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Mohikanerin

Astronaut in the Ocean LDS [2]

Zeit: ‎14.02.‎2022 - 03.03.2023 // Grund: Verkauf ins Ausland

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Astronaut in the Ocean LDS [2]
Mohikanerin, 3 März 2023
    • Mohikanerin
      Rennen E zu A | 20. Februar 2022

      Astronaut in the Ocean LDS // WHC’ Golden Duskk // Planetenfrost LDS // Moonwalker LDS // Sturmglokke LDS // Friedensstifter

      Vier Wochen, sechs Pferde und neun Rennen – mit roten Kreuzen hatte ich jede einzelne Veranstaltung angekreuzt auf dem großen Kalender im Büro. Dafür stand Astros Qualifikationsrennen ganz oben auf der Liste. Nur Dustin war für zwei hoch dotierte Rennen angesetzt, was seine Trainingsphasen bis dahin von den anderen Tieren unterschied. Seine sechs Jahre sprachen für sich, machten ihn zu einem erfahrenen Pferd, das Rennen und vor allem Einheiten kannte. Die vierjährigen hingegen lernten noch, besonders Astro mit seinen drei Jahren hatte noch einiges zu begreifen. In Zusammenarbeit mit dem Rennstall in Kalmar, kamen junge Fahrer zu uns auf den Hof, um stetig verschiedene Pferde-Typen kennenzulernen. Alle Rennpferde hatte am Vormittag ein leichtes Konditionstraining in der Führanlage genossen. Hoffnung lag besonders in Moonwalker, der eine erstaunliche Zeit bei seinem Qualifikationsrennen hingelegt hatte und am Wochenende genannt war für Amateure. Die anderen liefen mit Handicap, Plano in einer Außenposition, während Sturmi und Fried innen liefen, alle auf kurzer Distanz.
      Jede Woche kam unsere Tierärztin, um die Gesundheitswerte der Tiere zu dokumentieren und Leistungsstände zu kontrollieren. Fried, die noch nicht lange im Training stand, zeigte keine Verbesserung, stattdessen waren ihre Werte schlechter im Vergleich zur vorherigen Woche. Die Kondition sollte bei ihr bis zum Rennen auf dem Plan stehen, drei Tage vor den Rennen ein einziges Tempotraining und am Renntag. Die anderen Tiere behielten ihren Plan bei, zweimal Tempo in der Woche und zwei mal zwei Langstrecken. Es bewahrheitete sich. Bereits nach einer Woche war die helle Stute besser auf dem Laufband.
      “Welche Platzierung wird sie erreichen?”, fragte mich Harlen, der diese Frage mittlerweile aus Gewohnheit stellte. Ihm überkam nicht das Interesse, was seine Schwester zeigte, aber abgeneigt war er zum Rennsport nicht, im Gegenteil, er spielte sogar mit dem Gedanken ein eigenes Tier zu erwerben und es mit unserer Hilfe in den Sport zu bringen.
      “Dritter vielleicht”, schätzte ich und sah mir noch einmal die Starterliste an, “Dritter, mit viel Glück. Der Hengst vom letzten Mal läuft wieder mit, der sogar aus der äußersten Position alle überholte in der zweiten Kurve.” Er kam dazu, beugte sich über meine Schulter hinweg, um den Plan auf dem Schreibtisch überblicken zu können.
      “Was ist mit dem da?”, fragte Harlen interessiert. Er meinte einen Fuchshengst, der oft in Konkurrenz mit Dustin lief, mit einer starken Quote und einer rekordverdächtigen Zeit. Aber das Architekkt(en) Kind machte sich gut, nach dem Eintragungsproblem mit ihm. Der schwedische Trabsport stand dem Vollblutanteil kritisch gegenüber, aber zeigte sich bezüglich der Entwicklung des Pferdes offen gegenüber. Das Exterieur entsprach den geringen Anforderungen, umso erstaunlicher waren seine Trainingswerte, zu denen uns sogar der Präsident des Zuchtverbandes beglückwünschte, damit stand seiner Karriere nichts im Weg.
      „Den wird er schlagen, davon bin ich überzeugt“, sagte sie ich ihm und legte die Pässe zurecht, damit den Rennen nichts weiter im Weg stand.

      © Mohikanerin // Tyrell Earle // 3128 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Oktober 2020}
    • Mohikanerin
      Dressur E zu A | 06. Mai 2022

      Planetenfrost LDS / Astronaut in the Ocean LDS / WHC‘ Golden Duskk / Harlem Shaker LDS / Raleigh / Ruvik / Úlrik

      An einem kühlen Herbsttag hatte ich Plano und Astronaut bereits in der Führanlage, während Raleigh von seiner Besitzerin in der Halle geritten wurde und Bruce Úlrik bewegte. Bevor die Traber an der Reihe waren, stand Ruvik auf der To-do. Mit ihm war bis heute nicht gut Kirschen essen, aber er akzeptierte meine Anwesenheit und an guten Tagen arbeitete er sogar mit. Ich hoffte, dass auch heute so einer war. Allein stand in seiner Paddockbox und zupfte am Heu in der Raufe. Mich hatte er schon früh bemerkt. Die Begrüßung startete mit angelegten Ohren und unfreundlichem Raunen aus den Nüstern, wie weit aufgebläht in meine Richtung prusteten.
      „Alles gut, wir wollen nur in die Halle“, versuchte ihm die Arbeit schmackhaft zu machen, doch der Hengst blieb in seiner Haltung mit gegenüber unverändert. Glücklicherweise wusste ich, worauf ich mich eingelassen habe und verharrte in meiner Position, bis Ruvik entschloss, auf mich zuzulaufen. Sofort bekam er ein Leckerli und akzeptierte das Halfter. Unsere nächste Herausforderung kam erst in der Halle. Ruvik mochte andere Pferde nicht, was er durch lautstarkes Wiehern und Quietschen untermalte. Eve nahm mit Raleigh Abstand und Bruce stieg ohnehin gerade von dem Isländer Hengst ab.
      „Wie war's?“, erkundigte ich mich, ohne dem Schecken neben mir besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Mein Bruder erzählte mir von den Fortschritten des Pferdes. Úlrik hatte er vor längerer Zeit aus Island importiert und bemerkte, dass dieser nicht ansatzweise das zeigte, was versprochen wurde. Daher begann er, mit ihm die Grundlagen zu wiederholen. Damit hatte Bruce den Hengst innerhalb kurzer Zeit auf einem sicheren Anfängerniveau in der Dressur, als Vorbereitung auf die Gangprüfungen.
      „Und du versuchst was genau mit dem?“, dabei zeigte Bruce auf Ruvik, der noch immer neben mir prustete.
      „Mal sehen. Geplant war Doppellonge, damit er hoffentlich dieses Jahr zur Körung kann, aber ich sehe schwarz“, erklärte ich mit abfälligem Blick zu dem Chaoten.
      Als Eve fertig wurde, setzte sich der Hengst endlich in Bewegung. Er schielte noch immer dem Kaltblut nach, aber kam Runde für Runde besser an die Doppellonge heran. Wir übten das Grundsätzliche, angefangen mit klaren Übergängen und Biegungen. Er kannte das alles, aber hatte es viele Jahre als Zwang empfunden, seitdem wir ihn aus einem tschechischen Zirkus übernahmen. Bis heute ist Ruvik Tag tägliche eine Herausforderung, ein Pferd, das sein Dasein bei uns Fristet und meistens nicht gearbeitet wird. Für die Körung jedoch war es notwendig, denn es gab Anfragen ohne Ende.
      Nach zwanzig Minuten beendete ich die Einheit, auch, weil noch die beiden Rennpferde auf dem Plan standen zum Reiten. Auch mit ihnen ritt ich in der Halle, achtete genau auf die Schritte durch den Sand. Besonders feurig war Dustin, der nicht ohne Grund im nächsten Jahr in Frankreich rennen sollte. Plano sollte weiterhin in Schweden bleiben und hier Siege holen. Mit dem ausgeglichenen Training zwischen Dressur und Rennen stand dem auch nichts im Wege. Die Hengste lernten schnell, konnten durch die Gymnastizierung auf allen Ebenen eine bessere Koordination entwickeln und damit Glänzen. Auch Shaker, unser Zuchthengst aus Vintage, setzte sich als Reitpferd immer mehr durch, obwohl seine Zucht-Rennen-Zeit deutlich unter dem Durchschnitt war.

      © Mohikanerin // Tyrell Earle // 3322 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Oktober 2020}
    • Mohikanerin
      Tempofahren / Rennen A zu L | 19. Juni 2022

      Astronaut in the Ocean (Rennen A zu L) / Sturmglokke LDS (Rennen A zu L) / May Bee Happy (Dressur M zu S)

      „Warst du mit Astro schon draußen?“, rief ich in die Gemeinschaftsküche, als ich aus dem Büro kam. Papa saß dort über einer Zeitung und traf den morgendlichen Kaffee. Es war erst kurz vor sieben Uhr, kaum einer wuselte über den Hof.
      „Nein, kannst du gern machen“, antwortete dieser hörbar abwesend, „hat Vriska gefüttert?“
      „Ich habe nicht nachgeschaut, aber ich denke ja“, gab ich zu. Er nimmt vorsichtig an der dampfenden Tasse.
      „Dann schau bitte“, mahnte Papa.
      Ich stimmte zu und zischte die Treppe hinunter. Zunächst lief ich die Außengasse entlang, in der sich das Heu staute. Die Hengste fraßen entspannt, während einige Wallache spielten.
      Zur Abwechslung kam heute die Sonne zwischen den dicken Wolken hindurch und beinah tanzend trampelte ich durch den Stall. Interessiert streckten einige Pferde ihren Kopf heraus, nur Astro zeigte sich wenig engagiert für das Training. Er spitzte zwar die Ohren, als ich in Box hineintrat, aber konnte sich nicht vom Heu in der Raufe lösen. Ich legte meine Hand um seinen Kopf und drehte ihn davon weg, um, mit dem nächsten Griff, das Halfter über die Ohren zu ziehen. Gelangweilt folgte er mir heraus, während Dustin ihm nachblickte. Sturmi, der danach an der Reihe war, wieherte dem hellen Hengst nach, als dieser in der Putzbucht verschwand. Ansonsten war es ruhig im Stall, keine Einsteller und auch keins der Mädels wuselte an mir vorbei, einzig Dog kam von seinem Platz in der Stallgasse zu mir angelaufen.
      „Na, bist du auch wach“, tätschelte seinen Hals, bevor ich Astronaut putzte. Schon nach dem ersten Striegelstrich verteilten sich an meiner dunklen Fleecejacke überall helle Härchen des Hengstes, die durch Abklopfen, sich nicht mehr lösen wollten. Kaum hatte ich das Pferd sauber, gab es keinen Unterschied mehr zwischen uns beiden. In der Sattelkammer holte ich sein Gurt und zog mir eine andere Jacke an, die mit ihrer glatten Oberfläche nicht nur leichter zu reinigen war, sondern auch weniger anfällig für Pferdehaare.
      „Guten Morgen“, grinste mich Vriska an, die gerade Happy durch die Gasse führte. Der Fuchs hielt bereits nach wenigen Metern an, als er seine Stute aus den Augen verlor. Doch die kleine Blonde trieb ihn mit ruhiger Stimme weiter.
      „Du bist aber schon früh auf den Beinen. Alles gut?“, lachte ich.
      „Das übliche“, erwiderte sie, ohne den Blick von ihrem Pferd zu lösen, der es beinah perfektioniert hatte, einzuparken.
      „Kommst du jetzt öfter zu mir ins Zimmer?“, auf meinen Lippen formte sich ein spitzes Lächeln. Seit Tagen schlief sie auf der Couch und hatte von selbst gestern entschieden, sich zu mir zu legen. Zwischen uns schwebte eine seltsame Energie, einerseits zogen wir einander an, aber wenn Funken flogen, stoppte einer. Meistens legte sie die Bremse ein.
      „Reicht dir Marlene nicht?“, fragte sie distanziert.
      „Wieso eine, wenn ich zwei haben könnte?“, piesackte ich weiter.
      „Lars, es reicht. Du hast selbst gesagt, dass du nicht mit Arbeitskolleginnen intim werden willst“, zischte Vriska, dann drehte sie ihren Hengst. Folgsam lief er nach und stellte sofort die Ohren auf, als Hending ans Gitter trat.
      Tatsächlich hatte sie recht. Ich hatte aus weiser Voraussicht einmal entschieden, Arbeitskollegen als diese anzusehen, aber mit ihr war es anderes. Vriska konnte distanziert sein, beinah ignorant, aber gleichzeitig professionell. Ebenso gab sie sich fürsorglich und einfühlsam, wenn man allein war, vermittelte mir das Gefühl, gebraucht zu werden. So schmerzte es, dass sie mich abwies und vermeintliche Gefühle für jemand anderes hegte, den ich nicht leiden konnte. Zudem bildete sich ein Bild, dass nicht der Realität entsprach. Vriska weinte manchmal und schloss sich im Bad ein, schmerzlich mit anzusehen, dass sie ihr Geheimnis zu hüten versuchte. So auch an diesem Morgen, nur dass die Ausgangslage eine andere war. Es sollte mich nichts angehen, ich wollte sie nicht bevormunden, aber in mir brodelte es.
      Astronaut spürte meine Zweifel und stupste mir mehrmals von Seite an, als würde er mich erinnern wollen, was auf dem Plan stand. Ich legte ihm die Trense um und setzte mein Helm auf. Dann spannte ich den Sulky an den Gurt und führte ihn durch das kleine Tor heraus, denn Vriska diskutierte im Gang mit ihrem Fuchs. Kaum bogen wir zum Hauptweg ab, sprang ich in den Sitz und lenkte Astro zur Trainingsbahn. Seine Ausdauer hatte sich in den Wochen verbessert, deshalb erhielt er das erste Tempofahren dieser Woche. Eine Weile fuhren wir im Schritt und trabten schließlich an. Die Einheit durchzog sich mit zwei Phasen, einer kurzen im langsamen Tempo und eine lange in hoher Geschwindigkeit. Danach gab es eine Pause im Schritt, bevor ich wieder zulegte. Der Hengst hielt seine Balance und konnte ohne einen Galoppsprung durch den Sand ziehen.
      Im Training vergaß ich meine Zweifel, die erst auf dem Rückweg in den Vordergrund rückten. Erschöpft stolperte der Hengst durch den Sand und ich versuchte mich zu sammeln. Jederzeit gab ich mich ihr hin, selbst, als ich von meinem Date zu später Stunde die Hütte betrat. Sie warf sich mir plötzlich an den Hals, voller Lust und lüsternen Augen. Im Bett weinte Vriska dann und Stunden vergingen, bevor sie sich beruhigt hatte. Es war Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen und als Freund für sie dazu sein, nicht als temporärer Liebhaber.
      Seufzend stieg ich ab und im Handumdrehen konnte der helle Hengst wieder in seine Box, um auch seine erste Ration Hafer des Tages zu genießen. Aus der Reitbahn ertönte ein rhythmisches Brummen, das sich später als Geräusch des Fuchs im Trab herausstellte. Vriska ritt das störrische Tier leichtfertig durch den Sand, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ganz anderes erstrahlte sie auf ihm, wenn ich an die unbeholfenen Stunden mit Osvo zurückdachte. Ihr Blick wich von der Schulter zu den Ohren, als würde sie versuchen etwas zu finden, dass nicht da war. Happy störte das alles nicht. Er trabte genau am Schenkel auf dem Zirkel, bis die Hilfe wechselte, um die Richtung zu ändern. Darauf folgte der Galopp, ebenso leichtfüßig und gefedert wie der Trab. Noch immer konnte ich es nicht wahrhaben, dass dieser Fuchs, der Teufel in Person sein sollte. Selbst in den anspruchsvollen Seitengängen trat er sicher durch und locker im Genick, dass Vriska kaum Einwirkung am Zügel benötigte. Einzig den Schenkel setzte sie energisch ein, um ihm im Rippenbogen zu biegen.
      „Das ist er also in Bewegung“, stellte ich mit Begeisterung fest, als sie ihn in den Schritt abbremste und sich die Zügel aus der Hand kauen ließ. Sie zuckte zusammen bei meinen Worten, wodurch auch Happy einen kleinen Sprung zur Seite machte. Leise klapperten die Hufeisen aneinander.
      „Erschrecke mich nicht so“, zischte Vriska im Schock mit grimmigem Gesichtsdruck, „aber ja, das ist Happy im Dressurviereck. Eigentlich wollte nur mal probieren, was er so kennt.“
      „Offenbar sehr viel“, sagte ich anerkennend. Da lichtete sich ihr Gesicht und ein charmantes Lächeln schmeichelte ihre Lippen.
      „Danke. Aber könntest du dann bitte gehen? Ich möchte mich konzentrieren können“, murmelte sie wie ein Kind, das seinen Eltern ein Geschenk basteln wollte.
      „Natürlich, Sturmi wartet ohnehin“, nickte ich zustimmend und lief über die hölzernen Stufen der Tribüne hinunter in die Stallgasse. Kaum stand ich vor der Box des Falben, streckte er den Kopf hindurch. Vom Haken nahm das Halfter, um es über seine Ohren zu streifen und ihn hinauszuführen. Zunächst putzte ich Sturmglokke, stellte dabei einige Bisswunden fest, die verarztete. Einzig ein blutende Stelle am Bein bereitete mir Sorge. Der Hengst schien auf dem Paddock mit seinem Partner gespielt zu haben, denn anderes konnte ich mir den Streifen an der Fessel nicht erklären. Vorsorglich sprühte ich sie mit Alu-Spray ein und band ein Verband darum, um es beim Fahren vor Dreck zu schützen. Zusätzlich legte ich ihm an allen Beinen Gamaschen um, dann verließen wir den Stall. Auch mit ihm war Tempo auf dem Plan, das Sturmi mit Elan meisterte. Nur seine Zeit wirkte vielversprechend. Ich zweifelte, ob der Hengst zu gebrauchen, war im Rennsport und schrieb eine Notiz dafür in sein Profil. Damit bekamen Bruno und Tyrell eine Benachrichtigung. Nach dem Training legte ich ein frischen Verband an, dann konnte er zurück in die Box. Vriska ritt nicht mehr. Der Fuchs zurück im Bettchen wies darauf hin, dass sie fertig war. Schade, ich hätte gern einen weiteren Blick auf die beiden geworfen.

      © Mohikanerin // Lars Alfvén // 8406 Zeichen
      zeitliche Einordnung {März 2021}
    • Mohikanerin
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      Hufschmied / Falzeisen aus Aluminium | 22. Juli 2022

      Harlem Shake LDS / Eifellust / Astronaut in the Ocean LDS / Steinway HMK

      Bevor es zu den Rennpferden auf die Halbinsel ging, prüfte ich den Beschlag auf einer Veranstaltung für Zuchtpferde. Dabei war auch ein schwedisches Warmblut aus dem Königsstalls. Der braune Hengst hatte während seiner Präsentation sein Eisen verloren. Der eigene Schmied stand nicht zur Verfügung, weshalb ich zähneknirschend die Aufgabe übernahm. Interessiert blickte mich das Pferd an und hielt still, als ich den letzten Nagel herauszog. Das Eisen befestigte ich mit gezielten Schlägen wieder an den Huf, nach dem ich die Wand etwas zurecht geraspelt hatte. Damit war es bereits erledigt und man bedankte sich bei mir.
      Auf dem Weg zum Gestüt der Earles begann es zu regnen, so sehr, dass ich zweifelte, überhaupt anzukommen. Durch die Baustelle vor Ort war der Kiesweg eine einzige Schlammschlacht, bestehend aus tiefen Furchen der Bagger, und bereits in der vergangenen Woche blieb ich stecken, als ich bei den Isländern war. Nur mit dem Traktor konnte man mich aus der Hölle befreien. Glücklicherweise kam ich durch und stellte das Auto vor der Halle ab.
      “Oh, Lars! Was machst du denn den hier?”, fragte ich überrascht, als ich den jungen Mann sah, der mit meinem Sohn befreundet war. Nicht daher kannte ich ihn. Er und sein Vater waren bekannt von den Rennen. Ich selbst betreute auch einige Rennpferde, der Grund, wieso ich überhaupt aus Vaxjö hier heraus fuhr. Zudem stimmte die Bezahlung.
      “Wir sind nun hier angestellt. Zufall, va?”, grinste Lars selbstgefällig und strich der braunen Stute neben sich durch die Mähne. Zutraulich streckte sie ihren Kopf in seine Richtung.
      “Verstehe. Dann werde ich auch anfangen. Drei heute?”, hakte ich nach. Die Tasche stand bereits neben mir im Gang und ich sortierte noch einige Werkzeuge in meine Hose, um schneller arbeiten zu können. Bei der Kälte dauerte es ohnehin etwas länger, bis die Eisen in ihrer Form waren.
      “Eifellust und dann noch die beiden Jungs, Shaker und Astro. Vriska kommt dann gleich, ich muss noch drei Pferde fahren. Also bis später”, verabschiedete sich Lars und verschwand mit einem Halfter. Die Stute war ruhig, so störte es mich nicht, wenn ich einen Augenblick allein war. Interessierte spitzte sie die Ohren, während ich die Hufwand kürzte und den Strahl schnitt. Auch ihre Sohle richtete ich etwas, damit sie mehr Fläche zum Auftreten hatte.
      Vriska kam erst dazu, als ich beinah fertig mit dem Pferd war. Sie holte Shaker und Astro. Sie reinigte die Hufe. Gleichzeitig formte ich die Aluminium Hufeisen und brachte Eifel in ihre Box. Zwei Stunden beendete ich meine Arbeit.

      © Mohikanerin // 2558 Zeichen
    • Mohikanerin
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      Routineuntersuchung | 04. August 2022

      Astronaut in the Ocean LDS / Harlem Shake LDS / Eifellust

      Bei meinen Stammkunden ging es heute mal wieder um das Check Up dreier Pferde. Als ich dort ankam, wartete Nour bereits mit den beiden Hengsten Astronaut in the Ocean LDS und Harlem Shake LDS. Beide untersuchte ich ohne große Probleme und konnte keine Mängel entdecken. Die junge Dame verräumte die beiden Hengste und kehrte mit einer zierlichen braunen Stute zurück. Das Tier war neugierig, aber ein wenig sensibel, weshalb ich mir für ihre Untersuchung und wenig mehr Zeit nahm. Wie bei den Hengsten auch, fand ich bei der Stute nichts, was einer Zuchtschau im Wege stand.

      © Wolfszeit // 574 Zeichen
    • Mohikanerin
      Rennen L zu M | 18. August 2022

      Astronaut in the Ocean LDS / Harlem Shake LDS / Eifellust / Global Vision / Sturmglokke LDS / Fieberglas / Pay My Netflix

      Dick einbandagiert standen Astro und Sturmi in ihrer Box, den Kopf leicht hängend und die Augen schwer. Die beiden Hengste hatten ihren ersten Heat des Tages hinter sich und warteten auf den zweiten. Besonders stolz waren wir auf den Falben, der im Gemüt seinen Mittelpunkt fand. Zuvor lief er unter dem Sattel, denn die Sulky jagten ihm eine höllische Angst ein. Je öfter er das Klappern hörte, sich den Geräten mutig näherte, umso gelassener wurde er. Zwischendurch setzte ich mich in den Rennsattel, um kleine Trainingseinheiten im hohen Tempo zu absolvieren. Er machte seine Sache gut. Die Zeiten sprachen für sich, so war es nicht verwunderlich, dass wir einen Käufer im Ausland fanden, der ihn gerne hier im Training lassen wollte.
      Lars führte Astro aus der Box und ich Sturmi. Synchron nahmen wir die Bandagen ab, legten die Unterlagen zusammen und packten die Gurte auf den Rücken. Die Hengste wurden wacher, wussten genau, dass es ein weiteres Mal auf die Bahn ging. Aufgeregt traten sie auf der Stelle, aber folgten Gehorsam aus dem Stall. Noch immer war es kalt und matschig, weshalb wir einen anderen Weg zur Bahn nahmen, entlang an den jungen Bäumen zu den Pferden auf der Weide und dann über das Sandgeläuf zur Grasbahn im Inneren. Die erste halbe Runde fuhren wir Schritt, bevor wir in den Trab umstellten und ein Intervall nach dem nächsten fuhren.
      Parallel dazu waren Bruno und Nour mit zwei anderen Pferden auf der weiteren Grasbahn, die einige Meter kürzer war. Shaker und Vision wirkten aus der Ferne stark geschwitzt, aber ebenso begeistert von dem Wetter. Die kühle Luft war nahezu erfrischend, denn der Wind hielt sich noch zurück.
      Eine Runde nach der anderen kamen wir der Zielzeit nah, sodass wir rechtzeitig zurückkamen. Die Hengste fertigte ich ab für die Box, denn Lars wollte noch vor dem Sonnenuntergang mit Eifellust raus. Er holte die Stute, legte ihr alles an und war dann auch fast weg.
      Für mich hingegen ging es nach Kalmar. Basti bot mir an, seinen Hengst besser kennenzulernen. Er wartete bereits im Stall auf mich und begrüßte mich freudig. Netflix und Fieber spitzten interessiert die Ohren. Ich half ihm, die Wagen anzuhängen und wir fuhren in den Wald. Die Stimmung war gedrückt, zwischen uns schwebten weiterhin ungeklärte Themen, aber ich dennoch blieb ich dankbar für die Möglichkeit. Netflix zeigte sich geduldig, ebenso überrascht, dass ich ihm Freiraum gab. Neben mir tänzelte Fieberglas her, die das langsame Tempo nicht wollte. Im Wald angekommen, erhöhten wir zum Trab.

      © Mohikanerin // Vriska Isaac // 2523 Zeichen
      zeitliche Einordnung {April 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel tjugotvå | 9. Juli 2022

      Maxou / Caja / HMJ Divine / Legolas / Planetenfrost LDS / Astronaut in the Ocean LDS / Lotti Boulevard / Nachtschatten/ Lu‘lu‘a / Wunderkind / WHC‘ Golden Duskk / Eifellust / Lubumbashi / Fahrenheit LDS / Úlrik / Spök / Narcissa

      Lina
      Sehr unsanft durchdrang der Weckerton meine Träume. Verworrene Träume, die düster durch mein Unterbewusstsein waberten. Nicht gerade der Start, den man sich für den Weihnachtsmorgen wünschte, aber nicht ungewöhnlich. Jegliche Ereignisse, die man für gewöhnlich mit seiner Familie verbrachte, neigen dazu, mir das vor Augen zu führen, wogegen ich verzweifelt ankämpfte.
      Anlässlich des bevorstehenden Festest hatte ich mit nur meine Schwester eingeladen, nein, auch Jyrki erhielt eine Einladung. Sogar an meinen Vater dachte ich einen wahnwitzigen Moment lang, verwarf diese Idee aber schnell wieder. Wer über Jahre hinweg nicht einmal versucht Kontakt zu seinem Kind aufzunehmen, würde wohl kaum zu Weihnachten plötzlich seine Meinung ändern. Zumal nicht mal mein Bruder es für notwendig hielt, mir wenigstens eine Absagte zu schicken. Kaputt war sie, meine Familie. Langsam zerbrochen an der Last des Lebens. Langsam drang die Luft aus meinen Lungen. Eine normale Familie würde wohl für immer ein Traum bleiben.
      Langsam schob ich einen Arm unter der warmen Decke hervor. Die kühle Luft im Zimmer jagte mir augenblicklich ein Schauer über die Haut, unter dem sich die kleinen Härchen darauf aufstellten. Unglaublich, wie kalt so ein Raum werden konnte. Ein wisch über den Bildschirm und das Gerät schwieg endlich. Müde ließ ich den Kopf zurück auf das Kissen sinken. Der gestrige Abend war dann doch noch länger geworden als geplant, angesichts der Tatsache, dass die Vierbeiner natürlich auch heute versorgt werden wollten. Zumindest mit dem nötigsten. Die Stille war nur von kurzer Dauer, denn mit einem leisen Ping, wurde der Erhalt einer Nachricht angekündigt. Erneut griff ich nah dem Handy. Urheber der Störung war Enya, sie wollte in einer Stunde da sein damit wir noch einmal dem keinen Auftritt, üben konnte. Meine Güte, warum war sie denn schon so früh wach? Immerhin hatte sie keine hungrigen Vierbeiner vor der Tür sitzen. Aber ihr Tatendrang sprach zwangsläufig dafür, dass ich jetzt tatsächlich aufstehen musste. Doch vorher musste noch etwas anderes erledigt werden. Zielsicher tippe ich auf den obersten Chat, eine Morgenroutine, die innerhalb der vergangen zwei Monate beinahe in Vergessenheit geriet. Schließlich muss man niemandem schreiben, der unmittelbar neben einem lag. Mit flinken Fingern verfasste ich einen morgendlichen Gruß an meinen Liebsten, natürlich nicht mit dem Erwarten direkt eine Antwort zu erhalten. Niklas war sicherlich nicht an einem freien Tag bereits am frühen Morgen durch die Gegend springen. Dennoch gab es mir den nötigen Motivationsschub, um aus dem Bett zu kommen. Die Kleidungswahl fiel heute schlicht aus, schließlich würde ich schon den ganzen Abend ordentlich herumlaufen. So griff ich zu einer grauen Thermoreithose und stahl mir einen der Sweater, die mein Freund hiergelassen hatte. Wenn er schon nicht da war, mussten halt seine Klamotten herhalten.
      Ein schwaches Klopfen erklang vom Sofa als ich die Tür öffnet. Vollkommen fertig lag der gefleckte Welpe auf dem Sofa, denn er zusammen mit Nivi noch ziemlich lange die Hütte unsicher gemacht. Vriska hingegen saß bereits mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch und tippte munter etwas in ihren Laptop.
      “Guten Morgen”, sprach ich freundlich, wollte eigentlich noch etwas hinzufügen, doch hielt inne. Etwas an ihr sah anders aus, und zwar nicht nur die Brille, die mir bereits gestern aufgefallen war. Eindringlich betrachte ich sie. Ihre Haare waren am Ansatz deutlich dunkler und einige der langen Strähnen waren zu Dreadlocks zusammengeklebt.
      “Oh, du bist wach”, bemerkte sie mich offenbar erst jetzt und nahm die Kopfhörer aus den Ohren, “das Wasser müsste noch warm genug sein. Eine Tasse steht auch schon da.”
      “Danke”, entgegnete ich und lief zur Küchenzeile, um besagtes Angebot entgegenzunehmen.
      “Was machst du da, so früh am Morgen?”, fragte ich neugierig, als ich im Vorbeigehen einen flüchtigen Blick auf ihren Bildschirm erhaschen konnte. Für gewöhnlich war sie nicht der Typ Mensch gewesen, der so früh bereits voller Tatendrang war, wenn man sie denn überhaupt so früh zu Gesicht bekam.
      “Ähm. Nichts”, stammelte sie mit zittriger Stimme und klappte das Gerät sofort zu. Eine leichte Röte überkam ihr Gesicht, dabei grinste Vriska schief und unkontrolliert.
      “Okay”, schmunzelte ich. Das Nichts war offenbar geheim, doch für das Erste beschäftigte mich etwas anderes.
      “Sonst alles in Ordnung bei dir? Lars war ja gestern noch ganz schön lange bei dir”, kam ich auf das zu sprechen, was mir seit gestern auf der Seele brannte. Nachdem wie nah, sich die beiden bereits vor ihrem Verschwinden gekommen waren, würde es mich wirklich interessieren, was die beiden dort drinnen gemacht haben.
      „Mehr oder weniger, ja. Er hatte ein paar Fragen und wollte mich dann unbedingt von der Stute überzeugen, aber na ja“, sie seufzte resignierte, „ich weiß noch nicht ganz. Und danach haben wir uns unterhalten über dies und das.“ Ein zartes Lächeln zuckte über ihre Lippen, dass sie sofort hinter ihrer Tasse versteckte. Sie fühlte sich offenbar immer noch ziemlich von ihm angesprochen. Kein Wunder, er war auch wirklich ein Hübscher.
      “Das mit dir und den Pferden bekommen wir schon wieder hin, nur nicht verzagen”, blieb ich positiv. Es war zwar nicht gänzlich vergleichbar, aber ich konnte es nachfühlen, denn auch meine Beziehung zu den Tieren war schon schwer erschüttert worden und ich hatte viel Zeit und Hilfe gebraucht, um zu ihnen zurückzufinden. Umso mehr Anerkennung hatte ich für Vriska, dass sie überhaupt hier war.
      “Wir werden sehen, aber ich muss gleich los”, sagte sie nach einem Blick zur Uhr hinter ihr an der Wand.
      “Wohin los?”, fragte ich ein wenig schwer von Begriff, “Aber solltest du dir dann vor allem nicht noch etwas anziehen.” Bisher saß Vriska nämlich in nicht viel mehr als einer Boxershorts und einem viel zu großen, viel zu teuer erscheinenden Hemd am Tisch.
      “Ach, so kalt ist es gar nicht”, Vriska lachte, “natürlich ziehe ich zum Arbeiten was anderes an. Die Pferde füttern und bewegen sich nicht von allein.” Dafür, dass sie immer wieder die Uhrzeit überprüfte, saß sie ruhig auf dem Stuhl ohne die Tasse aus der Hand zu stellen.
      “Du willst arbeiten? Bist du dir sicher?”, erstaunt blickte ich sie an. Dass sie sich so schnell ihrer Angst stellen wollte, hätte ich nicht mal bei ihr erwartet.
      “Von Wollen kann nicht die Rede sein, aber Lars möchte, dass ich was tue. Außerdem bin ich krankgeschrieben, also”, erklärte sie.
      “Daher weht also der Wind”, grinste ich leicht, “Na, dann hoffe ich, dass er weiß, was er tut.”
      Intensiv musterten mich ihre Augen, als würden tausende Dinge durch ihren Verstand schweben und nicht den Ausgang finden. Vriska wirkte sehr in sich gekehrt, verändert im Vergleich zu ihrer Abfahrt. Das hatte nicht nur mit ihrem äußeren Auftreten zu tun, eher das gesamte Konstrukt ihrer Selbstdarstellung.
      “Gibst es da etwas, was du mir mitteilen willst?”, kam sie zurück aufs Thema. Kurz musste ich überlegen, die richtigen Ausdrücke finden. Ich freute mich für sie, dass sie trotz der ganzen Geschichte Interesse an jemanden zeigte, aber gleichermaßen sorgte ich mich darum, dass sie sich zu schnell in etwas hineinstürzen könnte, was außerhalb ihrer Kontrolle lag. Und das sagte gerade ich, was eine Ironie.
      “Hab deinen Spaß, aber pass auf dich auf, das will ich dir sagen. Wenn du spurlos verschwindest, bekomme ich sicher einen Herzinfarkt”, sprach ich schließlich offen aus, was mir durch den Kopf ging. Verwirrt kippte sie den Kopf zur Seite.
      “Unwahrscheinlich und das liegt nicht nur daran, dass Mama keine Lust mehr auf mich hat”, scherzte sie. Okay, irgendwas hatte sich wirklich dramatisch verändert, schließlich wäre sie sonst verärgert abgehauen.
      Prüfend blickte ich sie an: “Was ist mit dir passiert da drüben? Du bist so … anders.”
      “Wie viel willst du hören?”, allein die Andeutung zeigte mir, dass es nicht offenbar nicht ihre Familie war, die sie in eine andere Richtung lenkten. Doch bevor ich ihr auf die Frage antworten konnte, öffnete sich die Terrassentür. Mit lautem Bellen stürmten die Hunde zu Lars, der sofort in die Knie ging und die Tiere herzlich begrüßte. Dog, wie Harlen Fred neuerdings benannte, sprang auf seinem Schoß und wollte am liebsten in ihn hereinkriechen für eine optimale Begrüßung. Vriska pfiff den Rüden zurück, der erstaunlicherweise auf sie reagierte.
      “Vivi, ziehst du dich dann an?”, hakte Lars noch nach, als er sich einen Augenblick später mit an den Tisch gesetzt hatte und von Vriska einen kleinen Kaffee bekam.
      “Alles?! Ich würde gerne verstehen, wer oder was so viel Einfluss hat, dass du innerhalb von zwei Monaten so eine Entwicklung machst”, kam ich auf ihre Frage zurück. Vielleicht war sie heimlich von Aliens gegen einen Doppelgänger ausgetauscht worden oder es gab eine deutlich realistischere Erklärung für ihren positiven Sinneswandel.
      „Du bist aber heute auch neugierig“, schüttelte sie amüsiert den Kopf und verließ dabei den Raum. Erst nach dem mehrmals sie die Türen ihres Schrankes geöffnet hatte, kam ihre Erklärung.
      „Im Großen und Ganzen habe ich mich alter Gewohnheiten gewidmet, war eigentlich die meiste Zeit feiern, habe mich mit einigen Typen getroffen“, dann verstummte sie. Lars hob eine Augenbraue und lehnte sich dabei tiefer in den Stuhl. Seine Arme lagen verschränkt auf der breiten Brust, die immer wieder zuckte bei ihrer Erzählung. Obwohl, von seinem Sitzplatz aus hatte man die volle Sicht in ihr Zimmer.
      „Und? Das kann doch nicht alles gewesen sein?“, hakte ich weiter nach. Nur ein wenig feiern zu gehen und dabei vielleicht auch einigen anderen Trieben nachzugehen, schien mir keine ausreichende Erklärung.
      „Schon klar, dass du direkt möchtest, dass Lars abhaut“, scherzte sie, wenn auch mit Verwunderung meinerseits. Er neigte leicht seinen Kopf zu mir, aber ich konnte nur mit den Schultern zucken. „Mama hat mich wieder zur Therapie geschliffen und da mussten einige Sachen geradegerückt werden. Deshalb habe ich mich auch wieder alten Hobbys gewidmet.“ Vriska kam mit einem äußerst freizügigen Outfit wieder aus den Zimmern heraus, was angesichts der Temperaturen keine gute Wahl war. Sie zupfte am Shirt herum und kehrte auf der Stelle um. Mit einem dicken, rosafarbenen Pullover stand sie nun vor uns. Lars nippte an seiner Tasse, die kaum an Flüssigkeit verloren hatte. Eilig hatten die beiden es offenbar nicht.
      „Ohhh, jetzt ergibt alles Sinn“, dachte ich laut. Tatsächlich war es ziemlich einleuchtend, denn das erklärte sowohl die Stimmungsschwankungen als auch die impulsive Handlungsweise, die vor ihrer Abreise an den Tag legte. War das dann also auch der Grund für das, was in Kanada geschehen war und für alles, was danach folgte? Oder hatte irgendwas davon auch die echte Vriska zu verantworten? Ihre Antwort warfen in etwa genauso viele Fragen auf, wie sie beantworteten. Es würde sicher Tage dauern, dem allem auf den Grund zu gehen. Unter der Masse der Gedanken begann sich alles in meinem Kopf zu drehen.
      „Tut mir auch leid, dass ich dir nicht geschrieben hatte, aber Mama hat mein Telefon und mein Laptop eine Internetsperre. Ich fühle mich wie zwölf Jahre, ganz ehrlich“, fügte Vriska nach kurzem Schweigen hinzu. „Meine Schwester überreichte mir ihr Handy nur kurz, deshalb musste ich die Zeit nutzen für“, sie seufzte wieder, „um einige Dinge zu klären, die aber auch jetzt nicht mehr relevant sind. Er soll zur Hölle fahren mit seinen Lügen.“ Also hatte sie es rausgefunden, all das, was zwischen Schein und Sein gelegen hatte und vielleicht noch mehr. Wer wusste das schon?
      “Es tut mir wirklich leid, wie das zwischen euch beiden gelaufen ist”, murmelte ich und klammerte mich an meine Tasse. Vriskas Worte hatten den kleinen Teufel erweckt, der sich nicht davon lossagen wollte, dass es hätte anders laufen können, hätte ich mich nicht dermaßen in dieses Trugspiel verwickeln lassen.
      “Ach, was im Nachhinein passiert ist, weißt du noch gar nicht”, zuckte Vriska vollkommen losgelöst von dem Thema, als wäre es schon mehr als ein Jahr später.
      “Im Nachhinein? Was ist denn noch geschehen?”, fragte ich verwirrt, sowohl von ihren Worten als auch ihrer Reaktion.
      “Lars, hör mal kurz weg”, lachte sie und hielt ihm die Ohren zu. Sein Kopf hob sich langsam in ihren Fängen. Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. War sie sich sicher, dass er ihr gut ging? Sie hätte ich auch einfach herausschicken können. Wunderlicher hatte sie sich wohl noch nie verhalten.
      “Die paar Minuten an Madlys Handy nutzte ich, um mit ihm zu telefonieren. Es war schön, keine Frage, aber immer wieder erklärte er, dass er mich noch lieben würde und das alles nur für Fredna tue. Ich glaube ihm das, keine Frage, aber was erhofft er sich bitte? Das ich jetzt warte, bis er wieder Zeit für mich hat? Deswegen denke ich einfach, dass der ganz schlimme Komplexe hat. Ach, und er hatte auch noch ein paar andere Weiber, also nein danke”, überkam es mich in einem Wasserfall an Worten, dann ließ sie wieder von seinen Ohren los. Ein breites Grinsen lag auf seinen Lippe und seine Hand hielt sich an ihrem Bein. Hatte ich was verpasst?
      Auf einen Schlag löste sich das ungute Gefühl in Luft auf, denn gegen diese Fakten schienen nicht mal meine inneren Dämonen anzukommen. Viel mehr bekam ich das Gefühl, dass es sogar besser war, dass es endete, denn offensichtlich war es so nerven schonender für uns alle. Nur eins passte nicht in dieses Bild, die beiden vor mir.
      “Irgendwas verheimlicht ihr zwei doch”, stelle ich nach hinreichender Betrachtung fest. Er grinste schief und zog sie noch näher an sich heran, dass sie ins Stolpern kam und auf seinem Schoß landete. Ihr Gesicht färbte sich abermals rot. Nun hielt er ihr die Ohren zu.
      “Zugegeben, ich finde sie gut und bin froh, dass sie den Kerl auch losgeworden ist. Ich hatte schon so ein Gefühl”, erzählte Lars mit ruhigen Worten und senkte die Hände wieder.
      “Dir ist schon klar, dass ich das gehört habe? Ich bin zwar blond, aber nicht blöd”, fauchte Vriska spielerisch und gab ihm erneut einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Dass sie gestern nur geredet hätten, schloss ich mittlerweile kategorisch aus. Er erwiderte ihre Liebkose, aber am Hals und hörbar atmete sie aus.
      “Ich glaube, ich gehe dann mal”, lachte ich und erhob mich vom Tisch, “Viel Spaß euch noch.” Ich freute mich für die sie, doch hatte ich noch Besseres zu tun, als den beiden bei ihren Liebelein zuzusehen.
      “Wir kommen auch direkt mit”, kam es von Lars, der Vriska einen kleinen Stoß gab. Sie rannte zur Anrichte, griff ihre Reithandschuhe, die da schon vorbereitet lagen, nahm sich eine dicke Winterjacke. Im Laufen zog sie ihre Schuhe an und stürmte zusammen mit den jungen Hunden heraus, die ihre schnellen Bewegungen, direkt als Spiel ansahen. Wir beide hingegen standen noch immer im Wohnzimmer, erst dann nahm auch ich mir meine Sachen.
      “Was auch immer du ihr versprochen hast, es scheint ziemlich motivierend zu sein”, stellte ich lachend fest und zog den Reißverschluss der Jacke zu. Über Nacht hatte erneut ein kräftiger Schneefall eingesetzt, weswegen ich lieber auch noch nach einem Stirnband griff. Sicherlich war es kalt draußen.
      “Scheint so, dabei war es nur ein Kuss”, grinste er mich an. Er trug ohnehin noch seine Sachen, zog also auch nur den Reißverschluss zu. Wow, dann musste er das wohl ziemlich gut können, wenn ein Versprechen solche Auswirkungen entfalte.
      In einem gemäßigteren Tempo folgten wir, Vriska durch den Schnee. Sie war so zielstrebig unterwegs, dass sie sogar vor den Hunden dort ankam.
      “Kommt ihr endlich? Das Wetter ist so schön und ihr trödelt nur, anstatt euch ein Pferd zu schnappen”, jubelte sie euphorisch. Hatte sie wirklich Angst vor den Tieren? Ihr Verhalten erweckte nicht gerade den Eindruck dafür.
      “Wir kommen doch schon”, rief ich ihr zu, doch neben Vriska fühlten sich auch die beiden Fellknäuel angesprochen, die augenblicklich kehrt, machten und in vollen Tempo auf uns zu rannten. Während Nivi in letzter Sekunde einen Haken schlug und so nur leicht an Lars vorbeischrammte, schoss der Rüde voll in mich hinein. Ich geriet ins Straucheln, fand auf dem rutschigen Schnee nicht den Halt und fiel. Dann entsprach vermutlich nicht Vriskas Vorstellung von schneller. Lars reichte mir seine Hand und klopfte mich ab. Sie hatte das natürlich mitbekommen, lachte herzlich. An neue Vriska musste ich mich noch gewöhnen, denn mir schwebte Böses im Kopf, dass ihr attraktiver Schwarm nett zu mir war.
      „Du bist in die falsche Richtung gerutscht, mehr wie ein Pinguin“, schlug sie vor und machte dabei eine Bewegung, die eher einer bleiernen Ente glich.
      “Und du bist ein Exemplar der selten Gattung Spaßvogel?”, scherzte ich und setzte meinen Weg zu ihr fort.
      “Wer weiß, vielleicht sollte das näher untersucht werden”, hielt sie ihre gute Laune. Wir hatten Vriska schon eingeholt, da sprang sie auf Lars Rücken und ließ sich die letzten Meter tragen.
      “Du wiegst einfach nichts”, merkte er an und drehte sich beinah erwartungsvoll zu ihr um. Sofort gab sie ihm einen zarten Kuss und trieb ihn wie ein Pferd voraus.
      “Du hast dein Pferdchen ja offenbar schon gefunden”, lachte ich und folgte den beiden in den Stall. Ein leises Wiehern erklang und ein heller Ponykopf reckte sich über die Boxentür, zur Abwechslung sogar mal gut gelaunt. Den kompletten Kontrast dazu bildete Caja, meine Berittstute, ein paar Boxen weiter. Kaum hatte sie Lars erblickt, legten sich ihre Ohren komplett flach an ihren Hals, ihre Augen verdrehten sich und sie brachte schnell größtmöglichen Abstand zu Stallgasse auf. Vriska rutschte wieder herunter. Keinen Schritt weiter setzte sie, obwohl sie offenbar einen Deal hatte, den er umgehend ansprach.
      „I-Ich habe es mir anders überlegt“, stammelte sie aus heiterem Himmel im kompletten Verlust ihrer Selbstsicherheit. Vorsorglich setzte sie einige Schritte zurück, während Maxou versuchte durch die große Öffnung zu klettern. Das Pony regte sich immer mehr auf und stieg, bis sich das erste Bein dazwischen verfing und sie in Panik verfiel. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, da sprang Lars bereits zur Stute, drückte ihre Huf zurück und öffnete kurzerhand die Box. Aufgeregt trabte das Tier heraus, aber stoppte bei Vriska, die in Schockstarre verfallen war. Mit lauten Prusten stand Maxou vor ihr, wölbte elegant den Hals und schnupperte an ihrem unordentlichen Dutt. Immer wieder drückte sie ihr Maul in Vriskas Gesicht, bis sie erwachte und sehr vorsichtig ihr Pferd über die Nase strich, als hätte sie noch nie eins berührt. Langsam, um das Pony nicht doch noch in die Flucht zu treiben, näherte ich, mit einem Strick in der Hand, begab mich neben Vriska, die zaghaft über das helle Fell strich.
      “Sehr gut, damit hast du den ersten Schritt schon gemacht”, lächelte ich ermunternd und beobachtete einen Moment, wie ruhig das Pony unter ihren Berührungen wurde. Offenbar hatte nicht nur ich meine Mitbewohnerin vermisst. “Möchtest du dein Pony selbst zurückbringen oder lieber nicht?”
      Freundlich bot ich ihr das Ende des Strickes an, den ich mittlerweile an dem Pony befestigt hatte. Über ihre Wange liefen mehrere Tränen, bis sie sich um den Hals ihrer Stute warf und kaum noch zu trennen war. Sie warf den Kopf nach oben bei der schlagartigen Bewegung, aber beruhigte sich sofort, als sie die Nähe ihrer Besitzerin spürte. Behutsam fummelte die Stute an Vriskas Kapuze als würde sie beginnen mit der Fellpflege.
      “Mein Plan war ein anderer, aber ähnlich”, sagte Lars plötzlich neben mir und grinste zuversichtlich.
      “Maxous eigener Plan hat offenbar auch funktioniert”, lächelte ich erleichtert. Ich hatte erwartet, dass es deutlich schwieriger und vor allem langwieriger werden würde, Vriska überhaupt nur in die Nähe ihres Ponys zu bekommen. Doch wenn ich sah, wie glücklich Besitzerin und Pony auf einmal wirkten, war die Hoffnung groß, dass mit dieser Wiedervereinigung nicht nur Maxous Laune besser wurde, sondern ebenso ihre Lebensgeister zurückkehrten. An der Schulter tippte mich jemand an, Enya war da. Lars verabschiedete sich auch in Vriskas Namen bei uns, dann liefen sie zusammen zur Box, um die Stute zurückzustellen. Sie folgten dem langen Gang zum Hauptausgang und tasteten sich dabei aneinander heran, wollten wohl gern Händchen halten, aber etwas hielt sie davon ab.
      “Passieren hier jeden Tag so niedliche Dinge?”, wollte die Schwedin sogleich neugierig wissen, “Wenn ja, muss ich eindeutig öfter vorbeikommen.”
      “Nein, leider nicht, das ist eher die Ausnahme”, entgegnete ich, “Aber du bist dennoch jederzeit willkommen.” Erst jetzt bemerkte ich, dass neben Lars und Vriska noch etwas fehlte, der Hund. Treudoof wie so ein Welpe war, musste Nivi mit den beiden und Dog verschwunden sein. Darum hätte ich mir im Normalfall auch recht wenig Gedanken gemacht, doch ich schätzte, meine Schwester wäre mit dankbar, wenn ich nicht gleich ihren Hund verlor. Ich pfiff einmal und tatsächlich kam wenig später ein zimtbraunes Hundebaby mit wehenden Ohren angerannt.
      “Oh, wer ist denn die kleine Maus, ist es deine? ”, sprach Enya erfreut und hockte sich zu dem Hund, der aufgeregt mit dem Hinterteil wackelte.
      “Nein, Nivi gehört meiner Schwester”, erklärte ich lächelnd, “zwei Pferde sind fürs Erste genug Haustiere.” Der Welpe war mittlerweile unter ihren Händen umgefallen und bot genüsslich den kleinen rosa Bauch dar.
      „Ja, gut, da magst du wohl recht haben, zumal hier auch ausreichend Hunde umherspringen", nickte sie verständnisvoll. Einen Augenblick lang kraulte sie noch den Hund, bevor wir uns schließlich aufmachten, die beiden Hengste vom Paddock zu holen.
      „Deine Schwester ist also schon da, nehme ich an?", regte die große Blonde interessiert ein Gespräch an, während wir durch den hohen Schnee stiefelten.
      „Genau, gestern angekommen. Hat dein Freund das etwa nicht erzählt?“, fragte ich leicht verwundert nach. Für gewöhnlich kommuniziert Samu recht viel und scheute nur selten davor Informationen nicht für sich zu behalten, sofern man ihn nicht anderweitig instruiert.
      Enya lachte herzlich: „Nein, den müsst ihr ganz schön gefordert haben. Samu kam nach Hause und ist gewissermaßen sofort ins Bett gefallen. Richtig niedlich, wie ein Teenie, der das erste Mal lange aus war.“ Niedlich, es war gestern zwar noch ziemlich spät geworden, aber etwas wirklich Anstrengendes hatten wir nicht gemacht. Dafür war mit bereits gestern früh aufgefallen, dass mein bester Freund ziemlich müder wirkte, aber mit der Sprache rausrücken, wollte, was er des Nächsten getrieben hatte.
      „Ich glaube, nicht, dass der gestrige Abend daran schuld ist", feixte ich und griff nach dem Halfter, die an einem Haken neben dem Tor hingen. Enya schmunzelte nur verschwiegen, ein Zeichen, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. Suchend glitten meine Augen über die Pferdeleiber, die gegen die Kälte zusammen gedrängt zusammenstanden. Legolas entdeckte ich schnell. Entspannt dösen stand er zwischen zwei braunen, doch mein Hengst schien unsichtbar. Nein, Stopp …
      „Na, der sieht wieder großartig aus", seufzte ich, als ich ihn schließlich doch entdeckte. Natürlich war der eigentliche weiße Hengst, mal wieder der dreckigste von allen. Einzig die Stirnseite seines Kopfes war nicht mit Schlamm bedeckt und ließ die eigentliche Farbe erahnen.
      “Wie gut, dass ich Zeit mitgebracht habe”, grinste meine Begleitung, “zusammen bekommen wir den schon wieder sauber.” Ihn sauber zu bekommen stand weniger infrage, immerhin funktionierte der Wasserschlauch auch im Winter, aber Ivy würde bis morgen doch niemals sauber bleiben.
      “Danke, dafür wird Lego sicher schnell gehen mit seiner Decke”, bedankte ich mich für das Hilfsangebot und schlüpfte durch den Zaun in das Gatter. Treudoof kam das Schlammmonster bereits an getrottet und drückte mir freundlich die Schnauze ins Gesicht. Während ich warte, bis auch Enya den Hengst ihres Freundes geholt hatte, versuchte Ivy sich einige Leckerlis zu erschleichen, indem er sämtliche Tricks, die er könnte, unaufgefordert vorführte. Natürlich erreichte er damit nicht sein Ziel. Denn auch wenn er niedlich war, hatte er in den letzten Wochen doch ein wenig Speck angesetzt, weshalb ich ein wenig genauer darauf achtete, wie viel er zu fressen bekam.
      „Du kannst Lego erst einmal in die freie Box stellen, dann muss er nicht die ganze Zeit auf dem Putzplatz warten, bis Ivy sauber ist", sprach ich zu Enya, als wir im Stall ankamen. Sie nickte und entließ den Hengst, der sich unmittelbar seinem Boxennachbarn widmete. Brummeln erklang, ein kurzes Quietschen und dann kehrte wieder Ruhe ein. Meinen Freiberger hingegen stellte ich direkt in die Waschbucht. Mit einer Bürste brauchte ich in seinem Zustand gar nicht erst anzufangen. Jacke und Pulli legte ich in weiser Voraussicht zur Seite und wies auch Enya an, sicherheitshalber etwas Abstand zu bewahren. Divine besaß das meistens eher unerwünschte Talent alles binnen Sekunden zu überfluten und dabei war es egal, ob das Wasser aus einem Eimer oder einem Schlauch stammte.
      Wie immer genehmigte der Hengst sich zuallererst einen ausgiebigen Schluck Wasser aus dem Schlauch, dabei biss er in den Strahl und schüttelte mit dem Kopf, wodurch die Wassertropfen in alle Richtungen flogen. Erst danach durfte ich das Wasser auf sein Fell richten. Schlammige Wassermassen, ähnlich denen in Afrikas Regenzeit, rannen durch das dichte Fell und legten allmählich die darunterliegende Farbe frei.
      “Enya, könntest du mir bitte etwas aus der Sattelkammer holen? Irgendwo im Schrank müsste eine Flasche Schimmelshampoo stehen”, bat ich Enya, die an die Wand gelehnt auf ihrem Handy herumtippte. Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, würde ich sagen, ihr Freund war mittlerweile erwacht.
      “Na klar, bin gleich zurück”, entgegnete sie und tippte im Gehen weiterhin fleißig in ihr Handy. Es wirkte beinahe so intensiv, wie Vriska, als sie noch mit dem Unbekannten alias Erik schrieb. Was Samu wohl für offenbar hochinteressante Nachrichten senden mochte? Niedliche Morgengrüße oder doch eher Nachrichten der anderen Art?
      Noch bevor ich mir die Inhalte genauer ausmalen konnte, kehrt die große Blondine mit dem Wundermittel zurück.
      “Du hast ja ganz schön teures Zeug für dein Pferd”, stellte sie fest und reichte mir die Flasche. Neugierig schnupperte Ivy an dem Plastik, schnappte in den Deckel, ließ aber relativ schnell, davon ab, als er feststellte, dass es nicht essbar war.
      “Wie auch immer er das anstellte, findet er immer den hartnäckigsten Dreck, da ist das leider notwendig”, erklärte ich und verteilte die lila Flüssigkeit auf Ivys Rücken, “Aber wenn man es genau nimmt ist das auch eigentlich Smoothies.”
      “Ah, verstehe, das ist dann natürlich ziemlich Geldbeutel schonend”, lachte sie und begann hilfsbereit die andere Seite einzureiben. Bereits nach wenigen Minuten schloss der Freiberger genüsslich die Augen und begann zu dösen, das Wellenessprogramm war offenbar zufriedenstellend. Mit ihrer Hilfe war Divine recht schnell komplett eingeseift und auch wieder ausgewaschen.
      „Dann muss er jetzt nur noch trocken, dann können wir loslegen", sagte ich erfreut. Mähne und Schweif fielen seidig und das Fell erstrahlte wieder in schneeweißen Pracht. Während Enya sich nun daran machte Legolas zu putzen, fette ich meine Hengst auch gleich noch die Hufe. Wenn Beauty-Tag: dann richtig!
      Eine halbe Stunde später stand Divine schließlich trocken und frisiert auf dem Hallensand. Damit ich ihn morgen nicht gleich wieder waschen musste, hatte ich Mähne und Schweif eingeflochten und letzteren ausnahmsweise sogar mal bandagiert. So ordentlich hatte der Hengst, glaube ich, noch nie ausgesehen. Legolas gab ein ähnlich elegantes Bild ab, nur dass er in seiner natürlichen Pracht glänzte. Um den Welpen, der während der ganzen Waschprozedur auf Dogs Decke Platz genommen hatte, im Augen behalten zu können, platzierte ich Nivi samt Decke in der vordere Ecke, wo sie hoffentlich auch sitzen bleiben würde. In aller Ruhe wärmten wir die Pferde auf und bekamen sogar ein paar neugierige Zuschauer. Allerdings schickte ich meine Schwester mit sämtlichen anderen Zuschauen hinfort, bevor wir begannen, den eigentlich Auftritt durchzugehen. Es würde schon unerträglich genug werden, wenn sie am morgigen Tage den Vergleich herstellen konnten, wie plump und ungelenk der junge Freiberger neben dem deutlich erfahrenen Warmblut wirkte. Eventuell hätte ich mich doch für Redo entscheiden sollen, aber für einen Pferdewechsel war es nun auch zu spät. Aktiv und aufmerksam folgte Ivy meinen Anweisungen und, bis auf ein paar Verhaspler, die entstanden, weil ich die Reihenfolge durcheinanderbrachte, lief dieses letzte Training gut. Blieb nur zu hoffen, dass mir morgen nicht dasselbe passierte.

      Drei Stunden später

      Vriska
      „Deine Familie ist da, oder?“, fragte Lars, nach dem ich mit dem Traktor einen neuen Heuballen für die Hengste geholt hatte. Obwohl ich nicht viel mehr tat, als obendrauf zu sitzen, schwitzte ich wie ein Leistungssportler und bereute es kurzzeitig, mit dem Rauchen vor Jahren angefangen zu haben.
      „Ja, wieso?“, versuchte den Zweck seiner Frage zu hinterfragen, aber bekam nicht mehr, als ein verschmitztes Lächeln. Meine Vermutung, dass Madly ihn ausgefragt hatte, verstärkte sich. Ich erzählte ihr indirekt von ihm, nannte nur keinen Namen. Allerdings gab es nicht so viele hübsche Herren auf dem Hof, sodass meine Schwester womöglich schnell herausfand, wen ich meinte. Er verschwand, um das Werkzeug zurückzubringen und ich schwang mich aus dem gepolsterten Sitz des Fahrzeugs.
      Wir hatten alle grundlegenden Aufgaben erledigt und für meine Begleitung standen noch drei Pferde auf dem Trainingsplan. Also lief ich ihm nach, weiterhin zerrissen von kleinen Gewissensbissen. Maxou hatte mich vermisst, so sehr, dass sie sich beinah das Bein brach. Dennoch lag schwer mein Versagen im Magen.
      Nur zwei Einsteller traf ich bei der Arbeit, die mich mit ihren eindringenden Blicken komplett aus dem Konzept brachten. Reiten wurde immer mehr meine Leidenschaft. Dass ich aus so hoher Selbstüberschätzung mich wörtlich aufs falsche Pferde setzte und einfaches Training vergeigte, nagte an mir.
      „Vivi, wird wohl Zeit für den nächsten Schritt“, sagte Lars und drückte mir ein Halfter in die Hand. Instinktiv nahm ich es entgegen, bevor ich überhaupt begriff, was er wollte.
      „Was für ein nächster Schritt? Tut mir leid, aber ich möchte dich nicht Heiraten“, schmunzelte ich. „Zudem ist ein Halfter wahrlich kein guter Ring.“
      „Wie es mir scheint, hatte Lina recht. Du bist ein Scherzvogel“, spiegelte er meine Stimmung, aber entschied sich für einen weiteren Schritt. Langsam kam er näher, so nah, dass der markante Geruch seines Parfüms in meiner Nase kitzelte. Es fühlte sich an, als könnte ich den warmen Atem durch meine Kleidung spüren, aber es war viel mehr mein Blut. Kräftig donnerte das Herz in meiner Brust, wie der Bombenschlag im Kriegsgebiet, das sich Emotionen nannte.
      „Und du bist mir ziemlich aufdringlich heute, oder planst du etwas anderes zu reiten?“, stieg in sein kleines Spiel ein, das ihn nur noch mehr befeuert. Ohne mich zu berühren, schob mich Lars immer dichter an die Wand, um schließlich seine Hand nahe an meinem Kopf abzustürzen. Nur schwer konnte ich den Blick von seinen grünen Augen lösen, die mich lüstern anblitzten.
      „Eigentlich wollte ich mit dir fahren, aber Reiten klingt nach einem Plan.“ Von einem auf den anderen Moment unterbrach sich die Spannung zwischen uns beiden, nur sein freches Grinsen lag noch auf den Lippen. Er hatte seine Hand von der Wand genommen und griff nach meiner, die noch immer das Halfter umklammerte.
      „Was denn jetzt los?“, hakte verunsichert nach.
      „Habe ich doch gesagt, wir gehen Fahren“, wiederholte er, aber ich verstand gar nichts mehr. Widerrede war zwecklos. Dennoch folgte ich ihm flink zu den Boxen. Interessiert lugte Maxou heraus. Laut wieherte sie und als ich weiterlief, begann der Aufstand erneut.
      „Kümmere dich um dein Pony, ich musste vor ein paar Tagen bereits ihre Box reparieren“, merkte Lars scharf an, offenbar hatte sie dafür gesorgt, dass keiner mehr ein Auge schließen konnte. Nickend drehte ich mich um und lief zu ihr. Die Ohren wippten aufmerksam nach vorn, als ich die Hand ganz langsam in ihre Richtung hielt. Wie ein Fisch nippten die Lippen an den Fingerspitzen, als gäbe es etwas Interessantes zu entdecken. Aber ich zögerte, traute mich noch immer nicht, aus eigener Motivation zu ihr vorzudringen. Beinah regungslos stand ich vor der Box, versuchte ich mich für eine der inneren Stimmen zu entscheiden, die einen intensiven Diskurs führten, was passieren sollte.
      Dass jemand von der Seite kam, mit einem Pferd, bemerkte ich zunächst an den angelegten Ohren meiner Stute, dann hörte ich Hufschlag. Augenblick, das klang unrein. Verwirrt drehte ich mich zur Seite, von der Lars mit Plano ankam und einem Eisen in der Hand.
      „Hast du wohl noch einmal Glück gehabt“, scherzte er, offenbar sollte ich den Jungen Hengst nehmen, der alles andere als einfach am Sulky war.
      „Und jetzt?“, hakte ich nach.
      „Ich sage Papa Bescheid, der macht das später wieder an den Huf“, erkläre Lars zuversichtlich und ließ mich den Beschlag an eine geeignete Stelle legen. Entschieden wählte ich die Bank vor seiner Box, offensichtlicher konnte es nicht sein.
      „Dann kann zurück ins Zimmer?“ In Zeitlupe setzte ich einen Fuß nach dem anderen Turm Ausgang, aber er schüttelte entschlossen den Kopf.
      „Fräulein, wir haben noch was zu tun.“ Seine Beharrlichkeit schmeichelte mir zu tief. Ich stoppte in meiner Bewegung, um ihm den Sieg zu überlassen.
      „Nun gut“, ich seufzte, „was hat der werte Herr geplant?“
      Fest entschlossen lief er los, offenbar überzeugt, dass ich ihm blind vertrauen würde. Um ihn diesen Zahn zu ziehen, blieb ich unbewegt an meiner Stelle stehen und betrachtete, wie äußerst elegant er sich den Weg zu den Hengsten bahnte. Aufgeregt wieherte Astronaut in seiner Box, die er aktuell für sich allein hatte. Augenscheinlich war von der großen Pracht an Rennpferden nur noch ein Drittel am Stall verblieben, während der Nachwuchs noch auf der Weide verweilte. Selbst Lotti, in der noch so viel Hoffnung lag, wurde von einem zum anderen Tag Zuchtstute. Bei Nachtschatten gab es ohnehin keine Möglichkeiten mehr für die Rennbahn, dafür war ihr letztes Rennen nicht nur zu lange her, sondern auch problematisch verlaufen. Ein junger Fahrer hatte vor der Ziellinie seinen Hengst nicht im Griff und raste in ihren Wagen. Dieser Schock saß tief bei der sechsjährigen.
      „So macht das kein Spaß. Wenn ich andauernd betteln muss, dann geh bitte“, drehte sich Lars zu mir um.
      „Du sagst mir nicht einmal, welches Pferd, also was soll ich dann tun?“, zertrete ich. Er zuckte mit den Schultern und zeigte zu Lu, der schon die ganze Zeit aus der Box blickte.
      „Der steht unter Linas Pflege“, erklärte ich.
      „Ach so, dann“, wieder überlegte er und sah sich suchend im Stall um. So groß war die Auswahl nicht, da konnte ich nachvollziehen, dass nichts für mich dabei war. „Wunderkind. Der passt zu dir.“
      „Jetzt warte doch mal“, zog ich ihn am Arm zurück, er stoppte. „Ich habe Angst.“
      „Wo vor? Wunderkind schläft doch schon beim Putzen ein“, wunderte Lars sich und drückte die Augenbrauen zusammen.
      „Versagen“, murmelte ich bei gesenktem Kopf.
      „Schau doch mal: Ich bin die ganze Zeit bei dir. Wunderkind ist eine Schlafnase und du schon ein großes Kind. Zu Weihnachten wünsche ich mir so sehr, dass wir durch den Wald fahren.“ Lars stand dicht bei mir, strich mir mit seiner warmen für die Wange. Der Anflug eines Lächelns umspielte meine Lippen. Für einen langen Augenblick sah er mich an und flehende Hitze in seinem Blick, ließ mir den Atem stocken. Obwohl er zuvor nicht einen Hauch von Ablehnung vermittelte, zweifelte ich an seinem Interesse, der Grund lag nah. In meinem Kopf geisterte selbstverständlich noch Erik, den ich mit allerlei Bekanntschaften verdrängte aber am Stall, kam natürlich erlebtes wieder hoch.
      Ich schüttelte mich. Vergangenes war Vergangenheit und der kleine Flirt fühlte sich nach einem Neuanfang an. Zart drückte ich meine Lippen auf seine Wange, ehe ich ihm das Halfter aus der Hand klaute, um den Schecken von dem Paddock zu holen.
      Wunderkind stand in der letzten Ecke im Sand und ich hüpfte zwischen den Pfützen hinweg zu ihm, dicht gefolgt von Shaker, der meine Bewegungen äußerst interessant fand. Er schnupperte wieder an meinem wippenden Dutt, aus dem einige der Dreadlocks herausgerutscht waren. Einmal schnappte er sogar nach einer, bekam einen Schubser von mir. Der Schecke kam mir die fehlenden Meter entgegen und ich zog ihm das Halfter über die Ohren. Den Schopf sortierte ich darüber.
      Im Stall putzte Lars bereits Dustin, der hysterisch begann zu wiehern, als Hufschlag auf dem Beton durch die Halle schallte. Zufrieden grinste die Dunkelhaarige, aber verkniff sich weitere Kommentare. Wieder zögerte ich. Er streckte mir einen Striegel entgegen, mit dem ich im nächsten Augenblick die großen Sandflächen aus dem hellen Fell entfernte. Auf dem Boden zeichnete sich die genaue Position von uns ab. Zum Abschluss kratzte ich die Hufe aus. Lars brachte mir sein Geschirr mit, nach dem Dustin bereits fertig gemacht war. Ungeschickt hob ich einen Lederstriemen nach dem anderen in die Luft, um den Anfang zu finden.
      „Jetzt hilf mir bitte“, stöhnte ich, nach dem er sich vor Lachen bereits krümmte. Den Brustgurt hatte ich kurz als Bauchgurt um den Hengst gelegt, der jeden Handgriff mit sich machen ließ.
      „So schwer ist das doch nicht“, scherzte er und griff mir über die Schulter. Unter seinem Arm wollte ich abtauchen, damit er mehr Platz am Pferd hat, aber er hielt mich davon ab.
      „Sieh richtig hin“, wies Lars mich an. Langsam zeigte er mir noch einmal die richtige Reihenfolge zum Gurten, obwohl ich wusste, wo, was hingehört. Kurzzeitig stoppten meine Gehirnzellen.
      „Ich möchte euch ja ungern stören“, räusperte sich jemand hinter uns, „aber hat einer von euch vielleicht meinen Hund gesehen oder alternativ meine Schwester?“ Als ich mich umblickte, entdeckte ich Juli. Ihr Freund, den sie im Schlepptau hatte, blickte ein wenig skeptisch die Tier in den Boxen an und hielt einen sicheren Abstand zu ihnen.
      „Wart ihr schon im Büro nachschauen?“, fragte Lars und zeigte dabei mit gestrecktem Arm zur ersten Hütte an der Hallenbande. Ich schmiegte ich zur gleichen Zeit näher an ihn heran, es forderte mich undefiniert vor anderen ihm näherzukommen. Er hatte offensichtlich kein Problem damit, sondern drückte mich noch näher an seine breite Brust.
      „Nein, aber dann schaue ich da mal. Danke“, bedankte sie sich freundlich und verschwand schmunzelnd in genannte Richtung.
      „Wollte da etwa jemand die Besitzansprüche verdeutlichen?“, grinste er vertieft in meinen Augen. Auch hing an ihm fest. Was war das nur? Ich konnte mich doch umgehend in den nächsten Typen verlieben, aber das Potenzial dafür strahlte bereits. Es schrie in mir, ihn zu küssen, doch hielt mich zurück.
      „Eventuell, aber komm jetzt, bevor ich es mir anders überlege“, sagte ich entschlossen und lief mit ihm zusammen zur Sattelkammer, um Helm und Brille zu holen.
      „Spritzschutz ist am Wagen?“, überlegte ich laut, als mich das Plastik aus dem Regal entgegenlächelte.
      „An deinem nicht, also nimm lieber mit.“ Er schloss seinen Helm und wechselte noch die Hose. Ich für meinen Teil bevorzugte den Ganzkörperanzug und stieg mit meinen Reitsachen hinein.
      Schritte näherten sich und Linas Schwester tauchte erneut auf
      „Im Büro war sie nicht hab ihr sonst noch eine Idee, wo ich suchen kann?“, fragte sie.
      „Dann kann sie nur bei uns in der Hütte sein“, kam es mir als letzte Idee.
      „Danke, dann euch zwei noch viel Spaß“, sagte sie und verschwand. Komisch, Lina konnte doch nicht vom Schnee verschluckt worden sein? Ich zuckte mit den Schultern und verließ ebenfalls mit Lars die Sattelkammer. Es war erstaunlich, wie schnell er das Chaos beseitigte hatte und man in kurzer Zeit alles fand.
      Zusammen hingen wir die Sulky an. Immerhin musste ich nicht gurten, sondern hatte einen Schraubverschluss, der nur zur Sicherheit festgezurrt wurde. Aber der Herr der Schöpfung konnte natürlich alles. Meine Augen folgten seinen Händen, wie sie galant das Leder durch die Riemen zogen und den Verschluss schlossen. Dustin wippte dabei mit dem Kopf, konnte es kaum abwarten, durchzustarten. Wunderkind hingegen schlief beinah ein, wie Lars es prophezeite. Ich hatte mit dem Schecken kaum zu tun, aber unter Tyrell im Sattel kannte ich ihn als unberechenbares Pferd. Manchmal sprang er verschreckt zur Seite oder hängte sich an den Hintern eines anderen Pferdes im Sand, ließ sich fortan nirgendwo anderes lenken.
      Nacheinander führten wir die Traber aus dem Stall, sprangen im Schritt auf den Sitz und positionierten uns parallel. Spielerisch schnappten sie sich. Zwischendurch sprühte der Schnee nach oben, aber der Schutz an meinem Sulky war zu groß, damit bekam ich zur Abwechslung nichts ab.
      Lars konzentrierte sich auf Dustin, setzte sich streckenweise mehrere Pferdelängen voraus, um dann ihm in der Geduld zu schulden. Nur einmal trabte ich mit, aber entschied im Schritt zu bleiben. Bei fehlendem Beschlag rutschte Wunder mehrmals auf dem nass feuchten Untergrund. Um sich zu halten, gab ich ihm die Leinen und der Hengst balancierte sich von selbst. Im Wald selbst war es beinah still. Nur das Meeresrauschen drang gedämpft zu uns vor und vermischte sich mit dem Rascheln der Hufe im halbhohen Schnee und Matsch.
      „Und? Auf einer Skala von null bis Zehn, wie glücklich bist du?“, bremste Lars Dustin ab und positionierte sich neben uns.
      „Jetzt gerade?“, kurz sah ich zu ihm, „ich denke, dass es eine gute sieben ist.“
      „Sieben? Klingt vielversprechend“, schmunzelte er und zupfte dabei an den Leinen, um Dustin in seinem Grundtempo zu stoppen. Gar nicht zufrieden mit der Situation, tippelte der Braune voran und wippte mit dem Kopf.
      „Ich verstehe nicht, was er heute hat. Wir hatten diese Woche so viele Heats, da müsste er ein Lämmchen sein“, schüttelte Lars mit dem Kopf.
      Ich hob nur die Schultern. Wunderkind war glücklicherweise eins. In gleichmäßigen Schritten setzte er durch den Wald, sah sich bei nahen Geräuschen um und streckte den Kopf. Zwischendrin schnaubte er ab, dann lobte ich ihn. Ehrlich gesagt konnte ich mir nur schwer vorstellen, warum Lars so sehr mich am Pferd sehen wollte, aber er hatte gute Arbeit geleistet.
      Im Stall begegneten wir tatsächlich mehreren Einstellern, unter anderem einer Mädchen, die kichernd neben meiner Schwester saß. Obwohl es offenbar Kommunikationsschwierigkeiten gab, waren sie sich einer Sache sicher: Lars ist verdammt heiß. Dem konnte ich nichts entgegensetzen, aber sie, mich komplett ausblendeten, lag mir schwer im Magen. Zumindest Madly sollte dahinter gestiegen sein, aber hing mit jedem Blick an dem jungen Herren neben mir. Es wurde erst ruhiger, als ich mit ihm das Equipment in die Kammer brachte.
      „Das geht seit Wochen so. Egal, wo ich bin, alles tuschelt um mich herum, anstelle mich ansprechen“, sprach er umgehend das Thema an.
      „Mh“, brummte ich nur.
      „Was denn los?“, fragte er verärgert.
      „Du siehst nun mal umwerfend aus und das fällt als Erstes auf. Dass du zudem auch noch ein Lexikon über Pferdewissen hast, können sie nicht wissen, weil du bereits auf dein Aussehen reduziert wurdest“, zuckte ich unbeeindruckt mit den Schultern. Natürlich schloss ich mich dieser Meinung an, kam jedoch schon in den Genuss von mehr. Auch in Anbetracht an den heutigen Arbeitstag.
      „Aha?“, niedlich zuckte ein Lächeln auf seinen Lippen. Möglichst neutral versuchte er meine Aussage anzunehmen, aber das bewusst einen Schritt auf ihn zu machte, brachte ihn aus dem Konzept. Lars setzte zurück, stolperte über einen Eimer und landete auf dem Boden. Zuvor griff er nach meiner Hand, um mich mit sich in den Abgrund zu ziehen. Ungünstig landete ich auf ihm, doch er richtete mich direkt richtig, dass ich auf seinem Unterleib saß. Neben uns polterten mehrere Gurte auf den Boden, die einen höllischen Lärm verursachten. Aber ich wurde umgehend abgelenkt. Seine Händen strichen verführerisch über meine Oberschenkel. Überall in mir zuckte es, zerrend verbreitete sich Wärme vom Bauch aus. Ich schenkte ihm ein verträumtes Lächeln. Hundegebell erklang und just im selben Augenblick tapste ein Hundekind herein. Aufgeregt rotierte die Rute des Tieres durch die Luft und sie schnupperte an uns. Lange dauerte es nicht, bis dem Hund auch noch menschliche Schritte folgten.
      “Alles in Ord …”, setzte Lina bei Betreten der Hütte eine Frage an, brach allerdings ab, als sie uns auf dem Boden entdeckte. Stattdessen begann sie breit zu grinsen: “Ich sehe schon, ich brauche nicht weiter zu fragen.”
      Lars' Hände waren mittlerweile an meine Hüfte gewandert und wir starrten einander nur an. Peinlich berührt durch ihre plötzliche Erscheinung legte sich ein intensives Rot auf meine Haut.
      „Ähm“, stammelte ich unsicher, „das ist aus Versehen passiert.“
      Synchron begannen beide zu lachen.
      „Jetzt tu doch nicht so“, richtete sich Lars etwas auf. Ich spürte seine eindringenden Blicke auf mich, als würde er etwas erwarten. Noch mehr fehlten mir die Worte.
      “Ach, alles gut”, schmunzelte sie noch immer, “macht doch, was ihr wollt. Aber wenn ihr dabei allein bleiben wollt, solltet ihr das nächste Mal vielleicht weniger Lärm machen.”
      „Ich wollte gar nichts!“, versuchte ich mich zu verteidigen, nicht einfach. Endlich ließ er seine Hände von mir und konnte aufstehen. Neben Lina standen bereits die großen Eimer, voll mit drei Maß Hafer und verschiedener Kräuter. Zusätzlich bekam Dustin noch etwas für seine Gelenke.
      “Okay, du bist ein willenloses Wesen, ganz ohne Hintergedanken”, nickte sie, bemüht, das Schmunzeln zurückzudrängen. Der Welpe erkundete mittlerweile die heruntergefallenen Gegenstände, schlüpfte unter den unterschiedlichsten Strängen hindurch, kletterte darüber und begann dabei alles noch ein wenig mehr durcheinanderzubringen.
      “Heißt der Zweite da, dass du auch am Pferd warst oder kann Lars mittlerweile zwei Pferde zugleich trainieren?”, kam Lina nun auf ein anderes Thema zu sprechen.
      „Tatsächlich ist sie gefahren“, ergriff er beherzt das Wort und befreite die Geschirrunterlage vom Welpen, der versuchte an einem der Gurte zu ziehen. Auch ich bückte mich zu den Trensen herunter, die zuvor auf dem Bock lagen.
      “Oh, schön. Das ist ja schon ein großer Schritt in die richtige Richtung”, lächelte sie.
      „Da kommt noch mehr“, munkelte der Herr und reichte mir die andere Trense. Weiterhin versuchte ich mich aus dem Gespräch fernzuhalten. Andere trafen bessere Entscheidungen für mich, langsam sah ich diese Tatsache ein. Nacheinander hängte ich das Leder weg und damit waren wir fertig.
      “Du willst sie doch nicht etwa heute auch direkt auf Pferd setzen?”, hakte sie von Neugierde erfüllt nach. Frech huschte ein Lächeln über seine Lippen.
      „Das vielleicht auch“, feixte er.
      “Ich frage mal lieber nicht weiter”, lächelte sie irritiert, mehr, als sei es eine Übersprunghandlung und holte mit einer Geste Nivi zu sich, die gerade den nächsten Gegenstand als Spielzeug erwählen wollte.
      „Das“, betonte ich seine Anspielung ebenso zweideutig wie er, „bedarf mehr als deine Entscheidung. Ich muss schließlich meine Familie ertragen.“ Zusammen lachten wir und liefen mit den Eimern heraus. Vorsorglich schloss Lars die Tür, um den übermütigen Hund rauszuhalten.
      „Kommst du mit?“, fragte ich im Anschluss Lina, die nicht sonderlich beschäftigt wirkte. Vermutlich die Ruhe vor dem Sturm.
      “Jap, schließlich muss noch ein wenig Zeit Tod geschlagen werden”, nickte sie und folgte uns, während das kleine Fellknäuel mit Vollgas an uns vorbeischoss.
      „Wann fängt es denn bei euch an?“, informierte Lars sich. Aus meiner Hand nahm dem grünen Eimer für Dustin. Gierig drückte er den Kopf voran, um so schnell wie möglich sein Futter zu haben, aber er ließ sich Zeit.
      “Also Samu wollte mit seiner Familie so zwischen sechs und sieben hier auftauchen, aber seine Freundin samt Familie kommen ein wenig später, weil sie noch in die Messe gehen”, gab Lina Auskunft über die Pläne. Dann setzte er direkt fort, nur ich verschwand aus der Situation. Wunderkind hatte seinen vollen Eimer einige Meter entfernt vollständig aufgefressen, durfte damit zurück zu den anderen Jungs. Bei meiner Rückkehr standen die beiden noch immer da, vertieft über Erzählungen über die Feiertag. Kaum hatte ich mich verabschiedet, nahte Bedrohung von vorn. Meine Schwester und Mutter gefolgt mit Harlen kam auf uns zu. In der Hoffnung, dass sie mich nicht bemerkten, versteckte ich mich hinter Lars.
      „Was wird das?“, flüsterte er mir zu.
      „Ich hasse Weihnachten und verstehe nicht, wieso die das so ernst nehmen.“ Doch es war zu spät. Mein Bruder erspähte mich mit seinen Adleraugen, während Madly ihm immer wieder etwas Trällerndes auf dem Handy zeigte.
      „Hier steckst du“, lächelte Mama, „aber wie siehst du denn aus.“
      Auf der Hose waren vom Matsch einige Spritzer, so auch auf den Stiefeln. Meine Hofjacke hatte freilich bessere Zeiten erlebt, aber Arbeitskleidung durfte dreckig werden. Dafür gab es Waschmaschinen.
      „Es tut mir leid. Ich werde mich umziehen gehen“, duckte ich mich weg.
      „Schon gut, aber beim nächsten Mal“, es wird kein nächstes Mal geben, dachte ich insgeheim, „achtest du bitte darauf. Was sollen die Leute denken?“, appellierte sie. Ja, genau. Was sollten die Leute nur denken von der Gestörten am Hof. Ganz kritisch.
      Harlen nahm ihren Arm in den Haken und lief weiter. Auf meinen Lippen formte ich ein Danke, damit blieb nur Madly, die auch sofort zu Lina tigerte.
      „Hey, ich bin Vivis Schwester, aber in cool. Hast du einen Führerschein?“, charmant wie immer. Tatsächlich packte sie das Handy für einen Augenblick zur Seite.
      “Oh cool, Vorstellungsrunde, jeder sagt eine Sache, für die er qualifizierter ist”, sprach sie. Offenbar schien sie Madly nicht wirklich ernst zu nehmen.
      “Ich bin Lina und ja, ich habe einen Führerschein”, wandelte sie die Unhöflichkeit der kleinen Nervensäge in eine pädagogische Übung.
      „Ich bin Lars, und“, er überlegte ziemlich lange, mir fielen direkt mehrere Sachen ein, für die er qualifiziert war, aber er schwieg.
      „Und du bist heiß, ja wissen wir“, rollte Madly mit den Augen. Vorhin schien ihr das noch essenziell, das Leben der jungen Generation war wirklich kurz.
      „Aber gut, Lina. Kannst du mich hier wegbringen? Alle weigern sich, aber ich ertrage das nicht. Es riecht eklig und Internet gibt es auch nicht“, jammerte sie.
      “Könnte ich wohl, aber ehrlich gesagt steht das heute nicht auf meiner Agenda. Was das Internet angeht, das ist Mitarbeiter und Einsteller vorbehalten. Aber ich könnte mir vorstellen, dass deine Geschwister in dem Fall wohl möglich eine Ausnahme machen könnten”, sagte Lina äußerst diplomatisch und unbeeindruckt von ihrem Gezeter. Madly gegenüber schien die Brünette auf einmal eine Selbstsicherheit an den Tag zu legen, die sie sonst nicht aufzubringen vermochte.
      „Findest du nicht auch, dass ich etwas aufgemuntert werden sollte, nach so einer Frechheit?“, flüsterte mir Lars gleichzeitig zu.
      „Vielleicht, aber da kann ich dir vermutlich nicht helfen“, sprach ich genauso leise und schmiegte mich wieder eng an ihm. Obwohl mir jegliche Feiertage ein Dorn im Auge waren, lag etwas Magisches in der Luft, das mich immer wieder zu ihm zog. Er war daran auch nicht ganz unbeteiligt und schien meine Nähe geradezu zu genießen. Seinen Arm legte er an meinen Rücken, um mich noch enger zu halten.
      „Das wäre schon unfair“, merkte ich schließlich an, „ich habe nicht einmal mein Handy wiederbekommen.“
      „Du bist alt. Was willst du auch damit?“, konnte meine Schwester sich offenbar nicht zügeln. „Außerdem solltest du das nachher wieder bekommen, aber ich sage jetzt Mama, dass du frech warst.“ Madly schnaubte noch mal und rannte aus dem Stall. Ihre kleinen Absätze klackerten auffällig auf dem Beton, dann ertönte Stöhnen und Beschwerde über das matschige Wetter – Als wäre London so viel trockener!

      Am Abend …

      Lina
      “Lina, du solltest mal langsam fertig werden, Samu hat schon vor zehn Minuten geschrieben, dass sie gleich da sind”, kam meine Schwester mit meinem Handy in der Hand ins Bad marschiert, “Ach, und dein Freund hat etwas geschrieben.”
      “Jaaaa, ich bin ja gleich fertig”, entgegnete ich und zupfte die letzten Haarsträhnen zurecht, “und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du deine neugierigen Augen aus meinen Nachrichten lässt.” Ich kannte meine Schwester, vor ihr war wirklich nichts sicher, so hatte sie mit Sicherheit auch bereits mein Zimmer und die komplette Hütte auf den Kopf gestellt.
      “Schätzchen, ich habe doch schon alles gesehen. Ich glaube kaum, dass man da etwas finden könnte, was mich noch schockiert”, feixte Juli. Noch bevor meine Schwester das Thema vertiefen konnte, hörte ich es an der Tür klopfen. Eilig lief ich zu der Glastür und öffnete diese.
      “Schön, dass ihr da seid, kommt doch rein”, lächelte ich freudig. Nacheinander begrüßte ich erst Samus Eltern, dann seine Brüder und mit Samu bildete seine Schwester das Schlusslicht. Natürlich kam auch ihm eine gebührende Begrüßung zu, die von Eevi allerdings ziemlich schnell unterbrochen wurde.
      “Lina, ich habe dich so lange schon nicht mehr gesehen”, sprach sie höchst erfreut, schob ihren Bruder bei Seite und zog mich in eine Umarmung, die mir beinahe die gesamte Luft aus der Luge, drückte.
      “Schwesterchen, du solltest Lina schon am Leben lassen”, lachte dieser.
      “Sei du mal ruhig, du siehst sie auch ständig. Das verstehst du nicht”, beschwerte sie sich sogleich bei ihrem Bruder, lockerte aber tatsächlich ihren Griff.
      “Klar, ich bin auch nur ein Kerl. Ich kann das gar nicht verstehen”, scherzte er selbstironisch, verschwand aber schließlich, um Juli zu begrüßen.
      “Lina, Schätzchen, lass dich mal ansehen”, richtete Eevi das Wort wieder an mich und drehte mich einmal um dreihundertsechzig Grad, “Du bist ja eine richtig hübsche junge Frau geworden. Ich bin begeistert!” Sicher würde man sich an dieser Stelle fragen, wieso sie sprach wie eine Oma, die ihr Enkelkind mehrere Jahre nicht gesehen hatte. Na ja, weil es nicht ganz so weit von der Wahrheit entfernt war. Meine Oma war sie natürlich nicht, aber letzteres traf zu. Die letzte Begegnung dürfte zu Schulzeit gewesen sein.
      “Danke, aber komm doch erst einmal richtig rein”, lächelte ich und versuchte sie zum Weitergehen zu bewegen, damit ich endlich die Tür wieder schließen konnte.
      “Na, wer ist denn das niedliche Ding?” Eevi hatte Dog entdeckt, der geweckt durch den Trubel von seinem Kissen aufgestanden war und nun durch die Gegend taumelte. Nivi hingegen sprang wie ein Flummi durch die Gegend, dabei war sie den ganzen Tag lang mitgelaufen. Dieser Hund hatte echt einen enormen Energievorrat.
      “Das ist Dog, der Hund meiner Mitbewohnerin”, erklärte ich, bevor ich zu Samu weiterlief, der an der Küchenzeile, schon einmal das Nahrungsangebot begutachtete.
      “So hungrig, füttert deine Freundin dich nicht gut zu Hause”, feixte ich und stieß ihm die Finger spielerisch in die Seite.
      “Doch, das heißt, wenn sie denn zu Hause ist”, lacht Samu, “aber das sieht wirklich vorzüglich aus, was du da vorbereitet hast.” Gierig wollte er schon seine Finger in eine der Schüssel stecken, was ich mit einem Stoß gegen seinen Arm quittierte.
      “Finger weg, aber den Dank musst du an Taavi und Juli richten. Die zwei haben den halben Tag lang gezaubert”, sprach ich und versuchte den Blonden in Richtung des Tisches zu schieben. Natürlich konnte ich nichts gegen seine gut trainierte Körpermasse aussetzen.
      “Du darfst dich darauf stürzen, sobald alle da sind”, probierte ich meiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen.
      “Nicht nett, dass du mich verhungern lässt”, schmollte dieser und verschränkte die Arme vor der Brust. Dennoch entging mir das Zucken in seinen Mundwinkeln nicht.
      “Du verhungerst in einer halben Stunde, aber bevor das passiert, hier”, sprach ich und drückte ihm eine Schale mit Plätzchen in die Hand. Samu schaute nicht schlecht, als er liebevoll verzierten Rentiere, Pferdchen und was mir sonst noch so an Ausstechern in die Hände gefallen war, in der Schüssel sah.
      “Lina, du hast dir viel zu viel Mühe gegeben Essen zu verzieren”, stellte er fest, begab sich aber dennoch endlich zum Tisch. Auch ich begab mich zu einem freien Stuhl zwischen seiner Schwester und Anni, seiner Mutter. Kaum hatte ich mich gesetzt, überfiel sie mich mit einer Frage: “Ich hörte gerade, du hast einen Freund, wie ist der so?” Dass diese Frage jetzt erst kam, verwunderte ich schon ein wenig. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie mit ihren Fragen so lange an sich halten konnte.
      “Niklas ist charmant, unheimlich klug, sieht gut aus …”, lächelte ich zurückhaltend. Nicht dass es mir peinlich war über meinen Freund zu sprechen, doch ich hatte das Gefühl gegenüber Samus Eltern die Worte ein wenig bedacht auswählen zu müssen.
      “Mensch Lina, jetzt untertreib mal nicht, dein Freund ist absolut heiß”, grätschte meine Schwester nun dazwischen. Taavi schien dieser Kommentar weniger zu gefallen, denn er legte ihr unmittelbar die Hand aufs Bein, als stiller Appell, dass sie bereits vergeben war.
      “Juliette”, empörte ich mich, während mir die Röte in die Wagen stieg.
      “Und wo hast du den heißen Niklas versteckt? Wird man den heute noch kennenlernen?”, schmunzelte die Blonde mit funkelnden Augen.
      “Nicht hier, er hat familiäre Verpflichtungen, aber morgen kommt er”, versuchte ich ihre Neugierde zu stillen. Bereits jetzt war sie mir ein wenig zu aufdringlich, zumal seit Julis Einwurf auch Samus Eltern hellhörig geworden waren. Einzig Niila und Joona schien das ganze wenig zu interessieren, denn diese hatten sich mit ihrem Bruder in eine hitzige Diskussion über das letzte Spiel des HIFK vertieft.
      “Wirklich bedauernswert, ich würde zu gerne sehen, wer dich in dieses Land entführt, hat”, entgegnete Eevi schon beinahe vorwurfsvoll, ”Aber dann möchte ich wenigstens Bilder sehen.” Während ich für Eevi ein paar Bilder heraussuchte, stand Juli auf und lief zu der Küchenzeile.
      “Damit du mal ein wenig redseliger wirst”, kicherte sie mir ins Ohr und schenkte mir ein Glas aus der grünen Flasche ein, bevor sie auch den Rest daraus anbot.
      In den folgenden zwanzig Minuten musste ich Eevi zahlreiche Fragen beantworten, wobei sie durch die schalkhaften Kommentierung meiner Schwester auch noch angefeuert wurde. Vorübergehend erlöst wurde erst als Samus Freundin endlich eintraf.
      Bereitwillig lief Samu zur Tür, um den Nachzüglern Einlass zu gewähren. Enya, die ich sonst nur im Alltagslook kannte, hatte eine wahrhafte Verwandlung durchgemacht. Engelsgleich erschein sie in einem schlichten weißen Kleid, welches ihrer außerordentlich schönen Figur schmeichelte und ihr goldblondes Haar fiel in leichten Wellen über ihre Schultern.
      “Warum hast du denn nicht erzählt, dass mein Bruder so eine hübsche Freundin hat”, tuschelte Eevi mir leise zu, während mein bester Freund, ganz der Gentleman, den neuen Gästen die Jacken abnahm.
      “Du hast mich ja kaum zu Wort kommen lassen”, entgegnete ich wahrheitsgemäß. Bevor sie noch etwas entgegnen konnte, kam allerdings ein strahlender Samu mit seiner Schönheit am Arm an den Tisch. Wohlerzogen stellte er Enya zuerst seinen Eltern vor, bevor sich die gesamte Familie Bäcklund auf die verbliebenen Plätze begab.
      “Wo jetzt alle da sind, möchte ich euch noch einmal herzlich willkommen heiße. Danke, dass ihr alle, den weiten Weg nach hier draußen auf euch genommen habt, um heute hier zu sein. Viel länger möchte ich euch auch nicht mehr vollquatschen. Somit God Jul und guten Appetit”, richtete ich meine Worte an die versammelte Menge und gab damit das Buffet frei. Frohsinn lag in der Luft und durchströmte auch mich. Über die Gespräche beim Essen konnte ich eine Menge neuer Informationen über die Geschehnisse in der Heimat erlangen, während Eevi damit beschäftigt war, der Freundin ihres Bruders auf den Zahn zu fühlen. Exponentiell zu den sich leerenden Weinflaschen stieg die Stimmung in dem Raum und die Gespräche wurden ausgelassener. Ich folgte gerade einer interessanten Erzählung von Enya über einen komplizierten, aber unheimlich interessanten Fall von Lahmheit in der Klinik, als das Smartphone in meiner Hosentasche keine Ruhe mehr geben wollte. Zahlreiche Benachrichtigungen ploppten auf dem Bildschirm auf, die ich grob überflog. Ein paar Weihnachtsgrüße von Alec, Quinn, auch Mateo hatte mir geschrieben. Der junge Mann, der seit Kiel zum Team gehörte, verbrachte die Feiertage bei seiner Schwester, die nicht unweit von Högsby einen kleinen Hof hatte.
      „Schöni Weihnacht wünsch ich dir”, schrieb er in dem komischen Dialekt, den er deutsch nannte. Wirklich seltsam waren diese Schweizer. Anbei sendete er noch einige Bilder von den Pferden seiner Schwestern, die einige wunderschöne Freiberger besaß. Ein prächtiger Schimmel trat besonders auffällig zwischen den restlichen Tieren hervor, der von der Statur her sicher ein Hengst sein mochte. Niedlich von Mateo, dass er an meine Passion für diese seltene Rasse dachte.
      Ich scrollte weiter durch meine Nachrichten, stockte, als ich einen Namen las, der schon lange nicht mehr dort aufgetaucht war, genauer gesagt seit über vier Monaten nicht mehr. Mit dem Verlassen des Whitehorse Creek Stud, brachte ich nicht nur eine räumliche Distanz zwischen uns. Zu verwirrend waren meine Gefühle noch gewesen und zu frisch die Erinnerungen an ganz neue Seiten, die dieser Sommer ans Tageslicht gefördert hatte. Doch mir war auch nicht entgangen, dass Jace das nicht so einfach akzeptierte. Jeden einzelnen meiner Social Media Post hatte er gelikte, sogar eines der Bilder mit Niklas. Das kam mir äußerst seltsam vor, immerhin sprachen wir noch immer von dem Kerl, der meinem Freund die Nase brach. Und dass, obwohl Niklas in dem Moment nicht mehr getan hatte als nett zu sein. Wie auch schon Jace Kommentierungen auf Instagram ignorierte ich ebenfalls seine Nachricht. Ich fühlte mich nicht bereit, mich mit ihm auseinanderzusetzen, erst recht nicht an diesem Festtag. Stattdessen sendete ich meinen anderen ehemaligen Kollegen Weihnachtsgrüße zurück.
      „Na wer beschäftigt dich so intensiv?“, fragte Eevi bei der meine Aktivität an dem Gerät nicht unbemerkt geblieben war, “Dein heißer Polizist?” Vom Alkohol aufgeputscht kicherte sie wie eine zwölfjährige. Im Allgemeinen schien die Stimmung erheblich vom Alkohol beeinflusst. Niila und Joona führten mit Enyas Vater einen angetretenen Fachdiskurs über Motoren oder Ähnliches, wohingegen Juliett ihre Finger nicht bei sich behalten konnte und fortwährend ihren Freund betatschte. Samus Mutter hingegen brachte zahlreiche Anekdoten ihrer Kinder zu besten, von denen sich Enya offenbar gut unterhalten fühlte, zumindest, solang ihre Mutter keine Geschichte ihrerseits dazu beisteuerte.
      “Wenn es so wäre?”, stellte ich mit einem verwegenen Grinsen eine Gegenfrage.
      “Dann könntest du ihn ja fragen, ob er nicht vielleicht doch herkommt”, schlug die Blonde schmunzelnd vor.
      “Ach, das schaffst du doch sicher nicht, dass er jetzt noch kommt”, warf meine Schwester plötzlich ein. Klar, dass sie bei diesem Thema augenblicklich hellhörig wurde, auch wenn sie für gewöhnlich weniger angriffslustig war. Vermutlich war es der Alkohol, der mir zu Kopf gestiegen war, der dafür sorgte, dass ich ihr augenblicklich widersprach.
      “Natürlich bekomme ich Niki her. Ist doch ein Kinderspiel mit den richtigen Worten”, entgegnete ich selbstsicher. Es war eindeutig der Wein, der aus mir sprach. In der Regel war es eher das Gegenteil von einfach den viel beschäftigten Mann herzubekommen, wenn er nicht ohnehin schon kommen wollte.
      Jedenfalls ergriffen meine von Überzeugung getriebenen Finger erneut das Mobilgerät und tippten in Lichtgeschwindigkeit auf dem leuchtenden Bildschirm herum. Kaum hatte ich die Buchstaben in das weltweite Netz entsendet, änderte sich der Onlinestatus. Auch fing er sogleich zu schreiben an, sodass wenig später ein einziger Satz erschien: “Ich fahre in zehn Minuten los.”

      Vriska
      „Wo willst du hin?“, fragte Mama irritiert, mit dem Weinglas in der Hand, das drohte rote Flecken auf dem hellen Teppich zu hinterlassen.
      „Das habe ich dir vor Stunden schon gesagt“, vorsichtshalber rutschten meine Augen zur Uhr, „ich möchte noch zu Tyrell und Bruce.“
      „Wir sehen uns doch kaum“, jammerte sie auf einem Mal, obwohl sie dazu beitrug, dass ich den Großteil aller Familienfeste seit Jahren mied. Immer wieder hakte sie auf mir herum mit denselben Sprüchen über mein Aussehen, das gipfelte in dem, dass selbst mein so schweigsamer Bruder für mich Partei ergriff.
      Ich schwieg und zog mir meine Jacke über an der Tür.
      „Was willst du überhaupt bei denen? Wir sind deine Familie“, warf Mama mir plötzlich vor, als hätte ich es jemals laut ausgesprochen, dass sie mir egal war.
      „Familie Earle ist auch meine. Sie haben mir durch so schwere Zeiten geholfen und lebe mit ihren, daran ist nichts verwunderlich“, erklärte ich ruhig, obwohl ich innerlich brodelte.
      „Aha.“
      Hinter mir fiel die Tür zu. Kopfschüttelnd lief ich über den gefrorenen Boden und sah schon aus der Ferne das kleiner Feuer, das entfacht wurde. Obwohl meine Schwester bis zum Schluss versucht hatte, Mama davon zu überzeugen, dass ich keinesfalls mein Handy zurückbekommen sollte, hielt ich es in der Hand. Es grauste mir, es tatsächlich anzuschalten. Vermutlich würde Bildschirm vor Überlastung explodieren. Schweren Herzens steckte ich es in die Jackentasche und versuchte Land zu gewinnen.
      Kaum erreichte ich die kleine Runde am Feuer, wurde ich herzlich begrüßt. Mir gegenübersaß ein älterer Herr, der sich sogleich als Lars Vater Bruno vorstellte. Bei Bruce hatte Nour Platz genommen, die ebenfalls zur Familie Alfvén gehörte.
      „Und du bist dann Vriska?“, lächelte Nour und schielte dabei immer wieder zu ihrem Bruder hinüber, der im Schein der Flamme einen hochroten Kopf hatte. In der Hand hielt er ein Bier, wie alle anderen. Auch mir bot man umgehend eins an, offenbar sah ich so aus, als würde, könne ich es gebrauchen.
      „Ja“, sagte ich freundlich. Noch während ich mich nach einem Platz umsah, zog Lars mich zu sich.
      „Wir haben schon viel gehört“, fügte Nour hinzu.
      „Nur Gutes, hoffe ich“, drückte ich einen Standardspruch heraus, aber bekam diverse Dinge in den Kopf, was genau sie meinten könnte. Das bestehende Gespräch setzte sich fort. Tyrell erzählte, dass noch vor dem neuen Jahr eine Stute aus Deutschland kommen würde zum Training. Ihre Chancen seien gut. In der Heimat fuhr sie bereits in Amateurrennen einige Siege ein, aber es fehlte noch viel zum Derby.
      „Hast du dir schon überlegt, wer sie fahren wird?“, funkelten Nours Augen in Tyrells Richtung, der sich hauptsächlich um die Zucht kümmerte. Das Training übergab er Bruno.
      „Wenn du so fragst, kannst du sie gerne übernehmen“, schlug er vor. Nicht, dass es ihm etwas bedeuten würde, wer welches Pferd trainiert, viel mehr war es die Tatsache, dass er die Damen am Hof glücklich sehen wollte.
      „Vriska, wie sieht das bei dir eigentlich im nächsten Jahr aus?“, fragte Tyrell, nach dem ein Schweigen ausbrach. Natürlich hatte ich darüber viel nachgedacht, aber ich wusste es nicht. Nachdem Lina meine größte Sorge bestätigt hatte, verlief sich der Strom in meinem Kopf in den Sand.
      „Ich lasse es auf mich zukommen“, sprach ich zittrig. Lars legte seinen Arm um mich und mein Kopf senkte sich an seine Brust. Sanft drückte er mir einen Kuss an die Haare.
      „Dressur ist damit wieder Geschichte? Erzähl doch mal“, versuchte Tyrell weitere Informationen zu bekommen. Ehrlich gesagt, wusste er kaum etwas. Seitdem ich Erik hatte und den größten Teil damit verbrachte, ihn zu vermissen, allein in der Hütte, mied ich den Kontakt zu allen Beteiligten. Aber ich vermisste die kleinen Runden, jeden Tag.
      „Lubi soll so gut wie verkauft sein, also fällt die Saison für mich weg. Aber ich drücke mich auch davor, mein Handy anzumachen“, gab ich offen zu.
      „Fahri hat leider einen Sehnenschaden, sonst hättest du den nehmen können. Demnächst kommt noch ein Hengst in den Beritt, der auch auf Turnieren gehen soll“, schlug er vor. Ich zuckte mit den Schultern. Es war mir zu viel, nicht einmal richtig angekommen, fühlte ich mich.
      „Ich hatte ihr Osvo angeboten“, richtete Lars an seinen Vater. Dieser war sich unsicher. Einerseits hielt er die Stute als zu unerfahren und gleichzeitig für zu alt. Glücklicherweise erklärte Tyrell ihm einiges und ein reges Gespräch entstand. Osvo stammt aus einer Linie von erfolgreichen gerittenen Trabern. Seit der Führung von Zuchtbüchern in Amerika, beobachtet man immer häufiger Pferde, die in der Dressur oder Springen erfolgreich Turniere laufen, die auf bestimmte Hengste zurückgehen.
      „Also wenn das so ist“, Bruno nahm zur Stärkung einen weiteren Schluck aus seiner Flasche, „dann solltest du auf jeden Fall Osvo nehmen.“ Mich schockierte es, dass keiner von meinem schlechten Ritt Notiz nahm, oder zumindest Zweifel hegte, dass ich überhaupt reiten konnte. Die Vermutung lag nah, dass sie eben so wenig Ahnung vom Dressursport hatten wie ich.
      „Danke, aber ich saß ewig auf keinem Pferd mehr“, murmelte ich und verkroch mich noch tiefer an Lars Schulter, der immer wieder schief zu mir herunter grinste. Währenddessen war seine Hand immer tiefer gewandert, sodass er zufrieden meinen Po hielt.
      „Das lässt sich doch im Handumdrehen ändern“, grinste Tyrell, „ich halte es auch für wichtig, dass du etwas Abstand von Kalmar nimmst. Die Leute dort scheinen Gift zu sein für deine Motivation.“
      Seine Bedenken waren berechtigt. Ähnliches schwebte mir bereits durch die Gedanken, als ich im Flieger hierher saß. Vor allem wollte Abstand von Niklas nehmen, was angesichts der Umstände, allerdings schwierig werden würde.
      „Mal schauen“, antwortete ich trocken. Mit den Worten öffnete ich die nächste Bierflasche, die neben mir im Kasten stand, an der Tischkante und nahm einen kräftigen Schluck. Für alle anderen war auch die nächste Runde angesagt. Die Stimmung wurde zunehmend gelassener. Bruce erzählte von seinem neuen Hengst aus Island, der ausgezeichnetes Potenzial hatte und eine seltene Zuchtlinie im Papier. Außerdem entwickelte sich Kríts Nachwuchs, Spök, ausgezeichnet. Jahrelang hatte er auf den Tag hin gefiebert, dass seine Ausnahmestute einen vielversprechenden Nachkommen bekommt und offenbar hatte er mit der hübschen dunklen Stute mit heller Mähne und großen Abzeichen, einen gefunden. Ich freute mich für ihn, erst recht, endlich mal wieder was von den Fellmonstern zu hören. Gefangen in meinem Kopf, hatte ich meine eigentliche Leidenschaft vollkommen verdrängt.
      „Du weißt doch, Narcissa kannst du dir jederzeit nehmen“, erinnerte er mich daran, dass er mir die Stute angeboten hatte.
      Die Gespräche setzten fort, auch als Tyrell mit seinem Bruder verschwand, um nach einer der Einstellerstuten in der Box zu schauen, die demnächst abfohlen sollte. So saß ich allein mit Familie Alfvén am Feuer, zumindest für einen Wimpernschlag.
      „Wir werden schon mal in die Hütte gehen“, sagte Nour.
      „Ja, mir ist auch kalt“, fügte ihr Vater hinzu.
      Dann standen beide mit einem breiten Grinsen auf. Lars hatte nicht vor, ihnen zu folgen. Er wollte bei mir bleiben. Noch immer lag sein Arm fest um mich und als seine Familie aus der Sichtweite verschwand, hob er mich auf seinen Schoß. Seine Lust verspürte ich schon eine Weile. Immer wieder funkelten seine grünen Augen, ganz glasig durch den Feuerschein, in meine Richtung. Auch in mir war der Funke übergesprungen. In mehreren Wellen überkam mich ein undefinierbares Zucken, das sich wie tausend Ameisen unter der Haut ausbreitete und sich in der Magenregion sammelte.
      „Du weißt, was dir auch jederzeit nehmen kannst?“, spielte er auf Bruce Angebot an, aber meinte natürlich nicht Narcissa damit. Das hätte Lars wohl gern! Ich gab mich blöd und mich am Kinn. Verführerisch zuckten seine Lippen, ohne etwas zu sagen.
      “Nicht wirklich. Bruce Reitschuli oder was möchtest du mir sagen?”, sprach ich nach reiflicher Abwägung, wie viel Kontrolle ich bereit war, abzugeben. Einen kurzen Halm überließ ich ihn, seine Wunsch zu äußern. Aber er setzte diesen in die Tat um. Ungezügelt fasten seine kalten Hände in meine Hose, um das Shirt heraus zu Friemeln. Gleichzeitig setzten seine Lippen auf meine und die Gehirnzellen schalteten auf Autopilot. Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne. Vielmehr überkam es mich mit Glück und Erfüllung und hoffte, dass der stürmische Moment mit ihm gar nicht mehr endete. Aber der frische Wind kletterte wie ein eifriges Äffchen an meinem Unterrücken hinauf, kühlte mich damit in kurzer Zeit herunter.
      “Komm, Drinnen ist wärmer”, flüsterte ich in sein Ohr, stopfte das Shirt zurück und griff seine Hand. Mit großen Schritten zog ich ihn mir nach. Der Weg zur Hütte war kurz und ohne groß darüber nachzudenken, öffnete ich die Haustür. Erschrockene Gesichter blickten uns an. Von einem auf den anderen Augenblick verstummten die Gespräche und eine gähnende Stille legte sich über die Menge. Viele der Anwesenden kannte ich nicht. Langsam schloss ich die Tür hinter mir und begann zu lachen. Sofort setzte auch Linas Schwester ein, die offenbar auch gut dabei war.
      “Tut mir leid für die Störung. Ich bin Vriska, das ist Lars”, erklärte ich kurz.
      “Da lang”, flüsterte ich im nächsten Augenblick dem Kerl neben mir zu, der sich suchend nach dem richtigen Raum umsah. Mit dem Finger deutete ich nach rechts zur geschlossenen Tür, vor der Dog lag und leise mit dem Schwanz aufs Holz klopfte. Lars begrüßte den Hund, aber ich hatte nur die Klinke im Blick. Kaum war sie offen, trabte das gefleckte Wesen hinein und machte sich auf dem Bett breit.
      Geschickt fischten seine Finger nach dem Reißverschluss meiner Jacke, als ich die Tür hinter uns schloss. Er drückte mich an sie und entfernte im Wechsel zu ihm und mir ein Kleidungsstück. Wieder lagen seine wohltuenden Liebkosen auf mir. Das Zittern und Zerren am Körper löste sich wie in Luft auf. Von jemandem begehrt zu werden, fühlte sich befreiend an. Ich spürte das Pochen seines Herzens sehr nah an einem und mit jedem Kleidungsstück, das irgendwo im Zimmer landete, kribbelte es mehr unter der Haut. Schockiert stockte mein Atem, als ich ihn zum ersten Mal in voller Blöße betrachtete. Seine Brust zuckte vergnügt und sein stählerner Bauch, drückte sich immer wieder in den Vordergrund, obwohl als einzige Lichtquelle der kleine Spalt zwischen Tür und Fußboden diente. Ein wohliger und zugleich ängstlicher Schauer durchfuhr mich, aber noch bevor ich mich meiner Angst hingab, legte er seine Hände unter meinen Po und stemmte uns gegen das Holz.
      Der Akt selbst dauerte nur wenige Sekunden, aber war wohl das Beste der letzten Monate, was erleben durfte. Wir verharrten für einen Augenblick, eng umschlugen an der Tür und mir wurde klar, dass wohl auch jeder andere in hörbarer Nähe, davon Notiz genommen hatte.
      “Du warst großartig”, murmelte ich außer Atem, mit meinem Kopf auf seiner kräftigen Schulter abgelegt. Kleine Schweißperlen tropften von seiner Stirn auf meine Brust und als er seinen Mund abermals auf meine presste, schmeckte ich das Salz an einer Zungenspitze.
      “Das höre ich gern.” Lars trug mich vorsichtig auf Bett und beugte sich über mich.
      “Zweite Runde?”, schmunzelte er selbstüberzeugt.
      “Warte, ich habe Durst”, erklärte ich mit trockener Kehle und kletterte zwischen seinen Armen hindurch. Im schlechten Licht suchte ich nach einem Shirt, fand dennoch nur seins, aber dafür eine saubere lange Unterhose. Barfuß huschte ich durch die Tür, versuchte mich möglichst unauffällig an der Maße an Menschen vorbei zu schleichen, was, angesichts der Umstände, unmöglich war. Erst recht aus dem Grund, da Linas Schwester gerade eine neue Weinflasche aus dem Schrank holte.
      “Doch so schlecht, dass du schon wieder da bist?”, gluckste die Brünette, während sie sich an dem Korken zu schaffen machte.
      “Das ist aber lieb”, zog ich spitz die Augenbrauen zusammen und nahm ihr beherzt die Flasche aus der Hand, bevor sie reagieren konnte, setzte ich zu einem beherzten Schluck an. “Aber nein, natürlich nicht.”
      “Hätte mich auch gewundert”, mischte sich plötzlich eine tiefe männliche Stimme ein, die mir, gewiss, bekannt vorkam, “aber was soll man sagen, dumm fickt gut, nicht wahr?”
      Ein tiefes Raunen ging durch die Menge. Glücklicherweise hielt ich die Flasche bereits und setzte sie ein weiteres Mal an.
      „Da kannst du aus Erfahrung sprechen, nicht wahr?“, provozierte ich weiter, obwohl mir im selben Atemzug klar wurde, dass Lina auch noch da war. Flaschi und ich waren jetzt ohnehin schon Freunde, also durfte sie ein weiteres Mal ran. Erst dann drehte ich mich um und Lina lehnte mit hochroten Kopf in ihren Armen auf dem Tisch. Alle anderen Beteiligten lachten, was ich als eher als Übersprungshandlung einschätzte. Ich wäre mir auch unsicher, wie es gemeint war.
      “Wir leiden alle einmal an Geschmacksverirrung und du warst die Größte.” Niklas verschränkte die Arme und lehnte sich weiter in den Stuhl. Das war ein Tiefschlag. Mir blieb der Atem weg und jegliche Begeisterung glitt aus meinen Gesichtszügen. Niemand sagte mehr etwas, sodass die Schritte hinter mir klar ertönten. Eng legte Lars seine Arme über meine Schultern und drückte mich an sich heran.
      “Komm, Kleines. Der hat doch keine Ahnung.” Er gab mir einen seichten Kuss auf die Haare. Der Motor des Lebens kam wieder in Bewegung und ich war froh, dass er mir half. Natürlich nahm er mir meine neue Freundin aus der Hand, um selbst einen Schluck zu nehmen.
      “Der gehört mir”, funkelte ich meine Bekanntschaft an, der ein freches Lächeln auf die Lippen legte. Da ohnehin keiner mehr etwas sagte, liefen wir zurück ins Zimmer, um fortzusetzen, wo wir aufgehört hatten.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 77.570 Zeichen
      zeitliche Einordnung {24. Dezember 2020}
    • Mohikanerin
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      kapitel trettiosechs | 26. Oktober 2022

      Moonwalker LDS / Maxou / Northumbria / Astronaut in the Ocean LDS / Global Vision / Sturmglokke LDS / WHC‘ Golden Duskk / Pay My Netflix / Fieberglas / Wunderkind

      FREITAG, 6:15 Uhr
      LINDÖ DALEN STUTERI

      Vriska

      Viel zu früh klingelte der Wecker, nach dem es deutlich zu spät ins Bett ging. Allerdings schlief ich an Lars‘ Seite angenehmer als auf der Couch, was ich als kleinen Trost ansah. Seine Schulter war verdammt bequem.
      „Vriska, komm bitte“, forderte er mich zum wiederholten Mal auf. Schon vor mir hatte, er sich aus dem warmen Nest bewegt, war im Badezimmer und bereitete einige Brötchen vor.
      „Muss das sein“, knurrte ich mit rauer Stimme und drehte das Gesicht ins Kissen.
      „Ich fahre auch ohne dich, aber du bist dann für mindestens zwei Wochen gesperrt“, erklärte er trocken. Das wollte ich nicht. Seufzend schlug ich die Decke zur Seite und setzte die Füße mit einem Schwung auf den kalten Holzboden. Wie tausend kleine Ameisen kribbelte der Kälteschmerz in mir und durchzog mich bis zu den Schultern. Zumindest schreckte es mich hoch und ich kämpfte mich zu einem Karton vor, in dem Sachen von mir lagerten. Erfolgreich fing ich einen Pullover, Shirt, Unterwäsche sowie Hose und Strümpfe. Nach einer raschen, aber warmen Duschen war für einen Augenblick wie neu geboren, als mich die Realität wieder einholte.
      „Wunder lahmt“, seufzte Lars und sah von seinem Handy auf.
      „Also bleibt er hier?“, hakte ich nach. Blöde Frage, natürlich würden wir ihm die Fahrt nicht zumuten.
      „Sieht so aus. Papa regelt gerade, dass wir ein Attest bekommen“, erklärte er.
      Es war gar nicht so leicht, so früh einen Tierarzt zu bekommen, aber sein Start war erst gegen Nachmittag und bis dahin sollten wir den Wisch haben. Also entfiel ein Start für mich, schade, auf den Schecken hatte ich mich besonders gefreut. Nach Humbrias Fehler in der letzten Woche konnte ich nicht genau einschätzen, wie das Rennen in dieser Woche sein würde. Halmstad lag an der Nordsee und zählte zu den gut besuchten Veranstaltungen in unserer Region. Die Schmach wäre groß, erneut einen Fehler zu machen.
      Ich lief zum Stall, um Nour und Bruno zu helfen. Zumindest versucht ich es, denn der Kaffee entfaltete noch nicht seine Wirkung. Schwer zog sich jeder Schritt über den gefrorenen Boden, die Luft kalt, aber erfrischend. Dunkel war es zu dem auch, was meinem Körper klar vermittelte, lieber wieder zu schlafen. Zur gleichen Zeit bewegte sich Lars zu Lina, um auch ihr selbiges Leid anzutun.
      Mit einer halben Stunde Verspätung fuhren wir vom Hof, Bruno am Steuer des riesigen Gefährts. Sechs Pferde hatten wir dabei, so viele wie noch nie. Jeder Kilometer brachte mehr Zweifel ins Rollen, aber die Müdigkeit hielt mich fest in ihren Klauen. Ebenso Lina, die bereits im Sitz eingeschlafen war.

      10:30 UHR
      HALMSTAD, TRABRENNBAHN

      Gähnend stieg ich aus dem Transporter, streckte die Arme in die Luft und nach einem kräftigen Atemzug. Eine Geruchsmischung aus Fisch und Plankton kroch mir in die Nase, der typische Frühling des Meeres. Überall waren Leute, bekannte und unbekannte Gesichter, die ich eher anhand ihrer Pferde identifizieren konnte. Bruno öffnete mit seinem Sohn den Transporter und als Erstes führte ich Humbria, als einzige Stute, heraus. Ebenso neugierig blickte sie sich um. In den Ohren trug sie Nours altbekannte Watte und das nahm ihr vermutlich den ersten Schreck. Bevor es wieder in die Box ging, schnappte ich mir eine Gerte und lief los, um sie zu führen. Lina kam im selben Moment noch dazu.
      “Wir gehen uns die Füße vertreten”, erklärte ich.
      “Oh, das klingt nach einer guten Idee. Ich komme mit”, verkündete sie inspiriert. Humbria drehte sich zu der kleinen Brünetten um, die ein Stirnband über die Ohren zog und an meine Seite setzte. Leiste brummte das Pferd. Kurz tippte ich mit der Gerte an ihre Hinterhand und das Pferd folgte, ohne ein weiteres Mal den Kopf zum Gras zu senken. So wünschte ich mir das Tier. Wir sahen uns um, Lina das Gelände und ich suchte den weißen Transporter mit dunkelblauer Aufschrift.
      “Das hier ist wirklich kein Vergleich zu Kalmar”, stellte ich teils überwältigt, teils eingeschüchtert fest.
      “Ja, so gigantisch”, nickte meine Kollegin, die ähnlich zu empfinden schien, ”ziemlich beeindruckend.”
      “Vielleicht schauen wir mal da”, ich zeigte auf einen kleinen Imbissstand, bei dem ein paar Leute anstanden und es verführerisch süß roch, “da könnten wir eine Stärkung bekommen.”
      “Oh ja, das könnte ich jetzt gut gebrauchen, bei der Aktivität so früh am Morgen”, entgegnete sie.
      “Dabei hast du ebenso tief geschlafen, im Transporter.”
      Zusammen stellten wir uns an. Humbria inspizierte dabei alles sehr genau. Die Girlande an der Markise war dabei ihr Lieblingsobjekt. Mit langem Hals streckte sich die Stute nach oben und versuchte mit der Oberlippe an das seltsame bunte Zeug zu kommen, das sie schließlich noch zu fassen bekam und herunterriss. Wie einen Schal legte ich ihre Trophäe um den Hals.
      “Dann muss ich es wenigstens nicht abmachen”, scherzte der Eigentümer.
      “Tut mir leid”, stammelte ich unbeholfen, aber beruhigt, dass es kein Problem darstellte.
      Als Nächstes in der Reihe bestellte ich mir einen großen Kaffee und Lina betrachtete noch immer die Speisekarte.
      “Das heißt nicht, dass ich ausgeschlafen bin”, sprach sie an mich gewandt, bevor sie ebenso ihre Bestellung aufgab. Diese bestand aus einer heißen Waffel und erstaunlicherweise einem kleinen Milchkaffee. Es roch perfekt, aber jede Zubereitung war mit Milch oder Eiern. Vor Enttäuschung atmete ich kräftig durch und bezahlte unsere Bestellung. Humbria hingegen wirkte vollends glücklich mit ihrer Girlande, mehr Hund als Pferd.
      “Morgen kannst du wieder ausschlafen”, grinste ich.
      “Das hoffe ich doch. Das nächste Mal frage ich erst nach der Uhrzeit”, lachte sie milde.
      „Nächstes Mal müsste wieder in Kalmar sein“, erklärte ich gutmütig und nahm einen Schluck aus dem Pappbecher, der bereits mit kleinen Wolken ankündigte, heiß zu sein. Schmerzhaft krampfte mein Gesicht zusammen, als die Zunge die Flüssigkeit berührte.
      Angekommen im Stall suchten wir nach Humbrias Box, die mittig gelegen von Lina gefunden wurde. Ich nahm die Decke ab, wechselte sie aus und stellte das Pferd hinein. Ohne sich ein einziges Mal zu drehen, warf sich die Stute in die Einstreu und wälzte sich ausgiebig darin.
      „Mache es dir nicht zu bequem, du musst gleich in den Heat“, scherzte ich und versuchte es ein weiteres Mal aus dem Becher zu trinken. Immer noch zu heiß.
      “Ich fürchte, das ist ihr ziemlich egal. Sei eher froh, dass es eine Box und keine Matschpfütze ist”, entgegnete sie und wagte sich an das Gebäck in ihrer Hand.
      “Die Dankbarkeit ist groß. Aber sag mal, was erwartest du denn von heute?”, interessiert hakte ich nach, wieso sie mitkommen wollte.
      “Darf ich keine Zeit mit dir verbringen wollen? Zugegeben bot sich das außerdem als gute Gelegenheit, dass Samu aufhört mir vorwerfen, ich käme ja nie von Hof”, erklärte sie ihre Motivation.
      “So meinte ich das gar nicht, sondern ob du etwas Bestimmtes hier erleben möchtest. Aber klar, du darfst natürlich mit mir Zeit verbringen”, stellte ich richtig, ohne den Blick von Humbria zu lösen, die weiterhin in dem Einstreu lag und das Leben genoss in großen Zügen.
      “Dich mit einem Schleifchen zu sehen wäre schön”, lächelte sie, “aber so wirklich konkrete Erwartungen habe ich eigentlich nicht.”
      “Im Stolopp gibt einen Pokal”, tönte Bastis tiefe Stimme durch Gang.
      “Stalker”, rief ich ihm lachend zu. Woher nahm ich die Energie nur? Für einen Augenblick schüttelte ich mich, aber dann stand er schon bei uns. Obwohl in meine Nase noch das Meer und das Röstaroma des Kaffees in meiner Hand hing, schwang sein Parfüm mit, das mir den Verstand vernebelte.
      “Na, dann auch mit einem Pokal”, korrigierte Lina ihre Aussage mit einem breiten Grinsen.
      “Aber leider könnt ihr euch beide dann nur aus der Ferne anschauen”, legte er noch eine Stufe an Provokation oben darauf. Sein Blick wanderte von unten nach oben, bis sich für einen Atemzug unsere Augen trafen. Sofort sah ich weg. Ebenso unbeholfen wirkte er. Wollte Basti eine richtige Begrüßung oder was hatte sein unsicheres Tänzeln auf der Stelle zu bedeuten?
      “Das glaubst auch nur du”, schnaubte ich schnippisch.
      “Ich würde aufpassen, Vriska und Humbi sind eine ernstzunehmende Konkurrenz”, hielt Lina zu mir.
      „Wir werden sehen. Die Nachwuchsstute von Papa ist ein Kämpfertyp und deins“, ein zartes Grinsen huschte über seine Lippen, als er verstummte.
      „Sie ist, was genau?“, leicht eingeschnappt blickte ich mit senkten Kopf nach oben, dabei hob sich eine Braue an.
      „Eher ein Dauerläufer mit wenig Takt“, legte Basti seine Behauptung nieder. Wie konnte er den armen Pilz derart verurteilen? Er kannte sie gar nicht.
      Ich verschränkte die Arme.
      „Du bist wohl kaum hergekommen, um mein Pferd zu beleidigen“, versuchte ich den Grund seiner Anwesenheit genauer zu untersuchen.
      „Nein, eigentlich nicht. Aber du hast nicht geantwortet“, zuckte er mit den Schultern, „dann traf ich Lars, der meinte, dass du hier bist.“
      Etwas geschmeichelt fühlte ich mich schon, dass ich es ihm wert war, nachzuschauen, was ich tat. Mich in Sicherheit wiegend, vielleicht war es auch die Müdigkeit, die Teile meines Gehirnes außer Kraft setzte, wollte ich mehr wissen. Dabei behielt ich natürlich die Uhr im Blick, denn der Kampfwille, das Pferd seiner Familie zu überholen, wuchs.
      „Verstehe“, ich nickte unbestimmt, musterte ein weiteres Mal sein Gesicht, „hast du mich etwa vermisst?“
      Wie ein hilfloses Tier sah er sich im Stall um, aber wir waren allein, also fast. Schließlich stand noch Lina neben mir, wenn auch mit der Waffel im Kampf. Basti schwieg für mehrere Sekunden. Seine Hand fasste sich durchs kurze Haar und rückte das Cap wieder gerade. Erst dann seufzte er.
      „Es war schade, dass du gestern nicht kommen konntest“, stammelte er. Ich trank gerade meinen Kaffee, der bereits etwas abgekühlt war und damit trinkbar. Dennoch verschluckte ich mich bei seinen Worten. Den halben Kaffee verteilte ich auf dem Beton. Mist.
      „Wir hatten Teamabend, den konnte ich schlecht verschieben“, erklärte ich die Wahrheit schönend. Lina schielte zu mir, aber blieb stumm.
      „Schon gut, aber als ich sah, dass alle von euch draußen standen, wollte ich auch nicht, dass du hier allein bist. Doch wie sehe, brauchst du mich nicht“, verriet er sich immer mehr. Obwohl ich Bastis Zeichen deutlicher wurden, konnte ich mir kaum vorstellen, dass es der Realität entsprach. Für mich wirkte es wie ein falscher Film und ich wartete nur darauf, dass die versteckte Kamera sich lüftete. Aber nichts von alledem passierte, stattdessen stand er vor mir.
      „Das ist im übrigen Lina. Meine Lieblingskollegin aus Kanada“, stellte ich sie endlich mal einander vor, auch wenn sie über ihn vermutlich schon alles wusste, nachdem ich stets meine neusten Informationen teilen sollte.
      „Nett dich kennenzulernen. Fährst du auch?“, fragte er.
      “Ich freue mich ebenso. Nein, das gehört zu Vriskas Vorlieben”, erwiderte sie die Worte höflich, aber recht kurz angebunden, was wohl weniger an Basti als an dem Thema liegen mochte.
      „Vorliebe?“, leicht irritiert sah er zu mir, „ich dachte, dass unser Prinzesschen schwedischer Meister in der Dressur werden möchte.“
      Unangenehm drückte mein Herz auf die Geschwindigkeit und färbte das Gesicht in dem Bruchteil einer Sekunde zu einem Stoppschild. Möglichst unauffällig versuchte ich die Scham zu verstecken, gut, ich drehte mich weg und sah zu Humbria in die Box, die noch immer in Einstreu lag und döste.
      „Abwarten“, murmelte ich. Dann bewegte mich etwas. Ich hatte bemerkt, dass mein Sulky am falschen Pferd stand und wollte ihn schon mal herholen. „Ich bin gleich wieder da.“
      Die beiden nickten und ich lief zu Walker, der interessiert seinen Kopf in meine Richtung reckte.
      „Ich muss einmal blöd Fragen stellen“, hörte ich Basti zu Lina flüstern, „läuft was bei ihr und Lars? Der hatte heute besonders schlechte Laune. Erst seitdem er bei euch ist, wirkt er vollkommen ausgewechselt und distanziert.“
      “Meines Wissens nicht”, hörte ich ihre zurückhaltende Antwort. In meinem Kopf erhob die Stimme direkt Beschwerde, denn nur ‚Nein‘, hätte die richtige Antwort dazu sein können. Stattdessen fummelte ich am Sulky herum, um dem Gespräch unbemerkt weiter zuzuhören.
      „Aber sie meint es schon so, wie ich es mitbekomme, oder? Ich traue der Sache nicht“, seufzte er. Mir erschloss sich das alles nicht. Wieso fragte Basti nicht mich? Und wieso holte er so viele Informationen ein? Kann er nicht weiter auf Distanz bleiben? Je mehr ich darüber nachdachte, umso stärker wurde der Druck auf Humbria und mich. Das nervende Ich im Kopf wollte ihn beeindrucken und heute schien genau der richtige Tag. Ich hatte dieses Bauchgefühl, dass die schlafende Stute besonders viel Elan im Rennen zeigen würde.
      “Ja, sie meint es wirklich so, darauf kannst du vertrauen”, entgegnete die Kleine aufrichtig. Immerhin diese Frage beantwortete sie korrekt und ich entschied, das Privatgespräch für beendet zu erklären. Mit dem leichten Rennsulky hinter mir herziehend, kam ich zurück. Basti stellte sich einen weiteren Schritt von Lina weg, fasste sich erneut durchs Haar.
      „Wollen wir den Heat zusammenfahren? Vielleicht lohnen sich doch tausend Kronen auf dich?“, fragte er. Auch Lina huschte ein freundliches Lächeln über den Lippen, als wäre das auch in ihrem Sinne. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mir ihre Pläne in Halmstad verheimlichte.
      „Können wir machen, aber ich möchte nicht, dass du arm wirst“, gab ich zu bedenken, dann, das war nicht gerade wenig Geld. Besser könnte er es einem Tierheim spenden, wenn Basti es dringend verlieren wollte.
      „Mäuschen, wenn ihr beide gewinnt, macht ihr mich zu einem reichen Mann. Eure Quote war vorhin bei 7,8“, funkelten seine Augen enorm.
      „Warum weißt du das so genau?“, blieb ich wenig begeistert von seinem Spielgedanken.
      „Das Pferd von Papa läuft doch mit und wir waren schon am Wettschalter. Sie bringt nur 2,2 gerade“, setzte er fort, „wir machen es so. Wenn du … wir gewinnen, dann nehmen wir das Geld und du hast einen gemeinsamen Wunsch frei.“
      Nun leuchteten meine Augen, aber überfordert suchte ich bei Lina Rat. Diese nickte aufmunternden: „Worauf wartest du? Das sollte ein klares Ja sein.“
      „Okay, ja. Gut, machen wir“, stammelte ich vor mich hin. Er lachte und lief zur Tür hinaus, durch die er auch hineinkam. Mein Gesicht vergrub ich abermals in den Händen. All das, was in wenigen Minuten hier im Stall passiert war, hätte ich mir in keiner Dimension vorstellen können.
      „Gott, wieso ist er so perfekt“, jammerte ich über mein Luxusproblem.
      „Das habe ich gehört“, erklang es noch aus der Ferne, deutlich das Lächeln auf seinen Lippen zu hören. Damit war es um mich geschehen. Aus dem leichten Pink wurde ein leuchtendes und signalfarbenartiges Rot, dass vermutlich jeden zum Anhalten bewegen würde. Einmal schlug ich den Kopf gegen das Metall, das die Boxen aneinanderhielt. Das Holz wackelte und Humbria sprang wie von einer Biene gestochen auf.
      „Meinst du nicht, es gewinnt sich besser, wenn dein Kopf unversehrt bleibt? “, runzelte Lina irritiert und voller Unverständnis die Stirn.
      „Vielleicht schon, ja“, stellte ich fest, rieb mir dabei die Anstoßstelle, die an- und unangenehm zugleich pochte. Immerhin wusste ich, dass ich wach war und dass alles der Realität entsprach.
      Humbria, die noch etwas wackelig auf den Beinen stand, blickte mich mit ihren großen hellen Augen an. Sie wusste, was folge, als ich sie am Halfter herausholte und in der Stallgasse an den dafür vorgesehenen Stricken befestigte.
      „Weißt du, ob wir Zugwatte dabeihaben?“, fragte ich Lina, als wir das Pferd gemeinsam putzten.
      „Bestimmt haben wir das, aber ihr habt gepackt, also solltest du das doch eigentlich wissen“, antwortete sie.
      „Bisher nutzte ich das nicht, aber damit könnte Humbria auf den letzten Metern noch mal deutlich zulegen“, erinnerte ich mich an die Ausbildung zurück. Bei einem guten Gefühl müsste ich schließlich nicht ziehen.
      Während Lina noch zu Ende putzte und den Beinschutz befestigte, machte ich mich auf die Suche nach dem großen Koffer, in dem unser Zubehör lag. Bei Vision wurde ich fündig. Tatsächlich hatten wir alle Hand an Dingen dabei, eine Zugohrenkappe, aber keine Watte. Das gefiel mir rein optisch jedoch nicht und an Ohren war die Stute zu empfindlich, um dort so viel Stoff dranzuhängen. Diesen zu ziehen, könnte einen Fehler bedeuten.
      „Sieht schlecht aus“, kam ich ohne Erfolg zurück und legte den Rest an Zubehör auf das Pferd. Da ich schon umgezogen war, konnte ich direkt den Sulky anhängen und mit Lina im Schlepptau zum Geläuf.
      Humbrias Anspannung zuckte nervös in ihrer Haut. Sie schlug mit dem Kopf um sich, trat dabei auf der Stelle. Ich versuchte sie möglichst, ruhig zu fahren, aber als ein weiteres ungehaltenes Tier an uns vorbeikam, setzte die Stute im Tölt voran. Durch kurze Paraden versuchte ich, sie zu bremsen, aber die Stute ließ das unbeeindruckt. Schließlich gab ich auf. Wenn sie es für das richtige hielt, konnte ich nichts daran ändern. Lina rief mir etwas nach, was im Lärm des Getümmels unterging. Immerhin wurde Humbria ruhiger, je näher wir dem Geläuf kamen.
      „Ich dachte schon, dass ihr euch verfahren, habt“, lachte Basti, der im lockeren Trab hinter uns auftauchte. Wieder erschrak sich das Pferd, aber reagierte auf meine Parade. Einmal schüttelte sie sich, um abzuschnauben.
      „Nein, so schwer war der Weg nicht“, erklärte ich grinsend.
      Er nickte zufrieden und fuhren die Pferde warm. Wenn ich nicht wüsste, dass ich in einer knappen Stunde mein Rennen anstand, hätte ich die Situation als befreiend und losgelassen beschrieben. Neben dem deutlich erfahrenen Pferd fühlte sich Humbria sicher. Der Trab war taktklar und rhythmisch, bis auf der kurze Anflug auf dem Weg, kam kein Viertakt hervor. Stattdessen streckte sie sich schön in der Bewegung und machte stellenweise sogar Happy Konkurrenz. Dennoch lag Druck auf meinen Schultern. Wenn Humbria allerdings wieder springen würde, gab es kaum Hoffnung für uns beide. Dann brauchte ich ein anderes Pferd für niedrige Rennen, was angesichts des aktuellen Trainingsplans Schwierigkeit mitbrachte. Zudem wollte ich kein anderes Pferd, zu viel Energie hatte ich in ihr bisheriges Training gelegt, sowohl zum Reitpferd als auch für die Rennen. Außerdem wollte diesen Wunsch einlösen.
      Konzentriert fuhren wir den Heat. Zwischendurch wechselten wir unsere Positionen, um die Pferde an die Situation zu gewöhnen. Anfangs schüttelte sich Humbria, wenn ihr Fieber zu nah kam, aber mittlerweile ignorierte sie die andere Stute. Auch wenn andere an uns vorbeizischten, kam keine Reaktion. Nach mehreren Runden schritt auch die Zeit voran.
      „Ich wünsche dir viel Erfolg, Mäuschen“, verabschiedete sich Basti.
      „Danke, dir auch“, antwortete ich gestärkt.
      „Wir sehen uns dann im Winnercircle. Ich setze auf euch“, mit einem Augenzwinkern lenkte er das Punktepferde ein zum Stallabteil. Ich wartete stattdessen am Geläuf mit Lina, die noch tausend Fragen hatte. Offenbar lockerte das Frühstück ihre Zunge, sodass ich beinah die ganzen schlechten Gedanken in den Hinterkopf drücken konnte.
      Bruno erreichte mit Sturmi die Qualifikation. Nour freute sich bereits auf das Rennen in der nächsten Woche mit ihm, sofern ich mit Humbria Fortschritte zeigte. Bis heute verstand ich nicht, wieso man dem armen Pferd nicht Zeit ließ, um sich zu entfalten, schließlich verlangte doch niemand, dass sie nach vier Wochen Training wieder auf Hochtouren lief, na ja, niemand außer Familie Alfvén.
      „Das wird schon“, sagte Lars dazu.
      Er hatte mich beim Warmfahren beobachtet und ich spürte den verärgerten Unterton, den sowohl Lina gestern als auch Basti vorhin angesprochen hatte. In meinen Augen waren wir dennoch einzig guten Freund, zu dem strebte er doch nach eigener Aussage, überhaupt keine Beziehung an. Außerdem, wenn es nicht so wäre, sollte er sich äußern und nicht, wie ich, alles in sich hineinfressen.
      Schließlich war es so weit. Im Schritt und langsamen Trab fuhr ich noch einige Runden, bevor die Durchsage kam. Zum Auftakt der Parade fuhr ich hinter allen anderen her und war froh, dass Humbria weiterhin ihre gute Form hielt. Der Marsch zum Auto kam schneller als erhofft und schon trabte sie im starken Tempo dem Fahrzeug heran. Es war ein guter Start. Kein Pferd sprang heraus und wir setzten uns noch vor der ersten Kurve vor allem anderen. Es sah leicht aus, aber war genau das Gegenteil. Sofern ich die Leinen lockerte, wurde sie schneller und mich beschlich das Gefühl, dass am Ende die Kraft fehlen könnte. Zudem war ich froh, ihren Kampfgeist gefunden zu haben. Aber es lag schon fast vor uns. Die anderen holten auf und die zickige braune Stute setzte sich neben uns. Humbria hatte noch Kraft, drückte sich immer tiefer ins Gebiss, bis ich ihr endlich die Möglichkeit freigab, anzuziehen. Mit jeder Schwebephase bäumte sich mehr Pferd vor mir auf. Die Mähne flatterte mit dem Zopf fröhlich im Wind und der Schweif kitzelte an den Wangen. Noch hundert Meter, dann hatten wir den Sieg. Tatsächlich dachte nicht viel darüber nach und mit einer Länge liefen wir durchs Zielfoto. Klatschen dröhnte von der Tribüne zu uns hinunter. Mit einem breiten Grinsen klopfte ich ihren Po. Die Stute pumpte, die Nüstern weit aufgebläht, aber die Schritte gleichmäßig. Mehr als glücklich drehte ich sie in der Kurve, um zum Winnercircle zu fahren. Auf halber Strecke kam Bruno dazu, der in die Leine griff, um sie zu führen. Mir rauchte der Kopf. Erst als den Blumenstrauß in der Hand, mit Pokal, hielt und für Gewinnerbild posierte, begriff ich, dass wir diesen Sieg mich nach Hause brachten.
      > Började rida sent och nu den första segern med ett kanadensiskt sto. Hur känner du dig?
      „Spät angefangen mit dem Fahren und nun den ersten Sieg mit einer kanadischen Stute. Wie fühlst du dich?“, drückte man mir ein Mikrofon ins Gesicht. Ich verstand nur die Hälfte. Das lag weniger an der Sprache, mehr am Rauschen meines Bluts und dem starken Wind.
      > Det är en stor ära.
      „Es ist eine große Ehre“, stammelte ich nur und der Herr begriff sofort, dass ich kaum ein Wort hervorbringen konnte. Er lachte kurz auf, eher verwirrt als belustigt.
      > Vi hade inga tvivel om de två i stallet och är glada att hon efter misstaget i förra loppet visade bättre form idag. Med framgång.
      „Wir hatten keine Zweifel an den beiden im Stall und sind froh, dass sie nach dem Fehler im letzten Rennen, heute eine bessere Form zeigte. Mit Erfolg“, schaltete sich Bruno mit ein. Musik ertönte aus den Lautsprechern und ich schwang mich wieder auf den Sitz, um zurück in die Box zu fahren. Der Plan wurde gestrichen. Vor mir tauchte Basti auf, mit einem derartig strahlenden Lachen, dass ich vor Glück beinah vom Sulky rutschte. Natürlich projizierte ich seine Freude sehr auf mich, doch der Grund waren die ganzen bunten Scheine vom Wettschalter, so meine Annahme. Beweisen konnte ich meine Gedanken nicht, aber zweifelte weiterhin daran, dass mich jemals jemand mögen, könnte. Es lag einfach in meinem Blut, dass jeder einen bösen Hintergedanken haben würde, erst recht, nachdem Erik mir selbiges bewiesen hatte. Lina sprang auch aufs Geläuf dicht hinter ihm.
      “Ich wusste, doch ihr zwei könnt das schaffen, herzlichen Glückwunsch”, strahlte die Kleine beinahe so freudig, als habe sie selbst gewonnen. Sie nahm mir den Strauß und Pokal ab, die ich beide auf unbestimmte Weise zwischen meine Beine, Hänge und Leinen hielt.
      “Danke”, sagte ich zittrig und suchte den Blickkontakt zu meinem Schwarm, der neben mir lief, die Hand auf meiner Schulter gelegt. In mir brach ein Sturm aus, zerstörerisch und ungezügelt wie psychischen Probleme, die mich steuerten. Von seiner Berührung aus trug sich das wohle Gefühl durch den ganzen Körper, wusste nicht genau, wie ich all das verstehen und verarbeiten sollte. Ich hatte keinen Vergleich. War es normal, sich zu fühlen? Schließlich waren Erik und ich uns ziemlich schnell einig, dass die Anziehung von beiden ausging, aber seine Körpersprache verstand ich nicht. Es könnte auch reine Freundlichkeit sein, wie von Lars.
      “Geborene Champions”, lobte Basti uns, “aber leider muss ich dich wieder verlassen. Netflix möchte auch laufen.”
      “Sehen wir uns später noch?”, rief ich ihm nach. Er drehte sich um und zuckte deutlich mit den Schultern, hob auch die Arme dabei an. Wie genau sollte ich das verstehen? Hing es an mir oder wollte er das Geld doch komplett behalten? Auf jeden Fall hatte ich Humbria davor gerettet, wieder von der Trainingsliste zu fliegen und das nächste Rennen lag in fassbarer Nähe.
      “Und wie fühlt man sich so als Champion?”, fragte Lina interessiert und in Plauderlaune.
      “Musst du das Pferd fragen, aber wie wäre es, wenn du es einfach testest?”, strahlte ich provokant und stieg aus dem Sitz. Leicht zog ich an den Leinen, um Humbria anzuhalten, die sich bereits beruhigt hatte und geduldig den Hilfen folgte.
      “Was, ich soll … jetzt?”, stammelte sie überrascht und ein leichtes Zittern machte sich in ihrer Stimme bemerkbar. Gleichzeitig schlossen ihre Finger sich fest um die Gegenstände in ihnen.
      “Ja, ich führe sie. Du musst auch nicht die Leinen nehmen”, schlug ich entschlossen vor und öffnete den Helm unter meinem Kinn, sonst würde es noch eine Auszählung von der Rennleitung geben oder einen der Helfer, die auf dem ganzen Gelände herumschwirrten wie gierige Mücken.
      “Du schwörst mir das Humbi brav ist?”, brachte sie piepsend hervor und schielte ängstlich zu der Stute.
      “Sieht sie aus, als würde etwas passieren?”, fragte ich stattdessen. Der Pilz konnte ihren Kopf nicht einmal halten, sondern hing in meinem Arm. Vorsichtig strich ich den Nasenrücken, während die Augen geschlossen waren. Selbst, als Pferde hektisch an uns vorbeizogen, öffnete sie diese nicht.
      “Nein?”, fragte sie mehr, als dass es eine Feststellung war. Dann wurde sie still, blickte nervös die Stute an, dann glitt ihr Blick irgendwo in die Leere. Ihre Mimik verriet nicht, dennoch war ich mir sicher, dass in ihrem Inneren ein Kampf tobte. Bestimmt eine halbe Minute war sie ebenso unbeweglich wie die Stute, bis sich ihr Blick wieder klärte.
      “Okay”, ein leichtes Zittern lag noch immer in ihrer Stimme, “ich probier’s, aber nur … nur ganz langsam.” Der Mut hatte sich offenbar als der Stärkere in dem inneren Gefecht herausgestellte.
      Kurz lachte ich, denn obwohl die Stute müde war, mochte sie langsam nur bedingt. Ich sagte nichts dazu, aber hoffte darauf, dass Humbria die Unsicherheit ihrer Fahrerin spüren würde. Meine Preise nahm ich ihr aus den Händen.
      “Leinen?”, fragte ich und bot das Leder an. Hektisch schüttelte sie ihren Kopf.
      Ich fummelte diese aus dem Gurt, machte einen großen Knoten rein und setzte das Pferd so langsam wie möglich in Bewegung. Erst schlug sie aufgebracht mit dem Kopf, doch als Lina schon hinabspringen wollte, blieb Humbria ruhig. Lobend wisperte ich der Stute zu. Schritt für Schritt legte ich etwas an Tempo zu, denn auch ich konnte nicht derart langsam laufen. Dennoch blieb es bei Schildkrötengeschwindigkeit bis zum Stall. Dann zuckte ich mein Handy und machte ein Bild, bevor Lina überhaupt Einspruch erheben konnte. Siegessicher grinste ich.
      “Ja, ja, das Leid für die Ewigkeit festhalten”, jammerte sie wenig ernstzunehmend und kletterte von dem Gestänge hinunter, als hätte sie Sorge Zuschauer anzulocken. Unmittelbar entspannte sich ihre Körpersprache, kaum hatte sie festen Boden unter den Füßen.
      „Samu glaubt mir das sonst nie im Leben“, lachte ich, Humbria öffnete ich sofort das Kopfstück und sie scheuerte sich ausgiebig. Ohne die Stricke zu befestigen, stand sie in der Gasse. Ich löste zunächst die Startnummern, reichte sie Lina, die sie an die Box hing. Diese waren nur gestellt von der Bahn: dann löste ich den Klickschluss vom Sulky und stellte diesen Weg. Zusammen nahmen wir das ganze Zeug ab, putzten noch einmal über das verschwitzte Fell, bevor ich die trockene Decke auflegte. Lina warf die Standardmenge an Futter in den Trog, dann konnte Humbria sich ausruhen. Bis zum Rennbeginn hatten wir einige Minuten und trotteten hinüber. Nour drehte bereits mit ihrem Hengst Runden.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 27.966 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte März 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel fyrtio | 03. November 2022

      Maxou / Northumbria / Mondlandung LDS / Anthrax Survivor LDS / Forbidden Fruit LDS / Legolas / HMJ Divine / Just A Bear / Heldentum LDS / Astronaut in the Ocean LDS / Harlem Shake LDS / Outer Space / Moonwalker LDS / Meltdown / Pay My Netflix / Henade / Millennial LDS

      Vriska
      Nicht anders als erwartet, klingelte der Wecker wahnsinnig früh. Lars sprang beinah aus dem Bett, der Gesichtsausdruck ebenso müde wie meiner. Wir schwiegen, aber stellten durch reinen Augenkontakt sicher, dass es auch besser war. Während er zunächst das Badezimmer besuchte, schaltete ich die Kaffeemaschine ein. Sie piepte.
      „How dare you”, murmelte ich und füllte den Wassertank auf, wie sie es mir auf kleinen Display als Fehlermeldung ausgab. Einige Wassertropfen gingen daneben. Seufzend griff nach dem Küchentuch am Haken und wischte jene weg. Beide Kaffees waren bereits umgefüllt in Thermobecher, als mein Kollege endlich aus dem Bad kam. Jeder, der mir vorwarf, dass ich am Morgen Stunden darin verbrachte, kannte Lars nicht! Ich ärgerte mich noch etwas darüber, als ich im Anschluss den Raum betrat und wir wenig später zum Stall trödelten.
      „Wie immer?“, fragte er mit kurzen Worten. Damit meinte er, dass wir erst die Tröge in den Boxen füllten und im Anschluss ihre Bewohner holten. Es folgten die Hengste von den Paddocks und zum Schluss die Stuten.
      Die ersten zwei Arbeitsstunden vergingen. Nur langsam näherte sich die Sonne, an dem eher kühlen Tag und ich überlegte, womit ich anfangen sollte. Aus den wenigen aktiven Rennpferden wurden gefühlt immer mehr. Beinah wöchentlich kam Tyrell auf die Idee, ein weiteres Jungpferd von der Weide zu holen und uns damit zu beauftragen, es anzufahren. Immerhin beschäftigte er sich ebenfalls mit den Tieren bei der Bodenarbeit. Hinten und vorn kam ich durcheinander und war froh, wenn nur zwei Tiere für den Tag an mich zugeteilt wurden. Humbria hatte Pause, schließlich stand ein Rennen morgen an. Um mich zu gewissermaßen, wer noch mitkommen würde, holte mein Handy hervor. Tatsächlich waren es mehr als sonst. Sieben Pferde standen auf der Liste, zwei mehr, als wir durchschnittlich transportierten. Vielleicht lag es auch am Standort. Die Konkurrenz in Mantorp war überschaubar, mittelmäßig, ebenso die Dotierungen – dafür war die Stallanlage wunderschön und gepflegt. In der kleinen Gemeinde selbst gab es kaum etwas, neben der Trabrennbahn und Rennstrecke.
      „Was sitzt du hier herum, nichts zu tun?“, trat mein Bruder unverhofft in den Mitarbeiter-Raum herein.
      „Ich habe geschaut, welche Pferde morgen mitkommen“, erklärte ich.
      „Einige, soweit ich weiß“, sprach er, „ihr bleibt über Nacht, oder?“
      „Meiner Kenntnis nach, ja. Wieso?“, skeptisch schielte ich über meine Brille zu ihm hinüber. Mit verschränkten Armen stand er an den Küchentresen gelehnt, als gäbe es ein Problem.
      „Du hast Geburtstag. Willst du diesen nicht feiern?“, rückte er mit der Sprache heraus.
      „Nein?“, schrie ich beinah hysterisch und drückte mich mit den Händen von der Tischplatte ab, um aufzuspringen.
      „Schon gut. Ich wollte nur nachgefragt haben“, zuckte Harlen zurück. „Nimmst du deine Freundin wenigstens mit?“
      „Wir haben nicht darüber gesprochen“, gab ich achtlos zu verstehen und stürmte hinaus. Auf Gespräche wie diese hätte ich verzichten können, primär meinen Bruder sollte klar sein, dass dies ein schlechtes Thema am frühen Morgen. Oder allgemein.
      Verloren irrte ich durch den Stall, versuchte eine Aufgabe zu finden, was hinsichtlich der Müdigkeit und des allgemeinen Befindens alles andere als leicht erschien. Mehrmals lief ich den langen Gang an den Boxen vorbei, schaute zwischendurch zu den Pferden, bevor ich vor Frust den Weg zur Hütte einschlug. Allerdings kam ich nur bis zum Ende der Boxen, denn da stand Lars, mit Mola am Strick. Diesen übergab er mir.
      „Hier, du fährst mit ihr“, sagte er.
      „Warum? Lina arbeitet doch mit ihr“, wunderte ich mich zugleich und strich der neugierigen Stute über die Nase. Sie musterte mich mit ihren treuen Augen. Sanft spürte ich den warmen Atem aus den Nüstern auf meiner Haut, verwehte dabei einige Strähnen aus dem Gesicht.
      „Sie fährt aber nicht und du kannst besser mit Stuten umgehen als ich. Auch, wenn ich das ungern zugebe“, grinste mich mein Kollege an.
      „Na gut, hoffentlich nehme ich dir nicht die Arbeit weg“, gab ich mit einem Schmunzeln zurück.
      „Oh nein, wie schade, ein Pferd weniger. Da werde wohl wieder schlecht schlafen“, lachte Lars, dann verfinsterte sich die Miene, „Ich bin dir tatsächlich sehr dankbar, weil Anti sprang, abermals in das Gitter der Führanlage und nun spinnt der Motor.“
      „Und warum macht dein Papa das nicht?“
      „Der hat anderes zu tun“, erklärte er im Gehen, „bei den Stuten ist schon wieder die Heizung ausgefallen, deswegen funktionieren die Tränken nicht.“
      „Langsam bräuchten wir einen Haustechniker“, rief ich ihm noch nach. Nur unklar schwang eine Antwort an mich heran, die allerdings im Windzug und zwischen den Pferdegeräuschen unterging.
      „Und was machen wir beide?“, tätschelte ich Mola am Hals. Zusammen standen wir in der Putzbucht, die Stricke am Halfter befestigt und ich suchte mal wieder nach einer Bürste. Seit einigen Tagen lagen die Dinge nicht mehr Regal, sondern überall verteilt. Unglaublich, wer hinterließ nur so ein Chaos? Letztlich holte eine der Putztaschen aus der Sattelkammer und befreite das Pferd vom Staub. Schwer waren ihre Augenlider und der Atem ruhig. Ebenso still wie der Stall – keine blöden Sprüche aus der Halle, keine gezwungenen Gespräche – nur der Wind an den Scheiben und das Hufgetrappel auf dem Beton.
      Mola war sauber, trug den kürzesten Gurt, den ich fand und eine schwarze Unterlage. Über das Vorzeug dachte ich nur einen Moment nach, griff nach dem Erstbesten. Es fehlte nur noch der richtige Beinschutz sowie ihre Trense.
      Mit dem Sulky eingehängt, führte ich sie hinaus. Wir lenkten in den Wald ein. Frische Spuren mehrerer Pferde zeichneten sich in Sand, was sich nur auf Lina und ihre Gefolgschaft zurückführen ließ. Durch leichtes Zupfen an den Leinen blieb Mola stehen, spitzte die Ohren und ich versuchte ebenfalls herauszufinden, wie weit sie entfernt waren. Im Surren der Baumkronen flatterten Vögel hervor und leise schwebten einige Nadeln herunter. Mola lief auf Kommando wieder an. Ich wollte niemandem begegnen, also ging ich auf die mittlere Grasbahn, auf der für gewöhnlich nicht geritten wurde. Mich belastete der bloße Gedanke, dass ich Linas Pferd am Wagen hatte, obwohl sie es nur pflegte. Jede Begründung in meinem Kopf ergab nur wenig Sinn, dennoch konnte ich mich nicht davon lösen. Mir fiel es zwar leicht, ein Pferd abzugeben, dennoch bedeutete die Abgabe meistens den generellen Verlust. Fruity, die mittlerweile in Kalmar stand, war eins davon. Sie zu sehen, schmerzte, obwohl sie bei der Familie gut aufgehoben war. Manchmal erzählte Eskil mir vom gemeinsamen Training, aber ich hörte nie richtig zu.
      Nach einer Runde im Schritt trabte ich locker an und hielt das Tempo. Mola streckte sich. Wie die meisten unserer Traber, zog sie nicht an den Leinen, sondern wartete darauf, dass man nachgab. Ihren Kopf hielt sie selbst und fand damit selbst die Balance, sodass ich nur ihr Tempo über die Stimme regulierte. Meinen Blick richtete ich auf den kleinen Monitor vor mir. Gleichmäßig blieb ihre Herzfrequenz. Besonders bei den jungen Tieren war es wichtig auf Ausdauer zu setzen, damit sich der Herzmuskel langsam stärkte, sonst konnte es zu bösen Verletzungen kommen. Eine halbe Stunde später kamen wir zum Hof zurück. In der kalten Luft dampfte sie und wirkte dabei wie ein kleiner Drachen. Schmunzelnd stieg ich vom Bock und führte sie in die Stallgasse hinein. Dort herrschte ein reges Treiben, denn offenbar war Lina mitsamt ihrem Hofstaat bereits zurückgekehrt. Lego döste entspannt unter dem Rotlicht, während sein Reiter die Beine vom Dreck bespritzten Stoff befreite. Alle weiteren Pferde standen ordnungsgemäß zwischen den Anbindepfosten. Oder besser fast alle. Divine schob, begleitet von einem kratzenden Geräusch seine Futterschüssel, quer über die Stallgasse und hinterließ dabei einen Spurt aus Hafer, als wolle er wie Hänsel und Gretel seinen Weg markieren. Leicht schockiert blickte ich in die Menge, beinah erstarrt, doch Mola stupste mich an, als würde sie mich erinnern wollen, dass ihr kalt war.
      „Oh, Hallo“, lächelte Sam, die als erste Notiz von mir nahm. Freundlich stellten sich die Ohren des rundlichen Fuchses zu ihrer Linken auf.
      „Godmorgon“, murmelte ich überfordert von der Situation, schließlich bin ich bis zur letzten Sekunde davon ausgegangen, niemanden anzutreffen. Doch nun musste ich mich dem stellen, dass ich Mola gefahren war. Hitze stieg in mir auf, trotz der Kälte.
      „Wer ist denn das hübsche Tierchen?“, fragte die Schweizerin interessiert und hielt der Stute die Hand zum Beschnuppern hin. Neugierig bewegte sie ihre Lippe in die Richtung, aber begann dann, sich an ihr zu reiben. Mit dem Finger im Gebissring zog ich sie weg.
      „Mola“, antwortete Lina ihr, „das Jungpferd, was ich ausbilde. Na ja, zu teilen zumindest.“ Sie klang freundlich, wie immer, doch das standardisierte sanfte Lächeln ließ eine Regung nur schwer erkennen.
      „Und heute musste ich sie fahren“, murmelte ich gedrückt, bewusst den Augenkontakt meidend.
      „Wie war’s, hat die Kleine sich benommen?“, erkundigte sie sich interessiert. Falls es sie störte, dass jemand bei „ihrem“ Pferd mitmischte, ließ sie sich das nicht anmerken. Laut schepperte es, als Ivy auf seinem Weg eine Boxentür rammte. Lina zupfte leicht an seiner Mähne, woraufhin er den Kopf hob und sie ihn zurück dorthin führte, wo er ursprünglich gestanden haben musste, zumindest ließen die Hufglocke mit den Ottern dies vermuten. Von seinem neuen Standort aus ging nun die Suche nach den Futterkrümeln los. Warum konnte sie nicht wie jeder andere das Pferd befestigen? Innerlich schüttelte ich mit dem Kopf.
      „Ja, alles gut. Die Herzfrequenz schwankt noch, aber es geht Bergauf“, erklärte ich zuversichtlich, „in zwei Monaten spätestens soll sie in die Qualifikation.“
      „Das ist schön zu hören“, nahm sie die Information zur Kenntnis und befestigte inzwischen doch die Halteseile an ihrem Pferd, welches geradewegs eine fremde Futterschüssel ansteuert. Nach kurzem Schweigen führte ich Mola schließlich vor den neugierigen Blicken aller vorbei, selbst Niklas stand dabei und sah beinah mitleidig aus.
      „Ich gehe dann“, verabschiedete ich mich zittrig in der Stimme.
      „Ist alles in Ordnung mit dir?“, kam Lina mir nachgelaufen.
      „Ja … nein, keine Ahnung. Hat Niklas dir nichts erzählt?“, flüsterte ich. Am Gurt löste ich die Sicherheitsschnallen und drückte den Verschluss hinunter, um den Sulky herauszunehmen. Mola drehte sich einmal neugierig zu mir um, aber verharrte auf der Stelle. Erst dann befestigte ich sie in der Gasse.
      „Erzählt?“, fragte sie irritiert, „Ich weiß nicht …“
      „Interessant … nun, ich hatte gestern sehr freundlichen Besuch“, seufzend rollte ich mit den Augen und fummelte die Leinen auf dem Geschirr heraus, „Nelly ging davon aus, mir ihre Meinung zu unterbreiten, auch wenn sich mir noch nicht ganz erschließt, wie sie herausfinden konnte, wo ich wohne.“
      „Was? Das ist ja heftig“, mit weit geöffneten Augen blickte sie mich an.
      „Joa. Ich soll mich von Basti fernhalten, aber er antwortet mir ohnehin nicht, also passt schon“, murmelte ich. Den Gurt hob ich vom Rücken und legte ihn über die Mauer. Das Gebiss hängte ich an den Verschluss. Erleichtert schüttelte sich die verschwitzte Stute.
      „Oh nein, das tut mir leid“, entgegnete sie mitfühlend, „kann man dir irgendwie beistehen?“
      „Keine Ahnung“, ich zuckte mit den Schultern und schaltete den Wasserhahn. Ich wartete, bis es wärmer war und begann, den Schweiß aus dem Fell zu waschen. Lina ging einen Schritt zurück, um dem Strahl auszuweichen.
      “Was hältst du davon, wenn wir uns heute einen netten Abend machen, nur wir zwei?”, schlug sie vor, “Oder möchtest du lieber Zeit für dich?”
      „Kommst du morgen nicht mit?“, umging ich ihre Vorschläge. Mit weichen Knien tastete ich mich wieder zum Hahn vor und stellte diesen ab.
      “Es fragte mich bisher keiner gefragt, aber gerne komme ich mit”, entgegnete sie.
      “Jemand muss doch die Pferde trocken führen”, grinste ich.
      “Ach, du suchst noch einen Sklaven”, lachte sie, “Na gut, weil du es bist.” Sanft strich sie Mola über die nach vorn gestreckter Schnauze.
      “Es zählt zum Arbeiten, also bekommst du dein Geld”, nahm ich ihr den Wind aus den Segeln. Am Ende des Tages kamen wir alle gut klar, natürlich, Tyrell gab uns auch Verpflegungsgeld mit.
      “Ist ja gut, darum geht es doch gar nicht”, lächelte sie, “Ich wäre auch so mitgekommen.”

      15:30 UHR

      Nachdem Mola aufgefressen hatte und trocken war, konnte sie zurück auf dem Paddock. Von dort nahm ich das nächste Pferd mit in den Stall, um erneut zur Bahn zu fahren. So ging es noch ein paar Mal, bis der Plan mir keine weiteren Tiere anzeigte. Zwischendrin traf ich auf Lars, der sich den Hengsten widmete. Gerade, als ich Feierabend machen wollte, holte er mich zurück.
      „Wo willst du hin?“, fragte er verwirrt und ich drehte auf der Ferse um.
      „Auf die Couch“, antwortete ich trocken.
      „Aber Lina darf doch den Bären kennenlernen“, lachte Lars. Mir erschien kein Licht, als dass mir diese Information bekannt war.
      „Okay, schön. Was habe ich damit zu tun?“, hakte ich unbeteiligt nach.
      „Wir hatten gestern darüber gesprochen“, runzelte er die Stirn, „du kannst natürlich auch gehen, aber sie freut sich sicher. Außerdem ist Hulk mittlerweile nach Hause.“
      Lars tat beinah so, als wäre der Kerl ein Problem für mich, obwohl er in letzter Zeit ganz erträglich war – insbesondere, wenn ich an die Nacht dachte. Ein zartes Lächeln zuckte über meine Lippen und ich entschloss, noch zu bleiben. Zusammen liefen wir zum Anbinder, an dem Lina bereits, wie ein Reitschüler um das helle Pferd huschte, mit einem breiten Strahlen im Gesicht. Es schien beinah so, als wäre ihr Traum in Erfüllung gegangen, obwohl der Gedanke ziemlich weit hergeholt war.
      “Schön, beehrst du mich auch, Vriska?”, sprach sie beschwingt.
      „Natürlich, der Teddy bringt dir sicher neue Perspektiven“, brachte mich ihre Art ebenfalls auf Glücksgefühle, obwohl ich vor Minuten noch überlegt hatte, wie ich für ein paar Monate erneut verschwinden könnte. Lars, der sonst seine Blicke auf mich richtete, hing an Lina. Das Funkeln in seinen grünen Augen und diese gewissen Züge im Gesicht ließen nur erahnen, woran er gerade dachte. Ich beobachtete ihn nur für kurzen Moment, bevor ich ihn in die Seite zwickte und er sich krümmte.
      „Ey, was soll das?“, empörte er sich. Bears Ohren drehten interessiert in unsere Richtung und auch Lina drehte sich um. Da meinerseits keine Antwort kam, richtete sie sich dem Pferd hin und zurrte den Gurt fest.
      „Sie hat seinen Freund. Denk gar nicht daran“, flüsterte ich ihm ins Ohr.
      „Weiß ich doch“, schmunzelte er selbstsicher und zog eine Augenbraue verdächtig hoch.
      Lina und Bear waren so weit. Sie klickte den Verschluss des Helmes zu. Zusammen liefen die drei vor, ich folgte stumm. Aus dem Schrank hatte ich mittlerweile mein Handy geholt, scrollte die Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm durch, aber entdeckte nichts, das meine Aufmerksamkeit bedarf. Lars gab Lina noch wichtige Tipps an die Hand, bevor er die Hand in den rechten Bügel drückte und sie sich in den großen Sattel schwang. Behutsam drückte sie die Beine in die Seite, während ihre Hände noch die langen Zügel sortieren. Der stämmige Hengst wurde mit vier an der Zahl geritten. Zwei davon führten zum Gebiss, die anderen zum Kappzaum.
      Von der Seite kam Nour angelaufen.
      „Oh, Lina reitet das Bärchen!“, stellte sie mit Begeisterung fest und setzte sich neben mir auf das Holz. Ihre schwarzen Haare hatte sie heute mal wieder offen, wie auch alle anderen Damen am Hof, bevorzugte sie einen Pferdeschwanz und an manchen Tagen trug sie diese sogar geflochten. Meistens war Lina der Grund dafür, denn sie diente ihr häufig – in Bezug auf die Haarpracht – als Vorbild. Tatsächlich bemerkte ich immer häufiger, wie wir uns alle an Lina orientierten.
      „Aber was sitzt du denn hier wie ein nasser Sack?“, fragte Nour nach Minuten der Stille. Lars war beschäftigt mit dem Reitunterricht, denn im Gegensatz zu den Freibergern, erwies sich Bear als sehr fein an den Hilfen. Jeder Druck zu viel am Bein bewegte den Hengst dazu, das Tempo zu erhöhen.
      „Ich weiß auch nicht, Nour. Es ist ziemlich viel im Moment“, hielt ich mich bedeckt, ihr Gegenüber, wissend, dass es sonst jeder wusste binnen Stunden.
      „Nelly hat es erzählt“, blickte sie mich mitleidig an.
      „Was denkst du denn? Bin ich zu weit gegangen?“, begann ich tatsächlich Rat bei ihr zu suchen, aber sie war mir das auf eine gewisse Weise auch schuldig. Schließlich war Nour es, die unbedingt eine Verbindung zwischen uns aufbauen wollte.
      „Nein, du hast dich richtig verhalten. Dass Basti wieder ankam, war doch auch nur eine Frage der Zeit“, sagte sie und lächelte.
      „Wie meinst du das?“, nachdem mir erzählt wurde, dass er kalt sei und kaum Gefühle zu ließ, hätte mich nicht darauf schließen lassen. Viel eher ging ich davon aus, ihn unglaublich nerven zu müssen, um Kontakt aufzubauen.
      „Vivi, der steht auf dich. Was denkst du, wieso er mit dir Essen geht und bei seinen Freunden auch dich dahaben möchte?“, sprach sie die Umstände aus, vor denen ich Angst hatte, zu denken.
      Unklar seufzte ich.
      „Es bringt nur nichts, wenn er eine Freundin hat“, murmelte ich.
      „Das stimmt. Hast du ihm das gesagt?“, hakte Nour weiter nach, die Worte mit Bedacht gewählt. Etwas war anders an ihr, tatsächlich fühlte es sich wie ein freundliches Gespräch an. Sonst lag eine gewisse Neugier in der Luft, die nun versteckt, im Inneren verstaut war.
      „Indirekt, aber er hat mir bereits klargemacht, dass er Nelly nicht verlassen wird. Damit ist das Thema für mich durch und ich muss ihn ziehen lassen“, sprach ich gedrückt zu Ende und starrte zum wiederholten Mal auf mein Handy, dass ich mittlerweile aus der Hose herausgeholt hatte. Lag mit dem Bildschirm nach unten auf dem Holz. Nour bemerkte dies natürlich.
      „Du vermisst ihn, stimmt das?“
      „Sehr, ja“, gab ich zu, „aber Lars hat gesagt, dass ihm Zeit geben soll. Wenn er mich braucht, wird er sich melden.“
      „Das klingt aber nicht danach, dass du ihn ziehen lassen möchtest“, scherzte sie.
      „Ich habe meinen Namen gehört“, drehte sich Lars auf der Reitbahn zu uns. Auf dem Zirkel bei A galoppierte Lina gerade, versuchte die großen Sprünge des Hengstes zu sitzen, aber wurde im zu großen Sattel nach vorn geschoben. Die starke rote Färbung ihres Gesichtes ließ mich nur ahnen, wie viel Kraft sie aufwenden musste.
      „Vergiss nicht zu atmen“, rief er ihr noch zu und stand dann mit den Armen auf der Bande vor uns.
      „Tatsächlich ja“, grinste ich, auf seine Anmerkung antwortend.
      „Aber es dreht sich nicht alles um dich“, trug Nour dazu bei. Die Geschwister sahen einander mit abschätzigen Gesichtszügen an, als würden sie genau die Gedanken des anderen hören können, während ich nichts verstehend daneben saß.
      „Worüber quasselt ihr? Vivi scheint mir ziemlich fröhlich“, blickte er skeptisch zu mir, als dürfte ich nur schlechte Laune haben.
      „Ihre Beziehung“, grinste Nour überzeugt.
      „Du meinst wohl eher, die Wunschvorstellung von einer“, zischte er. Aua. Das saß tief. Wie eine Diva drückte Lars sich vom Holz weg und stiefelte zurück in die Mitte.
      „Es gibt Tage, da ist er komisch. Hör nicht auf den“, versuchte sie mich wieder auf bessere Laune zu stimmen, aber das Thema war emotional durch. Schweigend saßen wir im Zuschauerbereich und beobachteten Lina, bis sie fertig war mit Bear. Lars wurde ungnädig, forderte viel von ihr und brachte sie ans Äußerste. Vermutlich konnte meine Kollegin damit einiges lernen, aber deutlich spürte ich die Frustration, die in Form von weiteren Fehlern ans Tageslicht kam. Endlich gab er nach und ließ sie allein Abreiten.
      „Wir bringen dann die Pferde raus“, verabschiedete sich Lars für den Augenblick und begann, mit Nour die ersten Tiere aufs Grün zu bringen.
      “War das anstrengend und ich dachte bereits Nikis Ansprüche seinen hoch”, erschöpft hielt sie mit dem hellen Hengst vor mir an. Sabbert tropfte aus seinem Maul, während er zufrieden das Metall in seinem Maul bearbeitete.
      “Mit Lars ist nicht gut Blumen pflücken”, scherzte ich. Wenn ich es verglich mit meinen Stunden bei ihm, musste Lina deutlich mehr hinnehmen. Eine Einordnung war schwierig.
      “Ich merke schon”, lächelte sie matt, ”aber Bear hat Spaß gemacht.” Sanft klopfte sie dem Traber den Hals und wuschelte durch die bunte Mähne. Zum Sauber machen begleitete ich sie. Seitdem ich mehr mit den Rennpferden arbeitete, bevorzugte ich es, die Pferde komplett abzuspülen, dass der Schweiß zum Abfluss lief. Lina war mit dem Füttern beschäftigt und ich reinigte das weiße Pferd. Bevor das Wasser durchsichtig wurde, spülten sich Massen an Dreck heraus.

      20:40 UHR

      Inzwischen saß ich bei Lina, oder eher meinem Häuschen, auf dem Fußboden, ziemlich abseits der Gespräche. Auf dem Wohnzimmertisch standen mehrere leere Gläser und Flaschen, die wir bis dato getrunken hatten. Die Stimmung war locker, nur ich fühlte mich noch immer fehl am Platz. In meinen Händen hielt ich fest die braune Flasche mit einem halben Etikett, starrte durch den Hals auf den Grund. Ein letzter Schluck darin schäumte sanft und ein bitterer Geruch stieg in meine Nase. Leise seufzte ich.
      “Ist dir heute nicht nach Gesellschaft?”, fragte Lina sanft, die auf dem zum Kühlschrank an mir vorbeigeschlendert kam.
      “Weiß nicht. Ich kann leider nichts Sinnvolles beitragen”, klagte ich.
      “Das erwartet doch auch niemand von dir”, sprach sie gutmütig. Im Hintergrund klirrte es, als ein Glas umfiel. Glücklicherweise bestand der Inhalt nur aus wenigen Tropfen, die sich auf dem Tisch verteilten. Auf der Zunge zuckte ein Kommentar, aber die Worte verklebten meine Lippen.
      “Vielleicht sollte ich wieder gehen”, redete ich leise vor mich hin, ohne wirklich zu erwarten, dass es jemand mitbekam. Wie eine alte Frau drückte ich mich mit den Händen vom Parkettboden ab und stellte die leere Bierflasche beiseite, um meine Jacke zu holen.
      “Du willst schon gehen?”, rief Sam plötzlich quer durch den Raum, offenbar hatte sie nicht nur Augen für den einzigen Mann in der Runde.
      “Ja, ich störe doch nur mit meiner Laune”, grinste ich selbstironisch.
      “Du störst doch nicht”, leugnete sie meine Aussage. Wie zur Untermauerung dieser Aussage nickten Lina und auch Nour grinste freundlich.
      „Jetzt lass dich doch nicht so runterziehen, das wird schon“, stimmte Lars‘ Schwester an, obwohl sie genauso gut wusste, dass die Worte nicht mehr als hohle Phrasen waren. Natürlich musste ich da durch, aber es war leichter, als er mich beim ersten Mal ignorierte.
      „Ist doch schon gut“, rollte ich mit den Augen und holte mir ein weiteres Bier. Schließlich setzte ich mich mit in die Runde.
      “In welchem Semester studierst du jetzt, Enya?”, nahm die Schweizerin, das Gespräch wieder auf, während Lina die Gläser mit roter Flüssigkeit befüllte.
      “Ich bin jetzt im Elften. Im Mai bin ich endlich fertig”, erklärte sie und unterstrich dies mit theatralischen Gesten.
      “Oh, schreibst du also gerade deine Doktorarbeit?”, fragte Lina interessiert.
      “Nicht ganz”, lachte Enya, “Ich mache gerade mein Staatsexamen und die Doktorarbeit kommt erst danach. Aber ich weiß bereits, worüber ich schreiben werde.” Erwartungsvoll blickten die anderen drei Mädels die Schwedin an.
      “Wer hätte es gedacht, über Pferde”, grinste sie, “genauer gesagt soll es eine Forschungsarbeit über bisher unbekannte Farbphänomene werden.”
      “Oh, das klingt cool”, sprach Lina begeistert, “Wäre Mola nicht perfekt dafür?” Aufgeregt sprang sie auf und suchte wie wild nach ihrem Mobilgerät, das augenscheinlich nicht in näherer Umgebung zu liegen schien.
      “Was hast du vor?”, rief Samu der Brünetten hinterher, als sie aus dem Zimmer wuselte. Er bekam keine Antwort, stattdessen krachte es wenig später besorgniserregend.
      “Die fährt bestimmt wieder ihren Film”, schüttelte ich mit dem Kopf und formte die Beine in den Schneidersitz.
      “Renoviert sie da drin?”, scherzte Sam, als weitere undefinierte dumpfe Geräusche aus dem Zimmer erklangen. Ich zuckte mit den Schultern. Kurz darauf kam sie aus der Tür getreten und lief ins Badezimmer.
      “Ha, ich hab’s”, rief sie triumphierend und kehrte mit ihrem Handy in der Hand zurück, welches sie sogleich Enya vor die Nase hielt.
      “Langsam Lina, der genau Rahmen ist noch gar nicht festgelegt”, bremste sie die Kleine in ihrem Enthusiasmus aus, “aber es ist ein wirklich hübsches Pferd.”
      “Wir hatten auch noch einen weiteren Nachkommen, aber der ist mittlerweile in Kanada”, warf ich in die Runde.
      “Ihr verkauft sogar außerhalb Europas? Respekt”, sprach Sam anerkennend. Ich wusste, dass sie selbst züchte, allerdings wohl in deutlich kleinerem Rahmen, als wir es hier taten.
      “Traber werden versteigert und da weiß man nie, wo der Jährling landet”, erklärte ich wahrheitsgemäß, “und besonders die Tiere aus Schweden sind beliebt auf dem Markt. Ein Grund mehr, weshalb Tyrell hierher wollte.”
      “Taktische Standortwahl, wirklich geschickt”, nickte sie, “das kann ich nicht gerade behaupten.” Sie lachte selbstironisch.
      “Dass es keinen Kredit mehr gab, weil das Gestüt abgebrannt ist, gehört auch dazu und Freiberger als Freizeitpferde mit Sportpferden ist schwierig”, zischte ich teils zickig, teils genervt.
      “Jetzt reiß dich doch mal zusammen”, flüsterte Nour mir ins Ohr, aber ich schwieg. Die Schweizerin sagte nichts weiter, schüttelte nur kaum merklich den Kopf, doch Lina schienen die Worte förmlich auf der Zunge zu liegen. Eindringlich blickte der Finne ihr in die Augen, als wisse er genaustens, was sie tun wollte.
      > Anna sen olla
      “Lass gut sein”, sprach Samu, bevor auch nur ein einzelner Buchstabe ihre Lippen verließ. Es folgte ein intensives Blickduell, was beinahe wirkte wie eine stumme Diskussion, bis die Kleine schließlich aufgab und den Blick abwendete.
      “Möchte noch jemand was zu trinken?”, fragte sie in die unangenehme Stille hinein, leerte ihr Glas in einem Zug, um es gleich darauf wieder aufzufüllen.
      “Besser nicht, ich fahre morgen den Transporter”, erklärte ich und stellte die leere Bierflasche auf dem Tisch ab. Auch Nour, die bisher nur ein Glas getrunken hatte, lehnte ab. Bei den anderen erübrigte sich die Frage aufgrund der nahezu noch gefüllten Gläser, genauer gesagt der etwas längeren Heimreise, die Samu und seine Freundin zurückzulegen hatten.
      “Welche Pferde nehmen wir morgen eigentlich mit”, nahm sie den Themenwechsel auf und drückte den Korken wieder auf den Flaschenhals.
      „Viele“, beschloss ich, nicht jedes aufzuzählen.
      „Mill fährt morgen ihr erstes Rennen mit Papa. Und ich habe mir wieder Walker“, schloss Nour sofort dem Thema an. In ihren Augen funkelte es, schließlich ging es um ihren Liebling.
      „Klingt, als hätten wir morgen einiges zu tun“, stellte Lina fest, „Da bin ich gespannt, wie Milli sich schlägt bei ihrem ersten Mal.“
      „Vor allem ist es ein Bänderstart. Grundsätzlich konnten wir das gründlich üben, aber bei der Qualifikation zog sie sich wirklich gut ans Auto, also mal sehen. Sie fährt gegen sechs andere Pferde, also überschaubar“, erläuterte Nour näher, „ach Vivi, du fährst morgen den Heat mit Shaker.“
      „Wieso muss ich das machen? Kannst du nicht?“, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen.
      „Nein, kann ich nicht. Der muss nach dem zweiten Rennen laufen und ich bin mit meinem im dritten“, zog sie einen schärferen Ton an. Dazu sagte ich nichts mehr, aber konnte mir schon ausmalen, welche Lachnummer es werden würde. Der Falbe hatte viel Temperament und war im Heat sehr angefixt.
      „Shaker klingt nach einem außerordentlich schnellen Pferd", brachte Sam sich in das Gespräch ein.
      „Geht so“, spielte ich ihn herunter, „er verliert schnell die Kraft. Deutlich mehr Power haben Astro und Walker.“
      „Vergiss Alfi nicht“, fügte Nour hinzu.
      „Warte, der alte Bock kommt auch mit?“, wunderte ich mich. Sie zuckte nur mit den Schultern, hatte wohl auch nicht viel mehr Informationen.
      „Das ist ja interessant, den hattet ihr doch ewig schon nicht mehr mit“, überlegte Lina.
      „Er war eigentlich verkauft, vielleicht hat es damit zu tun“, warf ich ein.
      „Gute Frage, aber ich glaube, der Typ ist abgesprungen. Zudem wird er es nicht leicht haben gegen Netflix und Melt“, fügte Nour hinzu.
      „Das sind doch die beiden von Nelly “, sprach Sam unbeirrt den Namen aus, den ich am aller wenigstens hören wollte. Sofort richtete sich große Schwarzhaarige neben mir zu mir. Ihre Augen blickten tief in meine, dabei bewegte sie den Kopf von links nach rechts.
      „Stimmt, aber schwieriges Thema gerade“, erklärte sie der Schweizerin. Die Fragezeichen standen ihr ins Gesicht geschrieben, doch sie wagte nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Damit hatte sich aber beantwortet, wie die Olle mich finden konnte.
      „Lina, wann fahrt ihr denn morgen?“, fragte sie stattdessen.
      „Um zwölf Uhr wollen wir eingepackt vom Hof“, nahm sich Nour der Frage an, denn Lina wusste nicht einmal, wann der Renntag begann.
      “Perfekt, dann kannst du mir morgen früh ja noch das Problem bei Hanni zeigen ”, schloss sie daraus, woraufhin Lina zustimmend nickte. Das Gespräch nahm seinen Laut, während die Zeiger der Uhr unaufhörlich weiterwanderten.
      “Wir würden uns so langsam verabschieden”, erhob sich Enya, was auch ihren Freund in Bewegung brachte. Vor den Fenstern war schon lange die Dunkelheit eingekehrt und den meisten von uns, waren die Anstrengungen des Tages anzusehen. Das Verlassen des Pärchens läutete das Ende des Abends ein, mit dem sich auch wir anderen in unsere eigenen Gemächer begaben. Endlich.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 29.362 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende April 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel fyratioett | 15. März 2023

      Maxou / Northumbria / Planetenfrost LDS / Astronaut in the Ocean LDS / Outer Space / Moonwalker LDS / Millennial LDS / Eifellust / Harlem Shake LDS / Trotaholic / Pay My Netflix / Meltdown / Fieberglas / Henade / Mockup / May Bee Happy

      Die Fahrt im strömenden Regen hätte nicht schlimmer laufen können. Schon als wir uns zur Fernstraße begaben, eröffnete sich das reinste Chaos auf der Straße – Montage halt. Überall standen LKW und ich musste wirklich in Millimeterarbeit mich einscheren. Hinter uns versuchte Bruno zu bleiben, was ihm nicht immer gelang. Er fuhr allein.
      „Euch jungen Leute möchte ich am Abend nicht stören“, sagte er bei der Abfahrt am Hof. Zudem begründete er seine Entscheidung damit, dass er ungern im Transporter schlief. Verübeln konnte ich es ihm nicht, die Matratzen waren unglaublich unbequem.
      Trotz des Staus kamen wir gut voran. Das integrierte Navigationssystem steuerte uns von der Straße hinunter und wir durchquerten kleinere Dörfer, bis schließlich das Eingangsschild auf der rechten Seite erschien.
      “Können wir bitte endlich was essen?”, quengelte Nour, als alle Pferde in ihren Boxen standen und am Heu zupften. Wir hatten einen eigenen Stallbereich zugeteilt bekommen, den wir mit einem Schloss sichern konnten. Eine Box blieb frei, in der wir das Futter lagerten, Sulky hineinstellten. Gurte und Zubehör hingen im Gang.
      “Ja, bitte, ich verhungere gleich”, übertriebt Lina ein wenig, bei ihrer Zustimmung.
      “Dass ihr immer hunger habt”, scherzte ich leicht genervt, aber nahm ihre Bedürfnisse ernst.
      “Geht ihr beiden doch etwas holen. Wir müssen gleich mit den Heats beginnen”, erläuterte Lars näher und sagte seiner Schwester, was er gern hätte.
      “Damit ihr euch nicht verlauft, komme ich mit”, scherzte Bruno. Mit einem prüfenden Blick sah er zu seinem Sohn, der zuversichtlich nickte. Wir schaffen das zusammen.
      “Soll man dir auch etwas mitbringen?”, fragte Lina mich freundlich.
      “Kaffee, schwarz”, erklärte ich. Beim Aussteigen dachte ich für einen Atemzug über Nahrung nach, doch als ich den weißen Transporter mit blauem Print vor unserem Stallgebäude sah, verging es mir. Nicht nur im Magen lag ein bitteres Gefühl, sondern auch mein Herz trommelte wie Urvolk im Kriegsmodus.
      “Alles klar, wird geliefert”, bestätigte sie, bevor sie mit den anderen beiden verschwand. Als sie außerhalb der Sichtweise waren, lief ich vor den Stall. Lars folgte mir. Bei der Ankunft gehörten wir zu den Ersten, mittlerweile tummelten sich immer mehr Leute auf dem weitläufigen Gelände. Bellend liefen Hunde zwischen den Fahrzeugen und wurden im selben Atemzug von den Besitzern zurückgezogen.
      “Du kannst auch im Raum rauchen”, kam Lars mir nach, als er mein Fehlen bemerkte, “oder wartest du auf etwas?”
      Frech grinste er.
      “Ist doch eklig für euch und nein, ich warte auf rein gar nichts”, versuchte ich mich selbstsicher zu geben. Je öfter ich es mir sagen würde, umso schneller könnte es die Realität werden. Ich warte nicht auf ihn, flüsterte ich mir selbst und zog kräftig an der Zigarette.
      “Na gut, aber ich bleibe besser hier”, lächelte er und begann, mit mir den Tagesplan zu erarbeiten. Genauer gesagt, gingen wir die Rennen durch, schrieben uns genau auf, wann welches Pferd in den Heat sollte und ein Rennen begann. Wichtig hierbei, dass wir nicht davon ausgingen, dass es zum Verzug kam.
      „Lina kann nicht Shaker trocken führen. Das endet in Desaster“, merkte ich an.
      „Wirklich nicht? Aber du magst recht haben, dann mache ich das selbst. Ich habe genügend Zeit, bis Eifel an der Reihe ist“, gab Lars nach und tippte auf seinem Handy die Einigung ein.
      “Was denkst du, Humbria einen Heat oder zwei?”, überlegte ich weiter. Die letzten Trainingseinheiten hatte die Stute mit Bravour absolviert, aber wir kannten diese Bahn noch nicht und gerade in Anbetracht ihres Alters, könnte zwei deutlich angenehmer für sie sein.
      “Zwei, eindeutig. Du kannst im Ersten locker bleiben und im zweiten anziehen, oder noch mal gemütlich außen herum, wenn du das Gefühl hast”, schlug er vor. Damit kam die nächste Planung in den Zeitplan und wir bemerkten, dass wir fertig waren. Im selben Augenblick kam auch das Essen angeflogen. Fröhlich tunkte Bruno Pommes in Mayonnaise und Nour grinste über beide Ohren, mit einer Pizza in den Händen.
      “Einmal Flüssignahrung für dich”, lächelte Lina und drückte mir den Pappbecher in die Hand. In der anderen Hand trug sie eine große Portion Pommes.
      “Tack”, bedankte ich mich und nippte an dem schon abgekühlten Lebenselixier. Ein kräftiger gerösteter Geschmack breitete sich von der Zunge im ganzen Körper aus. Die Wärme brachte eine gelungene Abwechselung.
      “So, aber wir dürfen jetzt nicht Trödeln. Wie weit ist Mill?”, ließ Bruno und nicht einen Augenblick der Ruhe.
      “Eingeflochten, einbandagiert, aber das war es”, erklärte Lars seinem Vater. Gemeinsam stiefelten sie in den Stall und ich verblieb mit den beiden Mädels vor dem Stall.
      “Wir haben sechs Schlafplätze, vier im Transporter und zwei im Hänger. Wo wollt ihr hin?”, brachte ich das nächste wichtige Thema voran, ohne den Blick vom Becher in meiner Hand zu lösen.
      “Transporter”, äußerte Lina sich knapp. Zu beschäftigt war sie damit, die Kartoffelstreifen in sich hineinzustopfen.
      “Planst du etwa etwas, um den Anhänger zu bekommen?”, scherzte Nour und bediente sich bei dem Zwerg. Mit vollem Mund brummte sie eingeschnappt, zog die Pappe aus ihrer Nähe.
      “In einem Hochbett? Klar, immer”, schmunzelte ich.
      “Ich glaube, wenn Vriska Zweisamkeit wünscht, gäbe es schönere Orte”, nuschelte die Kleine.
      “Ach, glaubst du das? In der voll gestellten Box oder den Aufenthaltsraum, der rein optisch seit den Achtzigerjahren nicht mehr renoviert wurde?”, hackte ich weiter nach.
      “Ich denke, die Optik der Räumlichkeit ist im Zweifel irrelevant”, entgegnete sie.
      „Ihr habt wirklich Probleme, hat das euch schon mal jemand mitgeteilt?“, schüttelte Nour belustigt mit dem Kopf, „wir sind wegen anderen Dingen hier. Also Hop.“
      Gerade als sie sich umdrehte und in den Stall laufen wollte, kam Bruno herausgelaufen mit Mill, die eine von den grünen Gesichtsmasken über den Kopf gezogen hatte. Die glänzende schwarze Stute erinnerte an ein Alien, dass den Weg nach Hause nicht mehr fand.
      „Du hättest wenigstens die Schwarze nehmen können“, rief ich ihm nach, aber er reagierte gar nicht darauf, sondern fuhr den Weg zur Bahn hoch.
      “Er beabsichtigt wohl aufzufallen”, lachte Lina.
      “Meine Güte, als würde ein Schecke nicht schon genug Aufmerksamkeit auf sich ziehen”, schüttelte ich den Kopf und folgte schließlich auch in den Stall. Lars saß in dem hässlichen Raum, mit dem Handy in der Hand und grinste.
      “Lina, noch einer, der nach Zweisamkeit sucht”, rief ich durch die Stallgasse und lachte diabolisch. Meine Neugier war heute besonders groß. Ich versuchte ihm das Gerät aus der Hand zu ziehen, aber im selben Augenblick sperrte er es und damit verlor jede Chance auf mehr Informationen.
      “Bist du etwa ansteckend mit deinen Zielen?”, scherzte sie und trat von Neugier getrieben in den Raum ein.
      “Warum denn jetzt ich? Nour hat mir die Worte in den Mund gelegt und du hast dich zuvor bereits nach schöneren Orten umgesehen”, stellte ich empört klar.
      “Habt ihr etwas genommen? Das fängt schon gut an”, packte er sein Handy in die Hosentasche, als würde mich das aufhalten. Spitz grinste Lars und verschränkte die Arme vor der Brust, dass sich der Stoff an den Schultern spannte.
      “Nein, nur der normale Wahnsinn”, sprach die Brünette mit engelsgleichen Grinsen.
      “Also ich weiß, was bei ihm läuft”, kam Nour zur Tür hinein. Natürlich wusste sie es. Nur ihr Bruder entgleisten die Gesichtszüge.
      “Kannst du gar nicht wissen”, verhaspelte er sich beim Sprechen und verlor an Selbstsicherheit.
      “Die junge Dame befindet sich, ich vermute mal ganz stark, in der Nähe und würde dich gern wieder sehen”, wirkte es sehr überlegt, wie sie die Worte wählte. Zur Sicherheit blickte ich zu Lina, ob sie auch bemerkte, wie Lars rot anlief und sein Gesicht versuchte in den Händen zu verstecken.
      “Oha, sag’ nicht, dass du so etwas wie Verliebtheit verspüren kannst”, staunte ich aus vollem Herzen.
      “Dabei bist doch du die mit den Hexenkräften”, scherzte Lina, schien aber ebenso beeindruckt wie ich von Nours Informiertheit.
      “Ihr seid lästig”, beschwerte er sich und sprang beinahe panisch vom Stuhl auf.
      “Wenn du etwas sagst, bist du heute das letzte Mal Walker gefahren”, hörte ich Lars seine Schwester einschüchtern.
      “Zum Glück, darfst du das nicht allein bestimmen”, klärte ich ihn auf, aber er ignorierte uns ab dem Punkt konsequent.
      “Eine Zicke”, schüttelte sie den Kopf und nahm auf dem vorgewärmten Stuhl Platz.
      “Bestimmt die Hormone”, kicherte Lina in sich hinein und wirkte bestens unterhalten.
      Die Geschwister machten ihre Pferde fertig, mit der einfachsten Ausstattung, um möglichst als die Ersten im Heat zu sein. Aus den Gesprächen faste ich auf, dass Lars nicht auf die Bahn wollte, sondern die Trainingsstrecke plante zu nutzen.
      “Wie sieht mein Plan für heute aus, wann soll ich wo sein?”, nutzte Lina die Gelegenheit ihre Aufgaben in Erfahrung zu bringen. Aus meiner Tasche holte ich das Handy heraus und zeigte ihr die sehr lange Notiz. Dabei erläuterte ich möglichst genau, wo sie wann sein sollte. So begleitete sie Bruno und Mill von der Bande aus, sollte er Hilfe benötigen, denn ich musste mit dem mächtigen Falben fahren. Zwischendrin wechselte sie mit Nour ihre Position und bekam die Pferde zum Duschen, so wie in dem Moment. Bruno kam mit dem Alien zurück, das mit weit aufgerissenen Augen und Nüstern zu mir sah.
      Ich zeigte Lina, auch wenn es vermutlich nicht nötig war, wie man die Startnummern löste und den Sulky. Diesen schob Bruno an das Ende des Gangs. Gleichzeitig machte ich die Stute in der Waschbox fest, entfernte auf Zehnspitzen den Gurt und schließlich die Trense. Mit dem Schlauch spülte ich den Schweiß aus dem Fell und übergab Lina das Schweißmesser, um die Abschwitzdecke von Mill zu holen – oder zu suchen.
      “Wir hatten doch Mills Decke eingepackt, oder nicht?”, fragte ich Bruno und wühlte währenddessen in der durchsichtigen Kiste herum.
      “Eigentlich schon, zumindest hatten wir die gestern noch in der Hand”, erklärte der ältere Mann.
      “Hab sie”, hob den Fleece triumphierend in die Luft und legte ihn über das Pferd.
      “Du führst sie jetzt so lange, bis sie normal atmet und abgehustet hat”, drückte ich meiner Kollegin den Strick in die Hand.
      “Okay, bekomme ich hin”, nickte sie und setzte sich mit dem Schecken in Bewegung.
      Es fühlte sich an, wie die Ruhe vor dem Sturm. Auf dem Gelände der Rennbahn begann reges Treiben. Aus den roten Ställen rollte ein Fahrer nach dem anderen und erst, als ich den Rapphengst am blauen Sulky aus dem Trakt nebenan bemerkte, wurde ich mir bewusst, dass der Transporter nicht einfach abgestellt wurde, weil hier genügend Platz war. Wie von einer Tarantel gestochen, sprintete ich zum Tor hinein, um möglichst unbemerkt zu bleiben.
      „Was denn mit dir los?“, wunderte sich Lars, der gerade sein Dress überzog.
      „B-Basti“, brummte ich verwirrt und ließ mich auf der Eckbank fallen.
      Er grinste.
      „Was hast du erwartet? Dass er sich nach der Aktion zurückzieht?“
      Lars hatte recht, aber ich dachte nicht einmal darüber nach, wie es weitergehen würde, sondern verspürte einzig den stechenden Schmerz in der Magenregion.
      „Ich weiß auch nicht“, gab ich zu.
      “Na also, aber bitte entspann dich. Atme tief durch, rauche noch eine und dann machst du Shaker fertig”, schlug er vor, bevor er selbst mit Lina und Bruno zur Bahn lief.
      Das Rennen begann und im Fernseher des Raumes tönte der seltsame Ansager, der diese kleine Veranstaltung deutlich zu ernst nahm. Neben mir zitterte der Fuchsfalbe, den Nour von Anfang an mit Watte ausgestattet hatte. Beruhigend strich ihm über die Brust, aber das Pferd stand vollkommen unter Strom, kaum möglich, den ruhiger zu bekommen. Immer stand er, und tänzelte nicht wie die Stute zuvor von einer Seite zur anderen. Lars kehrte zurück, als ich gerade die Trense anlegte.
      “Vergiss das Capi nicht”, sagte er und reichte mir das Stück Stoff. Bis heute hatte ich den Sinn dieser Dinger nicht verstanden, aber er wusste schon, wieso ich es benutzen sollte. Beim Anspannen des Sulkys half er mir noch, dann schloss ich den Helm und führte das nervöse Pferd hinaus. Mit weit aufgespannten Augen sah sich der Hengst um. Mittlerweile sank die Sonne Richtung Horizont, stand allerdings noch hoch genug, um das Gelände zu erhellen. Kaum saß ich im Sulky, verflog die Aufregung und ich lenkte den Weg zur Bahn ein. Zusammen mit anderen Fahrern bewegte ich ihn im mäßigen Trab über das Geläuf auf der rechten Hand in der äußersten Spur. Einige Gesichter und Pferde kamen mir bekannt vor, aber genaue Namen fielen mir dabei nicht ein. Lina und Bruno waren wohl schon am Stall, zumindest traf ich sie nicht mehr.
      > Parad om tre minuter.
      “Parade in drei Minuten”, hämmerte es durch die Lautsprecher und ich lenkte den mittlerweile ruhigen Fuchs zum Ausgang. Stolz auf ihn klopfte ich seinen Po.
      “Viel Erfolg”, rief ich Lars noch zu, der mir einige Meter entgegenkam.
      Der stressigste Teil folgte nun. Bruno spannte für mich Humbria an, die von allen Pferden am ruhigsten wirkte. Ihre Augen schlossen sich langsam und die Ohren drehten nur bei besonders lauten Geräuschen. Lina nahm mir den Hengst ab, als der Sulky ab war, den ich bei meiner Stute im Gurt einklinkte.
      „Toots“, jammerte ich, dass sie zum wiederholten Mal sich in die Leinen drückte und mir das Leder durch die Finger zog. Lange war nicht mehr derart dankbar, dass ich Handschuhe trug. Eigentlich nahm ich mir vor, erst etwas Schritt zu fahren, aber von meinem Vorhaben hielt sie gar nichts. Wie auf Autopilot geschaltet, trabte sie nach der zweiten Kurve an. Ohne auf jegliche Hilfen zu reagieren, ging es für mehrere Runde voran. Verzweifelt sah ich mich auf dem Geläuf um, aber im Gegenlicht war es schwierig, jemanden zu finden, der mein Pferd stoppen könnte. Humbria raste nicht, ganz im Gegenteil, der Takt war klar und das Tempo entspannt. Dennoch fühlte ich mich hilflos ausgeliefert auf dem Sitz. Zeitgleich zur Ansage des nächsten Rennens konnte ich mich durchsetzen. Als wäre nichts gewesen, lief Humbria die letzten Meter zum Ausgang im Schritt, wartete sogar geduldig, als die Teilnehmer hineinfuhren.
      Mit einem Kopfnicken signalisierte ich Nour, dass sie es schaffen würde. Sie zog sich den Schlauchschal über den Mund und trabte an. Die Parade begann. Kaum verließen das Geläuf, hörte ich meinen Namen hinter mir.
      „Du siehst toll aus im Wangen“, strahlte Alexa und umarmte mich kurz. Zum Glück begegnete ich sie nicht mit Shaker, der hätte weniger gelassen auf jemand Fremdes reagiert.
      „Danke dir, und, was ist mit eurem Pferd?“, fragte ich freundlich, nach dem ich bereits wusste, dass Mads demnächst mit Meltdown starten würde. Ich hatte die beiden auf dem Geläuf bemerkt. Das Tier war ein hübscher Schimmel, viel weiß, mit ein paar dunklen Sprenkeln im Fell.
      „Der war so toll im Heat, aber so sehr ich die beiden Jungs auch liebe – gegen Netflix werden sie keine Chance haben“, lachte sie.
      „Sag‘ das nicht. Wir haben Alfi im Rennen und der ist ein mächtiges Tier“, stachelte ich.
      Ein diabolisches Grinsen lag auf ihren Lippen.
      „Über euren Hengst aus Neuseeland wird tatsächlich viel gesprochen. Denkst du wirklich, dass er den Rappen schlagen kann? Ich meine, seine letzten Formen waren nicht so vielversprechend“, konterte Alexa wissend. Mist, sie hatte sich offenbar mehr mit dem Starten befasst als ich.
      „Wir werden sehen“, lächelte ich und klopfte Humbria den Po. Noch immer stand sie still, musterte nur aufmerksam die Umgebung, als wäre nichts vorgefallen beim Heat.
      „Aber lass die Rennpferde für einen Augenblick ruhen. Ich will Happy!“, platzte es aus ihr heraus.
      „Super, da freue ich mich sehr für euch, aber ich muss in den Stall. Shaker will angespannt werden“, drängelte ich, schließlich begann gleich das dritte Rennen.
      „Ich wollte dich nicht weiter aufhalten. Viel Erfolg! Wir reden später weiter, habe gehört, du hast nachher Geburtstag“, sprach sie freundlich, konnte natürlich nicht ahnen, wie schwer das Thema für mich war.
      „Das stimmt, aber keine große Sache“, winkte ich ab und setzte die Stute schließlich in Bewegung.
      Aus der Kammer hörte ich lautes Schimpfen. Lars saß wieder auf dem Stuhl und schaute zum Fernseher. Das Rennen seiner Schwester begann im selben Moment. Wenn ich richtig erkannt, drängte ein anderer Fahrer sie direkt nach dem Start ab. Moonwalker lief besser, wenn er die erste Position hatte.
      „Sie schafft das“, munterte ich ihn auf, aber er hörte nicht zu. Stattdessen keifte Lars weiter, als würden wichtige Dinge davon abhängen. Lina stand ebenfalls in der Tür, fieberte mit deutlich weniger Elan dem Rennverlauf mit. Genauer gesagt blickte sie auf den Bildschirm, die Arme verschränkt und schwieg.
      „Komm schon“, donnerte es im Raum und nach einem Atemzug der Ruhe, brach Freude aus. Sieg. Lars griff sich seine Jacke und sprang hinaus, lief mich dabei beinah um. Aber ich konnte mich noch an den Halteseilen festhalten.
      Meinen Sulky stellte ich vor dem Gebäude ab, holte den anderen bereits rein. Glücklicherweise dachte Lina mit und duschte Humbria bereits ab, auch wenn ich das selbst machen wollte.
      “Scheint heute gut zu laufen für euch”, lächelte Lina, den Wasserstrahl auf das dunkle Fell der Stute gerichtet.
      „Bisher schon, das stimmt“, nickte ich. Shaker nahm ich die Decke ab und putzte die Gurtlage noch einmal über, bevor ich ihm alles anlegte. Freudestrahlend kam Nour an, in der Hand zwei Schleifen – eine für den Züchter und eine für sie.
      „Herzlichen Glückwunsch“, sagte ich, bevor eine wilde Umordnung der Pferde begann. Wie bei einem Basar tauschten wir einander die Stricke aufs, eins lief raus, während das andere angebunden wurde. Mittlerweile schätzte ich den Luxus im heimischen Stall mit den breiten Gängen und separaten Putzbereichen. Jeden Tag so einem Gewusel ausgesetzt zu sein, würde auch die Tiere stressen.
      „Vivi, du kommst doch mit hoch, oder?“, sprach Nour, als Lars bereits den Fuchs hinausführte und auf den Sulky sprang.
      “Aber es ist so kalt und wir haben hier doch die Übertragung”, jammerte ich.
      “Du klingst, als sei es tiefster Winter, was ist denn mit dir los?”, runzelte Lina die Stirn.
      “Alfi geht gleich in den Heat”, erklärte ich kurz gebunden.
      “Ach, den schaffe ich allein. Der Lars freut sich sicher, wenn du da bist”, mischte sich auch Bruno ein, der im Raum am Tisch saß und vom Apfel abbiss. Seine Tochter stand weiterhin am Ausgang und sah mit stechendem Blick in meine Richtung.
      “Ich fürchte, Nour wächst da fest, wenn du nicht mitkommst”, unterstütze Lina sie nach Kräften. Flüchtend huschten meine Augen durch den Raum. Innerlich zerriss es sich. Sosehr ich Basti sehen wollte, so sehr schmerzte auch der Gedanke, noch weiter in Nellys Radar zu rutschen. Die Gefahr war groß, dass über uns gesprochen wurde, mehr Leute von meinem Interesse an ihm wussten und ich das Gespött der ganzen Bahn darstellte. Zu gleichen Teilen wollte ich den Hengst im Rennen sehen, aber die Angst klammerte an mir.
      „Sie ist betreut die Kinder im Stall“, sprach Nour die richtigen Worte aus, als hätte sie meine Gedanken lesen können. Wie ferngesteuert, bewegte ich mich aus dem Stall, folgte ihr bis zum Geländer. Tatsächlich sah ich niemanden aus dem Stall nebenan, generell schwebte eine gespenstische Leere am Geläuf. Die Fahrer fuhren gerade die Parade und Lars war der nächste. In wenigen Worten wurde unsere Nachzucht vorgestellt.
      “Ganz ruhig, das wird schon“, stupste mich die große Dame an und grinste dabei breit. Hinter uns kamen Schritte näher. Panisch drehte mich um, rechnete mit dem Schlimmsten, aber es war Lina, die wohl nicht allein mit dem älteren Herrn im Stall bleiben wollte.
      “Bin nur ich, kein Grund zur Beunruhigung”, sprach sie freundlich und gesellte sich zu uns.
      Bevor ich auf sie eingehen konnte, erblickte ich ihn. Aus dem Kurvenbogen trabte Basti, ein hübsches, tiefschwarzes Pferd am Wagen. Am Schweif hingen einige weiße Strähnen, die auf einem winzigen Fleck herauskamen. Seine hohen Beinabzeichen waren hinter Beinschutz versteckt. Ole kannte ich bisher nur aus Erzählungen und Bildern. Er trug viel Potenzial im Blut.
      Meine Augen hingen an den beiden und Basti bemerkte es auch. Mit leichtem Zupfen bremste er Ole ab, trabte etwas näher an uns vorbei. Auf seinen Lippen zuckte ein minimalistisches Lächeln, aber ich sah es. Peinlich berührt drehte ich ihm den Rücken zu und senkte den Kopf zu Boden, um Gefühle zu verschleiern.
      “Deshalb so nervös, verstehe”, murmelte die Kleine leise, konnte das Schmunzel auf den Lippen nicht verbergen, obwohl sie noch auszumachen schien, ob diese Begegnung als positiv oder negativ zu kategorisieren war. Die Fahrer wurden durch die Lautsprecher zum Startwagen gebeten und stellten sich der Startnummer entsprechend auf. Für Shaker war die Position vorteilhaft. Kaum fuhr das Fahrzeug vor den Startern davon, setzte unser Fuchs wie eine Rakete voran. Nach einer Runde verlor er seinen aufgebauten Vorsprung binnen Sekunden. Ein Brauner mit auffälliger braun-grüner Ausstattung überholte ihn, dann folgten zwei weitere Pferde, aber noch war die Chance auf Sieg nicht vertan. Die letzte Runde begann und das Renngeschehen wurde interessanter. Nour neben mir schrie wie ein abgestochenes Schwein und andere Leute feuerten ebenfalls ihre Fahrer an. Dann setzte plötzlich Basti an, der bisher die vorletzte Position einnahm. Er wechselte in dritte Spur und flog wie auf Autopilot an allen vorbei, gewann mit Weile. Lars erkämpfte sich den zweiten Platz, auch eine hervorragende Leistung.
      „Das war mal wirklich ein spannendes Rennen“, resümierte Lina ihren Eindruck, die in der Regel eher schwer von dem Geschehen auf dem Geläuf zu begeistern war. Allerdings hatte keiner von uns sie dazu gezwungen hier draußen bei knapp zehn Grad Celsius zu stehen und dem Wind im Gesicht. Alle Fahrer beendeten ihre angefangene Runde, selbst Basti, der eigentlich zum Winners Circle sollte. Tatsächlich fuhr er verdächtig nah in unsere Richtung und stoppte aus nicht ersichtlichen Grund vor uns. Von Panik überkommen, schnappte ich nach Luft und fiel beinah um, als er meinen Namen sagte.
      „Los geh“, tippte mich Nour an. Ich wusste nicht, was er noch formuliert hatte, aber stieg pflichtbewusst über die Bande.
      „Kannst du bitte den Scheck abmachen?“, bat er mich freundlich. Im wahrsten Sinne des Wortes wäre Nour dieser Aufgabe eher gewachsen als ich. Wie ein Äffchen angelte ich mich zum Gurt hinauf, um den Karabiner zu lösen und am äußeren Gebissring zu befestigen.
      „Danke dir, bis gleich“, grinste Basti mir zu, bevor er Ole antrabte und Richtung Tribüne manövrierte. Angewachsen stand ich auf dem Geläuf, blickte ihm verwirrt nach und wusste nicht, wie es weiterging. Die Gefühle überschlugen sich, denn offenbar sollte ich auf ihn warten, aber ich hatte nicht die Zeit, schließlich wollte ich in wenigen Minuten Humbria für den nächsten Heat anspannen. Lars, der sehr zufrieden mit der Leistung wirkte, fuhr vom Geläuf, begleitet von Nour, die ausgiebig den Hengst lobte.
      „Kommst du mit?“, fragte Lina, die ein wenig unschlüssig am Rand herumstand und den anderen beiden hinterher schielte.
      „Basti hat gesagt, dass ich warten soll“, formulierte ich seine Worte etwas um. Skeptisch sah mein Kollege zu mir.
      „Vivi, bitte lass ihn in Ruhe“, appellierte dieser, die Stimme deutlich.
      „Hau ab, du hast keine Ahnung“, zischte ich zunehmend verärgert. In meinen Ohren klang es, als wäre ich diejenige gewesen, die auf ihn zukam, was in der Form falsch war.
      Lars schüttelte den Kopf und setzte Shaker in Bewegung. Dicht gefolgt von seiner Schwester, verlor ich beide aus den Augen, bemerkte nur, dass Lina noch immer bei mir blieb. Sicherheitshalber prüfte ich, ob sich Gesichter aus dem Nachbarstall, aber fand niemanden. Generell waren wir die letzten beiden am Geläuf.
      Vollgepackt kam Basti zurück. Ich nahm ihm die Sachen ab, die er mir gab. Über beide Ohren grinste er und auch mir fiel es schwer, den Blick abzuwenden. Wie an allen anderen Tagen auch raubte er mir den Atem. Sein Gesicht war frisch rasiert und ich konnte einen Rest Geruch von Aftershave wahrnehmen, der mir bei der kurzen körperlichen Nähe entgegenkam.
      „Es tut mir leid“, sagte Basti nach kurzen Schweigen und hielt Ole an, „das hätte in der Form nicht passieren dürfen.“
      „Wovon sprichst du?“, stellte ich mich blöd.
      „Generell“, seufzte er und spielte offenbar auf etwas ganz anderes an.
      „Wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, hättest du mich auch weiter ignorieren können“, schlug ich verärgert vor, im Begriff, ihm seine Sachen wiederzugeben, aber er runzelte die Stirn.
      “Es ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst”, sagte Basti. Ole setzte sich wieder in Bewegung und schnaubte dabei ab. Im Licht der untergehenden Sonne glänzte das verschwitzte Fell in verschiedenen Farben. Sanft tätschelte ich seinen Hals und folgte den beiden bis zum Stall. Den gesagten Worten gegenüber schwieg ich. Alexa stand bereits mit ihrem Mann am Eingang, musterte uns ausgiebig. Ich überreichte ihr die Sachen, versuchte dabei möglichst neutral zu schauen. Mads begleitete sein Bruder ins Innere.
      “Du bist auf sehr dünnen Eis unterwegs”, stellte Alexa gedrückt fest.
      Zustimmend nickte ich. Ohne weiter nachzudenken, drehte ich ihr den Rücken zu, um in den eigenen Stall zu gehen. Lina folgte mir noch immer, ebenso still. Der Tagesplan lüftete sich langsam. Alfi war im Heat mit Bruno, dann folgte das fünfte Rennen, in dem wir keine Pferde hatten und darauf mein Heat mit Humbria. Die Stute hatte ihren Kopf auf der Box abgelegt und ihre Augen drehten verschlafen.
      “Ich denke, ich fahre keinen zweiten Heat”, sagte ich zu Lars, der im Gang stand und seine Schwester beobachtete.
      “Wenn du meinst”, murmelte er desinteressiert.
      “Du machst das sicher richtig”, zeigte wenigstens Lina Interesse an meinen Worten.
      Als wäre die Gesamtsituation nicht weit genug im Keller, stand im nächsten Moment Nelly in der Tür. Freundlich grinste sie und alle an. Selbst mich, die sie am liebsten umgebracht hätte. War das Thema geklärt oder hatte sie auch Stimmungsschwankungen? Etwas in mir, wollte dem auf den Grund gehen, aber dazu kam es nicht.
      „Lars, hast du einen Moment? Mads benötigt deine Hilfe“, fragte sie meinen Kollegen, der sofort reagierte und nickte. Ohne weitere Nachfragen folgte er. Ich sah den beiden interessiert nach, während Humbria aus dem Schlaf erwachte und an einer meiner Dreadlocks zog.
      „Aua“, meckerte ich und drückte das Pferd weg. Die Stute richtete sich auf, blickte mich vollkommen unschuldig an.
      „Ja, ja. Du bist dir auch keiner Schuld bewusst“, merkte ich pikiert an.
      “Das sind sie immer”, lachte Lina und bewegte sich neugierig in Richtung des Stalleingangs, als könne man dort mehr sehen. Aber auch ich konnte nichts erkennen. Vermutlich waren sie schon im Stall verschwunden. Eingeleitet von schrillen Wiehern und Hufen am Holz galoppierte ein nervöser Fuchs aus dem Tor. Wie Ameisen strömten Leute hinaus und versuchten das verängstigte Tier einzufangen. Doch das trieb ihn nur noch mehr in Richtung Bahn und Ausgang.
      “Oh, das ist nicht gut. Da sollten wir helfen”, sprach Lina aufgeregt und zog mich hinaus.
      „Wir wirken nicht so, als könnten wir viel tun“, merkte ich an. Der Fuchs verfing sich mit dem Strick unter seinem Huf, begann noch panischer den Kopf hochzureißen. In seinen Augen lag Schmerz und Todesangst. Von der Seite kamen Menschen dazu, als wüsste er, dass er zurück in die Box musste, sprang er zur Seite und wieder los. Es wirkte nach einem sieglosen Kampf, ihn zu fassen zu bekommen.
      “Sagst gerade du mit deinen magischen Fähigkeiten”, entgegnete sie und beobachte mit sorgenvoll die ungeschickten Versuche der Umstehenden. Viel zu hektisch sprangen sie um das nervöse Tier herum, wodurch es nur noch mehr in Stress geriet.
      „Bestimmt, ich pfeife einmal und dann kommt er her“, lachte ich. Um ihr zu demonstrieren, wie blöd die Idee war, steckte ich mir Daumen und Zeigefinger in den Mund. Ein helles Pfeifen huschte über meine Lippen. Aufmerksam drehte der Hengst die Ohren nach vorn. Er stand wie eine Eins und blickte in unsere Richtung. Im Trab kam er an. Ganz im Ernst, es wirkte vollkommen surreal, als wäre ich die Hauptfigur in einem Kinderfilm. Der abgerissene Strick hing noch am Halfter, diesen griff ich. Fuchsi stammte den Kopf nach oben. Er wich meiner Hand aus, aber er folgte ruhig.
      “Wow, cool”, staunte Lina. Dass es so simpel war, lag wohl nicht in ihrer Erwartung.
      „Damit habe ich nicht gerechnet“, gab ich offen zu und bewegte ihn möglichst ruhig zum Nachbarstall, vor dem bereits das ganze Team stand. Mit halb offenem Mund schaute mich Basti an, als hätte ich ein Wunder bewirkt. Für einen Augenblick standen wir einander gegenüber. Ich wartete darauf, dass er mir das Tier abnahm.
      “Möchtet ihr euer Pferd nicht zurückhaben? Er sieht soweit unverletzt aus”, übermittelte ich ihm mein Urteil.
      “Äh, Danke. Ja”, nahm er ihn am Halfter. Kaum hatte ich losgelassen, legte er wieder die Ohren an und schnappte. Basti machte sich nichts daraus, sondern stellte ihn in der Box ab. Wenn ich schon mal hier war, warf ich einen flüchtigen Blick durch den vollen Stall. Der Aufbau ähnelte dem unseren, aber es gab zwei Zugänge. Das Team hatte deutlich mehr Pferde dabei und trennte dabei die Aufgänge nach Geschlecht. Als ich den Stall verließ, kamen mir Nelly und Lars entgegen, die sich einander etwas zuflüsterten und lachten. Dabei warf sie mir einen Blick von oben nach unten zu. Mein Kollege schob sie ein Stück von mir weg.
      “Das siebte Rennen beginnt jetzt, also kannst du Humbria anspannen”, rief er mir noch zu. Ich prüfte nicht einmal, was er mit der blonden Kuh unternahm, sondern lief direkt in unseren Stall.
      „Du bist ein Wunder“, war Lina noch immer hellauf begeistert und folgte mir wie eine Motte dem Licht, „Wie machst du das nur immer? “
      „Ich denke daran, was ich möchte und gehe auf die Bedürfnisse ein. In seinem Fall gab ihm Raum und Ruhe. Vermutlich war er auf der Suche nach Sicherheit“, erläuterte ich meine Annahme.
      Humbria döste wieder in der Box und ich entschied, darin ihre Sachen anzulegen. An der Brust löste ich die Decke, um die über den Rücken hinweg wegzuziehen. Sie zuckte, als das Metall ihr Bein berührte. Die Brünette murmelte etwas Unverständliches, dann seufzte sie: “Das klingt so einfach.”
      Sie reichte mir den Gurt und Vorzeug, auf dem unser Stallname stand. Noch immer war ich von dem Ding nicht überzeugt, denn grün sah auf ihrem Fell nicht gut aus.
      “Es war nur Glück”, stellte ich nüchtern fest. Im Kopf hatte ich weiterhin den Moment, in dem Nelly Lars zuflüsterte und beide lachten. Worüber sprachen sie und was war so lustig? Der Hengst hatte mächtige Angst vor dem Team, da wollte ich besser nicht wissen, was im Stall passierte. Ich schüttelte mich. Humbria wurde wacher und schaute aufmerksam auf meine Handgriffe, bis ich sie schließlich hinausführte und den Sulky anhing.
      “Dann nimm dein Glück mal mit ins Rennen”, sprach sie und tätschelte der dunklen Stute den Hals.
      “Ich versuche es”, versuchte ich meine fehlende Motivation zu überspielen.
      Kaum saß ich im Sulky, fuhr ich zum Start. Humbria lief gut an, hatte aber in der Parade zuvor Schwierigkeiten im Takt. Sie berührte mit dem Hinterbein das Gestell. Im richtigen Augenblick beruhigte ich sie. Kaum setzte sich das Startauto ab, legte die kanadische Stute einen kurzen Sprint ein, um den ersten Platz zu erobern. Ihre Hufe setzten mit Schmatz-Geräuschen durch den feuchten Sand. Die Schilder vom Gurt rattern, wie auch die Räder unter mir. Fahrer schrien ihre Pferde an, wovon Humbria nur noch mehr an Geschwindigkeit gewann. In der ersten Runde gab ich mehr Paraden, aber als die letzte anstand und wir im letzten Bogen ankamen, durfte sie selbst entscheiden. Bedrohlich nah kam mir im Stutenrennen ein braunes Pferd, das ich vorhin bereits als Konkurrenz ansah. Prüfend sah ich zur Seite, Angst davor, dass mir jemand zu nah kam. Stattdessen erblickte ich etwas anderes. Einen kräftigen Stich spürte ich in der Magenregion – mein Ein und Alles stand bei Lina, lachte herzlich. Plötzlich fühlte es sich an, als wiederholte sich die ganze Geschichte. Wieder würde ich in den Hintergrund rücken, nur, weil sie mehr zu bieten hatte als ich. Gefangen im Karussell realisierte ich nicht, dass der Braune mir bedrohlich nah kam. Auf Humbrias Po schnellten die Leinen, da legte sie noch etwas mehr an Tempo zu und holte damit den Sieg. Jeder würde sich darüber freuen, schließlich war es nicht wenig Geld, aber die blinde Eifersucht vernebelte meine Sicht. Im Winnercircle beantwortete ich geduldig alle Fragen, bekam Lob, dass die Stute vorbildlich stand. Das alles nutzte nicht viel, denn der Tag war versaut.
      Mit grimmigem Blick setzte ich mich zurück in den Sulky, versuchte dennoch, nett zu schauen. Am Tor hatten sich mittlerweile auch Nour und Lars dazu gesellt, nur unsere blonde Freundin fehlte.
      “Einwandfrei”, grinste mein Kollege und lobte Humbria am verschwitzten Hals.
      “Glückwunsch, scheint, als sei das Glück dir heute mehr als wohl gesinnt”, strahlte auch Lina.
      „Ja, passt“, sagte weniger begeistert. Basti ignorierte ich konsequent, aber sagte auch nichts, sondern folgte wie der Rest der Truppe zum Stall.
      Mit einer Erwartungshaltung standen sie in der Tür, beobachten meine Handgriffe, als sei ich ein Außerirdischer. Selbst Humbria war die Situation nicht ganz koscher und legte die Ohren an. Sanft nahm ich die Trense ab, wissend, dass sie an den Ohren sehr empfindlich war. Die Watte zog ich selben Handgriff hinaus. Sie schüttelte sich und schnaubte ab.
      „Was ist denn mit euch?“, fragte ich schließlich, als Basti schon verschwunden war. .
      “Man fragte, ob du Zeit für ein Trainingspferd hättest”, sprach die Kleinste der Dreien undefiniert.
      “Nicht auszuschließen, aber einen Hengst nehme ich nicht mehr”, dachte ich laut nach. Die Arbeit mit Happy war nervenaufreibend und Lars verstärkte mich in der Sicht, dass ich mit Stuten besser klarkam. Natürlich konnte man es nicht pauschalisieren, Charakterzüge auf das Geschlecht beziehen, aber bisher begegneten mir viele launische Stuten, die ich sehr mochte.
      “Da wird Basti aber enttäuscht sein, wenn er das hört, aber wenn du nicht willst”, zuckte sie mit den Schultern.
      “Tja, wenn er lieber mit anderen über mich spricht, muss er damit leben”, zickte ich vollkommen übergeschnappt und begann die Stute abzuspritzen. Lars holte zur gleichen Zeit Eifel heraus, mit der er im vorletzten Rennen antreten würde. Wenn das Pferd geschafft war, endete der Renntag bereits. Bruno hatte schon das Auto genommen und fuhr nach Hause.
      „Ist ja okay, kann ich ja nichts für“, murmelte sie verstimmt und verzog sich in den Aufenthaltsraum.
      Super Vriska, wieder jemanden vergrault, dachte ich. Der Stute legte ich die Decke um und verschwand mit ihr am Strick, um sie zum Abhusten zu animieren. Humbria war nicht mehr die Jüngste. Aus der Vergangenheit spürte man deutlich, dass der Umgang nicht ganz fair war. Manchmal hörte man ein Rasseln der Atmung und sie schnappte nach Luft. Deswegen überließ ich es ihr, wie sie das Tempo im Rennen einlegte. Dass sie umkippt, wollte ich nicht.
      Über den ganzen Platz führte ich Humbria. Viele der Teilnehmer verluden bereits ihre Pferde, während andere nach Hause fuhren. Ich entdeckte einen Stall, in dem getrunken und gefeiert wurde. Die würden wohl auch über Nacht bleiben. Der Transporter davor verriet mir, dass sie aus Göteborg kamen. Hoffentlich wusste Erik nichts davon. Ich schmunzelte in mich hinein, schließlich war der Gedanke absurd, dass es ihn oder mich in einer Weise beeinflussen würde.

      Eifel hatte einen guten vierten Platz eingefahren, nicht besonders schlecht angesichts ihres mittelmäßigen Trainingstandes. Ihre Besitzer hatte Lars am Telefon gesprochen, diese waren zufrieden und freuten sich. Wir saßen mittlerweile im Transporter, hatten den kleinen Ofen eingeschaltet und Getränke gereicht. Wieder einmal jammerte die Truppe über Hunger. Nur ich, die bisher nur von Kaffee und Zigaretten lebte, hatte diesen nicht. Die gähnende Leere in meinem Magen war allgegenwärtig, aber mir mein bester Freund. Ich brauchte die Krämpfe im Bauch, Druck auf dem Unterrücken und einen unangenehmen Geschmack im Mund. Das Grummeln hörte ich schon gar nicht mehr.
      “Wie wäre Pizza?”, fragte Nour, die auf ihrem Handy scrollte und schaute, was in der Nähe war und lieferte.
      “Das essen wir andauernd”, wendete ihr Bruder ein, der kritisch zu mir sah. Ich schwieg schon eine gewisse Zeit, hatte zu keinem Thema etwas zu sagen.
      „Pizza wäre schon cool“, äußerte sich auch Lina dazu.
      „Gut, Vivi es liegt an dir. Was willst du essen?“, versuchte Nour mir eine Antwort zu entlocken, aber ich zuckte mit den Schultern. Mittlerweile hatte ich auch mein Handy in der Hand, scrollte meine Timeline durch, bis ich abrupt anhielt. Wieder wurde mir Erik empfohlen und natürlich tippte ich darauf. Sein neues Bild war von Maxou – auf der seine Freundin saß. In mir kochte es. Meine einzige Bedingung in der gemeinsamen Haltung des Ponys war, dass sie nichts mit ihr zu tun haben dürfe. Nun passierte es doch und ich konnte mich nicht zurückhalten. Ich schrieb ihm. Ohne überhaupt eine angemessene Begrüßung zu formulieren, oder auf all die unbeantworteten Nachrichten zu antworten, hielt ich ihm jene Abmachung vor.
      „Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du lebst damit oder du übernimmst sie komplett“, antwortete Erik knapp auf meine Nachricht. Lina, die meine Wut offenbar riechen konnte, schaute mich mit trübem Blick an, hielt ihrer Neugier allerdings Einhalt. Ich musste mich entscheiden, aber was wäre das richtige? Auf den ersten Blick wirkte Moa sehr sanft im Umgang mit dem Pony, aber das war nur, was man online präsentierte. Auf dem Hof könnte es ganz anders sein.
      „Wie geht es dir?“, schrieb er als Nächstes. Seine Versuche, ein Gespräch zu führen, blockte ich direkt ab und schloss den Messengerdienst.
      „Was willst du essen?“, fragte Nour erneut.
      „Nichts“, zischte ich.
      „Was eine Laune“, murmelte Lars gerade so laut genug, dass ich es hören konnte.
      „Wie bitte?“, hakte ich nach und zog die Augenbrauen zusammen.
      „Du solltest dich wieder auf einen Kerl einlassen, so bist du unerträglich“, spezifizierte er seine Aussage.
      „Lars, das ist unfair“, sprach Lina forsch. Ihre sonst zurückhaltende Art war von ihr gewichen und die Verärgerung war deutlich.
      “Das Leben ist unfair und ich nutze die mir gegebenen Hilfsmittel”, zuckte er wenig getroffen mit den Schultern.
      „Das ist noch lange kein Grund, anderen das Leben schwerer zu machen“, brummte sie.
      “Schwer macht sie es sich nur selbst”, diskutierte Lars weiter.
      “Entschuldigung? Ich bin anwesend”, erinnerte ich ihn, aber das berührte ihn nur wenig.
      „Ah, ja und du kannst das so gut bewerten, weil du so gut über ihr gesamtes Leben Bescheid weißt … “, fragte sie sichtlich genervt von seiner unerheblichen Art. Schreiten die beiden ernsthaft darüber, wer mehr über mich weiß, faszinierend.
      „Mädels, kriegt euch ein“, mischte auch Nour sich ein, berührte ihren Bruder am Arm, „sie ist alt genug, um ihr Leben selbst zu regeln. Wenn sie niemanden an sich heranlässt, ist das ihre Sache.“
      „Danke“, murmelte ich.
      „Zurück zu den wichtigen Sachen, Essen“, warf sie ein und legte das Handy in die Mitte, „Lars wurde überstimmt, also gibt es Pizza.“ Lina sagte nichts weiter, teilte nur ihre Bestellung mit, damit schien das Thema für sie erledigt.
      Skeptisch sah der Kerl neben mir auf den Bildschirm, aber wählte schließlich etwas aus.
      Zwanzig Minuten später klopfte es am Transporter.
      „Sie sollten doch anrufen, wenn sie da sind“, rollte Nour mit den Augen und öffnete die Tür, „oh, hallo.“
      Alexa schaute hinein und grinste mich an.
      „Hast du einen Moment?“, frage sie. Ich nickte und holte meine Jacke. Nachdem wir am Tage bereits zweistellige Temperaturen hatten, waren die Minusgrade in der Nacht, ziemlich eisig. Aus Tasche zog ich meine Schachtel.
      „Wegen Happy“, sagte sie und lief weiter. Wir spazierten über das leergefegte Stallgelände, das nur minimalistisch beleuchtet war. Auf den Paddocks zur Rechten standen einige Pferde mit Winterdecke.
      „Wie ist denn die Stallmiete bei euch?“, fragte Alexa, nach dem wir die Konditionen des Beritts besprochen hatten.
      „Wir bieten verschiedene Pakete an, je nachdem, wie viel man nutzen möchte. Dadurch, dass du eine Chipkarte bekommst, lassen sich darüber die Leistungen buchen“, erklärte ich.
      „Ziemlich cool, aber das ist der Grundpreis?“, hakte sie nach.
      „4800 Kronen für Laufstall und Weidegang“, beantwortete ich, „darin enthalten ist bereits die große Reithalle und alle Reitplätze. Wir füttern auch nach Bedarf.“
      „Und wenn ich ihm lieber im Offenstall hätte?“
      „3500 Kronen, auch mit Weidegang und Reithalle. Fütterung muss separat gebucht werden“, erklärte ich weiter, aber seufzte dann, „Happy eignet sich nur zum aktuellen Zeitpunkt nicht. Wir hatten es versucht, aber in Anwesenheit anderer Pferd frisst er schlecht und steht in der Ecke herum.“
      „Ach so, dann soll er bleiben, wo er ist. Da sah er gut aus“, lächelte sie verstanden. Sie hielt an und zog etwas zur Seite, als würde das Gespräch nun ernster werden. Nervös schluckte ich.
      „Aber jetzt sag‘ mal, wie hast du das gemacht? Mit dem Hengst meine ich“, spielte sie auf Linas Lieblingsthema an.
      „Einfach Glück, mehr nicht“, zuckte ich mit den Schultern.
      „Ich denke nicht. Basti war begeistert, was mir einige Sorgen bereitet“, kaum verließen diese Worte ihren Mund, kamen mir auch welche. Mir blieb die Luft weg, denn ich wusste exakt, was kommen würde – und das passierte auch. Alexa begann mir zu erzählen, wie glücklich er mit seiner Freundin wäre und ich mich zum Frieden aller, etwas zügeln sollte. Sie könnte meinen jugendlichen Leichtsinn nachvollziehen, aber ich sollte den Ernst des Lebens erkennen, dass er Vater werden würde und sie bald heiraten würden. Natürlich brach in dem Moment eine weitere Welt für mich zusammen. All das hatte ich mir im Kopf schon vorgestellt, doch nie, wie ich darauf reagieren würde.
      „Deswegen wäre es schön, wenn du ihn nicht ins Training nimmst, außer du bist wirklich auf das Geld angewiesen“, lächelte sie noch, versuchte wohl freundlich zu sein, obwohl ich heulend vor ihr stand. Es war nicht fair, dass sie darüber mit mir sprach, Basti hätte es mir selbst sagen sollen und nicht seine Schwägerin. Insgesamt fühlte es sich so an, als wüssten alle anderen besser, was gut für den anderen wäre und überließen niemanden selbst eine Entscheidung. Ich bereute, dass sie Happy bekam.
      “Nimm es mir bitte nicht übel, aber er traut sich nicht, mit dir zu sprechen”, fügte Alexa zum Schluss noch hinzu und verabschiedete sich schließlich. Es war eine ziemliche Frechheit, dass sie sich das herausnahm. Aber ich hatte eine Idee. Hastig zog ich mein Handy heraus, tippte Basti eine Nachricht. Sofort las er sie.
      „Training fällt weg, wir geben den ab. Papa möchte das Pferd nicht mehr“, antwortete er.
      „Okay, dann nehme ich den“, schrieb ich ohne große darüber nachzudenken. Es dauerte eine Weile, bis er zurückschrieb. Also tippte, schön es dann wieder zu löschen, bis schließlich „Sicher?“ auf dem Bildschirm leuchtete. Dann folgte noch: „Wir reden gleich persönlich.“
      „Ich sage dir Bescheid, wenn ich Zeit habe. Wie lange bist du noch wach?“, tippte ich in Windeseile, so schnell wie mein Herz in der Brust pochte.
      „Na, ich möchte dir mindestens noch zum Geburtstag gratulieren.“ Mit dieser Mitteilung war es endgültig um mich geschehen. Wie auch immer, ich wollte ihn, egal, wie groß der Preis sein würde.
      Ich klopfte an unserer Tür, bevor ich eintrat. Alle drei saßen am Tisch. Mit entgleisenden Gesichtszügen sahen mich die Geschwister an, vermutlich sah ich so furchtbar aus, wie ich mich fühlte.
      „Lina, Krisengespräch, jetzt“, schrie ich förmlich, meine Stimme nur schwer unter Kontrolle zu halten. Wie ein aufgeschrecktes Reh, sprang sie unmittelbar auf, griff ihre Jacke und schlüpfte in einer flüssigen Bewegung hinein, um sogleich neben mir zu stehen.
      „Was ist passiert?“, fragte sie besorgt. Wie ein Wasserfall betete ich die gesamte Story herunter, bis wir schließlich an dem Punkt ankamen, dass ich den Fuchs haben wollte. Ich atmete tief durch. Der Druck auf meiner Lunge fühlte sich an, als hätte ich vergessen zu atmen.
      „Du bist dir sicher?“, mit ihren großen blauen Augen, sah sie mich an, als wolle sie mich durchleuchten, in mein tiefstes Innerstes vordringen, um die Antwort darin zu finden.
      “Sehe ich so aus”, seufzte ich nasal. Es war nicht klug, aber aus mir unbeschreiblichen Gründen, wollte ich das Pferd. Gleichzeitig holte ich mein Handy heraus und schrieb Basti, dass ich draußen stehe.
      „Nein“, betrachte Lina mich eingehend. Gleichzeitig schien sie meine Worte erneut durchzugehen. Stillschweigend standen wir eine Weile beieinander, während ich wie ein hungriger Tiger meine Kreise lief. Wo blieb der Kerl nur? Alexa war in Richtung Stall gelaufen, doch dort war das Licht aus und das Tor zu.
      „Er hat gesagt, er kommt?", hinterfragte Lina die uns umgebende Dunkelheit, die nicht von einem einzigen Funken durchdrungen wurde.
      „Zumindest gefiel ihm die Nachricht“, sagte ich forsch und prüfte zum wiederholten Mal den Chat. Endlich leuchteten Scheinwerfer auf. Ein Transporter kam angefahren und hielt neben uns an. Am liebsten wollte ich ihn mit all meinen Gefühlen überfallen, aber entschied, dass es nicht der richtige Augenblick war.
      „Kaum zu glauben, dass du den Bock haben willst“, lachte Basti und wuschelte mir durchs Haar.
      „Ey“, rief ich empört. Im selben Atemzug stahl ich ihm sein Cap und setzte es mir auf. Wenn er versuchte, es zurückzubekommen, wich ich ihm aus wie ein Fisch in den Fingern.
      „Na gut, dann behalte es“, gab er es auf, mir nachzujagen. Lina stand an der Seite und beobachtete uns verwundert. Ja, ich hatte damit auch nicht gerechnet, aber mein Gehirn war auf Autopilot.
      „Was soll ich groß sagen? Mockup ist ein Maharaja Sohn und mütterlicherseits aus Sharif di Iesolo, so einem guten Italiener“, erzählte Basti, während er die knarrende Stalltür öffnete und das Licht anschaltete. Müde Pferde blickten uns an, wenig begeistert von dem späten Besuch. An einem Haken hingen diverse Stricke, wovon er einen Griff und zur Box lief.
      „Geh lieber einen Schritt zurück, er könnte wieder rausspringen“, warnte er. Meine Kollegin ergriff sofort die Flucht zur Seite.
      „Ach, quatsch“, schüttelte ich unbekümmert den Kopf, nahm ihm das Seil ab. Verblüfft zog er mich ein Stück zur Seite.
      „Was ist mit dir los?“, fragte Basti skeptisch und schaute mir tief in die Augen. Das Braun, so dunkel wie meine Seele, erhellte meine Stimmung wie nichts Vergleichbares auf dieser Welt.
      „Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, was ich tue und was nicht. Was bilden sich andere ein?“ Hintergründig hörte ich Lina nach Luft schnappen.
      „Ach Mäuschen, die machen sich doch nur Sorgen“, er nutze die Chance, um mir das Cap abzunehmen, doch ich reagierte Blitzschnell. Mockup zuckte zurück.
      „Sie sind doch nicht meine Eltern, wenn es ein Problem gibt, soll man bitte selbst mit mir sprechen“, deutete ich indirekt an. Über bloßen Augenkontakt stellten wir fest, dass jeder wusste, wovon wir sprachen.
      „Veränderung ängstigt Menschen, erst recht, wenn sie nicht alles wissen“, bedachte er.
      „Mag sein, dennoch kein Grund, sich in das Leben fremder einzumischen. Schließlich habe ich besseres zutun.“
      „Und das wäre?“, grinste Basti.
      „Ich möchte ein Pferd kaufen“, klimperte ich mit den Wimpern und öffnete die Box. Der stämmige Fuchs an. Prustend tippelte er mit den Vorderhufen.
      „Sei vorsichtig. Wir übernehmen nicht die Haftung“, sagte Basti und hielt die Tür ein Stück enger. Ich blieb auf Abstand, aber Mockup drehte sich um und schnupperte an mir. Warmer Atem kitzelte an meiner freiliegenden Haut. Den Strick hakte ich am Halfter unten ein und führte das Pferd hinaus.
      „Okay, und was ist so dramatisch an ihm, dass ihr ihn verkaufen wollt?“, fragte ich kritisch nach.
      „Es sind diverse Dinge. Mocki stresst sich selbst, ziemlich schnell, dann wird er panisch und läuft weg, so wie gestern. Auf dem Geläuf springt er manchmal grundlos zur Seite oder erschreckt sich. An guten Tagen zeigt er mordmässiges Potenzial, aber seit dem wir ihn haben, werden es immer weniger dieser Tage“, berichtete er, „im Umgang ist er für gewöhnlich nett.“
      „Und dann sollte er ein B-Trainerrennen laufen? Ist das nicht sehr gewagt?“, wunderte ich mich. Ich selbst hatte auch nur eine B Lizenz, aber darf A Rennen mitfahren, aufgrund der hohen Gewinnsumme der Stute und ich in einem Rennbetrieb arbeitete.
      „Die beiden kamen bisher gut miteinander klar, aber als er ihr gestern zum wiederholten Mal entwischte, hatte sie keine Lust mehr und Papa sah nie einen Wert in ihm“, erklärte er. Der Fuchs folgte mir die Stallgasse auf und ab, was mir sofort auffiel: Die Hinterbeine fußten flach ab, links dabei deutlich nach innen. Basti drückte ich den Strick in die Hand und tastete behutsam seine Kruppe ab.
      „Wann wurde er eingefahren?“, fragte ich nach und spürte die Muskeln zucken, als ich nur ganz sanft ihn berührte.
      „Mit anderthalb“, beantwortete er.
      „Wow. So spät“, zischte ich ironisch. Unglaublich. Das erklärte mir einiges. Mocki war vollkommen verspannt und schief. In streichender Bewegung hing die Enden der Rückenmuskulatur ab, bis es knackte. Der Hengst erschreckte sich selbst davor, aber stand im nächsten Atemzug. Von hinten konnte man deutlich sehen, dass die Hüfte der Waage näher kam.
      „Was war das?“, fragte Basti besorgt und sah über die Schulter hinweg zu mir.
      „Eine Verspannung und ein Wirbel, der jetzt wieder in der korrekten Position ist“, seufzte ich getroffen von den physischen Baustellen des Pferdes. Basti führte ihn mit ein weiteres Mal im Gang auf und ab. Sichtbar wurde, dass er besser abfußte und auch der Takt zunahm.
      „Okay, danke“, sprach ich nachdenklich.
      „Kannst du das richtig?“, sagte er beeindruckt.
      „Physio? Nur ein paar Handgriffe.“
      „Dann könntest du dir auch mal Netflix anschauen?“ Mit einem Funkeln in den Augen sah er zu mir hinunter, ich spürte, dass ihm viel an dem Pferd lag. Dennoch erinnerte ich mich daran, dass der hübsche Rapphengst demnächst nach Frankreich gehen sollte.
      „Natürlich, aber nicht jetzt“, holte ich ihn auf den Boden der Tatsachen zurück und begutachtete weiter den Fuchs. Besonders auffällig an ihm war auch das schmerzverzerrte Gesicht. Muskeln waren angespannt und die Augen aufgerissen, obwohl es keinen Grund dafür gab. Schließlich standen alle nur herum.
      „Okay, dann lade ich dich ein für einen Pferde-Wellness-Tag“, grinste Basti breit und strich dem Fuchs über den Hals.
      „Wir werden sehen, schließlich soll ich mich doch fernhalten“, blickte ich über das Brillengestell zu ihm hinüber.
      „Oh ja, stimmt. Da war was“, lachte er, „aber mir ist es egal. Wir sind doch nur Freunde, verstehe nicht, welches Problem alle damit haben.“
      Mir blieb die Luft weg. In meinem Kopf spielte der Satz wie auf einer kaputten Schallplatte ab, der Versuch Untertöne der Ironie zu finden, aber Basti es mit einer Selbstständigkeit aus. Die Übelkeit kam wieder.
      „Genau“, scherzte ich den Tränen nah und drehte mich kurz weg. Ich atmete tief durch.
      „Also nimmst du ihn nicht?“, wurde er ernster, im Begriff, das Pferd wegzustellen.
      „Stopp, davon war nie die Rede“, revidierte ich seine Intention.
      “Du kaufst ihn also?”, fragte Lina nach dem offensichtlichen und in ihren Augen leuchtete bereits die Freude.
      „Ja, wieso nicht“, zuckte ich mit den Schultern.
      „Verrückt, aber wenn du willst. Ich gehe den Vertrag holen“, sagte er und verschwand. Mittlerweile hielt ich den Strick wieder in der Hand, strich meinem Pferd über die Blesse.
      „Ich bin nicht verrückt“, murmelte ich dem hellhörigen Fuchs zu, der wie erstarrt zur Tür sah.
      “Nicht verrückter als alle anderen”, scherzte Lina ein Grinsen auf den Lippen.
      “Aber er ist auch niedlich”, richtete ich den Blick nach oben und zupfte Strohhalme aus der Mähne. Er wippte mit der Unterlippe, die Augen weiter zur Tür.
      “Ja, einen schönen hast du dir da ausgesucht”, entgegnete sie und nahm den Fuchs genauer in Augenschein. Im Licht des Stalls schimmerte sein Fell in einem schönen Kupferton. Dann kam Basti zurück, in der Hand ein Stapel Papier. Zunächst kommt Mocki in seine Box und wir setzen uns zusammen in den Raum. Dieser war größer als bei uns, aber um alles genauer zu besprechen, reichte es.
      “Preis”, seufzte Basti, als nur noch ein paar Angaben fehlten. Lina sah die Zettel genauer an, als hätte sie zuvor nie einen Kaufvertrag gesehen.
      “Wie viel braucht ihr?”, fragte ich, anstelle den Wert des Pferdes genauer zu beleuchten.
      “Brauchen?”, lachte er, “das wäre einiges.”
      “Nenne mir eine Zahl”, sprach ich, ohne mit der Braue zu zucken. Gleichzeitig holte ich mein Handy heraus. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass die Zahl auf meinem Konto signifikant gesunken war. Nervös scrollte ich hinunter. Harlen hatte wirklich viel ausgegeben, von Kleidung bis Auto war tatsächlich alles dabei, selbst Pferdewetten, zwischendrin fand ich meine Spenden für die Tierheime. Eine mittlere sechsteilige Summe in fünf Monaten auszugeben, ohne dass etwas nachkam, schockierte mich.
      “Alles okay?”, hakte Basti skeptisch nach.
      “Ja, nein, aber nichts, was dich betrifft”, seufzte ich. Ich bemerkte, dass Vater vor Ewigkeiten jegliche Zahlungen eingestellt hatte.
      “Problematisch? Kann man dir behilflich sein?”, zog Lina fragend die Augenbrauen zusammen.
      “Du kannst Harlen sagen, er soll zum Mond fliegen”, äußerte ich genervt und legte das Handy weg, “oder im Meer versinken, das ist günstiger.”
      “Sage ich ihm, allerdings fürchte ich, er wird dem nicht Folge leisten”, entgegnete sie und zog rätselnd über den Grund dafür die Stirn in Falten.
      “Zurück zum Thema. 350 000 Kronen?”, bot ich an, auch wenn der Gedanke daran schmerzte.
      “Bist du des Wahnsinnes? Normalerweise würde ich direkt zustimmen, aber ich habe dich zu gern, um dir reines Papier zu berechnen. 220 000 Kronen und du machst Netflix sowie Ole wieder schick”, schlug er vor. Ich atmete tief durch, froh, dass auch Happys Anteil mein Konto wieder füttern würde.
      “Gut, machen wir”, grinste ich und unterschrieb den Zettel, auf dem Basti den Betrag eintrug.
      “Glückwunsch, dann bist du jetzt wohl Besitzer eines Rennpferdes”, grinste meine Kollegin.
      „Bleibt er eins?“, wunderte er sich.
      „Abwarten, aber wäre cool, wenn er mit nach Finnland kommt“, überlegte ich laut, auch wenn es unrealistisch wirkte, ein Pferd in einem furchtbaren physischen Zustand direkt in Rennen zu schicken.
      “Was, wieso Finnland?”, rief die Kleine aus und ihre Stimme überschlug sich vor Überraschung, “Warum weiß ich davon nichts?” Mit ihren aufgerissenen Bambi-Augen starrte sie mich an.
      “Weil du nie in den Kalender schaust?”, lachte ich und stand auf.
      “Mittlerweile fühle ich mich verfolgt von dir”, stupste mir Basti in den Arm, als wir langsam zum Ausgang liefen.
      “Warum sagt mir so was keiner?”, beschwerte sich die kleine Brünette, ungeachtet des dritten Anwesenden, “Schon mal daran gedacht, dass es mich interessieren könnte, wenn ihr in meine Heimat reist?”
      “Es steht doch noch nicht mal zu hundertprozent fest, weil Lars sich nicht für ein Pferd entscheiden kann”, versuchte ich den Spatzen zu besänftigen.
      “Weil wir ja so wenige davon im Stall haben”, rollte sie mit den Augen, “Wenn ihr fahrt, will ich mit.” So spontan wie sie ihre Forderung stellte, hatte sie nicht eine einzige Sekunde darüber nachgedacht, was es eher wie eine Trotzreaktion wirken ließ. Nicht, dass ich sie verurteilen würde, schließlich hatte ich gerade ein Pferd gekauft aus demselben Grund.
      “Ich glaube”, murmelte ich und zog mein Handy hervor. Wild huschten die Finger über den Bildschirm, bis ich bei der Arbeitsplanung ankam.
      “Was ist das?”, schielte Basti mit auf die leuchtende Oberfläche.
      “Unser Stallsystem”, erläuterte ich wenig betroffen und suchte das Datum des Rennens.
      “Wo habt ihr das her?”, hakte er weiter nach.
      Ich hörte auf zu suchen und blickte zu ihm.
      “Wir haben das selbst gemacht, die Vorbereitung hat ewig gedauert und die Entwicklung noch länger, aber es läuft”, lächelte ich freundlich.
      “Sucht ihr noch Mitarbeiter?”, lachte Basti.
      Wieder startete das Kriegsdonnern in meiner Brust und ich musste Schlucken, um nicht anzufangen zu husten.
      “Immer”, sprach ich mit zittriger Stimme und suchte weiter. Dann fand ich endlich die Finlandia.
      “Hier Lina. Tyrell hat ohnehin geplant, dass du uns begleitest”, reichte ich ihr das Telefon als Beweis. Zufrieden blickte sie auf den Bildschirm, überflog die dort notierten Daten.
      “Oh, da in der Nähe habe ich früher gewohnt”, stellte sie nun wieder munterer gestimmt fest.
      “Siehst du, müssen wir nur Mockup hinbekommen”, grinste ich Basti an, der leicht den Kopf schüttelte.
      “Achtzehn Tage. Sehr mutig”, sprach er anerkennend, “wenn du das schaffst, dann komme ich zu euch. Wirklich.”
      Wieder schluckte ich.
      “Teilnehmen oder gewinnen?”, erforschte ich genauere Rahmenbedienungen.
      “Platzierung reicht schon”, spezifizierte er. Ich reichte ihm die Hand, ungeduldig den Blick nach oben gerichtet. Für mehrere Atemzüge überlegte er, aber schlug ein.
      “Da hast du aber was vor”, warf Lina ein, wobei ein Schmunzeln über meine Lippen zuckte.
      “Dann wünsche ich euch viel Erfolg”, prüfend blickte er auf sein Handy, “leider muss ich mich verabschieden, sonst gibt es Ärger. Packt ihr den Großen dann ein?”
      “Ist er hengstig?”
      “Nein, überhaupt nicht. Manchmal zweifle ich sogar, ob er sich seiner Hoden bewusst ist”, lachte Basti, die Autotür öffnend. Zum Abschied lief ich ein paar Schritte näher, wollte ihn umarmen, aber ich wusste nicht genau, ob es angebracht sei. Deshalb bot ich es durch meine reine Präsenz an.
      “Aber eine Bedingung habe ich auch”, flüsterte er kaum hörbar, “du arbeitest mich ein.”
      “Natürlich, das schaffe ich.”
      Mit einem Lächeln auf den Lippen sah ich dem Transporter nach, als er vom Platz fuhr. Die Kälte in den Gliedmaßen war allgegenwärtig und erst jetzt spürte die schlotternden Knie. Leises Rauschen zog durch Baumkronen am Rande der Ställe. Nour kam an die frische Luft.
      “Was habt ihr so lange getrieben?”, musterte sie uns beide.
      “Unter Umständen … ein Pferd gekauft”, antwortete die Kleine, als sei es etwas vollkommen Normales.
      „Bitte, was?“, in hohen Tönen rief Nour die Worte hinaus, dass auch ihr Bruder aufmerksam wurde.
      „Das ist jetzt ein Scherz, oder?“, fragte dieser, ich verzog das Gesicht und zuckte mit der Schulter, „oder?“
      „Nein, ist es nicht“, scherzte ich verhalten.
      „Ihr kommt sofort rein, unglaublich“, schüttelte Lars den Kopf und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Ich rauchte noch auf, dann folgte ich seiner Bitte.
      Im Inneren des Transporters begann die Erzählstunde, nicht komplett, denn den Irrsinn von Alexa verschwieg ich sowie den Inhalt des Deals mit Basti. So schnell wie mein Herz schlug, purzelten die Fakten heraus und im Nachhinein wusste ich nicht, wie viel genau erzählt wurde, aber genug, dass Lars aus allen Wolken fiel.
      „Meine Güte, dich kann man nicht allein lassen“, schüttelte er aufgelöst den Kopf, „du hast doch kaum Ahnung. Wie kommst du nur darauf?“
      Es verletzte mich zutiefst, dass er meine Kompetenz kleinredete. Für meinen Geschmack hielt er viel zu viel von sich selbst, als dass er objektiv beurteilen konnte, wie ich mich verhalten sollte. Seine Anschuldigungen und niederträchtigen Worte belastenden mich so sehr, dass ich erneut begann zu weinen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, hoffte darauf, dass er mich unterstützen würde.
      „Vivi, beruhige dich. Ist doch schön“, versuchte Nour die Situation zu entschärfen, aber scheiterte auf erster Linie. Wie Schlosshund hing ich in meinen Arm, brachte Töne heraus, die jedem Meerjungfrauengesang Konkurrenz machten.
      „Lass dir von dem nichts einreden“, sprach Lina leise zu mir und legte fürsorglich ihren Arm um mich, „Denke nur daran, was du entgegen aller Erwartungen bereits alles gemeistert hast. Mocki und du schaffen das locker, auch ganz ohne den aufgeblasenen Typen da.“ Vorsichtshalber hatte sie die Sprache gewechselt, falls die Geschwister ihre Worte trotz gesenktem Lautstärke wahrnehmen konnten. Allem Anschein nach wollte sie sich heute kein zweites Mal mit Lars anlegen.
      “Danke”, schluchzte ich. Prüfend warf ich einen Blick zu ihm, aber er schenkte mir nicht einen Hauch von Aufmerksamkeit. All die Freude über Basti und das Pferd löste sich in Luft auf.
      In Windeseile kippte sich Lars zwei Bier hinter. Interessanterweise bot er auch uns eins an, dass ich dankend entgegennahm. Anstelle mich weiter mit Missachtung zu strafen, legte er seinen Arm um mich und zog mich an sich.
      “Weißt du, es ist faszinierend”, brabbelte er.
      “Mh?”, hakte ich verwirrt nach und legte den Kopf an seiner Brust ab. Wie immer war es ziemlich bequem auf ihm, auch, wenn er ziemlich nach Schweiß roch.
      “Du machst einfach, ohne abzuwägen, ob es klug ist, sondern du glaubst an deine Leistungen”, schmeichelte er mir.
      “Okay”, hielt ich mich zurück.
      „Ach, jetzt auf einmal …", murmelte Lina missfallend vor sich hin und rollte mit den Augen.
      “Der hat einfach eine lange Leitung”, redete Nour ihr gut zu. Ich nahm es so hin, wie es war, andere Möglichkeiten gab es nicht. Mittlerweile kannte ich seine Art, wenn er schlechte Laune hatte und meistens wurde es besser, wenn wir uns nah waren – wie jetzt. Seine Zweifel und Unzufriedenheit kam aus dem Inneren, tief versteckt hinter einer stählernen Fassade. Zudem missfiel ihm jeglicher Kontakt mit Basti, was ich bis heute nicht nachvollziehen konnte. Vielleicht war es dem ähnlich, worum Alexa mich gebeten hatte, allerdings schätzte ich seine moralische Verfassung als ähnlich bedenklich wie die meine ein. Aber er war ein lieber Kerl, mit Ecken und Kanten.
      Mein Handy vibrierte. Es war noch nicht Null Uhr, aber die ersten Glückwünsche trudelten ein. Dankend nahm ich sie an, obwohl mir all die flüchtigen Kontakte egal waren. Jedoch entdeckte ich zwischen den ganzen Nachrichten bei Instagram auch Basti. Eilig öffnete ich den Chat, den Lars war in dem Gespräch eingetaucht, mit Nour und Lina. Dabei ging es um das Rennen in Finnland. Sie war noch immer pikiert, dass wir nicht früher etwas gesagt hatten, doch auch mir wurden solche Informationen erst vor wenigen Tagen zugetragen.
      „Es ist ziemlich cool von dir, dass du Mocki übernimmst. Damit hilfst du uns sehr“, schrieb er. Steckten sie etwa in Geldsorgen? Zumindest würde dies einige seiner Aussagen erklären und die Tatsache, dass er, laut Alexa Nelly heiraten wird.
      „Ich freue mich auf die Arbeit mit ihm. Schließlich will ich mich an unsere Abmachung halten ;)“, antwortete ich scherzhaft, zumindest sollte es weniger ernst an ihn herantreten. Mittlerweile konnte ich mir nicht mehr sicher sein, ob er sich meiner Gefühle bewusst war, dennoch musste ich an den Zwischenfall im Stall zurückdenken. Seine zärtliche Berührung brachte so viel Gefühl mit sich, dass er wissen musste, wie sehr ich ihn wollte.
      „Haha, wir werden sehen“, trudelte es als Antwort ein.
      „Tut mir leid, falls ich seltsam war. Mir hat Gespräch sehr zu schaffen gemacht“, entschied ich ihm zu schreiben. Es dauerte ein Moment, bis schließlich eine Nachricht ankam.
      „Verständlich. Ich habe mit ihr ein weiteres Mal gesprochen und ihr erklärt, dass sie sich nicht in meine Angelegenheiten einmischen soll. Es ist nicht okay, Leuten etwas zu unterstellen. Des Weiteren bin ich alt genug, um Dinge selbst zu klären. Ihr tat es leid, aber sie würde es dir auch noch selbst sagen“, las ich den kleinen Roman. Dennoch wusste ich nicht genau, was er mit Unterstellung meinte, schließlich beruhten einige ihrer Aussagen auf der Wahrheit. Aber ich ließ ihn im Glauben, dass es nur Unterstellungen waren, denn so blieb mir die Hoffnung. Hoffnung darauf, ihn zumindest als einen Freund an meiner Seite zu haben.
      „Oh, und alles Gute zum Geburtstag. Wir sehen uns nachher“, schrieb er noch. Ich bedankte mich, dann stimmte Lina auch schon voller Elan ein Geburtstagslied an.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // Vriska Isaac // 63.858 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende April 2021}
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    Datum:
    3 März 2023
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    geboren: April 2017

    –––––––––––––– a b s t a m m u n g

    Aus: Rainbeth (DE) [Standardbred]

    MMM: Unbekannt ––––– MM: Unbekannt ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Unbekannt ––––– MVV: Unbekannt


    Von: Outer Space (NZL) [Standardbred]
    VMM: Unbekannt ––––– VM: Unbekannt ––––– VMV: Unbekannt
    VVM: Unbekannt ––––– VV: Unbekannt ––––– VVV: Unbekannt


    –––––––––––––– b e s c h r e i b u n g

    Geschlecht: Hengst
    Rasse: Standardbred [STB]
    Farbe: Erdwindfarben Splash
    [EE Aa nCr nZ nSpl]
    Stockmaß: 162 cm

    Charakter:
    mutig; klar im Kopf

    * Astro läuft Trabrennen

    –––––––––––––– z u c h t

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    Gekört durch HK 515 im September 2022.

    Zugelassen für: Traber aller Art; Speed Racking Horse
    DMRT3: AA
    Gänge: 5

    Herkunft: Lindö Dalen Stuteri, Lindö [SWE], Tyrell Earle
    [geb. in Deutschland]

    Lebensrekord: 1:11,3

    Fohlenschau: 0,00
    Materialprüfung: 0,00

    Körung
    Exterieur: 6,81
    Gesamt: 7,65

    Gangpferd: 7,28

    Astronaut in the Ocean LDS hat 2 Nachkommen.
    • 2020 Kleinstadtastronaut LDS (aus: Lotti Boulevard)
    • 2020 Hell Vetica LDS (aus: Millennial LDS)

    –––––––––––––– l e i s t u n g

    Dressur A [L] – Fahren E [L] – Rennen M [M] – Gangreiten E [L]

    Februar 2022
    Rennen E zu A

    März 2022
    3. Platz, 574. Rennen

    Mai 2022
    Dressur E zu A

    Juni 2022
    1. Platz, 546. Fahrturnier
    Rennen A zu L
    2. Platz, 547. Fahrturnier
    2. Platz, 334. Gangturnier

    Juli 2022
    1. Platz, 550. Fahrturnier
    2. Platz, 552. Fahrturnier
    1. Platz, 338. Gangturnier
    1. Platz, 554. Fahrturnier

    August 2022
    Rennen L zu M

    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Ersteller: Mohikanerin
    VKR: Mohikanerin

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