich ihr zu. Ich brauchte Sally nur den Zügel vorgeben und schon sprang die Fuchsstute an. Mit wenigen großen Galoppsprüngen war sie auf einer Höhe mit dem Isländer. Für ein Pferd mit so kurzen Beinen war er ziemlich schnell und er schien sogar noch einmal ein wenig an Geschwindigkeit zuzulegen, dennoch reichte es nicht ganz aus, um mit der Hannoveranerstute mitzuhalten, denn sie kam knapp eine halbe Pferdelänge nach mir bei den anderen an.
      “Respekt, dein Pferdchen hat ganz schön viel Power dafür, dass es so klein ist”, sagte ich anerkennend zu ihr, als sie Glymur neben mir durch parierte.
      “Er ist schon müde und wird sicher gern in sein Bettchen sein”, lachte Vriska außer Atmen und ließ die Zügel locker. Auch der Hengst schnaubte ab und biss mehrfach nach einem Grashalm am Boden.
      “Dann lass uns die beiden wegbringen, die Maus hier hat für heute auch genug getan”, schlug ich vor. Selection schnaubte, wie als wolle sie meine Aussage unterstützen. Vriska nickte nur und begann ihren Hengst abzureiten. Obwohl es inzwischen kühler geworden war, zeichnete sich dennoch ein dunkler Rand unter der Schabracke ab. Ich trieb Sally an und ließ sie am langen Zügeln noch ein wenig um den Platz laufen. Lina war immer noch am Trainieren und so langsam ließ Nathalies Ausdauer sichtbar nach.
      “Lina …”, rief ihr zu, was tatsächlich bewirke, dass sie ihr Pferd durch parierte. Ich ließ Sally bis zu ihr traben und ließ sie neben der Scheckstute wieder in den Schritt fallen.
      “Ist was Samu?”, fragte sie.
      “Du denkst schon daran, dass dein Pferd nicht unendlich viel Energie hat, oder?” wies ich sie indirekt darauf hin, dass sie so langsam zum Ende kommen sollte.
      “Ja, daran denke ich. Ich wollte nur noch den Sprung da ein letztes Mal wiederholen und dann bin ich auch fertig”, erklärte sie mir.
      “Nein Lina. Samu hat recht. Das reicht für heute. Du musst mich nicht weiter beeindrucken, ich sehe schon, dass ihr beide es darauf habt”, mischte sich nun auch Niklas ein.
      “Okay, okay. Hast du gehört Nathy, der Chef hat gesagt wir sind fertig. Hast du gut gemacht, Süße”, sagte sie zu ihrer Stute, ließ die Zügel länger und klopfte der Stute den Hals. Sofort schüttelte Nathalie den Kopf und schnaubte.
      “Ziemlich motiviert heute. Ist heute irgendwie gute Laune Tag?”, fragte ich schmunzelnd.
      “Möglich, vielleicht habe ich auch einfach gelernt, wie man Fotosynthese betreibt, so wie du”, antwortete sie verschmitzt.
      „So jetzt verratet mir aber mal bitte, was ihr da hinten getrieben habt“, kam Chris mit seinem Wallach neugierig an. Vriska ritt uns noch immer stillschweigend nach.
      “Genau das, was wir hier auch gerade tun. Wir haben eine Unterhaltung geführt”, beantwortete ich die Frage.
      “Na dann wird dich sicher nicht interessieren, dass gerade jemand für dich gekommen ist Vriska”, wand er lächelnd ein und zeigte nach drüben zum Zaun. Verwirrt schaute sie sich um, aber blieb mit ihrem Pferd bei uns. Auch mein Blick ging, in die Richtung in die Chris deutete. Tatsächlich stand dort ein junger Mann, den ich hier schon einmal gesehen hatte. Es war der Botschafter, der vor fast einer Woche hier gewesen war. Offensichtlich war das also der Besuch den Vriska noch erwartete.
      “Möchtest du deinen Besuch nicht begrüßen?”, fragte ich Vriska freundlich.
      “Ich weiß nicht, was ich sagen soll, also versuche ich es zufällig wirken zu lassen”, sagte sie unsicher.
      “Du solltest nicht so viel darüber nachdenken, dir wird schon das richtige einfallen”, versuchte ich ihr Zuspruch zu geben.
      “Letztes Mal wurde es schon komisch, deswegen verstecke ich mich noch zwischen euch”, duckte Vriska und drängte sich mit ihrem Pferd zwischen Lina und mich.
      “Du kannst dich gerne noch länger verstecken, aber ich glaube Erik ist klug genug, um zu wissen, dass Pferde keine 8 Beine haben, also wird dein Plan vermutlich nicht funktionieren. Aber wenn es dich beruhigt, wenn es wieder komisch werden sollte, schicke ich dir Samu als Rettung vorbei”, trug nun Lina zu dem Gespräch bei.
      “Nett, dass ich auch gefragt werde, aber wenn ich damit helfen kann, mach ich das gerne. Aber ich glaube, dass du das gar nicht nötig haben wirst, gerettet zu werden”, sagte ich zu ihr.
      “Aber ich sehe schrecklich aus und nach Pferd rieche ich auch, so geht das nicht”, antwortete Vriska noch nervöser und biss auf ihrer Unterlippe herum. Glymur schlug ebenfalls mit seinem Kopf.
      “Dieser Zustand lässt sich ändern. Das Problem liegt nur darin, dass du dann trotzdem vom Reitplatz runtermusst”, meldete sich Lina wieder zu Wort.

      Vriska
      Wieso war er schon hier und warum waren Lina und Samu so nett zu mir, obwohl ich mir nicht mal Mühe gab mein Verhalten zu bessern? Den beiden müsste ich dringend eins unserer Pferde überreichen – Friedensnobelpreis. Aber das ging gerade nicht. Meine Gedanken waren so wirr wie mein Verhalten, aber Chris holte mich zurück.
      „Wollen wir dann zu Stall?“, sagte er und stieg ab von Hammy. Ich nickte und stieg ebenfalls vom Pferd. Lina und Samu taten uns gleich. Im Gespann machten wir uns auf zum Tor und spürte wie meine Knie weicher wurden.
      „Wie lange wolltest du dich noch verstecken?“/, scherzte Erik und schmunzelte. Natürlich hatte er gemerkt, dass ich ihn sah. Doch, bevor ich etwas antworten konnte, half mir Chris und begrüßte ihn.
      „Lange nicht mehr gesehen, du hättest den Tag auch mal länger bleiben können“, sagte er zu ihm.
      „Jetzt bin doch da, außerdem musste ich noch woanders hin“, erklärte Erik und schaute immer wieder zu mir, als wir zum Stall liefen.
      „Dann können wir doch froh sein, dass ihr beiden einen Draht zueinander gefunden habt“, brachte Chris ein und unterhielt sich weiter mit ihm. Ich konnte in der Zeit tief durchatmen, aber schämte mich ein wenig dafür, noch kein Wort mit ihm gewechselt zu haben. Schließlich war er extra meinetwegen hergekommen. Lina, Samu und Chris liefen in den Stall und ich blieb bei Erik stehen, der abrupt vor dem Gebäude verharrte. Erwartungsvoll schaute er zu mir und mir steckte irgendwas im Halse fest. Kein Wort brachte ich heraus, stattdessen sah ich ihn nur an.
      “Und jetzt schweigen wir uns den ganzen Abend lang an, oder wie stellst du dir das vor?”, fragte Erik.
      “Gute Frage, aber ich freue mich das du da bist”, sagte ich schlussendlich und umarmte ihn fest. Ganz offensichtlich hatte er keinen Pferdeduft an sich, was ich änderte. Freundlich stupste mich Glymur am Rücken an, als ich Erik wieder loslassen wollte.
      “Ich schätze dein Pferd, weiß mehr als ich”, lachte er und trat einige Schritte zurück. Als hätte Glymur uns verstanden, wippte er mit seinem Kopf auf und ab.
      “Kommst du, oder willst du da ewig herumstehen?”, unterbrach und Chris. Er hatte recht und ich ließ Glymur einfach draußen stehen, um von der Box sein Halfter zu holen. Da draußen ebenfalls eine Anbindestange war, band ich ihn dort an. Im Stall war es mir persönlich sowieso zu voll. Erik blieb auf Abstand zu den Pferden und erzählte mir von seinem Arbeitstag. Interessiert, wenn auch unwissend, hörte ich ihm zu, während ich alles von Glymur nahm. In der Box füllte ich das Futter auf, als Chris mich von der Seite ansprach: “Und, wann heiratet ihr?” Perplex blickte ich ihn an und benötigte einen Augenblick, bis ich seine Worte verstand.
      “Wieso sollten wir das tun und vor allem was ginge es dich an?”, fragte ich ihn.
      “Ist doch klar, warum er das wissen möchte, er will zu Hochzeit eingeladen werden”, warf Lina ein, die mit den Gamaschen ihrer Stute in Richtung Sattelkammer unterwegs war.
      “Ich glaube eher, dass er der Trauzeuge sein möchte”, mischte sich nun auch Erik ein, der am Eingang des Stalles stand und lachte.
      “Awkward”, murmelte ich und sonst stillschweigend an allen vorbei, um Glymur ebenfalls die Gamaschen abzunehmen.
      “Das muss dir doch nicht peinlich sein”, versuchte er mich nun wieder zum Lachen zu bringen, doch ich schaute nicht mal zu ihm, sondern versuchte nur so schnell wie möglich mit meinem Pferd fertig zu werden.
      “Es muss dir wirklich nicht peinlich sein, ihr seht gut zusammen aus”, unterstützte Lina seine Aussage und lief mit einer Futterschüssel zurück zu ihrer Stute.
      “Na dann werden wenigstens die Bilder schön, reden muss man schließlich nicht miteinander”, rollte ich mit den Augen und stellte Glymur in die Box. Direkt scheuerte er sich und holte die Salbe, um ihn einzuschmieren.
      “Zumindest über Kinder müsst ihr euch keine Gedanken machen”, sagte Chris und ich schaute verwirrt zu Erik.
      “Chris, du musst immer Spoilern”, beschwerte er sich bei seinem Kumpel.


      © Mohikanerin, Wolfszeit | 98.887 Zeichen

    • Wolfszeit
      Besuch bei den Fohlen | 20. Juli 2021

      Anitgone| WHC’ Aphrodite| WHC’ Venice| WHC’ Delicous Donut| WHC’ Mimithe| WHC’ Minya| Mijou| Briair| Minnie Maus| WHC’Mitena| WHC’Candela

      Während Lina, Samu und Jace mit unseren Gästen zum Wasser runterritten, bat Luchy mich nach den Fohlen sehen zu gehen. Gerade auf Antigones Fohlen sollte ich achte, denn die kleine Aphrodite war vor vier Tagen erst geboren worden. Das Fellpony war ganz ihren Namen entsprechend schon jetzt eine wahre Schönheit. In ihrem hellbraunen Fell leuchteten helle unregelmäßige Flecken und schon jetzt ließ sich erahnen, dass sie vermutlich die Haarpracht ihres Vater geerbt hatte. Während Antigone entspannt mit den anderen Stuten graste, flitzte das Stutfohlen mit Venice um sie herum. Veni ist mit den Zwillingen zusammen das älteste Fohlen und für die drei würde es nun bald an die Entwöhnung gehen.
      Am anderen Ende der Koppel tollten Donut, Mimi und Mina. Mijou beknabberte sich mit Briair, während Minnie Maus ein Auge auf die kleinen hatte. Candela und Mitena verfolgten mich wie immer auf der Runde in der Hoffnung ein Leckerli abzubekommen
      © Wolfszeit | Hazel O'Connor | 940 Zeichen
      zeitliche Einordnung {August 2020}
    • Wolfszeit
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      Changes | 20. Oktober 2021
      Crystal Sky| Finest Selection| Injaki| Voilá| Fraena van Hulshóf| Fiama die Royal Peerage| WHC' Aphrodite| WHC' Delicious Donut|WHC'Minya| WHC' Mimithe|WHC'Venice| Nathalie|Minnie Maus| Mijou| Briar| Vakany| Antigone| Don Carlo

      Heute Morgen stand als Erstes die Kontrolle bei den Fohlen an. Noch war der Weg recht weit, da die Tiere noch auf der Sommerkoppel standen. Seitdem unser Besuch wieder abgereist war, war hier derselbe langweilige Alltag eingekehrt wie vorher, nur das einer fehlte, Lina. Die hatte sich nämlich, Hals über Kopf, in einen zugegebenermaßen ziemlich heißen Typen verknallt, der im wahrsten Sinne des Wortes ihr Leben auf den Kopf stellte. Einer der Gründe, weshalb Nathalie nun zu meinen Schützlingen zählte. Ich holte die Scheckstute aus der Box, aber nicht vorher von ihrer Boxennachbarin Sally, auf Leckerlis kontrolliert zu werden. Schnell putze ich die Stute, sodass ich eine Viertelstunde später im Sattel saß.
      Noch waren die Tage heiß und sonnig, doch schon bald würde hier der Herbst einziehen, schneller als mir lieb war. Auf dem Platz drehte bereits Samu mit Sky seine Runden. Freundlich nickte ich ihm zu und setzte meinen Weg durch die Koppeln fort. Fraena und Voilá folgten mir neugierig am Zaun, als ich an ihrer Wiese entlang ritt.
      Wie so häufig waren die beiden Zwillinge die Ersten, die an den Zaun kamen, gefolgt von Donut. Die Stuten hielten sich deutlich im Hintergrund, lediglich Briar und Mijou hoben kurz den Kopf bevor sie weiter grasten. Fiama, unser Neuzugang aus Italien, entdeckte ich zwischen Minnie Maus und Vakany, wie sie vorsichtig mit Venice Kontakt knüpfte.
      Antigone stand mit ihrem Fohlen ein wenig abseits. Die kleine Stute suchte hungrig nach dem Euter der Fellponystute und wurde schließlich auch fündig. Schmatzend begann sie zu saugen. Augenscheinlich war hier alles okay, also setzte ich meine Runde fort. Auf den Sandwegen etwas ab von den Koppel trabte ich Nathy an, ließ sie locker laufen. Man musste die letzten warmen Tage hier genießen, solang es noch ging. Meine Gedanken schweiften wieder zurück zu den vergangenen Wochen. Ich hatte zwar nur am Rande mitbekommen, was hier alles geschehen war, als die beiden Nationalteams zu Gast waren, doch feststand, dass sich dadurch auf dem Hof etwas verändert hatte.
      Seitdem kleinen Turnier bekamen wir regelmäßig Anfragen für unsere Verkaufspferde, die Anmeldungen für die Reitschule hatten sich verdoppelt und nicht zu vergessen, dass Team war geschrumpft und würde vermutlich auch um noch eine Person kleiner werden. Samu hatte augenscheinlich die Entscheidung seiner besten Freundin zum Anlass genommen, uns ebenfalls zu verlassen. Noch eine Person, die hier fehlen würde. Auch wenn es manchmal nicht so schien, waren wir hier doch so was wie eine kleine Familie und es stimmte mich ein wenig traurig, dass ein weiteres Mitglied fort von hier wollte. Aber es war den beiden nicht zu verdenken. Hier war wirklich nicht viel los und gerade Lina war stets ziemlich zurückgezogen gewesen, ließ nur wenig von ihrem bisherigen Leben durchblicken, aber wenn sie dann doch einmal von ihrer Heimat sprach, schwang immer ein Hauch von Sehnsucht mit.
      Ein klein wenig Neid verspürte ich schon, denn was auch immer sich dort zwischen Lina und diesem Mann ereignet hatte, wirkte wie die moderne Version eines Märchens, aber ich gönnte ihr ihren Traumprinzen. Denn was auch immer dieser Kerl mit ihr angestellt hatte, sie schien durch ihn richtig aufzublühen. Selten hatte ich sie so lebendig und erfüllt gesehen, wie als sie in seiner Begleitung auf die Tanzfläche trat.
      “Hey Hazel, fängst du jetzt auf einmal an auf deinem Pferd zu träumen”, riss mich Jayden aus meinen Gedanken, der mir mit Carlo entgegenkam. Mittlerweile war ich schon fast wieder am Hof angekommen, ohne es wirklich zu merken.
      “Nein, ganz und gar nicht” verteidigte ich mich.
      “Gut, dann hast du ja sicher gehört, dass dich der Chef in zwanzig Minuten auf dem Platz erwartet”, teilte mein Kollege mit und ritt mit seinem Hengst davon. Ich nickte Intuitiv, auch wenn er es schon gar nicht mehr sah.
      Im Stall beeilte ich mich die Hannoveraner Stute abzusatteln und beeilte mich um Injaki schnell fertig zu machen, denn der Chef möchte keine Verspätung.

      © Wolfszeit | Hazel O'Connor | 3.990 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende August 2020}
    • Wolfszeit
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      Feel it still | 12. Februar 2022
      Fiama di Royal Peragee | WHC’ Venice | Vakany| Mijou | Briair | WHC’ Delicious Donut | Minnie Maus | WHC’ Minya | WHC’ Mimithe | WHC’ Candela | WHC’ Mitena | Nurja | Lady Moon | HMJ Divine | Ready for Life | Vikar | WHC’ Poseidon | Herkules | Colour Spalsh | WHC’ Oceandis | Curly Lure | Songbird | LMR Fashin Girl | Black Lady | WHC’ Unsung Hero | Walking on Sunshine | WHC’ Shakoy | Miss Griselda Braun | British Gold | WHC’ Quatchi | Miss Leika| All Hope Is Gone| Flanell d’Egalité| Chessqueen| Sunny Empire| Baroness of the Gurad | LMR Ice Rain | Elvish Beauty | Saturn | Ursel - die Bärengöttin | Cremella | Amigo | PFS’ Artic Tiger | Acerado | Lifesaver | Elf Dancer | Little Buddy
      Wohlig wurde Jace von der Wärme des Hauses empfangen, als er eintrat. Eilig streifte er die nassen Schuhe von den Füßen und die Jacke warf er achtlos über einen Kleiderhaken. Er hatte etwas Herzerfrischendes auf der Fohlenkoppel entdeckt, was er Lina nun zeigen wollte. Wobei, wenn man ehrlich war, nur ein vorgeschobener Grund, denn es zog Jace ohnehin immer wieder zu der jungen Frau. Diese lag bisher noch dick eingekuschelt zwischen Kissen und Plüschtieren, noch tief im Reich der Träume. Ein gelöster Ausdruck zeichnete ihr zartes Gesicht. Wovon sie wohl träumen mochte? Dies hier könnte ein Märchen sein, wäre ihr schlaf doch tiefer. Statt von einem leidenschaftlichen Kuss wurde Lina durch ein sachtes Klopfen an ihrer Türe erweckt. Müde blinzelte die Brünette in das dämmrige Licht, welches durch die kleinen Schlitze zwischen den Lamellen der Rollläden hindurch fiel.
      “Geh weg! Du störst beim Schlafen”, rief Lina dem Störenfried entgegen und kuschelte sich tiefer in ihre Kissen. Sie versuchte nach den verblassenden Schlieren des Traumes zu greifen, doch es war, als würde eine immer dichter werdende Nebelwand das Unterbewusste verdrängen.
      Gut, dann ist sie immerhin wach, dachte sich Jace auf der anderen Seite der Tür und verschwendet nicht einen Gedanken daran Lina weiterschlafen zu lassen.
      “Nein, ich gehe nicht weg. Ich muss dir nämlich etwas zeigen”, verkündete er energetisch.
      Langsam bewegte sich die Klinke unter seinen kräftigen Fingern. Die Schneeflocken auf seinem Haar, die in der Wärme des Hauses langsam schmolzen und die leichte Röte auf Wangen und Nase, zeugten davon, dass er bereits draußen gewesen war.
      “Was genau kann denn so wichtig sein, dass du es mir sofort zeigen musst?”, murrte die junge Frau und zog sich die Decke über den Kopf. Sie sollte dringend anfangen, die Tür nachts abzuschließen, war es nicht das erste Mal, dass irgendwer ungebeten hereinkam. Tief sog sie die Luft in die Lungen. Es war ihr egal, was Jace wollte, denn sie wollte nur die Wärme ihres Bettes genießen und einen Moment länger an den Erinnerungen diesen zwei Wochen festhalten, die der Traum erneut weckte. Vor diesem Sommer hätte sie niemals geglaubt, dass sie jemandem wie ihm überhaupt auffiel. War er doch etwas wie der Traumprinz der Moderne. Wohlhabend, gut aussehend, beliebt. Und was war sie? Ein Niemand, das unscheinbare Mädchen vom Lande.
      Ihr ganzes Leben lang war sie von solchen Leuten ausgeschlossen, wie ein Objekt behandelt worden. Dem Verhalten nach, was Niklas zu Beginn an den Tag legte, war sie sich sicher gewesen, dass sie ihn niemals ausstehen können wird, doch noch bevor sie es begriff, war es bereits um ihr Herz geschehen. Bereits bevor es richtig begann, schien es aussichtslos, dennoch ließ sie es geschehen. Somit verschwand, mit dem Ende des Sommers, auch er, und mit ihm, ein Teil ihres Herzens. Sie blieb hier allein zurück, mit nicht viel mehr als verblassenden Erinnerungen und einem Pferd. Ein Pferd, welches jeden Morgen treuherzig auf das Mädchen warte. Divine, der Hengst, den sie mehr liebte als sich selbst, der sie jedoch jeden Tag an den Abschied erinnerte. Während die zierliche Gestalt noch mit ihren Gedanken kämpfte, trat der blonde Mann ein, sah nicht, was sie zu verbergen suchte. Viel mehr durchfloss ihn prickelnde Wärme, die sich in seinem Herzen zu einer sprudelnden Quelle konzentrierte.
      “Ich muss dir etwas Niedliches zeigen”, antwortete der blonde Mann und ließ sich neben ihr auf dem Bett nieder. Den Teil, dass es fast so niedlich war wie Lina, sprach er nicht aus, aber ein versonnenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Sanft zogen die kräftigen Hände die Decke vom Kopf des Mädchens, worauf hin ein widerwilliges Brummen ertönte.
      “Jace, es ist noch viel zu früh, lass mich schlafen!”, murmelte sie und boxte ihn halbherzig. Der junge Mann musste sich zusammenreißen, nicht loszulachen. Hielt er sie doch für überaus putzig, so ganz verschlafen. Das übergroße Shirt fiel locker um ihren zarten, kleinen Körper und einige der dunklen Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Dutt gelöst und fielen ihr in die Stirn.
      “Linchen, es ist schon halb zehn, da kann man auch mal aufstehen”, konterte Jace und hielt ihr sein Handy als Beweis vor die Nase. Jace kassierte sogleich einen Tritt, von seinem zeternden Gegenüber: „Du weißt, ich hasse das, wenn du mich so nennst und außerdem habe ich heute frei.” Die junge Frau wollte sich das Kissen über den Kopf ziehen, doch Jace schnappte es sich und warf es außerhalb ihrer Reichweite, auf die andere Betthälfte.
      “Langweilerin, wenn du immer so lange schläfst verpasst du alles.” Unbeirrt der geringen Begeisterung, die ihm entgegengebracht wurde, plapperte Jace weiter: “Ich habe Fia heute zum erst mal bei der Fellpflege gesehen. Ist das nicht toll?” Der Blonde zeigte ihr ein Video, wie die kleine Lustitanostute freundlich von Vakany’s Fohlen beknabbern wurde. Fiama, hatte als einziges Fohlen, welches bereits ohne Mutter in der Herde lief, einige Anschlussprobleme gehabt. Doch seit die Fohlen nach und nach entwöhnt wurden, fand auch die kleine Fuchsstute endlich den Anschluss.
      “Okay, das ist wirklich süß, aber wenn du mich nächste Mal für so eine Kleinigkeit weckst, an einem freien Tag, bring wenigstens Frühstück mit”, gähnte Lina und begann sich zu strecken. Jace würde wohl nicht aufgeben, bis sie endlich aufstand. Als sie ihre Arme und Schultern zu strecken begann, verrutschte ihr Shirt ein Stück und gab den Blick auf ihr Schlüsselbein frei, auf dem sich eine verblasste Narbe abzeichnete. Nur schwer konnte Jace seinen Blick von ihr lösen. Er verstand nicht, warum sie so einen geringen Selbstwert an den Tag legte, waren es doch gerade diese kleinen Makel, die sie in seinen Augen noch schöner wirken ließ.
      “So, und wo du jetzt wach bist”, sprach er schließlich und ging zurück zur Tür, ließ sich aber nicht nehmen, ihr die Decke im Gehen vollständig von den Knien zu ziehen, “möchtest du bestimmt mit mir die Fohlen umweiden. In 10 Minuten unten.” Lina protestierte lautstark gegen den Diebstahl ihres Federbettes und damit auch der letzten Wärme, doch ihr Kollege war bereits aus dem Raum verschwunden.
      Schicksalsergeben rollte sie sich aus dem Bett. Eigentlich war ihr bei den Temperaturen draußen, ihre kuschelige Decke lieber, aber es schien nicht so als hätten sie eine Wahl. Spätestens in zehn Minuten würde Jace den nächsten Angriff starten und sie glaubte nicht, dass es dann bei einer geklauten Decke bleiben würde. Zudem hatte Jace die Tür offen gelassen, wodurch ein kühler Luftzug in das Zimmer drang und sie zum Frösteln brachte.
      Zwölf Minuten später stand die junge Frau dick eingepackt in eine Daunenjacke und mit einem halben Müsliriegel in der Hand auf der Terrasse. Da weit und breit kein Jace zu sehen war, rief sie nach ihm: “Wo bist du denn, Jace?” Genervt verdreht sie die Augen, erst weckte er sie und dann ließ er sie ohne nennenswertes Frühstück in der Kälte warten.
      “Ich bin doch schon da”, drang eine Männerstimme hinter ihr aus dem Flur. Der Gesuchte stand in der Terrassentür und zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. Kurz darauf kam er aus dem Haus und schnappte sich den Rest des Müsliriegels aus Linas Hand.
      „Das war mein Frühstück”, empörte sich die Kleine, doch es war schon zu spät, von dem Riegel war bereits nicht mehr übrig als das Papier.
      „Wir tauschen lieber”, antwortete Jace kauend und stülpe ihr fürsorglich seine Handschuhe über die Finger. “Sonst frieren dein hübschen Fingerchen noch ab”, ergänzter er erklärend. Obwohl es erst Oktober war, war es schon klirrend kalt, -10 Grad um genau zu sein.
      „Das ist kein guter Tausch, ein Frühstück wär mir lieber“, beschwerte sich Lina erneut.
      „Ich verspreche dir, Frühstück bekommst du, wenn wir fertig sind. Ich werde es dir höchstpersönlich zubereiten“, beschwichtigte der große Blonde seiner Begleitung.
      Lustig tanzten die Schneeflocken durch die Luft und unter den Sohlen der Stiefel, knirschten die Eiskristalle als die beiden in Richtung Stall liefen.
      “Am besten nehmen wir erst die Zwillinge, Mijou plus Fohlen und Brair mit. Möchtest du lieber die beiden wilden oder die anderen drei?”, fragte er. Statt eine Antwort abzuwarten, drückte er Lina bereits die Halfter von Mina und Bri in die Hand. Irritiert blickte sie ihn an und frage: “Warum fragst du mich eigentlich, wenn du es dann doch selbst entscheidest?”
      „Na ja,” Jace blickte kritisch an ihr herunter und antwortete etwas spöttisch, “weil du aussiehst als würdest du gleich ein hübscher kleiner Eisklotz werden und du weißt, ja, gerade für Mimi benötigt man schon ein wenig Flexibilität.“ Ganz Unrecht hatte er nicht. Trotz der gefütterten Jacke, die sie trug, fror sie ein wenig und zog sich den voluminösen Schal ein etwasmehr ins Gesicht.
      „Du bist doch bescheuert”, zeterte die kleine Frau und stieß ihm gezielt zwischen die Rippen. Jace murmelte unverständlich, von wegen er würde noch wie verprügelt aussehen, wenn sie so weitermache, aber macht keinerlei Anstalten sich gegen ihre Attacken zu wehren.
      Hinter einem Busch zischte plötzlich ein Schneeball hervor, verfehlte nur knapp das Gesicht der kleinen Brünette und zerschellte an einem Baumstamm hinter ihr.
      “Ohh da bekommst du zurück, Jayden”, rief Jace, der den Ursprung des eisigen Geschosses bereits ausgemacht hatte und zielte auf seinen Kollegen, der hinter der Hausecke hervorlugte. Trotz der Kälte waren alle fröhlich und ausgelassen, doch als Lina sich beschwerte, dass sie den Schnee sogar schon unter dem Shirt hatte, fand der Spaß ein Ende. Sie war nun auch noch nass, nicht nur wie das Weiß um sie herum.. Aufopferungsvoll zog Jace seine Jacke aus und legte ihr diese mit den Worten: „Hier, kleine Eisprinzessin“, um die Schultern. Dankbar schlüpfte sie in die riesige Jacke, ignorierte seinen Kommentar allerdings vollkommen. Das, was für Jace eine normale Jacke war, wirkte an Lina wie ein seltsam geschnittener Mantel.
      Bereits von Weitem war zusehen wie Mimi und Donut sich gegenseitig um Mijou herum scheuchten. Dabei blieb die braune Stute ziemlich gelassen und suchte ein paar Grashalme unter dem Schnee. Es war erstaunlich, wie ruhig die traumatisierte Stute geworden war, seit sie das Fohlen hatte. Bevor der kleine Donut auf der Welt war, hatte Mina kaum ein anderes Pferd in die Nähe gelassen, geschweige denn, dass jemand oder etwa unter ihr durchlaufen durfte, wie Mimi es gerade tat. Auch der kleine Hengst, dem man die Verwandtschaft zu Flanell eindeutig nicht abschlagen konnte, versucht unter seiner Mama durchzulaufen, aber da er inzwischen gute fünfzehn Zentimeter größer war, als das Ponyfohlen, passte es nicht.
      “Schau nur, ich glaube, Candy versucht einen Schnee-Engel zu machen”, lenkte Lina amüsiert die Aufmerksamkeit auf die Scheckstute, die sich prustend im Schnee wälzte. Mitena, die nun angetrottet kam, hatte weiße Flocken in ihrem dunklen Fell kleben, der vermutlich von einer ähnlichen Aktion stammen musste.
      “Das kann ich auch“, schwang Jace große Worte und warf sich in den Schnee. Er begann Arme und Beine auf und ab zu bewegen, sodass unter ihm ein Schnee-Engel entstand. Lachend schüttelte Lina den Kopf über ihren Kollegen. Manchmal war sie sich nicht sicher, ob er älter als zwölf war, so wie er sich aufführte.
      “Na, hör schon auf mit dem Quatsch, so kommen die Pferde niemals auf eine neue Koppel.“ Lächelnd reichte die braunhaarige ihm eine Hand, um mir beim Aufstehen zu helfen. Doch statt aufzustehen, nutze er die Gelegenheit und zog sie zu sich runter. Lina landete geradewegs aus seinem muskulösen Oberkörper.
      Für Augenblick hielten beide inne. Jace sah unmittelbar ihre hübschen blauen Augen, umrahmt von lagen dunkeln Wimpern. Darin hatte sich eine Schneeflocke verfangen und funkelte mit ihren Augen um die Wette. Immer mehr von der prickelnden Wärme, pulsierte durch seine Adern, sodass er trotz fehlender Jacke nicht fror. Kurzzeitig erwiderte das Mädchen seinen Blick, bevor sie sich verlegen abwendete. Ganz tief in ihrem Inneren geriet etwas in Bewegung, doch es war noch zu früh, ihr Herz hing stattdessen an Niklas. Ein trübseliger Ausdruck trat in ihre Augen und sie rappelte sich wortlos auf. Jace schien das unausgesprochen zu erahnen, denn er schwieg ebenso. Die einzigen Geräusche um sie herum waren das Heulen des Windes und der knirschende Schnee. Lina gab sich alle Mühe, die Gedanken an Niklas beiseitezuschieben und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren.
      “Hei, Mina”, sprach sie zu der braunen Stute, als ich sie diese erreicht hatte, “Bereit für einen Umzug?” Natürlich antwortete die Stute nicht, sondern sah sie freundlich aus ihren braunen Augen an. Die Finnin hielt ihr das grüne Halfter hin. Misstrauisch schnupperte die daran, bevor sie wohlerzogen den Kopf senkte, damit die kleine Dame sie halftern konnte. Dies stellte sich, mit Jace viel zu großem Handschuhen an ihren Fingern, allerdings als ziemlich schwierig heraus. Unglaublich, wie umgänglich die Stute mittlerweile war.
      „Hier, die musst du auch mitnehmen.” Jace drückte seine Kollegin den Strick der Schimmelstute in die Hand. Auch die beiden Fohlen hatte der große Blonde bereits eingefangen, obwohl das bei dem kleinen Wirbelwind Mimithe gar nicht so einfach gewesen war. Die kleine Stute fand es nämlich viel lustiger vor ihm davonzulaufen.
      Lina ging mit den beiden Stuten voraus, immer mit dem kleinen Donut an Mijous Seite. Auf der neue Koppel angekommen machten sich alle fünf Pferde erst einmal daran, jeden Zentimeter zu erkunden. Während die Vierbeiner ihre neue Umgebung inspizierten, holten Jace und Lina auch noch die anderen Pferde.
      Nurja und Lady Moon, die zu Gesellschaft bei den Fohlen standen sowie die beiden Jungstuten, waren die letzten Pferde, die umzogen. Wie ein Schneepflug stiefelte Moony über die Koppel und rollte sogar einen kleinen Schneeball.
      “Ich glaube Jamie hat ein künstlerisch begabtes Pferd”, meinte Lina lachend zu Jace und zückte ihr Handy um ein Video zu machen.
      “Ja, schon …”

      Jace | Ein lautes Scheppern, welches den Tod der Tasse verkündete, riss mich aus meinem Dämmerzustand. Fluchend sprang ich auf und sammelte die Scherben von dem dunklen Parkett. Scheiße, das war meine Lieblingstasse gewesen. Nicht, dass die Tasse besonders hübsch gewesen wäre, nein eher das Gegenteil, sie war potthässlich, aber es passte viel hinein. Genau das, was ich benötigte, um morgens wach zu werden.
      Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt und glomm nur noch schwach. Müde ließ ich mich zurück auf das Sofa sinken, starrte durch das Glas des Wintergartens auf die Terrasse. In letzter Zeit schlief ich des Öfteren auf dem Sofa ein, wenn ich mich in meinen Gedanken verlor, aus denen sich unruhige Träume formten.
      Vor ein paar Stunden hatte ein leichter Schneefall eingesetzt, der zunehmend stärker wurde. Kräftiger Wind verwirbelte die dicken Schneeflocken und für einen kurzen Augenblick, glaubte ich die unverwechselbare Silhouette eines Pferdes darin zu erkennen. Das Tier, welches im Stall stand und jeden Tag sehnsüchtig auf Lina warten, doch lange würde er nicht mehr warten müssen. Denn der Tag seiner Abreise war bereits in zwei. Als Samu mitteilte, wann er und damit auch der Freiberger, den Hof verlassen würde, erlosch auch der letzte Funke Hoffnung, dass Lina zurückkehren würde. Auch, wenn ich ihr nur das Beste wünschte, hatte ich damit gerechnet oder viel mehr darauf gehofft, dass sie früher oder später doch noch herausfand, dass Niklas nur ein guter Schauspieler war. Doch alles, was ich von ihr nur, dass sie glücklich sei.. Es war nicht einfach sie loszulassen, aber allmählich merkte ich, wie es zu einer ernsthaften mentalen Belastung wurde, die immer schwerer zu bewältigen war. Nicht mal nachts schaffte ich es, abzuschalten, mein Hirn erschuf allerlei Szenarien, wie es nach dem Tag der Abreise dem schwedischen Team hätte verlaufen können, wenn sie hier geblieben wäre. Aber alle endeten damit, dass irgendwann der Punkt kam, an dem sie dem Mann nachtrauerte, der ihr mit Divine einen Kindheitstraum erfüllte und dass Lina unglücklich sei und sich quälte, war das Letzte, was ich wollte. Die Zeit war wohl gekommen, die Ereignisse anzunehmen, zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die man zwar im Herzen tragen konnte, die aber nicht in meinem Leben sein konnten.
      Unerwartet leuchtet der Bildschirm meines Handys auf dem kleinen Couchtisch auf, tauchte seine Umgebung in einen schwachen, weißlichen Schein. Ich griff nach dem Gerät und erblickte eine Benachrichtigung von Instagram. Ich staunte ein wenig, als ich sah, dass Lina etwas gepostet hatte, denn seit ihrem Umzug war es auf ihrem oder eher Ivys Account relativ still geworden. Es gab nur noch gelegentlich sporadische Updates über den weißen Hengst, logisch, wenn sie sich tausende Kilometer weit von ihm entfernt befand.
      Neugierig, was Lina wohl gepostet haben mochte, öffnete ich die App. Eine Story öffnete sich, darin zu sehen ein Rappe mit einer schmalen Blesse, der erst an einem Heuhaufen knabberte und schließlich neugierig mit der Nase immer näher an die Kamera kam, bis nur noch Nüster zu sehen waren. „Willkommen Zuhause, Ready for Life", stand in der Ecke geschrieben. Es folgte noch eine Boomerang in der die Stute, offenbar auf Kommando flehmte. Was mochte es wohl mit der Stute auf sich haben? Gehörte sie zu Lina? War es ein weiteres Geschenk ihres Freundes? Immerhin hatte sie die Pferde aus Schweden bisher nur sporadisch in Storys gezeigt, wenn sie ausreiten war oder ähnlich, aber nie eines explizit erwähnt. Ich sollte morgen bei Samu nachfragen, ob er mehr wusste über dieses Pferd. Da war sie wieder, die mich ständig beschäftigende Frage, was Lina machte dort drüben auf dem anderen Kontinent. Ich benötigte dringend eine Ablenkung.
      Aus einer Intuition hinaus fischte ich den Zettel aus meiner Handyhülle, der mir vor ein paar Wochen auf der Zuchtschau, wo ich den gescheckt Tinkerhengst Vikar, vorstelle zugesteckt wurde. In einer ordentlichen Handschrift war eine Zahlenfolge und ein Name darauf notiert worden. Die Art des Interesses des Urhebers wurde durch ein schwungvolles Herz neben dem Namen unterstrichen. Bisher hatte es mir widerstrebt, die Nummer zu verwenden. Es war nur ein schöner Abend gewesen, bedeutungslos, einzig dem Zwecke dienend, mich abzulenken. Jetzt wieder in näheren Kontakt mit den Mädchen zu treten, widersprächen den unausgesprochen Gesetzen eines One-Night-Stands, der Flüchtigkeit des Momentes. Doch, was war schon dabei, diese Regel zu missachten?
      Entschlossen tippte ich die Nummer in mein Handy, speichert diese ab und sofort erschien die Verknüpfung zu dem bekannten Messengerdienst mit dem grünen Symbol. Ein paar Sekunden zögerte ich noch, bevor ich darauf tippte und begann eine Nachricht zu tippen:
      “Hey, ich bin es Jace.” Ich kam mir ein wenig blöd vor nicht mehr zu schreiben, doch schon bei unserer ersten Begegnung hatte ich das Gefühl, dass sie genaustens wusste, wer ich bin, was auch wenig erstaunte. Die Turnierszene in der Region war klein, man kannte die aufstrebenden Sterne. Kaum war die Nachricht gesendet, erschienen die beiden Haken und wurden nach knapp 30 Sekunden bereits blau. Unerwartet. Ich rechnete nicht wirklich damit, dass sie so spät in der Nacht noch wach sei, aber was wusste ich schon. Immerhin ging mein Wissen über sie nicht weit über ihren Vornamen hinaus.
      „Hey“, ploppte die Nachricht auf, „schön von dir zu hören. Warum bist du so spät noch wach?“ Die Frage kam mir ein wenig Paradox vor, schließlich war sie selbst noch wach, aber dies war nicht relevant.
      „Nein, man könnte eher sagen schon wieder", tippe ich in das Nachrichtenfeld und sendete es ab. Kurz darauf fragte Aria nach dem Grund.
      „Es ist kompliziert", antwortete ich ihr, noch darüber nachdenkend, wie klug es sei, mich Aria anzuvertrauen. Immerhin war sie eine Fremde, zugegeben eine, die mir auf körperlicher Ebene bereist ziemlich nah gekommen war.
      „Geht es etwa um ein Mädchen?", unterbrach eine Nachricht von ihr meine Gedankengänge. War es so offensichtlich oder konnte sie etwa Gedanken lesen? Ich beantworte ihre Frage mit einer Bestätigung, bevor ich mich schließlich aufraffte, um mich doch mal in mein Bett zu begeben. Schlaf fand ich dort dennoch lange nicht, sondern schrieb noch einer ganze Weile mit Aria.

      Am nächsten Morgen erwachte ich, weil vermutlich Hazel lautstark durchs Haus trampelte. Unglaublich, wie ein so kleiner Mensch so viel Lärm verursachen konnte. Ächzend rollte ich zur Seite und fischte mein Smartphone vom Nachttisch. Acht Uhr zwanzig leuchte auf dem Sperrbildschirm auf. Fuck, in zehn Minuten war Teambesprechung. In aller Eile sprang ich aus dem Bett, griff wahllos nach einer Hose und einem Shirt und warf noch schnell die Kaffeemaschine an.
      Wenig später polterte ich mit dem Kaffeebecher in der Hand die Treppe hinunter und spurtet mich in den großen Seminarraum zu kommen. Wie nicht anders zu erwarten, waren alle anderen bereits da. Hazel grinste nur fröhlich, während Quinn sich nur schwer von ihrem Handy lösen konnte. Ihrem Gesichtsausdruck zufolge, schreib sie mit Raphael, einem meiner Teamkollegen, den sie neulich auf einem Turnier traf und der seitdem öfter hier auftauchte. Man musste ihm schon lassen, dass sein Hengst und er ziemlich gut waren, erst letzten Monat hatte er den Sieg bei der ersten Qualifikation für den Jumping Word Cup zu holen. Allerdings war es beinahe vorprogrammiert, mit Poseidon erfolgreich zu sein, schließlich hatte ich den Vater des Rappen selbst unter dem Sattel und wusste um sein Vermögen, mit Hindernissen umzugehen. In Kombination mit Colour Splash, die ebenso geschickt mit den Stangen war, konnte nur ein wahres Känguru dabei herauskommen. Poseidon zeigte schließlich bereits als Junghengst so viel Potenzial, dass Luchy diese Anpaarung wiederholte. Die kleine Oceandis, die dabei herauskam, war nach Schweden gezogen und konnte dort bereits ihre ersten kleinen Erfolge vorweisen.
      “Sehr gut, dann sind wir ja jetzt vollzählig”, begann meine Chefin die Besprechung einzuleiten, nachdem ich mich auf den freien Platz niedergelassen hatte. Sie eröffnete mit dem wöchentlichen Bericht der Reitschule. Hazel hatte die anfänglichen Schwierigkeiten in Linas System hereinzukommen mittlerweile überwunden. So weit lief alles gut, nur die kleine Haflingerstute Curly Lure hatte sich eine Unart angeeignet, weshalb Silvia sie die nächsten Wochen ein wenig in Beritt nehmen sollte. Auch die Shettyschule lief mittlerweile besser als jemals zuvor und mit der zunehmenden Routine war auch Songbird mittlerweile ein fester Teil der Ponytruppe.
      “Als Nächste wollen wir zu den Zuchtstuten kommen. Fashion Girl ist inklusive des kommenden Fohlens verkauft, die beiden werden mit Ladys Fohlen nach Deutschland gehen. Lady soll nach dem Absetzen antrainiert, schließlich antrainiert werden und dann in der Reitschule laufen.” Luchy erläuterte noch die weitere Zuchtplanung und welche Tiere deshalb, an- und abtrainiert werden mussten, darunter auch Chessqueen, Nessi und Empire. Sowie welche weiterhin die Freiheit auf den weitläufigen Weiden genießen durften und welche Jungpferde zu Training weggehen würden, wie Shakoy, der zum Beritt nach Deutschland gehen würde, auf den Hof, wo auch Fashion und die beiden Fohlen hinziehen würde.
      “Als Nächstes kommen wir zu dir Jace”, wand sie sich schließlich an mich, nachdem sie bereits den anderen einen Ausblick auf die kommende Saison gab, “Ich freue mich sehr, dass du mittlerweile erfolgreich unser Land vertrittst, gerade mit Herkules erzielst du gute Ergebnisse. Nun ist es so, dass eines der Jungpferde, Unsung Hero, um genau zu sein, demnächst aus dem Beritt aus Amerika wiederkommen wird. Eigentlich sollte er verkauft werden, hatte aufgrund seines Potenzials auch bereits Interessenten, allerdings würde ich ihn, Anbetracht deiner Ergebnisse gerne dir anvertrauen. Hero zeigt schon jetzt viel Potenzial, welches das von Sunny vermutlich noch übersteigen wird.” Einen Moment dachte ich darüber nach, welches der Jungpferde sie meinte, bis es mir einfiel. Hero, war ein Enkel der Stute, die ich aktuell im Team ritt. Als Fohlen allerdings, schien er weniger vielversprechend, denn er war tollpatschig und wusste seinen langen Beinen nicht so recht zu sortieren. Weil er deshalb öfter mal hinfiel oder auch im Zaun landete, handelte er sich den Spitznamen Unusing Hero ein.
      “Also stellst du mir Hero anstelle von Sunny zur Verfügung?”, versicherte mich, dass ich Luchys Angebot richtig verstanden hatte. Meine Chefin nickte bestätigend.
      “Okay, und wer übernimmt dann Sunny? Ich kann schließlich nicht alle Pferde trainieren”, brachte ich das einzig für mich sichtbare Problem hervor.
      “Sie ist ja nicht mehr sie aller jüngste, deshalb wird sie in Zukunft nicht mehr im großen Sport laufen, sondern als Lehrmeister in der Reitschule dienen”, führte meine Chefin ihre Pläne für die Stute aus.
      “Okay”, lächelte ich, “da bin ich gespannt, wie sich der kleine Tollpatsch im Beritt gemacht hat.” Von den Berittpferden, die außerhalb des Hofes untergebracht waren, bekamen wir immer nur wenig mit, sodass es wahrlich eine Überraschung sein würde, ob der kleine Tollpatsch sich tatsächlich so Positiv entwickelt hatte.
      “Du wirst erstaunst sein”, erwiderte Luchy, “Er kommt Ende November an.” Ich nickte und sie fuhr fort mit der Besprechung.
      Am Ende des Meetings zerstreuten sich alle und gingen wieder an ihre Arbeit. Ich für meinen Teil holte mir noch einen Kaffee, bevor ich in den Stall ging, um das erste Pferd zum Training fertig zu machen. Zahlreiche Fußstapfen führten von der Haustür zu den Ställen und Ausläufen, nur abseits der Wege war die weiße Decke noch unberührt. Ich folgte den Spuren zum Hauptstall, auf dessen gläsernen Dachfirst sich die Sonne spiegelte. Bereits vor dem Betreten der Stallgasse hörte ich Grisi, die mit den Hufen gegen ihre Boxenwand trat. Die freiheitsliebende Stute mochte es nicht sonderlich in der Box zustehen, doch aufgrund einer Verletzung durfte sie nicht auf die gefrorenen Weiden und Paddocks, weshalb sie sich aktuell mit der Box und tagsüber der Longierhalle abgeben musste. Ice Rain reckte ihren Kopf hinüber zu ihrer Boxennachbarin, um sie zu ärgern, worauf hin sie von der Schimmelstute an gequiescht wurde. Bei der Box von British angelangt streckte sich mir sogleich eine helle Nase entgegen, die interessiert an meinem Kaffeebecher herumnabbelte. In mich hinein grinsend schob ich ihren Kopf beiseite, denn die aufgeweckte Stute benötige im Gegensatz zu mir definitiv nicht noch einen Energiebooster. Ich nahm noch einen großen Schluck aus dem Becher, bevor ich ihn abstellte und nach dem petrolfarben Halfter griff.
      Brav folgte mir die Hannoveranerstute zum Putzplatz, auf dem Jayden gerade Miss Leika sattelte. Freundlich beschnupperte die Pearlstute ihre Artgenossin, bevor sie gehorsam einparkte. Unter der Decke kam ein annähernd sauberes Pferd zum Vorschein. Passend zum fertig gesattelten Pferd war dann auch mein Kaffee leer.
      “Na komm Gold, dann wollen wir mal ein wenig Dressurarbeit machen”, sprach ich zu der Stute und zupfte am Zügel, damit sie anlief. Leise knirschte der Schnee unter unseren Füßen. Vereinzelte Flocken tanzten vom Himmel, um sich lautlos auf der Mähne der Stute abzusetzen. In einiger Entfernung tollte der Dalmatiner durch den hohen Schnee und hätte er keine dunklen Flecken im Fell, wäre er vermutlich mit der Umgebung verschmolzen und nur noch als Schneewirbel auszumachen gewesen. Knarzend glitt das große Hallentor zu Seite und ließ uns in das verhältnismäßig warme innere des Gebäudes eintreten. Der helle, lockere Sand lag noch unberührt vor mir, als ich die helle Scheckstute darauf führte. Gerade als ich aufgessen war, vibrierte es in meiner Hosentasche. Während die Stute loslief, sah ich nach, wer etwas von mir forderte. Es war Aria, die mir einen freundlichen guten Morgen wünschte. Ich wünschte ihr ebenfalls einen und fragte sie schließlich, ob es einen Grund für ihr schreiben gäbe.
      “Ja und nein”, kam eine geheimnisvolle Antwort zurück. Einen Augenblick wartete ich, ob sie die Antwort noch erweiterte, bevor ich nachfragte. Das Pferd unter meinem Sattel lief genügsam seine Runden durch den Sand, schien sich nur wenig daran zu stören, dass ich abgelenkt war.
      “Erst wollte ich dir nur einen guten Morgen wünschen”, ploppte eine Nachricht aus, doch noch zeigte das Gerät an, dass sie tippte, “und dann dachte ich mir, ob du nicht Lust hättest etwas mit mir zu unternehmen, aber dann fiel mir ein, dass Papa gleich kommt. Irgendwas wegen eines Polo-Spiels im Club, glaub ich.” Polo, das passte in das Bild, welches ich von Aria hatte. Schon bei erstem Anblick war nicht zu übersehen, dass es ihr oder vermutlich eher ihren Eltern nicht an Geld mangelte.
      “Heute hätte ich ohnehin nicht gekonnt, aber wir können uns vielleicht am Wochenende treffen. Lass uns später noch mal schreiben. Ich muss jetzt erst einmal Gold bewegen”, antworte ich ihr, bevor ich das Gerät in den lautlosen Modus schaltete und es zurück in die Hosentasche verfrachtete. Sobald ich den Zügel sanft aufnahm, lief die Stute sogleich fleißiger und trat aktiv an die Hand heran. Dass sie mittlerweile nahezu mühelos in die korrekte Haltung zu bringen war, war das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Als British hier ankam, war sie kaum zu halten und rannte wie eine Giraffe mit weggedrückten Rücken durch die Gegend und kannte nichts außer dem Springparcours. Natürlich war sie auch noch immer kein Lampenaustreter, dafür fehlte ihr das Potenzial, aber für gesund erhaltende Gymnastizierung war es ausreichend. Mittlerweile war die Hannoveranerstute ausreichend aufgewärmt, sodass ich die nächsthöhere Gangart wählte. Angenehm federten die Schritte der Stute und mit jeder Runde wurde sie gelöster. Aus die Stute fokussiert bemerkte ich Quinn erst, als sie mit dem Fuchs bereit eingetreten war. Leichtfüßig setzte die junge Stute ihre Füße in den Sand und drehte aufmerksam die Ohren. Von dem schlaksigen Jungpferd, welches sie einmal gewesen war, war nicht mehr viel zu sehen, stattdessen kam die Hannovernerabstammung nun deutlich durch.

      Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel und brachte die Eiskristalle zum glitzern, als ich mit dem Hengst ins Freie trat. Dampfwolken stiegen von seinem dunklen Fell in den klaren Himmel empor, an den Stellen, wo es nicht mit einer Decke bedeckt war. Hope hatte mal wieder sein Bestes gegeben, den Hengst raushängen zu lassen, weil Jamie mit Ursel ebenfalls in der Halle gewesen war. Als dann auch noch Matt mit Saturn hereinkamen, drehten dem Kaltblut vollends die Sicherungen durch. Schon aus der Ferne sah ich, dass Hazel gerade mit der Ponytruppe auf einen Ausritt aufbrach, also hielt ich den Hengst aus sicherer Entfernung an und ließ sie mit Cremella, Amigo und den anderen Ponys passieren. Den kleinen Tiger hatte sie als Handpferd dabei und dem kleinen silbernen Hengst ging der Schnee, beinahe bis zu den Knien, weshalb er wie ein Storch hindurch starkste.
      Im Stall angekommen, sattelte ich meinen Tinkerhengst ab und ließ ihm unter dem roten Schein des Solarium trocknen. Währenddessen blickte ich auf mein Handy. Zwischen den Einheiten mit den Pferden hatte ich das Gespräch mit Aria fortgesetzt und hatten uns auf Samstag festgelegt, nur über den Ort mussten wir uns noch einigen.
      “Wie wäre es damit, wenn wir uns 87te Ecke 109te in dem kleinen Café treffen?”, schlug sie vor. Ich bestätigte ihr, dass es nach einer guten Idee klang. Hufgegeklapper erfüllte die Stallgasse und Jayden tauchte mit Acerado im Schlepptau auf.
      “Lohnt es sich Ace noch in die FüMa zu stellen oder bist du gleich fertig?”, fragte mein Kollege und deute mit einem Kopfnicken auf den Tinker der sich sogleich wieder aufbaute, in der Hoffnung den braunen Hannoveraner damit zu beeindrucken, besagtes Warmblut störte sich allerdings nur wenig an dem Rappen.
      “Ne, ein paar Minuten und dann ist Hope trocken”, entgegnet ich, “Wie läuft es mit Lifesaver, ist er immer noch so rebellisch?”
      “Rebellisch klingt noch viel zu niedlich”, lachte mein Kollege, “Ich glaub ehe der Kleine möchte sich fürs Rode bewerben. Ich habe selten ein Pferd so viel bocken sehen wie Life.” Acerado schubberte genüsslich den Kopf an dem metallenen Pfosten, nachdem Jayden ihn von der Trense entledigt hatte.
      “So gut wie du dich hältst, kannst du ja dann wie Hazel unter die Cowboys gehen”, feixte ich.
      “Danke, aber ich bleibe bei den Buschreitern”, sagte er noch, bevor er mit dem Sattelzeug in der Kammer verschwand. Just in dem Moment, als er zurückkehrte, erloschen die Glühbirnen der künstlichen Sonne. Kontrollierend fuhr ich mit den Fingern durch das dichte Fell und konnte so wie es zu erwarten war keine Feuchtigkeit mehr auf der Haut feststellen.
      “Du kannst dann Ace jetzt trocken”, wand ich mich an mein Gegenüber und hängte den Tinker ab. Noch während ich die Stallgasse verließ, vernahm ich das Surren der Anlage, das durch das Hochfahren entstand. Kaum hatte ich Hope auf die Koppel entlassen, warf er sich in den Schnee, um sich zu wälzen. Von der Nachbarkoppel hörte man schrillen Quietschen. Die Quelle des Lärms waren Dance und Buddy, die ausgelassen miteinander spielten. Während die Hengste ihre Pause nutzen, um sich auszutoben, warte auf mich nun ein warmes Mittagessen und einen Moment in der Wärme, um wieder aufzutauen.
      © Wolfszeit | Jace Sherwood | 33. 134 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang Oktober 2020}
    • Wolfszeit
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      Farewelll | 15. August 2022

      Saturn | Lifesaver | Elf Dancer | Little Buddy | Vakany | Elvish Beauty | Miss Leika | Lady Moony | British Gold | Miss Griselda Braun | LMR Ice Rain | Vikar | All Hope Is Gone | Mijou | Briair | Flanell d’Egalité | WHC’ Delicious Donut | WHC’ Mimithe | WHC’ Minya | WHC’ Venice | Amigo | PFS’ Artic Tiger | Songbird | Cremella | Minnie Maus | Curly Lure | Sunny Empire | Baroness Of the Guard | WHC’ Shakoy | WHC’ Solist

      “Morgen geht es in dein neues Zuhause”, flüsterte ich der Stute zu und strich über den immer dünner werden Pelz an ihrem Hals. Minnie würde als Kinderpony zu einer bekannten unserer Chefin ziehen. Die kleine Tochter, dieser schwärmte bereits seit Ewigkeiten von der Ponystute. Jetzt zu ihrem 10ten Geburtstag gaben ihre Eltern nach und wollte ihr den Wunsch erfüllen. In der Ferne tauchen die Jungpferdeweiden auf. Derzeit bestand die Herde aus vielen verschiedenfarbigen Tieren, nur die einjährige Lusitanostute stach mit ihrer feuerroten Farbe heraus. Die Koppel war heute allerdings nicht das Ziel. So bog ich an der nächsten Wegbiegung ab und folgte dem Weg auf die Hochebene. Zwischen dem kurzen Gras sprossen die ersten Blumen hervor und die Frühlingsbrise trug diverse Gerüche zu uns hinauf. Fleißig stapfte das Pony voran, bis wir nach einer ausgedehnten Runde durch die Einsamkeit, wieder an den Koppel angelangten. Erst bei Näherkommen, erblickte ich, weswegen die Junghengste sich am Zaun sammelten.
      “Na über was debattiert ihr hier?”, fragte ich die Gruppe bestehend aus Jace, Raphael und natürlich auch Quinn, die ihre Augen kaum von dem attraktiven Springreiter lassen konnte.
      “Über Jace auch so tolles Pferd. Aktuell sieht er, nicht ganz so nach Spitzenpferd aus”, lacht sie. Unrecht hatte sie damit nicht. Der Falbhengst schien gerade mitten in einem Wachstumsschub zu sein, wodurch seine Hinterhand einige Zentimeter höher stand.
      “Nur weil er gerade ein wenig überbaut ist, heißt das nicht, dass das nichts wird”, protestierte der Blonde pikiert, “Schau dir doch mal die schönen langen Beine an.”
      “Was sagte du nochmal, ist in seiner Abstammung, Cor de la Bryére?”, mischte sich nun auch der andere Mann ein. Jace nickte bestätigend.
      “In der Springszene sind die sehr verbreitet, aber für ein Dressurpferd, ich weiß ja nicht”, fachsimpelte er. Die Namen, mit denen die drei in ihrem Diskurs um sich warfen, sagten mir kaum etwas. Ich hatte schon länger das Interesse an englischen Reitsport und mit ebenso an den klassischen Rassen in diesem Bereich verloren. Für den Westernsport waren die meisten nämlich zu schwungvoll und mir ihren langen Rücken und Hälsen nicht wendig genug.
      “Na gut, dann lass ich euch mal weiterdiskutieren”, verabschiedete ich mich von der Truppe und kehrte mit Minnie zurück zu ihrem Auslauf, wo ich sie absattelte. Ein leztes mal mapfte die Stute ihr Müsli aus einer der bunten Schüsseln, die einst liebevoll verziert worden waren.
      “Auf Wiedersehen, Süße Maus”, verabschiedete ich mich von der Rappstute, bevor sie hinüber zu ihrem Heu trottete und sich zwischen Cremella und Curly zwängte. Songbird kam neugierig angetrottet und staubte noch ein Leckerli ab. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich ein wenig beeilen musste, wenn ich mich noch frisch machen wollte, bevor Lewis kam. Er hatte nicht verraten wollen, wohin es ging, umso gespannter war ich darauf, was sich mir eröffnen würde.
      © Wolfszeit | Hazel O'Connor | 2.939 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Februar 2021}
    • Wolfszeit
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      Get Lucky | 02. Oktober 2022

      Briair, Nathalie, HGT’s Be My Sunshine, el Alba Ardiente, Ronja, Okoto, Prinzessin Mononoke, Doo Wop, Injaki, Blue Heart, Injaki, HMJ Divine, Ready for Life

      „Warum so eilig heute?“, frage Quinn verwundet, als ich von meinem Pferd ab sprang, bevor es noch richtig stand.
      “Ich habe noch ein Termin”, strahlte ich und führte Briair in die Putzbucht.
      “Ein Termin oder ein Date?”, hinterfragte die Brünette neugierig, während sie den Stattelgurt der Scheckstute festzurrte.
      “Quinn, natürlich meint sie ein Date”, lachte Felix, der gerade mit My auf die Stallgasse trat, “Hazel redet seit drei Tagen von nichts anderem.”
      “Ja”, quietschte ich freudig und zog die Trense wohl ein wenig zu schwungvoll vom Kopf der Schimmelstute. Erschrocken schnellte ihre Ohren nach vorn und der Kopf in die Höhe.
      “Mit Lewis? Wo geht’s hin?”, war Quinn weiterhin ziemlich interessiert.
      “Genau”, schwärmte ich, “aber wohin weiß ich auch nicht so genau, irgendwas mit Pferden.” Gemein war der Kerl, bereits vor einigen Wochen hatte er gefragt, ob ich heute Zeit habe, aber so wirklich etwas verraten wollte er nicht. Einzig, dass es mit Pferden zu tun habe.
      „Dann wünsche ich dir viel Spaß mit deinem Cowboy“, lächelte Quinn und führte Nathalie die Stallgasse hinunter.
      „Werde ich haben“, grinste ich in mich hinein. Allein der Gedanke, den niedlichen Jungen, löste Herzklopfen aus, als sei ich wieder zwölf.
      „Erde an Hazel, man redet mit dir“, lachte Felix, dessen Hengst mittlerweile die Futterschüssel vor der Schnauze hatte.
      „Was?“, ein wenig verwirrt drehte ich mich zu ihm hin. Neben Felix stand unser Chef und blickte mich erwartungsvoll an.
      „Die jungen Leute immer mit dem Kopf woanders“, scherzte er, „Wie läuft es mit der Stute. Ist sie bereit für den Verkauf?“
      „Sie macht sich gut. Hier und da noch ein wenig hektisch, aber ich denke, in ein, zwei Wochen ist sie soweit“, gab ich meine Auskunft. Briair war nach dem Absetzen ihres Fohlens erst seit einigen Monaten wieder im Aufbautraining. Es war bereits das Zweite ihrer Fohlen, was nicht ganz so ausfiel wie erwünscht, weshalb sie abgegeben werden sollten.
      „Prima, setzt du dich dann die Woche an die Verkaufsanzeige und sieh bitte auch, ob wir vernünftige Fotos von der Stute haben. Ansonsten müssen wir das noch organisieren“, wies Colin an und verschwand ebenso schnell, wie er kam. Ich rollte mit den Augen. Anzeigen schreiben gehörte nicht gerade zu meinen Lieblingstätigkeiten, zudem wir bis vor einigen Monaten noch Menschen im Team gehabt hatten, die deutlich besser mit Worten umgehen konnten, als ich es tat. Ebenso war Lina immer diejenigen, die den perfekten Blick für die Winkel gehabt hatte, damit die Pferde nicht seltsam verzerrt auf den Fotos wirkten. Vielleicht bräuchten wir einen PR-Manager für den Hof für solche Aufgaben, zumal die Website wie auch die Social-Media-Kanäle des Hofes aufgrund von Zeit und Kenntnismangel nur sehr spärlich bespielt wurden.
      Effizient räumte ich die Schimmelstute auf und brachte sie auf die Koppel, von wo aus ich auf direktem Weg zu meiner Hütte lief. Auf dem Weg zum Badezimmer verteilte sich eine Spur aus Schuhen und Kleidung, die ich fallen ließ, wo ich ging. Lewis wollte bereits in knapp einer dreiviertel Stunde da sein, ganz schön knapp, um noch zu duschen. Ohne das Wasser großartig zu temperieren, begab ich mich unter das Nass. Eisig trafen die Tropfen auf meine Haut und brachten mich zum Zittern. Somit war ich recht schnell mit der Körperhygiene durch und schlang mir dankbar das weiche Frottee um den Körper. Der Stoff sog die Feuchtigkeit auf wie ein verdurstender.
      Kaum hatte ich mich mit Unterwäsche bekleidet und wollte mich der Trocknung meinem Haar widmen, bevor sie alles nass tropfen, klingelte es an der Tür. Seltsam, wer das wohl sein mochte?
      Ich wickelte mir ein Handtuch um den Körper und tapste durch die kleine Behausung. Überrascht blickte ich in ein bekanntes Gesicht, als ich die Haustür erreichte.
      „Oh, du bist ziemlich früh“, begrüßte ich meinen Gast verdutzt. Lewis stand mit einem Strauß wunderschön leuchtender Lilien vor der Tür. Er selbst hatte sich auch ziemlich schick gemacht. Das weiße Hemd unter der dunklen Jacke schmiegte sich ansehnlich an seine Körperkonturen, die ebenso von der vorteilhaft geschnittenen Hose aufgegriffen wurden.
      „Oh, tut mir leid“, murmelte er verlegen und wurde ein wenig Rot, als er meinen Aufzug sah.
      „Ach was, nicht schlimm“, lächelte ich ihn an, „Komm rein, hier drin warten ist gemütlicher als in der Kälte.“ Im selben Zug, wie ich von der Tür zurücktrat, lief ich in mein Schlafzimmer. Ein wenig ratlos stand ich vor dem Kleiderschrank, die einzig saubere Hose, die darin zu finden war, war eine dunkle Jeans, aber was sollte ich dazu tragen?
      „Lewis, sind wir viel draußen?“, rief ich durch die Hütte, obwohl er meine Worte problemlos durch den Türspalt hören sollte.
      „Ja, zieh dich warm an“, bekam ich sogleich eine Antwort. Somit griff ich nach dem obersten Pullover, ein weißer Kapuzenpullover und lief beladen mit der Kleidung zurück.
      „Mache es dir ruhig bequem, ich benötige noch einen Moment“, bot ich dem jungen Mann an. Ein wenig verloren stand er in meinem Wohnzimmer, den Blumenstrauß noch immer in der Hand. Ich legte den Kleiderstapel ab und lief zu ihm hinüber.
      „Hier, für dich“, sprach er und seine braunen Augen strahlten ein sanftes Lächeln aus.
      „Danke, das sind wirklich hübsche Blumen“, schmunzelte ich. Als ich den Strauß entgegennahm, berührten sich unsere Finger für einen Bruchteil einer Sekunde und jagten kleine, zuckende Stromstöße durch meine Nervenbahnen, die ein prickelndes Gefühl zurückließen. Lewis lächelte noch breiter und ich konnte seinen Blick auf mir spüren, als ich eine Vase aus dem Schrank suchte, um die Blumen hineinzustellen. Danach verschwand ich wieder im Badezimmer, um mich fertig zu machen.
      “So, wir können los”, trat ich zwanzig Minuten später in Wohnzimmer. Lewis sah mich mit großen Augen an, als stünde ein Alien vor ihm.
      “Habe ich etwas im Gesicht?”, fragte ich misstrauisch. Ich hatte doch nicht etwa mein Make-up verwischt, als ich mir den Pullover überstreifte?
      “Nein … du bist wunderschön”, mein gegenüber lächelte, was ihn noch viel attraktiver wirken ließ. Ich fühlte mich geschmeichelt und ließ ein charmantes Lächeln auf meinen Lippen erscheinen. Wenig später begaben wir uns zu seinem Auto. Es war kälter geworden und der Geruch von Schnee lag in der Luft. Vermutlich würde heute noch das Weiß vom Himmel segeln. Vereinzelte Flecken, des kristallinen Weiß lagen noch auf dem Gras, doch durch die ständig schwankenden Temperaturen, hielten sich nur an Stellen, wo die Sonne nicht hingelangte. Lewis fuhr die verschlungenen Bergstraßen hinab in die Ebene, wo unser Weg eine ganze Weile dem Lauf des La Biche River folgten, bevor wir nach Osten abbogen. Malboro, stand auf dem Ortsschild, als Lewis den Blinker setzte und vom Highway abfuhr. Eine schmale, von Bäumen gesäumte Straße führte uns zu einer Ranch. Green Rock, stand in großen Letter auf einem bereits ziemlich verwitterten Schild. Es musste dort schon ziemlich lange stehen.
      Ziemlich viel Auto parkten auf der Schotterflächen und ebenso viele Menschen wuselten umher.
      “Was ist das hier?”, fragte ich neugierig und versuchte ein Hinweisschild oder Ähnliches aus dem Fenster zu erspähen. Doch nichts, nur jemand, der ein Pferd vorbeiführte. Hell leuchteten die weißen Punkte im Fell des Pferdes. Die Hufe glänzten frisch gefettet und die kurze Mähne war in viele puschelige Zöpfchen abgeteilt.
      „Eine Zucht und Verkaufsveranstaltung. Ich dachte, du freust dich, ein paar mehr solcher Pferde zu sehen, wo ihr nicht so viele auf dem Hof habt“, erklärte meine Begleitung. Sofort trat ein Leuchten in meine Augen. Bis auf die beiden Criollos und Blue hatten wir keine klassischen Westernpferde mehr auf dem Hof. Alle waren sie verkauft worden. Sie passten nicht in das Zuchtkonzept, so blieben nur die Lieblinge meines Chefs auf dem Hof.
      „Na dann komm Hazel“, forderte mich der charmante junge Mann auf, das Fahrzeug zu verlassen. Dies brauchte er kein weiteres Mal tun, bereitwillig folgte ich ihm durch die Menschenmassen bis zu einem Reitplatz, um den lauter kleine Stände aufgebaut waren. Reiter führten auf dem hinteren Teil des Platzes ihre Pferde warm, während im vorderen Teil drei wichtig aussehende Herrschaften ein Pferd beschauten. Das kleine Pferd wies eine außergewöhnlich gestrichelte Scheckung auf, ähnlich wie Wop sie trug. Lewis folgte meinem Blick zu dem kompakten Tier. Kurz nahm er es in Augenschein.
      „Das ist ein Halbbruder zu meinem Alba“, erzählte er, „Ich bin mal gespannt, wie der sich machen wird, wenn er angeritten ist.“
      „Optisch ist er ja schon ein Hingucker“, lächelte ich. Nicht das Quarters nicht hübsch waren, aber die bunten Exemplare gefielen mir besonders gut. Mit Flecken und Punkten erweckte sie automatisch Aufmerksamkeit, noch bevor sie auch nur ein Ohr bewegt hatten.
      „Hey Lewis“, ein junger Mann, der einen Auftritt wie ein Rodeo Cowboy hinlegte, kam auf uns zugelaufen, „Wer ist denn deine hübsche Begleitung? Mit einem ganz deutlichen Interesse ließ er seinen Blick über mich gleiten, der einen Moment zu lange auf meinem Oberkörper hängen bleib.
      „Hazel, das ist Luke, einer meiner stärksten Konkurrenten “, stelle Lewis mir grinsend den Cowboy vor.
      „Bin schon gespannt, wann dein neuer Hengst an den Start geht, vielleicht könnt ihm mir dann endlich das Wasser reichen“, prahlt der dunkelhaarige.
      „Spuck mal nicht so große Töne, selbst Ronja hat deinen Okoto bei ihrem letzten Auftritt geschlagen“, lachte Lewis. Luke schien aus seiner Sicht keine ernst zu nehmende Konkurrenz darzustellen. Der dunkelhaarige prahlte noch ein wenig mit seinen Preisen, bevor er von einer streng aussehenden Dame gerufen wurde.
      „Was war das denn?“, lachte ich, nicht in der Erwartung, dass der junge Mann sofort sprang wie ein Dienstbote.
      „Seine Mama“, stimmte meine Begleitung in das Gelächter ein, „Luke ist eigentlich ziemlich korrekt, er hat nur eine Schwäche für hübsche Mädchen.“ Tief blickte er mir in die Augen, was mein Blut noch mehr in Wallungen brachte. Ich konnte spüren, dass es ihm ähnlich ging, doch keiner von uns wagte den nächsten Schritt. Stattdessen setzten wir uns in stummer Übereinkunft in Bewegung, vorbei an Ständen, von denen der Geruch nach Bratfett und Gewürzen aufstieg. Weitere Auslagen folgten, auf denen sich Pads, Halfter und weitere Artikel rund um das Pferd folgten. Die meisten Blankets hatte die üblich wilden Farbkombinationen und Muster, die man häufig sah. Zu häufig, wenn man mich fragte.
      „Das da ist hübsch“, deutete ich auf ein schlichtes Pad mit Lederbesatz, „mal was anderes als üblich.“ Ich strich über den Filz. Es war ein schönes dickes Pad, das sogar Widerrist Freiheit bot und erweckte ernsthaft mein Interesse. Mit Sicherheit lag es allerdings außerhalb des Budgets, was ich eingesteckt hatte. Es war schließlich nicht zu ahnen, dass Lewis mich zu einem Shopping Trip entführte. So ließ ich ab und zusammen schlenderten wir an den Angeboten vorbei, bis zu einem letzten Stand, wo der Verkäufer uns bereits erfreut angrinste.
      „Dieses Jahr ohne deine Schwester unterwegs?“, fragte der Mann freundlich.
      „Ja, Jill ist mit ihrem Fohlen bei der Eintragung“, erklärte meine Begleitung, „dafür habe ich Hazel heute mitgebracht.“ Als er die Worte aussprach, bedachte er mich mit einem charmanten Lächeln und da war es wieder, dieses Beben in meinem Inneren, als bewegten sich Kontinente darin. Verloren in diesem fantastischen Gefühl bekam ich das Gespräch nicht vollständig mit, erst als mein Name erneut fiel.
      „Magst du auch, Haze?“, drang die liebliche honigwarme Stimme an meine Ohren.
      „Was mag ich?“, fragte ich unsicher nach. Auf dem Stand vor uns befand sich nichts außer einem Zettel auf denen Namen und Personendaten notiert waren.
      „Lose für die Tombola“, antwortete er, „der Hauptpreis ist wirklich außergewöhnlich.
      „Ich nickte und wollte bereits mein Portemonnaie aus der Tasche wühlen, doch er bedeutet mir einer Geste, dass er zahle.
      „Noch fünf für die hübsche Lady“, nickte er dem Verkäufer zu und reichte ihm einen grünen Geldschein. Nach der raus Gabe des Wechselgeldes, reichte der ältere Herr uns die kleinen bunten Zettelchen, die Lewis sicher in seinem Geldfach verwahrte.
      „Und was ist nun der so außergewöhnlich Hauptpreis?„, fragte ich neugierig, als wir weiter flanierten. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass eine Verlosung, bei der die Tickets so günstig waren, so spektakulär sein konnten.
      „Zeige ich dir, komme mit“, sprach er ein Grinste auf den Lippen, als er meine Hand ergriff und mich zwischen zwei Stallgebäuden entlang führte. Dahinter waren auf einer Wiese einige provisorische Boxen mit Paddockpanels abgetrennt. Darin standen einige Pferde, die ich ungefähr zwischen ein und drei Jahren schätzte.
      “Hier finden wir den Hauptgewinn”, zog ich skeptisch die Augenbrauen zusammen.
      “Ja, sieh hier”, entgegnete Lewis und tippte auf ein Schild an einem der Panels. Hauptgewinn stand in großen Lettern, darunter einige Eckdaten. Naminda hieß die Stute, die optisch an einen Haflinger mit Leopardscheckung erinnerte. Ich schnalzte leise mit der Zunge, um die sie an den Zaun zu locken. Die Ohren der kleinen Stute schnellten nach vorn und neugierig trat sie ans Gitter.
      “Die ist ja niedlich”, lächelte ich und strich über die weiche Schnauze des jungen Pferdes. Mit einem lieblichen Lächeln sah der junge Mann mir zu und erzählte im gleichen Zuge davon, dass er mit seiner Schwester jedes Jahr versuchten, das Pferd zu gewinnen.
      “Hat es schon einmal geklappt?”, fragte ich interessiert.
      “Nein, in den gesamten zwanzig Jahren nicht”, erklang sein warmes Lachen. Unauffällig griff er nach meiner Hand und strich sanft mit seinem Daumen darüber, “Vielleicht hast du ja mehr Glück.” Hand in Hand schlenderten wir zurück zum Reitplatz, auf dem wir die Vorführungen beobachteten. Immer wieder erwischte ich mich dabei, zu ihm zu blicken und jeden seiner Gesichtszüge genauestens zu betrachten.
      In voller Geschwindigkeit jagte der junge Mann seinen Grullo über den Sand. Staub wirbelte auf, als er schwungvoll um die Tonnen schlitterte, die in einem Dreieck aufgestellt waren. Neben der entspannten Atmosphäre genoss ich Lewis Gegenwart in vollen Zügen. Das Lächeln war wie festgewachsen in meinem Gesicht und das Beben in meiner Brust nahm kein Ende. Beinahe kam es mir vor, als brodelt ein Vulkan in meinem Inneren, der sich blubbernd auf den Ausbruch vorbereitete.
      Es applaudierte, der junge Cowboy hatte mit 20.242 Sekunden keine schlechte Zeit hingelegt. Zufrieden lobte er sein Pferd, welches mit dicht angelegten Ohren an den Zuschauern vorschritt, um den Sand für den nächsten Akt zu räumen.
      „Möchte du etwas essen?“, fragte Lewis, als es in meinem Bauch leise gluckerte. Ich nickte. Bei all der Vorfreude hatte ich seit heute Morgen keinen Bissen mehr herunterkommen, doch nach dem anstrengenden Training mit Injaki und all der Energie, die in den inneren Vulkan floss, bettelte mein Körper nun nach Nahrung.
      „Pommes?“, wieder nickte ich und spezifizierte meine Bestellung noch ein wenig. Lewis erhob sich von der Bank und verschwand in Richtung der kleinen Buden.
      Ein junges Mädchen mit einem rundlichen weißen Shetty trat auf die Bildfläche. Die Mähne des Ponys war lang und wellig, als sei sie am Vortag nass eingeflochten worden. Einzig ein kleiner Zopf eine Handbreit hinter den Ohren war noch vorhanden und wippe lustig im Takt der kleinen Schritte. Ohne Führseil tippelte das Tier hinter dem Teenager her, machte auf ihren Fingerzeig allerhand Tricks. Lustig, irgendwie erinnerten die zwei mich an eine Mini-Version von Lina mit ihrem Freiberger. Was aus den beiden wohl mittlerweile geworden war?
      Interessiert kramte ich mein Handy aus der Jackentasche und tippe zielsicher auf das stilisierten Kamerasymbol. Die App lud sofort meinen Feed, indem mir sofort eine Story ins Auge sprang, die von Lewis. Unmittelbar tippte ich darauf. Unwillkürlich musste ich grinsen, vor mir eröffnete sich ein Bild von mir selbst, wie ich Naminda kraulte. Wie sehr ich mir in diesem Moment eine Likefunktion wünschte. Ich schloss die Story wieder und navigierte stattdessen zur Suchfunktion. Wie hieß es noch gleich, Linas … horseworld. Kein Ergebnis. Somit versuchte ich es über ihren Namen. Einige Ergebnisse tauchten auf mit mir unbekannten Profilnamen, doch eines der Profilbilder war ziemlich eindeutig, drauf zu sehen Lina mit zwei Pferden an ihrer Seite. Das linke war unzweifelhaft Divine, doch der Rappe kam mir unbekannt vor. Wie ich durch ihr Profil scrollte, sah ich einige Bilder und Videos, meistens von ihr mit Ivy, einige von dem Rappen und gelegentlich war auch ihr Freund oder die kleine Blonde mit auf den Bildern. Sofern ich das von diesem schnellen Blick beurteilen konnte, hatte der Helle sich prächtig entwickelt.
      “Wer ist das?”, fragte Lewis interessiert und blickte über meine Schulter. In der Hand hatte er zwei Schalen mit köstlich duftenden, gelb goldenen Pommes.
      “Eine ehemalige Arbeitskollegin”, erklärte ich und nahm meine Schale entgegen, “Sie hat mit ihrem Hengst immer ähnliches gemacht wie die beiden.”
      “Ehemalig, weswegen?”, hakte er nach und ließ sich wieder neben mir nieder.
      “Sie ist … ausgewandert”, überlegte ich. War es der richtige Begriff für jemanden, der nur temporär in diesem Land gelebt hatte? Neugierig geworden, wollte Lewis mehr wissen und so erzählte ich ihm vom Sommer und all den beinahe absurd erscheinenden Ereignissen, die dieser mit sich brachte. Nicht nur für meine Ex-Kollegin, sondern auch für mich hatte dieser weitreichenden Folgen, die noch immer nachwirkten. Unterbrochen wurde die Erzählung erst, als der Moderator nun die Auflösung der Verlosung ankündigte.
      “Dann wollen wir mal sehen”, lächelte der junge Mann zu meiner linken und drückte mir die Lose in die Hand. Aufgeregt blickte ich bei jeder Zahl, die der rundliche Mann mit dem Mikrofon aufrief, auf die bunten Zettelchen. Nichts. So setzte es sich vor und die Spannung wurde immer großer, je näher wir dem Hauptpreis rückten. Schließlich zog das Mädchen, welches die Glücksfee darstellte, das entscheiden Los aus dem Topf. Festhielt ich Lewis Hand mit meiner freien umklammert, während der Moderator die erste Ziffer verkündete. Eine Sechs, acht unsere Lose begannen damit. Eine Vier folgte, womit drei Lose ausschieden. Neun, wieder zwei Möglichkeiten weniger. Zwei. Damit hielt ich noch eine Chance zwischen meinen Finger, jetzt kam es ganz auf die letzte Zahl an. Schnell wie der Flügelschlag eines Kolibris schlug das Herz in meiner Brust.
      “Drei”, hallte es aus den Lautsprechern. Ich musste mehrfach blinzeln, bevor ich vollends realisierte, dass ich das Gewinnlos in Händen hielt.
      “Oh mein Gott”, hauchte ich atemlos und spürte, wie sich das Adrenalin explosionsartig in meinem Kreislauf ausbreitete. Unfähig einen klaren Gedanken zufassen starrte ich auf die Ziffern, unsicher was zu tun war.
      “Na los, hol dir dein Pony”, lächelte Lewis mich an. Reflexartig wollte ich lossprinten, als mir etwas in den Kopf schoss. War es nicht technisch gesehen Lewis Gewinn, schließlich hatte er die Lose bezahlt.
      “Wirklich?”, fragte ich unsicher, ob es sein Erst sei.
      “Ja”, lachte er und schob mich sanft in Richtung des Zaunes, unter dem ich auch sogleich durchschlüpfte. Zitternd hielt ich dem Mann den Zettel hin, der die Zahl noch einmal mit dem gezogene Los abglich.
      “Damit haben wir eine glückliche Gewinnerin, meine Herrschaften”, verkündete er, was erneut eine Welle von Adrenalin freisetzte, “Verrate uns doch deinen Namen.” Mit einem freundlichen Lächeln hielt er mir das Mikrofon hin.
      “Hazel”, brachte ich hervor, bemüht darum, keinen Buchstabensalat zu produzieren, “Hazel O’Connor.”
      “Okay, Hazel, dann überreiche ich dir hiermit dein Pferd, herzlich Glückwunsch”, sprach der Mann, schüttelte mir die Hand und die Dame neben ihm – die Züchterin, wie ich im Nachhinein erfuhr – überreichte mir den Führstrick. Ich musste mich zusammenreißen, dass mir nicht gleich die Tränen kamen. Auch wenn es Freudentränen waren, sähe das auf dem Foto sicher unschön aus, wenn man heulte. Überglücklich strahlte ich in die Kamera des Fotografen, der um uns herum wuselte, um das ganz ablichten.
      „Hazel, erzähl uns, wie fühlst du dich jetzt?“, fragte der Moderator, als die Übergabe abgeschlossen war.
      „Heute ist einer der schönsten Tage in meinem ganzen Leben und ich möchte Lewis denken, dass er mir das ermöglicht hat“, lächelte ich breit.
      „Ist Lewis auch heute hier?“, fragte er, woraufhin ich nickte.
      „Dann freut er sich sicher darüber, das miterleben zu können“, sprach der Mann, „Sag uns Hazel, hast du bereits mit Pferden zu tun, oder wird das hier deiner allererste Erfahrung sein?" strahlend blickte ich zu Lewis, der ähnlich erfreut am Zaun stand, den Blick fest auf mich gerichtet.
      „Nein, ich arbeite tagtäglich mit ihnen“, erklärte ich. Der Moderator stellte noch ein paar weitere Fragen über ich und das Whitehorse Creek, bevor er mich entließ.
      Mit meinem neuen Pony am Strick verließ ich den Platz, die Beine noch immer zitternd vor Aufregung. Kaum zu glauben, dass das wirklich passiert war, ich hatte ein Pferd gewonnen. Lewis empfing mich am Ausgang mit einem strahlenden Grinsen und beglückwünschte mich noch einmal herzlich zu dem Gewinn.
      “ Und wie funktioniert das Ganze nun?“, blickte ich den jungen Mann ein wenig hilflos an, doch gleich beantwortete sich die Frage von selbst. Die Frau vom Platz kam auf mich zu und stellte sich freundlich als Züchterin der Stute vor. Zunächst brachten wir Naminda zurück in das Paddock, wo Lewis sie mir zeigte. Während die Stute indessen entspannt ihr Heu mümmelte, erzählte ihre Züchterin einiges über sie und ihrer Abstammung. Naminda war drei Jahre alt und bis auf einige Grundkommandos vom Boden aus noch roh. Im Umgang zeigte sie sich meist neugierig und mutig, doch hatte wohl auch gelegentlich den Schalk im Nacken sitzen. Im Anschluss fragte sie mich darüber aus, wo ich die Stute unterstellen wollte und wie die Haltung dort war. Für mich stand natürlich fest, dass die junge Stute zu uns auf den Hof kam. In der Jungpferdeherde wäre sie sicher gut aufgehoben und hatte dort einige gleichaltrige Spielgefährten. Der Züchterin gefielen meine Erzählung, dennoch wollte sie sich das ganz einmal ansehen, bevor ich die kleine Stute zu mir holen durfte. Dafür hatte natürlich Verständnis, schließlich ging es hier nicht um einen normalen Verkauf, sondern um eine Verlosung. Dabei galt besondere Vorsicht, dass das Tier auch zu kompetenten Menschen kam.
      Nachdem alle notwendigen Absprachen getätigt waren, blieben wir nicht mehr lange, denn mit der immer tiefer sinkenden Sonne taten dies auch die Temperaturen. Zudem waren die schmalen, kurvigen Straßen um den Hof herum keine Strecke, die man im Dunkeln überwand. Die Sonne tauchte den Himmel bereits in ein kräftiges Orange, welches eine wunderschöne sanfte Lichtstimmung erzeugte. Ganz der Gentleman öffnete Lewis mir die Tür, damit ich aussteigen konnte.
      „Danke für diesen wunderschönen Tag“, lächelte ich glücklich, als ich aus dem Auto geklettert war. Seine braunen Augen wirkten in der untergehenden Sonne noch sanfter als sonst. Tief blickten wir einander in die Augen, was den Vulkan in meinem Inneren zum Brodeln brachte. Hitze wallte durch mein Inneres und mit ihr ein tiefes Verlangen.
      „sehr schön, dass es dir gefallen hat“, lächelte er sanft und strich mir dabei eine Strähne aus dem Gesicht. Seine Hand an meiner Wange befeuert weiter den Vulkan. Es fühlte sich an als knackte und knirschte es in meinem Inneren, als würde die Oberfläche, die zwischen der heißen Lava und der Außenwelt nachgeben.
      Getrieben von dem, was in mir wogte, presste ich meine Lippen auf seine. Diese zarte Begegnung, entfesselt die Naturgewalten in meinem Inneren, die mit ihrer Kraft alles andere verdrängte. In deinem Augenblick gab es nichts anderes als Lewis und mich. Seine Hände legten sich um meinen Nacken, zogen mich an sich. Die Welt um uns herum versank in einem Meer aus Verlangen. Ich schmeckte seinen Kuss, sah die Leidenschaft in seinen Augen und spürte, wie sich mein Innerstes zu einer glühend heißen Masse verformte. Er erwiderte den Kuss mit aller Kraft, bis unsere Lippen schließlich voneinander lösten. Wir atmeten schwer, unsere Augen glänzten.
      “Bye, Haze”, flüsterte er liebevoll in mein Ohr. Ich nickte wortlos, das Herz in meiner Brust schlug kräftig. Erneut berührten sich unsere Lippen, diesmal flüchtiger, als befürchte, er sich nicht mehr lösen zu können, wenn er sich hingab.
      “Versprich mir, dass du wiederkommst”, hauchte ich atemlos, noch immer im Rausch der Gefühle, die durch meinen Körper brodelten.
      “Natürlich”, lächelte er, den Blick voll mir Liebe auf mich gerichtet, “Ich muss dir schließlich noch ein Pferd vorbeibringen.” Mit diesen Worten löste er sich von mir und stieg in seinen Wagen. Ich sah ihm nach, wie er dem Sonnenuntergang entgegenrollte und vom Wald verschluckt wurde.
      Erst als ich mich umdrehte, bemerkte ich Jace, der mit breitem Grinsen in der Durchfahrt des Stalls stand.
      “Stalkst du immer andere beim Austausch von Liebesbeweisen”, lief ich lachend auf ihn zu.
      “Ich doch nicht”, entgegnete er verschmitzt, “Ich wollte euch Turteltäubchen nur nicht stören.”
      “Ja, ist klar”, lachte ich. Es störte mich nicht ernsthaft, sollte Jace ruhig wissen, dass ich heute den schönsten Tag meines Lebens hatte.
      “Hast du dann jetzt einen Freund?”, fragte Jace interessiert,”sah ziemlich heiß aus.”
      “Das haben wir noch nicht definiert”, antworte ich selbstsicher. Sollte er nur seine Witze machen. Immerhin musste ich meine Sexualpartner nicht wechseln wie meine Unterwäsche, um mein Ego unter Beweis zu stellen.
      “Was ist eigentlich mit dir und Abigail”, drehte ich das Blatt einfach um, “Man sieht sie ja ziemlich oft hier.”
      “Wir sind Freunde, nichts weiter”, entgegnete mein Kollege lässig. Beinahe zu lässig. Forschend blickte ich an ihm herunter, bis ich etwas entdeckte, was seine Lüge entlarvte.
      “Freunde, die einander Geschenke hinterlassen, verstehe”, grinste ich und drückte mit dem Zeigefinger auf den blauen Fleck, der aus dem Kragen seines Poloshirts hervorlugte. War das eine leichte Röte, die auf seine Wangen trat?
      Ich lachte und beschloss meinen Kollegen nicht weiter auszufragen. Man würde noch früh genug mitbekommen, was er mit Abigail am Laufen hatte.
      “Ach, ja, aber ein Pferd habe ich jetzt”, rief ich ihn noch zu und lief beschwingten Schrittes zu meiner Hütte. Dieser Tag, war einfach perfekt.
      © Wolfszeit | Hazel o'Connor | 26.347 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte November 2020}
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  • Album:
    Pferde im Ruhestand
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    Wolfszeit
    Datum:
    27 Nov. 2022
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    Note: EXIF data is stored on valid file types when a photo is uploaded. The photo may have been manipulated since upload (rotated, flipped, cropped etc).


  • B R I A I R


    Rufname: Bri
    geb. 01. Januar 2015


    von: Ramiro's Bube [Hannoveraner]
    von: Ramiro Z, aus: Pikdame
    von: Raimond , aus: Valine| von: Pik Bube I, aus: Juwel

    aus: Chipperdale [Österreichisches Warmblut]
    von: unbekannt, aus: unbekannt
    von: unbekannt, aus: unbekannt | von: unbekannt, aus: unbekannt

    ----- M e r k m a l e -----

    Geschlecht: Stute
    Rasse: Österreichisches Warmblut
    HANN [25%], HOL [50%], EVB [12,5%], AA [12,5%]
    Farbe: Grey with Bloodmark
    [Ee AA nG]
    Stockmaß: 170 cm

    Charakter & Beschreibung
    neugierig, verspielt, liebt Kinder, geduldig

    Briair ist eine neugierige junge Stute. Nicht nur ihre Fellfarbe ist ein Markenzeichen, sondern auch ihre außerordentliche Geduld. Die verspielte Stute liebt Kinder und mit weiterer Ausbildung wird sie sicherlich ein ausgezeichneter Lehrmeister. Briair ist sehr gelehrig und macht es einem verständlich ihr etwas beizubringe


    ----- T r a i n i n g -----

    Dressur E [L] – Springen E [A] – Military E [M] – Fahren E [A] – Western E [L] – Distanz E [A]

    Februar 2020
    2. Platz, 507. Rennen
    3. Platz, 428. Distanzturnier

    März 2020
    1. Platz, 421. Militarytunier
    3. Platz, 420. Militarytunier
    3. Platz, 508. Rennen

    April 2020
    2. Platz, 512. Rennen
    3. Platz, 453. Fahrturnier
    3. Platz, 452. Fahrtunier

    Mai 2020
    Western E zu A

    Januar 2021
    1. Platz, 537. Rennen

    Februar 2021
    1. Platz, 469. Militraytunier

    März 2021
    1. Platz, 469. Distanzturnier
    3. Platz, 474. Militarytunier
    3. Platz, 488. Fahrturnier


    ----- Z u c h t-----


    Zugelassen für: CSH, HANN, CWB

    SK 474
    Exterieur: 6,77
    Gesamt: 6,92


    ----- N a c h k o m m e n -----

    Briair hat 3 Nachkommen.

    • 2020 WHC' Ritter der Rose (von: Acerado)
    • 2021 WHC' Levin (von: Steinway HMK)
    • 2022 WHC' Lil' Briair (von: Little Buddy)


    ----- I n f o r m a t i o n -----

    Eigentümer: Luchy Montrose [100%]
    Züchter: -
    VKR: Cooper

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    Briair © Cooper (Halfter © Mohi), Mijou © Canyon (Halfter © Maleen), Donut © Wolfszeit & Canyon, Bewegungen © Wolfszeit
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    Briair © Cooper (Halfter © Mohi), Bewegungen © Wolfszeit
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    Briair © Cooper (Trense © Mohi), Bewegungen © Wolfszeit