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Mohikanerin

Alfred's Nobelpreis [7]

Zeit: ‎25.01.‎2020 - 05.08.2022 // Grund: Verkauf

Alfred's Nobelpreis [7]
Mohikanerin, 5 Aug. 2022
    • Mohikanerin
      Trabertag | 02. April 2020

      Wunderkind | Vintage | Outer Space | Alfred’s Nobelpreis | Lu’lu’a
      Schneesturm | Friedensstifter | Bree | Nachtschatten | Lotti Boulevard


      Seit einigen Tagen bin ich nun auf dem Atomics Valley und habe mich langsam schon eingelebt. Heute bin ich allein für die Versorgung der Traber eingeteilt und stehe deswegen schon ziemlich früh auf. Hedda schläft noch und das ist auch gut so. Leise versuche ich mir einen Kaffee zu machen und ein leichtes Frühstück zu mir zu nehmen. Es gibt Jogurt mit Müsli und einigen Früchten aus dem Tiefkühler.
      Gestärkt beginne ich den Arbeitstag. Anfangen werde ich bei den Hengsten. Wunder, Vini, Alfi, Nobel und Lu’lu’a bekommen als erstes die Decken ab, die sie Nachts noch tragen, weil es ziemlich windig und kalt ist. Die Männer sind aber nicht wirklich so begeistert dann in die Box zu gehen, deswegen haben Tyrell und Vriska entschieden, dass sie eine Decke tragen. Danach sperre ich die Jungs erst mal aus, damit ich in Ruhe ihre 5 Boxen sauber machen kann. Besonders Wunder ist immer sehr interessiert daran, was man mit seinen Fäkalien macht und guckt die ganze Zeit gespannt über die Tür. Die Außentüren der Boxen sind zweigeteilt, damit die Pferde, sollten sie mal in der Box eingesperrt werden müssen, den Kopf nach draußen stecken können. In dem Fall dann natürlich auch rein zu mir, wie ich Arbeite. Für jede Box brauche ich ungefähr 20 Minuten und eine Tour zum Mistwagen. Die Hengste stehen auf Sägespänen vom örtlichen Sägewerk. Somit kann alles wiederverwendet werden. Unser Mist wird von der Industrie abgeholt und zu LPG Gas umgewandelt. Damit bekommen wir unseren Strom und Warmwasser. Also ein kleines Autarkes System wurde hier örtlich aufgebaut. Doch zurück zu den Pferden. Nun lasse ich die Boxen erstmal etwas lüften und fahre mit der Schubkarre die ziemlich matschigen Ausläufe der Hengste ab und die dort gelandeten Häufchen zu entfernen. Dann kann ich auf dem Stutenpaddock weiter machen. Dort fahre ich allerdings zusammen mit Vriska den kleinen Trecker. Ich fahre und sie sammelt die Haufen auf. In kürzester Zeit sind wir fertig. Die großen Paddocks verfügen über einen Gang, in dem wir laufen können, ohne den Paddock zu betreten. Dort sind Stangen, durch die die Pferde ihre Köpfe strecken und an das Heu kommen. Aus hygienischen Gründen ziehen wir zuvor unsere Schuhe aus und steigen in Latschen, die wir uns vorher aus dem Aufenthaltsraum geholt haben. Wir möchten ja auch, dass unser Essen sauber zubereitet wird. Zumal es ziemlich gefährlich ist, wenn Sand im Magen der Pferde landen. Am Ende des Ganges stehen Heuballen, die für den Anfang noch gekauft wurden, später wird selbst angebaut und geerntet. Wir versuchen auf dem Hof so viel selbst zu machen wie möglich, um unsere Vorschriften mit dem Zertifikat zu bekommen. Dafür muss der Hof mindestens ein Jahr auf Bio Richtlinien geführt werden, was auch jetzt am Anfang schon regelmäßig geprüft werden. Natürlich ziehen wir dann andere feste Schuhe an und keine Schlappen, weil das nicht der Arbeitsschutzrichtlinie entspricht. Auch die Stuten haben nun Futter bekommen und die Boxen der Hengste habe ich wieder mit Späne aufgefüllt. Die Portion Heu haben sie zum Frühstück auch bekommen, sowie die Schaufel Kraftfutter, die sie im Moment noch genießen können.
      Um 10:30 Uhr treffen wir uns zum täglichen Frühstück und auch Hedda ist nun aufgestanden und gemütlich essen wir die frischgebackenen Brötchen, die uns der Bäcker aus dem nächsten Ort täglich liefert. Ein angenehmes Leben ist es auf dem Hof, auch wenn noch alles neu für mich ist und alles sehr familiär wirkt. Viel spreche ich mit den Leuten nicht, da es mir noch sehr unangenehm ist, aber das legt sich hoffentlich in nächster Zeit.
      Gut gestärkt beginnt nun die nächste Runde. Einige von den Trabern laufen noch aktiv Rennen und müssen dementsprechend trainiert werden, besonders die Hengste laufen noch gut. Was besonders neu für mich ist, dass diese Traber keine Trabrennen laufen, sondern hauptsächlich Passrennen. Wirklich verbreitet ist das in Amerika, Kanada und Neuseeland. Hier in Schweden gewinnen diese allerdings auch immer mehr an Beliebtheit. Tyrell hat mir erzählt, dass aber einige von den Pferden auch ziemlich hohe Geschwindigkeiten im Trab erreichen, weswegen ich besonders aufmerksam sein muss.
      Als erstes nehme ich Wunderkind an den Sulky. Entspannt hole ich ihn aus seiner Box und putze ihn. Um es mir einfacher zu machen binde ich in beidseitig an um dann auch den Sulky anhängen zu können. Im Vergleich zu den Sportpferden sind die Pferde auf diesem Hof so viel entspannter und auch freundlicher. Hier haben die Pferde viel mehr Auslauf und bringen ihre Leistung nicht durch Zwang, sondern durch gezieltes Training. Was ich bisher weiß ist, dass bis auf Wunderkind auch alle Hengste geritten sind. Nur Lulu ist noch völlig roh, der wurde vor kurzem von der Fohlenweide geholt. Die Arbeit mit ihm wird erst mal Vriska starten, da sie mit dem Hengst erst mal vom Sattel aus trainieren möchte und er erst später an den Sulky soll. Ich finde beachtlich, wie sehr dieser Hof auf das Wohlbefinden der Pferde achtet. Mit Wunderkind fahre ich erst mal zur Trainingsbahn und mache dort ein leichtes Intervalltraining für den Anfang, danach kommt er noch für einige Minuten in den Aquatrainer.
      Als ich mit dem ersten Hengst fertig bin, hole ich Vintage und Alfi. Die beiden kommen in die Führanlage. Dann nehme ich mit Nobel zur Hand, auch mit ihm werde ich ein leichtes Intervalltraining für den Anfang machen. Dafür binde ich ihn wie Wunder doppelseitig an und putze ihn ausgiebig. Dann lege ich ihn den Gurt um und alles andere. Er bekommt kein Overhead um, weil er wohl genug Balance von selbst mitbringt. Das werde ich heute überprüfen. Mit etwas stress fahren wir vom Hof, da Nobel offenbar den Trecker nicht so gut findet mit dem Tyrell gerade die Heuballen rangiert. Nach einigen Metern habe ich den Fuchs wieder unter Kontrolle und fahre im Schritt ebenfalls zur Trainingsbahn. An den kleinen Büschen auf dem Weg sind schon Knospen und überall hört man Vögel. Die Ruhe auf dem Hof genieße ich sehr und freue mich jetzt schon auf die weitere Zusammenarbeit.
      Auf dem Trainingsbahn macht sich Nobel gut und zeigt auch schon im Intervalltraining viel Power. Die nächste Saison kann für ihn kommen. Vriska hat derweil schon Vintage und Alfi aus der Führanlage geholt und zurück gestellt auf die Paddock Box.
      “Und lief er gut?”, erkundigt sich Vriska freundlich. Ich nicke nur und steige vom Sulky.
      “Anfangs hat er ziemlich angezogen und wollte immer schneller als er sollte.”, erzähle ich ihr dann und mache nebenbei den Hengst wieder fertig für die Box.
      Der Tag vergeht schneller als ich dachte und nur noch mit Schnee und der Schwarzen schaffe ich ein Intervalltraining auf der Rennbahn. Vriska hat derweil Lotti und Bree in der Führanlage gehabt. Lu wurde von ihr das erste mal longiert und so geht der Tag zu ende. Gemeinsam setzen wir uns um 20 Uhr noch in den Aufenthaltsraum und reden darüber was heute gemacht wurde und was wir geschafft haben.

      © Mohikanerin // Folke Wallström // 6923 Zeichen
      zeitliche Einordnung {April 2020}
    • Mohikanerin
      Hoffnungsvoll | 22. Juni 2020

      HMJ Holy / Wunderkind / Vintage / Smorre / Lotti Boulevard / Nachtschatten / Almost Illegal / Outer Space / Alfred‘s Nobelpreis / Graf Heinrich / Rainbeth / Songbird / Milska / Glymur / Schneesturm

      Folke
      Nun konnte es endlich los gehen. Holy war nun vom gesundheitlichen Standpunkt aus vollkommen in Ordnung, die Hufe hatten die erste Korrektur bekommen und die Hufeisen sitzen fest. Die Hufschmiedin, die auch ein Pferd bei sich aufgenommen hatte, gab uns nach der Hufbehandlung auch einige weiterführende Tipps, die ich dankend entgegennahm doch eher nicht umsetzen werden. Holy bekam von uns eh kein Huffett, da ich das von den Trabern meines ehemaligen Chefs schon kannte - der größte Teil ist Mist und macht die Hufe nur noch schlimmer, als sie schon waren. Ein tägliches Wasserbad hielt ich jedoch für angebracht. Worüber ich froh bin ist, dass Heddas Aufregung und Stress im Bezug auf das Horse Makeover verloschen ist und ich nun wie mit einem fast normalen Menschen mit ihr und dem Pferd arbeiten kann. Die Pause nach dem Impfen haben wir mit leichten Spaziergängen genutzt, bei denen sie nicht wie beim ersten Mal einfach abgehauen ist. 10 Minuten durfte Hedda sich auch schon drauf setzen, da Holy offensichtlich kein Problem damit hatte. Tyrell hielt dies als nicht so gut, aber zum Glück kann ich mich bei unserem Pferd mit meiner Meinung durchsetzen.
      „Morgen können wir mit dem Training anfangen“, sage ich am Morgen zu Hedda, die schon am Frühstückstisch sitzt und alles vorbereitet hat. „Vriska kommt dann gleich rüber und wir machen einen gemeinsamen Trainingsplan“, erkläre ich ihr. Sie nickt und schiebt sich den Löffel mit Cornflakes in den Mund.
      Nach Dem Essen habe ich Vriska eine kurze Nachricht geschickt, dass wir nun so weit sind und schon einige Minuten später klopft es. Ich lasse sie in die Wohnung und wir setzen uns an den Tisch.
      „Wie du wahrscheinlich mittlerweile weißt, haben wir hier am Hof eine App in der wir alle Pferde anlegen. Jeder kann dort den Pferden aktuelle Informationen eintragen und das wichtigste sind natürlich die Trainingseinheiten. Der Trainingsplan kann eingesehen werden, verändert und angepasst. Also Tyrell hat dort richtig Arbeit hinein investiert.“, erklärt Vriska. Um alles besser sehen zu können, hat sie das Tablett aus dem Aufenthaltsraum mitgebracht. Sie zeigt mir wo ich drücken muss und als erstes legen wir Holy als Datensatz an. Ich tippe bei dem Namen HMJ Holy ein, trage die Farbe, Alter und wann wir sie bekommen habe. Dann zeigt Vriska noch wo das Bild vom Pferd hin kann und Hedda wählt eins vom Shooting des ersten Tages aus. So weit, so gut. Als nächstes gehen wir erstmal in die Gesundheitsabteilung, trage alles ein, was in den letzten Tagen gemacht wurde. Dafür hatte Hedda den Pass schon geholt damit wir alles genau machen können.
      „So, dann überlegen wir jetzt wie es mit dem Training ist. Frecherweise habe ich mir Holy heute früh schon mal auf dem Paddock angeschaut und geguckt woran wir arbeiten können und was erst mal nicht so wichtig ist. Wir hatten uns ja dafür entschieden mit Holy über Freiarbeit, also besonders Intrizen Training, Muskeln aufzubauen. Doch die Zeit würde gar nicht ausreichen, um sie in drei Monaten zu einem wunderbaren Reitpferd zu machen. Ich denke, dass sollten wir uns alle hier als Ziel setzen und das ist zu schaffen. Dafür habe ich euch ein Pulver besorgt, dass ihre Muskeln fördert und auch für ganze körperliche Empfinden gut ist.“, erzählt Vriska. „Aber das ist doch sicher teuer?“, merke ich vorsichtig an. Sie schüttelt mit dem Kopf. „Nein, mach‘ dir da mal keine Gedanken. Um es Optimal zu gestalten machen wir an einigen Tagen zwei Einheiten mit ihr. Hedda und ich fangen heute schon an, da das Clickern nicht wirklich körperlich anstrengend ist. Morgen dann die ersten Freiarbeitsübungen. Dann kommt sie auch für 20 Minuten in den Aquatrainer. Später kannst du, Folke, dann auch mit ihr an der Doppellonge anfangen. Am besten kommt ihr nach her mal vor zum Laden, dann gucken wir nach einen Kappzaum für Holy.“, antwortet Vriska und wir diskutieren noch etwas über das alles. Als dann die Entscheidung getroffen ist, tragen wir alles im Plan ein.
      25.04. - Clickern
      26.04. - Freiarbeit, Aquatrainer
      27.04. - Freiarbeit
      28.04. - Freiarbeit, Aquatrainer
      29.04. - Pause
      30.04. - Doppellonge, Freiarbeit
      01.05. - Doppellonge, Aquatrainer
      Vriska verlässt den Raum und wir machen uns auch fertig. Für mich steht nun Stallarbeit an und Hedda ist auch dran bei den Stuten.

      Vriska
      Nach der Besprechung heute geht es erst mal an die Arbeit, da demnächst die Jungpferde von Bruce wieder an den Hof kommen. Bei ihm reicht der Platz für die Pferde nicht, aber wir haben zum Glück genug. Deswegen kontrolliere ich die Weiden und bringe auch schon Heuballen. Ich freue mich schon, da Krít auch Zwillinge geboren hat, die beide zwar sehr klein noch sind aber alle sind wohlauf und kerngesund. Dennoch möchte er beide Pferde abgeben. Mit dem vibrieren meines Telefon werde ich aus dem Gedanken geholt. In 20 Minuten beginnt die Clickereinheit mit Holy. Rasch stelle ich den Traktor wieder in die Halle und gehe dann weiter zum Putzplatz auf dem das Team schon auf mich wartet. Anders als erwartet ist Folke doch heute mit dabei. Ich bin froh darüber, weil ich noch nicht so ganz gut mit Hedda klar komme aber das wird sicher noch besser. Genüsslich kaut Holy am Strick von Folke und Hedda putzt in der Zeit. „Die Hufen sehen so viel besser aus“ sage ich zu den Beiden und Hedda stimmt mir zu. Folke scheint als hätte er nicht nicht gehört, aber ich möchte mich auch nicht noch mal wiederholen. Das wäre etwas bescheuert.
      „Ich würde vorschlagen, dass wir uns erstmal um das Kappzaum kümmern. Im Shop habe ich gestern zusammen mit Valeria Kappzäume gemacht und langsam wird die Auswahl größer. Da finden wir sicher etwas passendes für Holy“, sage ich und Beide sind begeistert. Zusammen laufen wir an der Halle und den Weiden entlang zum kleinen Shop am Hof. Folke muss draußen warten und sich um das Pony kümmern, während Hedda und ich rein gehen. Das Mädchen bestaunt das Sortiment und würde am liebsten alles mitnehmen. Aus dem hinteren Lager hilft sie mir beim Tragen. Momentan sind die Kappzäume noch in Einzelteilen, aber das lässt sich rasch ändern. Zum besseren Einstellen und verändern des Zaums produzieren wir sie einzeln.
      Nach ewigen hin und her probieren haben wir eine Kombination die Holy passt - aber Folke nicht gefällt. Das Kappzaum ist nun grün und rosa. “Und was anderes passt ihr nicht?”, hinterfragt Folke. Ich schüttel den Kopf. “Leider habe ich auch nicht die Zeit jetzt neue Teile zu produzieren, Du weißt, wir müssen die Traber trainieren und bald zu den Rennen fahren.”, erläutere ich ihn. Er nickt.

      Folke
      Mein Handy vibriert. Ich gucke drauf und stelle fest, dass ich nun mit Wunderkind und Vintage arbeiten sollte. “Hier beiden, ich muss mich verabschieden. Die Pflicht ruft. Wenn was ist, ich hab das Headset auf. Dann ruft mich an.”, sage ich zu beiden Damen und drücke Vriska die Stute in die Hand, die beinah sehnsüchtig mir nach guckt, oder eher meinem T-Shirt das auch völlig vollgesabbert ist.
      Auf dem letzten Renntag hat Wunderkind sich ganz böse verletzt, weswegen er nur langsam sich bewegen soll, aber auf keinen Fall herum stehen kann. Deswegen haben wir entschieden, ihm vorn die Eisen zu entfernen und durch Duplos zu ersetzen. Auch darf er in den Aquatrainer hat uns der Tierarzt bestätigt. Dafür hatte ich eine sehr kreative Idee. Über den Verband ziehe ich eine feste Plastiktüte, die ich mit ausgemusterten Terrabändern am Bein sehr fest um mache und darüber noch einen Hufschuh, damit die Tüte nicht reisst. Vom Hersteller haben wir auch bestätigt bekommen, dass sie Schuhe Wasserfest sind. Also kann es losgehen. Ich hole das Wunderkind aus seine Paddock und taste noch mal das Bein ab. Erst nach dem Training wechsle ich dann Verband und er kann dann für einige Minuten ohne stehen. Leider ist die Wunde zu tief und es ist zu gefährlich das Dreck dran kommt, deswegen trägt er den ganzen Tag den Verband. Wie gewohnt steht er ruhig und lässt sich problemlos untersuchen. Auch das putzen genießt er, dennoch merkt man dem Hengst seinen Energieüberschuss an. Als ich ihm das Halfter für den Aquatrainer umlege, das Vriska entworfen hat, fängt er an den Kopf hochreißen und sehr laut zu schnauben. Wenn ich es nicht besser wüsste und nur die Geräuschkulisse wahrnehmen würde, wäre es eindeutig ein Heutrockner oder Staubsauger. “Ganz ruhig, Dicker”, sage ich zu ihm und streiche ihm über den Hals. Als ich ihn los führe fängt er an hektisch herum zu tänzeln und völlig unkonzentriert zu sein. Mehrere male lasse ich ihn einen Kreis laufen, bis er etwas ruhiger geworden ist. Bevor wir zum Trainer laufen, gehen wir eine kleine Runde über den Hof damit er noch etwas mehr Auslauf bekommen und mehr von der Welt sehen kann. Auf Grund seiner Verletzung darf er derzeit nur mit unter Aufsicht auf die Weide. Die Runde über den Hof und dem Hengst sehr gut getan und ich wir können wieder in die Reithalle. Dort habe ich den Aquatrainer schon vorbereitet. Ich führe ihn in das Gerät und stelle einen leichten Wellengang ein. Wunderkind liebt wasser, was ihn natürlich dazu animiert zu spielen. Einige Minuten lasse ich ihn und dann stelle ich das Band an. Zufrieden schnaubt er ab und für 20 Minuten kann er nun Schritt laufen unter erschwerten Bedingungen.
      Nach dem Training merkt man ihn direkt an, wie geschafft er ist und auch zufrieden. Deswegen lege ich als erstes das gebastelte Schutzding von seinem Bein ab und auch den Verband. Die Wunde sieht schon viel besser aus und ich mache noch mal Manuka Honig drauf. Wir sind alle sehr überzeugt von dem Honig, der antiseptisch wirkt. Medikamente bekommt der Hengst nicht, auch die Schmerzmittel bekommt er nicht mehr. Wunderkind ist nun soweit fertig und widme mich Vintage. Dem Hengst geht er zum Glück gut. Ich hole ihn aus seiner Box und putze ihn.

      Vriska
      Folke hat sich nun von unserer kleinen Gruppe verabschiedet, da er noch arbeiten muss. Ich habe meine Trainingspferde schon fertig und Tyrell macht heute Abend den Stalldienst mit Max. Also kann ich mich mit Hedda voll und ganz auf Holy konzentrieren. Wir gehen auf den Reitplatz an der kleinen Reithalle, da kann sie schon die anderen Stuten sehen und ist gleichzeitig weit weg von den Hengsten. Als erstes wollen wir ihr das Klicken des Clickers beibringen. Holy ist ein sehr mutiges Pferd und wie viele andere natürlich futtermotiviert. Deswegen wird es leicht sie konditionieren auf das Klick. Danach soll es weitergehen mit dem Intrizen Training, aber das wird erstmal ein langer Weg. Auch weil ich bald nicht mehr so viel Zeit haben werde, so wie Folke und Hedda dann viel Alleine machen muss, aber ich werde mal mit Collin reden, vielleicht kann er zwischendurch mal mit den Mädels arbeiten.
      Wir stehen auf dem Reitplatz und ich erkläre Hedda erst mal ein paar Sachen über das Clickern, bevor es los geht. Dann zeige ich ihr auch erst die Übung. Neugierig steckt Holy ihren Kopf zu mir und hat nach wenigen Wiederholungen schon verstanden, wie die Übung funktioniert, doch Hedda soll es noch ein paar mal machen. Da die Stute heute noch ihren Ruhetag hat, können wir sie nicht noch ein paar Runden longieren. Schon jetzt zeigt Holy Interesse an dem Training und macht gute Ansätze für das Intrizentraining. Sie bietet schon einiges an und hebt das Bein wenn Hedda die Hand hebt. Ich beobachte die beiden Mädels und würde nur eingreifen, wenn etwas falsch läuft. Damit wir gegen alle Erwartungen das Pony einfangen sollten, hat Hedda noch eine Longe am Kappzaum mit dran. Nach ungefähr 20 Minuten beenden wir die Einheit und bringen die Stute zurück zu ihrem Paddock, doch die weigert sich und möchte nicht weiter. Auf Grund des Intrizen Training, müssen wir das jedoch akzeptieren und eine andere Lösung finden. „Was machen wir jetzt?“, fragt Hedda verzweifelt. „Ich habe eine Idee, warte“, sage ich zu ihr. Ich gehe einige Meter weg und hole mein Telefon aus der Tasche. „Collin, denkst du es ist okay, wenn ich mir Smorre hole? Holy möchte nicht mehr in ihre Box und ich verstehe sie da auch … ok … ja .. dann machen wir das so“, unterhalte ich mich mit Collin am Telefon und lege auf.
      „Kommst du kurz alleine klar?“, frage ich Hedda bevor ich abhaue. Sie nickt und ich laufe rüber zum Hengstpaddock, den dazwischen steht ein Wallach - ein Tinkerwallach. Dieser ist nicht nur vom Charakter sehr ruhig, sondern fühlt sich in der Truppe nicht wohl. Da wir noch einige Paddocks frei haben, werden die beiden auf einen der hinteren Paddocks an der Stuten Sommerweide kommen. Dort haben sie auch ihre Ruhe. „Na du“, begrüße ich den Fuchs und lege ihm ein Halfter um, das offensichtlich auch nicht passt. Das ist jedoch gerade nicht wichtig, er soll ja nicht mitkommen, was ich er auch ohne Halfter machen würde. Ich kehre mit ihm zurück zu Holy und Hedda. Neugierig beschnüffeln sich die beiden Tinker. Holy quietscht ein paar Mal und das wars. Beide sind tiefenentspannt. Sogar Holy die sonst immer an irgendetwas herum kaut steht ruhig da. „Aber das ist doch ein Hengst“, wirft Hedda vorwurfsvoll ein. Ich schüttle den Kopf und stelle ihr den Wallach vor. Sie freut sich und wir gehen zusammen zum Paddock. Als erstes tauschen wir kurz die Pferde, weil ich nicht weiß wie das Chaoten Pony auf den Paddock reagiert. Smorre ist eh ruhig, deswegen kann Hedda ihn im Anschluss dort ab machen. Holy behält erst einmal noch ihr Halfter um, das Hedda ihr angelegt hat, als ich den Fuchs geholt habe.
      „Die mögen sich“, sagt die kleine Schwester von Folke als wir die beiden Tinker noch beobachten. Sie stehen schon beieinander und putzen sich. Glücklich wirken sie auf den ersten Blick aber das kann natürlich jeden Augenblick umspringen. Folke kommt in der Zeit von dem Training mit Vintage wieder. Er guckt nicht schlecht als er die beiden Pferde sieht, muss sich aber erst mal um den Hengst kümmern. Später kommt er dann dazu.
      „Was denn hier passiert? Da ist man für eine halbe Stunde weg und schon hat Holy neue Freunde“, sagt er scherzhaft zu mir.
      „Holy wollte nicht mehr in ihre Box und da hatte Vriska die Idee sie ist Smorre hier her zu stellen.“, antwortet Hedda.
      „Hoffentlich rennen die beiden nicht die halbe Nacht hier herum. Sie hat schließlich noch Ruhetag“, macht sich der Herr etwas Sorgen, ich winkte nur ab und verabschiede mich. Der Tag war lang und beginnt morgen wieder sehr früh.

      26. April

      Folke
      Es ist noch sehr früh am Morgen doch auf dem Hof ertönen bereits Traktoren Geräusche. Valeria und Vriska haben heute Stalldienst. Hedda und ich sitzen am Tisch und Frühstücken, natürlich fällt es nicht aus, dass über Holy gesprochen wird. „Wir können ja gleich mal gucken gehen“, schlage ich vor und Hedda springt natürlich direkt auf, wie es in ihrer Natur liegt. Ich decke den Tisch ab und ziehe mich dann ebenfalls um. Hedda ist direkt fertig aber soll auf mich warten, weil ich nicht weiß was uns erwartet.
      Der Himmel ist strahlend blau und die Morgensonne ist für die Jahreszeit sehr warm. Bald ist auch schon der meteorologische Sommeranfang. Die Vögel sind auch schon aktiv und zwitschern.
      Oh Gott ist mein erster Gedanke als wir bei Holy ankommen. Das Pony ist sehr dreckig und auch am weiß der Mähne sieht man wunderbar, dass sie sich die halbe Nacht gescheuert haben muss. Wir haben vergessen ihr ihre Decke umzulegen, sodass nun wir einen dreifarbigen Schecken haben. Hedda ist auch der Schock ins Geschicht geschrieben. Trotzdem sind beide Pferde sehr ruhig und spielen mit einander. „Leider müssen wir euch jetzt trennen“, sage ich zu Holy und nehme den Strick, den wir am Tor liegen lassen haben. Holy Blick sieht nach Enttäuschung aus, aber ich versichere ihr, dass sie wieder zurück darf zu ihrem Smorre. Gemeinsam gehen wir zur großen Reithalle. Für Holy steht nun erst einmal Aquatraining auf dem Plan. Hedda putzt sie gründlich und ich bereite das Gerät vor. „Ich wäre soweit“, rufe ich meiner Schwester zu und sie bringt die Tinker Stute her. Ihren Schweif hat sie eingeflochten. Das Pony sieht nun wieder viel Besser aus. Da sie den Aquatrainer noch nicht kennt, nehme ich meiner Schwester das Pferd ab und zeige es ihr zunächst. Mit einigen Leckerlis guckt sie dann auch neugierig und geht mir ohne Probleme nach. Hedda hat in der Zeit noch einen zweiten Strick geholt und befestigen die die Haken an der Seite des Halfters. Dann schalte ich das Laufband ein und lasse das Wasser einlaufen. Fröhlich läuft die Stute vor sich her und bleibt immer mal wieder etwas stehen und versucht mit dem Wasser zu spielen. „Ich glaube, sie mag Wasser“, sage ich zu Hedda die fröhlich ein Video macht. In kurzen Instanzen erhöhe ich den Wasserstand bis auf 40 cm. Nach insgesamt 20 Minuten lasse ich das Wasser ab und wir holen die Stute aus dem Gerät. Man sieht ihr an, dass sie völlig geschafft ist, weswegen Hedda sie abtrocknet und ich das Solarium in Gang setze. „Das sollte ihre Muskulatur entspannen“, sage ich zu Hedda, die mich mit Fragezeichen im Gesicht anguckt. „Schaffst du das alleine?“, frage ich sie dann, als Holy entspannt im Solarium steht. Meine Schwester nickt und so kann ich mich nun an die Arbeit machen.
      Auf dem Plan stehen nun erst einmal Lotti und die Schwarze. Die beiden Stuten sind langsam soweit um zur Körung zu können, da Tyrell aber möchte, dass sie eine richtige Körung machen und kein Zuchtrennen machen haben Vriska und ich uns besprochen und wir gehen nun mit den beiden Stuten auf die Trainingsbahn zum Gangtraining. Dort haben wir mehr Platz und die meisten Pferde haben dort auch mehr Platz.

      Vriska
      „Geschafft“, sage ich zu Valeria, als ich den Trecker weggebracht habe und die den Stuten das Heu in die Gasse gelegt hat. „Ich muss dann auch schon weiter, Folke und ich gehen mit den beiden normalen Trabern auf die Trainingsbahn“, erzähle ich ihr. Sie macht nun auch etwas mit einer ihren Stuten. Folke kommt dazu und berichtet mir vom Aquatraining. „Na da wird sie sich aber angestrengt haben.“, antworte ich. Wir lachen und holen Lotti sowie die Schwarze vom Paddock. Es ist natürlich fies, dass wir die beiden vom Heu wegziehen müssen, aber sie bekommen dann gegebenenfalls noch eine eigene Portion nach dem Reiten. Ich habe mir Lotti genommen, da die Stute noch einer besseren Hand bedarf. Folke ist noch nicht ganz so fit im Gangpferdetraining, deswegen wird die Schwarze für ihn einfacher sein. Zusammen putzen wir die Stuten und fangen an zu satteln, als Hedda kommt. „Holy steht jetzt wieder bei Smorre, ich hab ihr die Stelle eingeschmiert und die Decke umgelegt. Was kann ich jetzt machen?“, fragt sie motiviert. „Geh doch mal zu Tyrell ins Büro, der kann dir das besser sagen“, antwortet Folke nur. Sie nickt und verschwindet wieder. „Krass, dass sie schon alleine Holy verarzten kann“, sage ich überrascht. „Wir sind halt nicht komplett unfähig“, antwortet er und lacht. Er lacht viel ist mir aufgefallen.
      Wir reiten im Schritt los, erst mal sehr locker mit durchhängenden Zügeln. Allerdings weiß ich noch gar nicht, worüber ich mich mit ihm unterhalten soll, also schweigen wir uns bis zur Trainingsbahn an. Die Situation ist mir ziemlich unangenehm, weswegen ich ihm dann einfach was über Nachtschatten erzähle. „Die Stute hatte ich damals gefunden noch Bruce, da er eigentlich die Traber wollte. Das hat nun aber sein Bruder Tyrell übernommen. Kennst du Bruce?“, frage ich ihn um ihn zum Gespräch zu animieren. Er schüttelt den Kopf. „Bruce hat das hier eigentlich alles in die Wege geleitet. In Deutschland ist der Hof halb abgebrannt, durch einen verheerenden Waldbrand. Das ist leider sehr typisch in Brandenburg, weil durch den Krieg und die Russen sehr viel Munition und Bomben noch herum liegen. Dann hat er im Internet ein Ausschreiben gesehen für dieses Gelände und sich beworben. Als wir dann genommen wurden, hat man und das Gelände ausgebaut und erweitert. So sind wir hier in Schweden gelandet. In Deutschland haben wir dann angefangen schwedisch zu Lernen, aber hier vor Ort ist es deutlich einfacher wenn man im Kontakt mit Einheimischen ist.“, fange ich an zu erzählen. Folke sagt dann etwas auf schwedisch, was in dem Moment leider nicht verstehe. Wir reden kurz drüber und dann erzähle ich weiter: „Auf jeden Fall kamen dann nach und nach die Pferde, bevor wir überhaupt hier waren. Mit einem großen Transporter sind wir dann gekommen. Wir sind mit Auto und Fähre hier her. Das erste was mir auffiel waren die hohen Spritpreise, aber zum Glück fährt unser Hoftruck mit LPG Gas, so das wir sozusagen überhaupt nichts mehr zahlen. Meiner ist ein Diesel.“
      An der Trainingsbahn angekommen zeige ich Folke einige Übungen zum Tölt vorbereiten und worauf er achten soll. Dann fängt jeder für sich an die Pferde zu trainieren. Lotti hat heute einen guten Tag. Motiviert hört die Stute mir zu und reagiert sehr fein auf meine Hilfen. Auch der Tölt ist heute ziemlich Taktklar. Immer mal wieder beobachte ich Folke, der offenbar auch sehr viel Spaß mit der Schwarzen hat. „Hast du Lust auf ein Passrennen?“, frage ich ihn kurz bevor die Einheit zu Ende ist. Schockiert guckt er mich an. „Also bei den Isländern ist das Normal. Man stellt sich nebeneinander und dann hat man 200m für den Pass. Aber wir können mit den Mädels natürlich viel länger den Pass halten. Dafür sind sie schließlich gezüchtet worden“, erzähle ich ihm. Für Lotti war das erste mal Pass unterm Sattel beinah eine Überwindung, vorher ist sie nur am Sulki Pass gegangen und mit den Rennen hat sie keine guten Erfahrungen gemacht, deshalb wollte ich ihr unbedingt den Spaß am Pass laufen wieder bringen, was mit Passrennen sehr gut funktioniert hat. Ich erkläre ihm kurz und knapp welche Hilfen er geben muss und wie die Schwerpunktverteilung ist. „Bereit?“, frage ich ihn. Er nickt. „Los“, sage ich dann. Schon nach wenigen Metern habe ich Lotti im Pass und gebe Gas. Meine Haltung lässt natürlich zu wünschen übrig, aber darum geht es zum Glück nicht. Auch Folke ist sehr schnell mit Nachtschatten unterwegs und hat und bereits überholt. Sonst hat Lotti immer die Nase vorn, deswegen gebe ich ihr noch etwas mehr Zügel und treibe sie mit der Stimme. Die erste Kurve kommt und langsam holen wir wieder auf. Folke hat mit der schwarzen Probleme das Tempo zu halten und sie fällt immer wieder in den Tölt. Das ist unsere Chance. Ich gebe noch mal etwas mehr Gas mit ihr und wir haben die Beiden überholt. Doch er hat sie bereits wieder in den Pass gelegt und gibt deutlich mehr Gas, sodass die Beiden uns wieder überholen. Nach einer Runde hat Folke ganz klar gewonnen. Wir freuen uns sehr und reiten noch eine Runde Schritt. Die beiden Stuten sind fix und fertig aber wirken auch glücklich, sonst hätten wir das nicht gemacht. „Das war ziemlich cool“, sagt er und streicht der schwarzen Stute über die Mähne. Nachtschatten schnaubt ab und streckt sich. „Vielleicht reiten wir mal ein richtiges Passrennen“, schlägt er dann vor. Ich gucke ihn verwirrt an. „Bei uns am alten Gestüt gab es einen Jockey, der die Pferde nie am Sulky hatte. Für ihn gab es nur Rennen, die geritten gemacht wurden. Ausschreibungen dafür zu finden ist immer sehr Rar, aber ich kann ihn mal fragen, ob er uns welche schicken kann“, erklärt er mir. „Oh das wäre ziemlich cool, aber dann müssten wir noch mehr Üben. Lotti und Nachtschatten fallen dann allerdings weg, weil sie sollen nach der Körung zum Hengst“, erzähle ich ihm. „Ach, ich suche da schon wen heraus. Vintage hätte sicher daran deutlich mehr Spaß. Der Sulky ist überhaupt nicht sein Ding, aber er macht es mit. Nobel und Alfi wären sicher auch davon begeistert“, sagt er.
      Am Hof steht Hedda schon und begrüßt uns. „Was habt ihr den gemacht. Die Pferdchen sind doch völlig platt“, sagt sie. „Ein Passrennen“, sagt Folke trocken und Hedda fragt nicht weiter Tyrell scheint ihr den Auftrag gegeben zu haben, die Sättel und Trensen zu putzen, zum Glück, dann müssen wir das nicht mehr machen. Das ist immer eine sehr lästige Aufgabe. Für Hedda ist das aber das richtige. Einige Meter später ist dann auch Tyrell, der mit uns sprechen möchte. „Bruce hat gerade angerufen. Krít hat Zwillinge bekommen und er würde sie gern herbringen, sowie seine ganzen Jungpferde. Man hat ihm Grundlos die Weide im Nachbardorf gekündigt. Er war mal wieder sehr verzweifelt“, erzählt er uns. Ich steige vom Pferd und frage noch ein paar mal nach. Dann einigen wir uns auf eine Uhrzeit. Schließlich müssen wir noch die Weiden überprüfen. „Gut, dann werden wir das tun“, antworte ich meinen Chef und er geht wieder. Zusammen mit Hedda macht er gerade das Zubehör sauber. „Warte mal! Können wir uns dann Hedda kurz leihen?“, frage ich noch. Er nickt.
      „Hedda!“, rufe ich fast einmal über den ganzen Hof. Motiviert kommt sie angerannt. „Ja?“, fragt sie.
      „Hol‘ dir mal Ali von dem Paddock, wir gehen die Weiden kontrollieren“, sage ich zu ihr. Sie nickt erfreut und rennt direkt ein Halfter holen.
      „Dann kommt sie mal raus, wenns für dich in Ordnung ist“, sage ich zu Folke.
      „Ja klar, wen nehmen wir dan?“, fragt er gespannt.
      „Ich dachte, dass ich Alfi nehme und du holst die Nobel.“, antworte ich, als wir die beiden Stuten nach dem füttern wieder zum Paddock bringen.
      „Das klingt nach einem Plan“, sagt er und wir gehen die Hengste holen. In der Zeit ist Hedda auch schon dabei sich den kleinen Hengst fertig zu machen.
      „Alle fertig?“, frage ich in die Runde. Ein zustimmendes Ja ertönt und wir reiten im Schritt los. Dieser Ausritt wird etwas entspannter. Wir reiten durch die Allee zu den großen Weiden im Wald. Dort sollen die beiden Jungpferdegruppen vom Bruce hin. Unsere Jungspunde kommen dann da auch dazu. Im Moment grasen sie auf zwei Weiden am Hof, aber so hätten die Pferde dann noch mehr Freunde. „Der Plan ist es jetzt, dass wir die Zäune und kontrollieren und gucken ob alles in Ordnung ist. Der Strom ist derzeit aus, aber den hat Tyrell schon geprüft, als er gestern hier war. Da wir überlegt hatten unsere Kleinen erst mal hierher zu bringen. Das Schicksal hat uns erhört“, erzähle ich. Die Gruppe trennt sich. Ich öffne das Tor mit Alfi. Der Hengst ist so ein Traum. Mit ihm kann man echt alles machen. Outer Space reagiert sehr empfindlich auf dem Schenkel und sucht immer nach Bestätigung, weswegen man mit Leckerlis in der Tasche alles schafft. Durch seine Sensibilität kann ich ohne es überhaupt schon mal mit ihm gemacht zu haben, das Tor öffnen und korrekt eiinzureiten. Ich lobe ihn und stecke ein Leckerli in den Automaten. Genüßlich frisst er seinen Snack. Im langsamen Tölt reiten wir an der Zaun innen Seite entlang. Auf dieser Weide ist alles okay. Hier sollen dann die Stuten rauf, Auch als ich mir noch die Weide Ansicht angucke, stelle ich keine Probleme fest. Auch Folke und Hedda entdecken nichts, als wir uns wieder treffen am Startpunkt. „Wie hast du das mit Alfi und dem Tor gemacht?“, fragt Folke überrascht. Offenbar hat er uns dabei beobachtet. „Nun, Alfi reagiert ja sehr sensibel und wurde ja vorher schon ziemlich viel in der Dressur gefördert, weswegen diese Übunge nur eine Zusammensetzungen von verschiedenen Hilfen war. Zu dem war ich auch zu faul abzusteigen, und wollte das erst einmal probieren.“, erzähle ich ihm.
      „Sehr cool, können wir sowas mal am Hof machen?“, fragt Hedda dann. Ich nicke. Dann reiten wir weiter. Hedda und Ali sind ein gutes Team. Der kleine Welsh Hengst ist leider all die Jahre zu kurz gekommen, obwohl er so ein Schatz ist. In Deutschland durfte er noch regelmäßig in der Reitschule oder in den Kinderferien mit laufen, aber sowas haben wir bisher nicht hier in Schweden angestrebt. Deswegen stand er hier die meiste Zeit nur herum. Zwischendurch habe ich ihn in die Führanlage gesteckt und ihn als Handpferd mitgenommen. Das nun Hedda, und Folke, da sind, kommt ihm zu gute. Sie hat sehr viel Spaß mit ihm und auch Ali ist echt froh wieder eine Beschäftigung zu haben. Die Beiden können noch viel voneinander lernen und ich werde das auch weiter fördern. Folke und Nobel haben sich von Anfang an gut verstanden. Aktuell trainieren die Beiden eigentlich für das große Derby im Juli, aber auch Entspannung ist mal wichtig. Unter dem Sattel ist er ein genauso tolles Pferd wie am Sulky. Sonst hätte Folke sich dort auch nicht drauf gesetzt. Er ist zwar ein sattelfester Reiter aber auf Angstpferde und Problempferde möchte er sich nicht setzen. Eben wegen seiner Schwester, die sehr viel Aufmerksamkeit bedarf, möchte er das Glück nicht heraufbeschwören. So reiten wir durch den Wald und genießen die Natur. Mittlerweile ich fast Mittag und wir müssen uns beeilen rechtzeitig zum Essen dazu sein. Also legen wir am Ende noch einen kleinen Galoppteil ein. Für Folke mit Nobel heißt das aber sehr schnell Tölten, da der Hengst bisher keinen Galopp angeboten hat und nun nicht der richtige Zeitpunkt ist das heraus zu kitzeln. Er wirkt auch nicht so motiviert um zu galoppieren.
      Am Hof angekommen machen wir die Pferde fertig und bringen sie weg. Auch wir gehen alle noch mal in unsere Häuser und zu waschen und etwas anzuziehen. Mit Reitsachen im Essensraum zu sitzen ist nicht so gut. Valeria hat heute gekocht. Es gibt Pasta mit einer Käse Gemüse Pfanne. Sehr lecker! Den Broccolie hat sie von unseren Nachbarn, die Möhren sind von unserem eigenen Beet. Der Käse ist von unserem Kuhbauern, der einen kleinen Hofladen hat, den seine Frau betreibt. Auch sie sitzt hier heute mit ihrem Mann beim Essen. Wir alle unterhalten uns über das was bereits passiert ist. Die ganze Runde ist sehr familiär und herzlich. Ich freue mich über diese Situation. Nun ist erstmal Pause. Hedda geht noch mal bei Holy gucken und geht dann gemeinsam mit Folke zurück ins Haus. Sie hat noch Schulaufgaben zu machen. Ich muss jetzt auch noch Wäsche waschen von mir und Max, weil er dafür unser Haus putzt. Doch heute ist der letzte Tag, da er nun endlich zurück in seine Hütte kann.

      Folke
      Mittlerweile es Abend und für Holy steht nun noch eine Einheit auf dem Plan. Vriska und Hedda wollen heute das erste mal die Stute richtig longieren und das Clickertraining mit einbauen. Da mich das ganze sehr interessiert, gehe ich mit und gucke mir die Situation an. Hedda kennt sich schon gut mit Pferden aus deswegen vertraue ich ihr da. Während Vriska noch nicht da ist, machen wir zusammen schon die Stute fertig, die mit Smorre noch immer ein gutes Team darstellt.
      Dann kommt Vriska um die Ecke und wirkt auch leicht genickt. “Was ist los?”, frage ich darauf total schockiert. Sie seufzt kurz und sagt: “Die Akademie hat mich ins Förderprogramm aufgenommen und ich freue mich auch eigentlich total, dass ich dafür ausgewählt wurde. Doch ich habe kein Pferd für die Nationalmannschaft, deswegen muss ich absagen.” Irgendwie fehlten mir die Worte. Doch ich wollte ihr bei der Situation unterstützen. “Hast du schon mal mit Tyrell gesprochen? Vielleicht finden wir eine gemeinsame Lösung. Auf jeden Fall werden wir eine finden.”, versuche ich sie auf zu muntern. “Bisher nicht, aber das ist mir auch unangenehm”, antwortet sie. Hedda ist noch mit Holy beschäftigt und bekommt von dem Gespräch nicht viel mit. “Du musst anders denken. Es für uns alle eine Möglichkeit den Hof zu präsentieren.”, antworte ich. Ich kenne schließlich die Situation, da ich ja immer für Höfe auf den Rennen gestartet bin. “Ich werde nach dem Training mal zu ihm gehen”, antwortet Vriska. Noch einen Moment reden wir darüber und dann kommt Hedda mit Holy dazu.
      Am Platz setze ich mich daneben und beobachte die drei. Vriska erzählt Hedda wie es heute ablaufen wird bei der Einheit und welches Ziel sie haben. Holy sieht noch sehr fertig aus vom heutigen Aquatraining, deswegen ist sie ziemlich entspannt aber auch unaufmerksam.

      28. April

      Vriska
      Es hätte eigentlich nicht schlimmer kommen. Heute muss ich die Entscheidung abgeben, ob ich dem Nationalteam beitrete oder nicht. Das Gespräch mit Tyrell war noch nicht, mir fehlte bisher einfach der Mut. Ich atme tief durch und dann kommt er natürlich um die Ecke. Irgendwie ist er wie ein Vater für mich, obwohl er gar nicht so viel älter ist als ich. “Wir müssen reden”, sagt er darauf hin. Mein Herz rutscht mir in die Hose und schon kullern die ersten Tränen. Ich mache es mir immer schwerer als es sein sollte, doch für mich ist es immer schwierig mit stressigen und unangenehmen Situationen umzugehen. “Ach Vriska. Ganz ruhig. Komm wir gehen zu dir, da haben wir Ruhe.”, sagt er darauf hin und legt seinen Arm auf meine Schulter. Zusammen gehen wir in meine Hütte. Dann trinke ich ein Schluck Wasser und setze mich zu ihm an den Tisch. Tyrell möchte nichts zum trinken. “Dein Leiter hat mich gestern angerufen und nachgefragt ob du schon eine Entscheidung getroffen hast wegen deiner Teilnahme im Nationalteam. Deswegen möchte ich dir ein Angebot machen, weil es schwierig wird eins der Fohlen im Team zu reiten.“, beginnt er. Ich würde mich schon echt drüber freuen und versuche mir auch auszumalen, wie es sein würde, aber für mich ist das Thema im Kopf schon durch. „Weißt du schon, dass Max auch eingeladen wurde?“, erzählt er weiter. Schock. Wie konnte er denn eingeladen werden, wenn er nicht mal in der Lage ist mir richtig Unterricht zu geben? Das erschließt sich mir einfach nicht. Allerdings hat er auch viel mehr Erfahrung und reitet seit dem er klein ist. Wirklich kennen tue ich ihn aber auch nicht obwohl wir seit quasi zwei Monaten zusammen wohnen. Als Freunde kann man uns allerdings nicht bezeichnen. Ich schüttle den Kopf. „Er hat schon seine Teilnahme bestätigt. Aber auch ich würde ich gern im Team sehen, deswegen haben Bruce und ich telefoniert. Er hat ein Angebot bekommen, dass er Glymur kaufen kann. Den müsstest du kennen.“, lacht Tyrell. „Waaaaaas“, antworte ich wieder völlig schockiert. „Wir würden dir Glymur für das Nationalteam zur Verfügung stellen, aber du musst im Gegenzug weiterhin die Pferde trainieren. Schließlich wird es etwas schwierig mit Stalldienst, aber wir brauchen dich auch hier am Hof.“, Tyrell wird still. Ich schweige auch. Noch eine Weile reden wir über die Situation und sind uns einig. Ich kann im Nationalteam starten - mit Glymur. Tyrell und Bruce werden nun in die Wege leiten, dass der Hengst zu uns auf dem Hof kommt.
      Als Tyrell gegangen ist habe ich noch einige Minuten still am Tisch gesessen, bis ich den Mut gefasst habe meinen Kursleiter anzurufen. „Hej, Herr Norberg, ich habe mit meinem Chef gesprochen. Sehr gern würde ich Ihre Einladung zum Nationalteam annehmen.“, sage ich mit zittriger Stimme. „Vriska, da freuen wir uns sehr. Tyrell sagte schon, dass du sicher zustimmen wirst. In den nächsten Tagen wirst du alles wichtige per Mail zugeschickt bekommen.“, antwortet er und legt kurzer Zeit später auf.
      Geschafft. Das war ein großer Schritt für mich und auch eine Menge Überwindung gekostet diese Entscheidung zu treffen. Ich fühlt sich etwas an, als würde ich die Leute und den Hof im Stich zu lassen. Doch nun habe ich erst mal noch Training mit Hedda und Holy. Auf dem Plan steht noch einmal Freiarbeit für sie. Ich ziehe mir meine Schuhe an und checke bei dem Gang zum Anbinder nochmal meine Mails. Noch habe ich keine Mail bekommen, was ich aber auch nicht wirklich erwartet habe. Hedda und Holy sind schon fertig mit der Vorbereitung und zusammen gehen wir zum Platz. Heute werde ich teilweise nur zu gucken, weil Hedda das bald eh alleine schaffen muss. Auch Folke ist wieder dabei und soll auch mal mit der Stute arbeiten. Zum aufwärmen gehe beide Mädchen erst mal einige Runden im Schritt am lockeren Strick am Kappzaum. Instinktiv senkt die Stute ihren Kopf und Hals und Hedda lobt sie zufrieden. Die Beiden sind jetzt schon so ein großartiges Team und ich freue mich, dass sie zueinander gefunden haben. Zum Anfang beginnt Hedda mit Holy das beim Kopf senken und Klick, ein Leckerchen gibt. Aber Holy ist ja nicht doof, für Leckerchen würde sie alles tun. „Ich hab mir gestern Videos auf Instagram angeguckt und würde gern mit Holy Spanischen Schritt machen. Können wir damit schon anfangen?“, fragt Hedda mich neugierig. „Können schon, aber wir müssen darauf achten, dass Holy nicht anfängt zu betteln um ein Leckerchen zu bekommen. Sondern sie soll sich anbieten und mit dir arbeiten. Also wäre es gut, wenn sie aus dem Betteln heraus das anbietet und du es rechtzeitig unterbinden“, versuche ich ihr zu erklären. Irgendwie klingt das blöd und nochmal mit der richtigen Wortwahl erzähle ich es ihr. Sie nickt und nimmt die Gerte zur Hand. Wahrscheinlich hat sie das im Internet so gesehen. Vorsichtig touchiert sie das Bei der Stute und bei einer Reaktion zieht sie die nach Oben wie auch den Strick und klickt im selben Moment. Erstaunt bin ich über ihre Fähigkeit so schnell mit dem Clickern zu reagieren. Holy sieht im Gesicht ziemlich glücklich aus. Nach einigen Wiederholungen beginnt sie mit der Arbeit an der Longe. Auch hier arbeitet die Stute aktiv und schlurft nicht mit der Hinterhand. Hedda bleibt auch immer gut dran mit der Stimme, dass Holy vorwärts läuft und sich auch streckt.
      „Habt ihr super gemacht heute“, lobe ich die Beiden als wir zurück zum Anbinder gehen. „Dankeschön“, bedankt sie sich. „Dann muss sie heute Abend noch in den Aquatrainer und dann hat sie erst mal einen Tag Pause.“, füg sie noch hinzu. Ich nicke. Für mich geht es nun weiter zum nächsten Pferd. Tyrell hat mir erzählt, dass heute zwei neue Pferde kommen und in den kommenden Tagen noch eine Standardbred Stute. Bei dem Training mit Hedda hatte ich schon eine Nachricht von meinem Chef bekommen, dass die Pferde nun da sind und ich bitte mir beide mal angucken kommen soll. Deswegen mache ich nun einen Schritt schneller, da er die Pferde erste mal vorn in die Gastpaddocks gestellt hat. „Das sind die Beiden also?“, frage ich gespannt, als ich bei Tyrell ankomme. „Ja, und beide haben ganz grausame Namen“, ärgert er sich.
      „Ach Namen sagen doch nichts aus. Wie heißen sie denn?“, frage ich neugierig.
      „Der Hengst ist Graf Heinrich und die Stute Rainbeth.“, sagt er trocken.
      „Ach Heini und Betti sind doch tolle Spitznamen.“, antworte ich lachend. Mit ernster Miene guckt er mich an und höre auf.
      „Wo hast du die denn aufgetrieben?“, frage ich einige Minuten später.
      „Du kennst noch Ida aus dem Haus vorne an der Straße. Die hatte mich vor ungefähr einer Woche gefragt, ob ich die beiden Pferde übernehmen könnte, da sie sonst zum Schlachter kommen. Sie selbst hat die Pferde geerbt von ihrem Bruder, der wohl alles in seinem Haus und Garten hatte. Er hatte auch noch eine weitere Stute und einen Wallach, doch ein Mädchen aus dem Dorf ist die beiden Pferde immer geritten ist, hat sie übernommen. Nur die beiden Eumel wollte niemand offenbar.“, erzählt er.
      „Und was ist sonst mit denen?“, frage ich weiter.
      Tyrell zickt mit den Schultern. „Die waren wohl mal auf der Rennbahn aber eher schlecht als recht. Heini kann wohl schon ein bisschen was Dressur angeht, aber Betti ist wohl nicht ganz so einfach.“, erklärt er.
      „Und mit der soll ich nun arbeiten?“ - „Ja, aber mit Beiden“, antwortet Tyrell trocken. Mit großen Augen gucke ich ihn an.
      „Dann soll es so sein“, antworte ich.

      29. April

      „Maaaaaan“, rufe ich genervt in den Raum als der Wecker klingelt. Es ist 5 Uhr am morgen und ich habe Stalldienst mit Valeria. Also stehe ich auf, mache mir einen Kaffee und ziehe mich um. Duschen muss ich gar nicht, weil ich danach eh wieder Stinke wie ein Tigerkäfig.
      „Guten Morgen“, begrüßt Valeria mich fröhlich. Wie schafft sie es nur so happy zu sein am Frühen Morgen. Das erschließt sich mir nicht. Dennoch versuche ich freundlich zu sein und wir beginnen bei den Stuten mit dem Sauber machen. Dann legen wir das Heu hin und holen sie von der Weide. Als nächstes stehen die Hengste auf dem Plan. Heute dauert es etwas länger und erst nach vier Stunden sind wir fertig. Dann gehe ich erst mal zurück in die Hütte um zu duschen, weil wir dann zum Frühstück gehen. Zusammen sitzen wir alle am Tisch und unterhalten uns über den heutigen Plan. Auch unsere Teilnahme im Nationalteam ist ein Thema. Doch Max und ich wechseln kein einziges Wort. Ich denke er ist nicht so erfreut, dass wir es Beide soweit geschafft haben. Aber das ist sein Ding und nicht meins. Ich freue mich natürlich darüber aber möchte ihn auch nicht noch weiter unnötig damit belasten.
      Als erstes beginnt die Arbeit mit Betti. Tyrell wusste gestern nicht, wie weit die Stute ist, also werde ich heute sie erst mal nur longieren und auch einen Gurt umlegen. Den sollte sie kennen, da sie wohl einige Rennen mitgelaufen ist, wenn auch nicht erfolgreich. Doch das ist für uns nicht allzu wichtig, da wir vielseitige Standardbreds züchten, die zwar das Talent für Passrennen haben, aber genauso motiviert für die Arbeit unter dem Sattel sind, besonders in der Dressur. Mit angelegten Ohren begrüßt die Stute mich und ich gehe langsam auf sie zu. Nervös dreht Rainbeth mir ihren Po zu und gehe wieder einige Schritt zurück. Von so einem großen Pferd die Hufen abzubekommen ist nicht unbedingt meine Intention. Doch ich bleibe hartnäckig, bis die Stute merkt, dass ich keine Bedrohung darstelle. Dann kommt sie sogar zu mir und ich darf ihr das Halfter anlegen. Zusammen gehen wir zum Anbinder und ich putze sie langsam. Als ich den Bauch berühre wird sie direkt unruhig und schlägt nervös mit dem Schweif. Den Gurt lasse ich also heute lieber doch weg. Gegen das anlegen vom Kappzaum hat sie nichts und läuft mir zum Platz beinah motiviert nach. Als erstes darf Betti sich den Platz selbst angucken und ich lasse ihr den Strick locker und sie kann selbst entscheiden wohin sie möchte. Mit lauten atemgeräuschen geht sie den Platz ab und wirkt eher nach einem Hengst, als eine Betti zu sein. Freundlich lobe ich die Stute und teste immer wieder ihre Aufmerksamkeit durch kurze Züge am Stricke. Erst nach einigen Wiederholungen wendet sie sich mir zu und scheint nun bereit zu sein. Zum Aufwärmen möchte ich Rainbeth nun noch dehnen und stellen. Doch schon mit der einfachsten Übungen durchs Genick hat sie große Schwierigkeiten, weswegen es ratsam wäre, wenn sich ein Osteopath dieses Problem anguckt. Um ihr nicht noch mehr Schmerzen zuzumuten, lasse ich sie nur noch ein wenig traben und höre dann auf. Auf dem direkten Weg kommt die Stute zurück auf ihren Paddock. Im Anschluss mache ich mich auf den Weg zu Tyrell, der wieder in seinem Büro sitzt.
      Vorsichtig klopfe ich an der Tür. “Herein”, ertönt es. “Ach hey, was los?”, sagt er im Anschluss als ich durch die Tür trete. “Rainbeth sollte mal einem Osteo vorgestellt werden. Beim Putzen hat sie sehr nervös reagiert im Bauch- und Rückenbereich und beim Longieren war das biegen und stellen zeigte sie sich ebenfalls sehr unmotiviert.”, erkläre ich ihm. Er nickt. “Gut, dann werde ich einen Termin vereinbaren. Bitte vergiss nicht, dass noch in ihr Profil einzutragen”, antwortet Tyrell mir. “Dankeschön”, antworte ich und möchte das Büro wieder verlassen. Doch dann sagt er noch etwas: “Denk dran, morgen kommt Glymur und ein Trainer aus Deutschland. Du hast dann direkt zwei Trainingseinheiten. Bruce bringt dafür noch Skrú vorbei.”, sagt mein Chef mir. “Was, morgen schon?”, frage ich schockiert. “Ach hatte ich das vergessen zu sagen? Tut mir leid. Eins weißt du auch noch nicht, aber du wurdest zwar für das Team ausgewählt, aber du musst noch angenommen werden. Das heißt, du musst noch die Prüfung bestehen. Deswegen haben wir für dich und Max den Trainer organisiert.”, fügt er hinzu. Mir entgleisen die Gesichtszüge. Puh, das hatte ich nicht erwartet. Ich nicke und verlasse das Büro. Jetzt muss ich auch noch eine Prüfung machen. Das schaffe ich nicht.
      “Ach gut das ich dich treffe”, sagt Folke als ich vom Büro komme. “Huch! Was los?”, frage ich ihn erschrocken.
      “Wollen wir mit Alfi und Nobel etwas trainieren für die gerittenen Passrennen? Ich habe schon mit Tyrell gesprochen, der findet die Idee gar nicht so schlecht.”, antwortet der junge Schwede. Ich nicke und wir gehen in den Stall um die Hengste fertig zu machen. Alfi war heute deutlich hibeliger als sonst und auch Nobel scheint Hummeln im Po zu haben, nur mit viel Geduld gelang es uns die Pferde in Ruhe zu putzen. Auch der Weg vom Hof war alles andere als ein Zucherschlecken. Dennoch wollten wir uns nicht entmutigen lassen und stiegen schon auf. Plötzlich hatten wir ganz andere Pferde unter uns. Beide Hengste schnaubten zufrieden ab und waren problemlos händelbar. Zum Glück.
      “Und freust du dich schon auf Glymur morgen?”, fragte Folke neugierig. Offenbar wussten es alle am Hof nur ich nicht.
      “Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich dir und Hedda doch helfen mit Holy, aber wenn ich zur Akademie gehe, dann werde ich nur am Wochenende am Hof sein. Und auch in der Zeit muss ich dann hier arbeiten und Tyrells Pferde bereiten.”, antworte ich nachdenklich während ich Alfi ein wenig im Genick stelle und etwas am Schenkel weichen lasse.
      “Ach mach’ dir da mal keine Gedanken. Das schaffen wir auch ohne dich”, sagt er uns fängt an zu lachen. Zum Glück nimmt er mir das nicht übel. Mich überrascht es auch extrem, dass ich überhaupt in der Auswahl stehe für das Nationalteam. Wirklich viel reiterliche Erfahrung kann ich schließlich nicht nachweisen. Vor knapp 3 Jahren kam ich erst nach Deutschland und wurde dann zu meinem Glück gezwungen. Heute denke ich, dass es die beste Entscheidung überhaupt war, denoch hat Max deutlich mehr Erfahrung. Dann reißt mich Folke wieder aus meinem Gedankengang. “Wir sind jetzt an der Bahn. Ich würde sagen, wir reiten die Pferde erstmal noch etwas mehr warm und machen dann ein schönes Intervalltraining. Anfangs etwas Tölt und dann im Pass.”, schlägt er vor. Ich nicke nur und gehe auf die Grasfläche der Bahn um einige Biegungen zureiten. Heute ich Alfi ziemlich steif und scheint auch nicht so motiviert zu sein für Dressurarbeit. Doch leider muss das sein, sonst könnte er sich verletzen, wenn wir aufs Tempo setzen. Folke hingegen hat mit Nobelpreis ein leichtes Spiel. Der Hengst ist sogar fast übermotiviert und versucht ihm jeden Schritt voraus zu sein. Dabei biegt er sich super schön und lässt einwandfrei sein Genick stellen. Auch die Seitengänge funktionieren problemlos. Etwas neidisch schiele ich immer wieder zu dem Paar rüber. Aber Alfi wird dann doch etwas kooperativer und versucht sein bestes. Dann sind wir uns einig - das richtige Training kann nun beginnen. Im Schritt reiten wir zunächst ca. 500m nebeneinander her und Tölten dann an. Erst ein Stück im Arbeitstempo und legen dann im Tempo zu. Bevor die Pferde in den Pass fallen bremsen wieder in den Schritt ab und reiten wieder 500m. So machen wir das einige Bahnen lang bis wir statt Tölt den Pass bevorzugen. Alfi ist nun voll dabei. Nur mit leichter Hilfe lege ich den Hengst in den Pass und versuche das Tempo zu steigern. Folke hingegen hat es nun etwas schwieriger, da Nobelpreis ziemlich mit ihm herum diskutiert. Nervös zieht der Hengst seinen Kopf nach oben und erweitert die Nüstern. Folke versucht ihn zu beruhigen doch ohne erfolg. Im starken Trab rennt der junge Mann los und ist nicht aufzuhalten. “Aber wir haben doch eigentlich Pacer und keine Traber”; rufe ich leicht belustigt dem Team nach. Nicht mal einen müden Gedanke scheint Folke an mich zu verschwenden und braust im Trab an uns vorbei. Erst auf der nächsten langen Seite bekommt er den Hengst wieder in den Schritt und brüllt genervt ihn an. “Boah, du Mistsau Pferd”, höre ich nur und muss wieder lachen. Alfi läuft stattdessen in einer schönen Haltung im Schritt vorwärts. Auch das Tempo ist sehr angenehm. “Ja, Lach du nur”, antwortet er mit genervt.
      “Wollen wir mal tauschen?”, biete ich Folke motiviert an. Er nickt und wir steigen ab um die Pferde zu tauschen. Nun sitze ich auf Nobelpreis, der direkt wieder anfängt sich zu sperren und sich zu weigern. “Mach’ du mal weiter mit Outer Space im Intervall. Ich versuche Nobel zu vernunft zu bringen”, rufe ich Folke zu. Er geht wieder auf die Bahn und setzt das Training fort. Ich fange mit Nobelpreis wieder von vorn an. Erst mal im Schritt einige Biegungen und dann Tölt-Schritt Übergänge um die Durchlässigkeit zu verbessern. “Prima”, lobe ich den Hengst, der zufrieden abschnaubt. Das Intervalltraining werde ich mit ihm nicht fortsetzen, aber Pass muss er heute noch mal laufen, um die Erziehungsaspekt beizubehalten. Nach dem er wieder deutlich lockerer im Genick ist, gehen wir wieder auf die Bahn und treibe ihn in den Galopp. Wenn auch nicht erwünscht, lege ich den Hengst aus den Galopp in den Pass. Oh Wunder - Nobel zeigt sich gelassen und ohne große Diskussion geht er über in den Rennpass. Kurz vor der kurzen Seite bremse ich langsam und gemütlich ab. Als wir wieder im Schritt sind, wende ich ihn und reite im Schritt zurück zu Folke. Angekommen bei den Beiden klatscht er erst mal. “Na das war doch mal richtig gut. Wir können ja erst mal weiter hin mit ihm aus dem Galopp heraus den Pass fördern. Hoffentlich zeigt er das dann im Rennen nicht. Aber es war ja auch heute das erste mal unter dem Sattel dieses Training”, sagt Folke und entspannt reiten wir zurück an den Hof. Dort sattle ich die Hengste ab während mein Kollege das Futter für sie zubereitet. “FOOOOOOOOOOLKEEEEEE”, ertönt es dann. Hedda ist da. “Jaaaaaa”, antwortet er genauso. “Können wir was mit Holy machen”, fragt sie dann aufgeregt. “Ne, heute nicht. Die wird sicher richtig Muskelkater haben von den letzten Tage. Heute hat sie mal Pause.”, sagt er darauf hin. Hedda verzieht ihr Gesicht und macht einen Schmollmund. “Aber du kannst ihr die Salbe rauf machen und ein paar Leckerein geben, wenn du willst”, fügt Folke dann hinzu. Sie nickt aufgeregt und verlässt wieder den Stall. Dann kommt er auch aus der Futterkammer heraus und stellt den beiden Jungs ihr Futter in die Box. “So, guten Appettit.”, sagt er zu ihnen und streicht beiden Pferden über die Nase. Als hätten sie seit Tagen nichts gefressen, stürzen sie sich auf das Kraftfutter.
      “Was jetzt steht noch auf dem Plan?”, frage ich Folke als wir auch den Stall verlassen. Er guckt auf die Uhr. “Es ist jetzt 16 Uhr. Ich sollte mal lieber zu Hedda und Holy gucken gehen. Du könntest mit Songbird noch arbeiten. Ich schicke dir dann Hedda dazu.”, schlägt er vor. “Gute Idee”, sage ich und laufe zum Stutenpaddock.
      Songbird ist mittlerweile schon 7 Jahre alt und wir haben bisher so gut wie gar nicht mit ihr gearbeitet, hauptsächlich, weil andere Pferde die Priorität hatten. Doch jetzt ist auch sie an der Reihe. Während ich die Stute vom Paddock hole und putze, überlege ich mir, was ich mit ihr machen kann. Das einfache Longieren beherrscht sie schon ganz gut, weswegen ich heute den Grundstein legen werde fürs Reiten - mehr oder weniger. Ich hole aus der Sattelkammer die Doppelzügel sowie ein Kappzaum mit Gebiss. Natürlich muss ich erst einmal herum probieren was ihr passt, bis ich was passendes gefunden habe - Mademoiselle und sie haben die gleiche Größe. Dann kann es los gehen. Hedda stößt auch dazu und gemeinsam gehen wir zum Reitplatz an der kleinen Reithalle. Dort beginne erst mal das Shetty zu longieren. Übermotivert springt die Kleine in die Luft und freut sich offenbar sehr darüber, dass sie sich bewegen darf. Nach einigen Runden hat sie die überschüßige Energie abgebaut und kann mit der richtigen Arbeit anfangen. Ich ändere die Zügel und hänge beide Stücke in die Gebissringe ein. Als erstes versuche ich der Stute zu zeigen, was wir nun tun werden mit Hilfe der Gerte. Sie kennt schon einfaches Stellen und Biegen mit der Gerte was ich nun auch wunderbar auf die Doppelzügel umsetzen kann. Hedda schaut gespannt am Zaun zu.
      Songbird war mit der heutigen Arbeit fertig und ich entschied auch Feierabend zu machen. Morgen wird schließlich noch ein anstrengender Tag, auch steht am Abend noch eine Einheit mit Holy an. Bevor ich gehe muss ich den Dreien noch einige Tipps und Tricks auf den Weg gehen, sonst könnte das Projekt noch scheitern. Das möchte keiner von uns.
      Nach einer erholsamen Dusche und setze ich mich noch an den Computer. Der Trainer der morgen kommt, soll wohl sehr bekannt sein und auch schon andere Nationalteams trainiert haben. Nur sagt mir sein Name überhaupt nichts. Bei der Recherche stelle ich fest, dass der Herr ganz andere Trainingsmethoden hat als ich, weswegen ich mir unsicher bin, ob eine Einheit mit ihm so angebracht wäre.

      30. April

      Gleich kommt mein Pferdchen an, freue ich mich dann doch ziemlich. Natürlich ist es eine große Ehre für mich und ich natürlich bin ich auch sehr glücklich darüber, dass mich der ganze Hof dabei unterstützt. Doch ich möchte ungern meine Umgebung verlassen, auch wenn es für eine gute Sache ist. Nach einer wohltuenden Dusche bin ich gerade dabei mir mein kleines Frühstück zuzubereiten, als das Telefon klingelt. “Isaac?”, gehe ich an meine Handy, da ich die Nummer nicht kenne. “Falkbeck, wir sind in ungefähr einer halben Stunde da. Bitte bereiten sich sie darauf vor”, sagt ein schlecht gelaunter Mann, der nur der Trainer sein kann. Durch sein Nuscheln konnte ich nur Schwer den Namen hören, doch ausgeschlossen, es ist der Typ. Langsam kippt dann auch meine Laune, aber ich versuche weiterhin erfreut zu sein, so ein großartiges Pferd von Tyrell gestellt zu bekommen. Deswegen mache ich mir noch ein Toast, dass ich auf dem Weg zum Stall zu mir nehme. Mein Chef wartet dort auch schon, offenbar hat er einen genauso tollen Anruf bekommen. “Guten Morgen”, begrüße ich ihn freundlich. “Na, biste soweit?”, fragt er neugierig.
      Ich nicke nur.
      Tyrell schon draußen und der Hänger fährt den Hof hoch. “Dein Ponsky ist da!”, ruft er in den Stall. Ich mache die Box noch fertig und beeile mich raus zu kommen, da sind die beiden Herren schon dabei das Pferd auszuladen. “Wo waren Sie denn?”, fragt Herr Falkbeck ziemlich genervt. “Entschuldigung, ich habe noch die Box fertig gemacht.”, antworte ich leicht genervt. “Ach ist doch alles gut”, mischt sich Tyrell direkt ein. Dann sagt der Alte auch nichts mehr. Man, das nervt mich jetzt schon extrem, aber ich versuche mir nichts weiter anzumerken. Dann drückt er mir Glymur in die Hand. “Also heute um 18 Uhr ist dann Training”, fügt er noch hinzu. Langsam laufe ich mit dem Hengst zur Box und stelle ihn dort erstmal hinein, da ich noch einige Pferde vorher arbeiten muss. Rain Beth, Holy, Schneesturm und Milska kommen in die Führanlage. Dann hole ich mir noch Nachtschatten und Lotti zu Ausreiten. Die Braune Stute nehme ich als Handpferd und übe noch mal die Pferde in jeder Situation ruhig zu haben.

      Folke
      Während Vriska mit zwei Trabern ausreiten geht, nehme ich mich nochmal Holy an, die derzeit noch in der Führanlage ist. Ich halte die Maschine an und hole die Stute raus, um sie in den Aquatrainer zu bringen. Holy baut immer besser in der Muskulatur auf und auch ihr Verhalten hat sich bereits gebessert. Wir sind alle Stolz auf die Stute.
      Nach dem Vriska wieder kommt, habe ich bereits die Stuten zurück gebracht und Vintage, Wunderkind, Outer Space und Nobel in die Anlage gestellt. Im Gelände waren sie Stute wohl auch sehr gut, weswegen wir uns dann erst mal zum Essen setzen und den letzten Gemeinsam Tag genießen.

      Vriska
      “Halte deine Arme ruhiger, tiefer in den Sitz und versuche mehr mit deiner Hüfte mitzuschieben, um den Hengst nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen”, mault mich der Falkbeck voll. Man geht der mir auf den Geist. Was soll das nur werden ...

      © Mohikanerin // 55.149 Zeichen
      zeitliche Einordnung {April 2020}
    • Mohikanerin
      Dressur E zu A | 30. November 2020

      BOS Lavendeltanz mit Brooke Scott | Caramel Touch mit Reyna Huntington | Fly me to the Moon mit Vriska | Alfred’s Nobelpreis mit Folke | Didga mit Tamara

      Nathan Scott | Lange hatte ich keine Reitstunde gegeben, die so groß war, aber den Platz in der Reithalle hatten wir ja, also warum diesen nicht ausnutzen. Die Halle füllte sich langsam: Folke kam mit einem schönen Fuchshengst mit auffälligem Kopfabzeichen in die Halle. Er hatte mir gleich gesagt, wo das Problem mit dem Hengst lag und so war es heute bei ihm Schwerpunkt, ihn durch viele Tempiwechsel und Übergänge ruhiger bei der Arbeit zu bekommen. Denn das war das, worauf Richter in der Dressur großen Wert legten: Saubere Ausführung der Lektionen und eine Ruhe dabei, die das Pferd selbstsicher darstellen ließ. Die nächste war Reyna mit ihrer Palominostute Caramel Touch, die eine tolle Ausstrahlung hatte und einen wahren will-to-please an den Tag legte. Ruhigen Schrittes machte Reyna die Stute warm und dann kam auch die nächste Reitschülerin rein. Fly me to the Moon, kurz Flyma von Vriska genannt, war eine schöne Falbstute, allerdings war sie eine wahre Baustelle. Sie ignoriert den Schenkel und braucht ewig lange, bis man sie von einer Aufgabe überzeugen konnte. Bei ihr wollte ich zunächst klein anfangen mit einfachen Übungen sie an den Schenkel zu bringen. Wenn diese nicht halfen, wollte ich Vriska eine Gerte zur Verstärkung der Schenkelhilfen geben und wenn das klappen sollte, die Gerte wieder wegnehmen. Sie diente also nur als Hilfsmittel und nicht als Bestrafung. Wie immer kam Brooke mit ihrem Pferd zu spät. Lavendeltanz war eine schicke rote Stute, unfassbar gelehrig und eine Ruhe selbst. Bei ihr machte ich mir die wenigsten Gedanken.
      Wir begannen beim Aufwärmen mit Übergängen von Schritt-Trab und Schritt-Halt. Nobel rannte im Trab gerne mal, ein Fehler von der Bahn, den es im Viereck zu begleichen ging. “Folke, geh mit mehr Ruhe ran. Versuch ihn auch ab und zu in den Halt zu parieren. Er muss abrufbar sein und mit seinem Kopf bei dir sein!” Folke nickte nur und versuchte der Anweisung zu folgen. Lavender hatte keine Probleme, ebenso Caramel Touch. Flyma wollte erst gar nicht in den Trab und so trieb ich mit Vriska zusammen, sie vom Pferd aus und ich vom Boden aus. Sie war eine sehr unsichere Stute und verlangte einen selbstsicheren Reiter, die sie zu überreden wusste um ihr Sicherheit zu geben. Bei ihr würde es ein längerer Weg werden, sie zum Reitpferd auszubilden. Immer wenn Vriska merkte, dass Flyma langsamer wurde, sollte sie nachtreiben. Nicht oft, sondern einmal aber bestimmt. Wichtig war bei ihr auch, sie nicht stumpfer zu reiten, als sie eh schon war. Meine Aufmerksamkeit lenkte sich zum Hallentor, als ich Tamara dort mit der Lewitzerstute Didga sah. “Ich geh am besten auf den Platz oder, Nate?”, fragte sie mich und ich nickte. Tammi war eine tolle Ausbilderin, die die Reitstunde für die A-Dressur definitiv nicht brauchte. Reyna musste Caramel’s Hinterhand stärken und sollte bei der Ausführung der Übung darauf achten, dass die Stute mit einem Fleiß dahinter blieb und auf die Korrekte Biegung sollte sie einen Augenmerk legen. Sie sollte zu den Ecken der Reithalle hin eine Volte reiten und somit dann kehrt machen. “Später kannst du die Volten auch enger reiten, damit sie noch mehr Last auf die Hinterhand aufnehmen kann in der Wendung, so wird sie dann gezwungen mehr unter zu treten. Nachdem wir nun aufgewärmt waren, sollten alle ein wenig galoppieren, Vriska mit Flyma jedoch nicht, denn so weit war sie noch nicht, dafür reagierte sie am Schenkel noch nicht so, wie wir es wollten. Ich wollte, dass meine Schüler im Außengalopp zulegten und die Kraft dann wieder einfingen. Die Reihenfolge war wie folgt: Lavendeltanz, Caramel Touch und zu guter Letzt Alfred’s Nobelpreis. Es sollte darauf geachtet werden, die Hand so wenig wie möglich zu nutzen und das ganze mit dem Sitz zu steuern. So ritten die drei im gemäßigten Galopp und nahmen wieder mehr Last auf die Hinterhand auf. “Merkst du wie die Rückenmuskulatur arbeitet?”, fragte ich Brooke, die nickte. “So soll das aussehen!” Nobel hingegen wurde wieder zu hektisch, hatte Mühe überhaupt in den Galopp zu kommen. “Gib ihm stärkere Galopphilfen, er darf nicht so rennen im Trab, ansonsten versammel ihn kurz vorher und gib kurz nach dem Versammeln direkt die Galopphilfe.” Auch das wurde besser. Nachdem wir die meisten Baustellen mit ein paar Übungen abgearbeitet hatten und ich weitere Übungen empfiehl, wanden wir uns den Lektionen der A-Dressur zu.

      Tamara| Da die Halle zu gefüllt war, arbeitete ich mit Didga auf dem Reitplatz. Es war zwar bitterkalt und die Wolken hingen tief, sodass man denken konnte, heute würde es noch schneien, aber Deutschland war dann doch nicht so auf Schnee aus, eher auf Kälte. Ich machte Didga also ordentlich warm im Schritt und im Trab bevor wir uns an die Lektionen der A-Dressur heranarbeiteten. Das meiste konnte Didga schon, wir perfektionierten nur noch die Tempis im Galopp und Trab und die Kehrtwendung auf der Vorhand, dann würde die erste A-Dressur klappen.

      Nathan| Die Schüler hatten sich gut gemacht und ich konnte sie mit ein paar Übungen guten Gewissens entlassen. Mit Vriska hatte ich noch ein paar Worte gewechselt und sie gefragt, ob sie mit Flyma nicht noch ein-zwei Wochen hier trainieren wollten, sodass sie auf dem selben Stand der anderen war und sie hatte eingewilligt

      © Sosox3 // 5256 Zeichen
    • Mohikanerin
      Midsommerfest | 17. Februar 2021

      Alfred’s Nobelpreis | Outer Space | Friedensstifter | Vintage | Wunderkind | Rainbeth | Schneesturm | Fly me to the Moon | Lotti Boulevard | Nachtschatten | Lu’lu’a
      Willa | Krít | Middle Ages | Bree | Þögn


      Während Vriska sich ihre Zeit in Kanada vertreibt, geht das Leben am Hof in Schweden natürlich weiter. Da mein Chef aktuell keine genauen Anweisung bezüglich der Pferde gegeben hat, sondern wir anhand des Wetters agieren sollen. Wie jeder Morgen beginnt der Tag um 5:30 Uhr, Hedda schläft noch. Als erstes werden alle Pferde mit Heu versorgt. Bei den Stutenpaddocks schiebe ich einen neuen Ballen in den Gang und verteile es an den Stangen. Neugierige Blicke gucken mich an und beginnen am Futter zu knuspern. Im Hengststall hingegen kommt mir nervöses Gewiehre entgegen. Nobel macht Terror und scheint seinen Kumpel Alfi in die Schranken weist. Als ich dazu gehe, hört er auf.
      “Nochmal glück gehabt”, sage ich zu ihm und streiche über seine Stirn. Dann schiebe ich das Heu die Box und mache mit der Fütterung der anderen Pferde weiter.
      Als die Pferde sind, begebe ich mich zum Mitarbeiterraum und unterhalte mich mit den Anderen, wer was heute machen möchte.
      Ein Name auf der Pferdeliste fällt mir besonders auf - Friedensstifter. Die Gute steht seit fast einem Jahr bei uns und hatte nun genug Zeit sich einzugewöhnen. Sie kennt bereits das Gebiss und war schon etliche Male in der Führanlage, ab und an auch mal mit dem Sattel. Doch damit ist nun schluss. Noch sind 18 Grad Celsius, sodass wir auf den Reitplatz gehen können. Vorher muss ich sie allerdings erst einmal holen. Dafür suche ich in der Sattelkammer nach ihrem Halfter, was jedoch nicht die leichteste Aufgabe ist bei der Unordnung. Ich sollte mal aufräumen, murmle ich vor mich her und werde fündig. Tyrell hatte für den Scherz der Stute ein pinkes Halfter bestellt, dass noch immer aussieht wie neu, natürlich. Gelassen folgt mir die Stute an den Anbinder, der sich nicht weit vom Paddock befindet, dort putze ich sie entspannt und lege ihr den Longiergurt um, zur Hilfe hole ich das Kappzaum sowie die Doppellonge. Das wird heute etwas neues für sie. Als erstes befestige ich einen Teil der Doppellonge am mittleren Ring des Kappzaums und den anderen behalte ich in der Hand, um sie erst mal etwas warm laufen zu lassen. Fried haben wir über meinen alten Arbeitgeber übernommen, der in ihr nicht das Potential als Rennpferd gesehen. Doch wir sehen in der aufmerksamen Stute einen guten Freund, der vermutlich in der Dresser gute Chancen hat. Eigentlich wollte Vriska mit ihr arbeiten, jedoch erscheint das mir schwierig, wenn sie nicht da ist. Bei dem ersten Trab des heutigen Tages, merke ich, dass sie auf der linken Hand deutliche Probleme hat, unter zu treten.
      Nachdem ich durch einige Übungen sie elastischer machen konnte, scheint aber noch immer nicht alles gut zu sein. Das Training mit beiden Teilen der Doppellonge empfand sie am Anfang als komisch, hatte sich jedoch nach einigen Runden an die beiden Schnüre gewöhnt. Am Anbinder untersuche ich vorsichtig ihren Rücken und auch die Rippen, sowie die Muskulatur der Hinterhand. Ich bemerke, dass sie rechts an den Flanken eine Beule hat, die aber nicht neu sein zu scheint. Wenn ich Fried an der Stelle berühre, dreht sie sich hektisch beiseite. Es scheint ihr sogar weh zu tun, da könnte ich mich auch nicht richtig Biegen. Ich entscheide sie morgen nochmal genauer zu untersuchen. Sie bekommt noch etwas Schwarzhafer mit Vitamin E Zusatz.
      Ich gucke auf die Uhr, es ist mittlerweile schon 9 Uhr und langsam wird es wärmer, deswegen entscheide ich mich dazu, mir Hedda zu schnappen und einmal raus zu fahren, um die Zuchtstuten zu kontrollieren, bei der Bree, Willa, Krít und Middle Ages trächtig sind für 2021. Þögn hat leider nicht aufgenommen, dennoch wollte Bruce, dass sie hier bleibt und eventuell von Glymur nochmal gedeckt wird. Neugierig kommen die Stuten zum Zaun getrabt. “Na Mädls”, begrüße ich die Stuten und werfe einige Stückchen Möhren auf die Weide. Gespannt laufen alle zu einem und genießen die kleine Leckerei. Hedda klettern bereits auf die Weide und läuft zu den Ponys. Sie beginnt schon mit der Untersuchung an Willa, während ich mich erstmal mit Bree beschäftige, die Vorn etwas lahm erscheint. An der Sehne ist eine Schwellung, die durch einen Tritt gekommen sein wird. Vorsichtig taste ich ihre Fessel ab, bis auf die kleine Schwellung kann ich nicht sehen. Ich werde das beobachten. Bei den anderen Pferden erscheint alles gut zu sein, auch unsere neue Stute Middle Ages macht sich gut in der Gruppe.
      Den Tag über kann ich nicht viel machen, widme mich also der chaotischen Sattelkammer der Stute. Meine Schwester hilft mir dabei. Als erstes räumen wir alles geordnet vor die Kammer und Hedda putzt das Sattelzeug, während ich die Kammer ausfege und die Schrauben erneuere, die etwas locker in der Wand hängen. Tyrell und kommt zu uns, um etwas Wasser zu bringen.
      Am Abend entscheide ich mich dafür, Vintage in den Aquatrainer zu stellen. Alfi, Nobel und Wunder können sich etwas in der Führanlage auspowern. Die drei Hengste sind im Moment besonders energiegeladen, sodass wir nicht mit ihnen unter dem Sattel arbeiten können. Besonders Alfi, der sonst immer sehr lieb ist, verhält sich garstig, sobald er den Sattel sieht. Während die Hengste beschäftigt sind, Hedda auf Vintage im Aquqtrainer aufpasst, beginne ich die Stuten auf die Weide zu bringen. Ich hole Betti, Schnee und Fried als erstes, um sie auf die Weide zu bringen. Aktuell stehen die Stuten auf der Weide neben der Bugalows, so kann ich aus meinem Küchenfenster gucken und die Pferde beobachten. Nächste Wochen kommen sie auf die Weide daneben, weil an den ersten Stellen schon die Grasnarbe angegriffen ist. Im Trab rennen die Stuten los und scheinen sich ersichtlich zu freuen, dass sie auf der Weide sind. Der letzte Schwung ist Lotti, Nacht und Flyma, die bereits nervös auf und ab laufen am Zaun. Ich legen auch den Dreien ein Halfter um und laufe zur Weide. Immer wieder möchte Nachtschatten antraben und macht es mir nicht unbedingt leicht, alle entspannt raus zu bringen. Immer wieder bleibe ich mit ihr stehen, damit sie gebremst wird. Auf den letzten Metern ist sie gelassen und wie auch die anderen Pferde, traben sie erleichtert auf der Weide. Kurz gucke ich noch, ob es Spannungen gibt, was nicht der Fall ist.
      Also nehme ich die Hengste, die nun noch auf ihre Weiden können. Vintage steht schon auf seiner Weide, weil Hedda ihn dort bereits dort hingebracht hat. So nehme ich mir als nächstes Wunderkind, Nobel und Alfi, die seperat gestellt werden. Nun stehen auch die vier Hengste draußen.

      Fortsetzung folgt ...

      © Mohikanerin // Folke Wallström // 6440 Zeichen
      zeitliche Einordnung {August 2020}
    • Mohikanerin
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      Rennen E zu A | 27. Februar 2021

      Alfred's Nobelpreis | Rainbeth | Outer Space | Schneesturm

      Wenige Wochen zuvor traf ich Folke mit seiner Schwester Hedda in Stockholm, als sie einkaufen waren. 2019 hatte er unseren Hof verlassen, um seinen Horizont zu erweitern und im Leben weiterzukommen. Heute ist einer meiner freien Tage, daher ich mir das Gestüt, primär die Pferde auf dem Lindö Dalen Stuteri anzuschauen.
      Die Einfahrt des Hofes ist nicht zu verfehlen. An der Straße, die sich mitten im Wald befindet, ist gut beschildert. Langsam folge ich dem Weg durch eine Allee von jungen Birken, die vermutlich erst vor einem Jahr gepflanzt wurden. Rechts scheint eine Herde von Zuchtstuten zu sein, da einige der Pferde ein Fohlen beifuß haben. Endlich scheine ich am Hof angekommen zu sein. Doch wo ist der Parkplatz? Während ich noch am Überlegen bin, ob ich links oder rechts abbiegen solle, kommt jemand auf mich zu.
      “Godmorgon!”, begrüße ich den Herrn, der zur Fahrertür tritt.
      “Guten Morgen. Suchst du was Bestimmtes?”, fragt er freundlich. Ich nicke zustimmend.
      “Folke suche ich.”, antworte ich kurz.
      Als Erstes zeigt der Herr mir den Parkplatz und im weiteren Verlauf gehen wir in den Stall, in dem Folke mit den Pferden beschäftigt ist. Ich bedanke mich bei ihm.
      “Was machst du hier?”, wundert sich Folke.
      “Ach, ich wollte mir deinen neuen Arbeitsplatz anschauen.”, erwidere ich.
      Gemeinsam sitzen wir in der Reithalle, in der sich der Aufenthaltsraum befindet. Mein ehemaliger Arbeitskollege erzählt mir von den Problemen, die er mit einigen Pferde hat. Outer Space, einer der Hengste soll im Gelände immer mal wieder Momente haben, in dem sein Kopf abschaltet. Er erschrickt sich und galoppiert los, ohne sich bremsen zu lassen. Solche Situationen sind besonders gefährlich, wenn er zurück zur Rennbahn soll. Der andere Hengst, Alfred’s Nobelpreis, ist sehr temperamentvoll und in dem Fall ebenfalls unkontrollierbar. Demgegenüber reagiert er zuverlässig auf den Menschen und im Umgang verhält Nobel sich äußerst dominant. Bei den Stuten gibt es ebenfalls zwei Problemfälle. Das sind Schneesturm und Rainbeth. Erstere wird nicht primär gefahren, aber soll in der nächsten Feriensaison bei den Rundfahrten teilnehmen. Sie empfindet den Sulky als störend, aber akzeptiert diesen. Betti jedoch fehlt es deutlich an der Balance und versucht durch schnelles Tempo es auszugleichen. Sie ignoriert den Zügel, lernt auswendig und sucht persistent den leichtesten Weg, um etwas nicht tun zu müssen.
      Bevor ich helfen kann, besprechen Folke und ich es mit seinem Chef, Tyrell, der begeistert ist von der Idee, dass ich sein Bereiter mal näher unter die Lupe nehme und dabei unterstütze, die Pferde zu trainieren. Bei meinen eigenen Pferden steht niemand auf dem Plan, deswegen kann ich direkt mit Folke und Outer Space beginnen. Im Stall holt er den Schimmel Hengst von seinem Paddock. Im ersten Moment fällt mir auf, dass seine Hüfte deutlich nach links kippt und er dabei das Knie verdreht. Folke bindet ihn an und beginnt ihn zu putzen. Auch dabei zeigt Alfi deutlich, dass er Schmerzen hat. Nervös schlägt er mit seinem Schweif und versucht sich mittels drehen dem zu entziehen.
      “Folke, vänta!”, stoppe ich ihn und tritt einige Schritte vom Pferd zurück. Offenbar hat er jetzt erst bemerkt, dass mit dem Hengst etwas nicht stimmt. Alfi schnaubt ab und beschnuppert freundlich meine Hand, als ich ihm ein Leckerchen vor die Nase halte. Am Hals beginnend, massiere ich langsam den Mähnenkamm und arbeite mich langsam zur Kruppe vor. Dort ist ein kleiner Buckel zu erkennen, den er aber laut Aussage von Folke schon immer hat. Erst als ich die schiefe Hüfte anspreche, fällt ihm das auch auf. Zum Glück ist mein Auto wie die Handtasche einer Frau – voll mit allem was Mann braucht. Ich komme zurück mit dem grünen Theraband, dass mir dabei helfen soll, die Hüfte wieder einzurenken. Beim Laufen fiel nicht auf. Das Abtasten brachte mich darauf, dass das Hüftgelenk nicht mehr an der richtigen Stelle sitzt. Ein 9-jähriges Pferd mit so einem Schaden möglicherweise auf kurz oder lang zum Beisteller werden. Zum Glück haben wir das rechtzeitig bemerkt und ich kann nun mit etwas Krafteinwirkung das Gelenk in seine Pfanne schieben. Begleitet mit einem Knirschen, springt Outer Space nach Vorne und Folke macht im letzten Moment einen Schritt beiseite. Der Hengst benötigt etwas Zeit, um sich neu zu sortieren, doch es fällt eine positive Veränderung auf. Seine Hüfte sieht besser aus und es scheint nun noch an der Muskulatur zu fehlen. Zur Lockerung bringen wir ihn in die Führanlage in der er 20 Minuten Schritt laufen soll.
      Betti steht als Nächstes auf dem Plan. Für mich scheint auch dieses Pferd ein körperliches Problem zu haben. Folke erzählt auf den Weg zum Paddock, dass sie ursprünglich geschlachtet werden sollte. Eine ältere Dame aus dem Dorf wusste von dem Potenzial der Stute. Sie entschied nachzufragen und wenig später kam Rainbeth. Der Hengst, der zusammen mit ihr zum Hof kam, wurde bereits verkauft. Im Vergleich zu den anderen Pferden kommt sie nicht, um uns zu begrüßen. Bei einem Schritt auf sie zu legt Betti die Ohren an und versucht nach mir zu schnappen. Direkt reagiere ich mit einem Klaps auf ihr Maul. Schockiert reißt Betti den Kopf hoch. Gemeinsam gehen wir zum Stall und im Schritt bemerke ich bei ihr keinerlei Einschränkungen. Das Abtasten zeigt wenigen Wassereinlagerungen, die mit einer Anpassung ihres Speiseplans verschwinden können. Folke legt den Sattel der Stute auf ihren Rücken. Ich bin positiv überrascht. Der Sattel passt der Stute hervorragend. Es bilden sich keine Brücken, er kippt weder nach Vorne noch nach Hinten und sitzt auf zwischen dem 15 und 16 Brustwirbel. Folke hält ihren Kopf und ich taste die ersten Backenzähne ab. Betti legt die Ohren an.
      “Betti sollte zum Zahnarzt. Auf der linken Seite fühle ich einige Spitzen, das erklärt, wieso sie den Zügel ignoriert.”, erkläre ich Folke nach der Untersuchung. Dennoch entscheiden wir sie, an den Sulky zu hängen. Nervös tanzt sie von links nach rechts, als Folke ihr den Gurt auf legen möchte. Zusammen gucken wir uns diesen an. Die Poster drücken ihr im Bereich des Widerristes und durch das Pad verstärkt es diesen Druck. In der Sattelkammer gucken wir nach einem anderen Modell.
      “Es überrascht mich, dass Betti so schön heute gelaufen ist. Du hast ein Händchen für Problempferde.”, berichtet mir Folke, als wir wieder am Hof sind. Während des Trainings habe ich ihm einige Tipps gegeben. Der Scheck ist eine große Hilfe für sie, abseits dessen ist das Ziel, dass Betti ohne diesen gefahren werden kann. Zusammen stellen wir ihren Futterplan um und lassen sie genüsslich fressen. Hedda, Folkes Schwester, hat Outer Space bereits in die Paddockbox zurückgebracht. Zur Kontrolle gucke ich mir sein Gangbild erneut an. Sein Knie verdreht der Hengst weiterhin, aber die Hüfte wirkt elastischer.
      Auch Nobelpreis habe vor der Fahrt auf der Trainingsbahn untersucht. Bisher wurde er mit einem doppelt gebrochenen Gebiss gefahren, allerdings ist das mittlere Stück deutlich zu groß für sein schmales Maul. In der Sattelkammer fanden wir keins, dass ihm passt. Wer hätte es gedacht? Dieser Hof besitzt einen Hofladen in dem Pferdezubehör vertrieben wird. Neben einem anderen Gebiss für Nobel, habe ich mehrere Gebisse und Schabracken für meinen Hof gekauft. Mein Auto erinnert stark an eine Messiewohnung, obwohl in meinen Augen eine gute Ordnung herrscht. Die Zwillinge liebe es neue Sachen zu entdecken und verbringe teilweise Stunden am Hof damit, das Chaos zu durchsuchen.
      Bevor ich dabei helfe, die Pferde auf die Weiden zu bringen, holen Folke und ich Schneesturm in den Stall. Sie wirkt beunruhigt. Natürlich möchte sie mit auf die Weide, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Der Hof gigantisch, das fällt jedem auf, die Anzahl der Pferde ist jedoch gering. Kurz spiele ich mit dem Gedanken einige Pferde von uns herzubringen.
      Als ich Snow betrachte, wird mir klar, wieso sie mit zu den Problemfällen gehören soll. Die Stute hat lange Beine, sehr lange Beine und einen recht kurzen Rücken im Vergleich. Anatomisch hat sie nicht als das perfekte Rennpferd geboren. Mir kommen wieder die Worte von Folke in den Kopf. Die Stute soll keine Rennen laufen, sie soll nur entspannt am Sulky gehen für die Rundfahrten. Dafür kontrolliere ich das Geschirr und Folke kommt mit dem gleichen Gurt an, den Betti vorhin nicht passte.
      “Am besten packst du das Ding so weit wie möglich weg, dass den keiner mehr auf den Rücken eines Pferdes packt!”, schimpfe ich. Beleidigt schnaubt er und bringt das Ding weg. Wenig später kommt Folke mit einem Gurt noch in Folie.
      “Den haben wir für Jungpferde geholt, die noch wirklich schmal sind”, erklärt er mir. Ich nicke zustimmend und nehme den Gurt entgegen. Dieser hat keine Polster aber ein sehr breites weiches Pad. Das sollte passen. Sanft lege ich es auf ihren Rücken. Es liegt perfekt, auch der Bauchgurt sitzt in einer guten Position. Der Rest ist kein Problem, auch den Scheck befestigen wir nicht. Auf der Bahn ist Schneesturm sicher und aufmerksam. Zur Abwechslung entscheiden wir, ein leichtes Intervalltraining zu machen mit dem Blick auf Ausdauer.
      “Ich werde mich auf den Rückweg machen.”, sage ich am Hof zu Folke, nach dem wir Snow auf die Weide gebracht haben.
      “Kommst du wieder?”
      “Vermisst du mich jetzt schon?”
      “Natürlich, wie soll ich allein einschlafen?”
      “Na gut, ich spreche mit Pappa, dann könnten wir morgen oder so weiter machen mit Nobel, Betti im Speziellen Alfi.”, antworte ich. Eigentlich hatte ich mit meiner Frau ausgemacht vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein. Im Auto zeigt die Uhr: 21:04 Uhr und draußen ist es fast dunkel. Auf dem Handy lese ich Acht Anrufe in Abwesenheit.

      Für das Training mit Nobelpreis und Alfi kann ich leider nur ein weiteres Mal zum Lindö Dalen Stuteri fahren, da es an unseren Hof einige Probleme gibt. Zur Überbrückung entscheiden wir uns zu einer anderen Trainingsmethode. In einem abgesprochenen Zeitraum schickt Folke Video und Fotos der vier Pferde.
      Besonders interessant ist die Entwicklung von Alfi. Innerhalb weniger Wochen ist seine Kruppe beinah in der Waage. Eorann hat mit ihm viel vom Boden aus gearbeitet, was ihm offensichtlich sehr viel Spaß macht.

      © Sosox3 // Mads Henrik Göransson // 10.180 Zeichen
    • Mohikanerin
      Nationalteam Teil III | 28. Februar 2021

      Checkpoint // Oline // Caja // Windrose
      HMJ Divine // LMR Fashiongirl // LMR Royal Champion // British Gold // Vakany // Rumkugel // Miss Grisella Braun


      Jace
      “So,genug gequatscht”, unterbrach ich die Vorstelllungsrunde, als Girly ein wenig anfing zu tänzeln. “Wer hat Lust auf ein kleines Wettrennen?”, fragte ich und lenkte die braune Stute auf eine Wiese die sich neben dem Weg erstreckte. Aus der Gruppe gab es von den meisten Zustimmung. Ich ließ Girly weiterhin im Schritt, bis alle auf der Wiese waren. “Na, dann zeigt mal was ihr so drauf habt”, rief ich und ließ die Zügel meiner Stute lang. Sofort schoss sie los und gab Vollgas. Für einen Moment waren wir an der Spitze. Doch die anderen besonders Mika mit Champ holten relativ schnell auf.

      Niklas
      “Ich muss leider passen, hab schließlich einen Gast auf dem Pferd”, sage ich Jace ab.
      “Aber ich kann doch auch … “, fängt Milena an.
      “Nein, alles gut”, flüstere ich ihr zu.
      Wir trennen uns von der Gruppe, Ju folgt uns.
      “Kommt noch jemand mit uns?”, fragt er. Alle verneinen und wir machen uns zu dritt durch den Wald. Wo wir genau lang können oder nicht, weiß ich allerdings auch nicht so recht.
      “Wieso macht ihr nicht mit?”, ruft mein Bruder mir nach.
      “Weil unsere Pferde was Wert sind im Vergleich zu euren”, rufe ich zurück. Was er darauf antwortet, kann ich nicht mehr verstehen.
      Nach ungefähr einer Stunde sind wir endlich am Hof zurück.

      Hannes
      Ob das nen Dreier im Busch wird, dachte ich im Stillen, als Niklas, Milena und Ju davonritten, allerdings musste ich mich wieder auf Checkers konzentrieren, da er ein ordentliches Tempo vorlegte und schnaubend an Royal Champion mit Mika anschloss, der mich schelmisch angrinste. Darya sah etwas verloren aus, kein Wunder eine Dressurprinzession auf einem Springgaul, so ein Tempo war sie gar nicht gewöhnt, lachte ich in mich hinein. Allerdings schien der Schein zu trüben, denn in null komma nichts stritt sie mit mir, Mika und Jace um den ersten Platz. Sie drehte sich einmal kurz nach Ambrose um, der auf British Gold entspannt hinterhertrottete und ich nutze den Moment der Unaufmerksamkeit und drängte mich frech vor sie.

      Jace
      Zusammen mit Mika und Hannes erreichte ich den Rand der Wiese. “Gar nicht so schlecht”, sagte ich anerkennend zu den anderen, während ich Girly wieder in den Schritt brachte. Wir warteten auf Ambrose, bevor wir unsere Tour fortsetzen. “Was reitet ihr eigentlich für Disziplinen”, fragte ich den Rest der Truppe interessiert. “Ich komme ja eigentlich aus dem Fahrsport, bin aber inzwischen in der Vielseitigkeit Zuhause”, führte ich aus.

      Ambrose
      “Warum muss bei euch immer alles so hektisch sein, können wir nicht einmal chillen und es langsam angehen?”, drückte ich zwischen tiefen Luftzügen raus und tätschelte British, die wahrscheinlich gern noch schneller gelaufen würde, den Hals und pariere sie durch. “Ach cool, ja ich fühle mich auch im Eventing zu Hause”, antwortete Mika auf Jace’ Frage. Als auch ich wieder zu Luft gekommen war, sprach ich für Dasha und mich, “Wir beide mögen es eher gemütlich und diszipliniert, wir sind die Dressurcracks, natürlich nicht auf Droge oder so.”

      Vriska
      Offenbar war ich am Zaun auf der Weide eingeschlafen. Unsanft weckt mit Niklas, der zusammen mit Milena auf Smoothie sitzt.
      „Na du Schlafmütze. Ohne richtige Männlichkeit findest du wohl nicht in den Schlaf“, scherzt er. Milena steigt ab und führt Snúra in die Stallung. Auch Ju mit Amnesia folgt ihr. Nur der hochnäsige steht noch da und betrachtet mich.
      „Ich dachte, du wolltest netter sein. Vor zwei Tagen hast du dich noch bei mir entschuldigt“, merke ich provokant an.
      „Dann verzeihen Sie mir, min älskade (meine Liebste)“, sagt er und verbeugt sich.
      „Nicht mal im Traum“, entgegne ich entschlossen und möchte aufstehen. Doch durch die Überbelastung der anderen Schulter, schaffe ich nicht die nötige Kraft aufzubauen um mich hochzudrücken.
      „Komm‘ ich helfe dir“, sagt Niklas plötzlich vollkommen freundlich, lässt seine Stute an Ort und Stelle stehen, kommt zu mir und greift mir vorsichtig unter die Arme.
      „Tack, aber wäre nicht nötig gewesen“, bedanke ich mich. Plötzlich steht er sehr nah vor mir, erst jetzt begreife ich, wie groß der Kerl eigentlich ist. Für einen Moment gucken wir uns ganz tief in die Augen, eh ich einen Schritt zurück setze um dieser unangenehmen Situation zu entfliehen. Zum Glück ruft ihn Milena in dem Moment: „Wo bleibst du? Ist dein Pferd betoniert oder was?“
      „Tack“, bedanke ich mich erneut und laufe zu meiner Hütte. Ich komme mir warnsinnig schnell vor, doch selbst eine Schnecke könnte mich gerade überholen. Wo ist eigentlich der Rest Gruppe, überlege ich, doch verschwende keinen weiteren Gedanken mehr an die.

      Jace
      “Ich glaube wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen”, sagte ich zu der Truppe und wendete die Stute. Da der Weg durch den Wald deutlich kürzer war, schlug ich diesen Weg ein. Nach ungefähr einer halben Stunde hatten wir den Hof wieder erreicht. “So, da wären wir wieder”, sagte ich und schwang mich von meinem Pferd.”Ihr seid echt cool drauf. Hat echt Spaß gemacht mit euch”. Ich begann die Stute abzusatteln und hängte die nasse Schabracke in die Sonne.

      Darya
      Nachdem uns Jace über den kürzesten Weg wieder zurück zum Gestüt brachte, begannen wir die Pferde abzusatteln, um sie anschließend wieder auf die Weide zu bringen. Eigentlich wollte ich mich nochmal bei Miss Montrose bedanken, aber sie war gerade nicht in Sichtweite. Stattgdessen widmete ich mich wieder Vakany, die heute ganz wundervoll war. Mika riss mich aus den Tagträumen, “Min älskade” (meine Liebste) und umarmte mich von hinten und schlang seine Arme um mich, wobei er mich kurz kitzelte und mir ein grelles Kichern entwich. Er küsste mich sanft auf den Hals, als ich hörte, dass noch jemand den Stalltrakt betrat, drehte ich mich panisch und etwas peinlich berührt um. Es waren Milena, Niklas und Vriska, die uns etwas verwirrt anschauten, aber nur lächelten und sich den Kommentar verkniffen. Flüchtig drückte ich Mika einen Kuss auf die Wange und brachte endlich die hübsche Stute weg. Ambrose schien schon wieder auf Weibersuche zu sein.

      Lina
      Inzwischen war der Ausflug zum Wasser mit Aleen beendet und die beiden Pferde standen wieder glücklich auf der Koppel. Die Anderen waren vom Ausritt zurückgekehrt. Auf dem Weg zurück von den Koppel zum Stall begegnete ich Vriska, die sich furchtbar langsam in Richtung Hof bewegte. “Vriska, kann man dir irgendwie helfen?”, fragte ich sie, als ich sie eingeholt hatte, was bei ihrem Tempo nicht sonderlich schwierig war.

      Vriska
      “Nein, alles gut. Niklas hat mir gerade schon hochgeholfen”, erzähle ich.
      “Obwohl … Ich hab hunger, denkst du ich kann noch was vom Frühstück bekommen?”, füge ich hinzu.

      Lina
      “Vom Frühstück eher nicht mehr. Hast du mal auf die Uhr geschaut”, sagte ich lachend. “Aber ich weiß, wo ein Kühlschrank, voll mit Essen steht”, sagte ich und deutet Richtung Mitarbeiterunterbringungen.

      Vriska
      “Das wäre richtig Knorke”, antworte ich lachend und zusammen gehen wir zur Unterbringung.
      “Kommt keiner”, flüstere ich ihr zu, während Lina für mich etwas Reis von gestern rausholt. Zusammen laufen wir in mein Zimmer, in dem ich den Reis in der Mikrowelle noch mal warm mache. In meinem Kopf schwebt schon wieder der kurze Moment, in dem Niklas so extrem dicht vor mir stand. Es schien, als hätte er irgendwelche Zeichen gesendet. Vermutlich bilde ich mir das aber auch nur ein. Einbildung. Alles nur Einbildung. Ich atme Tief ein und wieder aus. Ganz ruhig. Er ist nur das kleine reiche verwöhnte Kind aus der Nachbarschaft, dass direkt heult, wenn er was nicht haben kann. Schon allein aus diesem Grund kann der Typ mich kreuzweise. Meine Hände formen sich zu einer geballten Faust voller Wut. Ich bemerke wie Lina mich beobachtet, als würden meine Augen die Gedanken an die Wand projizieren. In mir schreit alles, es ist so laut, dass ich es nicht mehr trage. Ich schreie, nun wirklich.

      Lina
      “Alles Ok”, fragte ich etwas perplex. Doch Vriska wütet einfach weiter. “Egal, warum du dich so fühlst lass es einfach raus”. Ich konnte sie nur zu gut verstehen. Ich hätte Jace gestern gerne selbst zerfetzt, doch leider hatte Alec mich davon Abgehalten. Vermutlich war es besser so. Somit saß ich einfach nur da und beobachte Vriska.

      Ambrose
      All die Turteltäubchen hier kotzten mich dermaßen an, dass erstmal kurz etwas Luft brauchte und über den Hof spazierte, doch schon an der nächsten Ecke traf ich auf ein Girl, EMilia glaube ich. Untervögelt war ich ja schon dachte ich im Stillen und ging bewusst auf sie zu. “Hej Hübsche”, begrüßte ich sie etwas provokant. Sie lachte und winkte sofort ab. Aha hard to get also, weshalb ich mich so dicht vor sie stellte, dass sie verwundert nach hinten stolperte und ich sie geradezu auffangen musste - Plan hat funktioniert. Sie schaute verlegen zur Seite, aber bedankte sich trotzdem. “Vielleicht nochmal von vorn, ich bin Ambrose und du gefällst mir.”, sagte ich wieder etwas zu forsch. “Du siehst aber auch nicht schlecht aus.”, gab sie zu, während sie immer noch in meinen Armen hing und sich langsam aufrappelte . “Hi, ähm Emilia, also Emi, hab schon viel von dir gehört.”, erwiderte sie nun etwas selbstsicherer. Warum auch immer musste ich lachen und fragte Emi anschließend, ob sie noch etwas mit mir machen wollte vor dem Training.

      Vriska
      „Mehr oder weniger okay. In meinem Körper ist Krieg. Es schreit in mir, es schmerzt, aber ich weiß nicht was das ist.“, murmle ich teilweise etwas undeutlich vor mich her.
      „Ich erzähle dir mal was. Erst seit 2,5 Jahren reite ich. Vorher war ich ein typisches Stadtkind, jedes Wochenende bin ich mit meiner Clique feiern gegangen in diversen Clubs in London. Und natürlich gab es nicht nur Alkoholexzesse. Je mehr ich genommen habe, umso weniger ich selbst. Doch genau darauf war ich auf. Meine Mutter musste mich oft von der Polizei abholen, weil ich mal wieder in irgendeiner Gasse herum lag. Trotzdem war sie mir nie böse, vermutlich, weil meine kleine Schwester das sonst mitbekommen hätte. Mein Vater kenne ich nicht persönlich, aber ihm gehört eins der größten Finanzunternehmen in England. Zu meinem 18. Geburtstag hat er mich zu sich in die Firma eingeladen. An mehr erinnere ich mich nicht, nur das Mama mich am nächsten Tag aus dem Krankenhaus abholen musste. Sie hat auch die folgenden zwei Jahre alles versucht um mich aus dem Umfeld heraus zu bekommen. Der letzte Schritt war, dass ich mit meiner Schwester zu meiner Tante nach Deutschland gehe über die Sommerferien. Tante Eva hat ein Pferd - einen Isländer. Natürlich sollte ich mich als Erziehungsmaßnahme um dieses Pferd kümmern. Zu dem Zeitpunkt waren Pferde für mich einfach nur dreckig und ich hatte Angst. Doch Bruce und Tyrell haben mich dabei unterstützt. Im Anschluss bin ich bei Eva geblieben und jetzt sitze ich hier. Die Gedanken, die ich damals in London hatte, waren genau die gleichen, die ich jetzt habe.“, erzähle ich ihr offen. Meine Geschichte gehört zu mir und wenn jemand fragen würde, würde ich auch jeder Zeit die Story erzählen. Aber es fragt nie jemand. Es musste raus aus meinem Kopf. Wirklich.

      Lina
      “Wow. Das waren eine Menge Informationen”, sagte ich und musst einen Moment darüber nachdenken. Vriskas Geschichte, ist so anders als meine, aber auch wieder nicht. “Ich werde jetzt nicht sagen, dass ich weiß wie du dich fühlst, weil das nicht Wahr wäre. Aber ich kenne das Gefühl, wenn die Vergangenheit einen einholt”, sagte ich, um die Stille im Raum zu unterbrechen. Ich zögerte einen Moment, ob ich es ihre erzählen sollte. Immerhin hatte der letzte dem ich es erzählt hatte, sich von mir abgewandt. “naj…”, begann ich zögerlich. “... ich bin auch ohne Eltern aufgewachsen. Meine Mutter verließ mich und meine Geschwister als wir noch klein waren. Mein Vater hat uns dann bei unserer Tante abgestellt und ein neues Leben ohne uns angefangen. Wir hatten zwar noch Kontakt, aber nur sehr wenig, weil ich mich mit meinen Halbgeschwistern nie verstanden habe. Meine Tante hatte ein paar Kutschpferde. Naja und so verbrachten meine Schwester und ich jede frei Sekunde im Stall und natürlich ließen wir uns das auch nicht nehmen zu reiten. Ich kann sagen ich hatte eine gute Kindheit bis zu dem einen Tag an dem der Unfall passierte. Bei dem Unfall kamen meine Tante und mein Lieblingspferd ums Leben. Du musst wissen er war alles für mich. An dem Tag verlor ich alles, was ich hatte. Mein Vater wollte uns nicht. Er sorgte für das nötigste, aber da war keine Art von Beziehung. So verbrachte ich viel Zeit, bei Samu auf dem Hof seiner Eltern, bis ich zusammen mit ihm hierherkam. Naja und dann kam Divine der mich an all das Erinnerte”, erzählte ich. “Vermutlich fragst du dich jetzt, Warum erzählt sie mir das alles?. Die Antwort ist, ich weiß es, nicht”, endete ich. Seltsam irgendwie war es einfach aus mir rausgeflossen. Tja, scheint so, als hätten wir beide jemanden gebraucht, der einfach nur Zuhört. Ein seltsame Stimmung lag in der Luft.

      Mika
      Zurück von den Weiden schlenderte wir gemütlich zurück zum Hof, um uns dann zum Mittag im Speisesaal zu versammeln. Im Vergleich zu sonst waren wir mal nicht die letzten, obwohl ich mit “wir” diesmal auch nur mich und Dasha meinte, keine Ahnung wo sich Ambrose wieder umher trieb. Kurzerhand entschied ich mich für einen recht kleinen Tisch, Drama brauchte ich nicht beim Essen, und setzte mich hin und zog Dasha auf meinen Schoß solang noch keiner da war. Sie lehnte sich entspannt und auch etwas erschöpft zurück, sodass ich den Duft ihrer Haare aufsaugen konnte und erst jetzt merkte ich, wie müde ich auch war, Jetlag war nicht zu unterschätzen dachte ich. “Kleines Mittagsschläfchen bis zum Training nachher?”, flüsterte ich ihn ihr Ohr, sie nickte gähnend. Im selben Moment betraten Ambrose und ähh ich war mir nicht sicher wer sie war in den Saal, könnte Emilia sein. Die beiden strahlten wie Tschernobyl und ich hoffte sehr, dass sie keine Strohreste in der Unterwäsche hatten. “Na ihr Schlafmützen? Das hier ist Emilia, aber ihr kennt sie ja eigentlich.”, stellte er uns euphorisch vor, doch mehr als ein gutgemeintes Lächeln brachten wir nicht hervor. Nun nahmen auch die beiden am Tisch Platz und es war noch ein Platz übrig. Hannes, mit dem ich mir gerade den zweiten Platz des Rennens teilte, gesellte sich zu uns.

      Niklas
      Milena war ziemlich schnell zusammen mit Snúra aus dem Stall heraus. Wo sie sich herum trieb, wusste ich allerdings auch nicht mehr. Hoffentlich kommt sie gleich zum Essen, da alle anderen kaum noch was haben, habe ich einige von ihnen eingeladen bei uns zu essen. Ju sollte schon vor der Hütte im Freien einige Sitzgelegenheit errichtete. Meiner Stute Smoothie gebe ich zum Abschied noch einen Kuss auf die Stirn.
      Mein Weg zurück führt mich am Essenssaal vorbei, aus dem ich Stimmen wahrnehmen konnte.
      “Hannes? Du solltest doch wissen, dass es kein Mittagessen gibt.”, sage ich zu ihm und stehe in der Tür mit verschränkten Armen. Es dann sehe ich, dass Ambrose, Darya und Mika ebenfalls am Tisch sitzen. Einen Moment überlege ich, ob die Menge an Essen reicht.
      “Wenn ihr wollt, kommt mit. Ich koche gleich für so gut wie den ganzen Verein”, biete ich den anderen an und mache eine passende Armbewegung.

      Jace
      “Was macht ihr denn hier für eine Party?”, fragte ich die Gruppe, die sich im Essensaal versammelt hatte. “Hat euch keiner gesagt das es ihr euch selbst um euer Mittagessen kümmern müsst”, sagte ich grinsen. “Naja, ich gehe jetzt einkaufen, soll ich euch vielleicht etwas mitbringen”, bot ich an.

      Darya
      “Oh entschuldigung, das wussten wir nicht.”, stammelte ich peinlich berührt herum. Die Herren der Schöpfung waren mal wieder etwas lapidarer unterwegs und bettelten förmlich nach Essen, weshalb ich mich gezwungen sah noch einmal höflich zu antworten, “Das ist lieb Jace, Niklas hatte angeboten für uns zu kochen, wenn er noch etwas braucht, wären wir dir echt dankbar, wenn du uns was mitbringst.”. Ambrose mal wieder durch meine gute Erziehung belustigt lachte mich aus, was ihm aber einen bösen Blick von Mika einbrachte - die Genugtuung reicht mir. “Jace soll dich vielleicht jemand begleiten?”, fragte ich unschuldig noch.

      Jace
      “Na, wie siehts aus Nikals, braucht ihr noch was?”, wandte ich mich an den jungen Mann neben mir. “Wenn du so charmant fragst, sag ich nicht Nein”, antwortete ich dann Dasha auf ihre Frage.

      Niklas
      “Oh, dann kann ich ja was richtiges Kochen. Ich bräuchte drei Gläser Preiselbeeren und noch eine weitere Packung Pilze, welche ist egal.”, antworte ich erst mal und denke laut weiter: “Sahne müsste noch reichen, weitere Pilze habe ich bestellt, das Hack ist auch noch genug, Mehl ist in der Küche, Zitronensaft auch, Dill habe ich vorm Haus gesehen.” Ich überlege. “Ach ich bräuchte noch 2kg festkochende Kartoffeln”, sage ich. Aus meiner Tasche ziehe ich ein Bündel Geld und weiß nicht so genau, wie viel man beim Einkaufen bezahlt. 50 C$ sollten reichen und drücke Jace den roten Schein in die Hand. “Falls was übrig bleibt, kauf dir was schönes”, sage ich etwas flirty und lache.

      Jace
      “Natürlich, mein liebster”, antwortete ich säuselnd. “Also wer mit will, bitte folgen”, sagte ich noch und stiefelte lachend aus dem Raum. Jayden, der vorhin noch mal auf dem SMA war um Alec dort zu helfen, hatte das Auto freundlicherweise direkt auf dem Hof stehen lassen. Ich stieg schonmal in den schwarzen Jeep und warte auf meine Mitfahrer. “Wow, es sind ja gefühlte 100 Grad hier drin”, schimpfte ich ein wenig als ich mich auf dem Sitz niederließ und ließ die Fenster runterfahren.

      Ambrose
      “Dude wir kommen mit!”, rief ich Jace, der bereits kehrt gemacht hatte, hinterher. Emilia ließ ich um ehrlich zu sein etwas links liegen und eilte los und sah, dass Mika und Dasha mir folgten. “Ach wenn’s ums Essen geht ist er ganz vorn dabei!”, rief Mika mir zynisch zu. Ich lachte und zeigte ihm den Mittelfinger. Gemeinsam stiegen wir in den schwarzen Jeep und Jace zündete den Motor an. “Dude ich bin zwar schwarz, aber kochende Hitze feier ich jetzt nicht so. Schmeiß doch mal die Klimaanlage an!”, befahl ich Jace und boxte ihm lachend gegen die Schulter. “JA Gebieter”, gab er ironisch zurück und lachte ebenfalls. Obwohl die Fahrt zum Supermarkt nicht sonderlich lang war, schienen Dasha und Mika eingeschlafen zu sein; belustigt stupste ich Jace an und gestikulierte, dass er mal in den Rückspiegel schauen sollte. Bei der angenehmen Ruhe im Auto ließ ich mein Blick über die Landschaft schweifen, die sogar ziemlich ähnlich zu Schwedens war. “Wirklich wundervoll”, murmelte ich schläfrig, bis mir schließlich auch die Augen zu fielen.

      Niklas
      Während Jace für mich die restlichen Zutaten holt, bereite ich in der Küche die Füllungen vor. Als erstes schneide ich ungefähr 1 kg Zwiebeln, damit ich das Hack sowie die Pilze darin anbraten kann. Die Pilze schneide ich dafür ebenfalls klein und packe die in eine andere kleine Schüssel.
      “Ju?”, rufe ich nach draußen, wo er bereits mit Chris sitzt und sich unterhält.
      “Ja?”, antwortet er wenig später.
      “Kannst du mir bitte Dill, Petersilie und Majoran reinbringen”, frage ich ihn.
      In der Zeit hole ich das Hackfleisch aus dem Kühlschrank und lege es in eine große Schüssel. Bevor ich ein Ei, die Gewürze und Brötchenreste hinzufüge, wasche ich noch einmal die Hände. Dann kommt auch schon mein bester Freund in die Küche und legt mir die gewünschten Kräuter hin, ich bedanke mich und er geht wieder raus zu den Anderen. Also schneide ich noch die die Petersilie und den Majoran klein, werfe es mit zum Hackfleisch. Dann schlage ich das Ei dazu, füge die Brötchenkrümel hinzu und die Gewürze wie Salz und Pfeffer. Natürlich darf der Senf nicht fehlen. Nun kann ich kneten. Aus der Masse forme ich kleine Bällchen, die im ersten Moment eher an Köttbullar erinnern aber keine werden. Für Kroppkakor habe ich von meinem Opa ein eigenes Rezept gelernt. Dafür erhitze ich eine große Pfanne mit Olivenöl auf dem Gasherd. Während die Pfanne heiß wird, mache ich mit der vegetarischen Füllung weiter. Die nächste Pfanne steht bereits auf auf dem Herd und ist warm. Ich schmeiße eine große Handvoll Zwiebeln in das Öl. “shite (Mist)”, rufe ich durch den Raum, als das heiße Öl an meine Hand spritzt. Außerdem habe ich den Knoblauch vergessen zu schneiden. Also halte ich kurz die Hand unter kaltes Wasser, trockne sie ab und nehme den Knoblauch aus dem Kühlschrank. In Lichtgeschwindigkeit ist der Knoblauch kleingeschnitten und ich nehme einen Esslöffel Knoblauch, werfe ihn mit zu den Zwiebeln. Für einige Minuten lasse ich die Zwiebeln glasig werden und tue die kleingeschnittenen Pilze dazu.
      “Lieferservices”, sagt Jace und kommt rein.
      “Oh danke! Genau im richtigen Moment”, antworte ich ihm und nehme die Lebensmittel entgegen. Als er den Raum wieder verlassen hat, kommt Anna. Auf sie hätte ich wirklich verzichten können.
      “Brauchst du noch Hilfe?”, fragt sie. Ich nicke und stelle ihr die Packung Kartoffeln hin.
      “Die müssen alle geschält werden”, kommentiere ich und hole aus der Schublade einen Kartoffelschäler. Ohne was zu sagen, fängt sie an die Kartoffeln zu schälen. Ich schneide die restlichen Pilze und packe alle zusammen in die Pfanne. Nachdem sie schön braun gebraten sind, nehme ich einige Löffel dieser heraus und wollte sie mit zum Hack machen. Erst dann bemerke ich meinen Fehler. Ich habe bereits die Bällchen gemacht, obwohl die Pilze und Zwiebeln fehlen. Genervt werde ich alle wieder in die Schüssel und knete erneut alles durch. Ich prüfe noch einmal, ob wirklich alles drin ist. Diesmal ja.
      “Warum hast du mit Milena geschlafen?”, reißt mich Anna aus meinem Flow.
      “Weil ich Lust hatte, betrunken war und es verlockend war”, antworte ich ihr, ohne sie anzugucken. Dabei drücke ich in der Schüssel voller Hackfleisch herum.
      “Also liebst du mich nicht?”, fragt sie. Ich überlege. Soll ich ehrlich sein? Für mich ist Liebe ein großes Wort, mit viel Bedeutung. Je öfter man es sagt, desto weniger bedeutet es. Anna ist noch zu Jung, um das wirklich nachvollziehen zu können.
      “Doch”, antworte ich kurz und lege die fertigen Bällchen in die heiße Pfanne. Ich brate sie scharf an und nehme sie wieder heraus.
      Nach einer Überlegungspause antwortet sie mir: “Warum guckst du mich dann nicht an?”
      “Förlåt, men jag är upptagen. (Sorry, ich bin beschäftigt)”, fahre ich sie an. Dann gucke ich doch zu ihr. Sie legt den Schäler beiseite, steht auf und geht nach draußen zu den Anderen. Endlich kann ich in Ruhe weiter machen. Die Pfannen nehme ich alle vom Herd und stelle den Topf voller Kartoffeln darauf, dass sie kochen können.
      “Ju, ich geh’ duschen. Kannst du zwischen durch nach den Kartoffeln gucken?”, rufe ich ihm zu und gehe ins Bad.

      Jace
      Nachdem ich mit meiner sehr hilfreichen Begleitung vom Einkaufen zurück war und wohlgemerkt alleine, die Einkäufe zu Niklas brachte, weil die Schlafmützen noch pennen, kehrte ich zum Auto zurück. “Wir sind zurück, ihr Schlafmützen”, rief ich und riss die Autotür auf. Keine Reaktion von den Insassen. “Uff, wie können die bei den Temperaturen nur Pennen”, murmelte ich. Ich habe da schon eine Idee. Ich ließ die Tür offen und ging zu den anderen vor dem Haus. “Wer von euch hat denn, Lust den Schlafmützen da drüben eine kleine Abkühlung zu verschaffen”, sagte ich und deutete auf das Auto.

      Hannes
      Jace, der gerade vom EInkauf zurückgekehrt war, schlug vor die Neuankömmlinge anständig aufzuwecken. Meine Idee mit Eimern auf sie zu schütten, war nicht sonderlich schlau, da sie nach wie vor im Jeep saßen. “Hat jemand Wasserpistolen?”, fragte ich in die Runde und erntete ordentlich Gelächter, “Rich kids ey, das macht man mit nem Wasserschlauch!”, “Nimm doch Pistole aus deiner Hose!” kam lachend zurück. Jace deutete auf einen Schlauch in der Ecke, den ich übermütig zum Auto zog, leise den anderen ein Zeichen gab den Wasserhahn aufzudrehen. Das Wasser schoss geradezu aus dem Schlauch, sodass ich ihn fest packen musste, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Aus dem Auto ertönten quietschende und erschrockene Töne und die drei sprangen wie angestochen in die Luft und fingen danach an heftig zu gackern. Ambrose und Mika rannten auf mich zu und hoben mich hoch, während Dasha den Schlauch griff und mich ordentlich einseiften. Nun kamen auch die anderen mit Wassereimern dazu und wir lieferten uns eine legendäre Wasserschlacht. So viel Spaß hatte ich nie in meiner Kindheit…
      Niklas
      Die Dusche tat gut. Nicht nur, dass es draußen furchtbar warm ist, koche ich zusätzlich ein ziemlich deftiges Gericht. Die Kartoffeln waren mittlerweile fertig und Ju hatte sie schon abgegossen sowie abgeschreckt. Mit nur einem Handtuch am Leib stehe ich in der Küche und stampfe die Kartoffeln mithilfe eines Kartoffelstampfers. In die Masse gebe ich zwei Eier, etwas Muskat und Salz. Auch das Mehl darf nicht fehlen. Ich forme zwei ungefähr gleichgroße Rollen und schneide sie jeweils in 12 Scheiben. Darin drücke ich mit meinem Daumen ein Loch, lege entweder ein Fleischbällchen oder etwas … Mist. Ich habe vergessen, die Pilzfüllung fertig zu machen. Da ich für die Soße eh noch mal die Pfannen erhitzen muss, kommen die Pilze zurück ihre Pfanne. Aus dem Kühlschrank nehme ich den Gorgonzola und schneide ihn so gut es geht in würfel, die mit in die Pfanne kommen. Nach dem der Käse geschmolzen ist, nehme ich sie runter und befülle weiter die Kartoffelklöße. Den Topf mit Wasser habe ich erneut aufgesetzt, um dort die Klöße ziehen zu lassen. Damit ich sie unterscheiden kann, haben die mit Fleisch Kräuter in der Kartoffelhülle. Sie müssen noch mal 20 Minuten ziehen, sodass ich in Ruhe die Soße zubereiten kann. Doch als erstes muss ich die Preiselbeer Beilage machen.
      “Und wie weit bist du?”, fragt mich Ju, der fast Liebevoll mit seinen Händen an der Hüfte anfasst und mir über die Schulter ins Ohr flüstert.
      “20 Minuten noch”, antworte ich lachend. Er lässt mich natürlich direkt wieder los und stellt sich neben mich.
      “Willst du dir nicht mal was anziehen?”
      “Es ist so warm draußen. Gefällt dir mein Handtuchrock etwa nicht? Soll ich für meinen Liebsten ein anderes Outfit wählen?”
      Wir lachen und blödeln einige Minuten weiter herum. Ich nehme mir seinen Rat zu Herzen und ziehe mir eine Unterhose sowie Kurze Hose drüber.
      “T-Shirt ziehe ich trotzdem nicht an”, rufe ich Ju zu, der das Essen beobachtet.
      “Mach’ was du willst. Aber nicht das ich wegen dir noch meine sexuelle Gesinnung ändere”, antwortet er schelmisch.
      Die Klöße sind fertig, die Preiselbeermasse mit etwas Rotwein und Vanille mittlerweile abgekühlt und die Soße mit Sahne, etwas Mehl und Milch angedickt in dem Sud aus den Fleischbällchen. Zusammen mit meinem Kumpel servieren wir das Gericht.
      “Essen ist fertig.”, rufen wir raus.
      “Was das”, fragt jemand.
      “Kroppkakor.”

      Jace
      Nass, kamen wir rübergelaufen, sobald Niklas verkündete, dass das Essen fertig ist. “Das sieht ja grandios aus”, lobte ich Niklas. “Wo hast du so kochen gelernt?”, fragte ich ihn. “Warte bis du es probiert hast bevor du urteilst”, kam es von einem der Jungs frech. “Ey, Jace du Faulpelz”, kam es von Jayden der gerade aus dem Stall trat. “Denk dran, du bist heute dran das Wasserfass auf der Sommerkoppel aufzufüllen. Viel ist nicht mehr drin. Und abäppeln musst du auch noch”, sagte er während es rüber kam. “Jaja, keine Sorge das mach ich gleich noch. Jetzt komm her und chill erstmal n bisschen”, erwiderte ich. Jayden setzte sich seufzend und betrachte das was Inzwischen auf dem Tisch stand. “Wer von euch kann denn so gut kochen?”, fragte er etwas verwundert.

      Niklas
      “Mein Opa hat mir beigebracht zu kochen .. und unsere Hausdame, die sonst für uns kocht. Man könnte behaupten, dass es eins meiner kleineren Hobbys ist neben der Pferde.”, erzählte ich stolz. Dann wendete ich mich Jayden zu. “Ich habe natürlich gekocht. Das ist Kroppkakor ein schwedisches Kartoffelklöße Gericht mit einigen Veränderung meinerseits. Die mit den Kräutern haben eine Fleischfüllung und die ohne sind mit einer Pilz-Gorgonzola Füllung. Dazu serviert eine Sahnesoße und Preiselbeeren”, erkläre ich ihm.
      “Wenn du willst, nimm dir auch einen Teller. Es ist genug für alle da”, füge ich noch hinzu. Von weiten sehe ich auch Lina und Vriska anschleichen.

      Lina
      “Der hat mir heute noch gefehlt”, mumelte ich vor mich hin. Nachdem unangenehme Stille im Zimmer geherrscht hatte, hatte Vriska vorgeschlagen, mal zu sehen, was die anderen so machen. Wo sie waren, war nicht sonderlich schwierig herauszufinden, denn sie unterhielten sich lautstark über Niklas tolle Kochkünste. Ich versuchte einen Platz möglich weit Weg von Jace zu finden, was sich aber als relativ schwierig gestaltet, da er natürlich in der Mitte des Tisches saß. Die einzigen freien Plätze waren zwischen Ju und Niklas, direkt gegenüber von Jace. Etwas hilflos sah ich mich nach einer Alternative um.

      Niklas
      “Willkommen in der Runde”, begrüße ich die beiden Mädchen, die dazu kommen. Vriska knurrt mich nur an.
      “Keiner hat dich gezwungen hierher zu kommen”, zische ich sie an. Ich sehe wie sie mich von unten nach oben mustert.
      “Wenn du mit kommst, kannst du gern noch mehr sehen”, sage ich schelmisch zu ihr.
      “Ich verzichte, danke.”, winkt sie ab.
      “Wollt’ ihr was essen?”, biete ich einen Moment später an. Keine Antwort also gehe ich zurück zu Ju, aber auch sie nehmen den Weg dorthin. Ich bemerke, dass Lina sich schwer tut, sich mit an den Tisch zu setzen. An Ju scheint es wohl nicht zu liegen, der hat eigentlich keinen Stress mit irgendwen, also kann es nur Jace sein. Vorsichtig ziehe ich sie zur Seite und flüstere ihr zu: “Soll ich den woanders hinbringen?” In meinem Ton schwingt etwas ernsthaftes mit und kann mir auch nicht erklären, wieso mir das gerade so wichtig erscheint.

      Lina
      Ich sah Niklas einen Moment verwirrt an, bevor ich registrierte, dass er mir eine Frage gestellt hatte. “Ich fürchte, wenn du ihn nicht auf den Mond schießen kannst, kannst du mir leider nicht helfen”, antwortete ich ihn leicht zynisch. Ich hatte durchaus gemerkt, dass er mir ernsthaft helfen wollte. Bisher hatte ich, gedacht er, sei genauso hoffnungsvoll in sich selbst verliebt wie Jace, doch scheinbar musste ich diesen Gedanken nochmal überdenken. Niklas schien immerhin ein Fünkchen Empathie zu besitzen, im Gegensatz zu Jace, der dämlich grinsend mit den anderen Jungs rum scherzte.

      Niklas
      “Dabei kann ich leider nicht helfen, soweit ist Elon noch nicht Menschen im Weltall auszusetzen”, antworte ich lachend. Sehr wohl habe ich seit dem ersten Abend mitbekommen, dass da was im argen ist.
      “Jace, komm’ mal bitte. Hilf mir mal beim Aufräumen”, rufe ich den Kerl zu mir. Die Mädchen nehmen sich einen kleinen Teller mit etwas vom Essen und können nun in Ruhe essen. Doch in mir herrscht eine Ruhe ein und will unbedingt wissen, was los ist.
      “Du sag mal. Was stimmt den bei euch Beiden nicht? Ihr seid ihr zusammen auf einem tollen Hof und geht einander ziemlich aus dem Weg. Das ist doch keine gute Atmosphäre. Pferde nehmen das war und das tut niemanden gut”, sage ich ernst zu ihm.
      Ich muss wieder an Opa denken, der vor einigen Jahren verstorben ist, dem immer wichtig war, dass am Hof eine gewisse Freundlichkeit herrscht. Natürlich muss man sich nicht um den Hals fallen, aber der Respekt sollte vorhanden sein.

      Lina
      “Danke”, mumelte ich noch Niklas zu, bevor ich mich an den Tisch setzte. Ein wenig erleichtert, das ich zu mindesten Jace nicht ertragen muss. Das essen schmeckte einfach fantastisch und erst jetzt bemerkte ich wie riesig mein Hunger eigentlich war.So schaufelte ich fröhlich mein Essen in mich rein.

      Jace
      In der Küche angekommen, stellte mir Niklas eine Frage, die so ähnlich vor ein paar Tagen schon mal gehört hatte. Sofort verschlug es mir meine Gute Laune. “Naja… mmm… Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht so ganz sicher”, druckste ich herum. “Jonathan Cristopher Sherwood, wer hat dir eigentlich ins Hirn geschissen”, hörte ich die Stimme meines besten Freundes in meinem Kopf. Alec war weitaus unentspannter gewesen als Niklas jetzt gerade und er hatte mich auch am Leben gelassen, also beschloss ich es zu erzählen.“Ok….Ich fasse es mal kurz. Eigentlich dachte ich Lina hätte mich gefriendzoned, dann war auch eine ganze Weile alles gut zwischen uns… Naja und dann hab ich vor ein paar Tagen vergessen da ich ihr mit Divine helfen wollte. Und was an euren ersten Abend passiert ist, weißt du ja.” Erzählte ich zögerlich. “Und seitdem geht sie mir aus dem Weg”, endete ich. Das Blut war mir in die Wangen geschossen. Sehr konzentriert wischte ich an der Pfanne rum. Irgendwie war es mir Mega unangenehm, dass es Scheinbar auch den anderen auffiel, das etwas zwischen mit und Lina nicht stimmte.

      Mika
      Gegen Niklas kann man sagen was man will, aber kochen und reiten kann der Kerl vom feinsten, er zauberte eine meiner Lieblingsspeisen Kroppkakor. Da wir pitschnass waren, zog ich das triefende T-Shirt aus und hängte es in die Sonne, viele der anderen taten es mir gleich, was vielen Mädels der Runde gefiel, Dasha guckte mich schockiert an und zog dann provokant auch ihr Shirt aus und mir fiel fast die Kinnlade runter. Ich war froh, dass sie so einen ollen cockblocker Sportbh anhatte, der ihre Boobies, die mir gehörten, gut verdeckte. Beeindruckt griff ich ihren Teller und meinen und befüllte beide mit sowohl vegetarischen, als auch normalen Klößen. Mein Magen knurrte und ich schaufelte mir viel zu große Bissen in den Mund, sodass meine Backen prall gefüllt waren. Niklas schaute mich grinsend an und neckte mich, “Na Hamsterbäckchen schmeckt’s?”. Da ich nicht in der Lage war zu sprechen, hielt ich nur einen Daumen nach oben, es war wirklich verdammt lecker. “Er möchte sagen es schmeckt ihm hervorragend, es ist eine seiner Lieblingsspeisen.”, antworteten Dasha und Ambrose im Chor und verfielen ins Lachen. Ich verdrehte die Augen, die beiden kannten mich wohl doch zu gut. Zu meinem Erstaunen drehte sich Dasha weg und widmete sich der Gruppe um Ju, Lina und Vriska, wie mutig sie doch auf einmal war, solang Ju seine Finger bei sich behält, machte mir das auch nichts aus, denn es war wichtig, dass sie neue Freunde fand, sonst war ich immer der Einzige mit Ambrose, der für sie da war.

      Darya
      “Hej, sorry ich wollte euch nicht unterbrechen, aber ich würde euch auch gern ein bisschen kennenlernen.”, sagte ich etwas verlegen. Lina, die etwas abwesend schien bedankte mich sofort mit einem Lächeln und lud mich sozusagen in die Gruppe ein, während Vriska einfach still dasaß. “Vriska und Lina ihr macht doch beim diesjährigen HMJ mit oder? Hab das über Social Media etwas verfolgt, Divine ist ja wirklich ein Prachtstück”, versuchte ich ins Gespräch zu kommen.

      Lina
      “Danke, das war ja auch ein Haufen Arbeit”, bedankte ich mich bei Dasha. “Wenn du möchtest, kannst du ihr später kennenlernen”, bot ich ihr an und sie nickte zustimmend. “Tatsächlich war sein Training bis es ans Reiten ging relativ unkompliziert”, begann ich fröhlich vor mich hinzuplappern. Über Divine könnte ich stundenlang reden.

      Darya
      “Oh ich würde gern mehr über das Training hören!”, sprudelte es förmlich aus mir heraus, “also natürlich wenn die anderen nichts dagegen haben.”, fügte ich fix hinzu. Ju musste kurz lachen über meine wahrscheinlich etwas zu korrekte Art. “Interessiert dich denn etwas bestimmtes, weil ansonsten sitzen wir wahrscheinlich noch morgen hier?”, fragte sie daraufhin lachend. “Naja eigentlich alles, aber um es genauer zu machen, vielleicht in welcher Richtung ihr unterwegs seid und wo du mit ihm vielleicht mal hin möchtest? Wie ihr die Mähne so lang und dick bekommen habt, würde mich auch sehr interessieren, Winnies kurze Fusseln sehen leider nicht so schön aus.”, plapperte ich weiter.

      Lina
      “Aktuell sind wir sehr viel Ausreiten. Denn der kleine Mann bewegt sich in Hallen oder auf Reitplätzen nur sehr spärlich, oder wenn ein zweites Pferd dabei ist. Ansonsten versuche ich aktuell herauszufinden wie ich ihn auch in der Halle reiten kann. Mein Ziel ist es eigentlich ein Vielseitigkeitspferd aus ihm zu machen. Ich habe nämlich selten ein Pferd erlebt, was so zuverlässig überall hingeht”, erzählte ich . “Naja, das mit der Mähne hat viel Zeit und Liebe benötigt. Einerseits hat uns unter Tierarzt mehrere Nährstoffmängel festgestellt. Und dann ist er auch noch Ekzemer. Zum Glück nicht so krass. Naja, wegen seinem Ekzem wird er ein bis zweimal die Woche gewaschen und seitdem wir das fleißig machen, wächst die, Mähne. Vielleicht solltest du bei Winnie mal eine Blutanalyse machen lassen”,riet ich Dasha

      Darya
      “Danke für den Tipp! Ich habe sie auch noch nicht lange, sollte ich wirklich mal in Betracht ziehen.”, bedankte ich mich bei Lina und unterhielt mich noch ein bisschen mit ihr über Divine.

      Niklas
      Kurz musste ich nachdenken, weil ich zwar verstand, was er mir da gesagt hat aber irgendwas muss noch fehlen.
      “Schwierig”, fing ich an.
      “Viele Möglichkeiten hast du nicht, es ist zumindest einfacher für euch Beide, wenn ihr nichts miteinander habt. Sollte nämlich das dann enden, wird es noch schlimmer. Am Hofen haben wir dafür eigentlich eine Regel, ein Quasi jeder kann jeden wann er will. Nur … Anna hat das noch nicht so wirklich geschnallt, entweder man teilt sich Gegenseitig oder man lässt es. Sonst gibt es nur Stress”, erzähle ich ihm dann. Jetzt wo ich es ausspreche klingt es ziemlich makaber, als wären wir eine Sekte. Doch wir haben alle das gleiche Ziel, also müssen wir gemeinsam daran arbeiten.

      Vriska
      Gespannt folgte ich dem Gespräch, aber wirklich konnte ich nichts dazu beitragen. Innerlich zog es mich irgendwie zu Niklas, doch das geht nicht. Dennoch richtete ich immer wieder mein Blick zur Hütte in der er ist mit Jace. Jetzt begreife ich erst, dass die sich darin unterhalten und ich bin total neugierig worum es da geht.
      “Lass dich nicht täuschen”, sagt Ju ruhig zu mir.
      “Wenn der was will, dann tut er alles dafür.”, fügt er noch hinzu.
      “Ja … nein. Alles gut”, lenke ich ab. Doch er scheint schon gemerkt zu haben, dass meine Blicke immer wieder zu seinem Oberkörper gehen.
      “Warte mal”, sagt er nun und zieht selbst sein Shirt aus.
      “So, jetzt kannst du zu mir gucken und dich nicht von einem Idioten kontrollieren lassen.”, lacht Ju.

      Jace
      Ich schwieg eine Weile. Es gab da nämlich einige Dinge, die im ihn nicht erzählt hatte.Nicht nur das Seine Regel klang als würde sie in eine Kommune leben, sondern auch, weil ich genau wusste, dass mich solche Regeln wieder zu jemandem machen würden, der ich nie wieder sein wollte. Als ich noch mit Alec in der Stadt wohnte, war ich ähnlich wie Niklas gewesen. Jedes Mädchen was ich haben wollte bekam ich eigentlich immer. S** bedeutet für mich nichts. Das und ein paar andere Dinge machte mich irgendwann zu einem gewissenlosen Arsch. Nicht nur den Mädels gegenüber, die ich verführte, sondern auch meinen Freunden gegenüber, bis ich niemanden mehr hatte außer Alec. Alec hatte auch nur zu mir gehalten, weil er zu der Zeit in mich verliebt war. Doch ich war natürlich zu dämlich, um das zu kapieren. Naja, irgendwann hat auch er mich im Stich gelassen. Naja, das er mich auch im Stich gelassen hatte war ich selber schuld, immerhin hatte ich seiner kleinen Schwester irgendwann das Herz gebrochen. Und dann hatte ich nichts mehr, keine Freunde, kein Zuhause, absolut gar nichts.”Naja, ich kann Anna verstehen, für manche ist S** halt mehr als nur ein körperliches Verlangen”, sagte ich nach einer Weile zögerlich. “Außerdem, … hat Lina mich nicht direkt gefriendzoned… sie hat um Zeit gebeten”, flüsterte ich schon fast. Ich ließ nicht viele hinter meine Fassade blicken, weshalb ich auch wenig echte Freunde hatte, denn durch irgendetwas hatte ich auch meisten diese vergrault. Umso mehr wunderte ich mich jetzt drüber, das ich hier in diese Küche stand und mit Niklas überhaupt über solche Dinge redete.

      Niklas
      “Na also, lass ihr Zeit. Aber deswegen muss man einander nicht ignorieren. Aus eigener Erfahrung heraus geht es ihr nur um das ganze Gefühlezeug, was sie gerade nicht gebrauchen kann. Sei normal zu ihr, als wäre sie eine gute Klassenkameradin. Am besten suchst du das Gespräch. Wenn du willst, kann ich das einleiten .. ich geh dann auch. Aber so ist nicht gut. Für ein Beide nicht.”, antworte ich mitfühlend und klopfe ihm auf die Schulter.

      Jace
      “Nein, schon gut. Ich schaff das schon selbst”, sagte ich zu ihm. Das Geschirr war inzwischen sauber, sodass ich den Raum verließ. Das Gespräch war mir unangenehm gewesen.
      Ich sah zu dem Platz, wo ich vorher gesessen hatte. Lina unterhielt sich angeregt mit Dasha und Ju hatte sich inzwischen auch das Shirt ausgezogen. “Ihr scheint ja Spaß zu haben”, sagte ich lachend an Ju und Vriska gewandt und setzte mich wieder dazu.

      Vriska
      “Ach, die Kleine kommt mit ihrem Blick von Nik nicht weg.”, sagt Ju zu Jace und deutet dabei auf seinen Körper.
      “Ha ha lustig.”, füge ich genervt hinzu und will aufstehen.
      “Du machst Situationen nicht besser, wenn du immer gehst.”, sagt Niklas der Jace offenbar gefolgt ist. Mit seiner einen Hand berührt er einen meinen Hals und wie unter Kontrolle setze ich mich wieder.
      “Geht doch”, antwortet er.
      “Wie sieht es eigentlich mit deiner Schulter aus, kannst du wieder reiten?”, fragt Ju.
      “Ich kann nicht mal richtig reiten, denke nicht, dass ich überhaupt aufs Pferd raufkomme”
      “Dann helf’ ich dir halt hoch”, kommentiert Niklas und legt seine Hand auf meinen Oberschenkel. Nervös gucke ich zu ihm, sage nichts und versuche auch nicht die Hand beiseite zu packen.
      “Wir können es gern probieren”
      “Na dann machen wir nachher das Training zusammen.”
      “Deal”, antworte ich Niklas.
      Ich bemerke jetzt erst, wie schockiert Ju und Lina zu mir gucken. Niklas hat immer noch sein Hand auf meinem Oberschenkel.

      Lina
      “Ähhh Vriska… du konntes vorhin nicht mal schnell als eine Schnecke gehen und willst auf ein Pferd steigen? Du bist sicher nicht auf deinen Kopf gefallen”, sagte ich und starrte sie weiterhin schockiert an. Und ganz ehrlich, Niklas war mir immer noch ein wenig suspekt. “Ju, sagt doch auch mal was”, sagte ich empört und boxte leicht gegen seinen Arm. “Au”, kam es nur von Ju und er rieb sich den Arm. “Vriska, das ist vollkommen verrückt!”, schloss ich aufgebracht an.

      Jace
      Etwas verwirrt, sah ich zwischen den beiden Parteien hin und her. “Ähhh….ich glaube, das solltest du nochmal überdenken, Vriska”, trug ich wenig hilfreich zum Gespräch bei. “Danke Jace, du bist ja doch für etwas gut”,kam es von Lina. Scheinbar war sie so perplex, dass sie wohl keine Zeit hatte mich zu hassen.

      Vriska
      Ich gucke ernst zu Ju und erwarte ihn bei meiner Idee.
      “Ähm … Eigentlich soll man sich nach dem Fall auf jeden Fall wieder auf’s Pferden setzen aber einen Tag später mit Schmerzen, halte ich auch nicht unbedingt für die beste Idee”, kommentiert er, was die Anderen auch gesagt haben.
      “Zum Glück kann ich Entscheidungen selbst treffen. Außerdem kann ich auch wieder Absteigen, wenns nicht geht”, verteidige ich meine Idee. Niklas hält sich aus der Diskussion heraus und rutscht mit einer Hand weiter rein. Sein Griff ist fest und in mir wird es warm. Ehrlich gesagt fühlt es sich gut an. Er hat es mir schon angetan.
      “Ich dachte wir wären Freunde”, schnaube mich meine eigentliche beste Freundin an. Niklas zieht ruckartig seine Hand von meinem Oberschenkel.
      “Warte”, rufe ich ihr nach, doch sie ist schon weg. Natürlich versuche ich ihr nachzugehen, doch schon das aufstehen funktioniert nicht so richtig.
      “Merkste selbst, wah?”, merkt Ju an und geht Milena nach. Abfällige Blicke kommen zu mir und Niklas von ihm, bevor er meiner Freundin nach geht.

      Lina
      “Ihr seit doch alle gleich”, schrie ich Jace und Niklas an. “Ihr denkt alle nur an das eine!”. Auf einmal war es gespenstisch ruhig, denn alle Gespräche am Tisch waren verstummt. Alle starrten zu uns rüber. Ich überlegte kurz, ob ich aufhören sollte, doch ich entschieden mich dagegen. “Habt ihr noch nie was von Gefühlen gehört, Ihr Steinzeitmenschen”, damit war mein Vortrag beendet und ich stapfte wütend davon.

      Jace
      Wow, so wütend habe ich Lina noch nie erlebt. Naja ein Vorteil hatte es, es hatte mich in meinem Verdacht bestätigt, was genau ich falsch gemachte hatte.
      “Das ist genau der Grund, warum wir solche dämlichen Regeln nicht haben”, zischte ich Niklas noch zu, bevor ich aufsprang und mich auf die Suche nach Lina machte. Ich rannte, als erstes in die Sattelkammer um nachzusehen, ob sie sich schon wieder ein Pferd geschnappt hatte um zu verschwinden.
      Alle Sättel waren da, die Trensen auch. Ich drehte mich um zu den Spinden. Alle zu, doch… aus Lina Spind lugte etwas vor. Die Tür des Spindes, war nicht ganz geschlossen, sodass
      ich ihn öffnete. Ein zusammengeknülltes Stück Papier purzelte mir entgegen.

      Vriska
      “Jetzt drehst du auch noch durch”, schreie ich Lina nach. Doch sieh dreht sich nicht mal um. Für mich ist nun auch der richtige Moment zu gehen, als Niklas das merkt, hilft er mir wieder. Ich bedanke mich und schleppe mich zum Zimmer. In meiner Tasche suche ich nach meiner Notfallschachtel.
      “Tack gode Gud (Gott sei dank)”, spreche ich mit mir selbst. Ich nehme die Schachtel, stecke auch noch das Feuerzeug in die Hosentasche und gehe nach draußen. Hektisch suche ich nach einem Platz zum Rauchen. Das Gras ist trocken und ich möchte natürlich nicht den Hof anzünden. Auf einem Tisch auf einem gepflastert Stück erblicke ich einen Aschenbecher und mache mich auf den Weg.
      Befreiend brennt meine Lunge. Ich huste.
      “Vielleicht solltest du aufhören”, sagt Milena und setzt sich zu mir. Ohne zu fragen, nimmt sie sich ebenfalls eine und zündet sie an.
      “Jag är verkligen ledsen, Milena. (Es tut mir wirklich leid)”, entschuldige ich mich bei meiner Freundin.
      “Ach alles gut. Ich hatte nur schlechte Laune. Wir haben alle unsere Bedürfnisse.”, antwortet sie und pustet den Rauch in die Luft.
      “Aber …”, versuche ich mich heraus zu reden, oder möchte die Situation erklären. Doch sie hat mich gar nicht danach gefragt.
      “Nichts aber, ich bin auch nicht besser. Komm’ mit zur Reithalle. Ich will mit Snúra etwas trainieren. Du bist jetzt meine Trainerin”, sagt sie und lacht. Nachdem wir aufgeraucht haben, geht Milena in ihr Zimmer und ich gehe schon mal in den Stall. Wenig später kommt sie mit der Isländer Stute in den Stall.
      “Es ist echt Warm, hoffentlich ist es kühl in der Halle”, merkt sie an und beginnt die Stute zu putzen.

      Jace
      “Lina?”, fragte ich und klopfte an ihrer Zimmertür. “Verpiss dich Jace”, kam die Antwort. “Ich muss mit dir reden”, sagte ich und öffnete die Tür. Prompt flog mir ein Buch entgegen.”Jace, raus”, kam es nochmal von Lina. “Lina, hör mir zu”, ich trat in das Zimmer und schloss die Tür hinter mir. “Ich weiß, ich war blöd”, begann ich. Sie stand am geöffneten Fenster und sah nach draußen. “Ich hätte nichts mit Abigail anfangen sollen und schon gar nicht hätte ich sie abfüllen und dann alleine lassen sollen es tut mir leid”,sagte ich. Mit Tränen in den Augen drehte sie sich zu mir um. Wütend blickte sie mich an. “Jace, du bist sie ein verdammter Idiot”, fauchte sie mich an. “Und ein Feigling bist du auch”, schrie sie weiter und boxte mir vor die Brust. Sie warf mir weitere Dinge an den Kopf und boxte weiter auf mich ein. Ich stand einfach nur da und ließ sie machen. Nach einer Weile hörte sie auf und weinte nur noch. Ich nahm sie in den Arm. “Es ist ok. du bist verdammt süß wenn du wütend bist”, schrezte ich. Ich war mir nicht sicher ob sie weinte oder lachte. “Und du ein verdammt süßer Idiot”, nuschelte sie kurz darauf und löste sich von mir. Plötzlich kam mir eine Idee. “Lina, was hältst du davon, wenn wir noch mal von vorne Anfangen. Ein Neustart sozusagen. Wir vergessen alles und beginnen ganz von vorn”, erläuterte ich meine Idee. “Das klingt nach einer verdammt guten Idee, sagte sie und hatte ein breites Lächeln im Gesicht. Ich verließ den Raum und schloss die Tür hinter mir. Kurz atmete ich durch, bevor ich an die Tür klopfte. “Herein”, kam es kichernd von der anderen Seite. “Hallo, ich bin Jace”

      Vriska
      “Na dann los”, sagt Milena zu mir und zusammen liefen wir in die Halle. Also ich schleppe mich her dorthin.
      “Setz’ dich erst mal”, schlägt sie und reicht mir einen Stuhl. Ich bedanke mich und beobachte die Beiden zunächst.
      “Versuche Snúra auch beim Warmreiten mehr auf die Hinterhand zu bringen. Auch das Warmreiten hat einen Effekt”, rufe ich ihr zu. Milena bremst die Stute, richtet sie einige Schritte rückwärts und reitet wieder an.
      “Viel Besser”, schmunzel ist. Weiter konzentriert sie sich auf ihr Pferd.
      Unbeachtet nehme ich mein Handy aus der Hosentasche und scrolle durch die Instagram Timeline. Nur langweilige Beiträge, bis ich ein Bild von Folke und seiner Freundin Eorann sehe. Bisher wusste ich nicht, wie sie aussieht. Doch nun ein Bild. Misstrauisch betrachte ich das Bild. Gern würde ich es liken, aber Tyrell meinte, dass ich mein Handy in der Tasche lasse. Also scrolle ich weiter. Da tauscht er schon auf mit Nobel.
      “Ach Zuschauer”, ertönt es von Milena. Erschrocken drehe ich mich um. Niklas und Ju stehen am Eingang.
      “Wollt ihr euch nicht mal was anziehen?”, sage ich zu den Beiden. Im Kontrast zu zwei halbnackten Kerle und ich mit Hoodie und Kapuze auf dem Kopf.
      “Vielleicht solltest du dich lieber mal ausziehen”, antwortet Niklas.
      “Das geht dich gar nichts an”, schnaubt Milena ihn an.
      “Jetzt lass die Kerle und tölte Snúra an. Achte darauf, dass sie nicht direkt los sprintet. Sie muss erst versammelt sein und die Hinterhand aktivieren”, rufe ich ihr zu. Über ihren Sitz bremst sie die Stute ab und baut mit den Hilfen mehr Kontakt auf. Dann töltet sie los.

      Lina
      “Hallo, Jace ich bin Lina”, antwortete ich den jungen Mann der in meiner Tür nach. “Verstehst du was von Pferden, Jace”, fragte ich ihn. “Na, klar ich bin der beste Pferdeflüsterer der Welt”, sagte er mit stolz aufgerichteter Brust. “Na, dann komm mal mit und ich Zeig dir mein Problem”, sagte ich und schlüpfte kichernd an ihm vorbei. “Ey, warte auf mich”, rief Jace mir nach und das spornte mich nur an schneller zu laufen. “Du musst wohl schneller werden, du lahme Ente”, rief ich ihm zu und rannte die Treppe nach unten.

      Milena
      “Hallo, hier bin ich”, rufe ich meiner Freundin zu, die schon wieder mit ihrem Handy beschäftigt ist.
      “Sorry”, antwortet sie abgelenkt. Ich bremse mit Snúra vor ist.
      “Du musst mir nicht helfen, aber ich dachte das könnte mir helfen, nach dem ich gestern so elendig verkackt habe”, erzähle ich ihr.
      “Wie du hast verkackt?”, fragt sie.
      “Ach ja, du warst ja in der Klinik. Wir hatten eine Prüfungssituation. Ich war unkonzentriert, Snúra nervös und dann kam das eine zum anderen und ich hab abgebrochen.”, erläutere ich kurz.
      “Okay, mach’ mal noch ein wenig mit ihr, dann wechseln wir das Pferd”, schlägt Vriska vor.
      “Wie, wir wechseln das Pferd?”, frage ich verdutzt.
      “Ich lasse einen der Kerle Glymur fertig machen und sollen den her bringen. Dann kannst du den Champ mal nehmen.”, erzählt sie.
      “Wie einer der Kerle”, kommentiert Niklas.
      “Los hop, ihr habt gehört was zu tun ist. Macht das Pferd fertig”, kommandiert sie herum. Ohne noch was zu sagen, gehen Niklas und Ju.
      “Na hoffentlich wird das was”, sage ich zu Vriska und lache. Mit Snúra tölte ich an.

      Jace
      Am Ende der Treppe hatte ich sie eingeholt. “Hab ich dich”, rief ich triumphierend und hielt sie fest. “Tja, du bist wohl doch keine lahme Ente”, kam eine freche Antwort. “Wo geht's hin?”, fragte ich neugierig. “MMM… du hast doch bestimmt vom HMJ gehört, oder?”, fragend sah sie mich an. “Naja, eins dieser Pferde steht hier auf dem Hof und ist zufälligerweise mein Schützling. Auf dem Weg dahin erzählte sie mir was sie mit Ivi die letzten Tage gemacht hatte. Bei dem Hengst angekommen, halfterte Lina ihn und dann ging es zurück zum Putzplatz. Friedfertig und brav trottete der Freiberger uns hinterher.

      Niklas
      “Oh Hallo, Wer seid ihr und was habt ihr mit Lina und Jace gemacht?”, scherze ich und binde Glymur an. Ju hat schon eine bürste geholt und putzt den Hengst.
      “So ein Pony ist schon seltsam”, kommentiert er.
      “Da hast du vollkommen recht.”, stimme ich ihm zu. Hektisch guckt uns der blauäugige an. Um nochmal zu prüfen, ob der Hengst wirklich geritten kann, überprüfe ich die Beine und die Reaktion der Muskulatur. Es scheint wirklich alles gut zu sein, doch als Ju den Sattel holt, springt er panisch Beiseite.
      “Ich glaube, dass wird nichts”, sagt er dazu.
      “Jetzt stell’ dich nicht so an, als würdest du Pferde überhaupt nicht kennen”, fauche ich ihn an und nehme ihm den Sattel ab. Vorsichtig gehe auf Glymur zu und streiche ihm mit einer Hand über den Kopf. Neugierig beschnuppert er den Sattel. Langsam nähere ich mich dem Rücken. Diesmal streiche ich ihm mit der Hand über den Rücke und lege meinen Arm ab. Zufrieden schnaubt er ab und lässt mich den Sattel ablegen. Bevor ich weiter mache, nehme ich den Sattel erneut ab und beginne von vorn, etwas schneller. Glymur ist vollkommen entspannt auch das schließen des Gurtes stellt kein Problem dar.
      “Jetzt doch mal die Trense”, weise ich Ju zusammen. Widerwillig geht er in die Sattelkammer und kommt zurück mit der Trense.
      “Tack”, sage ich und lege dem Hengst diese an. Zusammen gehen wir zurück zur Reithalle.
      “Dein Pferd hat ein Problem”, sage ich zu Vriska, die schon wieder am Handy ist. Ungezügelt nehme ich es ihr weg.
      “Ey”, beschwert sie sich.
      “Dein Pferd hat ein Problem”, wiederhole ich.
      “Was ist denn mit dem?”, fragt sie.
      “Er hatte Angst vor dem Sattel, aber ich hab’s jetzt erstmal regeln können.”, erkläre ich ihr. Milena ist noch mit Snúra beschäftigt, also beschließe ich Kurzerhand die Steigbügel auf meine Länge einzustellen und mich auf das Pony zu setzen.

      Lina
      Während Jace den weißen Hengst putzte, widmete ich mich seiner Mähne. Unter der dicken langen Mähne tendierte er bei diesem Wetter immer zu schwitzen. “So, Jace jetzt will ich dir mal unser Problem zeigen”, sagte ich und führte Ivi zur Aufstiegshilfe. Jace hielt mir freundlicherweise gegen, sodass ich aufsteigen konnte. “Hier draußen läuft er wunderbar”, sagte ich und drückte dem Hengst meine Schenkel gegen die Flanken. Ich ritt ihn bis zu Halle. “Tür frei bitte”, rief ich und bekam gleich ein “Ist Frei “, als Antwort. Ich durchschritt das Tor mit Divine. “Und hier drinnen, passiert das”, sagte ich. Brav ging Divine genau eine Runde außen rum, bevor er wie von Zauberhand auf der Mittellinie einparkte. “Und genau das passiert, jede einzelne Runde”, sagte ich resigniert. Aufmerksam beobachtete Divine die anderen Pferde und der Halle. Als Niklas mit den Isländer Hengst relativ nah an uns vorbei ritt, lief er von alleine los und lief perfekt neben Glymur her. “Ja, und da wären wir auch schon bei dem zweiten Problem”.

      Vriska
      Schon waren wir zu dritt in der Halle. Noch immer kann ich nicht fassen, dass er sich auf mein Pferd gesetzt hat, doch begreife warum er das tut. Sein Umgang mit den Tieren ist großartig und auch Milena bewundert ihn gerade dafür. Sie hat sich mit Snúra in die Mitte gestellt, da sie noch sehr unsicher mit zwei Hengsten in der Halle. Milena steigt ab und wartet, bis Nik das Pferd frei gibt. Mein erster Gedanke ist der Stallburschen Kalender, der bei in Schweden im Aufenthaltsraum hängt.
      “Nimm’ ihn nicht so eng. Der braucht seinen Freiraum”, rufe ich ihm zu. Natürlich diskutiert er nicht mal sondern wendet das gesagt an.

      Jace
      Divine zog sein üblichen Verhalten ab. “Niklas könntest du zu Demonstrationszwecken bitte mal ein paar Bahnfiguren reiten?”, bat ich den jungen Mann auf Glymur. Lina ließ demonstrativ die Zügel von Divine lang. Wie immer, blieb der weiße Hengst in perfektem Tempo neben dem anderen Pferd egal in welche Richtung es ging. Zirkel, Schlangenlinien, Handwechsel alles kein Problem. “So, hat einer von euch vielleicht eine Lösung dafür?”, fragte Lina. “Wir haben schon alles Mögliche versucht. Alleine in der Halle parkt er nach einer Runde und bewegt sich dann keinen Meter mehr. Ist ein anderes Pferd dabei klebt er an ihm und macht einen auf perfektes Quadrille Pferd, das ist zwar manchmal ganz cool, aber sehr unpraktisch, wenn man zukünftig Turniere reiten möchte”, ergänzte ich.

      Niklas
      “Dein Pferd hat Trennungsängste aus der Fohlenzeit”, sage ich kurz angebunden zu Lina, die neben mir her reitet. “Wenn du das wegbekommen willst, bleibt dir nur Bodenarbeit. Viel Bodenarbeit. Du musst mit sein Kopf umprogrammieren, aber nicht dass er sich dann auf dich fokussiert sondern auf die Arbeit. Also jedes mal, wenn er neben einem anderen Pferd ist, wendest du ab und trabst an. Nicht vorher, nicht danach, sondern genau daneben. Das Ziel ist, ihn positiv zu verstärken. Am besten verbindest du es mit Clickern.”, erkläre ich ihr trocken. Lina sagt nichts und hört gespannt zu. Also erkläre ich weiter: “Am besten übt ihr auf dem Platz. Eine Freundin stellt sich mit einem Pferd an den Rand. Erst am Boden, dann auch vom Sattel aus. Dann sollte das was werden. Aber überfordere ihn nicht, bestrafe ihn nicht. Das ist sein Fluchtinstinkt.”

      Lina
      “Klingt als würde das eine Menge Arbeit werden”, kommentierte ich Niklas Tipp. “Na, dann werden wir wohl mal üben gehen”, sagte ich und lenkte den Freiberger auf die Mittellinie. Irgendwie sahen Niklas und Glymur ziemlich gut zusammen aus. Ich war so abgelenkt, da ich vergaß abzusteigen. “Sieht der auf jedem Pferd so gut aus”, wollte ich eigentlich denken, doch scheinbar hatte ich es laut ausgesprochen. Denn von Milena und Vriska, bekam ich ein lautes Ja, als Antwort. Egal wie blöd ich ihm am Anfang fand, Ahnung von Pferden und vom reiten hatte er definitiv. “Lina, bis du da festgewachsen oder kommst du jetzt mal”, riss mich Jace aus meiner Faszination. “Noch nie nen Kerl auf nem Pferd gesehen oder was?”, kam es feixend von Ju.

      Darya
      In der Luft schwebte eine unangenehme Stille, alle waren entweder wütend oder entschuldigend weggerannt und nun saß ich hier etwas allein in der Runde und entschied mich wieder zu Mika und Ambrose zu gesellen. Emilia war mittlerweile dazugestoßen und saß provokant auf Ambrose‘ Schoß, der ihre Schenkel eng umfasste - wie schön dünn ihre Beine waren dachte ich und verglich sie mit meinen Kloppern und starrte sie dabei an, was sie natürlich merkte. „Ist was?“, fragte sie etwas verunsichert. „Nein nein alles gut, ich war grad bloß in Gedanken versunken, tut mir leid.“, gab ich beschämt zurück. Mika, der mich aus meiner unangenehmen Situation befreien wollte, zog mich auf seinen Schoß, er war immer noch nass, aber bei der Hitze war es ganz angenehm. „Jo wo sind denn eigentlich alle hin?“, fragte Ambrose, der anscheinend mal wieder nichts gecheckt hatte. Mika und ich lachten gemeinsam und schüttelten herablassend die Köpfe. „Wollen wir vielleicht mal in der Reithalle nachsehen?“, schlug ich nun vor. Emilia waren Gruppenangelegenheiten immer sehr zuwider, weshalb sie sich ins Zimmer verabschiedete, Ambrose schien einen Moment lang zu überlegen, ob er ihr folgen sollte, aber entschied sich dagegen und schloss sich uns an.
      In der Reithalle schien Hochbetrieb zu sein und Jace und Lina standen plötzlich mit Divine da, so konnte ich den schönen Hengst auch mal sehen, dachte ich. „Noch mehr Zuschauer.“, sagte Vriska, aber ich konnte nicht sagen, ob sie Genervt war, oder es ihr egal war. Ich fühlte mich etwas fehl am Platz und gab hektisch zurück, „Oh wir können auch wieder gehen, wir wollten nur gucken, wo …“. „Ach Püppchen entspannt dich mal, klar könnt ihr zugucken.“, unterbrach Niklas der da so oben ohne auf dem Pferd saß, er gab eine gute Figur mit dem Isländer ab, also nur reittechnisch natürlich.

      Lina
      Als nun noch mehr Leute die Halle betraten, stieg ich dann doch mal von meinem Pferd ab. “Wenn dir hier zu viel los ist, kannst du gerne mit mir kommen. Ich geh mit dem hübschen hier jetzt auf den Platz”, verkündete ich und stiefelte aus der Halle. Am liebsten wäre ich ja da geblieben und hätte Niklas weiter beim Reiten zu geschaut, doch jetzt forderte Divine erst mal meine Aufmerksamkeit. Vor dem Stall nahm ich Sattel und Trense ab und ließ Divine einfach so da stehen. Der würde eh nicht weggelaufen. In der Sattelkammer tauschte ich das Reitzeug gegen, ein Knotenhalfter und warte auf Jace, der ein weiters Pferd holen wollte.
      Kurz darauf kam Jace mit Rumkugel zurück und wir gingen zum Reitplatz.

      Alle am Hof kämpften mit den heißen Temperaturen, doch mittlerweile ist die Sonne untergangen. Eine romantische Stimmung liegt in der Luft. Bevor es zu Pferd geht, gibt es Abendessen. Spontan haben die Trainer beschlossen den Grill anzuheizen.

      Vriska
      „Heute Abend steht was besonderes an. Hoffentlich hat jeder von euch einen Partner gewählt, denn das Partnertraining steht an. Das besondere ist, dass ihr die Pferde tauscht. Es werden immer drei Paare gleichzeitig auf dem Platz im Flutlicht reiten. Doch bevor wir anfangen, könnt ihr euch stärken. Da es heute
      bestimmt etwas länger wird, ist morgen frei. Außerdem sollen die Temperaturen auf 32 Grad ansteigen. Und nun: Guten Appetit!“, sagt Herr Holm an. Unmotiviert betrachte ich den Grill. Nur Fleisch steht zur Auswahl, im Kartoffelsalat ist Ei und im Nudelsalat Mayonnaise. Ich wähle somit nur eine kleine Auswahl von Gurken und Mais. Spannend. Bei der Wahl meines Platzes ist die Auswahl genauso groß wie vom Essen. Entweder ich setze mich zu Max und Hannes, oder neben Niklas, der gerade mit Anna rum macht. Doch lieber das Pärchen als Max. Unauffällig setze ich mich an den Tisch und fange an die Gurken in meinen Mund.
      „Da passt sicher noch mehr herein“, kommentiert Niklas. Offenbar hat er mich doch bemerkt. Anna ignoriert mich.

      Lina
      Um mich etwas abzukühlen, war ich nach dem Training mit Divine erst mal Duschen gegangen. Somit kam ich jetzt beim Abendessen mit noch tropfenden Haaren an, was aber eigentlich angenehm kühl war. Mit meinem voll beladenen Teller machte ich mich dann auf die Suche nach einem Sitzplatz. Schließlich entdeckte ich Hannes, der zusammen mit Jace und ein paar anderen an einem großen Tisch saß. “Hey Jungs ist bei euch noch ein Plätzchen frei?”, fragte ich, bevor ich mich auf einen freien Stuhl setzte. “Na, eigentlich war das ja mein Platz”, beschwerte sich einer der Jungs. “Sei ein Gentleman Chris und hol dir einen neuen Stuhl”, bekam er sogleich von den anderen zu hören.

      Ambrose
      Mittlerweile hatten wir uns alle beim Abendbrot versammelt und ich hatte für unsere Dreier Clique ein lausches Plätzchen zwischen den anderen gefunden. „Jo Männers, wir haben noch keine Partner, lässt dich da ne entspannte Lösung finden.“, fragte ich in die Runde und sofort meldete sich Anna, die Niklas einen Todesblick schenkte und mich dann anschließend charmant anlächelte und sagte „Ich mach mit dir, mein Pferd ist glaube ich nicht so entspannt wie deins, das wird interessant.“. Na super Beziehungsstress, da ist ja so gar nicht meins. Anschließend fragte Ju, ob Dasha mit ihm ein Team bilden wollte, wobei sich Mika sofort dafür einsetzte, dass er zeitgleich mit den beiden auf dem Platz sein wollte. „Alles gut, sie gehört zu dir, aber ich dachte sie würde gern mal Amnesia reiten.“, besänftigte Ju ihn entspannt. Er schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. „Und mit wem mach ich jetzt?“, fragte Mika nun gekünstelt beleidigt. Gerade in diesem Moment lief Samu mit Jayden an uns vorbei und wendete sich uns zu. „Wenn du magst, machen wir. Briar soll auch mal neue Reiter kennenlernen.“, schlug er freundlich vor, sodass Mika nur zustimmen konnte und mit ihm einschlug. Jetzt wo alles geklärt war verschlang ich gierig das geile Gegrillte Zeugs, also das Essen in Kanada lässt nichts zu wünschen übrig.

      Vriska
      Mein Teller ist leer, alles was Essen könnte an der Auswahl ebenfalls. Besorgt kommt Frau Wallin zu mir und sagt: “Du hast doch nicht wirklich vor heute mit zu reiten.”
      “Doch, wenn’s nichts wird, steige ich halt ab”, antworte ich gelassen.
      “Bitte sei vorsichtig”, antwortet sie. Natürlich überdenke ich direkt, wer ihr das gesagt haben könnte, da bleibt Ju nur übrig. Irgendwie versucht er immer die Welt zu verbessern, aber das wird nichts. Das Ziel ist zu groß.
      “Also, die ersten drei Paare können ihre Pferde fertig machen.”, sagt Herr Holm.
      “Hier”, ruft Niklas direkt und guckt zu mir. Ich nicke ihm zustimmend zu.

      Lina
      Als die Trainer verkündeten, dass die ersten sich fertig machen können, begann ich mich nach meiner Partnerin umsehen. Es dauerte nicht lange und ich fand sie zusammen mit Vriska und Niklas ein paar Tische weiter. “Hey Milena, gehen wir auch mit?”, rief ich ihr zu.
      “Ja, können wir gern machen”, antwortet sie. “Wir gehen auch mit”, teilte ich den Trainern mit. “Na, dann zeige ich dir mal dein Pferdchen für heute, ich hoffe, du bist Bereit für eine Herausforderung”, sagte ich und ging zusammen mit Milena in Richtung Hauptstall. Ich hatte die Stute schon vorhin von der Koppel geholt. Kaum betraten wir den Stall, kam auch schon ein Kopf über die Boxentür. “Ah, da ist sie ja auch schon”, sagte ich und deute auf ihre Box. “Das ist Miss Griselda Braun. Entschuldige ihr misstrauische Art, sie war mal ein Tierschutzfall”, erklärte ich. Wie immer schaute Griselda mir angelegten Ohren aus ihrer Box und guckte vor allem Melina sehr böse an.

      Milena
      “Es ist jetzt nicht dein Ernst?”, frage ich Lina geschockt, die mir offenbar einen Teufel geben will. Sie lacht. “Bitte, bitte nicht. Die kommt sicher nicht mal raus aus der Box”, flehe ich. Sie verneint und drückt mir das Halfter der gescheckten Stute in die Hand. Also eine Herausforderung. Na gut. Langsam gehe ich zur ihr, misstrauisch schnappt sie nach mehr.
      “Jetzt mal ganz ehrlich. Warum machen wir direkt jetzt das Training, in zwei Stunden hätte ich sie bestimmt aus der Box draußen.”, sage ich verärgert zu Lina, die sich ziemlich schlapp lacht. Warum ist Vriska nicht an meiner Stelle? Die konnte durch Bruce so viel über Problempferde lernen. Ich hingegen hatte immer die tollen Reitschulpferden. Aber Angst und mein Fluchtgedanke hilft der Stute auch nicht. Selbstsicherheit ist der Plan. Ich laufe im Stall auf und wieder ab. Dann atme ich tief durch ich kralle mir ein Leckerli aus der Hosentasche und halte es ihr hin. Die Ohren von bewegen sich minimal nach vorn und ich weiß, dass auf dem richtigen Weg bin. Während sie abgelenkt das Genussmittel genießt, lege ich ihr vorsichtig das Halfter um. Lina öffnet mir die Box und die Stute stürmt heraus. “Ruhig”, sage ich zu Ihr. Als würde sie sich Gedanken macht, bleibt sie stehen und ich kann sie anbinden.
      “Siehste, ist gar nicht so schwer”, scherze ich und Lina beobachtet uns gespannt.

      Lina
      Etwas belustigt schaute ich Milena dabei zu wie sie Grisi aus der Box holte. “Du weißt aber schon ,dass das ein Pferd ist und kein Löwe?”, fragte ich leicht ironisch. Ich brachte ihr Griselda Putzbox und stricht der Scheckstute sanft über den Hals und begann sie zu kraulen. “Siehst du sie kann ganz freundlich sein”, sagte ich während die Stute begann den Hals langzumachen. “Wen darf ich eigentlich heute reiten?”, fragte ich die junge Frau die sich gerade mit Striegel und Kardätsche bewaffnete.

      Ambrose
      Bei der Frage, wer in der ersten Trainingsgruppe sein wollte, lehnte ich mich entspannt zurück und versuchte mich etwas zu entspannen, bis Anna sich hektisch meldete und fast schon kreischte “Ambrose und ich machen auch noch mit!”. Genervt verdrehte ich meine Augen und hievte mich aus dem Stuhl hoch und versuchte Anna auf dem Weg zum Stall einzuholen. Das wird ja ein Spaß mit Anna, die die ganze Zeit abgelenkt ist und nur kontrollieren will, was Niklas macht. Deshalb beschloss ich sie vorerst zu ignorieren und mich ausschließlich mit Oline zu beschäftigen und trat gelassen an ihre Box. “Na Olli, hast du die Reise gut überstanden?”, fragte ich die hübsche Falbstute, die ihren Kopf rausstreckte, um mich zu begrüßen. Soweit sah sie ganz fit aus und ich denke ein bisschen Bewegung könnte ihr guttun. Schnell griff ich das Halfter heben der Box und holte sie anschließend raus, um sie dann anzubinden. “Ganz schön fett geworden, Dicki.”, neckte ich meine Stute und strich ihr über den ziemlich runden Bauch, während sie mich mit einem argwöhnischen Blick bedachte. Während ich Olli putze, führte Anna ihre Stute vorbei, die ich noch gar nicht gesehen hatte - hochgewachsen, dressurbetont, samtiges braun und glänzte wie verrückt, natürlich war auch die Mähne eingeflochten. Meine Fresse müssen die Eltern reich sein, so wie das Pferd und sein Zubehör aussah. Die beiden kamen neben mir zum Halten, sodass Anna ihre Stute anbinden konnte und sie mir anschließend vorstellte, “So das hier ist meine Lubumbashi oder einfach Lubi, schwedisches Warmblut und ebenfalls Dressur geritten.”. Kurz ließ ich von Oline ab und begrüßte die außerordentlich hübsche Stute. “Das da...”, ich deutete auf mein Dickerchen, “...ist Oline oder einfach Olli oder Dicki, dänisches Warmblut und auch dressurbetont.”, stellte ich die beiden nun auch miteinander vor und Anna tätschelte sofort ihren Kopf. Gemeinsam bereiteten wir die Pferde vor und ich musste schlucken, als Anna mit ihrem Kram ankam: Glitzer, alles personalisiert und, wie sollte es auch anders sein, teuer. Etwas verlegen schaute ich auf mein einfaches Zeug, welches teilweise noch von meinem Wallach Piko stammte.

      Jace
      Während die ersten zu ihren Pferden verschwanden, saß ich noch zusammen mit den anderen gemütlich beim Essen. “Sagt mal Jungs, wie seit ihr eigentlich so zu euren Pferden gekommen?”, fragte ich neugierig in die Runde.

      Milena
      “Lach’ nicht so doof”, sage ich zu Lina, die immer noch einfach nur da stand. Gekonnt greife ich nach einer Bürste, um Grisi zu putzen, die natürlich in die Bürste beisst. Ich gehe einen Schritt zurück und lasse sie die Bürste betrachten, die Grisi neugierig inspiziert. Dann darf ich sie weiter putzen. So mache ich weiter, bis es zum satteln geht. Lina hat mir bereits alles gebracht.

      Vriska
      “Du bist mir auf vielen Ebenen heute klar im Vorteil”, sage ich zu Niklas, als wir die Pferde putzen.
      “Warum?”, fragt er dümmlich mit einem dreckigen Grinsen.
      “Ich bin teilzeit behindert und auf meinem Pferd hast du auch schon gesessen”, erkläre ich ihm. Über meine Wortwahl muss er lachen und stimmt mir zu. Mein Satteln muss Niklas mir helfen, nicht nur, weil ich so klein bin sondern auch meine Arme nicht helfen kann.
      Am Platz angekommen, sind wir die ersten. Frau Wallin ist mittlerweile auch dabei und beachtet kritisch, als Niklas mir auf’s Pferd hilft. Ich spüre einen Schmerz, doch als ich sitze, ist wieder alles gut. Ungewöhnlich zuhause fühle ich mich auf dem Rücken von Smoothie. Auch er hat sich schon auf meinen Hengst gesetzt und zusammen reiten wir die Pferde warm.

      Mika
      Als die anderen eine ganze Weile verschwunden waren, entschieden Dasha und ich, dass wir unserem Zimmer mal einen Besuch abstatten, unsere Sachen auspacken und vielleicht auch noch eine Runde schliefen. Da Dasha keine Anstalten machte aufzustehen, beschloss ich kurzer Hand sie einfach über meine Schulter zu werden und sie eben so ins Zimmer zu bringen. “Wollen wir nicht mal nach den Pferden sehen?”, fragte sie etwas beunruhigt, da sie sich wie immer Sorgen um ihren ‘geliebten Schatz’ machte. “Ach quatsch, wir befinden uns hier auf einem äußerst renommierten Hof, auf dem die Pferde gefühlt 24/7 verwöhnt werden.”, wehrte ich den Vorschlag freundlich ab und setzte sie vor den Treppen zu den Zimmern ab.

      Ambrose
      Kurz nachdem Niklas und Vriska sich zum Reitplatz begaben, waren auch wir fertig mit dem Vorbereiten der Pferde, zumindest dachte ich das, bis Anna aus der Sattelkammer mit Bandagen zurückkam und mühsam begann sie Lubi anzulegen. “Du weißt schon, dass die Teile nichts bringen oder? Mit einer Bandagierunterlage vielleicht noch ein bisschen Schutz, aber ansonsten unterbrichst du so eher die Blutzufuhr.”, belehrte ich sie etwas verwundert darüber, dass sie wirklich mit vollem Ernst die Teile da ranklatschen wollte. “Okay.”, gab sie leise, aber auch etwas genervt zurück und feuerte die weißen Stoffteile in die Ecke und ergänzte schließlich noch “aber sie neigt dazu sich vorne in die Fesselbeugen zu treten.”. Etwas belustigt verschwand ich in der Sattelkammer und kam mit einem Paar Hufglocken zurück, “Hier versuchs mal damit, ich schau mir das im Training gleich mal an.” Anna bedankte sich und legte die Teile an, sodass wir endlich auch zum Reitplatz gehen konnten.
      Gentleman wie ich bin, bat ich ihr an sie aufs Pferd zu setzen oder ihr zumindest zu helfen, eigentlich wollte sie bereits abwehren, doch als sie Niklas und Vriska zusammen reiten sah, griff sie nach meinen Händen und packte sie auf ihre Hüfte und zählte von drei runter. Sie machte ein gutes Bild auf Oline, die noch gar nicht zu merken schien, dass dort oben jemand anderes saß. Mit der Aufsteigshilfe schwang ich mich nun auch auf Lubis Rücken, die doch größer, aber vor allem schlanker als Olli war.

      Lina
      Nachdem Milena es geschafft hatte Grisi fertig zu machen, ohne gefressen zu werden und ich auch noch schnell Kempa fertig gemacht hatte, trudelt auch wir endlich auf dem Reitplatz ein. “Warte, ich halte dir gegen”, sagte ich zu Melina die der Scheckstute einen nervösen Blick zu warf. “Keine Sorge, du kannst das. Ich habe die gesehen wie du mit deinen beiden Umgehst, ich stell dir doch kein Pferd hin, was du nicht reiten kannst. Im Grunde ist Grisi sehr fein geritten, doch sie kann manchmal echt stur sein. Du darfst ihr nur nicht zuviel Druck machen”, erklärte ich Ihr. Auch wenn Grisela ein wenig schwierig sein konnte, im Grunde genommen ist sie ein kluges Pferd. Melina stieg auf die Aufsteighilfe und kletterte auf die Stute.
      Vriska
      Natürlich hatte ich mitbekommen, wie Anna zu uns geguckt hat und versuchte Niklas eifersüchtig zu machen mit Ambrose. Doch er hatte das gar nicht gesehen und war auf Vollkommen auf Glymur konzentriert. Lina und Milena sind auch am Platz angekommen. Wirklich gut gelaunt scheint das Pferd, welches sie bekommen hat, nicht zu sein.
      Im Schritt reite ich zum Ambrose, der gerade mit Lubi unterwegs ist. “Du Ambrose.”, spreche ich ihn an. “Mh?”, antwortet er entspannt. “Ich brauch’ was. Du weißt was ich mein”, erkläre ich ihm. “Alles klar, machen wir nachher”, kommt von ihm und er wendet die Stute ab.
      “Vriska, versuch’ dich mehr in den Sattel zu setzen, wenn es geht”, sagt Herr Holm zu mir. Dann halte ich Smoothie an und er kommt zu mir. Er richtet meine Beine hin. Irgendwie es anders als auf den Isländern. Vermutlich sitze ich für die richtigen englischen Reiter wie der letzte Kartoffelsack auf dem Pferd.
      “Niklas, setze dich weiter nach hinten in den Sattel. Der Schwerpunkt bei einem Islandpferd ist etwas weiter hinten im Sattel. Deswegen sattelst du etwas weiter hinten.”, erklärt Frau Wallin ihm. Direkt setzt er sich anders hinten ohne zu diskutieren. Das bewundere ich an ihm, einerseits ist er immer in Abwehrhaltung, doch sobald er auf dem Pferd sitzt, scheint es diesen Niklas nicht mehr zu geben.
      “Konzentriere dich auf Smooth und nicht auf dein Pferd. Niklas macht den nicht kaputt”, ruft Herr Holm mir zu.

      Lina
      Auch ich war inzwischen aufgestiegen. Kempa machte keinerlei Probleme. Mit der größe der Isländerstute hatte ich keinerlei Probleme, einzig die Gangart war ein wenig seltsam. Typisch kurze Ponyschritte, aber irgendwie auch nicht. “Melina, lass den Zügel länger, dann rennt Grisi auch nicht so”, rief ich dem Mädchen auf der Scheckstute zu. Sogleich befolgte sie meine Anweisung und schon wurde Grisi und auch ihre Ohren lagen gleich nicht mehr ganz so fest an ihrem Kopf. Ich trieb Kempa ein wenig an damit sie ein wenig fleißiger Vorwärts ging.
      “Lina, auch wenn wir gerade die Pferde warmreiten, sollte Kempa und auch du ordentlich arbeiten. Gib’ ihr etwas mehr Zügel, Schultern zusammendrücken, und Hände weiter nach Oben. Und du schiebst keinen Kinderwagen, sondern sitzt auf dem Pferd. *Pause* Achte auch auf deine Beine. Deine Haken sind zu weit unten, versuch deine Fußsohle locker nach außen zu lehnen. Dann sind sie automatisch richtig.”, kommentiert Frau Wallin und läuft neben mir her. Sogleich versuchte ich die Kritik der Trainerin anzuwenden. Wow, jetzt erst merkte ich wie lange ich keine richtige Reitstunde hatte. Wenn wir hier auf dem Hof Stunde hatten, wärmten wir in der Regel alleine auf. Und gerade ich ließ es da häufig erst mal gemütlich angehen. Das hier war definitiv eine andere Nummer. “Schon besser”, kam es von der Trainerin als Kommentar.

      Ambrose
      Während ich bemüht war Lubi anständig warm zu reiten, ließ Anna Oline nur so vor sich hin stolpern - kein Wunder, dass ihr Riesengaul sich in die Fesselbeugen tritt. Durch die paar extra Zentimeter war ihr Schritt aber deutlich bequemer als der von Olli, obwohl ich doch zu tun hatte mich selbst beisammen zu halten, um auch ordentlich die Hilfen geben zu können.
      “Ambrose, Lubi bewegt sich in Zeitlupe. Treibe sie mehr vorwärts, verlagere dein Gewicht mehr nach hinten. Sie stolpert die ganze Zeit, weil du ihr kaum Raum gibst sich zu strecken und fällt dadurch auf die Vorderhand.”, kommentiert Herr Holm. Vielleicht war ich doch generell etwas zu entspannt, weshalb ich mich aufrichtete und sofort die Anweisungen von Herrn Holm umsetzte und die Stute vorwärts trieb und tatsächlich suchte sie nun den Weg nach unten und in die Länge. “Hui warum ist die denn so schnell im Schritt?”, rutsche es mir dann heraus, was den Anderen ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Tatsächlich war ich mehr besorgt um mein eigenes Pferdchen und schaute deshalb oft zu Anna, die irgendwie abwesend schien. “Anna, so bezaubert du auf dem Pferd aussiehst, musst du Olli nicht dermaßen versammeln. Außerdem muss dein Blick durch die Ohren gehen und nicht auf deine Hände. Du solltest spüren, was die machen, ansonsten wäre ein Besuch beim Arzt angebracht. Komm’ dann bei A mal auf den Zirkel, wir müssen an deinem Sitz arbeiten”, ruft Herr Holm Anna zu, die nicht mal guckt oder überhaupt so wirkt als würde sie zuhören. Natürlich habe ich damit recht. Sie erreicht A und reitet einfach weiter. “Hallo, hörst du mir zu? Wenn du nicht mal schaffst die einfachsten Anweisungen zu begreifen, steig’ ab und geh’”, kommt nun von ihm empört.

      Milena
      Stolz reite ich mit Grisi über den Platz, die hektisch zu jedem Pferd gibt. Sogar nach Smoothie schnappt sie, aber Vriska ignoriert es gekonnt. “Milena. Du musst nicht jeden Schritt vom Pferd treiben. Das ist eine super schlechte Angewohnheit von dir. Setz’ dich still hin und arbeite mit dem Gewicht, nicht mit dem Haken im Pferdebauch”, sagt Frau Wallin zu mir, die merkt, dass ich etwas überfordert mit der Scheckstute. Gern würde ich mit meinen Beinen aufhören doch jedes mal, wenn ich mich nicht darauf konzentriere, beginne ich wieder. Doch Grisi erinnert mich jedes mal daran, dass sie es blöd findet. Wenn ich anfange dreht sie sich hektisch zu mir und schlägt mit dem Schweif. Also lege ich mein Augenmerk auf die Beine. Ich erwische mich dabei, auf die Beine zu gucken, statt zu Grisi zu gucken. Im Schritt binde ich einige Bahnfiguren ein, damit ihr nicht langweilig wird.

      Lina
      “So, eure Pferde sollten jetzt warm sein, nehmt den Trab dazu. Bei den Isländer dürft ihr auch tölten wenn es euch einfacher fällt”, sagte Herr Holm. Tölte, äh ja richitg ich saß ja auf einem Isländer. Doch wie sollte das denn bloß funktionieren? Am besten versuche ich es erstmal die Stute in den Trab zu bekommen. Ich setzte mich also ein wenig tiefer in den Sattel und nahm den Zügel minimal nach, bevor ich der Stute die Hilfen für den Tab gab. Doch die kleine Palominostute machte mir einen Strich durch die Richtung. Kempa hob den Kopf nach oben und töltete los. Auch wenn das Tölt war, war ich mir ziemlich sicher, dass sich das so nicht anfühlen sollte. “Ähhh, kann mir mal jemand erklären wie das funktioniert mit dem Tölt?”, fragte ich während ich die Stute wieder in den Schritt brachte. Da wandte sich Frau Wallin an mich: “Also, so schwer ist das nicht. Setz dich in Vollsitz, also tief im Sattel, Arme locker, Schenkel nach innen. Nun musst du mehr Spannung bekommen, dann reagiert auch Kempa. Verkürze langsam und sanft die Zügel, verlagere das Gewicht mehr nach hinte, damit der Motor startet. Mit einigen halben Paraden vermittelst du ihr, dass gleich was kommt. Mit dem Unterschenkel drückst du leicht, um sie vorwärts zu bekommen. Nun müsste sie im Tölt sein und du musst die Spannung halten, mit leichten Paraden ihre Haltung aufrecht behalten. Wenn du die Spannung verlierst, dann stellt sie in den Trab um, da Kempa kein Naturtölter ist und viele Hilfen benötigt.” Mit der Hilfe von Frau Wallin, hatte ich es tatsächlich geschafft, die Stute in den Tölt zu bekommen. Doch nach einer halben Runde, musste ich sie in den Trab umstellen. Der Tölt der Stute war verdammt bequem. “Wow, jetzt verstehe ich warum alle Isis wollen”, murmelte ich ein wenig erstaunt vor mich hin. Ich trabte die Stute ein paar Runden, bevor ich es erneut versuchte anzutölten. Dieses Mal schaffte ich es auch schon den Tölt länger zu halten. Es macht richtig Spaß mit der Stute zu rumzudüsen.

      Niklas
      Ich hatte Glymur bisher nur getrabt, weil ich nicht wirklich Interesse hatte Gangsalat unter mir zu haben. Umso besser konnte ich mit ihm Traben. Auch wenn die Schritte ziemlich kurz waren, erschien mit der Schwung so viel größer als bei Smoothie. Dann bemerkte ich, dass Vriska als einzige im Schritt ist. Also bremste ich ihren Hengst ab und reite auf dem zweiten Hufschlag neben ihr her. “Du musst nicht schneller, wenn du nicht willst”, versuchte ich sie aufzumuntern. Ihr Gesicht sah aus, als wäre nicht ansatzweise alles gut.
      “Passt schon”, antwortet sie kurz gebunden. Beim erreichen des Hufschlags, trabe ich Glymur wieder an.

      Vriska
      Emotionen und Gefühle verstecken liegt mir nur bedingt. Traben wollte ich nicht. Schon bei dem Gedanken daran, schüttelt sich mein Körper. Dann viel mir etwas interessantes ein. Smoothie ist ein Standardbred, ein edler Standardbred. Deswegen kann es sein, dass sie tölten kann. In mir fasst sich neuer Mut, also bereite ich sie vor, wie jedes Jungpferd, dass ich bisher unter dem Sattel hat. Anfangs beginne ich erste Temposchübe aus dem Halt und eine höheren Haltungen. Dann baue ich Spannung auf und Smoothie töltet einige Schritte. Mein Gesicht strahlt vor Freude. “Wow”, sagt Frau Wallin und auch Herr Holm ist überrascht.
      “Bitte was?”, fragt Niklas schockiert, der gerade nicht begreifen kann, was seine Stute da gemacht hat. “Nochmal”, fordert er direkt. Also versammle ich sie erneut, baue Spannung auf und Smooth töltet wieder an. Diesmal kann sie einige Schritte mehr halten und ich pariere sie direkt in den Schritt durch.

      Alle Teilnehmer hatte ein erfolgreiches oder zumindest Aufschlussreiches Training. Während die letzten noch dabei waren ihre Pferde wegzubringen, waren die anderen dabei, ein Lagerfeuer anzuzünden.

      Lina
      “Ey Jungs, macht euch mal nützlich und holt nochmal ein bisschen Holz”, sagte ich zu Jace, Ju und Niklas die es sich gerade bequem machen wollten. “Das da sieht ganz schön traurig aus”, ergänzte ich und deute auf das recht kleine Feuer. Die drei murrten zwar ein bisschen, aber machten sich dann doch auf den Weg zum Holzlager. Kurz darauf, kamen sie dann mit ein paar weiteren Jungs und einer großen Ladung Holz zurück.

      Vriska
      Ambrose hatte mir nach dem Training den Brokkoli übergeben und am Feuer entschied ich nun für uns alle eine Aufmunterung zu schaffen. Auch Milena hat es nun auch mitbekommen. Bis auf Lina und sie kennt niemand meine Story, weswegen sie kurz hinterfragt: “Denkst du, dass eine gute Idee?”
      “Ja”, sage ich kurz und schließe das Blatt wie es sich gehört - holländisch. Den Rest wackel ich ab.
      “Will jemand anfangen?”, frage ich freundlich in die Runde. Niemand meldet sich, aber die Jungs kommen mit neuem Holz wieder.
      “Was wird denn das hier?”, kommt von Niklas und setzt sich zu Milena.
      “Wonach sieht es denn aus?”, antwortet meine beste Freundin gernevt. Also nehme ich den ersten Zug, den zweiten, den Dritten und gebe weiter. Motiviert nimmt Niklas das Brokkoli Papier entgegen. Auch er zieht zweimal kräftig und gibt weiter zu Ju. Dann macht er die Runde.

      Jace
      Inzwischen war der Brokkoli bei mir angekommen und auch ich hatte ein paar Züge genommen. So wünscht man sich doch einen Tagesabschluss. Nun war nur noch Lina übrig, die noch etwas skeptisch dreinblickte. “Lin, sei kein Frosch, ich weiß, dass es nicht dein erstmal ist”, neckte ich sie ein wenig. Ein paar erstaunte Blicke richten sich auf sie.”Na los”, sagte ich nur und drückte ihr den Brokkoli in die die Hand. Einen Moment lang zögerte sie noch und schien zu überlegen, ob das eine Gute Idee war. “Ach, Scheiß drauf”, kam es dann nur noch von ihr und zum Erstaunen der meisten, nahm sie auch einen kräftigen Zug, bevor sie den Brokkoli wieder an Vriska reichte.

      Ambrose
      „Jo Diggi wenn ihr schon mein Zeug raucht, hätte ich doch auch schon gern einen Zug davon.“, protestierte ich lachend und zerrte ihn förmlich aus Vriskas Hand und nahm einen tiefen Zug. Gutes Zeug haben die Schweden, nicht zu harzig, einfach perfekt und vor allem nicht gepunscht. „Respekt, wusste gar nicht, dass du bauen kannst!“, lobte ich Vriska, als ich mir das Teil nochmal näher anschaute. Entspannt ließ ich mich tiefer in den Stuhl sinken und reichte den Blunt weiter. Plötzlich packte mich jemand an den Schultern und griff nach dem Brokkoli. „Ey!...“ - „Ganz ruhig Dicker, kein Zug hier ohne mich, muss aber gleich zum Training.“, antwortete Mika, der sich nun zu erkennen gab. Er warf einen Blick in die Runde und blieb auf Ju stehen, „Kommst du mit? Die zweite Gruppe ist dran und du machst doch mit Dasha. Ich hab auch noch was von dem Zeug, dann verpasst du nichts.“, fragte er ihn schließlich.

      Niklas
      „Ich hatte schon zwei Züge“, sagt Ju zu Mika und folgt ihm zum Stall. Das kann nichts werden denke ich. Dann schweift mein Blick und Anna, die nach dem Vriska erneut zwei Züge genommen hat, auch tief inhaliert. Offenbar waren alle schon ziemlich breit. Besonders die Kleine, die Aktion imitiert hat, schien gut dabei zu sein.
      „Wisst ihr warum es so viele Verschwörungstheorien gibt?“, fragte sie nachdenklich in die Runde.
      „Nein, aber du wirst uns sicher gleich aufklären“, Scherze ich.
      „Also gut. Ich denke, dass die mehr wissen als wir. Deswegen gibt es auch die Diagnose Gotteskomplexe. Wir wurden erschaffen von Göttern, also sind ein Teil von denen. Und die, die das haben, sind quasi mehr von denen. Die Verschwörungstheorien sind also Erinnerungen von der Welt, unserer Götter, weil kein Mensch war jemals so intelligent Pyramiden bauen zu können. Sonst gäbe es ja noch mehr. Ägypten war quasi der Ort, an dem die ersten Menschen wieder gelassen wurden“, fängt sie an. In Gruppe sieht man nachdenkliche Gesichter, die den Sternenhimmel betrachten.
      „Irgendwie macht das total Sinn“, antwortet Anna. Auch ich machte mir meine Gedanken darüber. In mir kamen fragen auf, die sie sicher beantworten kann. Oder jemand anderes.
      „Aber warum führen wir dann miteinander Krieg?“, frage ich ohne jemanden anzugucken.
      „Das ist total einfach. Wir haben uns weiter entwickelt und es liegt in unserer Natur. Schließlich sind wir nur da, um für die Götter eine Bewohnbare Welt zu schaffen. Damit sie uns, ihre Kinder, nicht umbringen müssen, haben sie in die Genetik gelegt, dass wir es von selbst tun“, wirft Milena ein. Ich brumme zustimmend.

      Lina
      "Ich glaube eher da liegt ein Konstruktionsfehler in den Menschen vor", sagte ich nachdenklich. "Ich glaube nicht, daß die Götter vorgesehen habe das wir irgendwann schlau genug werden um das Weltall zu erkunden", murmelte ich vor mich hin. Nachdenklich betrachte ich den Mond der inzwischen am Himmel erschienen war und ein silbriges Licht auf uns warf. Der Mond faszinierte mich sodass meine Gedanken abschweiften. "Ich sag euch Freunde, irgendwo da draußen sitzt irgendwer der uns beobachtet", kam es von irgendwem.

      Jace
      Es herrschte eine sehr entspannte Stimmung am Lagerfeuer und die Flammen tanzen lustig im Feuer. Während die andern Irgendwas über Götter faselten was ich nicht ganz peilte gingen meine Gedanken wo ganz anders hin. Mein Blick schweift über die Gruppe bis sie bei Lina hängen blieb. Nachdenklich blickte sie in den Himmel. So entspannt wie jetzt hätte ich sie schon lange nicht mehr gesehen. Über was sie wohl Nachdenkt?

      Vriska
      „Natürlich werden wir beobachtet und nicht nur von den Göttern“, werfe ich ein. „Ach ja?“, fragt Milena, die offenbar beim düppeln ziemlich dumm wird.
      „Ja klar, ich hab da so zwei Theorien und bin mir nicht sicher, ob sogar beide Stimmen. Situation eins. Ihr geht irgendwo hin und wisst nicht mehr was ihr wolltet, stimmt’s?“, vergewissere ich mich. Ein zustimmendes Raunen geht ums Feuer.
      „Ihr alle habt schon mal Sims gespielt und eine Aktion abgebrochen. So ist das dann, aber das geht noch viel tiefer. Und zwar sind wir Teilnehmer einer TV-Show. Jeder Mensch ist ein Sender und wenn wir hier gemeinsam sitzen, ist es ein Crossover das inszeniert wurde aus Werbezwecken. Deswegen denken wir auch nach. In dem Moment reden wir zum Publikum. Wenn also was vergessen wird, dann haben die das entschieden, um die Serie zu steuern.“, erkläre ich.
      „Und deswegen ist Niklas so ein Arsch?“, fragt Milena.
      „Ja fast. Das sorgt halt dafür, dass mehr Klick generiert werden von deinen und seinen Fans. Deswegen haben Lina und Jace auch so eine komplizierte Beziehung miteinander. Das bringt Klicks, ein Haufen Klicks. Und Klicks sind Geld oder wie auch immer die das in den anderen Dimensionen machen. Vielleicht verlängern die Zuschauer auch ihr Leben mit unseren Leid, wetten oder sowas.“, sprudelt es aus mich heraus.

      Lina
      "Ey unsere Beziehung ist gar nicht kompliziert", beschwerte ich mich. "Aber wenn deine Theorie stimmt bin ich wenigstens der insgeheime Publikumsliebling",sagte ich mir einem breiten Grinsen. "Bei den Komplizierten Beziehungen wollen nämlich alle immer wissen wie es ausgeht und egal wie sehr sich die Parteien zu Streiten, am Ende bleiben sie doch aneinander kleben", plappete ich weiter. "Na ja, dachte ich weiter nach, aber das heißt auch,... Dass Niklas gaaanz tief in sich drin" dabei deute ich mir auf die Brust," eigentlich ein ganz lieber ist", endete ich stolz. Das war das Ergebnis meiner Analyse aller Serien die ich so kannte.

      Ambrose
      “Junge junge, wart ihr noch nie breit? Ist ja anstrengend mit euch, genießt doch einfach die Ruhe und das Gefühl von vollkommener Schwerelosigkeit.”, maulte ich wegen der tiefgründigen Gespräche. Ich hatte es schon oft erlebt, dass die Menschen sehr verrückte Sachen von sich gaben, wenn sie ein paar Zügen genommen hatten. “Sagt mal wo sind hier eigentlich die Süßigkeiten? Ich bekomme immer solchen Hunger vom Brokkoli.”, fragte ich nun in die Runde und wurde komplett ignoriert, da alle den Gesprächen und Theorien lauschten.

      Darya
      Das Gras war auf dem ganzen Hof zu riechen und ich war etwas neidisch gerade keinen Zug nehmen zu können, allerdings freute ich mich auch das Pferd von Ju zu reiten. Gemeinsam holten wir die Stuten aus ihren Boxen und begannen sie fertig zu machen, wobei mein Blick immer wieder auf Amnesia fiel, eine wahnsinnig anmutige Stute. Mika hatte Caja etwas entfernt angebunden, da sie doch manchmal etwas zickig werden konnte, dennoch versuchte er sich mit ins Gespräch einzubringen. Winnie schien noch etwas schläfrig von der Reise zu sein, da sie deutlich empfindlicher war als sonst. “Oh na da wünsche ich dir viel Spaß mit ihr, pass auf, dass du deine Schenkel nicht zu stark anlegst.”, warnte ich Ju, der aber lachte und antwortete gelassen, “Ich reite nicht zum ersten Mal und auch unsere Pferde waren nach der Anreise erschöpft.” Aus der Ecke tönte ersticktes Gelächter, Mika krümmte sich vor Lachen und wir guckten ihn verwirrt an, als er wieder zu Luft kam erklärte er sich selbst, “Sorry, aber ihr habt Probleme, wollt ihr mal die Zicke hier reiten? Auch wenn du deine Schenkel von ihr weg hast, rennt sie los.”. Ich verdrehte die Augen und lachte, da Caja ihm wirklich schon manchmal unter dem Arsch wegrannte. “Wo bleibt denn Samu?”, fragte Ju um das Thema zu wechseln. “Komme schon!”, rief es am Stalleingang. Er führte eine weiße Stute mit sich, die ein sehr interessantes Mal im Gesicht hatte, welches ich so noch nie gesehen hatte. “Das ist Briair. Das da in ihrem Gesicht ist übrigens ein Bloodmark, weil ihr so seltsam schaut. Keine Sorge das ist ne ganz liebe und geduldige”, stellte er uns die hübsche Stute war. “Na dann wünsche ich dir viel Spaß mit dem Fuchstier hier.”, entgegnete Mika und klopfter der Stute auf den Po.

      Samu
      “Na, mit der werde ich schon fertig”, sagte ich und band die Stute auf der Stallgasse an. “Hübsche Tierchen habt ihr da mitgebracht”, sagte ich anerkennend, als ich ein Blick auf die beiden neuen Pferde warf. Mikas Stute war ein hübscher Fuchs mit einer breiten Blesse. Sie sah meiner Sally recht ähnlich, doch charakterlich schien sie eher das komplette Gegenteil zu sein. Sie blickte ziemlich zickig drein und deute ab und zu auch an irgendwo reinzubeißen. Auch Dashas Stute wirkte nicht besonders glücklich über die nächtliche Trainingseinheit. Einzig Bri döste entspannt vor sich hin und genoss die Putzeinheit.

      Mika
      So sehr ich meine Stute zwar liebte, war ich äußerst froh mal ein gelasseneres Pferd zu reiten, das es mit Caja doch immer ein kleiner Kampf war. Selbst der Osteopath konnte nichts finden, weshalb wir nun aufs Training setzen, um sie ruhiger und gelassener zu bekommen. Hoffentlich kommt Samu mit ihr klar und denkt nicht, dass wir dieses Pferd versaut haben. Am Boden hatte sie aber mittlerweile ausreichend Vertrauen gesammelt und ließ sich zumindest von mir gut händeln. “Wa Dicke?”, fragte ich sie und genoss eine kleine Kuscheleinheit mit ihr.

      Niklas
      „Natürlich bin ich ein lieber Kerl“, stimme ich Lina zu.
      Mittlerweile ist Ambrose dazu gekommen und schiebt seine typische schlechte Laune, schließlich sind nicht alle so still wie er, sondern genießen den Zustand auf ihre eigene Art und Weise.
      “Süßigkeiten haben wir nicht”, wendet sich Milena ihm zu. Ich habe gar nicht mitbekommen, was er zu sagen hatte. Langsam merkte ich auch, wie die Stimmung kippte und es der richtige Moment war zu gehen.
      “So ich werde mich dann zurückziehen. Es gibt noch einiges zu tun.”, merke ich an und gucke zu den Beiden, die mich seit Minuten intensiv betrachtet haben.

      Vriska
      “Also wie immer?”, fragt Ju genervt als Niklas den Platz verlässt. Mit Anna. Und Milena. Erschrocken schüttel ich mit dem Kopf und Ju guckt zu mir.
      “Ja klar, aber du bleibst auf deiner Seite”, sage ich zu ihm und lache. Gekonnt setzt er sich zu mir und legt seinen Arm um meine Schulter. Perplex bleibe ich an der Stelle sitzen und bewege mich kein Stück mehr.

      Lina
      Gedankenverloren sah ich in den Himmel. Die Sterne leuchteten inzwischen Hell am Himmel und auch die Wolken, die sich vor den Mond geschoben hatten, verzogen sich nun. Ein klares kühles Licht fiel auf uns. In meinen Gedanken versunken hatte ich gar nicht gemerkt, dass Niklas, Anna und Milena gegangen waren. Zufällig streifte mein Blick Vriska und Ju neben mir. Er hatte seinen Arm um sie gelegt, doch Vriska sah abgespannt aus. “Hat eigentlich sonst noch einer von euch hier Hunger?”, fragte Jace auf einmal und kam mit einer Tüte voll mit Süßigkeiten vom Hof her.

      Vriska
      “Nein, danke”, antworte ich Jace und betrachte dabei die Tüte intensiv. In mir kommt ein Verlangen hoch, jedoch kann ich schwer einschätzen, ob es die Süßigkeiten sind oder der hübsche Typ neben mir. Zur Ablenkung krame ich mein Handy aus der Hosentasche. Erst jetzt sehe ich, dass Folke mir eine Nachricht gesendet hat. Sie ist lang, sehr lang. “Hej Vriska. Jag hoppas du mår bra. (Ich hoffe, es geht dir gut.) Henne war heute da, der Sohn von meinem Chef aus Kalmar. Zusammen haben wir mit Alfi, Nobel, Snow und Betti gearbeitet. Dabei stellt sich nicht nur heraus, dass die Gurte der Sulky ungeeignet sind, sondern das Alfi eine schiefe Hüfte hat. Der Arme hatte heftige Schmerzen aber mit einem kräftigen Ruck konnte er das Hüftgelenk wieder an die richtige Stelle drücken. Er hat nun erstmal Pause und dann werden wir langsam mit ihm Anfangen. Eorann möchte mit ihm am Boden weiterarbeiten. Nobel braucht etwas mehr Erziehung, aber ist auf einen guten Weg. Snow muss braucht mehr Sicherheit und Ausdauer zum Fahren, sonst fehlt es ihr an nichts. Betti ist ebenfalls unerzogen, dadurch möchte sie Dinge auf ihre eigene Art regeln. In den nächsten Tagen kommt der Zahnarzt, um ihr die Zähne zu machen. Und jetzt fragst du dich sicher was mit Holy ist? Sie kommt ebenfalls mit zum Zahnarzt. Henne hat auch bei ihr sich alles mal angeschaut. Der Rücken ist super, die Beine sind in Ordnung. Leider gibt es auch Probleme. Ihr Sprunggelenke weisen Ansätze von Spat auf, da er aber kein Tierarzt ist, muss das näher untersucht werden. Grundsätzlich schränkt es die Arbeit mit ihr nicht ein, sie sollte nur mehr Zeit bekommen zum Warm werden, sodass ihre Sprunggelenke mit Gelenkflüssigkeit gefüllt werden und die Bewegungen fließender sind.”, lese ich konzentriert, als Ju mich aus dem Lesefluss bringt.
      “Was liest du da so lange?”, flüstert er mir zu.
      “Folke hat mir ein Update geschickt vom Hof”, berichte ich ihm und muss grinsen. Es ist komisch, wenn sich jemand dafür interessiert. Er nickt und zieht mich näher an sich.
      “Ich möchte mit lesen”, sagt er darauf hin. Ich halte mein Handy anders, sodass Ju ebenfalls alles sehen sollte.
      “... fließender sind. Hedda habe ich davon bisher nichts gesagt, ich möchte sie nicht enttäuschen. Eorann hat schon Erfahrung mit solchen Problemen und möchte noch mehr helfen. Außerdem: Sie hat schon wieder ein Halfter kaputt gemacht. Aus dem Shop habe ich mir ein neues genommen, für Nobel gab es ein neues Gebiss und Henne hat ebenfalls was gekauft. Nur damit du dich nicht wunderst. Ich habe dabei etwas Unordnung zurückgelassen aber versuche es die nächsten Tage wieder zu sortieren. Ansonsten liebe Grüße vom ganzen Team und wir freuen uns, wenn du wieder da bist. Varma hälsningar, (liebe Grüße) Folke.”, lese ich zu Ende. Auch Ju scheint schon fertig zu sein und fragt mich, wer Holy ist. Ich erzähle ihm von dem Terrortinker, der im Zuge einer Rettungsaktion zu uns kam. Nun ist es eine Art Wettstreit, wer in einer bestimmten Zeit am meisten mit einem Pferd schafft mit Blick auf Tierschutz. Anfangs konnte ich noch mit ihr arbeiten, dann kam das Team und nun ist Folkes Freundin und Hedda dabei.

      © Mohikanerin, Wolfszeit, Zion // 97.659 Zeichen
      zeitliche Einordnung {18. August 2020, Sommer}
    • Mohikanerin
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      Routineuntersuchung & Impfungen auffrischen | 17. April 2021

      Saints Row| Blávör| Vintage| Lotti Boulevard| Alfred's Nobelpreis

      Ein wenig verwundert stieg ich aus meinem Auto, welches ich gerade auf dem Lindö Dalen Stuteri geparkt hatte. Weit und breit konnte ich weder einen Menschen noch ein Pferd entdecken. Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Sie zeigte 10:30 Uhr, das hieß, ich war genau pünktlich. Als ich mich gerade auf die Suche nach meinem Kunden machen wollte, kamen mir ein junger Mann und ein Mädchen mit zwei Pferden um die Ecke.
      “Entschuldigen sie Doc, die kleine Hexe hier wollte sich nicht einfangen lassen”, erklärte der junge Mann die Verspätung, der sich wenig später als Folke vorstellte.
      Mit meiner Tasche in der Hand folgte ich den beiden bis zu einem Anbindeplatz, wo ich dann mit meiner Arbeit beginnen konnte. Als erstes Untersuchte ich die Isländerstute, die mir als Blávör vorgestellt wurde. Augen und Ohren, wie auch der Rest des Pferdes waren unauffällig, sodass der den beiden Impfungen, die die Stute bekommen sollte, nichts im Wege stand. Ganz typisch Stute zicke die Schecke ein wenig rum, doch mit routinierten Bewegungen, hatte ich die Stute schnell geimpft.
      Während ich mich nun der nächsten Patientin zu wand, brachte Folke, die Isländerstute weg. Auch bei Saint Row überprüfte ich als Erstes den Gesundheitszustand. Diese Prozedur wurde von etlichen Fragen den jungen Mädchen begleitet und ich beantwortete jede ihrer Fragen geduldig. Auch diese Stute war in einwandfreiem Zustand, sodass ich sie impfen konnte.
      Folke war inzwischen mit einer deutlich größeren braunen Stute zurückgekehrt und stellte mir diese als Lotti Boulevard vor. Lotti beobachte mich die ganze Zeit ein wenig skeptisch, während ich sie untersuchte. Auch bei der Traberstute gab es keine Auffälligkeiten. Bei der Impfung war sie brav, sodass sie dann auch recht schnell fertig war.
      Auch bei der nächsten Stute ging alles recht schnell. Vintage war brav und bis auf die Sache, dass die Zähne bald mal wieder gemacht werden sollten, gab es auch bei ihm nichts zu beanstanden.
      Der letzte Patient, war ein großer Fuchshengst, dem es nicht allzu leicht fiel stillzustehen. Ungeduldig hampelte er umher. Mit ein wenig Geduld konnte ich auch ihn untersuchen und impfen. Nachdem alle Patienten versorgt waren, teilte ich noch den beiden Betreuern der Tiere mit, dass die Pferde die nächsten zwei Tage nur leicht bewegt werden sollten und sie noch einmal anrufen sollten, wenn Nebenwirkungen auftreten.
      Nach getaner Arbeit machte ich mich somit fast pünktlich auf dem Weg zum nächsten Hof.

      © Wolfszeit // 2069 Zeichen
    • Mohikanerin
      a u g u s t 2 0 2 0 | 06. Juli 2021

      Kölski von Atomic // Lundi LDS // CHH‘ Death Sentence // Ruvik // Girlie // Liv efter Detta LDS // Middle Ages // HMJ Holy // Outer Space // Krít // Architekkt // Fly me to the Moon // Nachtschatten // Raleigh // Rainbeth // Lu‘lu‘a // Friedensstifter // Alfred’s Nobelpreis

      Folke
      „Das kann nicht weitergehen, er sein viel zu dünn“, versuchte ich mit meinem gebrochenen Deutsch Tyrell am Telefon zu erklären. Kölski, der kleinste der beiden Zwillinge machte sich nicht gut in der Herde und im Gegensatz zu seiner Schwester entwickelte er sich langsam. Ungeschickt torkelte der langbeinige Hengst herum, begleitet von einem Zittern am ganzen Körper. Das konnte ich mir nicht weiter mit ansehen. Krít kümmerte sich nicht um ihn, deswegen nahm ich ihn in meine Arme und legte Kölski behutsam in den Kofferraum. Einige Decken schützten ihn. Mit seinen 4 Monaten wäre er noch auf seiner Mutter angewiesen, aber der Kleine stand die meiste Zeit abseits der Herde und zupfte nur selten am Gras herum. Auch die anderen Fohlen und nahmen Abstand von ihm. Am Hof lud ich Kölski aus und stellte ihn erst mal in eine Box, bevor ich überlegte, wie es weitergehen würde. Tyrell kam auch dazu.
      „Wir sollten Middy und Lundi ebenfalls hochholen. Ich habe schon einige Male beobachtet, dass sie ihn gesäugt hat“, erzählte er mir, während wir den Kleinen in der Box beobachteten. Regungslos stand er da, seine Ohren legte Kölski leicht an. Sein Kopf senkte sich.
      „Hänger oder führen?“, fragte ich kurz.
      „Führe sie ruhig. Middle könnte dann mit zur Zuchtschau in der nächsten Woche“, erklärte mein Chef und ich lief zur Sattelkammer. Middle Ages Kopf war schmal und zugleich sehr lang. Ein passendes Halfter für sie zu finden, stellte sich als nicht so leicht heraus. Ihr Fohlen Lundi würde ihr folgen, somit benötigte er keins.
      „Vart ska du?“, fragte Hedda, als ich mich auf den Weg machte.
      „Jag får in Middy i stallet”, fasste ich mich kurz. Meine Schwester folgte mir und erzählte davon, was sie bereits mit Holy und Eorann heute tat. Die Drei machten zusammen gute Fortschritte und Hedda hatte sich im Laden schon einen Sattel ausgesucht. Unsere Sattlerin war bereits da zum Maße nehmen und wir warteten auf ihr Kunstwerk. Natürlich konnte Hedda sich auch nicht mit der Standardausführung beglücken, sondern die nähte sollten pink sein. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte meine Schwester auch noch eine Verzierung im Leder gewollt und ihre Initialen. Mein Geldbeutel bot das nicht an. Die farbigen Nähte machte meine Schwester jedoch glücklich genug.
      “Middy. Kom nu!”, rief ich laut über die Weide. Einige Köpfe erhoben sich und im Schritt lief die Rappscheckstute zu uns. Ihr Fohlen folgte.
      “Varför täckte ingen av travare dem?”, fragte Hedda neugierig, als ich der Stute das Halfter umlegte.
      “Så … Alfi har täckt Middy för 2021”, klärte ich sie auf. Der Hengst stand die vergangenen zwei Monate bei einigen Stuten und die bisherigen Untersuchungen zeigten, dass alle aufgenommen hatte. Somit trug nun auch Middy einen kleinen Alfi in sich. Meine Schwester interessierte sich sehr für die Pferdezucht, stellte viele Fragen und ließ sich mit kurzen Antworten nicht beeindrucken, sondern wollte es haargenau erklärt haben. Bei einigen ihrer Fragen strauchelte ich und brauchte Bedenkzeit, denn allwissend war ich auf keinen Fall. Nur froh, dass ich die Prüfung zum Pferdewirt bestand. Damals.
      Hedda öffnete die Boxentür und der kleine Kölski spitze aufmerksam die Ohren als Lundi voran diese betrat. Middy wendete ich, bevor ich das Halfter entfernte. Direkt lief der Hengst an das Euter der Stute. Sie legte kurz die Ohren zurück, denn Kölski drückte kräftig mit seinem Kopf in ihr Gesäuge. Das Problem hatte sich wie durch ein Wunder in Luft aufgelöst. Zusammen mit meiner Schwester lief ich zum Büro von Tyrell, dass sich ebenfalls in unseren Hallenkomplex befand. Der Haufen aus Blättern wurde täglich größer oder chaotischer. Schwer zu sagen, denn überall lagen Papiere herum. Vielleicht von beidem etwas. Zwischen losen weißen Blättern entdeckte ich Pässe der Pferde und den ein oder anderen Ordner, der eigentlich in das Regal hinter ihm hinein gehörte.
      „Vielleicht wir brauchen Hilfe im Büro“, schlug ich vor. Tyrell hob seinen Kopf. Augenränder untermalten seine geröteten Augen. Er kniff sie ein Stück zusammen, bevor eine Antwort seinen Mund verließ: “Damit hast du vollkommen recht. Kennst du jemanden?” Ich kannte viele Leute aber eine Bürokraft? Darüber müsste ich zunächst nachdenken.
      “Muss ich fragen”, stellte ich klar.
      “Aber wieso seid ihr denn hier?” Tyrell lehnte sich in seinem großen Chefsessel zurück.
      „Middy lässt Kölski trinken. Auch Lundi hat kein Problem damit“, erzählte Hedda, die besser Deutsch sprach als ich.
      „Das ist schön zu hören. Sonst noch was?“ Seine Stimme klang genervt. Müde. Die Nacht war wohl ziemlich kurz. Als wir das Büro verließen, rief er uns noch etwas nach.
      „Ach Folke. Warte mal.“ Ich drehte mich um und schaute vom Türrahmen aus zu ihm. „Könntet ihr noch das Zimmer für Lina fertig machen? Außerdem müsstest du noch mit der Dame telefonieren von der Rennbahn. Ihr Englisch ist nicht wirklich gut“, erklärte Tyrell. Ich nickte und Hedda blickte mich erwartungsvoll an.
      “Vilken kvinna från tävlingsbanan menade han?”, erkundigte sie sich.
      “Du behöver inte alltid veta allt, men i morgon kommer din otålighet att vara nöjd.” Ein herzliches Lachen meinerseits ertönte. Hedda konnte sehr ungeduldig sein, vor allem wenn es etwas wie Geheimnisse vor ihr gab.
      “Säg det nu!” Sie protestierte lautstark und verschränkte die Arme. Ich ging auf ihr kindisches Verhalten nicht weiter ein, stattdessen blickte ich zur Uhr. Demnächst wird es dunkel und in ein paar Tagen kommt Vriska zurück mit unserer Neuen. Als das Horse Makeover startete, hatte sie schon mal gesehen, dort wechselten wir nur wenige Worte miteinander. Doch freute mich auf mehr Unterstützung, obwohl die Menge an Pferden am Hof stark abgenommen hat, seitdem die meisten Stuten auf den Zuchtweiden standen.
      „Det är tråkigt. Jag går till fåren”, sagte Hedda und verließ das Zimmer. Noch nicht lange standen die Schafe am Hof, die zur staatlichen Förderung notwendig waren und sich ebenfalls hervorragend machten zur Fellproduktion. Bisher hatte Vriska Wolle bestellt, um Filzpads herstellen zu lassen. Der Blick aus der großen Fensterfront weckte alte Erinnerungen, in den Hedda deutlich jünger war und doch so wissbegierig wie heute. Sie spielte auf einer der Wiesen an der Rennbahn, während ich einen der wirklich bekloppten Traber fuhr. Der Sohn meines Chefs hatte Spaß daran mich leiden zu sehen. So gab er die wirklich schwierigen Fälle an mich weiter, um auf den Rennen glänzen zu können. Seltsamerweise mochte ich Henne dennoch sehr gern, eine Zeit lang vermute ich, ihn zu sehr zu mögen. Der Gedanke verschwand wieder. Einiges kam hoch seit seinem Besuch im letzten Monat.
      „Folke? Är du här?“ Eorann stampfte die Holzstufen hoch und die Dielen der Terrasse knarrten.
      „Jaaaaa“, rief ich aus der Wohnung und schüttelte das Kissen aus. Das Bett war somit bezogen, der Staub gewischt und nur noch Handtücher fehlten, die Lina sich bei der Ankunft selbst aussuchen durfte.
      „Tyrell har en dålig tag till idag, va?”, stupste mich die rothaarige an.
      „Om du säger så.” Mein Eindruck war ein anderer. Natürlich überkam es ihn nicht mit größter Freunde aber lauter wurde er mir gegenüber heute nicht. Generell hatte Tyrell sich in den vergangenen Tagen deutlich besser unter Kontrolle. Seine täglichen Wutausbrüche wurden immer mehr zu einer Seltenheit und er setzte vieles daran, die Teamfähigkeit zu verbessern.
      „Henne ringde och frågade om du kunde gå till stuteri den här veckan”, erklärte sie und drückte mir mein Handy in die Hand. Henne schickte mir vorher einige Nachrichten, dass er dringend mit mir sprechen müsste und es eine Art Problem gäbe. Es schien wirklich wichtig zu sein, denn normalerweise wartete er meine Antworten ab, bevor er mich anrief. Telefonieren war keine seiner Stärken.
      „Tack“, fasste ich mich kurz und formulierte sogleich eine Antwort an ihm. Eorann stand wie angewurzelt vor mir, machte keine Anstalten zu verschwinden.
      „Får jag stanna hos dig idag?”, rückte sie endlich heraus nach einigen Minuten.
      „Javisst”, antwortete ich und lief an ihr vorbei, die Treppe herunter, um die verbleibenden Pferde am Stall auf die Weiden zu bringen. Frost, der sonst das einfachste Pferd im Umgang war, zappelte besonders herum. Noch nicht lange stand er oben Hof, denn der Hengst entwickelte sich langsam. Rassenuntypisch war er rechteckig und wurde immer länger im Rumpf, statt seiner Beine. Nach einer tiefen Durchleuchtung seiner Knochen und vor allem Gelenke zeigte sich, dass Frost ein gesunder junger Hengst war. Frost stand zusammen mit Mask und Walki auf der Weide. Im Stall teilten sich die beiden jüngeren eine Box. Tyrell plante noch, ob Walki dieses Jahr erneut decken durfte die übrigen Stuten. 2019 wurden bereits zwei wunderschöne Nachkommen geboren, die auf den Fohlenschauen gut platziert wurden. Uns alle machte diese Entwicklung der Zucht stolz. Keiner rechnete damit, dass die Fohlen neben den Gebäudenoten auch im Gang noch besser abschnitten. Von den Stuten zeigte sich Mill vielversprechend. Sie sprudelte vor Energie und verbracht enorme Zeit damit, im Pass entlang des Zaunes zu rennen. Die anderen Stuten schauten nur zu ihr und machten keine Anstalten sie einzuholen. Wenn es nach mir gegangen wäre, würde sie bereits am Sulky laufen und im Herbst auf der Rennbahn die Abschlussrennen mitlaufen. Doch Tyrell weigerte sich vehement dagegen, denn junge Pferde in dem frühen Alter schon zu fahren, wäre nicht förderlich. Außerdem überlegte er, sie dieses Jahr erneut zu einem der Hengste zu stellen, da Hell Vetica eine wirklich tolle Stute war. Nur deswegen standen sie beide oben am Hof statt mit den anderen draußen im Wald.
      „Vart ska du?”, nervte Hedda wieder, als ich zum Auto lief. Sie kam von den Schafen wieder und sah keine Notwendigkeit darin, mir einen gewissen Freiraum zu lassen.
      „Du bryr dig inte. Eorann väntar på dig.“ Ihre Widerworte ignorierte ich und stieg in das Fahrzeug. Mit dem Schlüssel in der Getränkehalterung startete ich den schwarzen Geländewagen und fuhr langsam vom Parkplatz auf den Hauptweg, um zur Ausfahrt des Hofes zu gelangen. Am Wegesrand warfen die Bäume unregelmäßige Schatten auf die Straße, irritierten mein Blick. Ich war der einzige auf diesem abgelegenen Weg Richtung Kalmar.
      „Tack för att du kom så fort“, begrüßte mich Henne als ich aus dem Wagen stieg. Nach so vielen Jahren wieder auf dem Schotter zu stehen mit dem Blick zur Trainingsbahn und Weiden in ihr, machte mich nachdenklich. Den größten Teil meines Lebens verbrachte ich hier, entschied mich jedoch dafür Neues kennenzulernen und das Angebot von Tyrell war unschlagbar. Durch eine klassische Anzeige in der Wochenzeitung wurde ich aufmerksam auf das Lindö Dalen Stuteri und deren Konzept zeigte mir bessere Möglichkeiten. Natürlich arbeitete ich dort mehr, aber sie war weniger strapazierend. Ich tat es gern. Auch Hedda bekam die Möglichkeit näher an den Pferden zu sein, ohne ständige Kritik hören zu müssen. Zum Testen verbrachten wir beide meinen Urlaub auf dem Hof. Mit Tyrell hatten wir Schwierigkeiten warm zu wärmen, da seine Ansprüche ziemlich hoch waren, doch die Arbeitet mit seinen Pferden hielten meine Zweifel gering. Besonders die Hengste waren viel umgänglicher und auch die Stuten waren interessiert an dem Umgang mit mir.
      „Varför är jag här?“, fragte ich reserviert und folgte Henne sogleich in den Stall. Wir landeten vor Architekkts Box. Mit dem Hengst bin ich mein erstes Amateurrennen gefahren, als gerade mit meinem Schein begann und einige Jahre später die Pferdewirtausbildung. Der alte Hengst begleitete mich die ganze Karriere über. Als ich Archi, so nannten wir ihn immer, betrachtete, wirkte er sehr untrainiert und außer Form. Der Rücken und die Kruppe waren einfallen. Am ganzen Körper zeichneten sich seine Jahre ab, die er mit sich trug. Dabei lag das Augenmerk auf den Dellen, die die Sulkygeschirre bei ihm hinterließen. Es machte mich traurig ihn so zu sehen. Wir hatten bereits einige Nachkommen von ihm bei uns am Hof. Tyrell ließ Archi mehrfach an der Hand Stuten decken. Maskkenball, der noch immer kein Zuhause fand, entwickelte sich prächtig. Doch auch Yumyulakk, ein Zuchtfohlen aus dem vergangenen Jahr, machte seinem Vater allen Ehren. Dieses Jahr wurde Stokkholm geboren, die eine Vollschwester zu Maskki war. Alle drei zeichneten sich durch ihr besonders gleichmäßige Gebäude aus. Einen klaren Pass liegen sie ebenfalls schon.
      „Far vill att Archi slaktas, men vi ville prata med dig om det först“, begann Henne zu erzählen und strich dem Hengst sanft über den Hals. Schockiert über das Wort Schlachten, wich ich einige Schritte zurück. Ich benötigte einige Sekunden, bis ich begriff worum es sich handelte. Sie boten mir an den Hengst zu übernehmen, doch mir fehlten die Möglichkeiten dafür. Um Holy zu finanzieren, arbeitete ich bereits mehr Stunden und wenn nun noch ein Pferd dazu käme, würde ich vermutlich gar keinen Schlaf mehr finden.
      „Jag måste diskutera det här med min chef först. Hur dags måste jag fatta beslutet?“, überkam es mich diplomatisch. Meinen Stolz über diese Antwort feierte ich innerlich. Ich verzog keine Miene, um die Schwierigkeiten der Finanzierung zu überspielen.
      „Tre dagar, sen blir han upphämtad“, antwortete er locker und holte aus seiner Hosentasche ein Leckerli, das Archi sogleich verschlang.
      „Okej, då ringer jag dig“, gab ich ihm zur Kenntnis und verließ schlagartig wieder den Stall. Der Anblick des Hengstes schmerzte.

      Tyrell
      Jeder, der mich noch vor einigen Jahren mit einem Wort beschreiben hätte müssen, würde Ordnung sagen. Doch wie ich das Büro überblickte, war dieser Raum alles andere als ordentlich. Das wurde mittlerweile zum Standard, was das Zimmer betrifft. Suchen, nach einem Dokument, wurde jedes Mal zu einem noch größeren Chaos. Ich griff das erste Blatt vom Stapel. Dabei handelte es sich um die Rechnung der Tierärztin, die zur Kontrolle von Wunderkinds Beinverletzung ausgestellt wurde. In der Stallsoftware prüfte ich den Scan sowie den Zahlungsausgang. Erledigt. Somit konnte dieses Blatt im Schredder vernichtet werden. Als nächstes Griff einen Notizzettel von der letzten Woche: „Lina anmelden.“ Mist! Ich hätte in meinem Handy eintragen sollen, denn jetzt, am Samstag, war es zu Spät dafür. Am Dienstag würden die beiden landen. Ich verfasste eine Nachricht an Vriska, dass sich die Einreise etwas schwieriger Gestalten würde, doch ich das vor Ort mit den Beamten kläre. Auch erledigt, ab in den Müll mit dem Zettel.
      So verging die Zeit, bis es dunkler wurde. In Skandinavien gab es nicht die typischen Sommernächte, wie in Deutschland. Es war nicht tief schwarz, eher gedimmt. Tatsächlich hatte ich es geschafft, dass die Oberfläche des Tisches an einigen Stellen heraus blitzte. Zufriedenstellte ich das Licht ab und verließ das Zimmer. Es blieb nun noch Zeit mit einem Pferd in die Reithalle zu gehen. Ich versuchte es, in den letzten Tagen einmal am Tag zu reiten, das tat nicht nur meinem Körper ganz gut, sondern auch meinem Geiste. Auf der Liste stand noch Flyma. Ich griff nach ihrem Halfter, dass ordentlich bei ihrem weiteren Zubehör hing und lief zum Stutenpaddock, der sich auf der anderen Seite des Hofes befand. Vriska konnte bereits einige Erfolge mit ihr erzielen, so musste man sich keine Sorgen mehr machen, dass wie angewachsen auf dem Paddock stehen blieb. Flyma folgte seit dem stets dem Menschen und schnupperte neugierig an der Kleidung. Irgendwo könnte sich schließlich ein Leckerchen verstecken, wobei sie heute richtig lag. Nachdem ich das Halter über ihren gezogen hatte und an der Seite verschlossen war, holte ich aus der Hosentasche ein Bananen Leckerli heraus. Gierig kaute sie und schluckte es herunter. Freundlich lobte ich Flyma. Zusammen liefen wir zum Stall.
      Ich stellte sie in der Putzbox ab und begann sie zum Reiten fertig zu machen. Eher schemenhaft vernahm ich, dass ein Auto dem Schotterweg zum Parkplatz fuhr und der Motor abgestellt wurde. Als ich meinen Helm aufsetzte und das Reithalfter schloss, kam ein vollkommen aufgelöster Folke zu mir.
      „Ich habe Problem“, sagte er und fasste sich durchs Haar. Ich drehte mich zu ihm um und führte Flyma ein Stück heraus. Sie begann auf dem Gebiss zu kauen.
      „Was ist denn los?“, fragte ich freundlich.
      „Henne will Archi Schlachten, aber … aber das geht nicht“, noch immer aufgelöst stotterte Folke vor sich hin, schien die richtigen Worte zu suchen. Kurz dachte ich nach, welches Pferd meinte er? Dann kam mir der alte Hengst ins Gedächtnis, der im vorigen Jahr die Schwarze erneut gedeckt hatte und dieses Jahr ein tolles Fohlen zur Welt brachte.
      „Welche Notwendigkeit sollte es dafür geben? Er war doch soweit kerngesund. Da verstehe ich, dass das nicht geht“, stimmte ich ihm zu. Folke überlegte und tippte auf seinem Handy herum, dann las er vor: „Mir fehlt das Geld, aber er hätte bei uns ein besseres Leben.“
      „Wenn du ihn übernimmst, ist das okay. Archi könnte dann mit dem Decken die Standgebühren übernehmen“, schmunzelte ich und tief erfreut warf er sich um meinen Hals. Ich klopfte ihm mit meiner freien Hand auf den Rücken.
      Über das Tor zwischen den Räumen betrat ich die Halle und legte mein Handy in der dafür angelegten Ablage ab. Sogleich erklang die Reitplaylist und ich gurtete in der Bahnmitte erneut nach. Die Steigbügel waren noch in der richtigen Linie. Vom Unterricht am Vormittag standen noch die Pylonen, die ich zu einem späteren Zeitpunkt beim Warmreiten mit Einbinden konnte. Nach ein paar Runden im Schritt am langen Zügel durch die ganze Bahn auf der linken und rechten Hand, nahm ich allmählich mehr Kontakt zum Pferdemaul auf. Mit sinnvollen Übungen im Schritt begannen wir. Jeden Moment bereitete ich mich darauf vor, dass Flyma ihre 5 Minuten bekommen könnte und bockend durch die Halle rannte. Sie schleifte mit ihren Hufen durch den Sand. Er war tief. Mehrfach stolperte Flyma und wirkte unkonzentriert. Ihr Ohrenspiel war auf das nötigste reduziert und immer wieder verlagerte sich das Gewicht auf die Vorderhand. Mit einigen Hilfen animierte ich sie dazu, aktiver vorwärtszulaufen. Flyma hatte Schwierigkeiten dabei, einmalige Hilfen als eine dauerhafte zu verstehen. Vorher würde sie mit Dauerbeschallung geritten und war geübt darin, sich auf ihren Reiter zu verlassen. Wir begrüßten es jedoch ein selbstständiges denkendes Pferd unter dem Sattel zu haben, dass dennoch in der Lage war, auf weitere Anweisungen zu warten. Auf großen gebogenen Linien forderte ich bereits im Schritt erste Biegungen im Genick und stellte sie mit der Schulter. Flyma kannte Seitengänge bisher nur aus dem fortlaufenden Training, deswegen ich diese nach dem Trab erst forderte. Mithilfe der Pylonen verkürzte ich sie allmählich, denn es war noch immer ziemlich warm draußen und sie stand bis dato auf dem Paddock. Ihre Gelenke erwärmten sich schneller und begann im Trab die gebogenen Linien zu verkleinern.
      Das Training in der Halle mit der Buckskin Stute verlief sorgenfrei. Sie wurde aufmerksamer und konnte bereits einige Schritte im Schulterherein traben. Die Anfänge einer Travers zeigten sich ebenfalls. Zufrieden bereitete ich ihr Futter vor und brachte sie im Anschluss auf die Weide. Folke hatte alle anderen schon herausgestellt und somit ging ein erfolgreicher Tag zu Ende.
      In der Wohnung ließ ich mich erschöpft auf die Couch fallen. Aus meinem Fernseher schallte die Nachrichtensendung, es geht um die hohe Anzahl von Alkoholikern in Finnland sowie Bränden in Kalifornien. Als ich so darüber nachdachte, wozu ich überhaupt ein Fernsehgerät besaß, griff ich zu meiner Hosentasche, um festzustellen, dass mein Handy noch in der Halle lag und ich zusätzlich die Reithose trug. Genervt stemmte ich mich von der Couch und zog mir meine Schlappen an. Zum Glück fuhr das Rolltor des Stalles auf Knopfdruck auf und innerhalb weniger Minuten hatte ich mein Handy wieder. Die Musik lief noch, woran ich hätte erkennen müssen, dass ich etwas vergaß. Vriska hatte mir bisher nicht geantwortet, doch ich hatte eine andere Nachricht empfangen: „Tut mir leid, dass ich mich nicht verabschiedete. Eins meiner Pferde zu Hause hatte einen Unfall und ich musste zurück. Ach ja, hier ist Linda, falls du dich nicht erinnerst. Würde mich freuen, dich wieder zusehen!“
      Aufmerksam las ich die Nachricht, bevor das Handy wieder in der Hosentasche verschwand. Eine Antwort verfasste ich nicht. Stattdessen taumelte ich müde in das Badezimmer und ließ mich vom lauwarmen Wasser der Dusche berieseln. Ich dachte darüber nach, wie wir die Auflagen der Freizeitgestaltung noch besser umsetzen konnten. Neben dem geplanten Showreiten mit den Kühen könnte man das Ferienangebot für Gäste noch erweitern mit Kutschfahrten oder Sulkytouren durch den Wald. Doch dafür fehlte es nicht nur an den Ressourcen, sondern vor allem an den Pferden. Wir hatten mittlerweile eine solide Anzahl an Pferden vor Ort, jedoch bildeten die meisten von ihnen einen Teil der Zucht und andere waren noch zu jung, um Gästen zur Verfügung gestellt zu werden. Schweden sollte die Möglichkeit werden meinen Traum eines Rennstalls mit Trabern in Verbindung mit der Reitkunst und Elementen der portugiesischen Reitweise in die Tat umzusetzen. Doch jetzt, mehrere Jahre später, stellte es sich als ein großes Desaster dar. Ich hatte eine große Zucht von potenziellen Rennpferden ins Leben gerufen. Die Fohlen und Jungpferde waren großartige Tiere, die mit viel Liebe aufwuchsen. Umso mehr schmerzte es, sie dem Druck eines Rennens auszusetzen. So kannte Frost gerade einmal das Gebiss mit sechs Jahren und stand bereits in der Führanlage. Hingegen Form, die aus demselben Jahrgang stammte, bereits auf einem hohen Niveau in der Dressur trainiert wurde. Ein Turnier durfte sie aber auch noch nicht betrachten. Vriska, die gerade einmal zwei Wochen nicht da war, wurde am Hof gebraucht. Letzte Woche war ein Turnier und dort hätte sie die Stute vorstellen sollen. Meine Zeit für Veranstaltungen in dem Ausmaß endete bereits in Deutschland. Bruce Ritt im Normal die Pferde auf dem Turnier und verfügte auch für die notwendige Geduld.

      Am nächsten Tag …

      Langsam tropfte der Kaffee aus der Maschine in eine Tasse, als es an der Tür klopfte. Noch vom Duschen nur mit einem Handtuch umwickelt, öffnete ich die Tür meines Hauses.
      „Guten Morgen“, begrüßte ich Folke, der mich verloren und etwas irritiert anblickte.
      „Ich soll Archi jetzt abholen“, stammelte er.
      „Ja gut, dann los. Nimmst du dann auch Waschprogramm mit?“
      „Okay“, antwortete er kurz, drehte sich um und ging. Kritische Blicke warf ich ihm nach. Die Kaffeemaschine verlangte wieder meine Aufmerksamkeit. Penetrant begann sie zu piepen. Genervt drückte ich mehrfach auf dem Knopf und nahm einen kräftigen Schluck aus der Tasse. Umgehend spuckte ich die Flüssigkeit in das Waschbecken. Ich hatte nicht bedacht, wie warm der Kaffee war und verbrannte mir die Zunge. Das hätte ich kommen sehen müssen. Stattdessen stellte ich das Gefäß zornig auf die Arbeitsfläche und verschwand im Schlafzimmer, um mir etwas Anständiges anzukleiden. Wie am jeden Morgen holte ich ein frisches Hemd heraus und griff zur Reithose, die über dem Herrendiener hing. Die Socken waren nur halbhohe. Ich blickte auf meine Uhr, die an meinem linken Handgelenk hing – 8:30 Uhr. In einer halben Stunde begann die Bürozeit und es blieb noch Zeit zum Frühstücken. Aus dem Hängeschrank nahm ich die Haferflocken heraus und im Kühlschrank war noch ein Schluck in der Milchflasche des Bauern einen Hof weiter. Langsam sollte ich neue holen. Ich setzte mir direkt eine Erinnerung am Handy, dann steckte ich es zurück in meine Hosentasche.
      Kurz vor 9 Uhr öffnete ich die Tür des Büros und überblickte den Rest des Chaos. Die Ordner waren bereits einsortiert im Regal und die Pässe ebenfalls. Nun blieben nur noch viele lose Blätter, die vor allem aus Rechnungen und Anträge bestanden. Ich setzte mich an den Schreibtisch und begann umgehend zu sortieren. Erste Seiten verschwanden im Schredder oder im passenden Ordner. Etliche Rechnungen beglich direkt am Computer.
      In der rechten oberen Ecke des Bildschirmes tauchte ein Pop-up auf ‚eingehender FaceTime Audio-Anruf‘ mit einer deutschen Vorwahl. Interessiert nahm ich ab.
      „Lindö Dalen Stuteri. Sprechen mit Tyrell, was kann ich für Sie tun?“, fragte ich.
      „Hallo Herr Earle, gut das Sie erreiche. Hier ist Martina“, sagte eine nette Stimme. Kurz dachte ich darüber nach, wer sie sein könnte.
      “Martina? Die Freundin von Mama?”, hakte ich nach. Sie bestätigte meine Annahme und bevor sie zum Grund des Anrufes kam, sprachen wir über die Familie und wieso ich mit Bruce nun in Schweden bin. Ich freute mich darüber, dass jemand aus dem engen familiären Kreise anrief.
      “Es geht darum, dass Eve für vier Monate nach Schweden geht wegen ihres Studiums und deine Mutti hat beim Kaffee trinken erzählt, dass ihr drüben seid. Du kennst sie ja, Raleigh lässt sie nicht hier. Deswegen wollten wir fragen, ob sie in der Zeit ihn zu euch stellen kann und bei euch wohnt”, erklärte Martina. Ich dachte darüber nach, ob wir überhaupt den Platz für einen Kaltblüter Hengst hatten, aber natürlich. Platz gab es genug.
      “Lässt sich einrichten, aber arbeiten kann sie bei uns leider nicht. Dafür haben wir zu wenig Arbeit und ab nächster Woche sogar noch eine neue Mitarbeiterin”, informierte ich sie weiter. Dann sprachen wir über den weiteren Verlauf. Dabei merkte ich wieder, wie kurzfristig Leute wichtige Dinge klärten. Bereits in der nächsten Woche sollte der Hengst herkommen, da Eve längst in Kalmar ist und ihr Praktika macht. Somit war für die nächste Zeit eins Ferienhäuser vermietet. Heute wollte Eve sogar noch kommen. Martina gab die Nummer weiter, sodass ich den Termin vereinbaren konnte.
      Ich musste Grinsen. Bruce, der nur drei Jahre älter als sie war, fand Eve schon immer toll. In der Grundschulzeit versteckten sie sich immer im Heulager oder Ritten mit den Ponys in den Wald. Ich belächelte die beiden, denn zur gleichen Zeit bestritt ich die ersten Turniere und trat in die Fußabdrücke der Familie. Die folgenden Jahre sahen sie einander nur in den großen Ferien, da Bruce auf das Internat wechselte und ebenfalls die reiterliche Karriere ausbaute. Mit Raven erzielte er viele Siege, bis zu dem Unfall von Mutter und seinem Wallach. Mein Bruder änderte sich. Er verkroch sich in seinem Zimmer bis die Isländer bei einer Reise sein Herz eroberten. Ich vermisste den Kleinen.
      Der Transporter fuhr auf dem Schotterweg zum Eingang des Stalls und hielt. Ich verließ das Büro und half Folke dabei, die Hengste auszuladen. Langsam öffnete ich die Seitentür des Transporters und zwei Pferde blickten freundlich zu mir. Neugierig stupste Waschprogramm mich an, während ich meine Handschuhe anzog. In der Zeit ließ Folke die Rampe ausfahren. Dann holte jeder einen der Hengste aus dem Transporter und wir führten sie in den Stall. Die beiden letzten Boxen hatte Folke vor seiner Abfahrt bereit mit Spänen und Heu. Die Selbsttränken waren ebenfalls gesäubert. Ich entfernte noch die Gamaschen und Glocken, bevor Waschi seinen neuen Schlafplatz begutachten konnte. Gleichzeitig öffnete Folke die Türen zum Paddock, damit sie sich die Beine vertreten konnten. Alfi, der mit Lu einige Boxen weiter stand, blickte interessiert über den hohen Zaun der Boxenpaddocks. Er wieherte einige Male, was Archi erwiderte. Der Hengst sah nicht gut aus und hatte in letzten Monaten offensichtlich sehr abgebaut. Zuletzt sah ich ihn im vorherigen Jahr, als er Nachtschatten und Betti deckte.
      “Am besten füttern wir ihm die Zusatzmischung aus dem roten Eimer”, schlug ich Folke vor, der sogleich zur Futterkammer lief und mit einer Schüssel wieder kam. Er hatte bereits die Mashmischung vorbereitet und Schwefel mit zugemischt. Interessiert trat Architekkt an die Boxenfront und brummte. Gierig verschlug der alte Hengst sein Futter.
      „Ich möchte dich ungern von deinem neuen Pferd trennen, aber da sind einige andere Tiere, die deine Aufmerksamkeit verlangen“, klopfte ich auf seine Schulter und verschwand wieder im Büro zum Sortieren.
      Ich beobachte beim Blick in die Stallgasse, dass Folke Lu fertig machte. Er hatte bereits den Sattel auflegt und locker gegurtet. Sie verschwanden aus dem Tor und ich wendete mich wieder den Blättern zu. Langsam aber sicher hatte ich den Papierkrieg gewonnen. Noch wenige lagen auf dem Tisch herum.

      Folke
      Es wurde Nachmittag und wir alle überstanden die wärmende Mittagssonne. Lu arbeitete Aufmerksam mit, empfand den Sattel jedoch als eine unbekannte Last und streckte immer wieder den Kopf hektisch nach oben. Die Steigbügel entfernte ich. Es war erst das zweite Mal, dass etwas auf seinem Rücken und machte dafür eine gute Figur. Das gewünschte Vorwärts Abwärts, dass er eigentlich bereits beherrschte, schien heute ein Fremdwort gewesen zu sein. Doch die Hoffnung war groß, in der nächsten Woche das erste Mal Vriska auf ihn zu setzen. Seine Mitstreiterin Fried verstand bereits, dass der Sattel keine Bedrohung darstellte und sah neugierig nach, wenn ich ihr etwas auf den Rücken legte und es herunterfiel. Sie sollte lernen zu schauen, statt die Flucht zu ergreifen. Die beiden Sonderfälle waren somit abgearbeitet und holte Nobel aus seiner Box, um eine entspannte Runde am Sulky mit ihm durch den Wald zu fahren. Es standen noch die Weidekontrollen des heutigen Tages auf dem Plan, die ich somit gleich mit abhaken konnte. Gelassen legte sich der Fuchshengst in die Anbinder und genoss die tägliche Massage beim Putzen. Nobel verspannte schnell im Rücken und es half ihm dabei, locker zu bleiben. Während ich das Geschirr anlegte und den Sulky vorbereitete, kam Hedda in den Stall.
      „Jag är tillbaka“, sagte sie Bescheid und ich nickte nur.
      „Du kan se fram emot lite mer“, protestierte meine Schwester direkt und nahm mir willkürlich die Trense aus der Hand.
      „Du är irriterande. Det var tystare än du inte var där!“, beschwerte ich mich und riss die Trense wieder an mich. Nobel erhob seinen Kopf und legte die Ohren. Beruhigend strich ich dem Hengst über den die Stirn.
      „Då har du väl inga problem om jag åker tillbaka till Cersty?“, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf und Hedda verschwand.
      “Skriv till mig när du anländer!”, rief ich ihr noch nach. Leise vernahm ich eine Zustimmung und widmete mich wieder dem Pferd. Cersty war ihre beste Freundin, die Kalmar lebte. Mit Pferden hatte diese nicht viel zu tun. Sie liebte es sich auf den Tieren fotografieren zu lassen, doch sobald es sich auch nur einen Millimeter bewegte, schrie sie hysterisch auf. Deswegen bevorzugte es Hedda zu ihr zu fahren. Da aktuell noch die großen Ferien waren, gab es auch kein Problem, wenn sie in der Woche zu ihr fuhr. Meistens wurde sie am Hof abgeholt, da Cersty einen älteren Freund hatte, der bereits ein Auto besaß. Das Lindö Dalen Stuteri war mit dem öffentlichen Verkehrsmitteln eher schwer zu erreichen. Ein Bus fuhr nur zwei Mal ab Tag und umkreiste dabei die ganze Halbinsel. Es dauerte somit eine Ewigkeit, bis man in der Stadt ankam. Sowohl Auto und auch Fahrrad waren unverzichtbare Verkehrsmittel. Oder wie ich es häufig machte – ich nahm mir eins der Pferde und fuhr mit dem Rick oder dem Sulky zum nächsten Geschäft. Man kannte sich in Schweden und die Einwohner freuten sich, unsere Pferde zu sehen.
      Im Schritt fuhr ich aus dem Stall. Wenn wir nicht trainierten, versuchte ich Nobel ohne Scheck zu fahren. An einigen Tagen stellte es sich als eine schlechte Entscheidung heraus, doch heute hatte ich ein gutes Gefühl. Die Vögel sangen im Wald und leise säuselten die Blätter im Wind. Es war ein typischer Frühabend im Schweden und der Himmel tauchte auch in ein wunderschönen rosa Ton. Die wenigen Wolken am Himmel leuchteten förmlich durch die Reflexion der untergehenden Sonne. Sommer war schon immer meine Lieblingsjahreszeit. Die Menschen verhielten sich noch freundlich als sonst und auch das Midsommerfest war wie jedes Jahr ein Vergnügen. Aus der Entscheidung heraus fassten wir den Entschluss im nächsten Jahr ebenfalls eins zu veranstalten. Neben einer kleinen Showeinlage für die Zuschauer sollte es ein Hofturnier geben, zu dem jeder herzlich eingeladen ist. Zumindest besprachen wir das so letzte Woche.
      Im Schritt bogen wir rechts auf den Weg ab, der entlang der Koppel führte. Neugierig kamen die Pferde von beiden Seiten zum Zaun. In Höhe der Wassertröge hielt ich Nobel an. Bei den Stuten waren sie noch ziemlich gefüllt, doch die Junghengste hatten kaum noch etwas. Also stieg ich bin Sulky, nahm den Schlauch in den Trog und öffnete das Ventil des Wasserbehälters. Das Wasser schoss heraus und mehrere Minuten später, war alles gefüllt. Ruvik, mit dem Tyrell eigentlich wieder regelmäßiger Arbeiten wollte, stand seit einigen Monaten bei den Heranwachsenden. Es war nicht leicht ihn in die Gruppe zu integrieren, doch die Weide verfügte über genügend Platz, dass sich die Pferde aus dem Weg gehen konnten. Meistens stand er jedoch mit Death zusammen, einem Vollblut Hengst, den Tyrell irgendwann als Reitpferd ausbilden wollte und zum Veredeln der Standardbreds nutzen würde. Doch es stand noch in den Sternen, was mal auf ihm werden würde. Schließlich war der kleine gerade mal ein Jahr alt. Auf der anderen Seite knüpfte Nobel Kontakte mit den Stuten. Neugierig beschnupperten Liv und Zoi den Hengst. Immer wieder quatschte es und weitere Stuten kamen dazu.
      „Kom nu“, sagte ich Nobel und trieb energischer vorwärts. Widerwillig setzte ich sich in Gang und schritt vorwärts. Bei der nächsten Möglichkeit bogen wir links in den Wald ab und er setzte im langsamen Pass an. Im Genick blieb er locker und ich konnte ihn in einem ruhigen Tempo halten.
      Wir fuhren auf den Hof ein, als ich sah das zwei junge Leute an dem Paddock von Holy und Girlie standen. Eine der Beiden kam auf mich zu, als ich Nobel zum Halten brachte.
      „Ich bin mit Tyrell verabredet“, erklärte sie mir. Ich nickte und ließ die beiden mir zum Stall folgen. Dort zeigte ich auf die Hütte, in der sich das Büro befand. Sie bedankte sich und lief die Treppe nach oben. Dann drehte ich mich wieder zu Nobel, der von der Fahrt vollkommen verschwitzt war. Den Sulky hing ich zuerst ab und entfernte das Geschirr. Er stand frei im Gang aber rührte sich nicht von der Stelle. Erst als ich zur Futterkammer ging, folgte der Fuchs mir wie ein Hund. Neugierig beobachtete er, wie ich die Schüssel fertig machte mit verschiedenen Futtermitteln. Wir mischten zu großen Teilen unser Müsli selbst, um individuell auf die Bedürfnisse der Pferde eingehen zu können. Im Profil konnte jeder Einsehen wie viel das Pferd bekam und musste nur noch abgewogen werden. Mit der Schlüssel in der Hand liefen wir gemeinsam zu seiner Box. Dort stelle ich sie ab und schloss die Tür.
      Genüsslich hörte ich ein Schmatzen, während ich zur Box unseres Sorgenkindes lief. Kölski spielte mit seinem neuen Freund Lundi. Zuvor konnte man nie beobachten, dass der kleine Hengst sich überhaupt bewegte. Zur Kontrolle störte ich sie und tastete vorsichtig seinen Bauch ab. Er war noch aufgebläht aber deutlich weicher. Middy hatte ein noch größeres Euter gebildet, um beide Fohlen versorgen zu können. Glücklich lobte ich auch sie und verließ den Paddock.

      © Mohikanerin // 35.098 Zeichen
      zeitliche Einordnung {August 2020}
    • Mohikanerin
      [​IMG]

      kapitel nio | 9. Dezember 2021

      Vrindr // Lubumbashi // Form Follows Function LDS // Erlkönig // Alfred’s Nobelpreis // Satz des Pythagoras // Vintage // Forbidden Fruit LDS

      Vriska
      Lubi mümmelte genüsslich ihr Heu, wie alle anderen Pferde auch. Ansonsten war es still im Stall. Trymr lag neben mir auf dem Boden und beobachtete jeden meiner Schritte, während ich der Stute die Decke wechselte und die Transportgamaschen anlegte. Immer wieder sah ich auf mein Handy, hoffte, dass Niklas endlich da sein würde. Erik hatte sich noch immer nicht gemeldet, als hätte es uns nie gegeben, als würde sein haariger Freund nur ein lästiges Anhängsel sein, den er bei irgendjemanden abladen musste. Den ganzen Tag über lief der Hund mit den gespitzten Ohren vor die Tür, vermutlich in der Hoffnung, dass sein Herrchen wieder kommen würde, aber die Enttäuschung war groß, wenn nur einer der Einsteller kam oder Eltern ihre Kinder zum Unterricht vorbeibrachten. Bruce hatte heute bereits zwei seiner Pferde mit in den Reitunterricht eingebaut und alles wirkte so unglaublich vertraut, wie vor drei Jahren. Vor drei Jahren, als ich die Familie kennenlernte und auch mein Herz verlor auf dem Rücken der Tiere. Ich hatte mir Vrindr geschnappt, eine junge und äußerst sture Jungstute aus seiner Zucht. Auf der Ovalbahn drehten wir unsere Runden.
      „Da bist du“, unterbrach Niklas meine innerliche Tageszusammenfassung.
      „Wo dachtest du, sollte ich sein?“, fragte ich, „im Bett wartend auf dich, um von meinem Ritter mit geschwellter Brust gerettet zu werden?“
      Ich lachte.
      „Das wäre mal gewesen!“, grinste auch er, „aber nein, ich dachte schon draußen. Also beeil dich.“
      „Ja, ja. Ich komme schon“, sagte ich, griff nach dem Strick und öffnete die Tür der Box.
      Neugierig erhob sich der Kopf der großen Stute und ihre dunklen Augen funkelten mich erwartungsvoll an. Freundlich strich ich ihr über den Kopf. Dann hängte ich den Strick in den unteren Ring und führte sie hinaus. Hinter mir schaltete ich das Licht aus.
      „Muss der Hund wirklich mit?“, fragte mich Niklas, als Lubi selbstständig die Hängerklappe hinaufstieg und er auf der Fahrerseite einsteigen wollte. Auch mir war nicht ganz wohl bei der Sache, aber offensichtlich ging ich nun unter die Hundebesitzer.
      „Natürlich“, antwortete ich trocken. Dann öffnete ich eine der hinteren Türen, damit er es sich auf der Rückbank bequem machen konnte. Innerhalb von Sekunden verteilten sich kleine graue Haare auf die Rückbank. Ich verstand nun auch, warum Erik so einen Überzog hatte. Vielleicht sollte ich das auch noch kaufen gehen.
      „Warum hast du denn noch?“, kam Niklas auf das Thema über Trymr zurück, während ich noch immer verträumt in seine Richtung sah.
      „Weil“, überlegte ich laut, „ich denke, dass ich mich sonst ziemlich einsam fühlen würde.“
      Verblüfft sah Niklas zu mir, seine Augenbrauen zogen sich zusammen und auf seiner Stirn bildeten sich exakt zwei Falten. Falten, die er von seinem Vater hatte. Falten, die Erik ebenfalls hatte. Ich vermisste ihn.
      „Warum fühlst du dich so?“, zögerte er zu fragen. Zwischen den Worten lagen Pausen. Aber ich wusste es nicht.
      „Es ist einfach so ein Gefühl“, blickte ich zum Fenster heraus, an dem die Lichter vorbeizogen. Wie so oft wurden meine Augen glasig, doch schaffte es, meine Tränen zu verbergen. Ich stellte auch mir selbst jeden Abend im Bett diese Frage, aber es gab keine logische Erklärung. Erst als ich Erik bei mir spürte, auch wenn Fredna stets zwischen uns lag, wusste ich, dass es richtig war. Doch es gab auch Zweifel, die vorrangig in dem Moment neben mir saßen und den Kopf verdrehten. Erik gegenüber fühlte es sich nicht fair an, so zu tun, als wäre da nichts. Ich hätte mit ihm darüber sprechen können, denn er bot von selbst öfter an, endlich die Katze aus dem Sack zu lassen. Aber ich drückte mich davor, denn sobald die Worte ausgesprochen waren, wurden sie real. So wusste ich aber auch, dass es ihm, aus unerklärlichen Gründen, egal war. Ob egal dafür das richtige Wort war? Keine Ahnung, auf jeden Fall würde es kein Problem für ihn darstellen. Für mich sollte es aber klar in meinem Kopf ablaufen, bevor ich mich jemanden vollends nähren konnte. Erik war der Richtige — nur zum falschen Zeitpunkt.
      „Vriska, hast du mir überhaupt zugehört?“, vernahm ich Niklas Worte. Der Motor war verstummt und vor mir leuchteten die Lampen vom Hof in Kalmar.
      „Nein“, gab ich zu, „ich war in Gedanken verloren.“
      „Dann hoffe ich, dass du gleich aufmerksamer bist“, rollte er mit den Augen und stieg aus dem großen Auto. Niklas wirkte plötzlich wieder so distanziert, verärgert. Zu gern würde ich mich erinnern können, was er sagte, aber in meinem Kopf herrschte stille. Ich entschied die Stute am Hänger fertig zu machen und holte sie heraus. Er stand noch einen Moment neben mir und tätschelte tatsächlich den strohigen Kopf des Hundes, den er zuvor von der Rückbank holte. Beide beobachteten jeden meiner Schritte, bis Niklas sich verabschiedete, um Form fertig zu machen.
      „Herr Olofsson?“, verließ es unwiederbringlich meine Lippen. Überzeugt drehte er sich um und blieb stehen. Seine Augen funkelte im Licht der Wegbeleuchtung und bis auf uns, war niemand zu sehen. Unüberlegt trabte ich zu ihm und legte meine Arme um seinen Hals. Alles, was dann passierte, kam aus den Tiefen meines Inneren. Erst rückte ich meine Lippen auf seine, bevor meine Hand langsam den Gürtel seiner Hose öffnete.
      „Vriska, das geht nicht“, flüsterte er mir betörend ins Ohr. Sein lautes Atmen verstummte, als ich die warme Hand sein Gemächt hielt.
      „Soll ich aufhören?“, sprach ich leise und begann seinen Hals zu küssen. Meine Augen hielt ich geschlossen, fühlte eine wohlige Wärme in mir. Es fühlte sich gut an einmal die Kontrolle zu haben. Kontrolle darüber, was ich wollte, was ich fühlte und was ich begehrte.
      „Nein, eigentlich nicht“, noch immer kam die Worte nur zaghaft aus seinem Mund und drückte seine Hände fest an meinen Po, während meine sich weiterhin von oben nach unten bewegte.
      „Aber man erwartet uns schon. Später?“, schlug Niklas dann vor und griff nach meinem Am.
      „Mal schauen, aber ich denke nicht. Hat mir schon gereicht“, schmunzelte ich und wischte meine Hände ab der Hose ab. Wie ein begossener Pudel blickte er an mir herunter, stand angewurzelt an der Stelle und begriff nicht so recht, dass ich Lubi satteln wollte. Ich warf ihm noch einen Luftkuss zu, dann drehte er sich um und lief kopfschüttelnd in den Stall. Gewonnen.
      Die Stute schloss langsam ihre Augen und schnaubte mehrfach ab, als ich die Bandagen an ihren Beinen befestigte. Den halben Tag lang übte ich das zusammen mit Bruce. Ich war natürlich noch nicht ansatzweise so schnell wie die anderen, aber immerhin stimmte nun das Ergebnis.
      „Kandare heute“, kam Chris zu mir gelaufen, der vermutlich von Nik erfuhr, dass ich auf dem Parkplatz stand. Zum Glück hatte ich sie eingepackt. Ich öffnete die knarrende Tür des Hängers, nahm das Zaum und hängte das andere zurück. Am Halfter führte ich Lubi zur Halle, gefolgt von Chris mit seinem Wallach.
      „Du machst Erik krank vor Sorge, weißt du das?“, sagte er aus dem Dunst heraus. Trymr spitze seine Ohren und drehte sich um, als suche er nach ihm. Aber natürlich war er nicht da und der Hund folgte mir weiter. Ich zuckte mit den Schultern und blieb stumm.
      „Vriska, was ist dein Problem?“, wurde er ernster.
      „Ich bin das Problem“, antwortete ich wenig überrascht und trieb die Stute etwas aktiver.
      „Na immerhin hast du das erkannt“, lachte er, „dann muss das mit Niklas auch enden.“
      „Aha“, versuchte ich meine Abneigung dem gegenüber zu überspielen.
      „Ich habe euch gesehen, deswegen sage ich das. Wenn er dir so wichtig ist, dann stell dich nicht zwischen seine Beziehung“, mahnte er.
      „Er will es auch“, zuckte ich mit den Schultern.
      „Ja, aber er kann nicht nein sagen. Deswegen musst du stark sein“, setzte er unbehelligt fort, „deine Probleme sind klein im Vergleich zu seinen.“
      Ach so ist das also, regte ich mich innerlich auf. Ich wusste nicht, dass man Probleme miteinander vergleichen konnte, um zu beurteilen, welche größer waren.
      „Und das schließt du woraus?“, erkundigte ich mich.
      Chris seufzte.
      „Ich weiß es einfach. Aber: wenn du ihm eine gute Freundin sein willst, dann stelle dich zurück und konzentriere dich auf das, was du haben kannst“, bar er mich erneut. Abstreiten, dass er recht hatte, konnte ich nicht. Seine Einwände waren berechtigt und vermutlich war es auch das, was ich hören musste.
      „Warum sagst du mir so was überhaupt?“, fragte ich im Moment der Stille, bevor wir den Flur zur Halle betrachteten. Chris blieb stehen und sah mir tief in Augen.
      „Ganz einfach“, begann er und atmete noch einmal tief durch, „es nervt unheimlich zwischen den Fronten zu stehen. Du hetzt die beiden immer mehr aufeinander auf und siehst es nicht einmal.“
      Das traf mich nachhaltig. Direkt entfloh ich dem Blickkontakt und setzte die Stute wieder in Bewegung, doch Chris stellte sich uns in den Weg.
      „Bitte Vriska, wenn dir beide so wichtig sind, wie du augenscheinlich zeigst, dann entscheide dich für Erik. Du kennst ihn nicht. Deswegen kann ich dir nur sagen, dass er sich noch nie so ins Zeug gelegt hat, auch wenn er Fehler macht“, plötzlich verstummte er, als wüsste er deutlich mehr als ich. Verwundert zog ich Brauen zusammen und musterte ihn.
      „Ach ja? Fehler also? Was denn?“, hakte ich skeptisch nach.
      „Also hat er nicht?“, seine Worte kamen zögerlich und äußert verhalten.
      „Nein, jetzt sag mir, was du weißt“, drängte ich. Die Neugier in mir verstärkte sich, auch wenn mein Herz es gar nicht wissen wollte. Erik war für mich die Unschuld in Person. Alles, was er bisher für mich tat, erstreckte sich mit mehr Leidenschaft, als ich mir vorstellen konnte. Er war rücksichtsvoll, vielleicht etwas forsch, aber immer darauf bedacht, das Richtige zu tun. Auch wenn es mich in den wenigen Tagen zusammen auf dem Gestüt etwas nervte, dass Erik sich nicht mehr so sehr ins Zeug legte, wie Kanada. Viel mehr war er nur da, beschäftigte sich jedoch nicht mit mir.
      „Du sprichst am besten mit ihm, oder du lässt es. Ich denke, dass das besser für euch beide wäre“, Chris seufzte und sah ins Innere. Auf dem Sand schwebte Niklas bereits auf seiner Rappstute und auch Eskil war zu sehen. Mein kleines Herz freute sich tatsächlich das Riesenbaby wiederzusehen.
      „Wenn du das sagst“, antwortete ich nur und durfte endlich weiter. Trymr legte sich vor dem Tor auf dem Teppich und sah mir geduldig nach. In der Halle holte ich die Kandare aus meiner Jacke und trenste Lubi auf. Entspannt begann sie zu kauen und über die Aufstiegshilfe erklomm ich das Pferd.
      Im Schritt am langen Zügel begann ich auf dem dritten Hufschlag meine Runden mit der Stute zu drehen. Sie schnaubte häufig ab. Hier in der Halle war sie, im Vergleich zur heimischen, entspannter. Ich bekam das Gefühl, dass sich alle Blicke zu mir richteten. Die Anspannung stieg ins Unermessliche und durch meinen Kopf flogen die Gedanken, alles Schlechte erschlug mich. Was machte ich hier eigentlich? Panisch sprang ich vom Rücken der Stute, ließ sie unbedacht stehen und rannte hinaus. Nun sahen wirklich alle zu mir, doch nur Trymr folgte mir. Ich lief einfach, wusste nicht, wohin und wieso, aber ich lief. Meine Schritte fühlten sich gigantisch an, und, obwohl alles um mich herum nur noch schwarz war, zog es an mir vorbei. Plötzlich hörte ich ein Auto, wusste nicht wo, aber ich hörte es. Aus einem wurden immer mehr. Dann öffnete ich die Augen.
      Ich stand auf der Brücke über der Fernstraße. Meine Knie sackten zusammen und ich knallte auf den Boden. An meiner Hand spürte ich etwas Warmes und Weiches. Dann bewegte es sich aufgeregt, berührte mich sanft an der Seite. Entgegen meiner Erwartung war es nicht eins meiner Körperteile. Trymr stand neben mir und versuchte, dass ich aufstand. Aber mir fehlte die Kraft, mich vom kalten Nass zu erheben. Seine Haare kitzelten im Gesicht. Langsam strich durchs Fell, versuchte mir klar darüber zu werden, was gerade schon wieder passierte. Ich machte aus einer Mücke einen Elefanten, ertrug es nicht mehr, ständig der Idiot sein zu müssen und unbewusst eine Freude dabei zu empfinden. Mich nervte es nur noch in meinem Körper zu stecken.
      Wieder berührte mich die Schnauze, jedoch intensiver und mit mehr Elan. Er steckte seinen Kopf zwischen Körper und Arm, lehnte sich vorsichtig an mich heran. Seine Wärme übertrug sich auf mich. Auf Stelle wollte ich einschlafe, wusste aber, dass es mitten im Nirgendwo auf einer Brücke nicht wirklich die klügste Entscheidung war. Es wurde kälter. Der Wind kam auf, durch Lkw und weitere große Fahrzeuge, die alles beben ließen. Ich sah hoch zu den Sternen, den wenigen, die am Himmel standen und nicht durch graue vorbeiziehende Wolken bedeckt wurden. Trymr zitterte.
      > „Ska vi gå hem?
      „Wollen wir nach Hause fahren?“, fragte ich den Hund. Wie vom Blitz getroffen, sprang er auf und der Schwanz wedelte eilig. Meine kalten Beine sträubten sich eine Bewegung, doch aus meiner Kraftlosigkeit drückte ich mich nach oben, schließlich konnte ich nicht ewig hier herumliegen. Ich taumelte beim Laufen, aber Trymr Ponygröße half dabei nicht umzukippen. Innerlichen zählte ich jeden Schritt, wischte mir immer wieder durchs Gesicht, denn die Tränen liefen noch immer, obwohl es mittlerweile viel mehr Schluchzen wurde, als wirkliche Flüssigkeit. Ich konnte sie nicht aufhalten. In mir schrie es, ich zitterte und wollte nicht mehr.
      „Vriska“, kam mir Eskil erleichtert entgegengerannt. In den Händen hielt er eine Decke, als wusste er schon, dass ich ziemlich unterkühlt sein würde.
      „Wir haben uns alle Sorgen gemacht“, sagte er dann. Aus mir kam kein einziges Wort, auch das Wimmern hatte aufgehört. Alles, was mir blieb, war die quälende Leere. Er legte seine warmen Hände auf meine vom Regen durchnässten Schultern und führte mich zur Reithalle, die plötzlich unglaublich heiß erschien. Am ganzen Körper glühte es.
      „Ich denke, du brauchst eine Pause“, kam Herr Holm zu mir. Noch immer starrte ich nach vorn, nichts an mir rührte sich bis auf das Zittern, dass mich begleitete. Immer mehr Leute kamen auf mich zu, redeten auf mich ein, bis Niklas aus der Ferne brüllte:
      > Om ni alla pratar med henne kommer det inte att hjälpa henne. Dra åt helvete.
      „Wenn ihr sie alle vollquatscht, ist ihr auch nicht geholfen. Verpisst euch.“
      Danke Niklas. Bis auf Eskil verabschiedeten sich alle mit gesenktem Kopf und plötzlich waren wir nur noch zu dritt. Herr Holm nickte mir noch zu, wirkte aber ziemlich erleichtert. Seine Worte klangen zuvor enttäuschend, aber ich schätze, dass sie es nicht waren. Zumindest erhoffte ich mir das. Zeit verstrich, wie viel? Keine Ahnung. Ich nahm nur wahr, dass Eskil irgendwann verschwand und Niklas Lubi bewegte. Sie beide flogen über den hellen Sand der Halle, glänzten im warmen Licht der Lampen. Chris' Worte hallten noch immer durch meinen Kopf. Wenn ich etwas für ihn tun will, soll ich mich zurückhalten, stark bleiben. Aber ich war nicht stark, ich schätzte mich schon immer als schwach ein.
      Irgendwann stand ich auf und lief zum Auto. Trymr blieb vor der Tür sitzen. Nur eine Sekunde gab ich ihm, mir zu folgen, bis es mir egal wurde. Es nieselte und der raue Wind zog unter der Decke an meiner nassen Hose entlang. Wieder begann ich zu zittern. In meinen Taschen suchte vergeblich nach meinem Handy und auch den Schüsseln.
      „Du willst doch so nicht nach Hause?“, musterte mich Niklas und folgte mir mit Lubi aus der Halle. Denn Hufschlag hinter mir, hatte weder bemerkt, noch für voll genommen. Alles, was hörte, waren die lüsternen und auch bedrohlichen Stimmen in meinen Kopf, der Wind, der an einem Dach rüttelte und lautes, blechendes Heulen auslöste.
      „Was denn sonst?“, murmelte ich mit heiserer Stimme. Ich konnte offenbar noch sprechen, wenn auch nur sehr unverständlich. Mit meiner Aktion sorgte ich wohl dafür, dass die Erkältung Rückkehrern würde, vielleicht sogar als Lungenentzündung. Im Krankenhaus könnte man mir besser helfen, hoffte ich.
      „Ich kann und will dich so nicht allein lassen“, gab er zu und legte seine Hand auf meine Schulter, „wir bleiben hier im Vereinshaus. Dort gibt es eine Einliegerwohnung, die aktuell leer sein müsste.“
      Mir fehlten die Worte, also schwieg ich. Trymr kam mittlerweile dazu, wedelte sanft mit seinem Schwanz und blickte zitternd an mir hoch.
      „Wenn du es nicht für mich tun willst, dann für einen haarigen Freund. Dem ist auch kalt“, scherzte er und strich dem Hund über den Kopf. Ich sah zu ersten Mal, dass er sich ihm überhaupt nährte. Also nickte ich und begleitete Niklas in den Stall. Die Abschwitzdecke der Stute war mittlerweile auch komplett durchnässt. Er hänge den Stofffetzen über eine Schnur vor der Box und holte aus der Sattelkammer eine andere, während ich langsam den Gurt des Sattels öffnete. Um den Sattel von Rücken zu nehmen, fehlte mir die Kraft. Also schlug ich nur die Bügel über die Sitzfläche und entfernte die Kandare. Lubi hielt ruhig ihren Kopf und begann sich erst zu kratzen, als das Halfter drum war. Die Box quietschte und knarrte. Niklas kam wieder, nahm den Sattel und reichte mir vorher die Decke. Lieblos warf ich sie über das Pferd und befestigte die Gurte.
      „Royal Equest, sehr nobel“, neckte ich Niklas beim Betrachten der gesteppten, dunkelblauen Decke. An der Seite war sein Name geschickt und der seiner Stute in einer geschwungenen Schrift in Gelb. Etwas stolz las ich beides. Dass Form jetzt schon so tief in sein Herz schaffte, bestärkte meine Annahme, dass er mit ihrem guten Karten haben würde.
      Niklas nickte.
      Ich brachte Lubi in eine der freien Boxen, holte noch Heu und dann schalteten wir das Hauptlicht aus. Nur noch einzelne gedimmte Lichter erhellten den Stall, sodass die Tiere nicht im komplett Dunklem standen. Niklas drückte noch auf diversen Knöpfen, deren Bedeutung mir nicht nur unbekannt war, sondern auch vollkommen egal, herum, bis er zufrieden lächelte und die Tür hinter uns schloss. Draußen war Ruhe eingekehrt. Der Wind beschloss nur noch seicht zu wehen und der Nieselregen hatte sich verabschiedet. Trymr zitterte noch neben mir.
      „Kommst du jetzt?“, drehte sich Niklas zu mir um. Ich bemerkte gar nicht, dass er losgelaufen war.
      „Ja“, antwortete ich heiser. Am Wegesrand erhellten uns kleine Lampen den Weg, die in Baumstämmen und anderen Hölzern eingearbeitet waren, bis wir an dem riesigen Haus ankamen, vor dem wir vor einigen Wochen gegrillt hatten. Alles war mit durchsichtigen Folien abgedeckt und wirkte wie bei einem Verkauf, wie man es aus Serien kannte. Dann öffnete er die große schwarze Tür. Im Inneren schaltete sich automatisch das Licht an. Der Flur war lang. Zur Rechten befand sich eine breite Treppe und zwei Türen, auf der anderen Seite waren noch mehr Türen und der Flur endete ich einem weitreichenden Zimmer. Wir nahmen die Treppe, bis Niklas abbog und eine weitere Tür aufschloss. Auch hier erhellte sich alles automatisch. Mitten im Raum stand ein Kingsize-Bett, dass wie frisch bezogen wirkte, dem gegenüber stand ein TV Board und darüber hing ein Fernseher an der Wand. Links stand eine Schiebetür offen zu einem geräumigen Badezimmer und um die Ecke rechts eine kleinere Küche, in der Niklas verschwand. Ich stand wie angewurzelt noch an der Eingangpforte und wusste nichts mit mir anzufangen.
      „Willst du was trinken?“, fragte er.
      Ich nickte.
      „Auch ein Glas Rotwein?“
      „Es ist“, sprach ich, sah zu der Uhr, die in dem kleinen Durchgang hing, „kurz vor drei, warum sollte ich da Alkohol trinken?“
      „Damit du locker wirst“, zuckte Niklas mit den Schultern und nahm beherzt die Flasche. Sie ploppte laut beim Öffnen und er setzte sie an seinen Mund. Wenigstens ein Glas hätte er sich nehmen können.
      „Ich gehe duschen“, murmelte ich und hänge die Decke über einen Stuhl. Dann lief ich zum Badezimmer und holte mir ein Handtuch aus einem kleinen Regal. Alle rochen wie neu und fühlten sich unglaublich weich an.
      „Du wirst wohl noch Kleidung brauchen, oder?“, kam er ungefragt rein und ich bedeckte mich schlagartig.
      „Nächstes Mal klopfst du“, rollte ich mit meinen Augen.
      „Nichts, was ich noch nie sah“, zuckte er wieder mit seinen Schultern und legte mir ein weißes Shirt an die Seite und eine kurze Hose, sowie blaue Socken mit dem Vereinslogo darauf. Besser als nichts, dachte ich und verschwand unter dem warmen Wasser. In meinem Kopf kehrte Ruhe ein, die Stimmen verstummten und ich fühlte mich endlich befreit von allem. Nichts konnte mir diesen Moment vermiesen.
      Ich spürte noch die Wärme an meinen Füßen, die über den Boden in mir aufstieg. Nach der Dusche ging es mir bedeutend besser. Sogar ein Lächeln huschte über meine Lippen.
      „Okay, und wo schlafe ich?“, fragte ich. Niklas klopfte neben sich und hielt die Decke nach oben. Der Fernseher lief, eine Serie schätze ich. Erst als ich einen genaueren Blick darauf warf, stellte ich fest, dass er Wallender schaute, Krimi also. Wer hätte das nur ahnen können? Wirklich wohlfühlte ich mich nicht bei dem Gedanken, mich zu ihm zu legen, erst recht nicht, weil er bis auf einer Unterhose nichts trug, aber ohne zu protestieren oder meine Bedenken zu äußern, kroch ich unter die Decke. Trymr hatte ein provisorisches Abendessen von Niklas bekommen und lag müde auf einem Teppich zwischen Bett und Fernseher. Kurz sah er auf, als ich mich ins Bett legte, aber senkte sich direkt wieder. Niklas richtete sich auf, legte seinen Arm gekonnt um mich und kam mir deutlich näher, als ich wollte. Im nächsten Moment spürte ich seine Hitze an mir, die auch umgehend unter meiner Haut zuckte und ein Ziehen im Unterleib auslöste. Mein Kopf lag an seiner Schulter und meine Hand auf seiner Brust. Leichte Stoppeln fühlte ich beim sanften Streichen darüber und seine Muskeln zuckten.
      „Vriska?“, flüsterte Niklas, ich murmelte, „schläfst du schon?“
      Jetzt nicht mehr. Ich öffnete meine Augen wieder, nur leicht, aber sie waren offen.
      „Was ist denn noch?“, fragte ich verschlafen.
      „Du reitest morgen früh noch mal, bevor wir abfahren. Da sind wir allein in der Halle“, strich er mir liebevoll einige Strähnen aus dem Gesicht. Ich nickte bloß, bevor mich das Land der Träume wieder einholte.

      Lina
      Niklas Auto stand noch immer im Hof, obwohl es schon halb elf war. Die beiden hätten schon längst zurück sein sollen vom Training und so allmählich begann ich mir Sorgen zu machen, ob vielleicht etwas passiert sei. Immer wieder tigerte ich ruhelos durch die Wohnung, blickte auf mein Handy oder starrte aus dem Fenster in der Hoffnung Scheinwerfer oder so etwas zu erkennen. An Schlaf konnte ich nicht einmal denken, nicht so lang ich im Ungewissen schwebte. Im Fernsehen lief irgendein seltsamer Film, keine Ahnung worum es ging, denn ich schaffte es keine zwei Sekunden der Handlung zu folgen. Eigentlich hatte ich ihn nur eingeschaltet, in der Hoffnung ein wenig Ablenkung zu finden, doch das Gebrabbel, nervte mich ziemlich bald, sodass ich ihn ausschaltete. Die plötzliche Stille zwischen den Wänden wirkte unheimlich, sorgte nur dafür, dass ich noch nervöser wurde. Ich wünschte, meine Schwester wäre noch hier, sie wusste immer was zu tun war oder zumindest wie sie mich beruhigen konnte.
      Zusammengekauert saß ich auf der Couch, starrte abwechselnd auf die Uhr an der Wand und mein Handy. Die Zeiger näherten sich allmählich immer mehr Mitternacht und mit jeder verstreichenden Sekunde wuchs meine Anspannung nur noch mehr.
      Bereits vor einer Stunde hatte ich Niklas eine Nachricht geschrieben, warum sein Auto noch immer dastand, ob alles okay bei ihnen sei, doch bisher kam nichts zurück. Es war nicht ungewöhnlich nicht sofort eine Antwort von ihm zu erhalten, aber das war in diesem Fall nicht gerade beruhigend.
      Endlich verkündete mein Handy mit ein Ping, den Eingang einer Nachricht. Als ich vom Sofa aufsprang, stieß ich beinahe die Tasse von dem kleinen Tischen herunter, so eilig griff ich nach dem Gerät. Was ich dort las, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren und ich musste es mehrfach lesen, bevor ich glauben konnte, dass ich mir das nicht nur einbildete. Nein, die Worte standen ganz eindeutig da, Vriska hatte versucht, Selbstmord zu begehen.
      Wie fremdgesteuert tippten meine zitternden Finger eine Nachricht, hoffte, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ging und dass ich froh war, dass er sich um sie kümmerte. Keine Ahnung, ob das die richtigen Worte in einer solchen Situation waren oder ob es überhaupt richtige Worte geben konnte.
      Eine Ewigkeit starrte ich nur auf den dunklen Bildschirm vor mir, unfähig mich zu regen oder einen Gedanken zu fassen. Um mich herum schien es noch stiller geworden zu sein, einzig mein rasender Puls drang in meine Ohren.
      Scheiße, war der erste Gedanke, der durch meinen Kopf schoss. So schlecht ging es ihr also, so schlecht, dass sie offenbar keinen Ausweg mehr sah. Wie hatte ich das nur übersehen können? Vriska lebte direkt vor meiner Nase und ich hatte es nicht mitbekommen! Wie konnte das passieren? War ich so mit mir selbst gewesen, dass ich gar nicht richtig merkte, was um mich herum geschah? War ich jetzt ein schlechter Mensch, weil ich mich erst um mein eigenes Seelenheil gekümmert hatte? Tausende solche Fragen schossen mir durch den Kopf, darunter auch immer wieder die Frage, ob ich etwas hätte ändern können, wenn ich mich anders verhalten hätte oder mehr auf Vriska geachtet hätte.
      Zufällig richtete sich mein Blick auf die Uhr. Erst jetzt nahm ich wahr, dass es schon weit nach einer Uhr war, auch wenn meine Gedanken immer noch Karussell fuhren sollte ich zumindest versuchen zu schlafen, ich würde meine Energie noch benötigen. Mein Leben war zwar ein Ponyhof, aber Ponys bewegten sich nicht von allein. Mechanisch, wie ein Roboter machte ich mich bettfertig, versuchte meine kreisenden Gedanken zu ignorieren, doch sobald ich im Bett lag und in die Dunkelheit starrte, kam diese in voller Intensität zurück. Erst in den frühen Morgenstunden verstummten sie endlich und ließen mich in einen traumlosen Schlaf sinken.

      Vriska
      Die Nacht war kurz, aber äußerst erholsam. In meine Nase kroch ein würziger und schmackhafter Geruch, der mir Wasser in den Mund laufen ließ. Langsam öffnete ich meine Augen und drehte mich wie üblich durchs Bett, streckte mich, bevor meine Füße auf den warmen Boden trafen. Dass Niklas nicht mehr im Bett lag, fiel mir zwar auf, aber kümmerte mich nicht. Denn dem Geruch zufolge stand er in der Küche und machte sich Frühstück. Trymr stand vor mir, freute sich und begann mit seinem täglichen Ritual. Seine düstere Stimme bebte bei jedem Jaulen. Aufgeregt trat er herum und legte seinen Kopf auf meinen Oberschenkeln ab.
      „Ach schön, du bist pünktlich wach“, trat Niklas aus dem Zwischengang zur Küche hervor. Immerhin hatte er es geschafft, eine Hose anzuziehen. Sein Oberteil fehlte noch, damit ich mich nicht noch schlechter fühlte hier zu sein, als ich es tat. Ich wendete meinen Blick von seinem Körper ab und widmete mich wieder dem Hund.
      „Er war schon unten und hat auch gegessen. Also kannst du dich einzig allein auf dich konzentriert“, strahlte er und drehte sich wieder weg. Verdutzt sah ich ihm nach, fest verankert an dem Punkt, wo er zuvor stand. So viel Aufopferung hatte ich nicht von Niklas erwartet, aber freute mich tatsächlich darüber.
      „Jetzt beeile dich, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, ich habe gleich noch Dienst in Kalmar“, rief er aus der Küche. Na gut, also stand ich endlich auf von der Bettkante und lief ins Badezimmer. Dort machte ich mich rasch frisch und zog meine Sachen von gestern wieder an, die Niklas offensichtlich in den Trockner geschmissen hatte und aufgehängt. Am Tisch erwartete er mich bereits.
      „Ich möchte nichts essen“, murmelte ich heiser. Meine Stimme verschwand langsam wieder, aber dann bemerkte ich die weiße Tasse mit einer dampfenden dunklen Flüssigkeit. Ausnahmslos musste, dass Kaffee sein und ich nahm einen Schluck. In meiner Kehle floss die warme und bittere Substanz hinunter. Direkt fühlte ich mich besser.
      „Doch, du isst was. Hast du dich mal angeschaut?“, fragte er ernst.
      „Ja, aber was geht dich das an?“, verteidigte ich mich.
      „Ich fühle mich für dich verantwortlich, solang niemand auf dich aufpasst. Also, iss“, lächelte Niklas. Wer sollte denn auf mich aufpassen? Meinem Handy zufolge hatte sich niemand Gedanken gemacht, dass ich nicht nach Hause gekommen war. Allerdings würde Tyrell spätestens am Abend dich darüber aufregen, dass sein Auto nicht an seinem Platz stand. Also nickte ich nur und pulte mit der Gabel auf dem Teller herum. Der Konsistenz deutete auf Tofu hin, aber mein Auge sagte Ei. Niklas wusste jedoch, dass ich niemals ungeborene Kinder von Hühnern essen würde, also musste es Tofu sein. Nach der ersten Gabel davon im Mund bestätigte sich meine Annahme und es schmeckte unbeschreiblich gut. Mein Hirn weigerte sich dennoch zu akzeptieren, dass ich aufaß und die Hälfte verblieb auf dem Teller.
      „Ich denke nicht, dass Lina das hier gefällt“, seufzte ich.
      „Dass wir zusammen frühstücken?“, fragte er ungläubig beim Abräumen des Tisches. Trymr bekam meine Reste und verschlang sie so gleich.
      „Nein“, begann ich, atmete tief durch, „das alles hier. Es tut mir leid.“
      „Jetzt höre auf, tausendmal darüber nachzudenken. Vielleicht ging das auf dem Parkplatz zu weit, aber sonst habe ich einer Freundin in einer schweren Situation geholfen. Mehr nicht“, lächelte er. Erleichtert war ich nicht, aber akzeptierte seine Ansicht. Was war das nur, dass ihn und seine nur schemenhaft vorhandenen Gefühle jeden Tag auf den nächsten als Verteidigungsstrategie nutzte, um meine eigenen zurückzustellen? Ich fühlte mich schlecht zu jemanden wie ihn aufzusehen und immer den Gedanken zu haben, dass ihn mir warmhalten müsste, obwohl es jemanden in seinem Leben gab. Jemanden, der nicht ich war. Dabei vergaß ich mich selbst, vergaß das auch jemanden hatte, der mir so viel gab. Doch Erik hatte innerhalb kürzester Zeit dafür gesorgt, nicht mehr interessant zu sein. Er bemühte sich nicht, um etwas wie eine Beziehung zu führen, sondern hatte in Schweden direkt das Gefühl vermittelt, schon seit Jahrhunderten an meiner Seite zu sein.
      „Komm, Kleines. Dein Schiff wartet“, legte Niklas schützend auf meine Schulter und ich legte meinen Kopf nach hinten, um zu ihm aufzusehen. Sein Aftershave lag prägnant in Luft und kitzelte in der Nase, auch wenn es ziemlich ätzend wirkte.
      „Fahren wir zusammen zur See?“, fragte ich übertrieben melodramatisch. Er lachte, dann nickte er und lief zur Tür. Ich folgte ihm. Nicht mehr von meiner Seite weichend trabte Trymr, denn ich mittlerweile nicht mal mehr an eine Leine befestigte.
      Auf dem Gestüt herrschte nahezu eine friedhofähnliche Stille. Aus der Ferne vernahm man einen Traktor und ein paar Pferde wieherte. Hinter einer dicken und grauen Wolkenfront versteckte sich die Sonne. An einem Samstagmorgen hätte ich mehr Bevölkerung erwartet, aber so akzeptierte ich es auch. Im Stall brannte bereits das Hauptlicht und die Türen zum Paddock waren offen. Einige Halfter hängen im Gang, ganz allein waren wir also nicht.
      „Ich würde gerne auf den Fleeceplatz“, sagte ich entschlossen und sah zu Niklas, der vor Lubis Box stand. Die Stute sah interessiert über die Front und kaute genüsslich.
      „Können wir machen“, zuckt er mit den Schultern. Niklas setzte sich in Bewegung und verschwand in der Sattelkammer. In der Zeit nahm ich das Halfter von der Front, holte das riesige Pferd heraus. Als Erstes entfernte ich ihre Decke.
      „Kannst du mir geben“, kam Niklas zurück und nahm seine Decke entgegen, während er die Putztasche an die Seite gegenüberstellte. Wann hatte er das Ding eigentlich aus dem Hänger geholt? Die rosa Tasche, die sonst sehr abgestimmt zu ihrem sonstigen Equipment war, musste Zeitnah ersetzt werden. Am liebsten würde ich auch jeglichen Zaum der Stute ersetzen und die roségoldenen Gebisse, aber dafür fehlte das nötige Kleingeld. Also ich konnte vom auszubildenden Lohn fabelhaft Leben, aber für solche Ausgaben war ich nicht vorbereitet. Rücklagen für mögliche Reparatur am Auto hatte ich, aber würde nicht für ein eigentlich fremdes Pferd investieren, also musste ich noch eine Weile damit klarkommen, dass Anna sie in einem typischen Mädchenlook einkleidete. Tatsächlich hätte sich mein altes ich darüber ziemlich gefreut, aber ich hatte mich weiterentwickelt und vordergründig sehr verändert.
      „Muss ich dir jetzt noch erklären, wie man ein Pferd putzt?“, lachte Niklas. Er stand urplötzlich hinter mir und legte seine Hand auf meine. Mit einer streichenden Bewegung bürsteten wir zusammen über das kurze Fell der Stute. Verwirrt drehte ich mich zu ihm um und blickte mit zusammen gekniffenen Augen zu ihm hoch.
      „Ich schaffe das allein“, drückte ich ihn weg und durfte selbst weiter machen. Er lachte noch immer. Idiot. Zum Glück verschwand er dann wieder, holte wieder das Sattelzeug und begann sie fertig zu machen. Das Fell war so gut wie sauber, was sollte auch dreckig werden, wenn sie eine Decke trug. Die Hufe hatte ich auch gereinigt, wobei ich merkte, dass der Hufschmied langsam mal kommen sollte. An der Seite wuchs bereits die Hufwand über das Eisen und der allgemeine Zustand wirkte auch sehr besorgniserregend. Hufe sollten eine gewisse Länge haben, aber ihre Waren viel zu steil und lang, um, dass sie die nötige Griffigkeit haben konnte und vernünftig abrollte.
      „Sind Sie so weit, der Herr?“, fragte ich Hulk an der Wand, der seine Augen auf dem Handy verloren hatte.
      „Oh“, sagte er. Wie bei etwas erwischt, steckte Niklas sein Handy weg und folgte mir.
      „Aber an eine formale Ansprache könnte ich mich gewöhnen“, lachte er dann.
      „Selbstverständlich, wenn Sie das gernhätten, Herr Olofsson“, kicherte ich, als wir am dunklen Reitplatz ankamen, der unschuldig neben den Ponypaddocks ruhte. Weitere Menschenseelen waren nicht in Sicht, was Niklas wohl nutzte, mit beinah bedrohlich nah zu kommen. Seine warmen Hände lagen an meinem Hals, drückten sanft meinen Kopf nach oben, dass ich gezwungen war, den innigen Blickkontakt zu halten. In seinen mehrfarbigen Augen funkelte die Lust. Der Griff wurde fester und eine Atmung tiefer.
      „Willst etwa nicht“, flüsterte Niklas verführerisch.
      Ich schluckte, konnte aber meinen Blick nicht abwenden.
      „Doch“, atmete ich schwer, „aber es geht nicht.“
      Genervt rollte er die Augen nach oben und ließen von mir. Zum Glück, denn noch länger hätte ich die Fassade nicht mehr halten können. Da nichts mehr von ihm kam, außer einem Kopfschütteln, führte ich Lubi in die Mitte des Platzes und gurtete noch einmal nach. Mit einem großen Schritt stieg ich in den Bügel und drückte mich in den Sattel hinauf. Ihre Widerristhöhe war nicht gerade niedrig bei einem Maß von hundertachtzig Zentimetern.
      “Du bist ziemlich langweilig geworden über Nacht, weißt du das?”, rief mir Niklas, beinah eingeschnappt, zu und stand mit verschränkten Armen am Zaun.
      “Wenn Sie das meinen”, lachte ich, “aber mit dem Trainer rumzumachen ist wohl nicht die feine englische Art.”
      “Ach, ich bin jetzt also dein Trainer?”
      Ich zuckte mit den Schultern.
      “Scheint so”, fügte ich hinzu und hielt Lubi vor ihm an.
      “Na dann, Ferse weiter runter, Schultern zusammen und Knie mehr an den Sattel. Weiter”, wurde sein Ton ernster und klopfte der braunen Stute auf den Po. Sie richtete ihre Ohren nach hinten, bis meine Hilfe kam zum Anreiten. Sie schnaubte ab.
      Besten Gewissens versuchte ich seinen Befehlen folgezuleisten, auch wenn es mir an einigen Stellen wirklich schwerfiel. Niklas verlangte dem Pferd und mir nicht nur physisch etwas ab. Nach einer intensiven Trabphase mit Versammlungen und Seitengängen, folgten Verstärkungen. Zwischendrin hielten wir an, wendeten auf der Hinterhand und aus der Bewegung heraus wieder in den Trab. Mir blieb dabei nicht viel Zeit, um über irgendetwas nachzudenken oder eine seiner Übungen anzuzweifeln. Kurz Verschnaufpausen durften wir machen aber mussten dann umgehend an derselben Stelle fortfahren. Im Galopp schaltete mein Kopf sich nahezu vollständig ab. Ich konzentrierte mich einzig allein auf seine Worte und bewegte meine Arme sowie Beine nur noch nach Gefühl, wusste nicht, worauf das hinauslief.
      “Wir werden jetzt noch seinen Zweiwechsel machen auf der Diagonalen”, sprach er und zeigte auf H. Dort bog ich ab und galoppierte drei Sprünge auf der geraden Linie. Dann folgte der erste Wechsel. Im Genick stellte ich sie minimal und legte im selben Atemzug meinen bisher inneren Schenkel vom Gurt zum Verwahren höher. Niklas zählte im Takt, wann ich wieder wechselte und das Pferden springen ließ. Erschöpft kaute Lubi mir die Zügel aus der Hand, schnaubte mehrfach ab und streckte den Hals unter das Buggelenk. Immer wieder lobte ich sie durch Streichen über den Hals. Ich war nicht nur vom Pferd begeistert, sondern auch von meiner Leistung.
      “Danke für Ihre Hilfe”, lachte ich Niklas an, der mit einem zufriedenen Lächeln noch am Zaun stand und von seinem Handy aufsah.
      “Kein Problem”, kam es als Antwort, doch er schien noch zu überlegen, “bekomme ich jetzt eine Gegenleistung?”
      Seine Augen begannen zu funkeln, als gäbe es einen Grund dafür. Ich drückte ein Auge langsam zu und zog dabei meine Lippe mit nach oben. Der Sache traute ich nicht ganz.
      “Was wollen Sie für eine Gegenleistung? Geld?”, fragte ich nach, ohne meinen skeptischen Blick von ihm zu wenden. Wieder überlegte er, zumindest tat er so. Niklas spitzte seinen Mund und beobachtete die Wildgänse am Himmel.
      “Schau mal”, sagte er auf einmal sehr überrascht und zeigte hinter die Zugvögel. Zwischen Wolken tauchte ein besonderer Vogel auf. Ich hatte ihn mittlerweile Tobias getauft, denn er verfolgte mich. Natürlich könnte es auch weiblich sein, doch mir fiel dieser Name als Erstes ein. Tobias war ein Gerfalke, der eigentlich nicht in Gefilden wie diese zu finden war. Wir hatten Winter und von Nähe erkannt ich, dass er kein Jungtier war. Nur Jungtiere zogen im Herbst für einige Wochen Richtung Dänemark und legten mehr als dreitausend Kilometer vom Brutnest zurück. Alttiere verblieben meistens im Norden Finnlands oder Islands. Auch oben in Schweden wurden Tiere dokumentiert, aber eigentlich nicht an der Ostküste ziemlich südlich.
      “Das ist Tobias”, lachte ich und sah wieder zu Lubi, die dem Vogel hoch oben am Himmel keinerlei Beachtung schenkte.
      “Was? Du kannst doch einem Gerfalken nicht den Namen Tobias geben. Was stimmt in deinem Kopf nicht?”
      “Alles”, scherzte ich weiter.
      “Gehört der dir?”, fragte Niklas verwundert nach. Ja, klar. Ich hielt mir Raubvögel, wie andere, Katzen.
      “Nein, Herr Olofsson”, klärte ich auf, “Tobias kommt immer, wenn ich Entscheidungshilfen brauche, als wäre er ein Zeichen des Universums.”
      Niklas musterte mich.
      “Du bist wirklich nicht mehr ganz dicht. Aber was offenbart Tobias dir denn?”, fragte er dann doch überzeugt.
      “Was weiß ich? Sonst kann ich genau sagen, was Tobias mir mitteilt, doch heute bin ich sprachlos und erfreue mich seiner Präsenz”, zuckte ich mit den Schultern. Mir schwante Böses, was Niklas als Nächstes sagen würde. Ich konnte mir skizzenhaft vorstellen, was er als Gegenleistung erwartete und würde nun auch noch Tobias, meiner Entscheidungshilfe in der Not, als Grund aufführen. Was würde passieren, wenn ich meinem Vogel nicht nachkommen würde und einfach auf meine Vernunft hörte? Eigentlich wollte ich das Schicksal nicht herausfordern. Also trieb ich Lubi aktiver nach vorn, um mehr Raum zwischen ihm und mir zu gewinnen. Auf der gegenüberliegenden Seite drehte ich einige Volten und auch eine Acht, bis er wirklich noch eine Antwort fand. Mir lief es kalt den Rücken herunter, als Niklas den Mund öffnete.
      “Also”, quälte er mich absichtlich und pausierte, bis er weitersprach, “du solltest dir schon eine kreativere Gegenleistung ausdenken als Geld.”
      “Wenn Sie es so wollen, überlege ich mir etwas Schönes, aber das sollten Sie im Voraus mit Ihrer Partnerin klären. Ich möchte nicht, dass Sie meinetwegen in Erklärungsnot geraten”, blieb ich standhaft. Wieso, ich ihm etwas schuldig war, erschloss sich mir aber auch nicht. Im Zimmer zeigte er sich noch distanziert, als wäre es das normalste der Welt jemandem zu helfen und nun verlangte er eine Gegenleistung dafür. Diese Gegenleistung sollte aber offenbar tiefer eindringen, als es mir lieb war. Ich schüttelte den Kopf, nein. Nichts mehr würde unter der Gürtellinie ablaufen.
      “Übertreibst du nicht ein wenig, dass du immer nur an Lina denkst?”, kam er langsam auf mich zu. Meine Augen zogen sich schlagartig weit auf.
      “Offensichtlich tun Sie das nicht, also gehört das nun in mein Aufgabenfeld”, rollte ich mit den Augen. Kaum zu fassen, dass er so mit der Tatsache umging, eine Beziehung zu führen, für die er mehr oder weniger selbst in die Wege leitete. Undankbar, wirklich. Lina tat wirklich Vieles für ihn, folgt sogar extra in ein sehr weit entferntes Land. Natürlich war es mit Samu eine glückliche Fügung und Tobias schlug zu, dennoch hätte sie sicher ein besseres Leben auf dem WHC mit ihrem magischen Einhorn und Menschen, die sie kannte und vertraute. Mir zu vertrauen wäre auch keine gute Idee, nicht mal ich selbst konnte das.
      “Ich merke schon, plötzlich interessiert dich, was andere denken”, kam seine hochnäsige Art wieder, als hätte ich ihm gerade vor allen Menschen bloßgestellt. Prüfend sah ich mich um, aber niemand schien zu uns zu sehen oder dem Gespräch zu folgen. Dann stieg ich ab. Niklas ballte seine Fäuste und trat wie ein wütendes Kind durch die Fleece Fetzen.
      “Niemand kann etwas dafür, dass Sie eine Beziehung führen”; zuckte ich mit den Schultern. Schlagartig drehte er sich um zu mir, kam einige Schritte auf mich zu und legte wieder seine Hände an meinen Hals. Meine Atmung wurde erneut tiefer, aber ich versuchte mir vorzustellen, was für schlimme Dinge Lina passieren würden oder könnten. Ich wollte nicht, dass sich in Situationen wiederfand, die ich beinah tagtäglich durchlebte.
      “Niklas, lass mich los”, sagte ich ernst.
      “Beantworte mir eine Frage”, stellte er schon wieder Forderungen.
      Ich nickte.
      “Wenn du urplötzlich deinen sonst so vergötterten Kerl abgeschossen hast, weil du Angst hast vor den Gefühlen, die du mir gegenüber empfindest und ich zugegebener Maße auch – Was stört dich an ihm?”
      Was redete er da? Hatte er getrunken? War die Flasche Wein vielleicht nicht nur das nächtliche Getränk der Wahl, sondern auch zum Frühstück? Den Teil mit den Gefühlen versuchte ich bestmöglich zu ignorieren, denn das lief so nicht, selbst, wenn es Lina nicht geben würde. Es stand für uns fest, dass es nur eine nette Zeit zusammen sein sollte mit viel Spaß, aber ohne eine tiefgründige Bedeutung. Daran hielt ich gedanklich fest.
      “Erik”, ich seufzte, ihm von seinem Bruder zu erzählen, fühlte sich falsch an, aber jemanden musste ich mich öffnen. Trymr, der am Tor saß und alles haargenau beobachtete, spitzte die Ohren.
      “Erik war sich seiner Sache zu sicher und damit wirkte er plötzlich so langweilig. Ich will jemanden, der was erleben möchte, nicht nur mit seiner Tochter irgendwo hinfährt, wodurch ich dann allein zu Hause sitze. Er soll sich anstrengen und mehr Elan zeigen. Keine Ahnung, klingt bescheuert”, zuckte ich mit den Schultern.
      “So?”, kam er wieder sehr nah und konnte seine Finger nicht von meinem Hals lassen.
      Aber ich nickte.
      “Dann sag es ihm”, schlug Niklas vor.
      “Nein, soll er sich selbst etwas einfallen lassen”, antworte ich trocken und durfte endlich mein Pferd zurückbringen. Müde trottete die Stute mir nach in den Stall. Mittlerweile fühlte sich die Gasse. Eine gutaussehende, deutlich größere, jüngere Dame kam auf uns zu, musterte uns von oben bis unten.
      „Seid ihr endlich fertig mit herummachen“, pikierte sie eingeschnappt. Niklas und ich sahen einander ziemlich schockiert an.
      „Was auch immer du gesehen haben willst“, begann er entschlossen zu sagen, „entspricht nicht der Wirklichkeit. Wir haben über ihren Freund gesprochen.“
      Ahja, gut. Dann spiele ich mal mit, dachte ich und nickte.
      “Ihr werdet schon noch sehen, wo das endet”, betrachtete sie uns weiter, griff nach den Zügeln ihres Pferdes und verließ die Gasse.
      “Du bist doch nur neidisch”, rief ich noch nach. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen, derartige Behauptungen an den Kopf geworfen zu bekommen, auch wenn sie stückweise recht hatte.
      “Auf dich? Hast du mal in den Spiegel geschaut? Außerdem habe ich es gar nicht nötig, mir jeden Tag neue Dinge einfallen zu lassen, damit auch wirklich jeder hier am Hof auf dich schaut und mit mir in Kiste hüpfen will”, schnaubte sie.
      Mir war neu, dass, bis auf Niklas, jemand dringend ein Bedürfnis hatte, das nur mit mir befriedigt werden konnte. Er sah ihr noch nach und bekam meinen Ellenbogen in die Seite.
      “Aua”, störte er sich und sah böse zu mir herunter.
      “Hör auf ihr auf den Arsch zu glotzen”; flüsterte ich.
      “Wieso? Ich darf doch wohl noch gucken, wenn du mich nicht machen lässt”, schmollte Niklas theatralisch. Man, hör auf so zu sein, das macht mich verrückt!
      “Aus guten Gründen und jetzt hilf mir lieber, du musst gleich arbeiten”, erinnerte ich ihn. Dann sammelte er die Sachen ein von Lubi, während ich mich mit Hund und Pferd auf die kleine Reise zum Hänger machte. Dort nahm Niklas mir netterweise den Sattel vom Rücken des Tieres und lud alles ein. Lubi lief zufrieden die Rampe hinauf, mit einer Decke bekleidet und den Transportgamaschen an den Beinen.
      Im Auto fielen mir immer wieder die Augen zu, obwohl ich mir nicht sicher war, ob es eine gute Entscheidung war, ihn ans Steuer zu lassen. Erst wenige Meter vor dem Hof wurde mir klar, dass ich gegenüber Lina in Erklärungsnot geraten würde, sollte sie mich fragen anstelle ihres tollen Freundes, warum sein Auto noch dastand und ich erst vierzehn Stunden später nach dem eigentlichen Training wieder am Hof war. Aber natürlich hatte Tobias dafür gesorgt, dass mit einem langen beigen Mantel auf der Terrasse stand, mit der Hand am Ohr und dem Blick unseres Autos folgte.
      “Na toll, darauf habe ich jetzt Lust”, murmelte ich und lehnte mich tief in den Sitz.
      Niklas lachte.
      “Jetzt stell dich nicht so an, was soll schon passieren?”, kommentierte er und provozierte mich mit seiner Hand auf meinem Oberschenkel.
      “Finger weg!”, beschwerte ich mich, “Vielleicht frisst sie mich, dann wäre ich wenigstens weg und sie satt.”
      Er lachte wieder.
      “Was ist denn bitte so lustig? Soll ich dich mal in das Gefühl hineinzuversetzen?”, versuchte ich an seine Vernunft zu appellieren.
      “Viel Erfolg”, grinste er und fuhr weiter langsam entlang. Beherzt griff ich ihm in den Schritt, nicht unbedingt sanft, sondern herausfordernd, mit Intention, als wäre es eine Vorbereitung für eine schnelle Nummer im Auto. Seine Augen wurden größer und als ich langsam die Knöpfe der Jeans öffnete, hielt er mich am Handgelenk fest.
      “Ist okay, ich verstehe es”, stammelte Niklas und schloss wieder alles.
      Gewonnen. Zwei zu null für mich, genau genommen, hatte ich schon drei Punkte und er zumindest einen. Unwichtig. Ich lag in Führung.
      Niklas parkte das Auto auf dem Parkplatz und stieg aus. Er fummelte sich erneut an der Hose herum und sah dabei unter seinen abgestützten Arm hindurch, den er am Dach lehnte. Dann öffnete er plötzlich mit seiner rechten Hand die Knöpfe wieder und den Stoff ein Stück nach unten, gerade so, dass ich alles sehen konnte, aber von hinten alles normal wirkte. Peinlich berührt sah ich weg, nach dem ich zu intensiv hinsah und stieg aus dem Auto. Niklas richtete sich gerade und schloss alles im Handumdrehen.
      “Mit dem rasieren üben wir noch mal”, lachte ich und lief zum Hänger. Es ging ums Pferd, na klar. Zumindest, wenn jemand fragten sollte.
      “Das ist dann wohl trotzdem ein Punkt für mich”, scherzte er und warf den Schlüssel über das Dach zu mir. Nur mit einem Schritt nach hinten konnte ich das Ding fangen und rempelte geradewegs gegen mein Auto, dass mich als Bedrohung ansah und laut begann zu piepen. Ich trat noch mal gegen und es wurde wieder leise.
      “Zwei”, triumphierte Niklas.
      “Genaugenommen habe ich drei und du jetzt zwei, okay?”, offenbarte ich meine Zählung.
      Er nickte. Langsam kam Lina angelaufen, sprach noch so etwas wie eine Verabschiedung in ihr Handy, glaube ich zumindest, denn eigentlich verstand ich kein Wort davon. Doch, die Tatsache, dass sie kurz darauf das Gerät wegpackte, unterstützte diese Hypothese.
      “Schön, dass ihr auch wieder auftaucht. Ihr habt ja erstaunlich gute Laune”, sagte sie kurz angebunden, blickte zwischen uns her. Wo hatte sie denn ihre sonst so gute Laune verloren.
      „Ich freue mich auch dich zu sehen“, lächelte aufgesetzt falsch, „aber okay. Soll ich lieber einem Typen nach heulen, der seinen Hund einfach bei mir abgeladen hatte und plötzlich zu einem Waschlappen wurde? Wenn dir das lieber ist, schaffe ich das.“
      Dann zuckte ich mit den Schultern, beide sahen mich verwirrt an, aber das fühlte sich an, wie mein Moment und ich wetterte weiter.
      „Offensichtlich ist seine Tochter ansteckend, ich nicht mehr interessant genug, um Macht zu demonstrieren. Er traut sich ja nicht mal richtig zu kuscheln, weil er dann eine Beule in der Hose bekommt, wie tragisch“, rollte ich immer wieder mit den Augen und schmiss das Zeug der Stute aus dem Kofferraum. Vermutlich ging das nun doch inhaltlich etwas zu weit, aber ich musste gerade überspielen, dass ich ihn in Wahrheit wirklich vermisste, auch wenn’s soweit stimmte. Wichtig war auch, mir nicht einzugestehen, dass ich keine Entscheidung treffen konnte oder wollte. Ich hätte gerne die Wahl, wer bei mir war.
      „Das reicht“, stoppte Niklas mich, in dem er meinen Arm zur Seite zog. Eigentlich wollte ich gerade zum nächsten Manöver ansetzen, aber bekam einen kleinen Zettel in die Hand gedrückt, denn ich unauffällig in meiner Hosentasche verschwinden ließ. Das meinte ich, wenn ich sagte, dass es mit Erik langweilig sei. Ja, wir mussten uns nicht vor neugierigen Blicken schützen, aber trotzdem.
      Lina fehlten die Worte, aber ihr Freund wusste sie auf etwas anderes zu lenken. Gab es dafür auch Punkte? Wenn ja, war er mir einiges voraus, einfach so zu tun, als wäre nichts gewesen. Aber ich sei Gewissen- und Morallos, logisch. Ich hatte noch anderes zu auf meinem Plan, holte zunächst Trymr von der Rückbank, der erst mich begrüßte und dann Lina aus Niklas Armen riss. Innerlich lachte ich ziemlich darüber, aber dann fiel meine Aufmerksamkeit auf den dunklen Anhänger am Auto.
      „Ich komme doch schon“, sagte ich zu Lubi, die begann im Hänger zu trampeln und zu wiehern. Neugierig streckte den Kopf durch die Seitentür und schnüffelte interessiert. Sanft strich ihr mit meinen kalten Fingern über das weiche und warme Maul. Dann wühlte ich ein Leckerli heraus, dass sie gierig verschlang. Hinten öffnete ich die Klappe allein, den die beiden Verliebten hatten überhaupt kein Interesse daran, mir noch ansatzweise zu helfen. Aber selbst ist die Frau! Lubi wartete mit dem langsamen Rücktreten, bis ich die Stange entfernt hatte und an der Seite stand. Dann liefen wir zusammen in den Stall, in dem die Box auf sie wartete. Die Decke nahm ich ab und warf sie in die Ecke, um aus der Sattelkammer eine gefütterte zu holen. Kurz überlegte ich eine von uns zu nehmen, denn das altrosa konnte ich langsam nicht mehr sehen, aber ich fad auf Anhieb sonst keine, die ihr passen könnte und gefüttert war. Also musste das Ding herhalten. Ruhig wartete sie, bis ich fertig war und die beiden Türen zum Paddock öffnete. Immer wieder streckte Lubi ihre Oberlippe nach einem Heuhalm aus, um ihn mit chirurgischer Genauigkeit zu zerkauen.
      “So, viel Spaß”, sagte ich und klopfte auf ihren Po, als sie ins Freie stürmte. Interessiert streckte sie ihren Kopf über die hohen Gitter und flirtete mit Nobel. Der Fuchshengst stand auf dem ersten Paddock und trabte aufgeregt am Zaun entlang, machte jedoch keine Anstalten intensiv zu versuchen, zu der Stute zu gelangen. Ihre Aufmerksamkeitsspanne dem Pferd gegenüber hielt auch nur kurz an, bevor der Heusack interessanter wurde. Neben Lubi blickte mich Smoothie interessiert an, danke! Die Schimmelstute erinnerte mich daran, dass ich noch den kleinen Zettel von Niklas bekommen hatte, der in meiner Hosentasche seinen Platz fand.
      In der Stallgasse setzte ich mich auf eine der Bänke und Trymr hatte sich auf meine Füße gesetzt, den Blick fest zum Rolltor gerichtet. Ich hielt den sehr klein zusammengefaltet Zettel in der Hand, wechselte immer vom Hund zu dem Stück Papier. Egal, was darauf stehen würde, war es das wert? Sollte ich mir überhaupt darüber Gedanken machen, es mir durchlesen und damit die Welt verändern? Es war ein typisches Problem, entweder ich blieb im Ungewissen, in dem ich das Ding verbrannte und nicht mehr daran dachte, oder ich öffnete es und. Und was? Ich wusste es nicht, aber meine Vermutung war groß, dass ich damit den Zeitstrang änderte in etwas, das nur kurzzeitig anstand, kurzzeitig Spaß machte und die Zukunft negativ beeinflusste. Meine Knie wippten aufgeregt.
      “Komm, wir gehen erst mal rüber. Bei einem Kaffee kann ich besser denken”, sagte ich zu Trymr, der ohnehin nichts verstand. Aber er folgte mir zum Haus. Von Lina und Niklas war nichts mehr zu sein, auch sein Auto stand nicht mehr. Aber der Hänger war geschlossen und auch die Seitentür zu.
      “Danke”, flüsterte ich ins Leere, als spreche ich mit einem ominösen Hofgespenst, dass heimlich aufräumte.
      Meine Hütte war kalt und still. Wenig Licht fiel durch die hohen Fenster und ich drückte zunächst auf den Lichtschalter, um einen Überblick zu bekommen. Verwundert sah ich zu dem schwarzen Koffer, der neben der Couch stand. War das nicht der von meinem Bruder? Er hatte diesen eigentlich im Schrank verstaut und nicht dort hingestellt. War er hier? Trymr schnüffelte interessiert alles ab, folgte vom Koffer ins Schlafzimmer. Schockiert hielt ich mich an der Wand fest.
      “Was machst du hier?”, rief ich aufgebracht. Harlen drückte sich verschlafen von der Matratze hoch.
      “Wie spät ist es?”, murmelte er.
      “Kurz vor Zwölf”, antwortete ich.
      “Dann lass mich noch ein paar Minuten.” Umgehend drehte er sich wieder ins Kissen. Was genau passierte hier? War ich die Einzige, die die Welt nicht mehr verstand? Ich glaube kaum. Rücksichtslos zog ich mich um, schlüpfte in eine viel zu große Jogginghose und wechselte meinen Hoodie gegen einen anderen. Dabei nahm ich fein säuberlich den Zettel aus der Reithose und steckte ihn an die Seite in meine lockere Hose. Die Tasche hatte einen Reißverschluss, denn ich überzeugt hochzog. In der Küche funkelte mich die Kaffeemaschine an, die mir innerhalb kürzester Zeit ein Heißgetränk zubereitete und dabei laute Geräusche verursachte.
      “Muss das sein?”, beschwerte sich Harlen genervt aus dem Schlafzimmer.
      “Ja, du bist hier eingebrochen und ich muss auch leben”, lachte ich nur und nahm die Tasse entgegen. Vom Haken griff ich mir eine dicke Jacke, in der eine Schachtel Zigaretten steckte. Bewaffnet, mit allem, was ich brauchte, lief ich hinaus auf die Terrasse und setzte mich auf einen der Holzstühle an meinem kleinen Tisch.
      Der Glimmstängel kratzte ekelhaft im Hals, aber nach zwei weiteren Zügen normalisierte sich der Geschmack wieder. In Kombination mit dem Kaffee fühlte ich mich ungewöhnlich frei. Trymr blieb im Haus, aber saß vor einem der Fenster und starrte genau in meine Richtung, um mich nicht aus den Augen zu verlieren. Ich musste diesen Zettel lesen, strömte es durch meinen Kopf und ich holte das geknickte Papier heraus. Langsam öffnete ich es, hielt die Augen geschlossen. An meinem Hals pulsierte die Hauptschlagader und meine Finger zitterten in der Kälte. Meine Knie wippten wieder aufgeregt und ich musste mehrfach tief durchatmen, um nicht die Fassung zu verlieren. Du schaffst das Vriska, flüsterte ich mir leise zu und öffnete die Augen.
      > Glöm inte Erik, ha honom i åtanke, men hitta en distraktion för att hålla huvudet kallt.
      “Vergiss Erik nicht, behalte ihn im Hinterkopf, aber suche dir eine Ablenkung, um einen klaren Kopf zu behalten”, las ich in Niklas ordentlicher Handschrift auf dem Kästchen Papier. Darunter standen noch Ablenkung und eine Telefonnummer. Nervös biss ich mir auf meinem Daumen herum, solange, bis ich Schmerzen empfand. Einerseits tat er alles dafür, dass ich nicht mit Erik Zeit verbrachte, aber andererseits, setzte Niklas sich dafür, dass ich mich an ihm festhielt. Er verhielt sich genauso inkonsequent mit seinen Aussagen wie ich, obwohl ich ihn immer als sehr ausdauernd und genau einschätzte. Aber was solls? Ich speicherte die Nummer als ‘Avledning’ ein. Direkt bot es mit iMessage an und ich verfasste an meine Ablenkung. Es konnte nur eine weitere Nummer von Niklas sein, denn mich an irgendwen weiterzuleiten, schien nicht sein Fachgebiet zu sein.
      “Hej Avledning”, tippte ich. ‘Gesendet’ wechselte direkt zu ‘Gelesen um 12:04 Uhr’. Mein Herz schlug Purzelbäume, als die drei Punkte gleichmäßig sich wellenartig bewegten, bis sie endeten und eine graue Nachricht erschien. Ich schloss meine Augen und sperrte das Handy aufgeregt. Was passierte hier?
      “Keine Namen, keine Bilder, nur der Moment”, leuchtete es auf dem Bildschirm, als ich doch nachsah. Niklas saß vermutlich im Auto, also wie würde er das schreiben sollen? Vielleicht war es doch nicht? Aber mir egal, ich brauchte Ablenkung, das stand fest. Ich stimmte der Nachricht zu, die umgehend gelesen wurde, aber eine Antwort kam nicht direkt. Mehrfach sah ich auf das leere Display des Handys, bis ich den Boden der Tasse betrachtete und entschied mein Chaos zu beseitigen.
      Obwohl ich ungewöhnlich motiviert den Hänger ausräumte und säuberte, ließ mich der Zettel in Gedanken nicht mehr los. Ich hatte alles getan, was er von mir wollte, aber es kam nichts. Was sollte das für eine Ablenkung sein? War es vielleicht noch Niklas, und wenn nicht, wer dann? Welchen Grund gab es, dass ich die Handynummer von jemanden wild Fremdes bekam? Auch, dass mein Bruder urplötzlich wieder da war und tat, als wäre nichts geschehen, brachte mich aus dem Konzept. So sehr, dass ich blind in Lina hineinlief, die gerade Vintage durch die Gasse führte. Seine Beine waren vollständig mit Matsch bedeckt, sowie sein Bauch und auch ihre Stiefel. Mürrisch knurrte sie mich an.
      “Tut mir leid”, murmelte ich beschämt.
      “Schon okay, aber mach das nächste Mal deine Augen auf”, brummelte sie und setzte das Pferd wieder in Bewegung. Ihr Ton irritierte mich, auch wenn ich nachvollziehen konnte, dass Lina nicht wirklich gut auf mich zu sprechen war.
      “Ich wünsche mir den Sommer zurück”, rief ich ihr nach, ohne mich einen Schritt bewegt zu haben. Die Schubkarre knallte auf den kalten Beton. Vinnies Ohren drehten sich kurz nach hinten, aber er blieb ruhig.
      “Welchen Teil davon? Das Chaos oder das Wetter?”, ging sie auf meine Aussage ein, ohne dabei anzuhalten. Mein Kopf senkte sich intuitiv, während meine rechte Hand energisch den linken Unterarm zerdrückte.
      “Das was wir hatten”, sagte entschlossen, aber es kam keine Reaktion. Also atmete ich noch mal tief durch, sah hoch an die Decke zu den freistehenden Balken und unterdrückte meine Tränen.
      “Meine beste Freundin ist zwei Tage vor meinem Geburtstag im April gestorben”, sprach ich unberührt aus, “ich bin mit ihr zum Kindergarten gegangen. Jetzt ist sie weg, für immer und alle anderen auch.” Lina verharrte für ein paar Sekunden in der Bewegung, bevor sie sich umwand. Der eben noch so misslaunige Ausdruck auf ihrem Gesicht war milderer geworden. Stumm kam sie zurückgelaufen, schloss einfach ihre Arme um mich.
      “Das tut mir wirklich leid für dich, das muss schrecklich für dich sein”, sprach sie leise und es klang wirklich aufrichtig.
      “Ihr Tod war nicht das Schlimmste daran, sondern das es niemanden interessierte. Jeder von uns machte weiter, wie zuvor, als wäre nichts passiert”, offenbarte ich das Tiefste in mir, “Keiner sprach darüber, sie wollte nicht einmal mich sehen und ich bekam auch keine Einladung zur Beerdigung. Alles war einfach zu Ende, weg. Es tut mir leid”, wechselte mein Hirn wieder das Thema. Gerade als ich dazu ansetzte, mich dafür entschuldigen zu wollen, dass ich in einem Bett mit ihrem Freund schlief, intensivierte sich die Umarmung und ich verstummte. Vielleicht gab es Dinge, die zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden sollten, denn ich wollte den Typ nicht und das musste sie wissen.
      “Es ist schrecklich, sich nicht verabschieden zu können”, sagte sie sanft und es schien mehr als nur bloßes Mitgefühl in ihren Worten zu liegen. Sie drückte mich noch einmal fest bevor sie die Umarmung löste und mich mild anlächelte. Ich lächelte zurück.
      Wieder wollte mein Hirn endlich das Thema beenden, als mich das Vibrieren in meiner Hosentasche schlagartig meine vollständige Aufmerksamkeit verlangte. Neugierig griff nach dem Gerät. Anstelle einer Nachricht waren es sogar drei von demselben Kontakt.
      “Ich hatte zu tun – Jetzt will ich dich – Woran denkst du gerade?”, perplex sah ich auf das Display, dann hoch zu Lina, die mich irritierte musterte. Der Ausgangspunkt dafür sollte mein viel zu strahlendes Gesicht sein, dass alle Muskeln anspannten, die man für Freude benötigte und das übertrieben kräftig. Je mehr ich mich anstrengte, das wieder loszuwerden, umso stärker wurde es. Unangenehm, wenn es gerade noch um die schmerzhafteste Erinnerung meines Lebens handelte.
      “Das müssen ja erfreuliche Nachrichten sein”, sprach sie das offensichtliche aus, “Ich werde dich dann mal damit allein lassen, Vinnie wartet.” Sie war schon im Begriff den Weg mit dem Hengst fortzusetzen, als sie sich noch einmal umwand: “Falls du mich noch mal brauchst, weißt du ja, wo du mich findest.”
      Plötzlich vibrierte es erneut.
      “Antworte.”
      Schnell tippte ich auf dem Touchscreen: “Ich unterhalte mich gerade mit meiner Arbeitskollegin”, und antwortete ich nickend zu Lina, “Danke, du kannst auch jederzeit rüberkommen, aber klopfe vorher. Mein Bruder ist manchmal ziemlich knapp bekleidet.” Dann lachte ich und spürte in meinen Händen schon wieder die Vibration im Sekundentakt. Hatte es sonst keine Hobbys? Besonders die erste Nachricht lief mir kalt den Rücken herunter.
      “Wenn ich dir schreibe, dann hast du zu antworten, egal was deiner Meinung nach wichtig erscheint.” Ich schluckte. Meine Kehle fühlte sich unglaublich rau an und in meinem Bauch begann es zu kribbeln. Halt, stopp Körper, so funktioniert das nicht. Aber die Anzahl der Nachrichten ebbte erst ab, als ich begann langsam eine Antwort zu formulieren mit zittrigen Fingern. Anstelle einer bedeutungslosen Entschuldigung schrieb ich: „Okay, ich werde mich daran halten in Zukunft.“
      Schon nach dem nächsten Atemzug tauchten die drei Punkte in der linken Ecke wieder auf. Dann folgte eine Nachricht und eine weitere, wieder die Frage, woran ich gerade dachte. Interessierte es sich wirklich dafür? Durch meinen willkürlichen Versuch Lina zu vermitteln, dass ich ihren Freund nicht mehr belästigen werde und der kleine Zettel seltsame Schwingungen in meinem Kopf auslöste, schwebte noch Niklas noch verankert in der Gedankenwelt.
      „Darf ich vorher meine Aufgabe beenden und danach dir berichten, bitte?“, bat ich freundlich um etwas Zeit. Wenn ich die Schubkarre im Weg stehen ließe, nur um eine relativ lange Nachricht zu tippen, dann würde in fünf Minuten irgendwer darüber fallen. Das wollte ich vermeiden. Meine Bitte wurde bewilligt, aber ich hätte nur zehn Minuten. Auf meinem Handy stellte ich den Timer auf neuen Minuten, steckte es weg und rannte förmlich mit der eiernden Karre zum Misthaufen, der hinter dem Heulager sich befand, also mehrere Meter entfernt. Hektisch pochte mein Herz in der Brust und konnte sich nicht ganz vorstellen, worauf das alles hinauslaufen würde. Seine Nachrichten lösten ein unermessliches Interesse seinerseits aus, oder ihrerseits? Eher unwahrscheinlich, dass solche Worte von einer Frau stammten oder das Niklas nicht so weit dachte, dass es vielleicht mal passieren könnte. Hirn! Stopp! Über den Bildschirm flogen erst wenige Nachrichten und dennoch überlegte ich schon, wie sich seine Haut auf meiner fühlen würde, sein Geruch, der mich in der Nase kitzelte oder ob er eine maskuline Stimme hätte mit Feinheiten, die sie besonders machten.
      Mein Handy klingelte als Zeichen, dass der Timer abgelaufen war. Somit blieb mir noch eine Minute, um eine Nachricht zu schreiben. Im Laufen flogen meine Daumen über den matten Bildschirm und wussten nicht genau, ob ich von Niklas Technik erzählen sollte, oder wie sehr ich mir gerade nach ihm sehnte.
      „Ich dachte gerade darüber nach, wie sehr ich es vermisse in der Nacht, jemanden bei mir zu haben, der mich genauso sehr wollte wie ich ihn. Mich dazu bringt, Dinge zu tun, die sonst keiner verlangt und hemmungslos in mich eindringt“, entschied ich zu schreiben. Damit würden beide Gedanken gut zueinanderpassen.
      „Was würdest du dafür geben mich dazuhaben?“, kam es direkt als Nachricht.
      „Wir kennen uns nicht, dennoch“, mein Finger schwebte über dem w, aber konnte mir noch sicher sein, in welche Richtung das weitergehen würde, „würde ich mich darüber freuen.“
      „Freuen? Sicher, dass das deine richtige Wortwahl ist?“, erkundigte er sich. Aber nein, sie war es nicht. Wohl dabei mit ihm zu schreiben und zu sagen, dass ich ihn ins Bett drücken würde und mit allen meiner Mittel in eine andere Welt befördern wollte, fühlte ich mich nicht. Aber ich entschied genau das zu schreiben und jeder Augenblick, jedes Atmen und Pochen in meiner Brust wusste, dass es richtig war, mit einem Fremden meine tiefsten Wünsche teilen zu können. Gedanken und Träume, die mich tagtäglich quälten und durch Niklas so fassbar wurden. Wurde er dadurch weniger interessant? Nein, aber ich fühlte mich plötzlich kontrollierter, wieder Herr über meine Gefühle und Handlungen, auch wenn man zweiteres erst einmal sehen musste, wenn er in meiner Nähe war. Frohen Mutes schlürfte ich über die Terrasse in die Wohnung und fiel auf die Couch, ohne mich umzusehen. Trymr sprang direkt zu mir und legte seinen Kopf auf meinen Schoß. Seine Augen bewegten sich langsam zu mir nach oben, das Weiß kam zum Vorschein und leise jammerte der Rüde.
      > Trymr, tyvärr vet jag inte när din herre kommer tillbaka.
      “Trymr, ich weiß leider nicht, wann dein Herrchen wieder kommt”, strich ich dem Hund über den Kopf. Langsam kaute er und schluckte dann. Ich konnte auch nicht nachvollziehen, warum er ihn hierließ und nicht einmal sagte, wann er ihn abholte. Offenbar war es eine Selbstverständlichkeit, dass Erik, wenn er Zeit hatte für mich, einfach wieder mit Fredna kommt. Aber nein, nicht mit mir. Allerdings konnte ich nicht erwarten, dass ich Informationen bekam. Ich hatte ihn blockiert, um zu schauen, ob er mich auf anderen Wegen versuchen würde zu kontaktieren, aber nichts. Wichtig schienen wir also beide nicht zu sein. Frustriert sah ich hinunter auf mein Handy, ich hatte zwei neue Nachrichten von Avledning.
      “Ich denke nicht, dass du dem würdig bist, meine Anwesenheit spüren zu dürfen. Beweise dich erst mal”, folgte ich mit meinen Augen den Worten, nach meiner Frage, wann ich spüren dürfte, wovon er sprach. Würdig, damit begann wieder das Thema, dass ich mich irgendwem erst einmal beweisen musste. Einem Fremden etwas Gutes zu tun, wirkte in meinem Kopf so leicht, doch er wusste, was er tat, als gäbe es nichts Einfacheres. Obwohl mir klar war, dass es nur ein Traum sein konnte, hielt ich daran fest.
      “Sollte ich mir Gedanken machen?”, ertönte plötzlich eine ernste Männerstimme hinter mir. Für mehrere Sekunden stoppte mein Atem und panisch fiel mein Handy zu Boden. Immer, wenn ich dachte, dass es kaputt sein, klang es dumpf, aber ich spürte innerlich, dass das Ding auf irgendwas gefallen ist. Der Schock saß noch tief.
      “Hör auf mich so zu erschrecken”, fauchte ich meinen Bruder an, der liebevoll seine Arme von hinten um mich schlang und mir einen Kuss auf die Haare gab. Angeekelt wehrte ich mich aus seiner Befestigung und holte mein Handy vom Boden aus.
      “Ja, super”, antwortete ich mit scharfer Stimme und in meinen Augen funkelte der Hass. Der Bildschirm war vollständig in seine Einzelteile aufgelöst und seltsame Streifen formten sich hinter dem Glas. Damit hatte sich wohl die Bekanntschaft beendet, mir auszumalen, was er tat, wenn ich ihm nicht Folge leistete, beängstige mich.
      “Vriska, ich”, stammelte Harlen unschuldig, “das wollte ich nicht. Was machen wir jetzt?”
      “Wir? Du musst dir jetzt Gedanken machen, weil ich das so schnell wie möglich zurück brauche”, rollte ich mit den Augen und stand frustriert auf, um auf der Terrasse den Krebs zu füttern. Mehrfach setzte mein äußerst liebenswerter Bruder noch zu Entschuldigungsversuchen an, die ich allesamt ignorierte.
      Aufgrund fehlenden Zeitmessers starrte ich Ewigkeiten, die sich später als vier Minuten herausstellten, in die Leere und zog an dem Glimmstängel. Meine Lunge brannte und in meinem Rachen kratze alles. Je kräftiger ich atmete, umso stärker rückte der Schmerz in den Vordergrund. Ich hatte es geschafft über meinen Schatten zu springen, jemanden von meinem Schicksal zu erzählen und im selben Zuge meinen Traummann kennenzulernen. Das Wort beschrieb ihn ganz gut, denn es existierte nur diese eine Version von ihm in meinem Kopf, die weniger real erschien, als ein paar Buchstaben auf einem, kaputten, Bildschirm.
      “Vivi, warum bist du auf einmal so eingeschnappt? Letzte Woche hättest du mich nicht so angefallen, wenn dein Handy kaputtgegangen wäre”, versuchte Harlen ein klärendes Gespräch zu führen. Wieder funkelte ich ihn erbost an, aber versuchte mich ebenfalls daran, ruhig zu bleiben. Mein Traummann hatte sich bestimmt auf die Suche begeben zur nächsten Kandidatin.
      “Du hast mir gerade eine Chance versaut”, fluchte ich.
      “Chance? Du meinst, die seltsamen Nachrichten mit dem Kerl? Vivi, du bist mit Erik zusammen, vergessen?”, zog er seine Augenbrauen nach oben und fasste sich einige Male durch sein leicht nach oben gestyltem Haar.
      Ich zuckte mit den Schultern.
      “Wir sind nicht mehr zusammen”, erklärte ich kurz gebunden und starrte wieder in die Leere. Meine Zigarette hatte den Heldentod erlitten und lag bis zum Filter verbrannt im Aschenbecher neben den anderen Kameraden, die erfolgreich in die Schlacht zogen, aber nie ihre Familie wiedersehen werden. Ich seufzte und fühlte mich teilweise wie meine Stummel.
      “Was hast du schon wieder getan?”, rollte er mit seinen Augen und setzte sich dazu, bemerkte dann aber, dass Trymr jeden seiner Schritte genau beobachtete. Kurz öffnete den Mund, als würde er noch etwas fragen wollen, aber verstummte dann.
      “Es ist nicht in Ordnung, dass du direkt davon ausgehst, dass ich etwas getan habe”, knurrte ich, “aber ich habe es beendet, weil mir etwas fehlte bei uns.”
      “Sex?”, lachte Harlen. Ich schob meine Unterlippe über die obere und drückte das Kinn nach oben zu einem Schmollmund. Meine Augen bewegten sich nach oben, dann nickte ich. Noch immer lachte mein Bruder und legte grundlos seine Hand auf mein rechtes, wippendes Knie unter dem Tisch.
      “Kaum zu glauben, dass er ein Olofsson ist”, antwortete er.
      “Was hat das damit zu tun und woher weißt du das?”, wunderte ich mich.
      “Das hat bei uns in der Firma ziemlich die Runde gemacht, nach dem wir dank deiner Hilfe nun fein raus sind”, lächelte er stolz.
      “Warte”, unweigerlich kratzte ich an meiner rechten Hand, “das komische Gespräch hat dafür gereicht, das Familienunternehmen aus einem Skandal wie diesem zu verhelfen?”
      “Das ist also nicht der Grund?”, fragte mein Bruder später, als es wieder still geworden war.
      “Nein”, ich zog noch einmal kräftig Luft und Rauch ein, “ich erinnere mich an nichts mehr und Erik hatte es mir anderes erzählt. Spätestens jetzt müsste er mir aber einiges erklären.”
      Harlen nickte.
      “Aber warum machst du das schon wieder?”, tastete er sich langsam an die seltsame Firmenfeier heran.
      Ich zuckte mit den Schultern. Es gab keinen Grund dafür, eigentlich hatte nichts einen Grund. Vieles tat ich einfach, weil ich es wollte. Vielleicht bewies ich mir selbst etwas damit, aber eins stand fest – es bereitete mir einen mordsmäßigen Spaß, den Rausch der Gefühle mit älteren Männern, die mich als kleines Püppchen ansahen und genauso behandelten. Ein Psychologe würde das genauer erklären können, vermutlich war das der Grund, warum ich meine Sitzungen schwänzte. Ich brauchte niemanden, der mir mein Leben erklärte und vermutlich auch als ungesund erklärte.
      “Darum”, antwortete ich mit Versatz.
      “Aber was machst du jetzt wegen meines Handys?”, wechselte ich rasch das Thema. Vielleicht war er noch da und wartete auf mich, ich hoffte es.
      “Sieh hier”, sagte Harlen und zeigte ein Handy vom Festland auf einer Kleinanzeigen-Anwendung. Ich nickte. Wortlos stand er auf, verschwand in der Wohnung, kam viele Minuten später wieder angezogen heraus, mit meinem Autoschlüssel in der Hand. Er verabschiedete sich. Trymr spitze die Ohren, folgte seinen Schritten, bis er aus dem Sichtfeld verschwand. Innerlich erdrückte es mich schon, dass ich mich nur schemenhaft an den Akt erinnerte, denn ich wollte schon wissen, ob es gut war. Jedoch konnte soweit aus Erfahrung sagen, dass ich mir darum keine Sorgen machen musste. Nur ein entspanntes Wochenende sah anders aus, besonders, wenn ich in der nächsten Woche das erste komplett eigene Berittpferd vor Ort habe und auch Fruity noch reite.
      Ich lief hinein, holte aus dem Kasten ein Craftbier von den netten Leuten an der Ecke, bei denen Tyrell öfter für alle bestellte. Das Erste floss in Sekundenschnelle meine Kehle hinunter und das zweite folgte sogleich. Die Druckbetankung endete bei vier und zwei weiteren in der Hand, als Weggestaltung. Mit dem Hund im Schlepptau klopfte ich bei Lina an der Tür. Es fühlte sich an, als wartete ich Stunden auf sie, bis sie endlich öffnete.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 73.376 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Mitte September 2020}
    • Mohikanerin
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      kapitel femton | 17. April 2022

      Moonwalker LDS / Glymur / Maxou / Alfred’s Nobelpreis / HMJ Divine / Legolas / Middle Ages / Kölski vom Atomic / Satz des Pythagoras / Lubumbashi

      Vriska
      Fest umschlossen lag ich in Eriks Armen, der noch im Land der Träume verweilte. Wie alle anderen im Raum auch. Es war eine kurze Nacht, stellte ich nach einem Blick auf mein Handy fest. Vier Stunden hatte ich geschlafen, bis mich plötzlich das starke Schlagen meines Herzens hochschrecken ließ und noch immer, wie eine Herde junger Pferde durch den Wüstensand trommelte. Erst durch konzentriertes Atmen konnte ich meinen Puls wieder normalisieren. Sonst bekam keiner davon mit. Lina lag ebenfalls in den Armen ihres Freundes und an den Beinen hatte sich der Welpe abgelegt. Als er mich erblickte, wedelte der Schwanz, doch eher verblieb auf der Decke. Ich drehte mich so vorsichtig wie möglich um. Erik bemerkte mich und öffnete schwerfällig die Augen.
      “Wie spät ist es”, murmelte er mit angeschlagener Stimme.
      “Kurz vor sieben”, erklärte ich. Erik seufzte und legte seine Hand fester um meinen Oberkörper. Mich überkam die gewohnte Welle an Gefühlen, die wie ein Erdbeben meine Muskeln zucken ließ. Anstatt sich zur anderen Seite zu drehen, wie er es sonst tat, wenn ich ihn weckte, griff er mich an meiner Hüfte und holte mich auf sich heraus. Die Decke rutschte herunter. Nur durch das Milchglas der Tür schimmerte ein seichtes Licht in den Raum, ausreichend, um die kleinen Fassetten seines Oberkörpers zu mustern. Langsam bewegten sich meine Hände über seine Brust, entlang der leichten Muskulatur seines Bauches, der von kleinen Narben und einer großen geprägt war. Ich erinnerte mich nicht daran, dass er ohne Shirt sich schlafen gelegt hatte. Zu sehr schämte er sich für seinen Körper, auch mir gegenüber. Doch bei der sanften Berührung auf seiner Haut verspürte ich den warmen und angenehmen Druck zwischen meinen Beinen. Einmal schluckte ich, bis er mich an den Schultern näher an sich herunterdrückte. Leidenschaftlich trafen unsere Lippen aufeinander. Die Enthaltsamkeit hatte nicht nur bei mir einiges aufgestaut. Ebenso bereit schien Erik zu sein, fuhr langsam mit seinen Händen unter meinen Pullover – Ja, ich schlafe darin auch. Sie waren kalt, wodurch meine Haut seine unangenehme Gänsehaut bildet und sich bei mir alles noch stärker zusammenzog. Immer fester drückte er seine Finger in die Haut, bis er von mir abließ und an dem Bund meiner Unterbekleidung spielte. Seine andere bewegte sich zu seiner eigenen, drückte den Stoff nach unten. Ich atmete tief durch, schwer zu glauben, dass er es hier und jetzt wirklich forderte. Es brauchte nur eine Bewegung, dann könnte ich spüren, was mich seit Monaten antrieb, aber etwas in mir, hinderte mich. Ungeschickt strich ich mit den Fingerspitzen seinen Bauch, immer wieder über seine Narbe, dabei zuckte er.
      “Engelchen, was ist los?”, flüsterte Erik mit zitternder Stimme, nachdem ich mich gesträubt hatte, in inniger zu berühren.
      “Ich habe Angst”, schluchzte ich und wich dem kläglichen Blickkontakt auf, um nicht noch näher den Tränen zu sein.
      “Das ist okay”, umschloss er mich mit seinen Armen und erhob sich. Ich spürte sein rasendes Herz an dem Stoff meines Oberteils. Eng drückte ich mich an seinen Hals, hätte noch viel länger halten können, wusste aber, dass er am Mittag zurück zum Haus fahren wollte. Umso glasiger wurden meine Augen bei dem Gedanken. Seine Hand wanderte vom Oberschenkel weiter nach innen, streichelte mich sanft, bis ich entschloss, ihm eine Freude zu machen. Mit allen meinen Mut glitt meine Hand wieder an seinem Oberkörper entlang und umfasste ihn fest.
      Einige Minuten später schlich ich mich aus dem Zimmer, dicht gefolgt von Erik. Zusammen standen wir in der Küche, ohne die Finger von dem anderen lassen zu können. Auch wenn ich mir gerade einen Kaffee zubereitete, wollte ich mehr von ihm. Die kurzen innigen Minuten gaben ihm eine körperliche Erleichterung, aber mir fehlte es an allem. Während der Kaffee durch den Filter lief, stand ich am Fenster und betrachtete die weiße Decke, die über die Nacht noch dichter wurde. Ich konnte nur schemenhaft durch die beiden Fenster erkennen, wie sehr unser Gelände davon eingenommen war, aber bemerkte, dass Folke mit Walker durch den Schnee fuhr, am Wagen Kufen befestigt anstelle von Rädern. Es sah nach Spaß aus, den ich mit Glymur gernhätte, aber mein Pony statt nicht mehr zur Verfügung. Jonina hatte in den letzten Tagen zu großem Vergnügen entwickelt, mir das Tier zu entziehen und mir fehlte es an der Energie, ernsthaft etwas dagegen zu unternehmen.
      Erik reichte mir den Kaffee. Eine Hand umfasste meinen Bauch, während sein Kopf sich auf meiner Schulter befand. Die Wärme des Getränks und seines Körpers gab mir die nötige Kraft in den Tag zu starten. Ich schloss die Augen, versuchte mir den Moment abzuspeichern und für immer in meinem Herzen zu halten. Leise flüsterte er in mein Ohr: “Ich muss dir etwas sagen”, dann schluckte er. Langsam drehte ich mich auf der Stelle um, sah direkt hoch zu seinem Gesicht. Auf seinen Lippen lag ein herzliches Lächeln, auch wenn seine Lippen nervös zuckten.
      “Sollte ich mir Sorgen machen?”, stammelte ich.
      “Nein, mein Engel”, holte er noch einmal tief Luft. Seine Stirn berührte meine, während seine Hände noch immer an meinem Rücken lagen. Ich versuchte zur gleichen Zeit die angespannten Finger an der Kaffeetasse zu beruhigen, um ihm die heiße Flüssigkeit nicht über den Körper zu schütten.
      “Es war gestern sehr unangenehm, als du das Gespräch angefangen hast”, seufzte Erik, “aber ich möchte, dass du weißt, dass ich weiterhin dahinterstehe. Ich möchte dich nicht beschränken. Du sollst den Raum haben, den du dir nehmen möchtest, auch wenn es für mich Schmerz bedeutet. Umso wichtiger sind mir die gemeinsamen Momente.”
      “Ich brauche den Raum nicht, aber es interessiert mich. Deswegen wäre es kein Problem –”, sein Finger bewegte sich auf meinen Mund, wodurch ich stoppte. Sanft schob er ihn in mein Mund. Ich schloss die Augen, erinnerte mich zurück an unsere Innigkeit. Wie nah ich mich zu ihm fühlte. Immer mehr viel die Spannung ab, der böse Gedanke, dass er nach seiner Abfahrt nie wieder kommen könnte, unerreichbar war und verloren.
      Die Bewegung seines Daumens wurde schneller und intensiver, so sehr, dass ich zwischendrin laut aufatmete und einen Verlust zur Realität erlitt. Mit seinem Mund liebkoste er meinen Hals, aber ich musste den Kaffee halten, eine ziemliche Herausforderung. Im Unterleib kam das Ziehen wieder, die glühende Leidenschaft in meiner Muskulatur. Mein Körper verlangte nach tieferen und festeren Bewegungen. Dann stoppte Erik, bevor meine Geräuschkulisse lauter wurde. Der Brustkorb bebte, die jungen Pferde kehrten zurück. Leidenschaftlich blickte er mich an, als ich Augen wieder geöffnete hatte. Seinem zufriedenen Gesichtsausdruck zu folgen, beobachtete er mich schon die ganze Zeit.
      “Du willst es so sehr, dass meine Hand an deinem Kopf ausreicht, aber sobald wir uns näherkommen, machst du einen Rückzieher. Was ist los?”, versuchte er eine Antwort zu bekommen auf eine Frage, die mich schon öfter stellte.
      “Es macht mir Angst”, sagte ich und wich seinem Augenkontakt aus, den er mit einer sanften Bewegung an meinem Hals wiederherstellte. Mist, er mich wirklich so sehr unter Kontrolle, wie er es behauptete.
      “Das sagtest du bereits, aber woher kommt die Angst”, blieb Erik hartnäckig. Ich schob meine Unterlippe zwischen den Zähnen entlang und holte tief Luft. Dabei schielten meine Augen zur Tür, die noch weiter offenstand. In den Ohren lag, bis auf das leise Dröhnen der Heizung und Eriks Atmung, kein einziges Geräusch. Nicht einmal die Hunde liefen durch das Gebäude. Stattdessen wirkte es beinah so, als hätte die Schneedecke alles unter sich verschluckt.
      “Es ist die Vorstellung, was passieren könnte und wie unweigerlich es mit uns endet. Ich möchte das nicht mit dir erleben, aber scheine es zu provozieren”, schluchzte ich. Es war einer meiner klareren Tage, in denen meine Gedanken sortierter daherkamen. Diese Sicherheit überspielte ich meistens, um schwächer zu sein.
      “Du denkst zu viel. Ich. Bin. Da. Und ich werde auch noch sehr lange da sein, also entspann dich. So schnell wird man mich nicht los, wenn sich so viel Mühe gibt, wie du es zeigst”, fuhr er erneut mit seinem Daumen über meine Lippen. Fest drückte er zu, dass mein Atem wie hypnotisiert erneut aussetzte.
      “Musst du wirklich heute schon zurück?”, funkelte ich ihn an. Seine Wange zuckte langsam, als versuchte er zu lächeln, aber die Erwartung blieb. Anstelle mir eine Antwort zu geben, setzte er die Verführung fort. Die Magie seines Körpers – seiner Überzeugungskraft setzte meinen Verstand außer Kraft, dass ich ihm nur folgen konnte. Sanft befreite Erik die Kaffeetasse aus meinen Fängen, während die Augen sehnsüchtig am schwarzen Keramik hingen und meine Hände weiter die Position hielten. Erneut setzte er die Lippen an meinen Hals, ohne dabei die Finger wegzunehmen. Stattdessen drückte er energischer zu. Diesmal lag es nicht an mir, dass die Luft wegblieb. Ich flehte, konnten wir die Zweisamkeit nicht in der Gemeinschaftsküche fortsetzen. Aber es war ihm egal. Seine Hand ließ locker und ich kam erneut zu Sauerstoff. Es hatte nur eine kurze Dauer, bis er mir bewies der stärkere zu sein.
      Erik führte seine Hand sanft unter meinem Pullover entlang, drückte mich währenddessen stärker ans Fenster, dass es keine Fluchtmöglichkeit gab. Ich fühlte mich gefangen, aber nicht wie ein Tier im Zirkus, sondern viel mehr konfrontiert mit meiner Angst, den einzigen Weg, sie zu besiegen. Die Augen blieben geschlossen und ich übergab ihm die Macht zu tun, was er wollte.
      “Und jetzt sein ein nettes Mädchen”, flüsterte er in mein Ohr, öffnete die Hose und drückte mich nach unten. Meine Hände behielt fest im Griff, sodass es kaum Raum für mich gab. Leicht tränten meine Augen vor Schmerz und Anstrengung, aber ehrlich gesagt: Ich kannte das Gefühl schon. Derartige Momente fühlte ich in der Vergangenheit öfter, auch, wenn noch möglich, war, sie an zwei Händen abzuzählen. Was er im Bett noch zurückhielt, traf mich umso intensiver. Sein Körper war zum Zerbersten angespannten. Der süße Schmerz lockte mich. Es fühlte sich nach Zweisamkeit an, dem, was uns beide verband und motivierte.
      Aus der Ferne ertönten Schritte, die nur zaghaft lauter wurden. Erik hörte nicht auf, drückte sein Becken noch tiefer an mich heran. Um es für mich leichter zu machen, legte ich den Kopf noch weiter ins Genick. Kurz bevor die Schritte nur noch wenige entfernt lagen, kam es zum Höhepunkt. Er nahm mich von sich weg, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und schloss die Hose. Meine Beine waren weich, so zittrig, dass ich auf dem Boden verblieb.
      Harlen trat herein. In seinen Augen entfachte sich umgehend ein Feuer aus Hass, dass er in Richtung meines Freundes richtete. Erik hingegen hob die Hände, wollte ihm vermitteln, dass alles gut sei, mein Bruder glaubte ihm nicht. Energisch kam er auf ihn zu, dass Erik mit seinen Rücken gegen den Kühlschrank knallte. Das Gesicht verzog sich schmerzerfüllt.
      “Lass ihn in Ruhe”, schrie ich aufgebracht und versuchte aufstehen, was mir meine Beine weiterhin verwehrten. Schließlich drehte Harlen zu mir um und reichte mir die Hand.
      “Es ist immer noch eine Gemeinschaftsküche, also merkt euch das fürs nächste Mal”, fauchte er, um sich ebenfalls eine Tasse Kaffee zu nehmen und aus dem Raum zu verschwinden. Wie ein kleines Kind trampelte er über den Teppich im Flur, als solle jeder aufwachen.
      “Du bist in Ordnung?”, hackte auch Erik nach. Vor Scham und Freunde begann ich lachen und schmiss mich um seinen Hals. Fürsorglich zog er mich an sich heran. Wieder hielten wir einander im Arm, als wäre es einen Abschied, aber ich war mir dem bewusst – es gab keinen Abschied.
      “Aber ich muss jetzt auch fragen”, blickte ich hoch zu ihm und setzte mich auf den Tisch. Damit waren wir beinah auf Augenhöhe, angenehm.
      “Ach ja? Da bin ich gespannt”, seine Finger strichen über den Stoff meiner Jogginghose. Doch anstatt weiter in seine Augen zu sehen, musterte ich erneut seinen Oberkörper. Ich begriff erst im Moment der Ruhe, dass er sich nicht bekleidet hatte. Erik war ein Rätsel, eins, dass ich auch bald lösen würde. Vielleicht würde ich dafür tief den Tunnel der Dunkelheit betreten, einen Weg der selbst Aufopferung. Ich hatte schmerzlich lernen müssen, dass es immer ein Licht gab, auch am dunkelsten Ort der Welt.
      “Das war das zweite Mal, wie oft noch, bist du Ruhe gibst?”, verschmitzt grinste ich ihn an. Er verschränkte die Arme und lehnte sich ein Stück nach hinten. Im Licht der warmen Deckenlampe funkelte er noch mehr vor Freude und sein Körper war so schön, dass sich die Begierde zur dritten Runde erhellte. Aber nein, ich musste mich in Zurückhaltung lernen.
      „Wir werden wohl herausfinden müssen“, lehnte er sich plötzlich nach vorn und stützte neben mir die Arme auf der Tischplatte ab. Nur wenige Millimeter trennten uns voneinander. Auf meinem Gesicht spürte ich den warmen Atem aus seiner Nase. Flüchtig gab ich ihm einen Kuss auf den Mund, ehe ich mich geschickt aus seiner Nähe heraus wendete und neben ihm stand.
      „Zieh dir was an, die Hunde wollen raus“, lachte ich und lief vor uns Zimmer.
      “Du bist ein Spielverderber”, quengelte nun er.
      Stolz auf meine Zurückhaltung, öffnete ich langsam und so leise wie möglich die Tür, hoffte, nicht die gleiche Erfahrung machenzumüssen, wie mein Bruder, der vermutlich noch die nächsten Tage meinen Freund hassen würde. Ich hingegen fühlte mich so glücklich wie lang nicht mehr. Aus meinem Regal nahm ich frische Kleidung und eine andere Reithose, während Erik aus seinem kleinen Koffer ein anderes Hemd nahm. Zusammen verschwanden wir im Badezimmer.
      “Komm Trymr”, sagte ich zu dem felligen Riesen, der schwanzwedelnd in der Küche lag. Sofort sprang er auf und schmiegte seinen Kopf an meinem Bein. Erik hatte dem Welpen ein Geschirr gekauft, das etwas zu groß an seinem Körper herumrutschte. Das nächste Problem hatte der Kleine mit der Leine, biss vergnügt daran herum und wollte nicht so recht die Grenzen einhalten, die ihm damit geboten wurden.
      “Wollen wir noch Maxou mitnehmen?”, schlug ich vor, beim Herunterlaufen der Treppen.
      Erik nickte und ich rannte vor zur Box. Das Pony schreckte zusammen, aber als sie sich zu mir umdrehte, wackelten die Ohren interessiert. Einmal rief ich sie. Tatsächlich drehte sie sich um und kam die wenigen trennenden Schritte auf mich zu. Ihre Oberlippe fummelte interessiert an meiner Hand herum.
      “Sie wohl so aus, als mag sie dich auch”, scherzte Erik hinter mir.
      “Ich füttere sie auch. Wäre blöd, wenn man den Futtergeber verachtet”, scherzte ich und nahm das Halfter zur Hand. Vorsichtig legte ich das Halfter um, doch sie schreckte wieder zurück und schlug nervös mit dem Schweif um sich. Das war gestern noch nicht. Vorsichtig legte ich es wieder zur Seite und bewegte meine Hand auf ihrem Kopf entlang. Sie senkte den Kopf, aber je näher ich zu ihrem Hals kam, umso stärker bewegten sich die Ohren. Zwischen der wüsten Mähne bemerkte ich eine kleine Beule. Sofort riss ich meinen Haargummi aus dem Haar und versuchte den Flausch in den Griff zu bekommen. Das Pony wehrte sich, als gäbe kein Entringen. Zusammen beruhigten wir das Tier, zeigten ihr die Sicherheit, die brauchte, um uns ihr zu nähren. Schließlich konnte ich die Mähne am Genick mit dem Haargummi hochstellen. Ich hatte das schon einmal in den Lehrbüchern gesehen, wenn auch deutlich stärker ausgeprägt. Es war eine Genickbeule im Anfangsstadium.
      “Was machen wir jetzt?”, fragte Erik und stützte sich auf der Boxentür ab.
      “Grundsätzlich habe ich noch einen Genickschutz im Schrank und ein sehr weiches Halfter, aber ich weiß nicht, ob ihr das so viel Erleichterung gibt”, überlegte ich laut.
      “Aber sie kann nicht dauerhaft hier im Gatter herumlaufen”, merkte er berichtigt an.
      “Paddockbox”, korrigierte ich.
      “Wie bitte?” – “Das Gatter nennt sich Paddockbox, aber ich gebe dir recht. Wir versuchen es.”
      Entschlossen lief ich zurück, an der Treppe vorbei und kam in den langen Flur an, der alle Sattelkammern miteinander verband. Durch das erste Glas lief ich hinein. Mein Handy bekam seinen Platz im Schrank zurück und ich suchte nach dem Genickschutz, den sonst für Glymur verwendete, um vor den Turnieren nutze, um die Mähne zu schützen. Zwischen den Gamaschen und eine Schabracke lag die kleine durchsichtige Tasche mit dem Schutz. Ich schnappte ihn mir und vom Haken ergriff ich das Lammfell-Halfter. Schnellen Schritten kehrte ich zurück.
      Maxou musterte alles sehr genau, zeigte sich erst skeptisch. Vorsichtig zeigte ich, dass von beiden Gegenständen keine Gefahr ausging. Sie gehorchte und ich konnte sie herausführen. Ihr Blick änderte sich. Das Pony schien wie ich wieder den Willen zu etwas gefunden zu haben. Sie schnaubte ab, beschnupperte die anderen Tiere, die aber nur ein kurzes Interesse auslösten.
      Vor dem Stallgebäude war es still. Die Schneedecke verschluckte alle Geräusche. Von den bewegenden Baumkronen rieselte der Schnee herunter, während der leichte Wind die lockere Schicht durch die Luft wirbelte. Es war nicht kalt, viel mehr fühlte es sich an, dass die Winterjacke mich zu sehr wärmte. Vom Hals öffnete ich langsam den Reißverschluss. Maxous Ohren bewegten sich wieder hektisch, bei dem Geräusch des aufeinander reibenden Plastik.
      Wohin mein Auge blickte, lag Schnee. Unter der Last hingen die Zweige der Tannen erschöpft nach unten, so weit, dass sie das frische Weiß berührten. Der Himmel über uns erstrahlte in einem kräftigen Blau, nur kleine helle Wölkchen erfrischten den Anblick. Durch die Sonne glitzerten die Schneekristalle und vor uns lag so viel, was man neu entdecken konnte. Es war mein zweiter Winter in Schweden, aber ein ganz anderer als zuvor. Eigentlich kannte jedes Details dieser Landschaft.
      Ich hatte mich weiterentwickelt, lief zusammen mit meinem Pferd und meinem Freund durch den hohen Schnee und genoss die neue Freiheit, oder das Gefühl davon. Man berief mich ins Nationalteam, wenn auch nur auf die Ersatzbank, ohne, dass ich wirkliche Erfolge nachweisen konnte. Meine Verbindung zum Tier sprach für sich, sagten damals die Trainer, als wir aufgereiht in der Mitte der mickrigen Reithalle standen. Ich hatte so viel, sollte mich glücklich schätzen, aber zweifelte an mir. Dadurch zog ich mehr Leute ins Verderben. Wieso konnte ich mich nicht zufriedengeben?
      “Du verlierst dich wieder”, ergriff Erik meine Hand und zog mich sanft an sich heran.
      “Woher weißt du was?”, wunderte ich mich. Maxou hielt neben uns an und schnaubte ab, ehe sie ihren Kopf wieder in den Schnee steckte. Laut atmete das Tier aus.
      “Wenn du schlechte Gedanken bekommst, beißt du auf deiner Wange herum und pulsierst mit deiner Hand”, erklärte er und drückte seine noch fester in meine. Ich dachte nach, bemerkte dabei, dass ich die genannten Verhaltensmuster wirklich zeigte. Offenbar eine schlechte Angewohnheit, die für die Narben auf der Innenseite meiner Wangen zeigte.
      “Und, was weißt du noch?”, erkundigte ich mich. Wir setzten den Weg durch die Endlosigkeit fort. Leise knirschte es unter unseren Schuhen, unter den Hufen der Stute und den Pfoten der Hunde. Als hätte es nie die Zweifel des Großen gegeben, tollte er mit dem Welpen durch die Berge des Schnees im Unterholz. Nur durch seine schwarzen Ohren zu sehen, hüpfte der Zwerg durch die Oberfläche, um im nächsten Moment, wieder darin zu versinken.
      “Dein linkes Augenlid zuckt, wenn du erregt bist und du beginnst, mit deinen Mundwinkeln zu zucken, wenn du glücklich bist. So wie jetzt”, erklärte Erik und legte seinen Finger unter mein Kinn, damit ich ihn wieder ansah. Ich spürte, dass sich Wärme in meinen Wangen ausbreitete und eine Spur aus roter Farbe hinterließ.
      “Wie geht es eigentlich bei dir weiter, wenn du nun nicht mehr im Außendienst bist?”, fragte ich, als die Färbung nachließ.
      „Zunächst konzentriere ich mich auf das Studium und hoffe, dass danach über die Suspendierung erneut besprochen wird“, aus seiner Stimme hörte ich Zweifel heraus, als gäbe es kein Zurück mehr für ihn. Es tat mir schon leid, dass er derartig von seinem Vater benutzt wurde, aber konnte es nachempfinden.
      „Die sollten dankbarer sein für ein Geschenk wie dich“, drückte ich intensiver meine Hand zusammen. Über seine Lippen huschte ein unsicheres Lächeln, das nach einem Wimpernschlag wieder verschwand.
      „Trotzdem habe ich gegen das Gesetz gehandelt und kann froh sein, dass es nicht zu einer Verhandlung kam oder Ähnliches. Sonst müsstest du mich jetzt im Gefängnis besuchen”, tauchte Grinsen wieder auf.
      “Und du denkst wirklich, dass ich das getan hätte?”, hakte ich pikiert nach. Herzlich begannen wir zu lachen, bevor die Stille wieder die Macht an sich riss. Zusammen entdeckten wir die Welt. Im Gleichschritt bewegten sich unsere Beine durch den knöchelhohen Schnee, der nur durch die Baumkronen so niedrig war. Auch über uns dehnten sich die Äste nach unten. Im leichten Wind bewegten sie sich, dabei rieselten kleine Flocken herunter. Eine fiel mir auf die Nasenspitze, was auch Erik bemerkte. Vorsichtig legte er seine freie Hand in mein Gesicht und strich den verbleibenden Wassertropfen herunter.
      “Ich wollte dir vorhin eigentlich etwas anderes sagen, aber als ich dich so sah, bekam ich Angst. Du wirkst immer so zerbrechlich”, seufzte er.
      “Sag’ schon, so dramatisch kann es nicht sein”, munterte ich ihn auf, ignorierte dabei die Herde in meiner Brust, die aus den Tiefen meines Unterbewusstseins wieder angaloppiert kamen. Als hörte Maxou es auch, bewegte sie ihren Kopf zu mir und drückte ihr Maul an mein Ohr. Sanft schob ich mit dem Strick wieder zur Seite. Er war genauso aufgeregt. Ich vernahm an der Hand, wie sie meine Finger zittern und ungleichmäßig zuckten.
      “Bitte”, nuschelte Erik kaum verständlich und drückte noch stärker zu, bis ich anhielt. Erwartungsvoll funkelte ich mit meinen Augen ihn an. Mit allem mir zur verfüngungstehenden Mittel, versuchte ich ihn wieder zu beruhigen. Ich befreite meine Finger aus seiner Hand und strich über den bedeckten Oberkörper. Seine Unsicherheit lichtete sich, als ich meine Lippen auf seine drückte.
      “Ich liebe dich”, stammelte er so leise, dass ich wie von einem Band noch einmal die Situation im Kopf abspielte, immer wieder und wieder. Hatte ich mich verhört? Hatte Erik etwas anderes gesagt? Ich konnte es nicht glauben, oder wollte ich es nicht?
      “Danke”, sagte ich perplex, doch wurde im nächsten Moment von ihm weggestoßen. Wie von einem Rochen gestochen, schreckte Erik zurück und strich sofort den Kopf seines Hundes, der genauso schlagartig angerannt kam. Dicht gefolgt vom Welpen.
      „Wie kannst du so herzlos sein?“, stammelte er zweifelt und nasal. Über seine Wange lief ein kleines Rinnsal aus Tränen herunter, als hätte ich ihm gerade gebeichtet - gute Frage. Mir fiel gar kein Vergleich ein, was in derartig schockieren könnte, dass er weinend vor mir stand. Eventuell, wenn ich gesagt hätte, dass er nur eine Affäre sei und aus meinem Leben verschwinden sollte. Doch das lag nicht vor. Zu sehr brannte meine Leidenschaft nur für ihn, auch, wenn ich vermutlich nie so viel darüber nachdachte, war Erik der Mann meiner Träume. Absurd, dass für ihn eine Welt zusammenbrach.
      „Hör mir genau zu“, versuchte ich ihn zu beruhigen und lief einige Schritte auf mich zu. Maxou folgte interessiert und stupste ihn an. Er schenkte dem Tier überhaupt keine Beachtung, als wäre die Freude an ihr wie Asche in der Luft zerfallen. Stattdessen wühlte er in der Innentasche, holte eine Schachtel Zigaretten heraus und zündete sofort eine an.
      „Wieso sollte ich das tun?“, zitterte Erik noch immer, hatte aber deutlich an Ruhe in der Stimme gewonnen.
      „Weil es mir wichtig ist.“ - „Ach, es geht wieder nur um dich. Ich gebe dir alles was du willst, diskutiere nicht einmal über die Notwendigkeit, obwohl es das in meinen Augen ist, und du? Du trittst mich mit Füßen als wäre ich ein dahergelaufener Kerl, der sich einen Dreck um dich schert, sowie mein Bruder. Der benutzt dich nur, siehst du das nicht?“
      Eriks Verzweiflung wandelte sich in Wut um, so rasend hatte ich ihn noch nie erlebt. Bei jedem seiner Worte setzte er weitere Messerstiche in meinen Oberkörper. Am liebsten würde ich mich nun umdrehen und durch unsere Spur den Weg zurück zum Hof finden, denn die Sonne machte es mir nicht leicht, etwas zu erkennen. Der Schnee blendete, brannte in den Augen. Wenn ich mich jetzt wegdrehte, war es vorbei. Das konnte sogar ich erkennen. Außerdem, was sagte vorhin noch? So schnell werde ich ihn nicht los? Es reizte mich schon diese Grenze auszutesten, aber meine Vernunft hinderte mich.
      „Du hörst mir jetzt zu, und dann darfst mich weiter beleidigen, wenn dir danach ist“, schluchzte ich, aber hielt die Tränen zurück. Es waren schon genug geflossen. Er atmete tief durch und nickte.
      „Ich hatte nicht damit gerechnet. Deine Einleitung dazu brachte mich so durcheinander, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte. Dazu warst du offenbar selbst so sehr gefangen in dir selbst, dass ich kaum verstand. Du bist alles was ich mir in meinem Leben wünsche, niemand anderes kann mir das geben, was du bisher getan hast. Ich bin dankbar für jede gemeinsame Sekunde und trauere den Augenblicken nach, die ich nicht mit dir teilen kann. Also wirf mir nicht vor, dass ich herzlos sei, nur weil ich kurz nachdenken muss und mein Mund wirres Zeug von sich gibt. Natürlich liebe ich dich auch, seit dem Moment, an dem du vor mir an der Tür standest. Ich will nur dich und daran wird sich nichts ändern“, dann flossen doch meine Tränen. Wie starrten einander an. Nun war Erik vollkommen perplex. Die Zigarette ich seiner Hand verglimmt in der Mitte. Aber er hielt sie fest, als wäre es die einzige Möglichkeit nicht den Halt zu verlieren. Wieder stupste mich Maxou an, als solle ich endlich die letzten beide Schritte wagen, die uns voneinander trennten. Ich trat nach vorn, sah mich zu Maxou um, die erneut ihren Kopf gegen meinen Rücken drückte. Dann lagen meine Händen an seinen Hals, meine Augen sahen tief in seine, die stark gerötet waren.
      „Also Herr Löfström, ich liebe dich“, schmunzelte ich.
      „Sie, ich habe Ihnen nicht das Du angeboten“, scherzte er und drückte sofort seinen Mund auf meinen. Ich verspürte einen Schwall der Leidenschaft als wir uns trafen. Langsam kämpfte sich seine Zunge den Weg zu meiner. Eng umschlungen standen wir im Schnee, während von den Baumkronen kleine Flocken herunter rieselten und den Moment noch perfekter machten, als er ohnehin schon war. Nur schwer konnten wir uns lösen. Sofort ergriff er meine Hand, beinah so sehr, dass es leicht schmerzte. Verliebt liefen wir weiter. Kein Wort schwebte mehr zwischen uns, stattdessen trafen sich in regelmäßigen Abständen unsere Blicke. Dabei breitete sich ein Lächeln aus.
      „Das kann nicht sein“, sagte ich schockiert, als wir fast eine Stunde später nach dem kleinen Aussetzer unserer Gefühle am Hof ankamen.
      „Was ist los, mein Engel?“, küsste Erik meine Hand und blickte sich um.
      „Da oben“, zeigte ich zum Dach der Reithalle, „Tobias sitzt dort oben auf dem Vogt.“ Er kneisterte die Augen zusammen, aber schien den einbeinigen Falken nicht zu entdecken.
      „Wer soll Tobias sein?“, kicherte er kopfschüttelnd.
      „Ein Falke, der verfolgt mich und zeigt mir, was ich tun soll“, erklärte ich.
      „Bestimmt“, er wuschelte mir durchs offene Haar, „Du siehst Gespenster.“ Ich drückte meinen Kopf von ihm weg, versuchte dem Tier ein Zeichen zu geben. Tatsächlich funktionierte der Gedanke. Tobias erhob seine Flügel, drehte einige Runden über unseren Köpfen und setzte sich schließlich auf einen Pfahl des Paddocks ab. Positiv überrascht musterte Erik das Tier.
      „Er dürfte gar nicht in dieser Gegend wohnen“, stammelte er.
      „Du möchtest einem Vogel also seine Freiheit nehmen?“

      Etwas früher am Hof …

      Lina
      “Guten Morgen, mein Engel”, raunte Niklas mir sachte ins Ohr, die Stimme noch vom Schlaf belegt. Zart strich warmer Atem über meine Haut und die kurzen Bartstoppeln kitzelten, als sich seine Lippen zart niedersenkten. Von der Stelle, die sie berührten ging, ein sanftes prickeln aus, welches sich von dort aus wie eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitete. Langsam wand ich mich in seinen Armen zu ihm hin, blickte direkt in zwei Augen von bezauberndem Blau, welches nahe der Pupille von sanftem braun durchbrochen wurde.
      “Guten Morgen”, wisperte ich noch ein wenig schläfrig, ein wohliges Lächeln auf den Lippen. Nach zwei Nächten wieder einige Stunden durchschlafen zu können, ohne von einem unruhigen Kleinkind oder einem wimmernden Welpen geweckt zu werden, war allein schon wundervoll. Diese dann auch noch in der warmen Umarmung meines Freundes zu verbringen, mit dem Wissen, dass mein Hengst wohlbehalten unten im Stall wartete, ließ mein Wohlbehagen ins unermessliche steigen.
      “Wie spät ist es?”, fragte ich, sobald ich die goldenen Sonnenflecken registrierte, die leuchtende Muster auf Wände und Möbel zeichneten.
      “Ungefähr viertel vor acht”, antwortete Niklas und strich mir eine der langen braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht, die vermutlich vollkommen wirr umrahmten.
      “Das müssen schöne Träume gewesen sein, so wie du strahlst”, drangen weiter Worte aus seinen perfekt geformten Lippen, die von einem lieblichen Lächeln umspielt wurden.
      “Wovon soll ich denn träumen, wenn du schon hier bist”, lächelte ich in den Kuss hinein. Das sanfte Prickeln unter meiner Haut intensivierte sich und sprudelte wie ein Tiefseevulkan durch meinen Körper.
      War es eben noch ruhig im Haus gewesen, schien es nun synchron mit meinem inneren Vulkan zum Leben zu erwachen. Annähernd im Minutentakt schienen Schemen an der Milchglastür vorbeizuhuschen, was wohl ein Zeichen sein sollte, an die Arbeit zu gehen. Widerstrebend versuchte ich mich von meinem Freund zu lösen, obwohl mein Körper mir eindeutig mitteilte, dass er lieber an Ort und Stelle verweilen wollte.
      “Warum willst du denn schön flüchten, wenn ich so traumhaft bin?”, fragte er neckisch und zog mich wieder näher an sich heran.
      “Arbeit und…”, entgegnet ich mit einem zuckersüßen Lächeln, “im Stall möchte noch ein anderer meine Aufmerksamkeit.”
      “Ein Anderer? Wer kann wichtiger sein als ich?”, wand Niklas empört ein, doch in seinen Augen konnte ich es schalkhaft funkeln sehen.
      “Oh, seine Statur ist göttlich, sag ich dir. Und niedlich Ist er… ”, schwärmte ich von meinem Hengst, jedoch ohne den Blick von seinen wunderschönen Augen zu lösen, "und zu guter Letzt hat er auch einiges an Talent zu bieten.".
      “Talentiert also, aber kann er auch das”, raunte er provokant so nah, dass seine Lippe sanft meinem Ohr entlang glitten. Um mich weiter zu quälen, verteilte Niklas eine Kette brennender Küsse auf meinem Hals. Unwillkürlich begann der faustgroße Muskel in meiner Brust, stärker zu pulsieren und das Blut durch meine Adern zu treiben.
      “Nein”, ich musste mich zusammenreißen, nicht wohlig aufzuseufzen, “das kannst du eindeutig besser.” Noch gab es ein Fünkchen Willensstärke, welches ihm widerstehen wollte, doch dieser erlosch bereits allein durch den betörenden Geruch, der von ihm ausging. Laute der Erheiterung drangen aus Niklas Kehle, die kaum merklich in seiner muskulösen Brust vibrierten.
      “Das hör ich gerne”, hauchte er ein wenig selbstgefällig in mein Ohr. Ich erschauderte, als er mit den Lippen an meinem Hals hinabglitt. Weiche Fingerspitzen glitten unter das weite Shirt, liebkoste die empfindliche Haut darunter. Auf unerklärliche Weise schaffte er es immer wieder, dass mein Körper selbst auf die zarte Berührung seiner Finger, unglaublich stark reagierte, ganz so als würde er nach der kurzen Zeit meinen Körper bereits besser kennen als ich selbst. Unerwartet ging ein kaum wahrnehmbares Zucken, durch die Muskulatur meiner Bauchdecke. Eine irrationale Angst rollte wie eine Lawine durch meine Adern, erstickten das Feuer darin vollständig.
      “Niklas, warte”, schossen die Worte beinahe aus meinem Mund und nur schwerlich konnte ich die unerklärliche Angst darin unterdrücken. Reflexartig stemmte ich meine Hände gegen seine Brust. Augenblicklich glitten seine Finger weg von meinem Bauch, bewegten sich wieder über den Stoff.
      “Alles okay?”, frage er verwundert. Leichte Besorgnis lag in seinem Blick. Das Verlangen, welches vor einem Moment noch seinen Ausdruck zu dominieren schien, glomm nur noch schwach in seinen Augen. Gehemmt versuchte ich, seinem Blick auszuweichen. Einige der Milliarden Zellen in meinem Hirn sponnen sie unwirklichsten Szenarien, ängstigten mich vor seiner Reaktion.
      “Lina, sprich mit mir”, forderte er mich sanft auf, “Ich kann keine Gedanken lesen.” Ich fühlte mich beschämt für das, was in meinem Inneren vorging. Was stimmte nur nicht mit mir, dass ich derartige Gefühle nicht zulassen konnte?
      “Es ist … Irgendwie … fühle ich mich noch nicht bereit für das hier. Es tut mir leid”, die Worte stolperten ungeschickt über meine Zunge, während meine Finger nervös auf seiner Brust herumdrückten, auf der sie noch immer lagen. Zaghaft erhob ich die Lider, versuchte in seinen Augen eine Reaktion zu lesen.
      “Das muss dir nicht leidtun, du hast schließlich nichts falsch gemacht”, sprach er ruhig, strich behutsam mit seinen Damen über meiner Wange, “wichtig ist nur, dass du mit mir sprichst.” Ich nickte verhalten, doch spürte, wie sich die Angst in meinem Inneren verflüchtigte, mein Herz wieder einen normalen Takt fand.
      “Und jetzt komm, mein Schatz, ich mach dir ein ordentliches Frühstück, bevor ich dich auf die Pferde loslasse”, lächelte Niklas und zog mich mit sich aus dem Bett heraus.

      Hochgestimmt hüpfte ich vor meinem Freund die Stufen zum Stall hinab und konnte es mir nicht nehmen lassen, die letzten beiden Stufen auf einmal zu nehmen.
      “Guten Morgen”, trällerte ich Samu entgegen, der wunderlicher Weise bereits auf der Stallgasse herumlungerte. Auch seine Freundin war dabei und freundet sich mit Nobel an, der sich gelassen kraulen ließ.
      “Da hat aber jemand blende Laune”, merkte Samu mit einem verschmitzten Grinsen und ließ für einen Moment davon ab, das dunkle Fell seines Hengstes zu striegeln.
      “Natürlich, gibt ja auch keinen Grund dafür diese nicht zu haben”, strahlte ich ihn an. Freundlich senke Legolas den Kopf ab, damit ich an seiner Lieblingsstelle unmittelbar zwischen den lagen Ohren kraulen konnte.
      “Zudem nach solch einem göttlichen Frühstück, hättest du auch gute Laune”, erweiterte ich meine Erklärung und schielte zu Niklas.
      “So ist das also”, lachte Samu, mit einem kecken Funkeln in den Augen. Mich beschlich das unbestimmte Gefühl, dass er nur nicht, an das dachte, was ich gemeint hatte. Noch bevor ich das richtig stellen konnte, sprach Samu weiter: “Ich würde gerne mit Lego gleich in die Halle, meinst du, das geht oder störe ich da irgendwen?”
      “Du willst Lego heute schon arbeiten? Ihr seid doch gestern erst gekommen?”, hinterfrage ich irritiert. Eigentlich hätte ich erwartet, dass er sich erst einmal eingewöhne solle.
      “Nur ein wenig. Nach der langen Reise und der Quarantäne hat er sicherlich einiges an Bewegungsdrang”, entgegne der Finne und tätschelte die Schulter des Hannoveraners, “Ivy solltest du auch ein wenig auslasten, ich glaube, du wirst dich freuen.”
      “Noch mehr freuen als jetzt? Wie willst du das denn schaffen?”, hinterfragte ich neugierig.
      “Setzt dich einfach auf deinen Hengst und finde es heraus”, entgegnet Samu, mit einem pikantesten grinsen auf den Lippen, welches davon zeugte, dass er sich der Zweideutigkeit seiner Worte bewusst war. Grinsend schüttelte ich den Kopf, Samu war zwar schon immer ein Schelm gewesen, aber Witze dieser Art waren neu. Genüsslich hatte Legolas die Augen geschlossen, während meine Finger noch immer seine Ohren massierten. Doch um nicht aus der Balance zu geraten, zog der Rappe den Kopf nach oben, als sein Besitzer nun eines seine Vorderbeine aufhob, um das Innere des Hufes zu reinigen.
      “Okay, ich frag ja schon nicht weiter, aber um auf deine Anfangsfrage zurückzukommen, natürlich kannst du in die Halle”, sprach ich zu ihm, bevor ein Klappern meine Aufmerksamkeit erregte.
      Neben uns, durch das kleine Rolltor, sprang Trymr in die Stallgasse hinein. In seinem Fell hingen viele kleinere und größere Schneeklumpen, während der andere Teil vollkommen durchnässt war. Ihm, dicht gefolgt, kam auch der Welpe, ebenso freudig erregt wie sein Kamerad. Gerade, als Middy begann in der Box aufgebracht gegen das Holz zu keilen, pfiff jemand, obwohl ich mir sicher war, dass das Geräusch nur von Erik stammen konnte, und das Knäuel rannte zurück. Dann kamen die Herrschaften. Vriska grinste breit von einem Ohr zum anderen, dabei klammerte sie fest an Eriks Hand und ihre andere hielt den Strick zu Maxou fest. Doppelt eingepackt trottete sie mit angelegten Ohren nach.
      „Volksversammlung?“, lachte Vriska und brachte Maxou zurück in die Box. Das Pony stürzte sich mit vollem Elan auf die Heulage, die bereits in der Ecke platziert lag.
      “Hat man dir was in den Kaffee gekippt oder warum strahlst du so?”, grinste ich ihr entgegen. Aufgeregt wuselte der Welpe zwischen den Personen in der Stallgasse umher, stupste jeden an, aber wuselte unmittelbar zum nächsten, als könne er sich nicht entscheiden, wen er zuerst begrüßen wollte.
      „Vielleicht gab es eine Überraschung“, kam Erik zu Wort. Vriska schien viel zu beschäftigt dem Pony die diversen Decken abzunehmen, die bei genauerer Ansicht nur vor Feuchtigkeit trieften. Etwas unbeholfen warf sie sich beide über die Schulter und tuschte heraus. Maxou blickte kurz auf, sah die offene Tür, aber senkte schnaubend den Kopf wieder ins Futter.
      “Das muss aber eine coole Überraschung gewesen sein. Darf man daran Teilhaben oder eher nicht so?”, hinterfragte ich neugierig geworden durch seine Worte. Ein kalte, nasse Hundenase drückte sich gegen mein Bein, unmittelbar gefolgt von einer Pfote. Das Fellknäuel stand wackelt vor mir, blickte mich aus seinen großen Augen zu mir hoch. Kaum hatte ich mich zu dem Welpen hingehockt, grub er auch schon den Kopf in meinem Schoß.
      Erik atmete mit suchendem Blick aus.
      „Vielleicht sollte sie das lieber sagen“, kamen seine Worte ungewöhnlich schwer aus dem Mund heraus, dabei begann er an dem Ärmel seines Mantels zu zupfen und einen Knopf nach dem anderen zu öffnen — nur, um ihn wieder zu schließen. Auch Niklas, der noch immer neben mir stand und Divine rhythmisch über den Hals tätschelte, wurde auf die Situation aufmerksam. Mit einseitig erhobener Braue musterte er Erik genau, bis beide gleichermaßen grinsten und Samu nicht anderes konnte, als der nonverbalen Kommunikation beizutreten. Fasziniert und irritiert zugleich blickte ich zwischen den drei Männer hin und her. Gab es eine Art telepathische, Verbindung, die auf das männliche Geschlecht beschränkt war? Doch auch der Blick zu Enya, die noch immer bei Nobel stand, vergrößerte das Unverständnis nur, selbst sie schien deuten zu können, was auch immer da vor sich ging. Äußerst suspekt.
      “Verstehst du die, Fred?”, raunte ich dem kleinen Lebewesen in eines der gefleckten Schlappöhrchen. Natürlich antwortete der Hund nicht. Stattdessen stürzte der Welpe sich mit einem Kläffen auf dem Lammfellhandschuh, der in Samus Putzkasten lag. In einer der leeren Boxen verstand er, nur leises Knabbern erklang zwischen den Fressgeräusche der Pferde. Dann stampfen und klirren. Vriska kam mit zwei anderen Decken wieder. Die Abschwitzdecke wirkte schon als Stoffhaufen deutlich zu klein, während die dicke Weidedecke einige Zentimeter zu viel hatte. Schweigend zischte sie an uns vorbei, den Blick verankert am Pony. Dass ihr die Männer grinsend nachsahen, bekam sie nicht einmal mit. Erst als das Tier eingepackt in der Box stand, die Ohren verärgert angelegt, und eher nach einem Weihnachtsgeschenk aussah, bemerkte sie die Anspannung.
      “Denkst du nicht, dass das etwas zu viel ist?”, hakte Erik nach und neigte den Kopf leicht zur Seite, als versuche er darin, eine Erklärung zu finden, doch Vriska kam ihm bereits entgegen.
      “Sie hat kein Fell und mir ist schon superkalt in der Jacke”, befestigte noch den Bauchgurt, mit leichter verzerrter Stimme fügte sie noch hinzu: “Und wenn ein Pferd dünnere Haut hat, dann wird ihr vermutlich kalt sein.”
      Verwundert nickte er mit aufgespannten Augen, aber war wie wir nicht im Interesse, das weiter zu hinterfragen.
      “Vriiiska, mag du mir jetzt verraten, warum du so fröhlich bist?”, versuchte ich nun erneut eine Antwort von ihr zubekommen, da ich von ihrem Freund schließlich keine zufriedenstellende Antwort bekam und mich offenbar auch sonst keiner der Anwesenden aufklären wollte.
      “Dafür gibt es verschiedene Gründe”, spannte sie uns alle weiter auf die Folter, aber immerhin verließ sie die Box und fummelte nicht weiter an dem Deckenberg herum.
      “Also”, kam sie zu mir und legte den Arm gekonnt um meine Schulter, “wie viel möchtest du denn wissen?”, flüsterte Vriska deutlich leiser in mein Ohr. Noch immer verwirrt von der Berührung, blickte ich sie von oben bis unten an.
      “Alles …?”, formulierte ich es eher als Frage, überlegte gleichzeitig, ob die klug sein und entschied mich letztlich, die Frage noch einmal näher zu differenzieren in Erinnerung daran, dass sie solche Forderungen stets mit äußerst viel Detailreichtum beantwortet.
      “Alles, wichtige”, korrigierte ich die Aussage.
      “In meinen Augen wichtig, oder in deinen?”, wirkte sie sich bewusst, dass es Dinge gab, die ich wohl besser nicht wissen wollte, aber auch Niklas kam neugierig einige Schritte näher. Ihre letzte Frage hatte er wohl mitgehört und streckte den Kopf ebenfalls in kleinen entstehenden Kreis.
      “Wir wollen es alle wissen”, grinste er frech.
      “Mein wichtig ist vollkommen ausreichen”, entgegnete ich Vriska, meinen Freund ignorierend. Der wusste doch scheinbar ohnehin schon, worum es geht, also was wollte er noch.
      “Er hat ‘ich liebe dich’ gesagt”, quietschte sie derartig hoch, dass mein Hirn Sekunden benötigte, bis es die Information verarbeitete. Niklas drehte nur gelangweilt die Augen und beschloss, sich wieder dem eigenen Pferd zu widmen, das neugierig den Kopf durch die Gitter steckte.
      “Nawww, das freut mich für dich”, frohlockte ich und schlug aufgeregt die Hände zusammen. “Erzähl’ mehr! War so schön, wie man sich das immer vorstellt? Ihr zwei allein im Wald, eng aneinander gekuschelt gegen die Kälte, um euch herum nicht als das Glitzern unberührter Schneeflächen zischen den dunklen Tannen”, begann ich die rührseligen Szenen auszuschmücken, die mir in den Kopf kamen. Vriska zog die Brauen zusammen, aber suchte, mit gepressten Lippen zu ihrem Freund, der bereits hochrot angelaufen war.
      “Linchen?”, bedachte Samu mich mit einem teils belustigen Blick, “Du weißt aber schon, dass wir uns in der realen Welt befinden und nicht in einem deine Bücher?”
      “Man Samu, du musst einem auch jegliche Fantasie zerstören”, quengelte ich und rollte mit den Augen, “ich bin ja schon still.” Schmollend wand ich mich meinem pelzigen Einhorn, ähm Pferd zu, welches mit dunkel schimmernden Augen bereits sehnsüchtig auf meine Aufmerksamkeit wartete.
      “Da hast du also die Idee her”, wendete sich Vriska Erik zu, der nur mit den Schultern zuckte, “also Lina hat damit schon vollkommen recht, tut mir leid Samu, dass ich deine Realität wie eine Plattenbausiedlung daherkommt.”
      “Siehst du Samu!”, grinste ich ihn triumphierend an, bevor ich mich an Enya wandte, “Ich glaube, du musst deinem Freund mal ein wenig mehr Romantik nahebringen.” Die große Blonde lachte herzlich, woraufhin der Finne ein weniger begeisterten Eindruck machte. Der weiße Hengst nabelte derweil an meine Jackentasche herum und versuchte den Zipper des Reißverschlusses zu erhaschen, um an die Leckerlis im inneren heranzukommen.
      “Lacht nur, wer hochfliegt, wird tief fallen”, entgegnet Samu nahezu gleichgültig. Von einem Moment auf den anderen war all die Wärme aus seinem Blick gewichen und darin lag nur noch kaltes Eisblau, bevor er sich abwandte und den Deckel des Putzkoffers etwas lauter, als nötig zufallen ließ. Zu genau war mir bewusst, worauf mein bester Freund anspielen wollte.
      “Ich glaube, dein Pferd möchte sich endlich bewegen”, sprach ich knapp, um die Lage zu entschärfen. Erleichtert entwich die Luft aus meinen Lungen, als seine Schritte sich in Richtung der Sattelkammer entfernten. Das verschaffte mir den nötigen Augenblick, um mich emotional von besagtem Ereignis abzuschotten, bevor Samu weiterhin in der Vergangenheit herumrühren konnte. Irritiert von dem Stimmungsumschwung hatte Ivy aufgehört an mir herumzuspielen, stand nun ganz still neben mir, nur seine Ohren bewegten sich wachsam in alle Richtungen, als würde er eine Gefahr erwarten.
      “Alles gut, hübscher”, sprach ich sanft zu dem Hengst, strich langsam über die samtweichen Nüstern, die sich gleichmäßig aufblähten. Das Rascheln, welches ich erzeugt, als ich in der Jacke nach einem Leckerbissen angelte, lockte seine kleinen Öhrchen wieder nach vorne. Gierig, wie immer klaubte er das Pellet aus meiner Hand und nahm analog zu meiner wiederkehrenden inneren Entspannung auch wieder eine entspannte Haltung ein. Leise erklang das Klimpern des kleinen Anhängers, der gegen die metallenen Beschläge pendelte, als ich das Halfter von seinem Haken nahm. Es wirkte beinahe gespenstisch, wie still die Stallgasse nun wieder war. Nicht mal vom Vriska war ein Laut zu vernehmen, die sich normalerweise nur schwer zurückhalten konnte.
      Bereitwillig streckte Divine die Nase ins Halfter und wartete geduldig, bis ich seine Haarpracht auseinander sortiert hatte. Samu kehrte gerade mit dem Sattelzeug seines Rappen wieder zurück, als ich den Freiberger auf den freien Platz neben Legolas stellte. Er schenkte mir keinerlei Beachtung, begann stattdessen in Schweigen gehüllt seinem Pferd den Sattel aufzulegen. Der wird sich schon wieder einkriegen, dachte ich und schlug meinerseits den Weg in die gut sortierte Kammer ein, um mein Putzzeug zu holen.
      Bei meiner Wiederkehr hatte der Blonde seinen Hengst bereits fertig gesattelt und verschwand mit seiner Freundin und dem Tier in der Reithalle.
      Ivy hingegen hatte sich einen der herunterhängen Stricke geschnappt, wippte mit dem Kopf, sodass das Metallende immer wieder gegen etwas stieß und terrorisiert mit dem entsenden Lärm den gesamten Stall.
      „Divine“, ermahnte ich den Hengst, während ich die kleine Alukiste auf den Boden abstellte. Augenblicklich stellte der Hengst den Lärm ein und blickte mir treudoof entgegen, als habe er nie etwas getan, nur der Strick hing noch immer zwischen seinen Zähnen. Bevor ich mit dem Putzen begann, zog ich ihm das Seil aus dem Maul, nicht dass er gleich am ersten Tag seiner Anwesenheit etwas zerstörte, das würde der kleine Tollpatsch sicherlich noch früh genug tun. Kaum begann ich, damit das weiße Fell zu bürsten, hatte der Hengst wieder den Strick im Maul. Mir schien es ganz so, als habe er ein gewaltiges Aufmerksamkeitsdefizit.
      Das dicke, vom Schnee feuchte Winterfell sauber zu bekommen dauerte eine Ewigkeit, weil ich das Gefühl hatte den Dreck eher tiefer in das Fell hineinzubürsten als hinaus. In einem eleganten Bogen flog plötzlich die Hufbürste durch die Luft, die Ivy sich als Alternative zu dem Anbindeseil aus der Putzkiste stibitzt hatte, was den Welpen dazu veranlasste aus seiner Ecke hervorzukommen. Freudig schnappte er sich die Bürste, flitzte eine Runde um den weißen Hengst herum und kam zwischen den Pferdebeinen wieder hervor gerannt. Vor den Hufen des Pferdes ließ das kleine Fellknäuel den Gegenstand fallen und bellte aufgeregt. Interessiert stellten sich Ivys Ohren auf und er streckte dem Welpen die Nase entgegen. Noch immer voller Energie hibbelte Fred umher und versuchte Divine dazu zu bringen, mit ihm zu spielen, doch das Pferd verstand natürlich nicht, was das kleine Tier von ihm wollte. Erneut versuchte es der Hund, bevor er von einem Geräusch abgelenkt wurde und in dessen Richtung sprang.
      Nach geraumer Zeit gab ich es auf den Dreck aus dem Fell des Hengstes zu entfernen, eine annähernd saubere Sattellage musste wohl ausreichen. Um nicht noch mehr Zeit zu verschwenden, ließ ich die Mähne in dem Zustand, wie sie war, las nur die Späne aus dem Schweif. Auch den Beinschutz sparte ich mir, machte einzig Hufglocken darauf, um zu vermeiden, dass der kleine Tollpatsch sich die Eisen runter trat. Sein Beschlag war schließlich auch so schon teuer genug.
      Auf dem Weg um den Sattel zu holen kam mir der Gedanke, dass es eigentlich schön wäre zum Aufwärmen eine kleine Runde draußen zu drehen, in der kleine winterliche Wunderwelt, in der das Sonnenlicht alles zum Funkeln brachte. Zudem bot es einen guten Weg Samu noch ein wenig aus dem Weg zu gehen, denn ehrlich gesagt empfand ich dieses komplette Ignorieren ein wenig unangenehm. Es kam nämlich nur äußerst selten vor, dass er so verstimmt war. Behutsam hievte ich den Sattel auf Divines Rücken und gurtete ihn vorsichtig locker an, darauf bedacht nicht Teile des langen Fells einzuklemmen. Zu meinem Erstaunen war ein leichtes Anlegen der Ohren, die einzige Reaktion, die er zeigte. Offenbar hatte Samu seinen Gurtzwang nahezu wegbekommen. Ausgiebig lobte ich Ivy und steckte ihn einen weiteren Leckerbissen in die Schnauze. Somit fehlte nur noch die Trense. Aber halt, wo war mein Freund eigentlich abgeblieben? Bereits ahnend, dass er noch immer bei seiner Stute war, steuerte ich ihre Box an, wo ich ihn schließlich auch fand. Launenhaft legte Smoothie die Ohren an und machte ein Gesicht, als wolle sie ein anderes Pferd vertreiben. Da sich ein solches, aber nicht in der Nähe befand, galt diese dramatische Geste wohl mit. Der Schimmel war eindeutig das eifersüchtigste Pferd, welches mir je begegnete, aber vielleicht mochte es auch einfach an der Tatsache liegen, dass ich noch nie eine solch innige Beziehung zu einem Pferdemenschen führte. Selbstverständlich war Smoothies Verhalten auch bei Niklas nicht unbemerkt geblieben, der sich erwartungsvoll zu mir umwand.
      „Ich wollte mit Ivy eine kurze Runde draußen drehen, so zum Aufwärmen“, informierte ich ihn über meine Vorhaben, „Willst du vielleicht mitkommen oder bleiben du und dein Pony lieber hier?“ Besagtes ‚Pony‘ sah noch immer so aus als fühle es sich gestört, weil es nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit seine Herrchen bekam und zupfte beständig an seinen Pullover herum.
      “Ich bleibe hier”, antwortete er und drehte sich zu mir um, “ihr kaputtes Gelenk bereitet mir zu großen Sorgen, dass etwas passiert.”
      “Okay, verständlich”, lächelte ich sanft. Ich hätte es mir zwar gewünscht, dass er mich begleitet, doch schon beinahe mit dieser Antwort gerechnet. Mit der Diagnose seiner Stute war es ihm auch nicht zu verübeln, dass er die Sicherheit selbiger vorzog.
      “Dann sehen wir uns später”, sprach ich und stahl mir noch einen Kuss von seinen Lippen, woraufhin sich Smooth lange Ohren wieder ihrem Hals annäherten.
      Leichtfüßig lief ich zurück zu meinem Hengst und ergriff die anatomische, englische Trense. Erst als ich dem Hengst das Metallstück in den Mund legen wollte, bemerkte ich, dass anstelle des einfach gebrochenen Olivenkopfgebisses, mit dem ich Divine zuletzt geritten war, nun ein Bauchergebiss an den Backenstücken hing. Bereitwillig senke das helle Pferd den Kopf ein wenig ab und öffnete sein Maul, damit ich ihn problemlos trensen konnte.
      Noch in der Stallgasse kletterte ich auf seinen Rücken und lenkte ihn in Richtung des großen Tores.
      Falles es noch möglich war, richteten sich Ivys kleine Ohren noch ein Stück mehr nach vorn, als wir das Tor durchschritten und seine Hufe mit einem leisen Knirschen im Schnee versanken. Vor uns eröffnete sich eine, nicht mehr ganz unberührte, Schneelandschaft, in der die Eiskristalle die Sonnenstrahlen reflektieren und in alle Richtungen verstreuten. Das strahlende weiß ließ unwillkürlich mein Herz höherschlagen, obwohl dies nicht der erste Schneetag war, denn die Landschaft bekam so noch viel mehr Ähnlichkeit zu denen in denen ich meine Kindheit verbrachte. Obwohl der Großteil der im gesamten Land beliebten Wintersportarten nicht zu meinen favorisierten Aktivitäten gehörten, waren die Tage der Winterferien häufig erfüllt von Heiterkeit, zumindest bevor das Schicksal entschied, noch mehr Chaos in die ohnehin schon schwierige Lebenssituation zu bringen. Ebenso wie ich schien sich auch der Hengst an dem Niederschlag zu erfreuen, denn er stapfte fleißig voran, ganz ohne, dass ich ihn dazu motivieren musste.
      Sobald wir die Gebäude des Hofes hinter uns ließen, überließ ich dem Pferd die Wahl des Weges. So schlug er einen Weg zwischen den Bäumen hindurch ein, von dem ich mir nicht mal sicher war, dass es ein wirklicher Weg war. Der Schnee schien hier höher zu liegen und es war ein Wunder, dass der Hengst dennoch so zuverlässig halt auf dem unebenen Boden fand. Ob dies eine Eigenschaft war, die alle Freiberger mit sich brachten? In vollem Vertrauen in mein Pferd ließ ich die Gedanken schweifen, fühlte einfach das Glück, das durch meine Adern strömen.
      “Das hier hat mir gefehlt, Ivy”, sprach ich zu dem Tier, fuhr versonnen durch das lange Fell, welches seinen Hals bedeckte, “nur wir zwei.” Statt zu antworten stieß er bloß weiße Wölkchen aus seinen Nüstern, die sich zwischen den kahlen Zweigen hindurch einen Weg nach oben suchten. Manch einer würde es vermutlich als seltsam betrachten, den ganzen Tag hatte ich Pferde um mich, mittlerweile sogar ein zweites dieser graziösen Tiere im Stall und dennoch gab es eine Leere meinem Inneren, die bisher nur Divine irgendwie füllen konnte. Divine, der mir von der unglaublich viel Liebe zugeben hatte und mit all seiner positiven Ausstrahlung selbst die dunkelsten Gedanken zu vertreiben mochte. Beeindruckend, wie dieses Tier mir von der ersten Sekunde an tiefstes Vertrauen entgegenbrachte, obwohl wir nicht einmal dieselbe Sprache sprachen. Und ich? Ich schaffte es nicht mal mich gegenüber einem Wesen meiner Spezies wirklich zu öffnen. Nein, Stopp! Hinfort mit den negativen Gedanken. Heute wird ein schöner Tag!
      “Heute wird ein schöner Tag”, wiederholte ich wie ein Mantra, “Heute wird ein guter Tag, weil alles da ist, was ich benötige, um glücklich zu sein.” Um mich selbst zu bestärken, wisperte ich die Worte wiederholt in die Stille hinein, die einzig durchbrochen wurde, von Divines Schnauben und den gedämpften Geräuschen des Schnees. Als wolle der Hengst mich ermutigen, verharrte er in der Bewegung, stupste mein Bein an und blickte mich aus seinem Dunkeln, sanften Augen an.
      “Was würde ich nur ohne dich tun, yksisarviseni”, lächelte ich sanft und kramte eins seiner heiß geliebten Pastinaken-Leckerlis aus meiner Jackentasche, welches unmittelbar den Weg in sein Maul fand. Manchmal kam es mir vor, als würde der Freiberger tatsächlich die Zauberkraft besitzen, das unausgesprochene wie gesprochen gleichermaßen wahrzunehmen.
      Über unseren Köpfen hüpfte ein Eichhörnchen geschickt von einem Ast zu anderen, woraufhin sich ein Teil der weißen Last löste und auf uns herabrieselte. Ein Teil davon blieb auf der dichten Mähne liegen, bis er die Flocken mit einer sachten Bewegung seines Kopfes abschüttelte und sich wieder in Bewegung setzte.
      Der Wald um uns herum veränderte sich allmählich. Das Unterholz wurde lichter und die Bäume bildeten immer größere Abstände, bis sie schließlich vollständig verschwanden. Der Hengst hatte uns zurück auf einen der Wege gebracht, die wie ich glaubte, zum Hof führten. Weniger Meter folgten wir dem Weg erst, als ich merkte wie Ivy hibbeliger wurde und seine Schritte bei aufmerksam nach vorn gerichtet Ohren, extrem verkürzte, seine Art einen Galopp anzufragen. Noch bevor ich überlegen konnte, ob das Galoppieren durch meterhohen Schnee, bei unbekannten Bodenverhältnissen eine kluge Idee sei, hatte das Tier bereits selbst entschieden und wechselte mittels weniger Trabtritte, direkt in die schnellste der Gangarten. Schon bei den ersten Sprüngen spürte ich, dass er sicheren Halt mit seinen Hufen hatte, sodass ihn sogar noch ein wenig mehr Freiheit gab. In gleichmäßigen Rhythmus drückte er sich vom Boden weg und ich spürte die angestaute Energie, die nun frei wurde. Wie bei einer Dampflok flogen kleine Wölkchen in die Luft, die der leichte Wind allerdings schnell verwirbelte. Wie sich bei dem Vierbeiner die Anspannung löste, schien mit jedem der Hufschläge sich auch in meinem Kopf etwas zu lösen. Es kam mir so vor, als müsse Ivy nur schnell genug laufen, um all der Negativität in meinem tiefsten Inneren zu entfliehen. Der Wind verwirbelte die langen Strähnen seiner Mähne, peitschte sie durch die Luft und brannte kalt auf meinem Gesicht. Für einen Augenblick konzentrierte ich mich einzig auf Ivys gleichmäßige Bewegungen, vergaß die komplette Welt um mich herum, fühlte mich einfach losgelöst von der Welt. Schwer amtete der Hengst, doch er pflügte sich unermüdlich weiter durch den Tiefschnee, der um uns herum aufstob und in kleinen Klümpchen durch die Luft flog. Divine an meiner Seite, hier in Schweden, bedeutete für mich ein Gefühl der Vollständigkeit erlangen. Dieses Gefühl auch mit Ivy hier genauso glücklich – Nein, um ein Vielfaches glücklicher – zu sein, bestätigte mich in der Entscheidung, die ich in Kanada traf, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Schon allein für das Gefühl, was genau jetzt von meinen Synapsen ausgesendet wurde, hatte es sich gelohnt. Ganz zu schweigen von all den anderen tollen Momente, die ich bereits erleben durfte, obwohl der Weg bis hierhin nicht der leichteste war. Aber genug von der Vergangenheit, jetzt war es Zeit in eine ungewisse, jedoch hoffentlich erfüllte, erlebnisreiche Zukunft zu blicken. Apropos nach vorne blicken, besser wäre es gewissen hätte ich das nicht nur bezüglich meiner Zukunft getan. Verloren in diesem Moment puren Glückes bemerkte ich die verdächtig hohe Schneeverwehung erst als wir geschätzte fünf Galoppsprünge entfernt waren. Die Schneeverwehung war sicherlich einen guten halben Meter höher als der umliegende Schnee, aber ich konnte nur schwer schätzen, über welche Breite es sich erstreckte. Nicht dass ich es für unmöglich hielt, dass der Freiberger ein solches Hindernis überwinden konnte, doch Schnee und Eis erschienen mir nicht wirklich als die geeigneten Bedingungen, diese Fähigkeit auszutesten. Zumal konnte ich nicht abwägen, was sich eventuell dahinter oder unter der Schneedecke verbarg.
      “Ivyyy, wir müssen anhalten”, rief ich, bemüht meine akute Panikreaktion im Griff zu behalten. Sofort setzte ich mich schwer in den Sattel, spannte das Kreuz an und erhöhte leicht den Druck auf den Zügel, bevor ich in den Fingern wieder nachgab. In ziemlicher Zeitverzögerung reagierte der Hengst auf meine Hilfen, reduzierte sein Tempo allerdings nur schleppend. Innerlich bereitete ich mich bereit darauf vor, dass der Freiberger doch springen oder eine recht heftige Drehung machen würde, schloss die Beine enger um den Brustkorb des Tieres, um im Zweifelsfall nicht einen Abgang zu machen. Rutschend und schlitternd, kam Divine knapp vor dem seltsam anmutenden Schneehaufen zum Stehen. Wie ein Denkmal stand er, da nur die Flanken pumpten noch von dem anstrengenden Galopp.
      “Wow, das war knapp, gut gemacht”, lobte ich das pelzige Tier, nachdem ich mich aus meiner Schockstarre losen konnte. Vielleicht mag meine Reaktion übertreiben gewesen sein, die Schneewehe könnte auch einfach nur Schnees sein. Doch wenn mein Pferd sich aufgrund meiner fehlenden Aufmerksamkeit verletzt hätte, weil doch ein Baumstamm oder sich sonst etwas darunter verbarg, wäre das für mich unverzeihlich gewesen.
      Das Pferd löste sich ebenfalls aus seiner Erstarrung, schüttelte sich wie ein Hund, dem etwas unangenehm gewesen war. Erneut klopfte ich loben seinen Hals, mit einem temperamentvolleren oder ängstlicheren Pferd wäre das sicherlich schiefgegangen. Außerdem musste mein Zauberpony in Samus Obhut einiges an Balance gewonnen haben. Mit dem letzten Trainingsstand, an den ich mich erinnern konnte, hätte Divine sich sicherlich auf die Schnauze gepackt, bei solch einem abrupten Stopp.
      "Ivy, ich glaube, wir sollten unseren restlichen Weg achtsamer fortsetzen, bevor wir noch einen richtigen Unfall bauen", sprach ich mehr zu mir als zu ihm, drehte ihn auf der Stelle, um den Schneehaufen zu umreiten. Im Vergleich zu August reagierte er relativ gut auf meinen Schenkel, bog sich darum, auch wenn immer noch Luft nach oben war. Den Weg zurück zum Hof legten wir in einem gediegeneren Tempo zurück und ich nutzte die Gelegenheit immer wieder kleine, einfache Dressurlektionen ab. Galant schlängelte sich der Weg zwischen Bäumen hindurch, fühlte sich erstaunlich lang an. Ob das hier wirklich der richtige Weg war? So kreuz und quer wie wir vorhin durch das Unterholz ritten, könnten wir auch ungefähr am anderen Ende der Insel sein. Kurz gesagt, ich war vollkommen orientierungslos. Unbeirrt, als hätte das Pferd sein Ziel bereits im Auge, spielte Divine entspannt mit seinen Ohren und trotte voran. Tatsächlich schimmerten nach einer Wegbiegung die Gebäude des Hofes durch die Bäume hindurch.
      “Hattest du Spaß mit Ivy? Ihr wart ja ganz schön lange weg”, empfing mich Samu in der Stallgasse. Offenbar hatte sich seine Laune deutlich gebessert, innerhalb der knappen… oh, fast anderthalb Stunden, die ich mit Divine in der winterlichen Wunderwelt verbracht hatte.
      “Oh ja, es ist so schön ihn wieder bei mir zu haben”, strahlte ich ihn an und rutschte aus dem Sattel meines Hengstes. Neugierig senkte dieser die Nase hinab, schnupperte an der Plastikschüssel aus der Legolas in aller Seelenruhe die letzten Krümel hinaus sammelte.
      “Hast du auch ein wenig von den Veränderungen bemerkt?”, erkundigte sich der Finne und verschloss den letzten Bauchgurt von Legos Decke.
      “Du meinst außer dem neuen Gebiss? Ja, einiges ist mir aufgefallen. Danke, dass du den Süßen so gut für mich betreut hast”, entgegnete ich und zog dem weißen Hengst die Trense vom Kopf. Sofort begann er selbigen, dort wo das Kopfstück saß, an einem der Pfosten zu schubbern.
      “Ich pack den großen schon einmal in seine Box”, grätsche Enya kurz in das Gespräch rein und schnappte sich den Rappen. Mit einem Nicken registrierte der Blonde
      “Danke, ich hatte ja auch ein kleines Helferlein, was ihn mit Vorliebe stundenlang geputzt hat. Dein Großer war für Aleen sogar spannender als ihr eigenes Pony”, grinste Samu, “Und warum auch immer hatte Jace den dringen Drang zu helfen, dabei hat der mit dem Team eigentlich genug zu tun. Der Kerl ist wirklich seltsam.”
      “Warum wollte der denn helfen? Er machte doch sonst nicht mehr als nötig”, fragte ich verwundert, lockerte den Gurt und hievte den Sattel hinunter auf einen der Halter.
      “Ich kann es dir auch nicht sagen, aber er war in letzter Zeit ohnehin seltsam drauf”, zuckte Samu mit den Schultern, “hab ihn aber ohnehin nicht gelassen, dein Babypferd war auch so schon genug ausgelastet mit dem, was ich mit ihm gemacht habe.”
      “Na ja, ist mir auch egal wer sich gekümmert hat. Das wichtigste ist, dass mein Ivy jetzt hier ist und besser aussieht als jemals zuvor”, grinste ich und steckte besagtem Tier ein weiteres Leckerli in die Schnauze, welches er zufrieden wegknusperte.
      “Aber Lina, du solltest aufhören, ihn so mit Futter vollzustopfen, ansonsten sieht er bald nicht mehr so gut aus”, feixte mein bester Freund. Maulig rollte ich mit den Augen: “Ja ja, elender Besserwisser. Du gönnst dem armen Pferd aber auch nichts.”

      Vriska
      „Bist du dir sicher? Ich kann auch“, stammelte Erik unsicher und hörte erst auf, als mein Zeigefinger auf seinen Mund drückte. Die zarten Lippen krümmten sich zu einem selbstsicheren Lächeln, bevor er mich an der Taille zu sich heranzog. Vollkommen überwältigt von den ganzen Gefühlen ihm gegenüber, drückte ich mich noch mehr in seinen Mantel herein, als versuchte ich, darin zu versinken. Obwohl mir eine Stimme im Kopf noch immer versuchte mitzuteilen, dass Erik unerreichbar war, ignorierte ich sie. In meinem Herz brannte ungehindert ein großes Feuer, das wie ein Waldbrand die schlechten Gedanken mit sich zog.
      „Und du hältst dich an die Abmachung, va?“, fragte er mich das Gefühlte tausendmal an dem Tag, nach dem ich schon hoch und heilig versprach, nicht mehr als das Nötigste mit Niklas zu tun zu haben. Er verstand, dass ich ihn nicht vollständig ignorieren konnte, schließlich waren wir noch immer im selben Team. Außerdem wusste ich es. Auch, wenn meine Erinnerungen an den Abend nur begrenzt waren, konnte ich die Nachrichten von Eskil auch am nächsten Tag lesen.
      „Du weißt es nicht“, lachte ich boshaft und grinste ihn genauso an. Erik runzelte die Stirn.
      „Was weiß ich nicht?“, sprach dieser unsicher. Seine Hand griff noch enger an meine Hüfte, um mich näher an sich heranzuziehen.
      „Ich denke, dass die Informationen deinen Horizont übersteigen“, provozierte ich ihn weiter. Ungeduldig kreiste sein Daumen über meinen Rücken, währenddessen wendete ich den Blick wieder hoch in den Himmel, um vor Lachen nicht zu ersticken. Ich empfand die Situation deutlich amüsanter, als sie war, aber man sollte mir den Spaß lassen. Meinem Freund standen die Fragezeichen förmlich ins Gesicht geschrieben.
      „Wenn du es mir nicht erzählst, dann bleibe ich hier“, sprach er, ohne dabei die Ironie wahrzunehmen.
      „Und das soll jetzt eine Drohung sein?“, scherzte ich weiter.
      „Dann komme ich nicht wieder, besser?“, versuchte Erik den Schein vom kühlen Gelehrten zu machen, während jede seiner Aussagen den Beigeschmack eines Kindes bekam, das sein Weihnachtsgeschenk wissen wollte. Auf Zehenspitzen lehnte ich mich näher an ihn heran, um ihn durch Liebkosen am Hals noch weiter aus dem Konzept zu bringen. Mein Plan ging deutlich schneller auf, als ich dachte. Nur stammelnd kamen weitere Worte aus seinem Mund und seine Versuche, mich von ihm wegzudrücken, waren viel zu sanft, als dass sie eine glaubhafte Intention hatten.
      „Du kannst froh sein, dass auf der Rückbank Trymr liegt“, kroch ein verständlicher Satz über seine Lippen, wodurch ich erst aufhörte, „also mein Engel, wenn du schon so anfängst, liegt es dir doch förmlich auf der Zunge. Oder muss ich auch erst mit Spielchen anfangen?“
      Ich hatte diese Gespräche wirklich vermisst. Prickelnd zog es überall in meinem Körper und mein Verlangen nach ihm, war nie so stark wie in dem Augenblick, obwohl mir in dem kühlen Wind zunehmend kälter wurde.
      „Lass mir doch mal den Erfolg, dass ich etwas weiß, was du nicht weißt“, schmollte ich. Er schwieg und sprach dann: „So, du hattest dein Erfolg. Also erzähl jetzt, bitte.“
      „Interessant, du kannst auch unterwürfig sein. Du bringst ganz neue Dinge ans Licht, wenn man dich an der Schnur zappeln lässt wie ein Fisch.“
      „Angel, man sagt, an der Angel zappeln lassen“, rollte er mit den Augen. Ihm überlegen zu sein, gefiel ihm nicht, aber das Spiel abzurunden, legte er seine Lippen auf meinen Hals, während eine seiner Hände ebenfalls nach oben wanderte. Schließlich kam er an, drückte leidenschaftlicher seinen Mund auf meinen und die Finger in meine Haut, dass leises Stöhnen aus mir herauskroch. Seine Kunst des Verführens musste Erik perfektioniert haben, als hätte er vom Besten gelernt. Ich schloss meine Augen und genoss die letzten Minuten mit ihm, bis er plötzlich von mir abließ. Beinah leer stand ich vor ihm, verstand nicht, wie mir geschieht. Sehnsucht füllte meine Augen und Verlangen.
      „Jetzt weißt du, wie ich mich fühle, wenn du mich provozierst“, kam seine Selbstsicherheit wieder.
      „Und du, wie ich mich fühle nur durch deine Anwesenheit“, musste ich die Haltung bewahren, um nicht doch noch den Hund aus dem Auto zu lassen.
      „Engelchen, du bist alles, was ich je wollte“, sagte er, gab mir erneut einen Kuss. Ich konnte nur zustimmend nicken.
      „Na gut, ich sag es dir, bevor wir Trymr noch verstören“, Erik biss sich vor Vorfreude auf der Unterlippe herum und legte einen Teil seines Mantels über mich, sonst könnte ich in jeder Sekunde erfrieren. Ich sah mich noch um, doch wir standen allein auf dem verschneiten Parkplatz.
      „Niklas hat sich von Eskil verführen lassen“, flüsterte ich ihm zu.
      Eriks Gesichtszüge entglitten.
      „Das ist kein Scherz?“, sprach er nach einer Pause, um das erst einmal zu begreifen. Noch immer bildeten sich tiefe Furchen auf seiner Stirn, als würde ein Bauer das Feld pflügen.
      „Nein, tatsächlich meine ich es Ernst. So was würde ich mir nie ausdenken“, seufzte ich beinah enttäuscht. Mein Gegenüber begann aus tiefstem Herz anzulachen, dass sogar Trymr im Fahrzeug sich erhob und neugierig durch das verdunkelte Glas blickte.
      „Der hat ziemlich viel in der Hose, um auf die Art seiner Freundin etwas vorzumachen“, gerade als ich meinen Mund öffnete, um ihm beizupflichten, legte nun er seinen Finger auf meine Lippen, „Engelchen, das möchte ich gar nicht so genau wissen.“
      “Na gut”, grinste ich vergnügt und gab ihm noch einen Kuss. Es wurde Zeit, dass er nach Hause kam, nicht dass ihn loswerden wollte, aber Fredna wartete sicher schon sehnsüchtig auf ihren Vater.
      “Ich liebe dich”, sagte ich noch, bevor Erik die Autotür schloss und im nächsten Moment über den geräumten Schotterweg vom Hof fuhr. Mit einem quälenden Drücken in der Bauchregion stand ich wie angewurzelt in der Kälte und folgte mit meinen Augen dem Auto, bis es zwischen dem Weiß am Horizont verschwand. Nur ein Seufzer verließ meine Lippen, bevor ich mich endlich löste und zurück in den schützenden Stall lief.
      Leise Kaugeräusche klangen durch den Stall und Hufschlag auf dem kalten Beton. Weit und breit niemand zu sehen, bis um die Ecke bog und Niklas an der Box seines Schimmels entdeckte. Gerade als ich die Flucht zurück in die Kälte einschlagen wollte, drehte er sich zu mir um. Er schloss die Box und trat die Schritte zwischen uns an. Es wäre meinerseits ziemlich unhöflich gewesen, einfach zu den Zimmern zu verschwinden, um mir einen weiteren Kaffee zu holen.
      „Ist dein Göttergatte in seinem heiligen Gefährt geflüchtet?“, grinse Niklas und verschränkte die Arme vor mir. Im Vergleich zu Erik war er wirklich groß. Kurz überlegte ich, ob dieses Gespräch zu dem nötigsten gehörte, aber ich konnte ihm ohnehin nicht entfliehen.
      „Andere sagen, dass er nach Hause gefahren ist, aber ja“, versuchte ich ihm keine weitere Bedeutung zu schenken. Wie ich bereits annahm, würde er jeden meiner Versuche unterbinden und so kam es auch. Gerade als ich einen Fuß vor den anderen setzte, stellte sich der Riese mir in den Weg. Nicht, dass ich versuchte ihm auszuweichen, aber er konnte mit einem Schritt mehr Distanz gut manchen als ich. Seufzend gab ich mich geschlagen.
      „Was ist denn noch?“, rollte ich mit den Augen.
      „Ich möchte wissen, was du mit ihm getrieben hast, wenn du es nicht vor versammelter Mannschaft erzählen möchtest“, bettelte mich dieser an. Aber mir war ein derartiges Gespräch nicht wohl, vor allem dem geschuldet, dass es keinen Grund gab ihm private Details zu schildern. Einige Tage zuvor hätte ich mich vermutlich noch darum gerissen, mit ihm Erfahrungen auszutauschen, doch plötzlich erschien es mir so unwichtig, wie darüber nachzudenken, welche Wäsche gewaschen werden sollte.
      „Vielleicht solltest du dir lieber überlegen, was mit dir gestern los war in der Umkleide“, selbstsicher und erfreut über den Sieg, setzte ich ein boshaftes Grinsen auf. Niklas stand regungslos vor mir, schwieg endlich. Über die Treppe ertönten helle Schritte auf dem Hartholz, die ich sofort Lina zuordnen konnte.
      „Woher“, noch bevor er die Frage beenden konnte, schien er selbst auf die Antwort zu kommen, „ich sage dir, wenn du es jemanden erzählst.“
      Ich ließ ihn gar nicht ausreden, sondern berührte überlegen seine kräftige Schulter.
      „Keine Sorge, nur Erik weiß es und wir wollen doch alle, dass es so bleibt.“ Ein großartiges Gefühl zog durch meinen Körper, als hätte ich die Meisterschaft gewonnen.
      Ohne große Umschweife setzte ich den Weg zur Küche fort und musste mit Enttäuschung feststellen, dass die Kaffeekanne vom Morgen bereits geleert wurde. Nur der Welpi sah mit müden Augen von dem riesigen Kissen auf, das eigentlich Trymr gehörte, und versank umgehend darin. Um ihn nicht weiter zu stören, entschied ich eine andere Koffeinquelle zu suchen. Eine Schranktür nach der anderen öffnete ich, bis es in einem reinsten Chaos endete.
      „Das kann doch nicht sein“, murmelte ich leise vor mich hin, wenn ich zwischen all den Konserven nach einem Energy-Drink suchte. Tatsächlich fand ich einen, tief vergraben inmitten der Reiniger. Skeptisch musterte ich die Dose, die mit einem Edding beschriftet war: „Harlen“, las ich. Noch als ich überlegte, sie wieder zurückstellen, tauchte dieser hinter mir auf.
      „Du findest auch wirklich alles“, lachte er und nahm mir sanft das Getränk aus der Hand.
      „Aber“, schmollte ich, „sie hat nach mir gerufen.“
      „Das glaube ich dir gern. Wenig geschlafen?“, fragte Harlen höflich nach.
      „Nicht weniger als sonst“, zuckte ich mit den Schultern und versuchte meine Lebensenergie zurückzubekommen, die er triumphierend in die Luft streckte. So hoch, dass ich hätte auf den Tisch klettern müssen, aber mein Körper teilte mir bereits mit, dass die Kraft für solche Aktionen fehlte.
      „Unter einer Bedienung kannst du sie haben“, spielte er weiter mit seinem brüderlichen Charme.
      „Welcher?“, haste ich und sprang unaufhörlich an ihm hoch.
      „Ich möchte mehr über deinen Freund wissen, weil ich mir Sorgen mache.“
      „Sorgen? Klar, frag, was du willst, aber gib mir die blöde Dose“, mit meinen Händen fuchtelte ich weiter an ihm, bis er endlich den Arm senkte und ich sie zurück in der Hand hatte. Vorsichtig öffnete ich den Clip am Deckel und klopfte vorsorglich, damit die Blasen nach oben stiegen. Endlich nahm ich einen kräftigen Schluck. Obwohl das Getränk Zimmertemperatur hatte, fühlte ich mich erfrischt und Tatendrang löste sich in meinem Kopf aus.
      „Vivi, was willst du denn mit so einem Slipsträger? Nutzt du ihn nur aus für die Pferde?“, musterte Harlen mich ganz genau. Ich schwieg zu nächsten, um die Situation besser begreifen zu können, aber es klang ganz danach, als würde er mir vorwerfen wollen, kein ernsthaftes Interesse an ihm zu haben.
      „Bist du des Wahnsinns? Ausnutzen? Ich liebe ihn“, stammelte ich aufgebracht. Die Blöße wollte ich mir nicht weiter anhören, jemanden seine Gefühle erklären zu müssen, schließlich hatte schon genügend Zeit totgeschlagen mit der Gurke. Meine Berittpferde bewegten sich schließlich nicht von selbst auf dem Reitplatz, also im übertragenen Sinne versteht sich.
      Wieder stellte sich jemand mir in den Weg, nur nutzte mein Bruder erneut den Größenvorteil aus.
      „Er passt nur irgendwie nicht zu dir“, führte er weiter das Gespräch.
      „Was weißt du schon!“, schnaubte ich, „du hast nicht einmal eine Freundin, oder Freund, was auch immer. Stattdessen drückst du jedes Mal auf, wie ich handeln soll.“
      „Ganz ruhig mit den jungen Pferden, du steigerst dich schon wieder in falsche Tatsachen hinein“, stoppte mich Harlen in meiner Rage, die wirklich ausuferte. Bewusst atmete ich ein und wieder aus.
      „Warte, hast du jemanden?“, fiel es mir wie Schuppen von den Augen und auch er hatte eher weniger damit gerechnet, dass ich diese Schlussfolgerung traf.
      „D-Das habe ich damit nicht sagen wollen“, stammelte er. Welpi, der vermutlich der Aufregung geschuldet, wach wurde, taumelte noch verschlafen über die Fliesen des Küchenbodens. Abgelenkt kniete ich mich hinunter zu dem kleinen Tier, das quengelnd um mich herum tollte und die hängenden Ohren durch die Luft warf.
      „Warum muss ich alles aus meinem Privat offenlegen, wenn du mir nicht einmal die simpelsten Dinge erzählst?“, sah ich hoch zu ihm. Harlens Abwendung mit der Hüfte zur Tür schrie förmlich danach, dass er abhauen wollte. Meine Frage brachte ihn in Verlegenheit. Eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen, während seine Hand nervös am Hemdärmel zupfte.
      „Weil man sich um mich keine Sorgen muss“, brachte er das altbewährte Thema auf, als gäbe es sonst keine Gründe dafür.
      „Dir ist schon klar, dass ich dich auch Frage, weil es mich interessiert und nicht um die Vorzuschreiben, wen du im Bett hast. Schließlich war Owen auch kein guter Umgang“, erinnerte ich ihn an zu liegende Zeiten. Bis heute wurde das Ende der jahrelangen Freundschaft totgeschwiegen, während es zwischen Jenni und mir offensichtlicher hätte nicht sein können, auch wenn ich es oft noch verdrängte. Seufzend nahm ich den Hund auf den Arm und stand auf aus der Hocke. So langsam schmerzend die Knie von der engen doppelten Lage an den Beinen.
      „Das war was ganz anderes“, versuchte Harlen erneut aus der Angelegenheit zu verkrümeln, „wir haben uns auseinandergelebt.“
      „Auseinander gelebt also?“, hackte ich verwundert nach, im Bewusstsein darüber, dass es nur eine billige Ausrede war. Man konnte sich nur schwer auseinander leben mit meinem Bruder, dafür war er viel zu sehr darauf bedacht, dass es allen in seinem Umfeld gut ging und passte sich jederzeit an.
      „Genau, auseinandergelebt. Andere Interesse, neue Freunde“, baute er den Gedanken weiter aus.
      „Ich glaube dir nicht.“
      „Ich weiß, tust du nie“, lachte er und legte seine Hand auf meine Schulter. Hastig drückte sich der Welpe zu ihm, um wild daran herumzulecken.
      „Doch, wenn du die Wahrheit sagst, denn deine Lügen sind zu offensichtlich“, erinnerte ich ihn.
      „Was immer“, winkte er erneut ab. Mit einem Seufzer beschloss ich, das Thema würdevoll beizusetzen. Es hätte ohnehin keinen Zweck, wenn er mir jedes Mal auswich. Also konnte ich mich meiner Arbeit widmen, zumindest versuchte ich es. Im Flur pfiff Harlen mich zurück.
      „Wir müssen noch über offene Posten in der Abrechnung sprechen und Unterlagen, die ich von dir brauche“, rief er. Bei Papier war mein Bruder Feuer und Flamme, unglaublich wie viel Herzblut man in derartig langweilige Tätigkeiten investierte.
      „Ja, okay“, folgte ich ihm ins Büro.
      Dort zeugte Harlen mit einige Dinge. Einiges konnten wir schnell klären, während andere noch diskutiert werden mussten. Unter anderem zählte auch Lubi dazu, die nicht ganz günstig in der Einzelbox war. Meine Augen drifteten in dem Programm ab, dabei entging mir nicht, dass Niklas ebenfalls horrende Summen für die Einzelhaltung zahlte.
      „Familie Westerdahl wird sicher kein Problem haben“, hoffte ich, als ich zähneknirschend loslief und aus dem Zimmer ihren Equidenpass holte. Keine wirklich sinnige Aktion, schließlich musste ich diesen in weniger als drei Stunden wieder einpacken, um mit der Stute zum Training zu fahren.
      „War’s das?“, fragte ich nach ich den Pass direkt in die bunte Keramikschale legte auf dem Apothekerschrank.
      „Nein, tatsächlich nicht“, sprach Harlen und sah vom Computer zu mir, „du solltest mitbekommen haben, dass Colin und Valeria den Hof verließen“, ich nickte, „Eine der Drei-Zimmer-Hütten wurde deshalb frei und wäre nun einzugsbereit. Möchtest du sie?“
      Kurzzeitig fehlten mit dir Worte. Ehrlich gesagt fühlte ich mich wohl mit Lina in dem Zimmer, auch wenn es deutlich an Privatsphäre haperte, aber das war ohnehin ein Art Problem auf dem Gestüt, keins für mich, jedoch hatten wir schon Mitarbeiter, die sich nicht in dieses Familienkonstrukt einlebten.
      „Ich weiß nicht genau“, zitterte meine Stimme deutlicher, als ich wollte, „möchte ich noch mit Lina besprechen.“
      „Aber ich sag mir bitte heute Bescheid, sonst kommt sie in die Vermietung, schließlich gibt es genug Anfragen“, sagte mein Bruder unbeeindruckt und begann wieder auf der Tastatur zu tippen. Klares Zeichen dafür, den Raum zu verlassen. Gerade als ich den Weg hinaus antrat, kamen erneut Worte. Auf der Ferse drehte ich mich um und blickte zur Tür hinein: „Ich dachte, es sei alles geklärt?“
      „Ich wollte mich noch mal bedanken bei dir. Dein Einsatz in der Art war nicht okay, aber hat funktioniert“, funkelte Harlen mit den Augen, allerdings mir standen die Fragezeichen förmlich ins Gesicht geschrieben.
      „Du weißt nicht, was ich meine, stimmt’s?“, hakte er nach.
      „Damit liegst du vollkommen richtig“, sagte ich.
      „Mit Vidar“, murmelte er kaum hörbar. Ich holte einmal tief Luft und spürte, dass meine Hand wieder zum Arm wanderte und langsam in die Haut zwickte.
      „Ich hatte es gerade wieder aus den Gedanken heraus“, log ich mich selbst an. Zwischendurch dachte ich noch daran, hauptsächlich im Bett, aber es war keine Scham, wie es jeder von mir erwarten würde. Immer mehr aus dem Aussetzer schwappte wie bei einer Regentonne über den Rand. Täglich prasselten mehr Dinge auf mich ein, die dafür sorgten, dass mein Unterbewusstsein aussortierte, um es zu meinem Gehirn weiterzuleiten und was soll ich sagen? Vielleicht gehörte er zu den Gründen, weshalb Erik mir dermaßen den Kopf verdrehte.
      „Dann tut es mir leid“, versuchte Harlen die Fassung zu bewahren, als hätte ich einen Fehler gemacht, „möchtest du darüber reden?“
      „Sollte ich?“, schoss es wie ein Pfeil aus meinem Mund heraus.
      „Wenn es dich belastet?“
      „Ehrlich gesagt, nein. Es hat mir gefallen“, ein Seufzer verdeutlichte, dass wie eine Last von mir fiel, „und ich mache mir Gedanken, dass ich deshalb nur mit Erik so …“ Mir fiel es schwer, das auszusprechen, denn es wirkte so absurd. Vor einigen Minuten hätte ich mir niemand anderes in meinem Leben vorstellen können, doch als seines Vaters Name fiel, erinnerte ich mich an alles. Dieses Gefühl, das durch meinen Körper rauschte, jede Zelle bewegte und elektrisierend den Motor auf Trab hielt. All das und die Tatsache, dass beinah jeder in der Familie mein Herz im Sturm eroberte. Wie konnte ich nur so ein schlechter Mensch sein?
      „Das ist Irrsinn, Vivi. Du liebst ihn und er dich. Es sind nur die Erfahrungen, die dich an seltsamen Dingen festhalten. Nimmst du noch deine Medikamente?“, lächelte mein Bruder zuversichtlich, aber traf einen anderen wunden Punkt in meiner Gedankenwelt.
      „Ähm“, stammelte ich und suchte nach der passenden Ausrede, „nein. Schon seit einem Jahr nicht mehr.“
      „Ein Grund mehr, dass du sie wieder nehmen solltest. Du weißt noch, wofür sie sind, oder?“, versuchte er an mein Gewissen zu appellieren.
      „Ja, weiß ich, aber ich hatte keine manischen Episoden mehr“, erklärte ich zuversichtlich, konnte allerdings aus meinem Tagebuch entnehmen, dass dem nicht so war. Seit dem Absetzen gab es immer wieder Phasen, vor allem Depressive, in denen ich die Kontrolle verlor. Aber meine Therapeutin in Deutschland wollte, dass ich mir hier jemanden suchte – was ich nicht wollte.
      „Okay, aber denk bitte darüber nach, es wäre besser für alle“, nickte Harlen. Das Thema wurde mir wieder einmal zu viel. Aus dem Wissen heraus, dass er alte Situation erwähnen könnte, rannte ich den Flur entlang, direkt die Treppe hinunter, zu meinem Enttäuschen in Niklas‘ Arme. Warum stand der Kerl eigentlich immer im Weg herum?
      „Hui, was denn mit dir? Hat dich eine Tarantel gestochen?“, hielt er mich weiterhin fest und ich spürte, dass die Trense, die er in seiner Hand hielt, nass an mein Bein tropfte.
      „Fast“, grinste ich und drückte mich willkürlich an seinen Oberkörper. Ja, ich hatte mir nichts mehr als eine innige Umarmung von meinem Bruder gewünscht, die mir nun wohl woanders holen musste.
      „Wenn du weiter so andrückst, wird es unangenehm“, lachte er, aber strich mir mit der freien Hand durchs Haar.
      „Ach ja?“, funkelte ich nach oben. Das Gespräch ordnete ich als nötig ein, schließlich brauchte ich das Gefühl von Nähe in dem Moment und niemand anderes am Hof, meinen Bruder ausgeschlossen, konnte mir genau das geben. Sosehr ich Lina schätze, hatte sie keine kräftigen Arme.
      „Lass uns die Trense von Smoothie wegbringen und du erzählst mir, was du auf dem Herzen hast“, offensichtlich wollte jeder heute sich unterhalten. Es gab so Tage und dieser gehörte offenbar dazu. Folgsam lief ich ihm nach zur Sattelkammer, in der das Zeug seiner Stute so etwas wie ein Ehrenplatz hatten. In der Mitte, direkt, wenn man dem Flur folgte und in den ersten gläsernen Raum hineinkam, hing ein großes Schild über seinem Sattelhalter. Darauf stand der Name seiner Stute, danach folgte ein kleines Regal, wie unnötiger Kram lag und alles andere. Die anderen Sättel im Raum hingen übereinander und hatten keinen Schrein. Ich glaube, Lina hatte ihm das eingerichtet. Zumindest sprach die kleine Malerei auf dem Schild dafür. Niklas hängte die Trense zurück an die vorgesehene Halterung, während ich nur danebenstand und ihn dabei beobachtete. Jede seiner Bewegung begnügte mich und als er sich hinsetzte, überkam es mich. Anstelle mich neben ihn zu setzen, wie er es durch Klopfen symbolisierte, setzte ich mich auf seinen Schoß. Das seine Hände wie automatisch an meine Hüfte fassten, bestärkten mich hoch mehr. Ich schwieg und legte nur meine Lippen an seinen Hals. Aber es kam anderes. Die kräftigen Hände hoben mich hinunter und platzierten mich, wie ein Kran, auf besagten Platz. Verblüfft sah er mich an.
      „Warte, du sagst mir, dass du das von Kili weißt, stirbst beinah vor Freude mit Erik und machst dich trotzdem wieder an mich ran?“ Seine Stimme klang so viel ernster und gleichzeitig besorgt, dass das Gefühl bekam, dass er mir nicht böse war.
      „Ihr habt schon Spitznamen füreinander?“, aus tiefster Seele brach Gelächter aus mir heraus, mehr um mich selbst von den Fakten abzulenken.
      „Nein … ja, vielleicht. Ich weiß es nicht“, grinste er. Dieser konnte mir offenbar nicht böse sein.
      „Aber Vivi“, ach, sind wir jetzt auch bei Spitznamen? Ganz seltsam, wo ich es bisher doch nur seinem Kili anbot und Erik es adaptierte, aber es betraf mich emotional überhaupt nicht.
      „Ja, Niki?“, böses Funkeln huschte durch seine Augen, die sich deutlich verfinsterten, als ich die Stiefel am Reißverschluss öffnete und vor den Polstern Auszug. Die Beine schlang ich in den Schneidersitz und drehte mich mit der Sicht in seine Richtung.
      „Du bist seltsam, weißt du das?“, schüttelte dieser mit dem Kopf und überschlug seine Beine, während ein Arm locker auf der Lehne thronte.
      „Als wäre es etwas Neues. Ich höre das öfter, als du denkst“, zuckte ich unbekümmert mit den Schultern.
      „Dann sag mir eins. Wieso sitzen wir nun hier, als wäre nichts geschehen?“
      „Dasselbe könnte auch dich fragen, aber du scheinst etwas auf dem Herzen zu haben, sonst wärst du wortlos verschwunden“, hielt ich meine Neugier aufrecht. Von Eskil wusste ich nur die Grundaussage, aber es interessierte mich enorm, was sie miteinander trieben. Ich erwischte mich dabei, die beiden mir im Kopf vorstellen, mit dem typischen Männerumkleiden Geruch in der Nase und anderen Feinheiten, die noch aus dem Internat wusste. Dort war ich öfter in den Herren als bei den Damen, wenn ich so darüber nachdachte.
      „Vermutlich hast du damit recht, aber ich weiß auch nicht. Es war spannend mit Kili, so … anders, auf eine Art berauschend und entspannend“, blickte Niklas hoch zur Decke, um die Röte seiner Wangen zu verbergen, aber natürlich fiel es mir auf. Schließlich sprach er dazu, wie ein Jugendlicher, was er nicht mehr war.
      „Und was denkst du, wie es weitergeht? Willst du eine Affäre oder es bei einem einmaligen Ereignis belassen?“, kurzzeitig fühlte ich mich wie Amor, der wild mit Liebespfeilen um sich warf und endlich einen Treffer erzielte. Dabei verlor ich seine bestehende Beziehung außer Acht.
      „Ich möchte es auf mich zukommen lassen und die Eventualität warm halten“, erklärte er weiter, als gäbe es bereits einen weitgefächerten Lebensplan, „aber jetzt zu dir. Warum kommst du immer wieder an? Also versteh mich nicht falsch, ich erfreue mich an jedem Augenblick, aber das mit uns war doch von Anfang locker und nichts Ernstes.“
      Ich schluckte. Tatsächlich fühlte es sich nie locker an, im übertragenen Sinne. Krampfhaft hielten meine Gefühle an ihm fest. Es war, wie er es selbst mit Eskil beschrieb, spannend und berauschend. Mit Erik auch, aber anderes. Ob es ein Ranking dafür gab, wusste ich nicht. Mich verwirrte das alles, so wollte ich am liebsten immer das, was ich für den Augenblick verlangte. Teilweise zweifelte ich sogar an meinem Dasein als Pferdemensch.
      „Weil du mir geben kannst, was ich brauche“, jammerte ich und legte meine Hände auf seinen Beinen ab, die immer wieder nach Aufmerksamkeit heischten. Ich spürte, wie ein Zucken durch seinen Körper ging.
      „Erik auch, du musst es ihm nur sagen, sofern ihr … aber ja. Er will dich auch so sehr“, versuchte er erneut meinen Blicken auszuweichen und die Hände bei sich zu halten, aber seine Finger bewegten sich wie hungrige Schlage auf der Pirsch an seinem eigenen Körper entlang.
      „Und das weißt du woher?“
      Das Gespräch verlief in eine andere Richtung, als ich dachte.
      „Moa“, sagte Niklas bestimmt und richtete sich im Sitzen wieder auf. An dem engen Oberteil bemerkte ich, dass seine Atmung schneller wurde, je zarter meine Hände sein Bein umspielten.
      „Und was hast du mit seiner Ex zu tun?“, versuchte ich die Fassung zu wahren. Ich kannte die Dame nicht persönlich, aber konnte mir gut vorstellen, dass sie ein unangenehmer Mensch war, zumindest aus meiner Sicht.
      „Wir kennen uns gut, also vertrau mir“, huschte erneut ein zartes Grinsen über seine Lippen. Ich konzentrierte mich zu sehr auf ihn, umso stärker wuchs auch das Pflänzchen der Verlangens wieder an.
      „Das ergibt alles keinen Sinn. Hast du ihm die Freundin ausgespannt?“, vollkommen verwirrt zog ich mich näher an ihn heran. Oh ja, sein Körper war bis zum Zerbersten angespannt.
      „Nein, also nicht, dass ich es versucht hätte, aber sie wollte mich nicht und wenn ich ehrlich bin auch nicht Erik. Sosehr ich ihn auch verabscheue, er hätte es nicht verdient, wenn du ihn anlügst“, gab Niklas keine Ruhe.
      „Also soll ihm meine Gefühle für dich überlassen?“, kullerte auch eine kleine Träne über die Wange, suchte sich den Weg am Kind entlang und tropfte auf die Hose. Ungewöhnlich still wurde es, aber meine Hände kreisten noch immer auf dem Oberschenkel.
      „Ja, bitte. Niemand hätte es aktuell mehr verdient. Also Vriska, liebe ihn, nicht mich“, appelliert er weiter an meine Vernunft, als gäbe noch Hoffnung für mich.
      „Ich liebe dich nicht“, drückten sich meine Augenbrauen fest zusammen, „nur verlangt dieses Drücken in meinem Unterleib nach dir.“
      „Sag es Erik, dann entfernt er es und glaub mir. Er ist kein Idiot“, schelmisch feixte er. Währenddessen versuchte Niklas meine Hände zum Stillstand zu bewegen, was nur dafür sorgte, dass ich mich schlagartig umdrehte und meinen Kopf auf seinen Schoß legte. Unheimlich bequem!
      „Aber du“, jammerte ich zaghaft weiter.
      „Hör auf zu diskutieren, sonst fahre ich dich umgehend zu ihm und sperre euch ein. Meinetwegen halten wir vorher noch an der Tankstelle, aber ich denke nicht, dass da was passiert“, seine offene und teuflische Art, konnte einem ziemlich nerven, besonders wenn man sich selbst in einem derartigen Dilemma befand.
      „Geht nicht, ich muss gleich los“, sagte ich und verabschiedete mich bereits von dem Gedanken, dass ich Blávör noch bewegen wollte.
      „Ach, wohin?“, fragte Niklas interessiert
      „Zu deinem Kili“, kam auf das ursprüngliche Thema zurück. Erneut warf er einen Block zu Decke, die noch immer daherkam, wie zuvor. Es hatte sich weder die Farbe geändert, noch sonst etwas.
      „Ach so”, musterte er meine Blicke genau, die aber nur wenig aussagten, “du hast Training?“
      „Ja, aber ich weiß, dass du ihn gerne bei dir hättest, um“, dabei drückte ich meine Hand provokant zwischen seine Beine. Mich begnügte auf zweierlei Weisen, doch tatsächlich nickte Niklas.
      „Dann komm doch mit, er würde sich sicher auch freuen mehr von dir zu spüren“, konnte ich nicht anders, als ihn anzustacheln.
      „Vriska, hör auf, es belastet mich schon genug.“
      Langsam wurde mir einiges klar.

      Später in Kalmar

      Was ein Tag. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magenregion fuhr ich mit dem riesigen Auto im Schritttempo die Ausfahrt entlang, um das Gespann nur einige Meter entfernt vor der Reithalle abzuparken. Im Anhänger war es ruhig wie immer.
      „Pünktlich. Da kann man fast stolz auf dich sein“, begrüßte mich Eskil der aus dem Eingang der Reithalle herauskam. Vollkommen überschwänglich sprang ich zu ihm hinüber, um mich im nächsten Moment freundschaftlich an seinen Hals zu werfen. Mir war heute nicht nach reiten, aber es nutzte nichts.
      „Welch eine freudige Begrüßung“, stellte beiläufig fest und klopfte mir beherzt auf den Rücken, als wäre ich ein Pferd.
      „Zu viel?“, fragte ich zaghaft nach.
      „Nein, alles gut. Hatte ich nur nicht erwartet. Das ist alles“, lächelte er und half mir dabei, die Klappe zu öffnen. Interessiert dreht sich Lubi zu uns um. Ihre sanften Augen sprachen zu mir, als würde sie mich beruhigen wollte.
      „Wie sieht sie eigentlich aus?“, musterte Eskil die teils sehr verstaubte Stute, die im Stall den Kontakt zu ihren Artgenossen suchte. Von allen Seiten brummte es leise, dass sie umgehend erwiderte.
      „Dreckig“, zuckte ich unbekümmerte und nahm eine Bürste. Schließlich hatte sie nicht vor dem Verladen geputzt, wozu auch. Sie trug nicht einmal Transportgamaschen für den Weg. Nur das Nötigste an Staub entfernte ich aus dem Fell, damit sie keine Druckstellen bekam, kratzte die Hufe aus und holte aus dem Kasten die Bandagen. Nur mit wenig Engagement winkelte ich das Fleece über die Unterlagen, um wenig später ein gesatteltes Pferd vor mir zu stehen haben. Gerade als ich meinen Helm aufsetzte, zog mich Eskil zur Seite.
      „Und so möchtest du wirklich aufsteigen?“, fragte dieser scharf nach. Verwundert blickte ich hoch zu ihm.
      „Wieso nicht? Der Sattel ist korrekt hinter der Schulter und das Reithalfter locker genug“, versuchte ich den Fehler zu finden, aber in meinen Augen gab es kein. Sogar die drei Späne hatte auch aus dem Schweif entfernt, die ich zu Hause ignoriert hätte.
      „Das Pferd sieht furchtbar aus“, lachte Eskil und vergrub vor gespielter Verzweiflung das Gesicht in den Händen.
      „Armes Lubi“, drückte ich die Unterlippe zu einem Schmollmund, „es ist wunderschön, wie eine Giraffe.“
      „Eine Giraffe also?“, verblieb er in der Position.
      „Setze deinen Helm wieder ab und dann werden die Bandagen neu gewickelt“, erklärte Eskil, als ich nicht reagierte.
      „Wieso? Das ist ätzend“, jammerte ich.
      „Tja, wir üben das jetzt, bis es gut aussieht, vorher setzt du dich nicht in den Sattel“, klopfte mir dieser auf die Schulter und gab mir einen kleinen Schubser, damit ich mich zum Pferd bewegte. Mein Gewissen sagte mir bereits, dass es länger dauern würde, weshalb ich ihr die Trense wieder aus dem Maul nahm.
      Nacheinander wickelte ich Beine ab, um sie im Anschluss wieder festzumachen. Gemein, wie Eskil war, bekam ich erst ein Kommentar, wenn alle Vierbeiner fertig waren.
      „Nein, noch schlimmer als vorher“, sagte er belustigt und hatte sich bereits einen Stuhl aus der Sattelkammer geholt. Damit begann das Spiel von vorn. Immer und immer setzte ich das Fleece an, nur um in einige Minuten später wieder als Rolle in der Hand zu halten. Meine Knie schmerzten durch das stetige Hocken, weshalb ich mittlerweile auf Lubis Abschwitzdecke saß und dann die Beine wickelte. Der Muskelkater war, wenn nicht durchs Reiten, hiermit vorprogrammiert.
      Ich hatte zwar aufgehört zu zählen, nach dem zehnten Mal, aber die Zeit pro Bein ins Verhältnis zur aktuellen Uhrzeit zu stellen, gelang mir noch. Einer meiner Dozenten an der Universität verlangte immer, dass wir zehn Nachkommastellen berechnen im Kopf, da stellte das hier keine Schwierigkeiten dar. Es müsste das fünf zwanzigste Mal gewesen, als ich erschöpft nach hinten kippte und Lubi sich verwundert zu mir nach unten umsah. Eskil hatte ihr ein befülltes Heunetz angehangen, denn sie wollte so gern das Lammfell-Halfter verspeisen oder zumindest versuchen.
      „Reicht das jetzt?“, wendete ich mich zu ihm auf seinem Stuhl zu. Kritisch beäugte er jedes der vier Beine.
      „Für heute ja“, grinste er und reichte die Trense, die neben ihm hing. Beinah eingeschnappt riss ich ihm diese aus der Hand, also wollte ich. Denn gerade als Zugriff zog er sie an sich heran. Mehr als Luft verspürten meine Finger nicht.
      „So nicht“, tadelte Eskil.
      „Was wird das hier? Erziehungsmaßnahme?“, jammerte ich und schmerzerfüllt von dem Pochen meiner Finger.
      „Dein Mann meinte, ich soll alles vermitteln“, grinste er wieder und reichte die Trense. Dankend nahm ich sie entgegen. Nachdem ich letzten Halm zwischen den Zähnen herauszog, legte ich die Trense an und setzte mir wieder den Helm auf.
      „Ach, und du denkst, dass Erik etwas zu sagen hat?“, sagte ich beim Aufsteigen.
      „Da er bezahlt, vermute ich das“, zuckte er mit den Schultern. Mitleid schwang mit wehenden Fahnen. Der bloße Gedanke seiner Aufopferung brachte ich mich zum Zweifeln. Ich gab ihm nicht eins, was ihn voranbrachte – vielmehr verbaute ich seinen Weg in eine bessere Zeit. Einmal schlug das Metall noch gegen die Gitter, als Lubi sich an dem Netz bediente, ehe wir den Weg zur Reithalle einschlugen. Auf dem Weg begegneten wir noch einigen anderen aus dem Verband, die nur mit erhobener Nase uns drei betrachteten. Phina, die ohnehin mit den meisten auf dem Kriegspfad stand, schnaubte bei unserem Anblick, aber schwieg glücklicherweise. Mir bedarf es nicht, mich über sie aufzuregen.
      “Woran würdest du gern arbeiten?”, fragte mich Eskil, nach dem ich mit Lubi die Arbeitsphase einleitete. Tatsächlich hatte ich mir zuvor bei Niklas nie Gedanken darüber gemacht. Ich saß auf der Stute und setzte seine geforderten Lektionen um, bekam Tipps und Hilfe, diese besser umzusetzen, aber eine genaue Vorstellung gab es nicht. Im Vordergrund stand lernen und vorbereiten für die kommende Saison, in der ich die Qualifikation für die Turniere bekommen wollte.
      “Ähm”, stammelte ich und trabte auf dem Zirkel um ihn herum.
      „Wenn du es nicht weißt, kann ich dir auch nicht helfen“, setzte er schulterzuckend den Weg zum Tor an, „dann kann mir auch einen Kaffee holen gehen.“
      „Oh, bringst du mir ein mit?“, begannen meine Augen förmlich zu Funkeln bei dem bloßen Gedanke an das bittere Dunkel.
      Er schüttelte den Kopf.
      „Du sollst reiten und kein Kaffee trinken. Also Hopp. Hol sie mehr zu dir heran und versuche deine Arme ruhiger zu halten“, schallte es aus dem Flur zu mir, als die Schritte zunehmend stiller wurden. Unglaublich, da ging Eskil sich einen Kaffee holen. Welch ein grandioser Unterricht, dachte ich und trieb Lubi etwas energischer.
      Schnaufend trabte die Stute voran, ehe ich mit Übergängen vom Schritt in den Galopp begann. Es war noch immer für mich schwierig punktgenaue, flüssige Übergänge zu erreichen, also setzte ich dort an. Meine kurzen Beine lagen zwar am Rippenbogen der Stute, doch bekam ich das Gefühl, dass Lubi meine Hilfen kaum wahrnahm, egal, wie sehr ich meine Ferse einsetzte. Zugleich musste ich den Sitz beibehalten und wollte ihr keine Schmerzen zufügen, ein Grund mehr, weshalb ich den Einsatz von Sporen verweigerte. Langsam wurde ich allerdings das Gefühl nicht los, dass es besser wäre.
      Eskil kam wieder, zu meinem Erstaunen, mit zwei Tassen Kaffee. Diese hielt er wie einen Triumph in die Luft, grinste dabei äußerst raffiniert.
      „Ich schätze, dass Schwarz korrekt ist?“, reichte er mir eine Tasse, als ich neben ihm anhielt. Direkt musterte Lubi die weiße Keramik, aber schreckte bei dem bitteren und rostigen Geruch zurück. Stattdessen laute sie laut auf dem Gebiss herum und schnappte nach dem Zügel. Leicht zog ich daran, während meine andere Hand die Tasse an den Mund ansetzte. Ihn dafür zu bezahlen, klang tatsächlich nach einer guten Tat. Ich habe Eskil die Tasse zurück, um Lubi wieder aufzunehmen. Es fühlte sich an, als würde ich all die Zeit nur bummeln und wenig Ernsthaftigkeit hineinlegen. Doch was soll ich sagen? Lust trieb mich heute nicht an. Für die letzten zwanzig Minuten trabte ich noch, galoppierte einige Runden und ritt ab.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 99.188 Zeichen
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  • [​IMG]

    geboren: 1. März 2011

    –––––––––––––– a b s t a m m u n g

    Aus: Unbekannt

    MMM: Unbekannt ––––– MM: Unbekannt ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Unbekannt ––––– MVV: Unbekannt


    Von: Unbekannt
    VMM: Unbekannt ––––– VM: Unbekannt ––––– VMV: Unbekannt
    VVM: Unbekannt ––––– VV: Unbekannt ––––– VVV: Unbekannt


    –––––––––––––– b e s c h r e i b u n g

    Geschlecht: Hengst
    Rasse: Standardbred [STB]
    Farbe: Fuchs
    [ee aa]
    Stockmaß: 170 cm

    Charakter:
    Nobelpreis hat von seinen Eltern den Rennwillen bekommen und ist dementsprechend sehr
    temperamentvoll. Der Hengst steckt voller Energie und benötigt deshalb auch ziemlich viel
    Beschäftigung. Mit anderen Pferden im Herdenverband hat er Probleme. Ansonsten ist er ein recht
    gelassenes Pferd, der vor nichts erschrickt.

    * Nobel läuft Trabrennen

    –––––––––––––– z u c h t

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    Gekört durch HK 410 im August 2021.

    DMRT3: CA
    Gänge: 4

    Herkunft: Stuteri Olofsson, Stockholm [SWE], Familie Olofsson

    Lebensrekord: 1:09,0

    Fohlenschau: 0,00
    Materialprüfung: 0,00

    Körung
    Exterieur: 7,08
    Gesamt: 6,33

    Gangpferd: 6,91

    Nobel hat 7 Nachkommen.

    • 2014 May Bee Happy (aus: Walking on Sunshine) [Deutsches Sportpferd]
    • 2015 Nobelium (aus: Unbekannt)
    • 2017 Blutschnee LDS (aus: Schneesturm)
    • 2017 Millennial LDS (aus: Middle Ages)
    • 2018 Vandal LDS (aus: Rainbeth)
    • 2018 Shadow of the Day LDS (aus: Nachtschatten)
    • 2019 Friedensnobelpreis LDS (aus: Friedensstifter)


    –––––––––––––– l e i s t u n g

    Dressur A [M] – Rennen A ['S] – Distanz E [A] – Gangreiten E [L]

    April 2020
    1. Platz, 237. Gangturnier

    Mai 2020
    2. Platz, 245. Gangturnier

    November 2020
    Dressur E zu A

    Januar 2021
    1. Platz, 613. Dressurturnier

    Februar 2021
    2. Platz, 538. Rennen
    2. Platz, 614. Dressurturnier
    1. Platz, 615. Dressurturnier
    2. Platz, 540. Rennen
    Rennen E zu A
    1. Platz, 617. Dressurturnier

    März 2021
    1. Platz, 545. Rennen

    April 2021
    2. Platz, 277. Gangturnier
    1. Platz, 546. Rennen
    1. Platz, 279. Gangturnier
    2. Platz, 548. Rennen

    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Ersteller: Mohikanerin
    VKR: Mohikanerin

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