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Mohikanerin

*19 Ours de Peluche LDS [3/7]

a.d. Northumbria, v. Lu'lu'a

*19 Ours de Peluche LDS [3/7]
Mohikanerin, 26 März 2022
Stelli, Wolfszeit und sadasha gefällt das.
    • Mohikanerin
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      kapitel sjutton | 22. Mai 2022

      Enigma LDS / Millennial LDS / Northumbria / Lubumbashi / Maxou / Götterdämmerung LDS
      Ours de Peluche LDS / Spök von Atomic / Nachtzug nach Stokkholm LDS / Kría von Atomic / Yumyulakk LDS / Halldór von Atomic / Vandal LDS / Arktikkfrost LDS / Anthrax Survivor LDS / Liv efter Detta LDS / CHH' Death Sentence / Kempa / tc Herkir / Skrúður / Nachtschatten / Lotti Boulevard / Krít / Magnus von Störtal / Avenue Shopper LDS


      Es könnte acht Uhr gewesen sein, als ich spürte, nicht mehr zu zweit im Bett zu liegen, oder auch nicht. Nur Trymr lag auf dem letzten Stück der Decke am Fußende. Kurz blickte ich das Tier an. Sein Schwanz wippte auf dem Stoff, verstummte jedoch, als ich mich zur anderen Seite drehte.
      Auf jeden Fall fiel irgendwann die Tür ins Schloss und später öffnete sie sich wieder. Hundepfoten auf dem Holzfußboden ertönten, abermals schlief ich ein. Erst, als Erik das Zimmer betrat, um mich zu wecken, entschied ich, dem auch nachzukommen. Obwohl ich so oft wach wurde, fühlte ich mich ungewöhnlich gut ausgeschlafen.
      “Dornröschen ist erwacht und das ganz ohne meine Hilfe”, drückte er sanft seine Lippen auf meine Stirn und strich die kleinen Haarsträhnen aus meiner Sicht.
      „Du bist also mein Prinz?“, zog ich ihm am Hemd näher an mich heran. Intensiv kitzelte der Geruch seines Aftershaves meine Nase, so stark, dass ich nieste und damit, die Hände vom halbdurchsichtigen Stoff löste. Er richtete sich an der Bettkante wieder auf.
      „Komm, Lina wartet schon“, lächelte Erik und zog mir die Decke weg. Kalte Luft huschte über meine Stoppeln an den Beinen, die sich aufstellten und jeden noch so kleine Stelle an meinem Körper übernahmen. Netterweise reicht er mir eine herumliegende Jogginghose. Dann lief er vor und folgte.
      Auf dem Küchentisch standen drei Teller, mit unterschiedlichen Tassen. Sofort vernahm ich den Geruch von frisch gemahlenen Kaffee, das musste wohl meiner sein.
      „Godmorgon“, trällerte ich.
      Lina hatte offenbar auch zu tief ins Glas geschaut. Sie klammerte sich an ihrer Teetasse und sah mit zusammengekniffenen Augen zu mir hoch.
      “Morgen”, murmelte sie und gähnte herzhaft. Ungewöhnlich, in der Regel war sie diejenige, die am Morgen vor Energie und Tatendrang sprühte. Lag es daran, dass Samu heute ebenfalls nicht da sein würde? Ich schmunzelte bei dem Gedanken und setzte mich dann neben sie. Erik stand an der Arbeitsfläche der Küche und rührte einen Teig zusammen. Den Zutaten nach könnten es Waffeln werden, oder Pfannkuchen. Anstelle von Kuhmilch stand eine beige Packung von Oatly neben der Schüssel. Im Hals spürte ich, wie mein Herz pochte und kleine Luftsprünge machte - er hatte wirklich an mich gedacht.
      „Du weißt, welches Thema nun an der Reihe ist?“, kam ich ohne große Umschweife zum Punkt.
      “Echt, weiß ich das?”, stellte sie sich doof und nahm in aller Seelenruhe einen Schluck aus ihrer dampfenden Tasse.
      “Jahaa, natürlich weißt du das!”, blieb ich beharrlich und rückte meinen Stuhl näher an sie heran. Allerdings blieb die Brünette davon vollkommen unbeeindruckt, pflückte stattdessen den Welpen vom Fußboden, der hungrig um ihre Füße strich.
      “Hast du gehört kleiner Mann, Vriska sag, ich konnte Gedankenlesen”, grinste sie das Tier an, welches ihr daraufhin nur freudig durchs Gesicht leckte.
      “Liniiii, jetzt sag schon, was hast du mit Niklas im Keller gemacht?”, drängte ich weiter und rückte ihr noch mehr auf die Pelle. Das Fellbündel auf ihrem Schoß schien das Gruppenkuscheln super zu finden, den sein Schwanz begann, in einem hektischen Rhythmus zu schwingen.
      “Hast du gerade Lini gesagt?”, blickte sie mich stirnrunzelnd von dem Welpen auf. Nicht die gewünschte Reaktion, aber immerhin hatte ich wieder ihre Aufmerksamkeit. Ich nickte bestätigend.
      “Tu das bitte nie wieder, das klingt ja schrecklich”, entgegnete sie mit deutlicher Abscheu.
      “Jetzt lenke nicht vom Thema ab”, hängte ich mich quengelnd auf ihre Schulter.
      “Naaa gut, du willst also den Verlauf meines geistigen Abends wissen?”, fragte sie noch einmal mit einem verschmitzten Grinsen. Ich nickte eifrig.
      “Und wie viel willst du wissen?”, spannte sie mich weiter auf die Folter.
      “Alles!”, kam es wie aus der Pistole geschossen aus meinem Mund.
      “Sorry, mit allen Details kann ich nicht dienen, die Erinnerung ist etwas … Lückenhaft”, entgegnete sie, als wolle, sie mir glich den Wind aus den Segeln nehmen.
      “Egal, erst mal das wichtigste hab ihr?”, grinste ich verschmitzt. Eine intensive Röte trat auf Linas Wangen doch, sie nickte mit einem leuchten in den Augen.
      “Und war's gut?”, versuchte ich weitere Informationen aus ihr herauszuquetschen. Dass sie aber auch immer so wortkarg sein musste, als wäre sie ein Teenager, dem so etwas noch peinlich war. Sie schielte kurz zu Erik, der am Herd in die Zubereitung des Frühstücks vertieft war, bevor sie eine Antwort hervorbrachte: “Ja.”
      “Linaaaa, geht auch mehr als ein Wort? Oder hast du verlernt, wie man spricht?”, probierte ich an, mehr Details zu bekommen. Erneut schielte sie zum Herd und ihr Gesicht nahm eine immer intensivere Färbung an.
      “Okay, ich gebe dir noch zwei weitere Worte”, gab sie nach, “unglaublich intensiv.” Die letzten beiden Worte flüsterte sie mir ziemlich leise ins Ohr. Dafür lehnte sie näher zu mir und diese kleine Berührung am Arm löste ein schmerzhaftes Stechen und Brennen aus, das ich sofort untersuchte. Wie ich bereits am Abend festgestellt hatte, würde es einen blauen Fleck geben, doch dass beinah, der ganze Oberarm aus gelben, roten und blauen Färbungen bestehen würde, übertraf meinen Horizont. Damit Lina davon nicht mitbekam, zog ich den Ärmel des Bademantels wieder höher und schloss den Kragen fest aneinander. Zudem konnte ich mir vorstellen, wovon sie sprach, aber verlangte, es ausgesprochen zu hören. Wenn Lina ihn schon so selten traf, und, bis auf die Pferde, keine Gemeinsamkeiten zu haben schien mit ihm, dann war es etwas anderes, das sie verband.
      „Oh schön, dann hast du dich auch mit neuen Leuten unterhalten? Wahnsinnig toll, wie du dich in die Familie einfindest“, rollte ich ironisch mit den Augen. Das Spielchen konnte ich auch, obwohl ich deutlich lieber mit Menschen sprach, die ebenfalls ihre Gesichter gewillter waren zu teilen wie ich.
      “Ähhm, nicht so wirklich … ”, entgegnete sie kleinlaut als würde ihr erst jetzt die Erkenntnis kommen, auf was für eine Art von Veranstaltung wir gestern gewesen waren.
      “Aber mit wem hast du denn so geredet?”, versuchte sie von sich selbst abzulenken.
      „Von den meisten habe die Namen vergessen, aber auf jeden Fall mit dem Geburtstagskind, Niklas‘ Tante und noch paar Leuten aus deren Firma“, versuchte ich mit den Händen aufzuzählen, wer die Auserwählten waren.
      Erik kam mit warmen Waffeln an und stellte sie auf einem Brett in der Mitte des Tisches ab. Apfelmus und verschiedene Marmeladen standen bereits gedeckt da.
      „Vergiss Joanna nicht“, sagte dieser im Vorbeigehen und biss von einer ziemlich verbrannten Waffel ab, die er offenbar auf der Arbeitsfläche bereits inhalierte. Als der Name fiel, wurden Linas Augen plötzlich groß und sie spuckte ihren Tee beinahe wieder aus.
      “Die Joanna? Niklas' Ex?”, fragte die Brünette, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.
      „Ja“, lachte Erik.
      Ich schüttelte mich, deswegen kam mir der Name bekannt vor. Damit hätte ich wohl rechnen müssen, aber nahm diese Tatsache mit deutlich mehr Fassung auf als Lina, die abermals nach der Tasse griff.
      „Offenbar, sie hat sich derartig nicht mir vorgestellt“, zuckte ich mit den Schultern.
      “Und worüber habt ihr so geredet?”, fragte Lina interessiert und lud sich etwas von den Waffeln auf ihren Teller.
      “Das hättest du vielleicht gewusst, wenn du auch da gewesen wärst”, drehte ich den Spieß um, nahm mir allerdings nur eine kleine Ecke vom Gebäck. Nebenbei untersuchte ich die Gläser mit ihren Nährwerten, entschloss mich zum Ende dazu, sie ohne etwas zu Essen.
      “Engelchen”, hauchte es von der Seite in mein Ohr, als die nächste Portion Waffeln bereits auf dem Tisch landete, “Niemand wird dich dafür verurteilen, wenn du mal ein paar Gramm mehr auf den Rippen hast.”
      Ich ignorierte Eriks Aussage, biss zumindest einmal von der Waffel ab. Sie schmeckte fabelhaft, aber durfte ich nicht viel mehr als diese Portion essen.
      “Du bist fies”, schmollte Lina und stopfte sich dafür mit Freude einen großen Bissen Waffel in den Mund.
      “Viel mehr hast du mir ebenfalls nicht berichtet”, spiegelte ich sie mit einem Schmollmund.
      “Aber das ist ja auch was anderes”, protestierte sie.
      “Das ist etwas anderes, ja?”, blieb ich hartnäckig. Nichts wollte ich so sehr, wie wissen, was die beiden getrieben haben. Oder wo? Egal, mich interessierte es. Je länger sie schwieg und ich über das Gespräch nachdachte, überlegte ich, was ich lieber wollte und da fiel es mir tatsächlich ein: wieder einmal ein richtiges Gespräch mit meiner Ablenkung. Er hatte sich dazu entschlossen, mich mehr oder weniger zu ignorieren, solang ich mit dem Treffen noch haderte, obwohl es besprochen war, dass es keine geben würde. Ehrlich gesagt wunderte es mich, denn er hatte es mir angeboten.
      “Ja, was mein Freund und ich miteinander tun, braucht auch nur ihn und mich interessieren”, erklärte sie wenig überzeugend und wand sich unglaublich ungeschickt um den Gebrauch gewisser Worte herum, “Ich frage euch ja auch nicht, was ihr im Schlafzimmer tut.” Kaum hatte sie angefangen zu sprechen, nahmen auch ihre Ohren wieder eine hübsche Rosa Farbe an.
      „Mehr weniger das übliche, hauptsächlich schlafen und mal kriecht ein Hund nach oben und möchte gestreichelt werden“, gab Erik verwundert zu bedenken und schnitt sich ein Stück seiner Waffel ab. Ich hingegen fühlte mich hin- und hergerissen, einerseits verstand ihren Einwand, andererseits ärgerte ich mich aufs Tiefste, dass sie so eigen war. Dass dann mein Freund auch noch den wunden Punkt traf, brachte das Fass zum Überlaufen.
      “Ok”, sagte ich mit derart abfälligem Ton, dass selbst er mich entgeistert anblickte. Nicht einmal die Hälfte hatte ich aufgegessen, da stand ich auf, schob sehr laut den Stuhl übers Holz und verschwand im Zimmer. So schnell ich konnte, zog ich mich um, schnappte mir noch meinen Lieblingspullover und lief zurück. Die Beiden aßen noch. Der Welpe tigerte im Kreis um den Tisch herum, während Trymr gespannt einen Vogel vor dem Fenster beobachtete, der von links nach rechts hüpfte.
      “War schön, dass du da warst”, versuchte ich freundlich zu bleiben, gab Erik einen flüchtigen Kuss auf die Wange und stürmte aus der Hütte heraus.

      Im Stall war es ebenso leer, wie an jedem Vormittag auch. Ich traf zwei Einsteller, die gerade ihre Pferde für einen Ausritt sattelten und Folke legte Enigma das Geschirr für den Sulky um. Mit gehobener Hand grüßte ich sie. Mein Weg führte mich weiter zur Sattelkammer. Vor tausenden Halftern stand ich beinah verloren, wusste nicht, welches der Tiere sich wohl für einen schnellen Ausritt am besten eignen würde. Selbst meine Liste war, schließlich hatten Lina und ich heute frei, also keine Aufgaben zu erledigen. Kurzfristig entschied ich mich für Humbria. Dafür nahm ich das lilafarbene Halfter vom Haken und stampfte eilig wieder die Treppe der Tribüne hinunter, direkt zum Stuten Paddock. Mit freundlich aufgestellten Ohren begrüßte mich das Pferd, folgte mir in den Stall, in dem ich sie sattelte und trenste. Am Tor wurde ich aufgehalten.
      “Vriska, warte, ich wollte dich nicht verärgern”, kam Lina angelaufen, dick eingepackt in gefühlte hundert Kleidungsschichten, sodass sie fast aussah wie ein Michelin Männchen.
      “Dafür ist jetzt auch zu spät, also genieß deinen freien Tag”, grinste ich ironisch und zog den Sattelgurt fest.
      “Was auch immer ich getan habe, es tut mir leid”, ließ sie sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen und platzierte sich vor der Stute.
      “Du solltest dir bewusst sein, dass man sich nur entschuldigen sollte, wenn man weiß, was man getan hat”, zuckte ich mit den Schultern. Ich versuchte Humbria an ihr vorbeizureiten, doch sie stand wie angewachsen am Boden.
      “Ich glaube zu wissen, was das Problem ist.”, entgegnete sie und warf einen umschweifenden Blick durch die Gasse, bevor sie ihre Ansprach mit gesenkter Stimme fortsetzte,” Na ja, wegen dem, was du wissen wolltest. Ich rede da nicht gerne drüber, weil …” Ihre Augen huschten, nervös durch die Gegend, bevor sie sich beschämt zu Boden senkten.
      “Weil ich habe das noch nicht so oft gemacht und dafür schäme ich mich”, druckste sie herum und ihr Fuß versuchte ein Loch in den Beton zu graben. Sie setzte noch zu einem weiteren Satz an, den ich geschickt unterbracht: “Lina, es geht nicht darum, dass du nicht darüber sprechen möchtest, sondern, wie du mir das mitgeteilt hast. Denkst du, ich möchte die bloßstellen vor Erik oder sonst jemanden? Mich nervt nur behandelt zu werden, als wäre ich eine Last für jemanden.”
      “Oh, das war nicht meine Absicht, dass du dich so fühlst. Tut mir leid”, antwortete sie betroffen und schien sich nun aus ganz anderen Gründen in Luft auflösen wollen.
      “Schon okay, ich frag dich auch nicht mehr”, grinste ich nur. Endlich wurde mir der Weg freigegeben und ich ritt im Schritt an ihr vorbei. Aufmerksam kaute die auf dem Gebiss. Entspannt konnte ich endlich abschalten. Es erleichterte mich auf eine gewisse Weise, dass das Thema so schnell geklärt werden konnte, aber umso mehr tat mir Erik leid, mit dem ich gerne noch weitere Stunden verbracht hätte.
      Die Wege waren in der Spur bereits sehr durchmischt vom Sand darunter, nur am Rande lag die Decke beinah unberührt. Es fiel mir schwer, so wie immer, mich der Situation zu übergeben. Aber zumindest kam ich gedanklich so weit, dass ich mich auf die Stute einstellte, an ihren Feinarbeiten übte und irgendwann an den Weiden ankam. Neugierig kamen die Hengste, auf der einen, und die Stuten, auf der anderen Seite, angerannt. Leise brummten die Tiere. Humbria musterte die durchwachsenen Herden. Bei den Stuten standen nicht nur die Anwärter, sondern auch Pferde, die eine Pause verdient hatten, oder die nächste Generation austrugen. Zur anderen Seite präsentierten sich die Hengste. Einige von Bruce Zuchthengsten hatten eine Winterpause, um vor der Saison noch einmal abzuschalten. Dementsprechend bunt wirken die Herden.
      Wann ich am Hof ankam, wusste ich nicht. Offenbar lag mein Handy noch in Eriks Auto, das bei meiner Rückkehr erstaunlicherweise noch immer vor der Hütte ruhte. Ich versuchte durch die Fenster etwas zu erkennen, aber mehr als die Spiegelung, war nicht zu sehen. Im Stall rannte mir Trymr entgegen.
      “Oh, du bist noch da”, freute ich mich und strich ihm über den Kopf, nach dem ich über den Po hinuntergerutscht bin. Er verstand mich nicht, aber der Herr in meiner Jogginghose umso besser.
      “Muss ich mir Sorgen machen? Geht die Welt erneut unter?”, scherzte ich mehr beiläufig. Humbria folgte mir bis zur Putzbucht, die bereits besetzt war. Ein mir bestens bekanntes Pony stand mit angewinkeltem Bein vor mir. Die dunkele Stute, am Zügel, streckte das Maul in die Richtung der anderen, wurde allerdings durch ein böswilliges Schnappen verscheucht.
      “Die ist nun mal so”, erklärte ich nun auch Humbria, nach dem Lubi es schon mehrfach zu spüren bekam.
      “Ich helfe dir”, huschte Lina aus dem Nirgendwo zu mir und hatte so schnell die Zügel in ihrer Hand, dass ich gar nicht eine Antwort finden konnte. Plötzlich stand ich allein mit Erik und Maxou da, immer noch verwirrt. Mein Herz schlug verrückt bis hinauf in den Hals, als würde es dort feststecken. Es kratzte und schnürte mir die Luft ab.
      „Du weißt, dass du mir nicht entkommst“, kam Erik endlich näher an mich heran und grinste mich so überzeugt an, dass ich nicht anders konnte, als es zu erwidert.
      „Scheint so zu sein“, antwortete ich.
      Da Maxou ebenso gekleidet war, wie am vorherigen Tag, wenn auch mit einer rosafarbenen, glitzernden Schabracke, die ich mir nicht genau erklären konnte, verstand ich die Aussage dahinter. Also nahm ich das Halfter ab, das über dem Zaum die Stute an Ort und Stelle verharren ließ, und führte sie zur Reithalle. Der Hund folgte mir.
      „Wo ist eigentlich der Kleine?“, fragte ich, als ich sein Fehlen bemerkte.
      „Der ist hochgelaufen, zu Harlen schätze ich“, gab Erik zu verstehen.
      Um das Pony die Einheit so erträglich wie möglich zu gestalten, begann ich die Arbeit wie immer. Wir liefen mehrere Runden auf der ganz großen Bahn, dann nahm ich die Zügel in Höhe des Widerristes auf, um sie mehr zu versammeln und gleichzeitig jenen zu mobilisieren. Je elastischer sie dort wurde, umso intensiver konnte ich auch an die Schulter heran. Ungewöhnlich schnell fand ich mich in diese Situation ein und erfreute mich an jeden richtigen Schritt, während ich die Fehler ignorierte. Nach guten zehn Minuten liefen wir in die Mitte. Dort zog ich den Gurt drei Löcher fester und stieg auf. Sie warf einmal den Kopf nach oben, aber ein sanftes Klopfen am Hals beruhigte das Tier wieder. Plötzlich erschien es mir, dass der gestrige Ritt ein guter Anfang gewesen war, um die Stute besser kennenzulernen und die Angst zu verlieren, sie zu verletzen.
      Wir kamen besser klar als ich dachte. Im Laufe der Zeit fühlte sich die Reithalle und selbst da blieben Maxou's Ohren stets bei mir. Wenn ihr ein Pferd zu nah kam, schlug sie mehrmals mit dem Schweif, aber reagierte weiterhin auf meine Hilfen im Sattel. Es war, anders als auf Lubi, nicht nur dem Größenverhältnis geschuldet. Mit kleineren Schritten setzte die helle Stute ihre Hufe in den Sand, ebenso zart wie der Riese, aber wirkte dennoch hektischer, auf eine gewisse Weise gestresst. Ich redete ruhig auf sie ein, allerdings so leise, dass es sonst keiner hören würde. So waren mir Gespräche mit dem Tier immer unangenehme Angelegenheit, obwohl selbst Tyrell seiner lebhaften Fuchsstute das ganze Hofgeschehen mitteilte.
      „Alles guuuut“, murmelte ich, als er abermals an uns vorbeitrabte. Maxou fiel aus der Versammlung heraus und streckte dabei ihren Kopf in Richtung Brust, obwohl ich die Zügel nur mit sehr wenig Kontakt in den Händen hielt. Selbst überstreichen änderte nichts daran. Ich wiederholte noch öfter das Vorbeireiten, bis Maxou sich nicht mehr in ihrem Schneckenhaus versteckte und sprang aus dem Sattel. Sie kaute und bekam von mir eine kräftige Streicheleinheit. Aus meiner Jackentasche kramte ich noch ein Leckerli, dass mit ihrer Oberlippe von der Handfläche fummelte.
      “Das sieht gar nicht so schlecht aus, was du da mit dem Pony veranstaltest”, erklang Linas sanfte Stimme, die nach einer Weile am Rand aufgetaucht war, um uns zuzusehen. Kaum hatte ich mich von der Stute weggedreht, legte sie wieder ihren Kopf auf mir ab und stupste mich grob am Ohr an. Erst als ich die Hand langsam zwischen Nüstern massierte, hörte sie auf und verlagerte noch mehr Gewicht auf mir.
      “Danke?”, fragte ich vielmehr, als es dankend anzunehmen. Hatte sie etwas anderes erwartet, oder wieder eine ungeschickte Wortwahl?
      “Ja, das sollte ein Kompliment sein, Vriska. Das sieht wirklich gut aus”, führte sie weiter aus und versuchte damit die schlecht gewählten Worte zu revidieren.
      “Okay, dann danke”, lächelte ich friedfertig. Maxou hing weiter auf meiner Schulter, wollte unter keinen Umständen diesen Platz verlassen. Auch, als ich langsam mit meiner Hand wedelte, um sie vorwärtszutreiben, bewegte sich nichts an ihr.
      “Offensichtlich findet Maxou dich ziemlich bequem”, lächelte Lina, “aber irgendwie ist das niedlich.”
      “Aber ich kann nicht den ganzen Tag hier herumstehen”, merkte ich an und versuchte mich, abermals von dem Pony zu lösen. Doch sie war eingedöst. Eins ihrer Hinterbeine stand angewinkelt im Sand und die Augen waren geschlossen. Es schien unausweislich, hier die nächste Zeit zu stehen. Selbst Tyrell schüttelte nur amüsiert den Kopf, als er neben uns abstieg, wovon es nichts mitbekam. Andere hatten auch die Halle verlassen, wodurch wir allein in diesem riesigen Raum standen. Und kalt wurde es auch.
      “Dann musst du dein Pony wohl wecken”, stellte sie das offensichtliche fest, “Brauchst du Hilfe?”
      Ich nickte. Folgeleisten kam sie die Stufen der Tribüne hinunter und trat durch das Tor auf die Sandfläche.
      “Maxou, aufwachen”, sprach sie das goldglänzende Pony an. Wie nicht anders zu erwarten, gab es keinerlei Reaktion von dem schlummernden Tier. Als sie ganz an uns herangetreten war, stupste sie das Pferd vorsichtig an.
      “Oh, es wird wach”, verkündete Lina erfreut und ich konnte spüren, wie die Last auf meiner Schulter allmählich weniger wurde. Sie erhob sich langsam, kaute und schleckte dabei am Maul entlang. Nach einem Schnaufen stand Maxou schließlich wach neben uns, aber in ihren Augen sah man noch immer die Müdigkeit.
      “Ich bringe sie weg, danke”, sagte ich zur Lina und führte das Pony weg.
      In der Gasse kam dann auch Erik dazu. Zusammen sattelten wir die Stute ab, legten die Decken auf sie und schon durfte sie zurück in die Boxen. Offensichtlich hatte Lina ihr bereits frische Heulage hingelegt und sogar ihre Futtermischung in den Trog gefüllt. Sehr zuvorkommend.

      Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was man einem freien Tag so anstellte. Wir saßen wieder in der Hütte. Erik hatte den Fernseher angestellt und ich lag in seinen Armen, während Lina auf dem Sessel neben uns saß und ein Buch las. Tweet Cute stand auf dem Hardcover in zwei Sprechblasen auf türkisen Grund und roten Verzierungen. Es wirkte interessant, ihrem Gesicht zufolge, denn sie schien sich vollkommen darin verloren zu haben. Eine Hand klammerte am Buch, während die andere Strähnen drehte und den Arm abgestützt auf der Lehne, sitzend auf den Füßen. Auf dem Bildschirm dudelte irgendein Film, En runda till auf dänischer Originalverfilmung, was Erik ziemlich wichtig war und schwedischen Untertiteln. Somit verstand ich noch weniger, aber hatte damit immerhin die Möglichkeit, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Trymr lag auf dem Boden und wedelte immer wieder mit dem Schwanz, wenn ich zu ihm hinuntersah, nur Welpi fehlte, denn er wollte lieber bei meinem Bruder im Büro liegen. Dort gab ich ihn immer bei der Arbeit ab.
      Mein Handy vibrierte, das Erik mir von der Rückbank geholt hatte. Eifrig griff ich in meine Hosentasche.
      Niklas.
      Unsicher schielte ich zu meinem Freund, der allerdings nur nach vorn blickte und diesen nicht abwandte, als mich aufrichtete.
      “Ist Lina bei dir?”, erfassten meine Augen.
      “Ja”, tippte ich. Die Punkte schwebten auf. Eine Antwort.
      “Nah?”
      “Nein”, schon, dass dieses Gespräch derartig begann, verhieß nichts Gutes. Trotzdem warte ich weiter vor dem geöffneten Chat. In meinem Herz spürte ich den aufgeregten Herzschlag, drückte mir einen Moment die Luft weg, bis eine weitere Nachricht auftauchte.
      “Ich wollte dich eigentlich gestern fragen, aber, ich musste anderen Aufgaben nachkommen. Davon weißt du bestimmt schon”, ich drehte für einen Moment die Augen nach oben und seufzte, “was war mit Eskil los? Er wirkte vollkommen aufgelöst am Hof und wollte nicht mit mir sprechen.”
      “Dazu kann ich dir auch nicht viel sagen. Er war plötzlich verschwunden”, schrieb ich wahrheitsgemäß und legte dann das Handy weg. Doch im selben Augenblick verlangte es wieder nach mir. Aber es war mir auf eine gewisse Weise egal. Ich hatte anderes erwartet, kein Lächerlichkeit, die er mit jemand anderes klären könnte. Aber es stoppte nicht.
      “Alles in Ordnung?”, wurde Erik nun auch aufmerksam und rutscht etwas höher, um wieder eine bequeme Position zu haben.
      “Ja”, antwortete ich nur.
      “Wer ist denn das?”, fragte er neugierig.
      Ohne kurz zu überlegen, sagte ich: „Der komische Typ, der sich mit mir treffen will.“
      Da sah auch Lina auf. Sie legte das zur Seite auf die Lehne und richtete ebenfalls die Position.
      “Ich denke nicht”, gab Erik zu bedenken.
      “Okay, dann Eskil”, versuchte ich die nächste Person zu finden, die mir einfiel.
      “Du weißt schon, dass sich das nicht einfach spontan ändert?”, versuchte er mir offenbar die Wahrheit zu entlocken. Ihm fiel zu schnell auf, welche Aussagen echt waren. Zumindest machte er seine Arbeit gut.
      “Sind mehrere und einer davon Eskil, deshalb”, verstrickte ich mich immer tiefer, sodass auch Lina skeptisch wurde. Ohne zu fragen, griff er das Handy von der Couch und sah natürlich den Chatverlauf mit Niklas. Zum Glück hatte ich die ganz alten Nachrichten gelöscht und nur die von dem Moment, sollten da sein. Die neusten Benachrichtigungen waren von Instagram. Wieder waren Leute, die auf mein Profil gestoßen waren, der Meinung, alles durchliken zu müssen. Dass ich überhaupt eine Benachrichtigung bekam, wunderte mich deutlich mehr.
      “Sende ihm schöne Grüße von mir”, grinste Erik und gab es mir zurück. Meine Augen huschten über die neusten Nachrichten: “Ich vermisse ihn. Ich weiß nicht, wieso. Irgendwie war es seltsam mit Lina. Hilf mir bitte, wie auch immer. Ach egal.”
      Der Kerl tat mir unglaublich leid. Er wirkte auf einmal so zerbrechlich, als hätte man ihm das Wertvollste im Leben geraubt. Aber ich hatte mich nie als Vermittlerin zur Verfügung gestellt.
      Lina warf mir einen fragwürdigen Blick zu, aber nahm sich wieder ihr Buch, um weiterzulesen.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // Vriska Isaac // 24.527 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Ende Oktober 2020}
    • Mohikanerin
      Ankunft im Chaos | 20. Juli 2022

      Erlkönig / Raleigh / Glanni frá glæsileika eyjarinnar / Monet
      Otra / Narcissa / Blávör / Hallveig från Atomic / Saints Row / Kölski von Atomic / Voodoozirkus / Vrindr von Atomic / Willa / Þögn / Snotra

      Tasmania / Sign of the Zodiac LDS / Nachtschwärmer / Forbidden Fruit LDS / Ruvik / Lotti Boulevard / HMJ Holy

      Nachtzug nach Stokkholm LDS / L‘Épirigenys LDS / Ours de Peluche LDS / WHC' Email / Mitternacht LDS / Yumyulakk LDS / CHH' Death Sentence / Halldór von Atomic / Liv efter Detta LDS / Sighvatur från Atomic / Kría von Atomic / Mondlandung LDS / Kempa

      Polka Dot / WHC' Griechischer Wein / Sakura Blomst / Sisko / WHC' Oceandis / Snúra

      WHC' Ritter Der Rose / WHC' Guardien / Gneisti från Atomic / Connerys Brownie


      Natürlich kommt es immer anderes, als man denkt, aber, dass ich von einem Chaos im nächsten lande, lag außerhalb meiner Denkleistung. Der erste Tag vom Praktikum war ziemlich cool. Man zeigte mir den riesigen Hof. In einem Teil standen die Sport- und Rennpferde, in dem kleinen die Islandpferde und Ponys, bei denen ich sein würde. Allerdings war die Stimmung gedruckt und später erfuhr ich auch warum. Eine Kollegin floh von einem zum anderen Tag in den Urlaub, zumindest wurde das gesagt. Sie sei wie ein Teil der Familie, weshalb man es ihr nicht übel nehmen konnte. Die genaue Geschichte musste ich mir zusammenlegen, immer mal wieder schnappte ich einzelne Stücke davon auf. Nicht, dass es nicht wirklich interessierte aber mittlerweile war sie wieder da. Gesprochen haben wir bisher nicht, nur provisorisch. Vriska war ein seltsamer Mensch: Übertrieben freundlich, wankelmütig und unberechenbar. Die andere Kleine, Lina, kam verschlossen daher, sehr in sich gekehrt, doch als ich eines Tages entdeckte, wen sie an ihrer Seite, nahm ich Abstand, obwohl wir uns das eine oder andere Mal nett in der Reithalle unterhielten. Dass ich jemals auf Knasti treffen würde, außerhalb eines Turniers, hätte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen können.
      „Neele, kommst du mit?“ Jonina kam aus dem Stall, in der Hand hielt sie zwei Stricke.
      „Gern, wenn nimmst du?“, hakte ich nach. Einige der Pferde müssten noch bewegt werden aber vor allem mit Monet wollte ich gern in den Wald. Oft war bisher nicht ausreiten. Es lag eher an meiner begrenzten Zeit, als an meinem Pferd.
      „Ich dachte, wir nehmen unsere“, schlug sie lächelnd vor. Zum Glück!
      Wir liefen zu den Hengsten, die etwas weiter weg standen, genauer gesagt, neben dem Reitplatz. Dort standen auch Erlkönig, der Fuchs ihres Bruders und Raleigh, ein anderer Einsteller Hengst, der aktuell am Huf verletzt war.
      Freundlich brummte mich Monet an, als wir an der Ecke in sein Blickfeld liegen. Die Ohren standen kerzengerade nach oben, der Kopf ebenso aufgestellt und seine Hufe tänzelten aufgeregt auf der Stelle. Glanni, Ninas Hengst, interessierte sich nur wenig für uns. Er zupfte an seinem Heunetz im Unterstand, selbst das diese Kaltblut wirkte neugieriger als der Fuchs. Mit einem Blick zu meiner Kollegin wurde mir allerdings klar, dass die beiden wunderbar zusammenpassten. Auch ihre augenscheinliche Begeisterung breitete sich nur mäßig im Gesicht aus, vermutlich einer der Tage, an dem man sein Pferd dem Tier zur Liebe bewegt.
      Im Stall unterhielten wir uns über dieses und jenes, nichts sonderlich relevantes. Zwei neue Reitschüler waren für den nächste Tag angemeldet, weshalb Jonina meine Einschätzung über die Wahl der Pferde wissen wollte. Otra und Narcissa waren auf jeden Fall eine Idee, aber auch Kempa, die Einstellerin war und zwischendurch im Betrieb mitlief, könnte für Ältere etwas sein. Blávör, ebenfalls ein wenig beschäftigtes Einstellerpferd, hingegen wäre zu anspruchsvoll.
      „Du kannst morgen mit ihr auf die Bahn“, schlug die Kollegin vor.
      „Ja, warum nicht“, grinste ich und klopfte die Bürste am Holz ab. Einige der kleinen weißen Haare schwebten wie kleine Feen in der Luft, glitzernd durch den Staub im Strahl der Sonne, die durch das Fenster und ihr Licht schenkte. Der zauberhafte Moment hielt nur kurz an, denn Monet schlug mit Schweif und wirbelte die Partikel auf. Mit einem dumpfen Klacken flog die Bürste in meine Putzkiste. Ich lief hinüber in die Sattelkammer, schnappte mir all das nötige Sattelzeug und legte dem Pferd alles an, als auch die Huf sauber waren. Jonina war zu dem Zeitpunkt schon lange fertig, aber wartete geduldig, dass auch ich so weit war. Es faszinierte mich, wie sonderbar wenig Zeit die Leute hier am Hof in die Fellpflege investierten. Allerdings sah Glanni auch aus wie ein Plüschtier, das gerade aus der Waschmaschine kam.
      Wir ritten den schmalen Weg an der Baustelle entlang, um von dort den Wald zu erobern. Dabei begegneten wir Bruce, der mit einer kleinen Gruppe von zwei Reitschülern ausreiten war. Anhand der Pferde erkannt ich, dass es Fortgeschrittene waren. Hallveig und Saints Row konnten Stimmungsschwankungen haben, während die eine Stute ziemlich guckig an uns vorbeiritt, interessierte sich die andere nur wenig für die Hengste. Monet brummte ein paar Mal. Beruhigend tätschelte ich seinen Hals. Es faszinierte mich immer wieder, wie entspannt die Ponys aus dem Norden waren. In meiner Heimat wäre das Treffen deutlich hektischer verlaufen. Meine Augen hingen noch einen Moment an der Gruppe, bevor Jonina sich an mich wandte: „Lass uns hier abbiegen, dann können wir noch nach Pferden auf der Weide schauen.“
      Ich nickte, damit sparte ich tatsächlich den Kontrollgang, der am heutigen Tag auf meiner Liste stand. Zunächst ritten wir an den Hengsten vorbei, die verteilten auf dem kargen Grün ein paar Halme zupften. Die bunte Gruppe bestand aus allen erdenklichen Pferden, einige alte Renter-Wallache standen in der einen Ecke, in der anderen Jährlinge und dazwischen der Rest. Bei den Stuten sah es ähnlich aus. Allerdings waren die tragenden Stuten getrennt von den Jungpferden, um in den kommenden Wochen Leben auf die Welt zu bringen.
      „Wer ist das?“, zeigte ich ein kleines Pony in der letzten Ecke.
      „Du, das weiß ich gar nicht. Manchmal tauchen hier Pferd auf und manchmal fehlt eins. Es ist nicht so, dass ich die kenne. Wir schauen nur, ob sie leben und atmen“, lachte meine Kollegin und trieb ihren Fuchs etwas schneller am Zaun entlang. Tatsächlich wunderte mich auf diesem Hof nichts mehr. In meiner Vorstellungen waren Gestüte wie diese besser organisiert und hoffte auch darauf, dass dieser eine Ausnahme war. Geschichten, die an mich herangetragen wurden, klangen wie erfunden, besonders in Anbetracht, wie der Betrieb am Laufen blieb. Ein paar Mal überlegte ich, das zu fragen, aber behielt es für mich.
      Endlich im Wald angekommen, trabten wir die Pferde an und ritten eine gemütliche, wenn auch kalte, Runde auf der Bahn.

      © Mohikanerin // Neele Aucoin // 5980 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Februar 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel tjugofem | 11. August 2022

      Satz des Pythagoras / Jokarie / Pay My Netflix / Maxou / Ready for Life / Northumbria
      Ours de Peluche LDS / Spök von Atomic / Nachtzug nach Stokkholm LDS / Mondlandung LDS / Kría von Atomic / Yumyulakk LDS / Heldentum LDS / Halldór von Atomic / Anthrax Survivor LDS / Liv efter Detta LDS / CHH’ Death Sentence / Kempa


      Lina
      So gut wie heute hatte sich die Schimmelstute vermutlich noch nie unter mir bewegt. Sie lief locker, kaute zufrieden auf dem Metall in ihrem Maul und selbst die Gespenster, die häufig für unvorhersehbare Hopser sorgten, schien heute vollkommen unsichtbar. Warum diese Einheit dennoch so ziemlich alles von mir forderte, war ausnahmsweise nicht Smoothies Kreativität, sondern viel mehr der kritische Blick meines Freundes. Konzentriert auf die Lektion galoppierte ich den Schimmel auf einer großen Kreislinie. Drei, zwei, ein Sprung und … Smoothie sprang bereits um. Natürlich blieb dabei nicht unbemerkt, dass die erfahrene Stute, den Wechsel vorwegnahm, bevor ich überhaupt die Hilfe gab.
      “Noch einmal und diesmal bestimmst du den Wechsel, nicht das Pferd”, schallte Niklas Anweisung durch die Halle, die ich nur nickend zur Kenntnis nahm. Den Wechselpunkt fest im Blick versuchte ich die Bewegung der Stute bewusst wahrzunehmen, um den vorherigen Fehler zu vermeiden. Diesmal sprang Smoothie den Wechsel tatsächlich erst auf meine Hilfen hin, wenn auch nicht so schön wie den vorherigen. Zwei weitere Wiederholungen wurden verlangt, dann war der Herr für heute endlich zufriedengestellt. Wo die Stute gerade so wirkte, als würde sie noch eine ganze Weile so fortfahren könne, war meine Energie erschöpft. Langsam ließ ich Smoothie die Zügel aus der Hand kauen, während sie locker vorwärts trabte. Runde um Runde streckte die Stute den Kopf tiefer zum Sand hin, schnaubte ab, bis ich schließlich zum Schritt parierte.
      “Lina, schau mal, was hältst du davon”, kam Niklas aus der Ecke herangelaufen, wo er es sich bisweilen gemütlich gemacht hatte und hielt mir sein Handy vor die Nase.
      “Du hast es aber eilig mit dem neu einrichten”, schmunzelte ich und betrachte den Inhalt des Bildschirmes genauer, auf denen sich mir offenbar Einrichtungsideen eröffneten.
      “Klar, ich möchte, dass wir es hübsch haben, wenn wir jetzt endlich allein sind”, sprach Niklas, beinahe, als sei Vriska ein lästiges Insekt gewesen, was es loszuwerden galt. So wirklich verstand ich noch immer nicht, weswegen seine Aversion derartig ausgeprägt war. Doch imstande, etwas daran zu verändern, war ich nicht. Als Lars darum bat, ob ich sie beide auf die Bahn begleitete, weil Vriska Unterstützung gebrauchen könnte, hatte ich ziemlich mit mir gerungen. Noch immer verspürte ich ein unangenehmes Drücken in der Brust, weil mein Kopf unwillkürlich negative Bilder mit ihrem Erscheinen verknüpfte, die nur sehr langsam verblassen wollten. Hinzukam, dass Orte mit angeschirrten Pferden nur bedingt zu meinen Lieblingsorten zählten. Die Traber mit ihrer bunten Ausrüstung lagen noch recht weit von meinem persönlichen Albtraum entfernt, erinnerten mich aber dennoch an die Dinge, die ich einst unwiederbringlich verlor. Zudem mochte ich mir nicht ausmalen, welche Gefahren die unheimlich hohe Geschwindigkeit in Kombination mit nervösen Pferden wohl mit sich bringen mochten. Warum ich dennoch mitging? In der Art und Weise, wie Lars um den Gefallen bat, wurde mir klar, dass es nicht einfach um Hilfe mit den Pferden ging, sondern dass er um meine Unterstützung als Freundin fragte. Das könnte nur heißen, dass es Vriska nicht wirklich gut ging. Ich konnte nachvollziehen, dass es für sie belastend sein musste, gerade erst wieder angekommen zu sein und dann solch eine Abweisung zu erfahren. Auch mir fehlten die täglichen Interaktionen mit ihr, so wollte ich zumindest versuchen über die Bilder, die mir klebrig und zäh wie Baumharz im Gedächtnis klebten hinwegzusehen.
      “Und, was sagst du jetzt dazu?”, erinnerte mich Niklas daran, dass er immer noch auf eine Antwort wartete.
      “Es ist ziemlich schlicht”, äußerte ich diplomatisch. Was ich sah, war ästhetischen ansprechend, aber ziemlich unpersönlich und minimalistisch.
      “Also dir gefällt es nicht?”, schlussfolgerte mein Freund aus der eher Verhalten Reaktion und nahm sein Mobilgerät wieder an sich.
      “Na ja, schon, aber es könnte alles ein wenig wohnlicher sein. Aber können wir uns damit nicht später befassen?”, bat ich ihn erst einmal in Ruhe seine Stute abzureiten und wegzubringen.
      “Natürlich, mein Engel”, gab er nach und steckte das Handy weg. Stattdessen holte er ein Leckerli auf der Tasche und steckte es Smoothie zwischen die Lippen. Genüsslich kauend trotte die Stute neben ihrem Herrchen her, stupste ihn immer mal wieder spielerisch an mit dem Ziel eine Reaktion zu erhalten. Bereits seit einigen Wochen beobachtete ich, dass die Schimmelstute deutlich ausgeglichener war. Selbst mir gegenüber war sie weniger unwirsch, was ziemlich sicher mit Niklas vermehrter Anwesenheit zusammenhing. Was ein Glück, dass dies nun ein dauerhafter Zustand sein würde.
      “Ich wette morgen wird mir alles wehtun, aber allein das Reitgefühl heute war es wert”, grinste ich zufrieden, als ich zwanzig Minuten später aus dem Sattel glitt. Bereits jetzt spürte ich die leichte Verhärtung in meinen Muskeln, die den Muskelkater nahezu ankündigten.
      “Schön, dass es dir offensichtlich Spaß gemacht hat”, sprach mein Freund und nahm mir die Zügel seiner Stute aus der Hand, “Das kannst du öfter haben, wenn du nicht gleich alles vergiss und schön weiterübst.”
      “Ob ich mir das alles bis nächstes Jahr behalten kann?”, scherzte ich munter, “Ich weiß ja nicht.” Während Niki, bereits damit begann die Stute vom Sattelzeug zu befreien, lief ich fröhlich vor mich hingrinsend, direkt in die Futterkammer. Mit wenigen schwungvollen Bewegungen war die Schüssel mit gut duftendem Hafer befüllt und zurück zu dem Pferd getragen. Kaum hatte die Schüssel den Boden berührt und das Standardbred verdient seine Schnauze darin versenkt, vibrierte es an meinem Oberschenkel. Kaum hervorgezogen, leuchtete der Bildschirm auch schon mit einigen Benachrichtigungen auf. Zu Oberst leuchtet Instagram, welches mir mitteilen wollte, dass nach wie vor meinen Notifikationen explodierten. Aus mir nicht ganz erklärlichen Gründen löste das bisher erste und einzige Reitvideo von dem kleinen Weihnachtsauftritt eine wahre Lawine an Likes und Kommentaren aus, deren Inhalt ich allerdings nicht näher betrachtet hatte. Zu groß war, meine Sorge, weniger erfreuliche Worte darin zu entdecken. Das soziale Netzwerk weiterhin ignorierend, öffnete ich stattdessen die Nachricht von Mateo, die ebenso dort aufleuchtete.
      “Hast du Karie schon bewegt?”, war alles, was dort zu lesen war. Verwundert zog ich die Augenbrauen. Für gewöhnlich war es nicht die Art des Schweizer mit der Tür direkt ins Haus zufallen. Zudem hatte er gestern erst angekündigt, dass er heute wiederkommen wollte, also warum fragte er dann nicht einfach, wenn er da war?
      “Nein, habe heute Morgen nur nach dem Rechten gesehen. Sah happy aus, dein Pony”, tippte eine schnelle Antwort. Kaum war die Nachricht versendet, sprangen die Haken hervor und änderten ihre Farbe.
      “Perfekt <3”, war alles, was darauffolgte und prompt, war er wieder Offline. Normal war dieses Verhalten nicht. Untypisch war nicht nur die Wortwahl, sondern auch die Nutzung des leuchtenden roten Herzens. Hatte er sich plötzlich eine neue Persönlichkeit zugelegt oder was stimmte nicht mit ihm nicht? Wenn er später kam, sollte ich diesem Mysterium auf den Grund gehen.

      Zur gleichen Zeit, einige Meter weiter

      Vriska
      Über tausend Ecken hatte ich erfahren, dass ich selbst von meiner Familie zurückgelassen wurde. Sie fuhren nach Stockholm, um den Jahreswechsel zu erleben. Der Schmerz saß tief, zwischen all den anderen Päckchen, die ich mit mir trug und verdrängte. Ich war immer außen vor, egal, was mich betraf. Vermutlich hatte keiner überhaupt einen Gedanken verschwendet, ob ich mitkommen wollte. Das Gespräch konnte ich mir förmlich schon vorstellen, wenn ich Mama sagen würde, dass ich es nicht nett fand. „Du kommst doch nie mit“, wäre ich ihre Standardantwort und dann verlässt sie den Raum. Somit konnte ich es mir sparen, überhaupt was zu sagen.
      Seit Stunden saß ich allein in der Küche, goss mir ein Glas Wein nach dem anderen ein und versuchte im Internet einen Ausgleich zu finden. Aber ich kam in ein Rabbit Hole, das mich minütlich in tiefere Ebenen zog. Zufällig wurde mir Moa auf Instagram empfohlen und ich sah hunderte Bilder mit Erik, auch aus Zeiten, als wir miteinander gingen. Anhand des Datums identifizierte ich auch, dass es Tage waren, an denen er ‚wegen des Studiums‘ nicht herkommen konnte. Schön wäre gewesen, wenn ich nicht noch mehr entdeckte hätte, wie, dass er einen Account hatte, diesen mir aber bis heute verschwieg. Nein, er hatte mich sogar blockiert. Mit zittrigen Fingern tippte ich durch seine Beiträge über einen anderen Account von mir, den ich mal mit Jenni erstellt hatte. Es schien, als hätte ich nie existiert, aber den Eindruck vermittelte mir jeder im Umfeld. Anstatt es hinzunehmen, trank ich einen kräftigen Schluck und holte mein Handy von der Couch. Keine einzige Nachricht leuchtete mich an, aber ich wusste es zu ändern. Im Chat prangerte noch immer seine Bitte auf Abstand. Aber ich machte mir nichts daraus, stattdessen fotografierte ich kommentarlos sein Profil ab und sendete es ihm. Kaum wurde aus einem Haken, ein Zweiter änderte sich ‘online’ auf ‘schreibt’.
      „Du hast nie danach gefragt“, kam es als Antwort. Damit hatte er recht. Ich wusste nicht, was nicht erwarten würde, andererseits schätzte ich ihn nicht als so eine Person ein, die auf Instagram Bilder veröffentlichte. Aber dem war nicht so, stattdessen waren es sehr viele, teils freizügig. Seltsam, wenn ich bedachte, dass er beim Schwimmen nicht einmal, sein Hemd ausziehen wollte.
      „Du hast mich blockiert“, antwortete ich.
      „Ja“, leuchtete sofort auf. Mir fehlten die Worte hierfür. Also schloss ich den Chat nur und schaltete das Handy auf Bitte nicht stören. Es verstummte, obwohl es zuvor kaum mehr von sich gab. Zumindest gab es mir auf diese Weise die Möglichkeit, ein Gefühl von Kontrolle zu erfahren. Erik schien die Angelegenheit wichtig, denn auf meinem Laptop leuchtete eine Nachricht von ihm auf, aber unter seinem Pseudonym, dass ich aus nicht erkenntlichen Gründen, noch in meinen Kontakten aufführte.
      „Deine Berührungen fehlen mir“, schrieb er. Misstrauisch beäugte ich seine Nachricht und war mir nicht sicher, worauf er hinauswollte. Mit Abstand hatte das wenig zu tun, deshalb ignorierte ich es und schloss das Rabbit Hole, genauer gesagt alle vierzehn Tabs, die ich mittlerweile angesammelte hatte. Unter seinen Zweitnamen, wie ich im Laufe der Recherche herausfand, eröffnete sich eine ganz andere Person vor mir. Erik hatte mir Dinge nicht nur einfach verschwiegen, sondern gelogen. Mehrfach. Ich stieß auf Bilder aus jüngeren Jahren, Geschichten aus der Zeitung und es mutete eher so an, als wäre er in einem glücklichen Familienbild aufgewachsen. Kein Übergewicht, nur ein Autounfall mit achtzehn Jahren. Er hatte ein Fahrzeug auf einem Parkplatz geklaut und sich damit um eine Laterne gewickelt. Selbst dazu fand ich Bilder, die mir ein elendiges Drücken im Magen auslösten. Aber damit sollte Schluss sein. Nur noch ein Tab lag offen vor mir und das war Niklas’ Instagram Profil, auf dem er sich mittlerweile mit eiserner Brust und Lina an der Seite präsentierte. Die Beiden sahen glücklich aus, mit den zwei hellen Pferden neben sich. Davon bekam ich jedoch nur noch wenig mit. Seine Aktion, immer weiter einen Keil zwischen uns zu treiben, gipfelte nun in seiner bereits angesprochen Drohung, dass ich ausziehen müsse. Gestern aus heiterem Himmel kam Lina her, erzählte von seinen Plänen und sagte dazu: “Es wäre doch für uns alle nicht ganz angenehm.” Nickend und mit einem aufgesetzten Lächeln nahm ich es hin. Eine Diskussion würde nichts nutzen, zu dem wirkte sie so glücklich über seinen Einzug, dass ich ihr die Freude nicht nehmen wollte. Damit verzichtete ich auf meine Bedürfnisse, aber die verloren ohnehin an Wert.
      Noch einen prüfenden Blick erhaschte ich auf Niklas‘ straffen Oberkörper, bevor auch dieses Tab in der Versenkung landete. Seufzend lehnte ich mich zurück in den knarrenden Stuhl und klammerte mich fest an dem Weinglas, das beinah leer war. Unter dem Tisch erwachte der Rüde zu leben. Langsam hob er den Kopf und schaute mich mit müden Augen an, schlappte dabei mit der Zunge seine Nase. Vermutlich wollte Dog seine Abendrunde. Mir fehlte leider die Motivation, weshalb er noch eine Stunde warten musste, bevor er seine Nase in den Schnee stecken konnte. In der Zwischenzeit packte ich das Worddokument aus, das als meine aktuell einzige Ablenkung herhielt. Nach meiner Recherche fühlte es sich an, als wäre alles für den Mülleimer. Nichts daran stimmte mehr, noch schlimmer, brachte mir den sehnsüchtigen Wunsch nach Erik zurück. Trotz all des Schmerzes vermisste ich ihn fürchterlich und selbst Lars, der je her weitere Annäherungsversuche in Kauf nahm, änderte nichts daran. Nur ein Gedanke verdrängte diese Gefühle – Der Herr von Rennbahn, der eigentliche Grund, weshalb ich das Laptop gestartet hatte. Ich hatte einen Namen, sowie den seines Hengstes, damit würde ich weit kommen, dachte für einen Augenblick, bis die Suchmaschine mir gegenteiliges bewies. Augenscheinlich war er ein unbeschriebenes Blatt und Netflix ebenfalls. Mit den Erfahrungen, die bei Erik gesammelt hatte, wurde ich suspekt. Was verheimlichte er?
      Bevor ich der Sache auf den Grund gehen konnte, meldete sich Dog zu Wort und legte seine Vorderpfoten auf meinen Beinen ab. Die kastanienbraunen Augen leuchteten im warmen Licht der Deckenlampen und drückten das Weiß nach oben.
      „Lass uns herausgehen“, schlug ihm vor und stand auf. Der Rüde rannte schwanzwedelnd zur Tür und sprang dabei immer wieder um meine Beine herum. Da ich erneut umgeben von Kisten war, hatte ich keinen Überblick in welcher mein Anzug lag, also schnappte ich mir Lars Thermohose und meine dicke Hofjacke, darunter mehrere Schichten aus Shirt und Pullover. Über den unordentlichen Zopf setzte ich eine Mütze und verließ letztlich die Hütte. Sofort drückte sich ein kalter Windzug in mein Gesicht. Doch den Hund schien das kalte Wetter nicht zu interessieren. Fröhlich sprang er von einem kleinen Schneehaufen zum nächsten.
      An den Weiden gab es so gut wie mein Licht, aber im Schein des Mondes erkannte ich die Facetten der Jungpferde. Neugierig treten die Hengste heran und musterten das seltsame kleine Wesen, dass seine Nase zu ihnen streckte. Besonders Halldór, ein vierjähriger Isländer Hengst, konnte es kaum abwarten, das Tier zu sehen. Mit einem lauten Quietschen setzte er nach vorn und verdrängte die anderen neben sich. Aber Dog wollte lieber weiter. Zusammen liefen wir den Weg zum Hof entlang, unter uns knarrte der Schnee und vereinzelte Flocken rieselten herunter. In den Ohren lagen das Schnauben der Pferde, aneinanderreibende Baumkronen und zwischendurch meine ich einen Uhu gehört zu haben. Wenn es nur nicht so kalt wäre, könnte es idyllisch sein.
      In der Reithalle leuchtete noch die komplette Deckenbeleuchtung. Durch die großen Glasfenster rauschten undeutliche Facetten vorbei, die aber auf Lina hinwiesen und vermutlich ihren Göttergattern.
      „Komm Dog, wir gehen hier lang“, wies ich den Rüden auf einen schmalen Weg entlang, der entlegen vom Hof zu den Wohnhäusern führte.
      „Hast du gar keinen Besuch?“, merkte Tyrell an, als wir bei ihm vorbeikamen. Er stand mit einer halb abgebrannten Zigarette auf der Terrasse und überblickte sein Schaffen.
      „Nein“, antwortete ich knapp, ohne Blickkontakt zu suchen.
      „Dann komm doch zu uns. Bruce ist da, Eve -“, bevor die Aufzählung beendete, unterbrach ihn.
      „Passt schon, ich habe zu tun“, grinste ich aufgesetzt.
      „Kartons mal wieder ausräumen?“
      „Jein, mein Buch“, erklärte ich kurz und damit endete das Gespräch. Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und verschwand ins Innere der Hütte, aus der tiefe Basstöne dröhnten. Allein der Musik wegen wollte ich nicht dabei sein, obwohl ich die letzten Jahre immer bei ihnen saß, konnte ich die Fassade nur schwer aufrechterhalten.
      Dog trocknete ich im Flur ab, bevor er wie von einer Tarantel gebissen ins Wohnzimmer hetzte und sich über die Couch drückte. Ich hatte mir in der Zeit das Handy genommen. Unter Avledning begrüßte mich noch eine weitere Nachricht: „Ein Wort und ich stehe vor deiner Tür.“
      Er bekam keins von mir, stattdessen verdrehte ich die Augen und wischte auf dem Homescreen herum, als eine weiße Eins in einem roten Kreis ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Eigentlich gar keine schlechte Idee, vielleicht wäre in der Nähe jemand, der heute noch Zeit hatte. Deswegen aktualisierte ich meinen Standardort auf Kalmar, den in Vadstenalund und Umgebung würde sicher niemand sein.
      Eine Weile wischte nach links, bis mich ein attraktives Bild gegrüßte und gerade dazu einlud, die Automatik zu stoppen. Niklas, 26 Jahre. Mit offenem Mund starrte ich auf den Bildschirm, versuchte mich zu irren, aber ihn konnte ich zwischen Tausenden erkennen. Der blaue Haken neben seinem Namen sprach ebenfalls Bände. Aus reiner Neugier drückte ich mich durch sein Profil und alles daran klang nach ihm, selbst Wagner als „Lieblingsmusiker“ abzugeben, würde nur ihm einfallen. Geplagt von Trauer und Verlust, drückte ich den Sperr- und Lauterbutton, um den Screenshot ohne weitere Nachrichten an Lina weiterzuleiten. Allein das gab mir Genugtuung für den Abend und ich lehnte mich in die Couch. In zwanzig Minuten war es so weit. Ein weiteres schreckliches Jahr würde sich in mein Leben schleichen, ohne etwas ändern. Ich würde älter werden, vielleicht eine neue Frisur haben und eine weitere hoffnungslose Bekanntschaft. Nichts Nennenswertes, wenn es mit dem Leben anderer verglich. Aber es sollte endlich was werden, also wischte Niklas nach rechts und schaute weiter. Immer mehr Nichtigkeiten eröffneten sich vor mir, bis wieder mein Finger stoppte. Dieses Mal musste ich mich zusammenreißen, nicht sofort nach rechts zu wischen und zu hoffen, dass er antworten würde. Ein Gefühl von drängender Lust schoss von einem zum anderen Augenblick durch meine Finger. Seine Hilfsbereitschaft hatte mir Geld beschert, dass ich für ein richtiges Turnierpferd gebrauchen konnte. Aber bevor ich zusammen hätte, wäre Maxou sicherlich so weit. Wie es mit der Stute weitergehen würde, wusste ich nicht. Schließlich teilte ich sie mir noch mit Erik, der vermutlich nicht mehr lange so gnädig mit mir sein würde. Zweifel kamen, doch als ich den Blick wieder zum Handy hinabsenkte, verflüchtigten sie sich, wie eine Mücke im Tornado. Interessiert öffnete ich sein Profil und verschlag all die mir gezeigten Inhalte. Er war genauso, wie ich ihn mir unter der Bedeckung vorgestellte hatte. Sein Gesicht zeichnete ein fröhliches und ehrliches Lächeln, mit kleinen Grübchen am Kinn. Der Bart stoppelig rasiert. Auf dem Bild trug er sogar Reit-Stiefeletten und neben dem Bier auf dem Tisch, lag ein Führstrick. Egal, wie schwer es werden würde, ich wollte ihn, auch wenn es verrückt klang.

      In der Reithalle

      Lina
      “Und ihr glaubt wirklich, dass das klappt?”, blickte ich zweifelhaft die Hindernisständer an, auf denen Mateo, gerade eine der bunten Stangen platzierte, “Ich bin seit Ewigkeiten nicht mehr gesprungen.” Die Stange lag nicht viel höher als dreißig Zentimeter und konnte somit locker mit einem normalen Galoppsprung überwunden werden, doch es bereitete mir dennoch ein mulmiges Gefühl. Zuletzt gesprungen war ich vor fünf Monaten mit Nathalie, auf die hundertprozentiger Verlass war. Die große Scheckstute sprang ausnahmslos jedes Hindernis, egal, wie schlecht man es anritt. Außer ein paar Minisprünge in meiner Jugend besaß ich auch kaum mehr Springerfahrung, als die mit Nathy.
      “Na, klar, klappt das. Es ist nur ein kleiner Hüpfer”, grinste Sam, die seit einigen Stunden auf das nächtliche Ereignis hinfieberte. Unerwartet war die junge Frau in meinem Wohnzimmer aufgetaucht und hatte mir noch, bevor sie erklärte, wer sie war, eröffnet, dass ich für dieses Jahr noch ein letztes Mal aufs Pferd musste. Niklas hatte sie auch überzeugen wollen, doch auch oder ganz besonders in der Silvesternacht wurde nach Sicherheit verlangt, weshalb er leider arbeiten musste. Auch wenn ich meinen Freund lieber dabeigehabt hätte, verhießen Mateo und seine aufgeweckte Schwester eine nette Gesellschaft für den Jahreswechsel zu werden.
      “Lina, komm mal her zu mir”, sagte Mateo freundlich und winkte mich zu sich heran. Sanft drückte ich meiner Stute die Waden in den Bauch, worauf hin sie freudig zu ihm hertippelte.
      “Ich weiß, du bist mit deiner Stute noch nie gesprungen, aber ich habe euch schon bei der Dressur gesehen, ihr passt gut zusammen. Außerdem sagtes du doch, Redo ist nicht nur ein Lehrpferd, sondern eines, welches auch noch bei der Polizei war”, sprach er mir Mut zu, “Ich bin mir sicher deine Stute macht das mit links und wenn du gleich auch so gut im Sattel sitz wie sonst, schaffst du das hier auch.” Ein bestärkendes Lächeln lag auf seinen Lippen, bevor er noch etwas hinzufügte: “Aber ich werde dich nicht mit diesen Steigbügeln springen lassen.” Sanft löste er meinen Fuß aus dem Bügel und machte sich wie bei einem Anfänger an den Reimen zu schaffen, um diese gute fünf Löcher kürzer zu schnallen.
      “Ja, so ist besser”, stellte er zufrieden fest und stellte mein Fuß zurück, bevor er sich auch an der anderen Sache zu schaffen machte.
      “Um das Pferd sorge ich mich auch weniger, aber was ist, wenn ich alles vergessen habe? Wie man sitzt, wie man den Sprung anreitet, wie man richtig mitgeht …”, äußerte ich weitere Bedenken.
      “Erzähl nicht so einen Quatsch, Lina, so schnell vergisst man, dass alles nicht und falls doch, bin ich ja auch noch da. Du fällst mir nicht vom Pferd, dafür sorge ich schon”, schlug Mateo meine Argumente voller Überzeugung nieder und zurrte so gleich auch noch den Gurt der Stute enger. “Und jetzt zeigt Ihr erst einmal das Hindernis und dann kannst du mal in Schritt und Trab darüber.” Kurz drückte er in einer Geste der Ermutigung mein Bein, dann trat er zu Seite. Erstaunlicherweise fühlten sich seine Gegenwart unheimlich vertraut an, obwohl er gerade erst seit Mitte November zum Team gehörte.
      “Na gut”, nickte ich und trieb die Rappstute einige Schritte vor. Hoch interessiert schnupperte sie an dem glänzenden Plastik und befand es ziemlich schnell als ungefährlich. Verfressen wie sie war, stupste sie nun Mateo an und verlangte nach einem Leckerbissen. Dieser schüttelte nur lachend den Kopf, griff in den Zügel und führte die Stute über die Stange. Artig folgte Redo dem jungen Mann, hob dabei die Füße allerdings nicht viel höher als notwendig, wodurch bei jedem Schritt ein dumpfer Laut erklang.
      “Siehst du Lina, dein Pferdchen langweilt sich dabei sogar”, grinste Sam und trabte mit der Stute ihres Bruders locker vorbei. Die dunkle Fuchsstute bewies auch heute Nacht wieder einmal ihr Temperament und stellte die Sattelfestigkeit ihrer Reiterin mit dem ein oder anderen Bocksprung infrage.
      “Du hast jetzt noch ungefähr acht Minuten, dich und dein Pferd mit dem Hindernis vertraut zu machen”, stelle Mateo nach einem Blick auf sein Handy fest.
      “Na gut, dann wollen wir mal”, sprach ich mehr zu mir selbst und brachte die Stute in den Trab. Während Samantha geradewegs den Spring ansteuerte, drehte ich zwei Runden außen herum, um mich an die neue Bügellänge zu gewöhnen.
      “Lina, lass dein Knie dran, wir reiten jetzt keine Dressur mehr”, wurde ich sogleich korrigiert, “und gib Redo ein wenig mehr Zügel.” Seine Kritik umsetzend, ritt ich gerade auf die bunten Stangen zu. Aufmerksam gingen die Ohren meiner Stute nach vorn und sie überwand einwandfrei die niedrige Stange. Begeistert klopfte ich den Hals der Stute, dass sie es nicht nur brav, sondern auch noch motiviert machte, hatte ich es nicht erwartet, denn in der Dressur war sie häufig ein wenig maulig.
      “Sehr gut, er wäre nur noch besser, wenn der Rhythmus gleichmäßig bleibt”, kam so gleich ein Lob von Mateo. Die vergehenden Minuten überwand ich im Wechsel mit Sam noch ein paar weitere Male die Stangen, bis ihr Bruder die letzte Minute ankündigte. In der Zwischenzeit hatte er eine Flasche Sekt herbeigezaubert und reichte jedem von uns ein Glas mit der perlenden, goldgelben Flüssigkeit. Gebannt starrten wir zu dritt auf sein Handy, auf dem sich der Zeiger der Uhr der Null immer weiter annäherte. Fünf, vier, drei, zwei, eins …
      “Ein frohes neues Jahr”, kam es beinahe gleichzeitig aus unseren Mündern, worauf wir anstießen. Leicht säuerlich rann das Nass meine Kehle hinab und sammelte sich blinzelnd in meinem Bauch.
      “Lina, der Neujahrssprung gebührt dir, wenn du möchtest”, bot Samantha mir freundlich an und ritt mit Karie ein wenig zu Seite. Ein wenig nervös war ich schon, so nahm ich noch einen kräftigen Schluck aus dem Glas, bevor ich es Mateo reichte. Direkt aus dem Stand brachte ich meine Stute in den Galopp. Motiviert sprang sie an, fand bereits nach wenig Sprüngen ihren Rhythmus. Auf einem weiten Bogen steuerte ich die Stute auf das Hindernis zu. Wie schon zuvor im Trab richtet Redo die Ohren steil nach oben, hob auch den Kopf ein wenig an und setzte leichtfüßig über die Stange. Überschwänglich lobte ich die Stute und lenkte sie auf einen großen Zirkel um das Hindernis herum. Es schien fast so, als, sei die Stute für das Hüpfen gemacht.
      “Prima, das klappt doch ganz wunderbar”, grinste Mateo, “Willst du den nächsten Sprung ein wenig höher haben?”
      “Ja, bitte”, rief ich ihm begeistert zu. Wer hätte nur gedacht, dass das Rückbesinnen auf etwas Altes so einen guten Start in das neue Jahr darstellen würde. Mit wenigen Handgriffen hatte der Schweizer dem Hindernis eine weitere Stange hinzugefügt. Erneut steuerte ich den Sprung an. Mit großen Sprüngen näherten wir uns dem Ziel, was die Stute auch dieses Mal einwandfrei überwand.
      “Platz da, jetzt komme ich”, rief Sam durch die Halle, die Karie bereits auf dem Zirkel am anderen Ende der Halle galoppierte. Bereitwillig räumte ich den Weg und parierte Redo durch.
      Die Fuchsstute quietschte freudig und machte einen mächtigen Bocksprung, bevor sie sich von Samantha bändigen ließ. Wagemutig stürmten die beiden auf den Sprung zu, den Mateo nicht einmal zurückgebaut hatte. Natürlich überwand Karie, die sonst deutlich höhere Hindernisse überwand, den Sprung mit knapp sechzig Zentimeter mit Leichtigkeit.
      “Springt deine Schwester öfter?”, fragte ich neugierig. Sam machte nämlich eine hervorragende Figur auf der kräftigen Fuchsstute.
      “Mittlerweile nicht mehr”, verneinte Mateo und tätschelte nebenbei Redo den Hals.
      “Mittlerweile, warum springt sie nicht mehr?”, versuchte ich mehr Informationen zu gelangen. Für gewöhnlich war mein Kollege nicht besonders redselig, wenn es um ihn ging. So war etwa offensichtlich, dass Karie ihrem Anschein zu trotz, ein ausgezeichnetes Springpferd war, aber dass er sogar international mit ihr unterwegs war, fand ich eher zufällig heraus.
      “Ja, bevor sie hier nach Schweden zog”, erklärte er und legte seine Schwester die Stange ein wenig höher, “Ihre Stute hat es inzwischen allerdings in den Gelenken.”
      “Hat sie auch ein Freiberger, so wie du?”, interessierte ich mich weiterhin.
      Mateo lachte: “Sie hat, wie du weißt, sogar mehr als einen Freiberger, aber nein, NAME WIRD NOCH GESUCHT, ist ein Schweizer Warmblut, aus der Zucht meiner Eltern.”
      “Quatschen könnt, ihr später noch, ich will dich lieber hüpfen, sehen”, unterbrach Sam, das Gespräch und parkte die Fuchsstute neben uns.
      “Mateo, würdest du dann vielleicht”, noch bevor ich den Satz beendete, hatte er bereits verstanden und baute das Hindernis wieder niedriger. Auch wenn das Springen Spaß machte, wollte ich das Jahr doch nicht gleich mit einer Portion Selbstüberschätzung beginnen. Bis halb eins trieben wir das Spektakel, bevor wir die Pferde auf ihre Paddocks brachten. Müde, aber zufrieden verschwanden die beiden Stuten in der Dunkelheit und mischten sich unter ihre Herdenmitglieder.
      “Kommst du noch mit rein?”, fragte Sam, als wir schließlich bei den Hütten ankamen. Dafür dass es Silvester war, war es relativ ruhig auf dem Hof, was vermutlich an der Abwesenheit von Vriskas Familie liegen mochte. Aus der Tatsache, dass in ihrer Hütte noch Licht brannte, schloss ich, dass sie selbst offenbar zurückgelassen wurde. Sie tat mir leid, ihre Familie war weg, auch Lars, an den sie sich seit Weihnacht anschloss, war ausgeflogen. Hoffentlich hatte sie den Jahreswechsel, trotzdem nicht allein verbringen müssen.
      “Ja, ich würde nur schnell rüber etwas anders anziehen”, stimmte ich zu.
      “Perfekt, ich sorge schon einmal für Nachschub”, wedelte sie mit der leeren Sektflasche umher und verschwanden in ihrer Hütte.
      In Hochstimmung lief ich zu meiner eigenen Hütte. Im Vorbeigehen ergriff ich das Handy vom Couchtisch, welch ich dort zurückgelassen hatte. Auf dem Pferd hätte es mir ohnehin nichts genützt. Direkt begrüßt wurde ich von den Neujahrsgrüßen meiner Schwester, die dem verwischten Selfie nach zu urteilen, mit ihrem Freund in einem Club feierte. Samu hatte ebenfalls eine Nachricht hinterlassen, allerdings ohne Bild. Zielsicher griff ich eine Leggings aus dem Regal, doch der Pulli, den ich suchte, war nicht aufzufinden. Während ich wie ein blindes Huhn durch die gesamte Wohnung rannte, scrollte ich weiter durch meine Nachrichten und stieß dabei auf einen Chat, der in der vergangenen Woche wie eingefroren schien. Vriska hatte ein Bild gesendet, offensichtlich ein Screenshot, von einem Trabrennen. Im Zentrum des Bildes stehen, war ein Rappe zusehen, der in vollem Renntempo neben einem großen Braunen hertrabte. Sonst gab es keinerlei weitere Information dazu. Verwirrt starrte ich das Bild an, hatte ich etwas übersehen? Was wollte sie mir damit mitteilen? Vielleicht war es der Einfluss des Alkohols oder auch der, der körpereigenen Drogen, die noch immer durch meine Blutbahnen wallten, doch ich hielt es für eine grandiose Idee unmittelbar zu Vriska hinüberzugehen und nachzufragen. Die Suche nach dem Pullover gab ich auf, griff stattdessen, nach einem beliebigen und marschierte voller Tatendrang hinüber zu Vriska. Von meiner Mission überzeugt, klopfte ich an und wartete ungeduldig in der Kälte auf Einlass. Kaum löste sich meine Hand vom Holz, ertönte Gebell. Mit schlotterten die Knie, bis schließlich Dog verstummte und sich die Tür einen Spalt öffnete.
      „Was denn?“, murmelte Vriska, mit stark geröteten Augen und eher wankend auf den Beinen, denn sie klammerte sich am Holz. Der Hund drückte sich hindurch und sprang aufgeregt an mir herum.
      “Falls ich dich geweckt haben sollte, tut es mir leid, aber ich habe eine wichtige Frage”, verkündete ich direkt mein Anliegen, “Was willst du mir damit sagen?” Während ich sprach, hatte ich das Handy bereits eingeschaltet und drehte ihr den geöffneten Chat mit dem rätselhaften Bild hin. Sie wischte sich durchs rechte Auge.
      „Ich habe keine Brille auf“, sagte sie nur und ließ von der Tür ab. Sie lief in die Hütte hinein, was ich sogleich als Chance nutzte, der Kälte zu entfliehen. Dog folgte mir nicht. Auf den ersten Blick herrschte ein unkontrolliertes Chaos im Inneren. Überall standen halb geöffnete Kisten, während andere sich türmten. Auf dem Küchentisch stand einsam eine geleerte Weinflasche und neben dem geöffneten Laptop auf dem Wohnzimmertisch eine weitere. Sie suchte ihre Brille und ich erhaschte einen neugierigen Blick auf den Bildschirm. Es war ein Video geöffnet, betitelt mit einem Datum aus dem September, mittlerweile, letzten Jahres, einem Rennen in Kalmar. Ein weiteres Puzzleteil bot mir, das weiterhin rätselhaft blieb. Vriska kehrte zurück mit ihrer Brille und abermals streckte ich das Handy in ihre Richtung. Kaum zuckten ihre Augen über den Chat, färbten sich ihre Wagen rötlich.
      „Ähm, das war aus Versehen. Ich wollte dir was Anderes schicken, aber ist auch egal“, seufzte sie und wich dauerhaft meinem Blickkontakt aus. Erst jetzt registriere ich ihre Niedergeschlagenheit richtig. Sollte ich nachfragen oder war es vielleicht besser zu gehen und ihr ihren Frieden zu lassen? Nein, ganz sicher konnte ich nicht einfach zu Mateo und seiner Schwester hinübergehen und fröhlich sein, ohne wenigstens versucht zu haben, ob ihr zu helfen war.
      „Okay“, nickte ich zögerlich, „willst du mich aufklären, was dich betrübt … oder soll ich einfach wieder gehen?“
      „Wonach sieht das hier denn für dich aus? Dass ich einen spaßigen Abend hatte mit Menschen, die mich mögen? Dann ja, diesen hatte ich.“ Vriska rollte mit den Augen und stieg zurück auf die Couch, aber weggeschickt hatte sie mich nicht, überließ ausschließlich mir weitere Schritte. Ein unglaublich schlechtes Gewissen überkam mich, dass ich ihr in meiner Bewegtheit nicht einmal erklärt, weswegen ich mich so plötzlich distanzierte. Fair war das nicht.
      “Tut mir leid”, murmelte ich schuldbewusst und nestelte mit meinen Fingern unsicher an dem filigranen Metall an meinem Handgelenk herum.
      “Passt schon”, winkte sie ab, ohne sich zu mir zu wenden, “Außerdem wartet sicher dein Göttergatter.”
      “Nein, der ist arbeiten”, erklärte ich, obwohl es sie vermutlich gar nicht interessierte, doch etwas anders wusste ich nicht zu sagen. Vriska wirkte nicht wirklich so als sei meine Gegenwart weiterhin erwünscht, sodass ich mich schon zum Gehen wenden wollte.
      “Ist dann deine Frage beantwortet?”, kam sie auf mein ursprüngliches Anliegen zurück. Ganz desinteressiert war sie doch nicht, obwohl ihr Laptop einen Großteil der Aufmerksamkeit forderte.
      “Na ja, so halb”, überlegte ich, denn was hinter dem rätselhaften Bild steckte, wusste ich noch immer nicht, “Warum machst du Screenshots von Trabern, die ganz eindeutig nicht hier zum Hof gehören? Ist das Rennen nun deine neue Passion?”
      “Erkennst du das Pferd nicht?”, seufzte Vriska und stellte das Laptop zurück. Eindringlich betrachte ich das Bild auf dem Handy erneut, bis es mir langsam dämmerte: “Das Pferd von dem Rennen neulich? Wie hieß es noch mal … etwas mit Netflix?”
      „Pay My Netflix, genau“, ein Lächeln zuckte über ihre Lippen und schlagartig kam auch wieder Farbe in die helle Haut.
      “Und du stalkst das Pferd, weil … es so umwerfend ist?”, hakte ich weiter nach, denn mir fiel allmählich ein, dass Vriska auch an dem Renntag bereits, wie eine Motte vom Licht, von diesem Pferd und dem zugehörigen Jemand angezogen wurde.
      “Ja, genau. Das Pferd.” Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen, um das ungebändigte Grinsen zu verstecken. Doch längst hatte ich es bemerkt, dass auch mich ansteckte.
      “Erzähl mir mehr”, forderte ich angefixt, von ihrer plötzlichen Euphorie. Vriska nickte und stand auf, um aus dem Regal eine weitere Weinflasche zu holen. Auch meine Jacke nahm sie mir ab, bevor ein Glas für uns beide eingeschenkt wurde. Zur Überraschung begann es vor den Scheiben an zu schneien und als würde uns das Schicksal etwas sagen wollen, vibrierte ihr Handy und sie grinste noch spitzer.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 34.694 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Jahreswechsel 2020}
    • Wolfszeit
      Auf der Suche | 29. Mai 2023
      Legolas / PV Enchanté Mystique / Avenue Shopper LDS / WHC’ Satyr / WHC’ Springer / Nattfrost LDS / Kleinstadtastronaut / Our de Peluche / Yumyulakk / CHH’ Death Sentence / Virpi HT / WHC’ Ritter der Rose / WHC’ Guardien / Gneisti från Atomic / Kría von Atomic/ Sighvatur från Atomic / Kölski von Atomic

      “Prima minun kaunis”, lobte ich den schwarzen Hengst und klopfte ihm den verschwitzen Hals. Lina war leider nicht zu motivieren gewesen, mit in den Stall zu kommen. Die Trennung nahm sie ziemlich mit und gestern den ganzen Tag mit Quinn und ihrem Freund zu verbringen, war ihrer Trauer nicht zuträglich gewesen. So gab ich ihr Raum, um mich derweil um meine Hengste zu kümmern.
      “Hübsch sehen meine Männer aus”, kam eine mir sehr bekannte Stimme von der Tribüne und holte mich aus meinen Gedanken. Meine Freundin stand dort, bezaubernd wie immer und beobachtete uns wohl schon eine Weile.
      “Hey Makea”, begrüßte ich Enya liebevoll und ritt zu ihr rüber. Legolas stellte ebenso freudig seine Ohren auf und beschnupperte sie.“ Was machst du denn schon hier? Ich dachte, du hast heute Frühdienst? ”, erkundete ich mich erstaunt.
      “Eigentlich ja, aber ich bin Notfallmäßig in der Nachtschicht eingesprungen. Wir haben eine schwere Kolik und eine Stute mit Fohlen reinbekommen. In beiden Fällen sieht es nicht allzu gut aus”, antworte Enya und das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. “Und als wäre das noch nicht genug, hat sich der Hengst, den wir heute nach Hause schicken wollten, auf der Koppel vertreten. Er stand heute Morgen nur noch auf drei Beinen da.”
      “Wirklich unschön”, sagte ich betroffen. Heute schien wohl einer der Tage zu sein, an dem der Job des Tierarztes weniger schön war.
      “Umso schöner zu sehen, dass Legolas und du so hübsch zusammen aussehen. Und du hast ja die hübsche neue Schabracke darauf”, erfreute sie sich an dem Pferd und mir. Sanft kraulte sie dem schwarzen Hengst die Stirn.
      “Natürlich, du hast sie schließlich für ihn ausgesucht”, schmeichelte ich ihr, während ich mich aus dem Sattel gleiten ließ, um ihr einen sanften Kuss zu geben. Glitzer und Rüschen hätte ich zwar nicht, ausgesucht, doch wenigstens war sie nicht pink. Auf dem Weg zum Putzplatz erzählte sie mir von ihrem Tag in der Klinik. Neben all den Unglücksfällen konnten sie wohl auch ein Pony gesund wieder nach Hause schicken
      “Dann hattest du ja heute wenigstes auch etwas Tolles zu erleben”, antwortete ich lächelnd. Mit Sattel und Trense machte ich mich auf den Weg in die Sattelkammer, wo ich alles verräumte.
      Ich wollte den Raum gerade wieder verlassen, als mein Handy mit einem ‘pling’ den Eingang einer Nachricht ankündige. Im gehen zog ich das Gerät aus der Tasche und öffnete den Messenger. Die Nachricht kam von Lina: “Schau dir das mal an.” Darauf folgten zwei Links. Damit sie ein wenig Ablenkung fand, hatte ich Lina beauftragt, nach Nachwuchspferden für mich zu sehen. Noch war Legolas zwar gut in Form, aber ich wollte ursprünglich ein Vielseitigkeitspferd haben. Außerdem konnte ich mir jetzt noch die Zeit nehmen, in Ruhe nach einem Pferd zu sehen. Zudem wollte ich den Youngster langsam in den Sport einführen, schließlich wollte ich einen zuverlässigen Begleiter und kein Nervenbündel.
      “Geht es dir besser? ” Während die Nachricht sendete, öffnete ich den ersten Link.
      “Sonnenschein mit viel Potenzial”, lautete die Überschrift der Anzeige. Zu sehen war ein hübscher brauner Hengst mit Dappels. Ich laß mir die Eckdaten zu dem Pferd durch. Eigentlich ein vielversprechendes Pferd, aber es stand in Holland. Ein wenig zu weit weg, um spontan ein Pferd anzusehen,
      “Ich atme noch …”, erhielt ich eine ziemlich düstere Antwort. Ich war wirklich besorgt um meine beste Freundin. Es war nicht das erste Mal, dass ich sie in einer solchen Stimmung erlebte, doch es schien schwerer denn je, sie auf andere Gedanken zu bringen. Von Mal zu Mal machte ihr ein Verlust mehr zu schaffen.
      “Gut, dann mache das auch schön weiterhin, aber schau doch bitte im Umkreis, so weit wollte ich eigentlich nicht für ein Pferd fahren”, schrieb ihr zurück. Eine Antwort bekam ich nicht, also öffnete ich den zweiten Link. Die Verkaufsanzeige eines Fohlens baute sich auf. Noch bevor ich mir das Pferd näher ansah, schrieb ich Lina erneut: “Aber du weißt schon, dass ich ein Jungpferd suche?”
      “Sie ist doch jung und niedlich”, kam sogleich eine Antwort mit einem verliebten Emoji. Ich seufzte. Ihr zuliebe würde ich es mir ansehen.
      “Was siehst du dir da an?”, fragte Enya neugierig, als ich noch mit dem Handy in der Hand zu ihr zurückkehrte.
      “Ein Pferd, welches Lina mir geschickt hat”, entgegnete ich.
      “Wie geht es ihr eigentlich, kommt sie langsam besser damit klar?” Ich schüttelte den Kopf. Es fühlte sich eher an, als würde es jeden Tag schlimmer werden. Anstatt etwas dazu zu sagen, nahm sie mir das Gerät aus der Hand und betrachte die Anzeige genauer. Interessiert betrachte sie die Bilder des Fohlens. Enchanté Mystique, so hieß die kleine Stute, hatte hoch gezeichnete Beine und wie Lego auch, ein großes Kopfabzeichen. Doch das war nicht alles, was sie einzigartig machte. Von ihrem hellen Hinterteil aus verteilten sich zahlreiche Punkte und Sichelhaare über ihren Körper.
      “Nawww, die ist niedlich”, erfreute sich meiner Freundin.
      “Ja, ist ganz hübsch, aber du weißt doch, dass ich eigentlich etwas anderes suche.”
      “Ich weiß doch, aber gegen so ein Baby hätte ich nichts”, blickte mich mit einem unwiderstehlichen Welpenblick an.
      “Ein Hund, ein Fohlen, willst du einen Zoo eröffnen Zuhause”, scherzte ich und begann dem Schwarzen Hengst die Bandagen abzunehmen.
      “Warum eigentlich nicht? Wir kaufen uns einen kleinen Hof und machen es uns da gemütlich”, entgegnete sie begeistert. Ich musste lächeln bei Enyas Vorstellung von einem eigenen kleinen Hof. Es klang verlockend, aber gleichzeitig wusste ich auch um die Verantwortung und die Herausforderungen, die damit einhergehen würden.
      “Ich liebe dich, mein Engel, aber lass uns einen Schritt nach dem anderen gehen. Du kommst erst mal zu mir nach Kalmar mit den beiden Katern”, lächelte ich sie sanft an.
      “Natürlich liebster”, erwiderte Enya liebevoll. „Ein gemeinsames Zuhause mit dir ist der perfekte erste Schritt für uns.” Die Vorfreude war spürbar, als sie sich wieder fröhlich der Anzeige widmete.
      “Oh, ihre Abstammung scheint gut zu sein. Väterlicherseits stammt sie von Black Soul und mütterlicherseits kommt sie über Cassini’s Girl. Mit dem Vollblutanteil könnte es vielversprechend sein”, versuchte sie mir das Fohlen schmackhaft zu machen. Ganzes Unrecht hatte sie nicht. Der schwarze Hengst war in seinen jungen Jahren ziemlich erfolgreich im Vielseitigkeitssport gelaufen und hatte bereits einige erfolgreiche Nachkommen gemacht. Cassini’s Girl hatte ich noch selbst erleben dürfen. Selbst im Alter von einundzwanzig Jahren, war die Stute noch fit. Auch hatten wir einige Nachkommen erster und zweiter Generation auf dem Whitehorse Creek gehabt, die alle ihre hervorragende Springmanier geerbt hatten.
      “Mit deinen Berittpferden hast du, doch eigentlich genug zu tun und so alt ist Lego doch auch noch nicht”, probierte sie es weiter. Das Herz meiner Freundin hatte das kleine Fohlen offenbar bereits erobert, was mich zum schmunzel brachte.
      “Okay, ich werde sie mir mal ansehen”, stimmte ich schließlich zu. Grinsend half sie mir die Bandagen aufwickeln.
      Gemeinsam brachten wir den Schwarzen Hengst auf die Koppel und schlenderten noch etwas weiter zwischen den Zäunen umher. Ein buntes Gedränge an verscheiden alter Jungpferden tummelte sich am Zaun und nahm uns in Augenschein. Es war faszinierend zu sehen, wie sie miteinander spielten, sich neckten und herumtollten. Jedes einzelne von ihnen hatte seinen eigenen Charakter und seine einzigartige Persönlichkeit. Enya konnte ihre Begeisterung kaum verbergen und begann, mit einigen der Jungpferde zu interagieren.
      “Wer ist denn die süße Maus?”, fragte sie und strich der zurückhaltenden Scheckstute über die zerrupfte Mähne.
      “Ich weiß nicht, das müsstest du einen der anderen Fragen. Mit den Pferden vom Hof habe ich nicht allzu viel zu tun”, antworte ich und streichelte eines der anderen Pferde.
      “Schade, ich finde sie wirklich niedlich.” Eine Weile verbrachten wir noch an der Koppel, bis wir schließlich zum Stall zurückkehren.
      “Na gut, ich werde dann man nach Hause fahren, der Tag war lang genug”, sagte sie schließlich und gähnte, “Kommst du heute noch?” Sehnsucht schwang in ihrer Frage mit, was vollkommen verständlich war. Wenn sie keinen Dienst hatte, gehörten meine Wochenenden ihr, doch die Situation hatte gefordert, dass ich bei Lina blieb.
      “Lina braucht mich noch”, seufzte ich. Ich fühlte mich hin- und hergerissen. Einerseits wollte ich Enya die gemeinsame Zeit nicht verwehren, doch meine beste Freundin brauchte jetzt jede Unterstützung, die sie bekommen konnte. Ich konnte die Enttäuschung auf Enyas Gesicht sehen und es schmerzte etwas sie so zu sehen. Es war nie einfach, jemanden, den man liebte, enttäuschen zu müssen. Ich spürte ihr großes Bedürfnis, doch in dieser Situation musste ich abwägen.
      “Es tut mir wirklich leid, Liebling”, sanft strich ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, “Es ist eine wirklich schwere Zeit für Lina. Ich muss jetzt für sie da sein.” Ich probierte meine Worte mit Bedacht zu wählen und hoffe auf das Verständnis meiner Freundin.
      Enya murmelte ein leises "Okay" und ihre Augen spiegelten eine Mischung aus Verständnis, Enttäuschung und einer tief sitzenden Sehnsucht wider. Ich wünschte, es gäbe eine Alternative, beide Welten zu vereinen. Ich nahm ihre Hand in meine und schaute ihr tief in die Augen.
      "Ich weiß, dass es schwierig für dich ist. Du bedeutest mir unglaublich viel, und es tut mir leid, dass unsere gemeinsame Zeit im Moment so begrenzt ist. Verstehe bitte, Lina hat fast niemanden außer mir, als bester Freund muss ich in dieser Situation einfach für sie da sein.“ Ein kleiner Seufzer entkam Enyas Lippen und sie nickte langsam. Sie wusste, dass unsere Freundschaft stark war und dass ich sie nicht absichtlich vernachlässigte. Doch die Emotionen waren dennoch spürbar.
      “Sehen wir uns vor eurem Urlaub noch einmal?”, fragte sie schließlich hoffnungsvoll.
      “Ja, das verspreche ich dir”, sanft strich ihr über ihre Wange,”Denke daran, ich liebe dich.” Sanft küsste ich sie voller Zuneigung.
      “Komm gut nach Hause”, verabschiede ich sie schließlich, als wir uns voneinander lösten. Enya lächelte schwach und drückte meine Hand noch einmal fest.
      „Ich liebe dich auch", flüsterte sie leise. Sie drehte sich langsam um und machte sich auf den Weg zu ihrem Auto.
      © Wolfszeit | Samu Häkkinen | 10.246 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Anfang Mai 2021}
    • Wolfszeit
      Ein Herbsttag bei den Lindö Dalen Fohlen | 18. September 2023

      Wunderwaffe LDS / WHC’ Satyr / WHC’ Springer / Nattfrost LDS / Kleinstadtastronaut LDS / Ours de Peluche LDS / Yumyulakk LDS / Liv efter Detta LDS / Virpi HT / Sighvatur från Atomic / Gneisti från Atomic / WHC’ Ritter der Rose / WHC’ Guardien / Sign of the Zodiac LDS

      Die Sonne tauchte den Himmel in ein warmes, goldenes Licht, als ich mich auf den Weg zum Lindö Dalen Gestüt machte. Es war Herbst in Schweden, und die Bäume auf der kleinen Halbinsel, auf der sich das Gestüt befand, schienen in Flammen zu stehen.
      Als ich auf dem Gelände ankam, wurde ich von Lina herzlich begrüßt, die mir mit einer hochgewachsenen Stute entgegenkam. Sie führte mich zu einer großen Koppel, auf der sich die Fohlen und Jungpferde tummelten. Es war ein bunter Haufen von Pferden unterschiedlicher Rassen und Farben. Ich konnte es kaum erwarten, sie näher kennenzulernen.
      Eines der ersten Fohlen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen, war Avenue Shopper, liebevoll Ave genannt. Ave war eine temperamentvolle Strandardbredstute. Sie schnaubte laut, als sie mich sah, und kam neugierig näher. Ave liebte scheinbar die Aufmerksamkeit.
      In der Nähe spielten WHC' Guardien und Gneisti från Atomic, zwei junge Hengste, miteinander. Guard, ein kräftiges schwarzes Pony, war ruhig im Umgang, aber neugierig. Gneisti, offensichtlich ein Isländer, schien genauso verspielt zu sein. Die beiden tobten herum und ließen sich von nichts aufhalten.
      Ein Stück weiter sah ich Ritter der Rose, einen eleganten Hannoveraner in Fuchsschimmel. Er war leistungsbereit, aber auch ungeduldig und neugierig. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er sich zu einem großartigen Dressurpferd entwickeln würde.
      Sighvatur från Atomic, ein Braunfalbschecke, fiel mir durch seine Zielstrebigkeit auf. Er war ein frecher kleiner Kerl, der sich nichts gefallen ließ.
      Während ich die Fohlen beobachtete, kam ein weiterer junger Standardbredhengst namens Waffels zu mir. Er war neugierig und ruhig, und ich genoss es, seine sanfte Seite zu entdecken. Nattfrost genoss die Aufmerksamkeit und ließ sich gerne streicheln. Er hatte einen besonderen Charme, der schwer zu widerstehen war.
      Ours de Peluche, oder einfach Bärchen, war der Charmeur der Gruppe. Er war verfressen und gierig nach Leckerbissen, aber sein liebenswürdiger Charakter machte ihn zu einem Favoriten bei den Besuchern.
      Yumyulakk LDS, genannt Yum, war ein aufgeregter Wirbelwind. Er war verspielt, skeptisch und albern zugleich. Seine Energie schien keine Grenzen zu haben, und er sprang herum, als ob er nie müde werden würde.
      Kleinstadtastronaut war dagegen zurückgezogen und ängstlich. Er schien in seiner eigenen Welt zu leben und vermied den Kontakt mit den anderen Fohlen.
      In einer Ecke der Koppel stand Satyr, ein Freiberger in Fuchs White Spotting. Er war verfressen und schien immer auf der Suche nach Gras zu sein.
      Die Stuten des Gestüts, Liv efter Detta, Virpi und Sing of the Zodiac, waren aufmerksam und ausgeglichen. Sie strahlten eine hohe Leistungsbereitschaft aus und hatten eine ruhige Ausstrahlung.
      Während ich die Fohlen beobachtete und ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten kennenlernte, wurde mir klar, wie vielfältig und faszinierend Pferde sein können. Jedes von ihnen hatte seinen eigenen Charakter und seine eigenen Eigenheiten, die es einzigartig machten.
      Der Herbsttag bei den Lindö Dalen Fohlen war ein unvergessliches Erlebnis, das mir zeigte, wie besonders die Bindung zwischen Mensch und Pferd sein kann. Ich verabschiedete mich von den Fohlen, dankbar für die Zeit, die ich mit ihnen verbringen durfte, und freute mich auf zukünftige Besuche, um ihre Entwicklung zu verfolgen.
      © Wolfszeit // 3371 Zeichen
    • Wolfszeit
      Von Huskys und Eisbären | 08. Dezember 2023

      WHC’ Honest Empire / WHC’ Little Mistress / WHC’ Quiet Move / WHC’ Levin / WHC’ Nougat / Bad Habit RS / WHC’ Aphrodite / Enemy Of The State LDS / Zizou / Alone at Night LDS / WHC’ Zugzwang / Emperia di Royal Peerage / WHC’ Ahvanhi / Prinzessin Mononoke / PV Enchanté Mystique / Avenue Shopper LDS / Want to Belive LDS / Wunderwaffe LDS / WHC’ Satyr / WHC’ Springer / Nattfrost LDS / Kleinstadtastronaut LDS / Ours de Peluche LDS / Virpi HT / WHC' Ritter der Rose / WHC' Guardien / Sighvatur från Atomic

      Bedeckt von einer dicken Schneedecke lag die Welt vor mir, als ich hinausschritt, fast so als würde die Welt noch schlafen. Mein Atem stieg in Wölkchen empor in den strahlenden Winterhimmel. Doch nicht lange blieb der Anblick so unberührt. Mit aufgeregtem fiepen quetschte sich der silbergraue Husky an meinen Beinen vorbei uns stürzte sich voller Freude kopfüber in den Schnee. Allem Anschein nach hatte der Winter nun die Wohlfühltemperatur des arktischen Tieres erreicht.
      “Na, komm Smilla, wir haben Arbeit zu tun”, rief ich die Hündin, die dramatisch aufjaulte und in meine Richtung sprang. Mit unbändiger Energie tobte der Hund neben mir her, während ich den Weg zu den Koppeln hin einschlug. Der Schnee der unberührten Schneedecke knirschte unter unseren Füßen und die kalte Luft füllte meine Lungen. Es mag einem vielleicht seltsam vorkommen, doch ich liebe solche klaren Schneetage genauso wie der silbergraue Hund.
      Genau diese Tage waren es, in denen meine Schwester und ich unsere Schlittschuhe nahmen und zum nahegelegenen See liefen oder mit dem Schlitten durch den verschneiten Wald fuhren. Avisii, die Mutter meines kleinen Vilijami, war eine geduldige Stute, die meinen Geschwister und mir unheimlich viel beibrachte.
      Ein Bellen von Smilla riss mich aus meinen schwelgenden Erinnerungen. Wir hatten die Koppel schon längst erreicht. Eins der neugierigen Jungpferde hatte sich aus der Gruppe gelöst und kam durch den hohen Schnee angelaufen. Es war Bärchen. Der junge Schecke war nicht nur wegen seines Charakters besonders, sondern trug auch ein seltenes Gen in sich. Freundlich streckte ich dem Junghengst meine Hand hin, was auch die Huskyhündin neugierig machte.
      Mit seiner kalten Schnauze stupste Bärchen meine Hand an und suchte darin, nach etwas zu fressen. Mit schwingender Route stand Smilla daneben und hatte alles mit ihren eisblauen Augen im Blick. Natürlich hatte ich einen Leckerbissen für das Pferd in meiner Tasche und gab es dem kleinen Hengst. Der Hund stupste mich fordert an, als wolle er auch eines von den Pellets haben. In dem Glauben, dass sie es ohnehin nicht fressen würde, hielt ich auch ihr eines der Leckerlis hin. Erstaunlicherweise schnüffelte der Hund zuerst daran und fraß es schließlich, doch wirkte eher wenig begeistert. Anstatt weiter herumtrödeln, machte ich mich daran, den Zaun zu kontrollieren oder zumindest ein Teil davon, denn ehrlich gesagt war dieser ziemlich lang. Smilla folgte mir und steckte hier und dort die Nase in den Schnee nach einer Maus zu buddeln. Plötzlich hörte ich ein leises Rascheln im Gebüsch. Die Hündin erstarrte und hob den Kopf, um das Geräusch besser wahrzunehmen. Einen Moment später erschien ein neugieriges Eichhörnchen auf einem Ast. Sein fluffiger Schwanz zuckte aufgeregt, und es schien genauso neugierig auf uns zu sein wie wir auf es. Die eisblauen Augen des Huskys fixierten gebannt das kleine Tierchen, während ihre Ohren sich gespitzt hatten. Die winterliche Stille wurde von den verspielten Sprüngen des Eichhörnchens zwischen den Ästen durchbrochen, die es mit einem frechen keckern untermalte.
      Fasziniert von der kleinen Kreatur hob ich meine Hand und machte leise Klick-Geräusche. Überraschenderweise schien das Eichhörnchen darauf zu reagieren, und hüpftenäher heran. Smilla ließ ein leises Winseln verlauten und schlug aufgeregt mit ihrer Rute.
      “Nein, Smilla wir wollen den kleinen Kerl nicht zum Frühstück essen”, ermahnte ich den Hund. Das Eichhörnchen beobachte uns einen Moment, bevor es davon hüpfte und in einem Baum verschwand. Am Ende der Runde lief ich erst einmal in die Küche des Stalls, um einen Tee zum aufwärmen zu trinken.
      © Wolfszeit | Lina Valo | 3.634 Zeichen
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  • Album:
    weide.
    Hochgeladen von:
    Mohikanerin
    Datum:
    26 März 2022
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    EXIF Data

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    640px
     

    Note: EXIF data is stored on valid file types when a photo is uploaded. The photo may have been manipulated since upload (rotated, flipped, cropped etc).


  • Ours ist 1 Jahre alt.

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Vadstenalund [SWE]
    Unterbringung: Hengstweide


    –––––––––––––– s t a m t a v l a

    Aus: Northumbria [Standardbred]
    MMM: Unbekannt ––––– MM: Unbekannt ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Unbekannt ––––– MVV: Unbekannt


    Von: Lu'lu'a [Französischer Traber]
    VMM: Unbekannt ––––– VM: Après la Pluie ––––– VMV: Unbekannt
    VVM: Unbekannt ––––– VV: Majd ––––– VVV: Unbekannt



    –––––––––––––– h ä s t u p p g i f t e r

    Zuchtname: Ours de Peluche LDS
    Rufname: Ours, Bärchen
    Farbe: (Sooty) Palomino Pangare Schecke
    [ee Aa nCr nPa nSty nMu nTo]
    Geschlecht: Hengst
    Geburtsdatum: x 2019
    Rasse: Standardbred [STB]
    Stockmaß: 164 cm

    Charakter:
    Charmeur, verfressen, gierig

    * Wickelt Menschen um den Finger
    * sehr lange ausgeprägte Schwebephase im Trab


    –––––––––––––– t ä v l i n g s r e s u l t a t

    [​IMG] [​IMG] [​IMG]

    Dressur E [M] – Springen E [M] – Military E [A] – Fahren E [A] – Rennen E [M] – Western E [A] – Distanz E [M] – Gangreiten E [M]

    Ebene: National

    x 2022
    x. Platz, x


    –––––––––––––– a v e l

    [​IMG]

    Zugelassen für: Traber aller Art, Barock-Reitpferd
    Bedienung: -
    DMRT3: CA
    Decktaxe: Nicht gekört

    Fohlenschau: 8,01
    Materialprüfung: 0,00

    Körung
    Exterieur: 0,00
    Gesamt: 0,00

    Gangpferd: 0,00


    –––––––––––––– a v k o m m e r

    Ours hat 0 Nachkommen.
    • 20xx Name (aus/von: Name)


    –––––––––––––– h ä l s a

    Gesamteindruck: gesund, im Wachstum
    Krankheiten: keine
    Beschlag: Barhufer


    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Eigentümer: Lindö Dalen Stuteri [100%]
    Bezugsperson: -
    Züchter: Lindö Dalen Stuteri, Vadstenalund [SWE], Tyrell Earle
    VKR / Ersteller: Mohikanerin

    Punkte: 4

    Abstammung [4] – Trainingsberichte [0] – Schleifen [0] – RS-Schleifen [0] – TA [0] – HS [0] – Zubehör [0]

    Spind – Hintergrund