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Veija

♂ Vandal LDS, 2

♂ Vandal LDS, 2
Veija, 10 Mai 2022
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    • Veija
      kapitel elva
      Dezember 2021, by Mohikanerin & Wolfszeit (zeitliche Einordnung Anfang Oktober 2020)
      Forbidden Fruit LDS // Anthrax Survivor LDS // CHH' Death Sentence // Hawking von Atomic // Liv efter Detta LDS // Vandal LDS // Heldentum LDS // Lu‘lu‘a // Northumbria // Einheitssprache // HMJ Divine // Outer Space // Wunderkind // Raleigh // Satz des Pythagoras // Ready for Life // Maxou // Arktikkfrost LDS // Yumyulakk LDS

      Vriska
      Überpünktlich stand ich im Stall und putzte den Sand vom Kopf der Stute, die immer wieder interessiert an meiner Jackentasche zupfte, in der Hoffnung eins der wertvollen Leckerlis ergattern zu gönnen. Trotzig schlug sie mit dem Schweif, wenn ich sie keins bekam, doch ich schenkte dem nur wenig Beachtung und reinigte auch noch den Rest ihres Körpers. Der Regen und Sturm wurde in früher Stunde vom Nebel abgelöst, der eine Frostwelle auslöste. Von einer zur anderen Stunde glitzerten die letzten Grashalme im matten Licht der aufsteigenden Sonne auf den Weiden und neben den Wegen. Durch die großen Fenster im Stall konnte man winzige Eisblumen entdecken, die das Licht trübten und ein malerisches Farbspiel auf dem Reitplatz in der Halle bewirkten. Eigentlich wollte ich eine Runde durch den Wald drehen, um die Schäden zu begutachten, an Flur und Forst.
      “Morgen”, spuckte mir Jonina verärgert entgegen, ohne stehenzubleiben, sondern rauschte wie ein geölter Blitz an Fruity und mir vorbei. Verwundert sah ich ihr noch nach, wobei ich nicht einmal die Möglichkeit hatte, die Begrüßung zu erwidern. Wir lernten uns schon am ersten Tag auf dem falschen Fuß kennen und klärten das nicht einmal, um ein entspanntes Arbeitsklima zu erreichen. Stattdessen spuckte sie wie ein Geist durch unseren Stall, sah abfällig an mir vorbei und ignorierte mich ansonsten.
      Die kaum größere Stute zupfte wieder an meiner Jacke, als ich den Gurt fester zog zum Aufsteigen. Ich entschied mich gegen die mystische Stimmung auf dem Sand und wollte die Zäune der Weiden im Wald prüfen. Mit einem leichten Druck am Schenkel setzte ich Fruity in Bewegung an der Ovalbahn entlang zur Lichtung, die sonst unsere Galoppstrecke darstellte. Doch ich hielt das Tempo, gab der Stute die gesamte Länge des Zügels und schweifte mit meinem Blick durch die Landschaft. Zwischen den Birken funkelten einige alte Eichen hindurch und in hellen Orangetönen getauchte Ahornbäume, die das triste Braun aufgelockerten. Ich konnte kaum weitersehen als fünf Meter, aber erkannt, dass zwei junge Füchse auf dem Feldweg spielten und bei ertönen des Hufschlags panisch in das Buschwerk stürzten und von rechts rannte die Mutter ihnen nach. Neugierig spitzte Fruity die Ohren. Neben uns raschelte das Geäst und zwei große Augenpaare fokussierten uns, musterten jeden Schritt, den Fruity über den gefrorenen Sand machte, bis wir schließlich aus der Sichtweite waren. Die kommenden Meter zur Weide trabten wir, was ich nutze, um meine Fähigkeiten im Aussitzen auf die Probe zu stellen. In der Prüfung hatte ich mich zwar ziemlich gut angestellt, doch in den vergangenen Trainingseinheiten entwickelte die Falbstute immer mehr Schwung und das zeigte sich umgehend im Trab. Wie ein Kartoffelsack wackelte ich im Sattel, versuchte die Stöße durch meine Füße abzufangen, doch fand den Takt nicht. Frustriert parierte ich wieder durch, aber kam im selben Augenblick an der ersten Weide an, auf der die Junghengste ihr Unwesen trieben. Sogleich kamen Death und Anti zum Zaun getrabt, um den Besuch freundlich zu begrüßen. Von weiter kam auch Hawking mit seiner halbstarken Gruppe aus Arktikk und Vandal. Immer mehr blauäugige Augen funkelten Fruity an, die sich zwischen den ganzen Hengsten gar nicht zurechtfand und fortan Schritte zurückwich. An meinem Bein bog ich die Stute am Zaun entlang und entdeckte noch Heldentum, eins der Wunderpferde, dass sich mit seiner unbekannten Fellfarbe fernab der anderen Pferde versteckte, häufig in Begleitung mit Yumyulakk, einem ziemlich freundlichen Architekkt Sohn, der sich ebenso gern aus der Herde zurückzog.
      “Jungs, wir müssen weiter”, trieb ich die Stute weiter und untersuchte noch die Damen auf der anderen Seite. Natürlich hielt ich mich dabei mehr die Zäune zu beachten. Auf dem offenen Feld hing der Nebel noch stärker, was mir die Arbeit nicht erleichterte. Treu trampelten aber zwei Jungstuten entlang, die mir zumindest Hoffnung gaben, dass alles noch an Ort und Stelle war. Die Criollo Stute Liv wackelte bei jedem ihrer Schritte lustig mit den Ohren, während Mitternacht, die vermutliche einzige helle Stute mit diesem Namen, nur unmotiviert nachlief.
      Die Sonne rückte ihre Position immer erhabener am Himmel, wodurch der Nebel wie zu verschwinden schien und uns die Möglichkeit eröffnete, zu traben. Fruity schnaubte ab und genoss die Abwechslung auf dem Feld an Tempo zulegen zu dürfen, ohne panisch von mir gebremst zu werden. Meter für Meter beäugte ich kritisch und war ziemlich froh darüber, keinerlei Schäden entdeckt zu haben. Aus der Ferne hörte ich den Trubel am Hof, der hauptsächlich aus Traktorengeräuschen bestand und dem Hufschlag der Pferde auf dem Beton. In einem der Gebäude klopfte unser Schmied neue Eisen an die Hufe, gut das ich nicht zum Dienst eingeteilt war, denn sinnloses herumstehen konnte ich nur wenig ausstehen.
      „Und, wie war sie heute?“, fragte Tyrell interessiert und klopfte stolz den verschwitzen Hals der Stute.
      „Großartig, wie immer“, schwärmte ich, während ich mich aus dem Sattel schwang und die Zügel über den Hals zog.
      „Das höre ich gern“, grinste er, „aber ich habe eine wohl schlechte Nachricht für euch beide.“ Schlagartig verzog nicht nur ich meine Miene, sondern auch Tyrell wirkte nervös.
      „So schlecht wird das schon nicht sein“, versuchte ich die Stimmung aufzulockern. Zusammen betraten wir den Stall, in dem der besagte Schmied neue Schuhe an den Hufen von Lu befestigte.
      „Morgen kommen Interessenten für die Stute“, seufzte er und lockerte den Gurt am Bauch.
      „Interessenten?“, schrie hysterisch durch den Stall, was einige Leute zu mir sehen ließ, bevor sie sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten widmeten. Dann atmete ich noch tief durch und sagte: „Ich dachte, dass du die Stute behalten möchtest, für deine geplante Kuhherde.“
      Tyrell nickte unsicher.
      „Stimmt, aber für den richtigen Betrag ist jedes Pferd verkäuflich“, zuckte er mit den Schultern und trug den Sattel weg. Wie verwachsen mit dem betonierten Untergrund blieb ich an der Stelle stehen, kam aus dem Schock nicht heraus, bis Fruity im am Rücken anstupste und höflich nach einem Leckerli fragte. Aus meiner Jackentasche fischte ich eilig eins heraus und strich ihr liebevoll über die Blesse.
      „Unwahrscheinlich, dass ich so einen Betrag für dich übrighabe“, murmelte ich. Dann kam mein Chef auch wieder zurück mit ihrer Weidedecke.
      „Jetzt sei nicht traurig, sie würde am Hof bleiben“, lächelte er. Schön, dann könnte ich mir sogar ansehen, wie ein so tolles versaut wird, klingt nach grandiosen Aussichten.
      „Ich komme klar“, griff ich energisch nach der Decke in seinen Armen und zog sie der Stute über. Keinen müden Blick warf ich ihm noch zu, spürte aber, wie er mich weiterhin stumm anstarrte. Unverständlich stammelte er vor sich hin, doch ich hörte nicht zu, sondern löste den Strick von der Box und führte Fruity zurück auf den Paddock. Sie verspürte meine Anspannung bestimmt, aber trottete wie an jedem anderen Tag neben mir und fummelte an meiner Jacke. Mit großen Augen blickte mich Humbria an beim Öffnen des Tors. Auch sie bekam ein Leckerli.
      “Kommst du zum Frühstück?”, erkundigte sich mein Chef, der mir offensichtlich zum Paddock folgte.
      “Nein, ich habe noch Besuch und möchte gerade nicht auf heile Welt machen, wenn du eins deiner besten Pferde verkaufst”, rollte ich mit den Augen, strich Humbria über dem Hals. Wir kamen gut miteinander klar, doch das Wetter spielte seit Wochen nicht mehr mit, um mit ihr eine Runde am Sulky durch den Wald zu drehen.
      Tyrell nickte anerkennend, drehte auf der Ferse um zur Halle. Ich hängte das Halfter an den Haken unter dem Dach und strich durch die Weiden zur Hütte. Vor der Scheibe sah ich Trymr aufgeregt auf und ab laufen, stieß dabei immer wieder mit der Nase gegen das Glas und verursachte unschöne Flecken. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich auch Lina, die wohl zum Frühstück wollte. Bevor ich zu ihr stürmte, schob ich die Terrassentür nur einen Spalt auf, durch den das Ungetüm stürmte und täppisch an meinen Beinen hinaufsprang, um an meinen Händen knabbern zu können.
      “Guten Morgen”, strahlte ich sie an, denn die erholsame Nacht hing mir noch so stark im Körper, dass der Fruity-Schock mich nicht so sehr aus dem Konzept brachte.
      “Guten Morgen, Vriska”, trällerte sie fröhlich. Wie so häufig sprühte sie auch heute nur so vor Energie. Offenbar hatte sich Niklas nur an mir in der Nachricht darüber beschwert, was ich mir einbilde, ihn derartig vorzuführen. Mir war es ziemlich egal, vermutlich mehr, als es sollte.
      “Und, hat es heute Nacht mal gefunkt zwischen euch?”, grinste ich schelmisch.
      “Du bist auch überhaupt nicht neugierig”, erfasste sie haarscharf, ”ja … Nein …, noch nicht so wirklich” Sie nuschelte, ein wenig unverständlich und augenblicklich legte sich eine leichte Röte auf ihre Wangen.
      “Entschuldigung”, rollte über dramatisch mit den Augen und klopfte ihr auf die Schulter, “ich frage nicht mehr. Aber willst du bei uns mit Essen? Ich mag Tyrell nicht mehr unter die Augen treten, denn er will Fruity morgen verkaufen. Kannst du dir das vorstellen?”
      Schneller als es mir lieb war, ratterte ich die neuesten Nachrichten herunter und versuchte sie auf die dunkle und deutliche bessere Seite des Hofes zu ziehen, auch wenn es dafür eher keinen Grund gab und auch der Gedanke ziemlich idiotisch war. Verwirrt kratzte ich mir ab Kopf, aber grinste dann auffällig lange, bis Trymr mich erneut ansprang und mit seinen matschigen Pfoten meine Hose dekorierte. Wo hatte er eine Pfütze gefunden, wenn alles gefroren war? Ich wischte mit meinen kalten Händen auf meinen Oberschenkeln herum und schickte ihn zurück, was er viel mehr als eine Spielaufforderung ansah und mich wieder anbellte. Lina blickte zu dem Ungetüm und betrachte ihn: “Ich glaube, du solltest ihm ein Spielzeug besorgen.”
      Dann kam sie auf das eigentliche Thema zurück: “Das ist traurig, dass Fruity verkauft werden soll, sie ist doch so ein tolles Pferd und ihr wart doch so erfolgreich auf dem Turnier.”
      „Ich werde nicht das Gefühl los, dass das dazu beitrug“, murmelte ich und überlegte, womit ein Hund wohl spielt. Aus Sendungen wusste ich, dass Menschen Stöcke warfen, aber für ihn müsste ein Baum herhalten, um genug zu sein. Noch immer biss er in meine Hand, nicht aggressiv und es fühlte sich auch eher so an, als würde ich als Nuckel verwendet werden.
      „Na gut, mir wird jetzt kalt. Kommst du mir oder nicht?“, hakte ich erneut nach und drehte mich mit meinem Körper Richtung Hütte, aus der ein warmes Licht durch die Fenster schien und die Bäume gegenüber reflektierten auf dem Glas.
      “Ja, komme ich”, nickte sie und setzte an mir zu folgen. Erfreut sprang ich in die Luft, drehte mich dabei, wie ein Kind, dass einem langen Winter wieder über eine Frühlingswiese tollte und die ersten Sonnenstrahlen des Jahres nutzte. Meine Euphorie war genauso wenig erklärlich wie vermutlich neunzig Prozent meines Verhaltens, aber das wusste sie bereits und so bekam ich, bis auf ein irritiertes Kopfschütteln keinen Kommentar reingedrückt. Langsam schob die Terrassentür auf und zog davor die Schuhe aus.
      „Was? Geht die Welt heute unter?“, fragte ich Erik schockiert, der in einer meiner Jogginghosen in der Küche stand und irgendwas in der Pfanne zubereitete. Mein sonst so guter Partner Nase machte mir einen Strich durch Rechnung und war von der kalten Luft vor der Tür, verstopft.
      „Ich wundere mich viel mehr, dass sie selbst mir zu groß ist“, lachte er und sah an sich herunter. Erst dann bemerkte er Lina, schien sich umzusehen und etwas zu suchen. Zugegeben, ich hätte den Besuch vorher ankündigen können und dass er bis auf einer Hose nichts trug, wirkte eventuell auf Außenstehende verstörend. Aber was erwartete man schon in meiner Hütte? An meinen Wänden hingen neben seltsame Zeichnung und einige erotischste Bilder von wildfremden Männern und auch Frauen, die ich auf Flohmärkten fand. Oder auch Holzmasken, die vermutlich mal ein Teil einer skurrilen Ausstellung waren und mit Graffiti besprüht wurden. Vor knapp einer Woche hatte noch Kartons von mir im Lager gefunden und rigoros umgestaltet.
      „Schatz?“, zog ich unnötig lang das Wort und Erik sah mich verwirrt über die Schulter an. Entschlossen machte ich ein Foto mit meinem Handy, schließlich musste man so eine Premiere festhalten. Dann hüpfte ich genauso erfreut zu ihm und gab ihn einen flüchtigen Kuss auf den Mund.
      „Das mit dem Begrüßen üben wir aber noch“, hauchte er mir ins Ohr und zog mich an der Hüfte fest an sich heran. Dann gab er mir deutlich leidenschaftlicher einen weiteren Kuss. Es muss für Lina mehr als unangenehm sein, deswegen drehte ich mich entschlossen um. Mit weit aufgerissenen Augen strahlte sie in meine Richtung, hatte aber genau die Ausstrahlung, dich ich bereits vermutete.
      „Sorry“, lächelte ich breit und zog meine Brauen nach oben. Dann ließ Erik von mir ab und gab ihm ein Shirt aus dem Schlafzimmer.
      “Alles gut. Vielleicht lass ich dir das nächste Mal besser einen Vorsprung”, scherzte sie und lächelte schief. Ich bat sie heran.
      “Und mein Hund muss draußen bleiben?”, schloss sich auch Erik dem kurzen Gespräch an. Trymr drückte seine Nase durch den schmalen Spalt zwischen Schiebetür und Rahmen ins Innere. Entschlossen öffnete ich die Pforte wieder, die er sogleich durchlief und sich auf dem Teppich vor die Couch legte. Seine Ohren stellten sich bei dem Geklapper in der Küche auf, ohne das etwas für ihn auf dem Fußboden landete.
      Linas Jacke hatte ich noch immer in der Hand und hängte sie an den Kleiderhaken in den Flur, wo sie stand. Inständig betrachtete sie verschwiegen die seltsamen Masken über der Kommode im Flur und ließ den Blick schweifen über die Bilder aus den vergangenen Jahrzehnten, die teilweise nicht einmal meine Eltern miterlebten. Zwischendrin entdeckte sie auch die Partybilder von meinen Freunden und mir, auf denen auch Jenni zu sehen war. Lange hatte auch ich nicht mehr genauer hingesehen. Eins der besagten Fotos stammte noch aus der Anfangszeit mit meinem Ex-Freund, der ziemlich stolz mich auf seinem Rücken trug und auf dem nächsten Schnappschuss seine Lippen auf meine drückte. Entschlossen nahm ich Rahmen von der Wand und verstaute ihn in einer der Schubladen der Kommode, bevor ich die wenigen Schritte zur Küche machte und den Tisch für uns deckte.
      In meinem Nacken spürte ich einen warmen Atemzug, der meine Haare aufstellte und sogleich das Blut in Wallungen brachte. Langsam schloss ich meine Augen und öffnete sie bei einem tiefen Atemzug wieder. Lüstern berührten seine Lippe meinen Hals und begleitet mit einem sachten Saugen, breitete sich das Kribbeln am ganzen Körper aus. Eriks Händen strichen mir über den Arm.
      “Ich finde auch schön, dass du hier bist, aber wir haben Besuch”, raunte ich. Mehrmals schluckte ich, krampfte mich an der Tischplatte fest und versuchte mir von seiner Nähe nicht den Geist zu nebeln.
      „Ach, sie ist doch gerade noch beschäftigt und zwischen uns ist die Wand“, flüsterte Erik und drückte sich ein weiteres Mal an mich heran.
      „Sie ist doch nicht blöd, also setz dich“, versuchte ich ihn zur Vernunft zu bekommen. Glücklicherweise gab er schneller nach als ich vermutete, zog nun endlich das Shirt über seinen wohl gezeichneten Oberkörper, den ich stundenlang betrachten könnte.
      „Linchen, was möchtest du trinken?“, fragte ich noch, als der Kaffee durch die Maschine lief und sie sich mit an den Tisch setzte.
      "Hast du vielleicht Tee da? Ansonsten begnüge ich mich auch mit Wasser", bekam ich zur Antwort.
      „Natürlich“, lachte ich und öffnete eine der oberen Schranktüren. Dahinter verborgen sich Unmengen an Teesorten, die wild durcheinander standen und keine genaue Reihenfolge aufwiesen. Mit meiner Hand zeigte ich die Menge an und ließ ihr die freie Wahl.
      "Klasse, gleich so eine Auswahl", lächelt Lina begeistert, "Den da bitte." Sie deutete auf eine Packung mit Früchtetee, der hauptsächlich aus Brombeere und Granatapfel bestand.
      Zum Glück konnte die Maschine im Handumdrehen Wasser zum Kochen bringen und erfolgreich stellte ich Lina ihre Tasse hin. Ein lieblicher, beeriger Geruch breitete sich in Windeseile im ganzen Raum aus und entfaltete bei jedem Atemzug weitere Nuancen in Mund und Nase. Die Verlockung war für einen Wimpernschlag so groß, ebenfalls einen zu trinken, doch die dunkle Flüssigkeit vor mir holte mich zurück. Nur Kaffee konnte mein Leben vervollständigen. Da Erik sich zu fein war, das Essen zu servieren, übernahm ich das wohl auch noch.
      „Oh, du hast Pancakes gemacht“, freute ich mich überschwänglich und beinah tanzend lief ich zum Tisch. Jeder bekam für den Anfang drei Stück.
      „Nur für dich mein Engel“, grinste Erik verlegen und verschränkte die Arme.
      In einer gemütlichen Runde aßen wir, beobachteten, wie die bunten Blätter vor der Scheibe ihre Runden drehten und in geschwungenen Linien tanzten, so ungezwungen und frei. Trymr versuchte sie zu fangen, wenn auch nur ein Zentimeter Blatt und Scheibe zwischen ihnen lag. Dafür, dass der Rüde solch höllische Töne von sich geben konnte und auch äußerlich eher einem Monster glich, bewegte er sich wie ein junges Kalb und wirkte so liebenswert in seinem Spieltrieb. Ich fühlte mich gut, wirklich gut. Erik, der immer wieder zu mir hinüberschielte und über meinen Oberschenkel strich, Lina, die vergnügt lachte. Beides löste eine wollige Wärme aus, dass aus dem Grinsen nicht mehr herauskam und dachte, dass sie so Familie anfühlen musste, Heimat, ein Ort an dem man Willkommen ist. Es fehlte mir an nichts, doch dann kam ich im Gedanken wieder auf Lina zurück.
      „Sag‘ mal, wann kommt Ivy eigentlich?“, sagte ich mit kratziger Stimme.
      “Der genaue Termin steht noch nicht, aber bald hoffe ich. Es hängt derzeit nur noch an den Behörden”, erzählte sie hoffnungsvoll. Dass sie es kaum erwarten konnte, ihr Pferd wiederzuhaben, war kaum zu übersehen, denn sie strahlte über das ganze Gesicht.
      „Aber er braucht doch nur Gesundheitspapiere, die offiziell unterschrieben wurden“, murmelte Erik schulterzuckend, ziemlich abwesend.
      „Hör auf dich so zu benehmen“, schlug ihn behutsam mit meinem Handrücken gegen die Brust. Böse sah er zu mir runter und griff kräftiger in mein Bein. Schmerzerfüllt verzog ich mein Gesicht. Während bei Lina es eher so wirkte, als hätte sie Angst davor, dass in wenigen Sekunden ein Ehestreit ausbrach und sie mittendrin feststeckte. Aber ich wandte mich ihr zu und sagte: „Dann dauert es bestimmt nicht mehr lange. Ob er sich gut mit Rambi versteht?“
      Rambi war der Hengst einer Einstellerin, mit dem sie viel Zeit verbrachte. Da Einheitssprache sich nur ziemlich bescheuert rufen lässt, wurde aus Rampensau irgendwann Rambi. Er präsentierte sich gern und konnte somit ziemlich gut ihn ihr Beuteschema passen, wenn man ihren Prinzen dazu zog.
      “Ich denke, Ivy wird das kleinste Problem dabei sein, der hat sich bisher mit jedem Pferd verstanden, aber ob Rambi das genauso sieht? Man wird sehen”, erwiderte sie optimistisch.
      „Bevor wir uns hier verquatschen und Erik die Ohren abfallen, sollten wir weiterarbeiten“, beschloss ich ihn von den Pferden zu erlösen. Zumindest hatte ich die kleine Portion aufgegessen und die anderen teilten sich die restlichen gerecht auf.
      „Du bleibst noch kurz und darfst dann gehen“, hielt mich Erik an Ort und Stelle fest. Seine Stimme klang ernst und nickte ich Lina zu, dir bereits ihre Jacke holte.
      „Ich weiß nicht, wie lange es dauert, aber würdest du Alfi schon fertig machen?“, sagte ich selbstsicher und versuchte meine Unsicherheit durch ein freundliches Lächeln zu überspielen.
      “Ja klar, mache ich”, antworte sie bevor sie uns schließlich allein ließ. Er sah ihr noch nach, bis Lina endgültig aus der Sichtweite verschwand und auch Trymr zurück auf den Teppich tippelte. Seine Ohren standen stets gespitzt nach oben, um dem Gespräch zu folgen.
      Erik stand auf und stellte sich entschlossen hinter mir. Seine Arme eng umschlungen an meinen Schultern. Ich schloss meine Augen und versuchte ruhig zu bleiben, um dem Verlangen nicht nachzukommen, dass er bei jeder Berührung auslöste.
      „Willst du dich nicht entschuldigen?“, hauchte er kaum hörbar in mein Ohr und setzte dort fort, wo er vorhin aufhörte. Langsam berührten seine Lippen meinen Hals. Sie waren feucht und an einigen Stellen ziemlich rau. Meine Haare stellten sich wieder auf.
      „Wofür sollte ich mich entschuldigen?“, zitterte meine Stimme, denn er ließ nicht von mir ab, sondern konnte es, gefühlt, nicht abwarten, auch mich an sich zu spüren. Sein plötzliches Verlangen nach mir und forsches Auftreten löste nicht nur Spannungen zwischen uns aus, sondern machte es dynamisch. In meinem Kopf blitzten tausende Bilder auf.
      „Mich vor anderen aufzuführen, sollte in Zukunft nicht mehr vorkommen“, drückte Erik fest an meinem Hals, ohne dabei seine Lippen von mir zu lösen. Ein zärtliches Stöhnen huschte aus meinem Mund und brachte ihn zum Lachen. Langsam öffneten sich meine Augen, schielten durch meine Lider zu ihm hoch. Unverkennbar strahlte er, durch die Lippen funkelte die obere Zahnreihe hindurch.
      „Natürlich. Entschuldigen Sie mein törichtes Verhalten“, hauchte ich. An meinem Rücken spürte ich seine feste und pulsierende Bewegung, die sich so positioniert äußerst skurril anfühlte. Dann trat er zurück, ließ auch seine Hände von meinem Hals. Stattdessen blicken Eriks satten Augen in meine.
      „Du hast es verstanden“, sprach er in meinen leicht geöffneten Mund, zog begehrend mit seinen Zähnen an meiner Unterlippe. Alles explodierte in mir, neue Energiequellen entstanden und schickten durch meinen ganzen Körper kleine Blitze, die Kettenreaktionen mit sich brachten.
      „Bitte“, stammelte ich benebelt vor Glück, „verlass mich nicht mehr.“
      „Auf keinen Fall, aber jetzt wartet deine Freundin“, drückte er mich nach oben aus dem Stuhl und ich bekam einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Am ganzen Körper zitterte ich, konnte mich nur schwer damit abfinden, dass der innige Moment so schnell wieder endete. Ich fühlte mich nie derartig geliebt, wie von ihm. Dann verzog ich mich ins Schlafzimmer, denn neben neuer Unterwäsche, musste ich auch einen anderen Pullover anziehen. Fruity hatte überall Flecken hinterlassen, die nur durch einen Waschgang zu beseitigen waren. Somit landete auch dieses Stück Stoff bei den anderen im Wäschekorb, bevor ich zur Tür lief und meine Schuhe anzog.
      „Erik?“, steckte ich noch meinen Kopf ins Innere. Belustigt drehte er sich um, als suche er zusammen mit mir nach der angesprochenen Person. Dann lehnte er sich entschieden zurück, verschränkt die Arme wieder und blickte tief durch meine Augen zur Seele.
      „Danke, dass du da bist“, schmunzelte ich glücklich.
      “Das kann ich nur zurückgeben”, spiegelte er mich, bevor sein Laptop dann doch interessanter wurde. Sehnsüchtig sah mit Trymr nach. Ich entschied schon nach einigen Metern umzudrehen.
      “Schon wieder da?”, lachte Erik und klappte den Bildschirm ein Stück zur Tastatur, um darüber hinweg zu mir zu sehen.
      “Dein Hund würde sicher gern mitkommen”, sagte ich beim Holen der Leine vom Kleiderhaken, auf dem nur noch mein Overall hing sowie Eriks Mantel und Jacke. Panisch suchte ich den Ständer ab, aber fand nichts weiter als einen Schal. Neben mir ertönten Schritte und beim Umdrehen stand er dann wieder neben mir.
      “Das hier suchst du?”, wedelte Erik mit der Leine in der Hand vor meiner Nase herum, mit einem schmutzigen Lächeln auf den Lippen. Jedes Mal, wenn ich danach griff, zog er sie nach oben, sodass mir nichts andere übrigblieb, an ihm hochzuspringen. Den Grund dahinter hatte ich schnell raus. Meine Hand lag auf seiner Schulter, als auch seine mich packten und fester an seinen Oberkörper drückten. In meine Nase stieg wieder sein unverkennbarer Geruch, der mich wie zuvor zuhause fühlen ließ. Ich wollte zu Lina, doch drängte mich das Verlangen bei ihm zu bleiben, mich nicht von der Stelle zu bewegen und für immer in seinen Armen zu liegen. Mit weit geöffneten Augen sah ich hoch in seine glänzenden, hoffte ihn ein letztes Mal spüren zu können, bevor es Abschied bedeutete für einige Stunden und nach Hause wollte er auch noch.
      „Bist du noch da, wenn ich zurückkomme?“, fragte ich flehend.
      „Je nachdem wie lang du unterwegs bist, dennoch würde ich sagen, vermutlich nicht“, äußerte sich Erik zurückhaltender, aber hielt mich weiterhin fest, auch wenn seine Hände in der Zwischenzeit weiter nach unten wanderten und meinen Po umfassten. Innerlich stritten Vernunft und Leidenschaft um ihre Stellung im emotionalen Minenfeld, dass sich in wahnsinniger Geschwindigkeit mit Nebel zuzog. Aus der wirtlichen Wärme wurde übergangslos eine klirrende Kälte, die erst meine Adern erstarren ließ und nach einem Wimpernschlag den Rest meines Körpers. In meinen Ohren ertönte der schnelle Herzschlag aus meiner Brust und vor mir wurde es schummerig. Elendig rang ich nach Luft, gab alles, um das schwere Gefühl loszuwerden. Ungewiss, was geschah, lichtete sich im nächsten Moment der Nebel vor meinen Augen und in meinem Geist. Ich spürte das Kribbeln wieder, das unter meiner Haut wie tausende kleine Nadelstiche mich durchsetzen, aber keinesfalls etwas Schlechtes bedeutete. Viel mehr fühlte ich lebendig.
      “Geht es dir besser, Vivi?”, raunte Erik in mein Ohr. Seine Lippen hatten sich in ein weiches Rot getaucht, das sich langsam wieder legte. Auf meinen spürte ich es auch. Unsere Annäherung konnte nur von kurzer Dauer gewesen sein, denn ich erinnerte mich nur wage, aber sein Geschmack lag mir noch im Mund, festgesetzt wie ein intensives Getränk. An meinen Schultern lagen seine Arme, fest genug, um die Berührung zu spüren, locker genug, um mich frei zu bewegen. Ich atmete bewusst ein und wieder aus.
      “Ja”, nickte ich und spürte ein heftiges Kratzen in meinem Rachen, das vor wenigen Sekunden noch nicht da war.
      “Was war das?”, erkundigte er sich langsam, weniger forsch als noch am Tisch.
      “Ich weiß es nicht”, niedergeschlagen murmelte ich in den Kragen meiner Jacke, wich seinen Blicken aus und musterte intensiv meine dreckigen Reitstiefel, die ich mir vor einigen Wochen erst gekauft hatte. Dann fragte ich resigniert: “Wann kommst du wieder?”
      “Das liegt an dir”, holte er meinen Kopf wieder nach oben, “du hast Abstand verlangt, Freiheit, die ich dir gab und nun kommst du gar nicht mehr weg von mir.” Auf seinen Lippen zeichnete sich wieder der liebliche Rotton und ein verzauberndes Lächeln.
      “Es macht mir Angst”, versuchte ich mich zu erklären, doch legte er seinen Zeigefinger auf meinen Mund und ich verstummte umgehend. Eriks hellen Augen funkelten.
      “Ich hole dich heute Abend ab. Wir veranstalten eine kleine Runde unter Freunden und ich möchte, dass du sie kennenlernst”, bot er an. Aus meiner Schwermut wurde umgehend Vorfreude, auch wenn ich zu dem Zeitpunkt nicht einschätzen konnte, was das zu bedeuten hatte und ich es im Nachhinein bereuen würde.
      “Okay, machen wir so”, druckste ich und drückte flüchtig meine Lippen auf seine, nahm ihm die Leine ab und ging schlussendlich aus der Hütte, zusammen mit Trymr, der die ganze Zeit am Glas wartete.

      Lina
      “Na, ich zwei, meint ihr, sie kommt heute noch?”, fragte ich die beiden Hengste neben mir, allerdings erhielt ich keine Reaktion. Wunderkind hatte schon vor einer viertel Stunde entspannt den Kopf gesenkt und döste mit halb geschlossenen Augen, die rosa Unterlippe locker herunterhängend. Alfi hingegen scharrte fordernd mit den Hufen über den Boden und wippte ungeduldig mit dem Kopf auf und ab. Tadelnd klopfte ich dem Hengst auf die Schulter, was zumindest für einen Moment Wirkung zeigte.
      Bevor der Schimmelhengst zu einer erneuten Randale ansetzen konnte, ertönten endlich Vriskas Schritte auf der Stallgasse, begleitet vom Klackern der Hundepfoten. Trymr trabte freundlich auf mich zu und forderte auch augenblicklich eine angemessene Begrüßung ein.
      “Ahh, da bist du ja endlich und ich dachte schon, du gehts ohne uns spazieren”, scherzte ich. Was auch immer sie noch gemacht hatte, es schien sehr einnehmend gewesen zu sein.
      “Tut mir leid, ich war mir nicht bewusst, dass es so lange dauern wird”, verschloss sie den Reißverschluss ihrer dunkelblauen Jacke und fummelte dann weiter an der hellbraunen Lederleine des Hundes.
      “Alles gut. Wollen wir dann los?”, entgegnete ich freundlich und stupste Wunderkind, an dem sein Kopf mittlerweile gemütlich im Halfter hing, als sei es zu anstrengend, ihn selbst oben zu halten. Langsam kamen seine blauen Augen wieder unter seinen Lidern zum Vorschein und blickten mich an, synchron dazu hob sich auch der Kopf des Pferdes wieder an.
      “Auf jeden Fall”, grinste sie und holte noch den Helm aus der Sattelkammer. Es dauerte nicht lange bis wir dann schließlich auf den Pferden saßen. Während Alfi frisch und spritzig voranschritt, musste ich Wunder ein wenig motivieren. Er schien noch nicht wieder ganz aus seinem Delirium erwacht zu sein. Zugegeben bei den frostigen Temperaturen, war es dem Hengst nicht zu verdenken, dass er lieber weiterschlafen wollte, ein kuscheliges Bett wäre jetzt schon ziemlich verlockend. Alternativ wäre eine Sauna sicher auch okay, aber die würde ich hier auf dem Hof vergeblich suchen. Schließlich waren wir hier nicht in meiner Heimat, wo es sogar mitten im Wald Schwitzhütten gab. Auch wenn die Sonne den morgendlichen Nebel bereits vertrieben hatte, glitzerte immer noch Frost auf den beschatteten Stellen des Bodens und ein Habicht zog auf der Suche nach Beute seine Runden über den beinahe wolkenlosen Himmel. Kurzum es war ein wunderschöner, idyllischer Herbstmorgen. Genüsslich ließ ich die kühle Luft in meine Lungen strömen, nahm die Gerüche von feuchter Erde, nassem Laub und natürlich auch von den Pferden wahr.
      “Ist das nicht schön, all die bunten Farben, die die Natur jetzt zeigt”, sprach ich einfach meine Gedanken aus, die mir gerade durch den Kopf geisterten, “Weißt du, früher hatte ich mal eine Freundin, die sagte, es mache sie traurig, wenn die Natur im Herbst beginnt zu sterben, aber ich sehe das anders. Ich meine, der Herbst ist doch eher ein Neubeginn. Eichhörnchen verstecken Nüsse und aus denen, die sie vergessen, waschen im nächsten Jahr neue Bäume, auch die Elchbrunft legt neue Lebensgrundlagen und mit den Fruchtkörpern der Pilze kommt eines der größten Lebewesen weltweit ans Tageslicht. Was denkst du dazu?”
      “Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht”, antwortete Vriska abwesend und war im Wechsel damit beschäftigt den Hengst zu bremsen und Trymr zurückzurufen, der immer wieder eine neue Spur ins Dickicht nahm. Mittlerweile hatte sein Fell von Grau zu Braun, matschig gewechselt. Ich wartete auf ihre Antwort, beobachtete die Natur währenddessen weiter und bemerkte zwischen den jungen Kiefern und älteren Birken eine sehr alte Eiche, die fest verwurzelt an Ort und Stelle stand. Ringsum kaum Bäume, nur ihr eigenes Refugium.
      “Ich denke, dass die Natur einen Grund dafür hat und wir Menschen viel zu klein auf dem wahnsinnig großen Planeten sind, um uns dem in den Weg zu stellen”, murmelte sie.
      “Ja, da magst, du recht haben” stimmte ich zu, betrachte den knorrigen Baum, der Ehrfurcht gebietend vor uns aufragte. Die Eiche war sicher schon einige Jahrzehnte alt, wenn nicht sogar Jahrhunderte und schien so viel beständiger als der Wald ringsherum.
      “Wir sind nur eine winzige, kurzweilige Existenz in dieser Welt”, fügte ich gedankenvoll hinzu.
      “Wenn wir so weiter machen, sagen wir noch Sachen, die wir nicht so meinen”, kam es verschlossen aus Vriska, die dann noch Lächeln anknüpfte und den Hengst energisch vorwärtstrieb, um im langsamen Pass voranzukommen. Ihre Aussage irritierte mich ein wenig. Hatte ich etwas Falsches gesagt oder war das mal wieder einer ihrer rätselhaften Launen?
      Um nicht den Anschluss zu verlieren, trieb auch ich meinen Hengst an. Wunder erhöhte zwar seine Geschwindigkeit, aber aufgrund der ziemlich unrunden Bewegungsabläufe, war ich mir sicher, dass ich zuverlässig Gangsalat produziert hatte. Man hatte mir zwar mittlerweile oft genug erklärt, wie das funktionierte mit den Trabern, und den mehr Gängen, dennoch schaffte ich es immer mal wieder Gänge zu aktivieren, die ich nicht wollte oder gänzlich Chaos zu verursachen. Ein Wunder das noch keines der Pferde einen Knoten in den Beinen bekam. Mein Glück, dass das Pferd unter mit klüger war als ich, denn nach weniger Metern entschied der Hengst selbst die Wahl der Gangart zu übernehmen und sich dem Schimmelhengst anzupassen und den Abstand zu ihm zu verringern.
      “Vriska, warte doch”, versuchte ich Vriska wieder zum langsamen Reiten zu bewegen, “ist etwas los?” Eine Reaktion folgte jedoch nicht, stattdessen schnaubte Alfi ab und hielt sein Tempo, als gäbe es nichts Leichteres auf der Welt. Aber der Weg wurde zunehmend unsicherer, viele Wurzeln durchzogen den Sandboden, die sich unter den Hufeisen und leichten Frost darstellten. So entschied Vriska endlich das Pferd zu parieren, erneuert stellte ich meine Frage und diesmal sah sie sogar zu mir, während der Hengst sich erholt streckte.
      „Es ist ein erneutes Mal alles etwas viel“, schnaufte sie laut. Ihre Hände fummelten unkontrolliert an der Mähne des Pferdes herum, strichen ihm über den Hals, bis sie schließlich den Reißverschluss wieder in den Fingern hatte.
      “Verstehe ich, es ist mal wieder ziemlich viel los hier”, antworte ich einfühlsam. Zu gut konnte ich Vriska verstehen. Fruitys Verkauf, Glymur, den sie abgeben musste, Erik, der auf einmal wieder da war, es war fast so, als kenne Vriskas Leben nur Action und gab keine Zeit für Erholungspausen.
      „Und dann noch die ganzen Einsteller, die zur kalten Jahreszeit Beritt wollen. Ich kann mir auch nur schlecht vorstellen, wie ich sonst mein Leben regelte“, grinste sie.
      “Ja, das ist schon erstaunlich”, lächelte ich, „das kenn ich so gar nicht. In Kanada wurde es zum Winter her eher weniger Arbeit. Aber okay, wir hatten auch gerade einmal zwei Einsteller auf dem Hof.” Gleichmäßig zu Wunders Atemzüge, stiegen kleine, weiße Atemwölkchen aus seinen Nüstern empor und die wenigen Stellen, an der er begonnen hatte zu schwitzen, dampften ein wenig.
      „Klarer Fall von keine-Lust-bei-dem-Wetter-das-Pferd-selbstzubewegen“, zuckte Vriska mit den Schultern und holte Alfi im Tempo wieder zurück.
      „Nicht nachvollziehbar. Ich glaube nach spätestens zwei Tagen, wüsste ich nichts mehr mit mir anzufangen so ohne Pferde. Solang am Ende des Tages eine warme Dusche auf mich wartet, ist das sogar beim ekeligen Wetter okay“, entgegnet ich verständnislos. Sie zuckte auch nur mit den Schultern und musterte den Himmel, an dem immer mehr Wolken aufzogen und die letzten wärmenden Strahlen der Sonne verdeckten. Die Kronen der Bäume bewegten sich sanft im Wind, knarrten mysteriös und bunte Blätter fielen in unsere Richtung. Diese Idylle wurde lediglich kurz unterbrochen durch einen leisen Signalton meines Handys. Ich brauchte nicht nachzusehen an was das Gerät mich erinnern wollte, denn ich dachte schon ungefähr seit drei Tagen ununterbrochen daran.
      “Vriska, habe ich dir eigentlich erzählt, dass heute mein neues Pony kommt?”, grinste ich voller freudiger Erwartung. Tatsächlich war ich mir nicht ganz sicher, ob ich tat, denn ich hatte bereits mit so vielen Leuten darüber gesprochen, dass ich vergaß, wen genau ich schon davon in Kenntnis setzte.
      “Warte”, bremste sie eruptiv den Hengst ab, “du hast dir noch ein Pferd gekauft?” Ihre Stimme klang kratzig und äußerst stark auf ‘noch ein’ betont. Kurz räusperte sie sich, wand sich dem Hund zu, der erneut seinen Weg in das Dickicht des Waldes suchte. Mit einem einzigen Pfiff folgte Trymr uns wieder.
      “Dann ist die Box neben Smoothie also für deinen neuen Begleiter? Ich will alles wissen”, jubelte Vriska erfreut und sah mit ihren Augen starr in meine Richtung.
      “Ja, eigentlich war ich ja nicht auf der Suche, weil ich ja Ivy habe, aber ich konnte nicht nein sagen, als Niklas sie mir gezeigt hat. Sie ist nämlich, wer hätte das nur erwartet, ein Freiberger.” Ich begann wie ein Honigkuchenpferd zu strahlen und spürte, wie nun langsam die Aufregung in mir stieg, wie bei einem Kind an Weihnachten, wenn die Geschenke bereits in Sichtweite unter dem Baum lagen.
      “Redo ist ein Polizeipferd und hat mit ihren elf Jahren nun genug Dienst geleistet, weshalb sie jetzt bei mir ihre Rente genießen darf. Optisch ist sie wohl eher das Gegenteil von Divine, denn sie ist schwarz wie die Nacht und hat eine unglaublich niedliche Blesse, aber das wirst du ja später selbst sehen”, schwärmte ich voller Elan von meinem neuen Pferd.
      “Ach so, toll”, murmelte sie überzogen, aber folgte der Erzählung. Schon als ich den Namen meines Freundes erwähnte, rollten ihre Augen und der Blick verschwand zur Seite.
      “Warum bist du heute so seltsam, Vriska? Da steck doch sicher mehr dahinter, als dass aktuell viel los ist”, hakte ich nach und musterte sie prüfend. Erneut räusperte sie sich: “Erik ist eifersüchtig, weil ich mit Niklas trainiere, obwohl wir schon so weit gekommen sind. Darüber schien er nicht sehr begeistert zu sein. Erst jetzt, wo ich etwas mehr darüber nachdenke, kommt es mir blöd vor.”
      “Ja, ein wenig blöd klingt das schon, aber ganz ehrlich, ich kann es bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, ich meine bei eurer Vergangenheit …”, murmelte ich und schielte verhalten zu ihr hinüber, “aber das ist sicher nicht das, was du hören wolltest.” So gut wie ich Eriks Seite nachvollziehen konnte, so konnte ich auch Vriska verstehen.
      “Jedenfalls, denke ich, er hat einfach nur Angst davor dich zu verlieren. Wenn dich etwas an seinem Verhalten stört, solltest du mit Erik darüber reden und versuchen einen Kompromiss zu finden, mit dem ihr beide leben könnt”, riet ich ihr. Ohne recht zu wissen warum, strich ich Wunderkind über den gescheckten Hals, woraufhin er schnaubte.
      “Vergangenheit. Ah ja”, schnaubte sie und unterstrich ihre Aussage mit einem sehr deutlichen Augenrollen, dass wohl auch die Hengste zu deuten wussten. Ihr gefiel meine Aussage ganz und gar nicht, doch statt wie gewohnt dann die Flucht anzutreten, atmete Vriska tief durch und sah mich starr an. “Aber nein, ich werde nicht darüber mit ihm sprechen, denn es das einzige Anliegen, was er je geäußert hat und dem werde ich nichts entgegentreten”, fügte sie deutlich gelassener hinzu, aber setzt dann doch noch einmal zu einem scharfen Zusatz an: “Dein Kerl hatte damit ein so viel größeres Problem und musste mir daraufhin urig lange Texte verfassen, die davon geplagt waren, wofür ich ihm so dankbar sein sollte oder so.”
      “Jap, das glaube ich dir gern. So ist er, der Herr”, kommentierte ich das Ganze trocken. So ganz nachvollziehen, warum sie sich bei mir darüber beschwerte, konnte ich nicht, schließlich war Niklas mein Freund und nicht mein ungezogenes Kind, aber wenn es ihr damit besser ging, solle sie mal machen. Immerhin wusste ich wie anstrengend er mit seinen Eigenheiten manchmal sein konnte. Verdutzt entglitten ihre Gesichtszüge, um nun doch ein schnelleres Tempo mit dem Hengst anzustreben. Im Pass bretterte Alfi los, gefolgt von Trymr, der mit lockerem Zug hinterherrannte. Sein Schwanz bog sich zwischen die Beine, als wäre er auf der Jagd nach einem Hasen, der ihm zufälligerweise über den Weg lief. Auf der Bahn erlangte Wunderkind viele Siege, aber sobald ein Sattel auf seinem Rücken lag, musste man kontinuierlich mit den treibenden Hilfen am Ball bleiben, dass er nicht zurückfiel. Sosehr ich mich auch bemühte dem Wunderkind zu etwas mehr Geschwindigkeit zu verhelfen, der langbeinige Schimmel hatte mehr davon, womit Vriska jeden Kommunikationsversuch abblockte. Der Wind blies mir kräftig entgegen, zerzauste das, was mal ordentliche Zöpfe gewesen waren und der Matsch spritze Wunder mindestens bis an die Brust und bedeckte sein Fell mit graubraunen Punkten.
      Erst als Vriska am Hof gezwungen war Alfi zu bremsen, hatte ich die Chance sie einzuholen. Ein wenig angestrengt lenkte ich den gescheckten Fuchs neben den Hengst, der mit geblähten Nüstern die Luft in seine Lungen zog und kleine Wolken in der Luft bildete.
      “Möchtest du mir verraten, was ich gesagt habe, dass du vor mit flüchtest oder hüllst du sich lieber weiter in Schweigen?”, versuchte ich wieder, die Kommunikation mit ihr aufzunehmen. Noch bevor sie ein Wort sagte, musterte auch den Parkplatz, den sie offensichtlich mit ihren Augen absuchte. Wie vermutet, standen dort nur noch unsere Fahrzeuge vom Hof und drei Autos der Einsteller, die aktuell ihre Pferde besuchten. Eine von ihnen, Eve, kam uns freudig entgegen und saß auf ihrem Kaltblüter Hengst Raleigh, der neugierig die Ohren aufstellte, als Trymr ihm entgegentrat. Die schulterlangen schwarzen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, der am Helm hinten wie ein kleines Hörnchen herausstand.
      “Immer noch keinen Sattel gefunden?”, fragte Vriska höflich. Offenbar lag es doch an mir, denn mit Eve begann sie umgehend ein Gespräch, obwohl ich wusste, dass sie nicht leiden konnte. Vermutlich wäre auch einfacher aufzuzählen, wen sie mochte und dafür würde eine Hand reichen.
      “Leider nicht”, antwortete Eve kurz und ritt weiter. Der Hengst schnaubte ab, schenkte den beiden Rennpferden überhaupt keine Beachtung. Sein dreckiger Beinbehang schob sich durch den Kiesweg und hinterließ größere Löcher, als die anderen Pferde. Mehrmals drehte ich mich noch um und bewunderte etwas, dass sie ohne Sattel so selbstsicher auf dem Riesen saß. Vriska hingegen schwieg, aber ich spürte, dass es in ihrem Kopf brodelte. Sie warf mir einen fragenden Blick zu und ihre Augen glitzerten gläsern im Licht der kalten Lampen an der Außenwand des Stallgebäudes. Eine Träne kullerte über ihre Wange, die sie sofort wegwischte.
      “Ich will nicht, dass du mich hasst”, zitterte ihre Stimme, “aber dieses Auf und Ab die letzten Wochen mit Erik, tat mir noch weniger gut, als sein nicht da sein zuvor. Ich verlor mich in Gedanken, wusste nicht, was ich wollte oder verstand, was ich tat. Das endete darin, dass ich mich nicht mehr unter Kontrolle hatte, was ich sonst immer relativ gut schaffte und auch emotional davon abschottete. Dennoch fand ich mich betrunken auf Niklas Schoß wieder und zwei Shots später, fühlte er sich ebenfalls bereit dafür. Wäre Chris nicht dagewesen, weiß ich nicht, worin es geendet hätte.” Die Worte waren durchtrieben von Schluchzten und lauten Atmen. Dass es wieder mal so einen Auslöser geben würde, dachte ich mich bereits, versuchte meinen Geist aber zu beruhigen. Vermutlich gehörten solche Ekstasen zu seinem Dasein und ich musste akzeptieren, ihn immer mit seinen schlechten Eigenschaften teilen zu müssen. Eine Antwort kam mir nicht in den Sinn, doch Vriska keuchte mit roten Augen, die weiter mit Tränen besetzt waren, weiter: “Sonst gehe ich ihm schon immer aus dem Weg und reduzierte den Kontakt aufs nötigste, um mich auf das wesentliche zu konzentrieren. Aber beim Training fühlte ich mich so frei, geborgen und es unwichtig wer ich bin oder was ich darstellen sollte. Das verletzt mich und noch so viel mehr, dass ich immer wieder zwischen euch funke, obwohl das überhaupt nicht mein Plan ist. Deswegen überlege ich wieder nach Hause zu fahren.” Das Gesagte war bitter, doch die Qual darin war so deutlich, dass ich es beinahe selbst zu spüren glaubte. Es betrübte mich, dass Vriska so sehr litt, dass sie in der Flucht den einzigen Ausweg sah. Verübeln, könnte ich es ihr allerdings auch nicht, schien es doch der leichteste Weg zu sein, einfach aus diesem Leben hier zu verschwinden und weit wegzukommen, an einem anderen Ort neu anzufangen.
      “Ich hasse dich nicht”, sprach ich sanft, bevor ich auf der Suche nach den richtigen Worten innehielt, “viel mehr danke ich dir für deine Aufrichtigkeit. Ich spüre wie es dich zerreißt und es tut mir leid, dass das Training als Wohlfühlort nun wegfällt. Aber ich würde mir wünschen, dass du hierbleibst, nicht das aufgibst, was du dir aufgebaut hast. Ich meine, wie du selbst schon, sagtest du bist bisher so weit gekommen und auch wenn du es vermutlich nicht glauben kannst, ich brauche dich. Wer unterstützt mich denn sonst dabei, der Männlichkeit hier nicht völlig die Macht zu überlassen?” Aufmunternd lächelte ich ihr zu, bevor ich die Rede fortsetzte: ”Außerdem, hast du mit Erik einen wundervollen Menschen an deiner Seite, der dich sicher unterstützen wird. Wenn du wirklich zurück in deine Heimat willst, bin ich die Letzte, die dich aufhalten wird, aber lass uns vorhersehen, ob es nicht auch eine andere Lösung geben könnte.”
      Das Schluchzen endete und verlief sich im Säuseln der Blätter, der jungen Birken am Wegesrand. Von außen betrachtet standen wir sinnlos herum, weder links noch rechts hatte jemand die Möglichkeit an uns vorbeizukommen und die Hengste schnappten verspielt nach einander. Erst nach geraumer Zeit griff Vriska in das Geschehen ein und tadelte den Schimmel. Er wippte mit dem Kopf und trat zwei Schritte zurück. Dann lobte sie ihn, Ruhe kehrte wieder ein, obwohl ihr Atem noch sehr präsent war. Obwohl sie ihr Piercing schon länger aus der Unterlippe nahm, biss sie mit der oberen Zahnreihe darauf herum und versuchte nicht vorhandene Objekt mit der Zunge zu drehen. Es sah schon aus wie Ivy, wenn er eine Banane auf dem ganzen Boden verteilte.
      “Wir kennen ihn beide kaum, um das beurteilen zu können”, seufzte Vriska und wischte eine Haarsträhne aus dem Gesicht, “aber ich soll heute seine Freunde kennenlernen.”
      “Ausgezeichnet, dann nutzt deine Chance ihn besser kennenzulernen”, versuchte ich sie weiter aufzumuntern.
      “Hörst du dir eigentlich manchmal selbst zu?”, lachte Vriska mit verstopfter Nase, “erst mal sehen, ich habe Angst und weiß nicht, ob das nicht einfach so ein aktuell verstehen wir uns echt gut, mit ihm sein wird.”
      “Nein, da setzt mein Hirn regelmäßig aus”, schmunzelte ich, freute mich aber Vriska aufmuntern zu können, “Dann lass dir Zeit mit deiner Entscheidung, tu das womit du dich am wohlsten fühlst.”
      “Merke ich. Aber ich weiß nicht, womit ich mich wohlfühle. Er ist toll, aber nur solang er bei mir ist für einige Stunden. Außerdem”, sie schluckte, bevor die Worte zittrig ihre Lippen verließen, “ist da auch noch Fredna, mit der ich mich nicht so recht anfreunden kann.”
      “Ersteres wirst du wohl leider allein rausfinden müssen. Erforsche einfach langsam, was du willst und was Fredna betrifft … ich denke, das benötigt Zeit, Geduld und Verständnis. Das ist sowohl für dich als auch für die Kleine eine komplett neue Situation. Erwarte nicht sofort, dass sie dich vergöttert, mach dir aber auch selbst keinen Druck, Erwartungen erfüllen zu müssen oder dass es sofort funktionieren muss”, riet ich Vriska und lächelte sie aufmunternd an.
      “Das sagst du so leicht, dich mag sie”, wieder seufzte sie, aber schwang sich aus dem Sattel. Der Wind wurde rauer und auch mir wurde zunehmend unangenehm kalt auf dem offenen Feld. Prüfend sah Vriska sich im Stall um, ehe sie ihre Verteidigung wieder aufbaute, als sollte ich von meiner Stellung ablassen und ihr dazu raten, Erik erneut fallenzulassen: “Ich weiß nicht, was ich erwarte, schließlich hatte ich nicht mehr damit gerechnet, mir Gedanken machen zu müssen, was passiert, wenn man jemanden an seiner Seite haben könnte. Spaß wollte ich haben, ansonsten wird mir hier doch alles geboten. Na gut, ein eigenes Pferd wäre noch toll.”
      “Dann wird es jetzt mal Zeit, dass du dir darüber Gedanken machts oder du wartest einfach ab, wohin das Leben dich führt”, blieb ich bei meiner Haltung, dass sie Erik zumindest eine weitere Chance geben sollte, auch wenn ihr das Modell feste Beziehung und dann auch noch mit einem Kind im Spiel, ziemlich zu schaffen machen schien.
      “Und ich glaube da mit dem Pferd, könntest du sicher erfüllen, wenn du dein Geld nicht so viel für überteuerte Schabracken ausgeben würdest, wobei ich dir zustimme, dass dieser Barbielook von Lubi auf Dauer nur schwer erträglich ist”, ging ich auch noch auf ihren letzten Satz ein, bevor ich den Sattel von Wunders Rücken zog und mich mit diesem auf den Weg in die Sattelkammer machte.
      “Die hat nur 1199 Kronen (ca. 120 Euro) gekostet”, murmelte Vriska verstohlen in ihren Kragen und folgte mir mit dem Sattelzeug des Schimmels, den sie entschlossen in das Solarium stellte. Trymr hatte sich derweil auf einer der Decken platziert und streckte alle Viere von sich, erschöpft aber glücklich wedeltet die Rute langsam.
      “Und was Erik betrifft”, setzte sie nach einem Augenblick der Stille wieder an, “der gibt sich doch auch kaum Mühe, hofft nur, dass etwas Nähe reicht. Ich weiß nicht einmal, was er aktuell macht nach dem er gekündigt wurde. Es ist blöd so, aber was weiß ich schon, was man ändern sollte. In meinem Kopf hüpfen nur bunte Ponys.”
      “Weißt du, es gibt da so etwas, das nennt sich Kommunikation. Ich habe gehört, das soll helfen, wenn man sich wünscht, dass Menschen sich verändern sollen. Sag ihm, dass du das, wie es aktuell läuft, doof findest, dass dir da etwas fehlt. Vielleicht findet ihr zusammen den Punkt, an dem es hakt”, versuchte ich ihr besten Gewissens zu helfen, was angesichts der Tatsache, wie unsicher Vriska in Bezug auf Erik war, nicht gerade einfach war.
      “Kannst du das nicht machen? Schließlich scheint es ihm an nichts zu fehlen”, zuckte sie mit den Schultern, dann griff sie in ihr Fach, in dem normalerweise das Handy lag. Jedoch befand sich dort nichts.
      “Ja, das kann ich für dich tun, aber ich kann dir nicht versprechen, dass das den gewünschten Effekt hat”, erwiderte ich ehrlich. Ich konnte nachfühlen, dass sie das Thema nicht selbst ansprechen wollte, schließlich ging ich selbst der Konfrontation mit unangenehmen Themen, wenn möglich, aus dem Weg.
      “Ach schon gut, ich werde erst mal sehen, was sich heute ergibt. Mir würde schon reichen, wenn ich überhaupt etwas über ihn im Internet finden würde, aber nein. Er ist ein Phantom”, legte sie laut und griff immer wieder in das leere Fach, als konnte sie nicht glauben, dass sich das Gerät dort nicht befand. Vriska seufzte und drehte sich schließlich zu mir, klemmte die Schuhe zwischen ihre Knie und band sich das lange weiße Haar zu einem neuen Zopf.
      “Apropos Phantom. Ich habe deinen ehemaligen Kerl gefunden”, dreckig lachte sie und ein falsches Lächeln durchzog ihr Gesicht. Für ein paar Sekunden fühlte es sich an, als sei mein Herz stehen geblieben, bevor es umso heftiger pulsierend wieder einsetzte und dabei das gesamte Blut aus meinen Extremitäten in die Körpermitte zu saugen schien.
      “Du hast was?”, presste ich hervor und starrte sie mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. Auf Social Media hatte meine Schwester damals dafür gesorgt, dass er blockiert wurde und alles andere wo Bilder oder Beiträge von ihm auftauchen konnte, mied ich wie die Pest. Er war einer der Gründe, weshalb Dinge wie das Jahrbuch aus meinem Abschlussjahr zusammen mit einem Sammelsurium an Fotos und anderer Dinge in einer Kiste einstaubten.
      “Ich habe doch gesagt, wenn ich ihn finde, mache ihm das Leben zur Hölle”, zuckte sie mit den Schultern und zog den Gummi fester. Ich bewegte mich nicht von der Stelle, spürte aber, dass sie ihre Hand auf mir ablegte, bevor sie weitersprach.
      “Offensichtlich puscht er sein Ego nun damit, von anderen Mädchen angehimmelt zu werden und ich nutze bewusst diesen Begriff. Im ersten Überblick waren die zwischen zwölf und siebzehn”, ungläubig schüttelte sie mit dem Kopf, “beliebt wurde er durch einen Unfall, der ihn ziemlich viel Aufmerksamkeit brachte und seine internationale Ice Hockey Karriere trug wohl den Rest dazu bei. Ach, und der ist mit so einem Model aus Estland zusammen, was aber ziemlich gestellt wirkt. Viel Zeit verbringen sie nicht miteinander, denn die gefühlten stündlichen Story-Updates zeigen nur selten beide zusammen am selben Ort. Bilder hingegen waren nur gemeinsam. Seine Agentur hat auch gute Arbeit verrichtet, zu verschleiern, was vor seiner großen Onlinekarriere kam. Ich fand einige Dokumente über einen mehrjährigen Gefängnisaufenthalt wegen Körperverletzung, durch das verstoßen gegen Bewährungsauflagen. Also hat er seine Strafe bekommen, wenn auch zu kurz.”
      Ein wenig gruselig, wie viele Informationen Vriska einzig aufgrund eines Vornamens herausgefunden hatte. Doch die Anspannung löste sich langsam von mir, auch wenn mein Kopf einen Moment benötigte, um die Informationen zu verarbeiten.
      “Warum wundert mich das nicht, dass seine Freundin offenbar nur Fake ist …”, murmelte ich vor mich hin. Schon nach der Trennung hatte ich die bittere Erkenntnis, dass weder ich noch irgendein anderes Mädchen für ihn jemals mehr gewesen waren als ein dekoratives Schoßhündchen.
      “Gefängnis, sagst du?”, wiederholte ich und Vriska nickte bestätigend, „dazu kann ich nur sagen, Karma ist eine Bitch. Nur traurig, dass sie ihn wieder herausgelassen haben.” Erstaunlicherweise fühlte es sich überraschend gut an, zuhören, dass das Leben dieses Arschlochs, nicht nur aus Glanz und Gloria bestand. Es macht die Ereignisse zwar nicht ungeschehen, deren unsichtbare Narben ich auf dem Herzen trug, aber es der Gedanke, dass das Leben ihn strafte, machte es geringfügig erträglicher damit zu existieren.
      “Tyri hat bis heute nicht bekommen, was er verdient”, gab Vriska nur trocken von sich und trat aus der Sattelkammer heraus. Von außen drang das Piepen des Solariums hinein, was womöglich ihre Flucht beantwortete.
      “Das tut mir leid”, bekundete ich meine Anteilnahmen und folgte aus dem Raum. Auf dem Putzplatz fand ein schlafendes Wunderkind vor. Bisher war mir noch kein Pferd begegnet, welches so viel döste, äußerst energieeffizient für ein Rennpferd. Mit einem sanften Stupser weckte ich den Hengst und versuchte ihn in Bewegung zusetzten. Langsam stellte er sich normal hin, streckte sich und folgte mir dann doch langsam in seine Box. Vriska befreite derweil den Schimmel aus dem Solarium und stellte ihn ebenfalls weg.
      “Lina, jetzt hör doch mal auf hier herumzulaufen wie ein aufgeschrecktes Huhn”, sagte Vriska augenrollend, als ich sicherlich bereits zum dritten Mal prüfte, dass die Box für Redo auch wirklich ausreichend vorbereitet war, aber natürlich war sie das, weil außer das eine Box frisch eingestreut war, gab es nichts vorzubereiten.
      “Aber wo soll ich denn dann hin mit meiner ganzen Energie?”, entgegnet ich und wippte auf meinen Zehen auf und ab. Es konnte nicht mehr lange dauern bis die Transporter mit meinem neuen Pferd auf den Hof rollte.
      “Keine Ahnung, aber so machst du nicht nur mich kirre, sondern auch die Pferde”, antwortete, sie schulterzuckend und deute auf Smoothie, die in der Box hinter mir stand, eines der riesigen Ohren nach vorn, eines nach hinten gedreht und mich irritiert anstarrte, um kurz darauf nervös mit dem Kopf zu schlagen. Dem Pferd zuliebe mühte ich mich, das Wippen einzustellen, was sich dafür darin niederschlug, dass ich ersatzweise an meinem Armband herumnestelte. Wenn das so weiterginge, würde es noch in einem Übermaß an nervöser Energie kaputtgehen.
      Glücklicherweise wurde es davor bewahrt, da nun das Dröhnen eines Motors draußen zu vernehmen war, was dem ganzen Warten endlich ein Ende setzte.
      “Sie sind da”, quietsche ich begeistert und lief schnellen Schrittes zum Tor. Im Schein der untergehenden Sonne rollte der überdimensionierte Transporter auf den Hof. Wenn man ihn so sah, könnte man denke ich habe eine ganze Herde gekauft und nicht nur ein einziges Tier. Das Gefährt kam zum Stillstand und ein Mann kletterte aus der Fahrerkabine, der nach einer kurzen Begrüßung, noch ein wenig Papierkram hervorkramte. Schnell waren die Formalien erledigt, sodass es ans Ausladen gehen konnte.
      Aufgeregt beobachte ich wie der Mann, die Klappe und das leere Abteil, welches vor meiner Stute war, öffnet. Als er einen kleinen Teil öffnete, kam sogleich der Kopf der Stute zum Vorschein. Mit neugierig aufgestellten Ohren streckte sie dem Mann die Schnauze entgegen, der einen Strick an ihrem Halfter befestigte, bevor er die Seitenwand komplett öffnete. Routiniert, als würde sie das jeden Tag machen, ließ sich die Stute die Rampe herunterführen.
      Neugierig, aber ganz ruhig stand Redo am Fuß der Rampe und nahm die neue Umgebung in Augenschein, während ich den Strick von dem Mann entgegennahm. Eine Welle von Endorphinen jagt durch meinen Körper und ließ meinen Puls unwillkürlich in die Höhe schnellen. Das mag jetzt bescheuert klingen, aber es fühlte sich irgendwie ziemlich erwachsen an zu wissen, dass ich dieses Pferd von meinem eigenen Geld gekauft hatte.
      > Tervetuloa kotiin kauniisti.
      „Willkommen Zuhause, Hübsche”, raunte ich der Stute zu und strich ihr von Glück erfüllt über den kräftigen Hals. Kurz beschnupperte Redo mich, bevor sie die Nase zum Boden hinuntersenkte, um diese zu inspizieren.
      “Darf ich vorstellen, das ist Ready for Life. Sie darf ab heute ein Leben als Freizeitpferd genießen”, wand ich mich nun stolz an Vriska, die die ganze Szene mit etwas Abstand beobachtet hatte.
      “Das ist doch toll”, lachte sie aufrichtig und hielt der Stute ihre Hand hin, die konsequent ignoriert wurde. Gerade als sie den Mund öffnete, um weiteres zu sagen, stoppte sie und sah hektisch zur Seite. Niklas hatte die Tür seines Autos zugeworfen und lief großen Schrittes zu uns.
      “Mein Einsatz, viel Spaß euch”, duckte sie sich ein Stück nach unten und verschwand zur anderen Richtung. Offenbar setzte sich das seltsame Fluchtverhalten von heute Morgen noch fort. Doch anstatt mir darüber Gedanken zu machen, strahlte ich meinen Freund an, dessen Anblick nur noch mehr Glückshormone durch meinen Körper jagtet. So viele, dass ich ihm am liebsten in die Arme gesprungen wäre, was ich aber in Anbetracht des Pferdes in meiner Hand besser ließ. Stattdessen kam nur ein kurzes, “Hey Schatz”, über meine Lippen, bevor ich diese stürmisch auf seine drückte. Die wohlige Wärme, die von ihm ausging, schien meine Haut geradezu zu absorbieren, damit sie auf direktem Weg mein Herz erwärmte. Langsam löste ich mich meine Lippen wieder von ihm, aber mein Blick konnte sich nicht von seiner perfekten Erscheinung lösen. Erst ein leichter Zug auf dem Strick, dessen Ursprung Redo war, die ein paar Schritte getan hatte, um an drei einsame Grashalme heranzukommen, holte mich von meiner Liebeswolke hinunter.
      “Du kommst genau richtig, ich wollte mein Pony gerade in ihr neues Zuhause bringen”, lächelte ich und holte mir mit einem sachten zupfen am Strick den Kopf der Stute wieder zu mir. Daraufhin suchte sie nun in meinen Jackentaschen nach etwas Essbarem. Tatsächlich hatte ich noch Leckerlis in der Tasche, von denen ich ihr eines in die Schnauze stecke.
      “Ach und ich glaube, dein Pferdchen würde sich über deine Anwesenheit freuen, die war heute Morgen ziemlich launisch”, fügte ich noch hinzu, bevor ich meine Rappstute in Bewegung setzte. Smoothie hatte heute Morgen nicht nur das Vollblut raushängen lassen, sondern zusätzlich auch noch die Stute, was wirklich keine sonderlich umgängliche Mischung war.
      “Jeder freut über meine Anwesenheit”, grinste er verschmitzt und folgte mir.
      “Natürlich Liebster, nur manche freuen sich ein wenig mehr als andere”, stimmte ich ihm schmunzelnd zu. Als wir die Stallgasse betraten, schien seine Stute diese Aussage unterstützen zu wollen, denn kaum erblickte sie Niklas, quietschte sie auf und sprang in ihrer Box herum wie ein junges Fohlen. Redo schien von dem Gehampel weitestgehend unbeeindruckt und versuchte neugierig Kontakt zu den Pferden aufzunehmen, die ihre Köpfe über die Boxentüren reckten. Während mein Freund sein hüpfendes Schimmeltier beruhigte, ließ ich meine Stute gewähren, schließlich bestand heute kein Zeitdruck. Schon nach einem kurzen Schnuppern verloren die meisten allerdings bereits das Interesse und zogen sich in ihr Boxen zurück.
      In ihrer Box nahm ich Redo das Halfter ab bevor ich mich zurückzog, damit sie sich in Ruhe alles ansehen konnte. Lächelnd beobachtete ich wie der Freiberger den Kopf senkte, ein Stück durch die Box stiefelte und sich niedersinken ließ. Brummelnd kugelte sie in den Holzspänen umher. Allem Anschein nach entsprach zumindest schon einmal der Bodenbelag den Vorstellungen der Stute. Nach einigen Minuten rappelte sie sich auf, schüttelte sich und steuerte zielstrebig das Heu an.
      “Kleiner Nimmersatt”, murmelte ich in mich hineinlächelnd und sah der Stute beim Fressen zu. Es erfreute mich, dass sie sich direkt so wohl hier zu fühlen schien. Unbewusst wanderte mein Blick zu Niklas hinüber, der in der Nachbarbox mit seiner Stute herumblödelte. Schon allein bei seinem Anblick regte sich etwas in mir, was sich einfach wundervoll anfühlte und mich immer wieder darin bestätigte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Hier wollte ich bleiben, denn dieser Ort war ein Zuhause geworden und Niklas war ein nicht unwesentlicher Teil davon. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so akzeptiert und geborgen bei jemandem gefühlt, der nicht Samu oder meine Schwester war.
      Das Einzige, was noch fehlte, um das ganze vollkommen zu machen, war mein Zauberpony, denn dann würde die Sehnsucht in meinem Herzen endlich ein Ende nehmen.
      Mein Handy, welches plötzlich Aufmerksamkeit verlangte, holte mich aus meinen Gedankengängen. Samus Name leuchtete auf dem Bildschirm, besser hätte es gerade ja nicht passen können. Hoffnungsvoll, dass er anrief, weil er gute Neuigkeiten hatte, drückte ich auf den grünen Hörer: “Hei, Samu.”
      > Lina, mitä kuuluu? Onko päiväsi ollut mukava tähän asti?
      „Hey Lina, wie geht's? War dein Tag schön bisher?”, kam es durch den Hörer. Leider konnte ich seine Stimmung nicht richtig deuten, sodass ich wohl abwarten musste, ob er vielleicht Neuigkeiten hatte.
      > Minulla menee loistavasti. Ready for Life on juuri saapunut ja näyttää tuntuvan melko mukavalta täällä, ainakin ruoka on heidän prioriteettinsa.
      ”Mir geht es wundervoll. Ready for Life ist gerade angekommen und scheint sich hier schon ganz wohlzufühlen, zumindest ist Futter ihre Priorität”, erzählte ich und warf lächelnd einen Blick auf die Stute, die immer noch an ihrem Heu mümmelte. Als sie merkte, dass sie angesehen wurde, hob sie ihren Kopf und kam zu mir getrottet. Sanft strich ich Redo durch die kurze Mähne.
      > Kuulostaa siltä, että hän on selvästi oikea Freiberger
      ”Klingt als sei sie ganz eindeutig ein echter Freiberger”, lachte Samu.
      > Onko poikaystäväsi kanssa kaikki hyvin?
      „Und mit deinem Freund ist auch alles gut?”, fragte er seltsam bemüht darum, dass es beiläufig klang.
      > Odotatko jo hääkutsua vai miksi kysyt niin oudosti?
      „Wartest du schon auf die Hochzeitseinladung oder warum fragst du so seltsam?”, amüsierte ich mich,
      > Mutta kyllä, kaikki hyvin. Ilman sitä olisit kuunnellut tätä kauan.
      ”Aber ja, alles gut. Wäre es nicht so hättest du das schon lange zuhören bekommen.”
      > Jos asia on niin, odotan innolla, että päivästäsi tulee vielä kauniimpi.
      ”Na, wenn das so ist, freue ich mich deinen Tag gleich noch schöner zu machen”, kündigte Samu groß an, rückte aber nicht mit der Sprache raus. Er wollte mich wohl echt auf die Folter spannen.
      > Samu, sano kyllä.
      „Samu, jetzt sag schon”, forderte ich nachdrücklich,
      > Ole hyvä.
      „Bitte.”
      > Eläinlääkäri oli juuri siellä ja Ivy saa nyt lähteä.
      ”Der Veterinär war gerade da und Ivy darf jetzt ausreisen”, gab er mir endlich die Neuigkeiten durch, auf die ich schon seit Tagen hoffte. Redo, die begonnen hatte, sanft mit ihren Lippen an meinen Zöpfen herumzuspielen, zuckte zurück, als ich freudvoll auf quietschte und einen kleinen Hüpfer machte. Von Niklas erntete ich daraufhin einen schrägen Blick. Entschuldigens strich ich Redo über den flauschigen Hals, bevor ich wieder an Samu wandte:
      > Kiitos Samu, olet paras. Milloin hän tulee?
      „Danke Samu, du bist der Beste. Und wann wird er dann hier sein?”
      > perjantaina lastaamme hänet tänne lentokoneeseen, mikä tarkoittaa, että lauantaina taikaponisi on kanssasi.
      ”Am Freitag laden wir ihn hier in das Flugzeug, das heißt am Samstag ist er bei dir”, erklärte Samu offenbar amüsiert über meine überschwängliche Reaktion.
      > Linchen, minun on palattava töihin. Lähetän tarkat päivämäärät uudestaan ja tänä iltana tai sinulle huomenaamulla saat päivittäisen Ivy-raporttisi. Hyvää illanjatkoa.
      „Okay Linchen, ich muss jetzt zurück an die Arbeit. Die genauen Daten schicke ich dir dann noch mal und heute Abend bzw. für dich morgen früh bekommst du dann noch deinen täglichen Ivy Report. Dir noch einen schönen Abend“, beendete Samu schließlich das Gespräch.
      > Myös mukava päivä ja jälleen valtava kiitos siitä, että huolehdit siitä. Heippa.
      „Dir auch noch einen schönen Tag und noch mal ein Riesen-Dankeschön, dass du dich darum gekümmert hast. Tschüs”, bedanke ich mich noch mal überschwänglich bei ihm bevor das Gespräch endgültig ein Ende fand. Der Abend war heute ohnehin schon von jeder Menge Glück erfüllt, aber die Nachricht, dass ich am Samstag wieder mit meinem geliebten Vierbeiner vereint war, toppte einfach alles. Das breite Grinsen, was sich seit der Verkündung dieser Nachricht auf meinem Gesicht ausgebreitet hatte, wollte gar nicht mehr verschwinden. Um weiteren Gefühlsausbrüchen zu entgehen, hatte mein anderes Pferd sich in seine Box zurückgezogen und mümmelte wieder entspannt an ihrem Heu. Anders als Divine war sie wohl eher weniger an menschlichen Emotionen interessiert.
      “Niki”, fröhlich lief ich zu der Nachbarbox, um die Informationen gleich mit meinem Freund zu teilen, “Samu hat gerade angerufen, in wenigen Tagen kommt Ivy endlich her.” Um Smoothie, die im Gegensatz zu heute Morgen nun wieder äußerst freundlich aussah, nicht zu verschrecken, bemühte ich mich meine Körpersprache zu mäßigen.
      “Dann bist du endlich wieder vollständig”, grinste auch Niklas mich an.
      “Ja, du sagst es”, trällerte ich heiter, “ich glaube der Tag kann jetzt nicht mehr viel besser werden.” Meine Hände ließ ich präventiv in den Jackentaschen versinken, bevor sie wieder abenteuerliche Figuren in der Luft beschreiben würden. Neugierig streckte sich mir eine rosa Pferdenase entgegen, die auch sogleich erkannte, dass sich neben meinen Händen noch etwas Essbares in den Taschen befand. Jetzt wollte Smoothie offenbar doch das Leckerli, welches sie heute Morgen verschmäht hatte. Niklas sorgte allem Anschein nach nicht nur bei mir jedes Mal für eine erhebliche Verbesserung der Launen, sondern bei seiner Stute schien er diese Wirkung ebenso zu haben. Schon allein wie sie immer herumsprang, wenn sie ihn nur hörte, irgendwie niedlich.
      Gierig schnappte die Stute nach der Leckerei, fast so als sei sie ein ausgehungertes Krokodil. Meine Finger hatten sie auch bereits zwischen ihren Lippen und diese entkamen ihren Zähnen nur knapp. Kaum hatte Smoothie das Leckerli verschlungen war ich aber auch schon wieder komplett uninteressant für sie. Gegen Niklas unwiderstehliche Aura kam ich nicht an, was mich auch wenig wunderte, da Smooth geradezu vernarrt in ihn war. Eines der wenigen Dinge, die die Stute und ich wohl gemeinsam hatten.
      „Du hast ein perfektes Timing“, rief ich Niklas beschwingt zu, der gerade die Wohnung betrat, bevor ich mich wieder summend dem Herd widmete. Während in dem einen Topf das Rentier vor sich hin köchelnde und einen wunderbaren Duft aussendete, warte ich nur noch darauf bis die Kartoffeln endlich weich waren.
      „Perfektes Timing wofür?“ Niklas zu mir gestiefelt und warf einen Blick über meine Schulter. Liebevoll gab er mir einen Kuss auf den Scheitel und legte seine Hände an meine Taille. Augenblicklich begann meine Haut unter seinen Berührungen zu kribbeln.
      „Was kochst du denn da schönes?“ Sanft kitzelten die Worte über meine Haut und sorgten dafür, dass sich die winzigen Härchen in meinen Nacken aufstellten und sich das wohlige Kribbeln in mir weiter ausbreitete.
      „Poronkäristys“, entgegnete ich fröhlich, nicht bedacht darauf, dass es damit vermutlich nichts anfangen konnte. „Also Rentier-Geschnetzeltes mit Kartoffelpüree und Preiselbeermarmelade“, fügte ich dann noch erklären hinzu, „nach einem Familienrezept.”
      Bereits seit einigen Tagen gelüstete es mich nach diesem Gericht, allerdings hatte ich nicht die Zeit gefunden es zu kochen. Mit knapp einer Stunde Kochzeit war es kein Gericht für schnell zwischendurch. Außerdem war es auch viel zu schade dafür, denn dieses Essen musste man genießen. Das Rezept dafür stammte noch von meiner Oma mütterlicherseits. Leider hatte ich sie niemals kennengelernt, denn sie verstarb bereits vor meiner Geburt. Aber mein Bruder, sagten immer, dass sie stets das beste Poronkäristys gemacht hatte, nicht mal das Rezept seiner Verlobten komme daran.
      “Es schmeckt sicher so wundervoll wie es duftet”, raunte Niklas mir sanft ins Ohr und umschloss mich nun vollständig mit seinen kräftigen Armen.
      “Das will ich doch hoffen”, lächelte ich geschmeichelt und ließ sanft meine Hände auf seinen nieder, worauf sich unsere Finger wie von selbst miteinander verwoben. Mit jeder Faser meines Körpers nahm ich ihn wahr und gab mich der Welle an Gefühlen hin, die durch meine Adern pulsierten. Alles, was sich in meinem Verstand regte, schien auf einmal zum Stillstand zu kommen, denn es war nur noch Platz für eine Sache: Niklas. Wie der Mond die dunkle Nacht erhellt, schaffte er es, das Dunkel in meinem Inneren zu bändigen.
      Von Zeit zu Zeit vergaß ich noch immer, dass das hier die Realität war, denn was er in mir auslösen, fühlte sich viel zu schön an, als dass es wahr sein könne. Für einen Augenblick verlor ich mich in dem Strudel aus Sinneswahrnehmungen und Gedanken und erst der Timer für die Kartoffeln lenken meinen Fokus wieder auf das Abendessen. Nur widerwillig ließ ich die alltäglichen Gedanken wieder die Kontrolle übernehmen und löste meine Finger aus seinen.
      Mit dem Messer pikste ich, welches noch in dem kleinen Chaos auf Arbeitsfläche lag, in die Kartoffeln, um zu testen, ob sie schon fertig seien, was mittlerweile auch der Fall war. Also stellte ich die Herdplatte aus, bevor ich den Topf nehmen wollte, um die Kartoffeln abzugießen, wobei die eingeschränkte Bewegungsfreiheit durch Niklas ein wenig hinderlich war. Zu gern hätte seine Nähe noch ein wenig weiter genossen, doch dann würden wir wohl hungrig bleiben. Durch den köstlichen Duft, der durch die Küche zog, hatte ich mittlerweile immensen Hunger und ich war mir sicher, meinem Freund ging es ähnlich.
      „Schatz, magst du schon mal den Tisch decken?“, bat ich ihn sanft.
      „Natürlich“, entgegnete er gutmütig und hauchte mir noch einen zarten Kuss in den Nacken, bevor er mich freigab.
      Dampfend kamen die Kartoffeln aus dem Topf, welche ich schließlich zurück auf die Herdplatte stellte, bevor ich die Knollen in eine Schüssel gab und zu Brei verwandelte. Ich spürte wie Niklas Blick auf mir ruhte, während ich noch immer summend die Mahlzeit zubereitete. Seine Aufmerksamkeit genoss ich in vollen Zügen, auch, wenn es sich trotz der mehr als zwei vergangenen Monate noch ein wenig befremdlich anfühlte. Flinn hatte mich früher nie so angesehen wie Niklas es jetzt tat, es fühlte sich so viel besser an. Bei Niklas fühlte ich mich geschätzt als das, was ich war und nicht als etwas, was irgendjemand in mir sehen wollte. Bei meinem Ex-Freund hatte ich den verheerenden Fehler begangen, mich von ihm verbiegen zu lassen, sodass ich für ihn nicht mehr war als ein beliebig austauschbares Spielzeug. Im Nachhinein betrachtet war Flinn auch nur in sehr wenigen Aspekten, dass was ich mir unter einem idealen Partner vorstellte. Aber Schluss damit, Flinn gehörte der Vergangenheit an und so sollte es auch bleiben.
      Als ich, die köstlich duftenden Teller auf den Tisch stellte, sah ich, dass Niklas offensichtlich die Weinflasche entdeckt hatte, die ich gestern zum Kochen genutzt hatte, denn es standen zwei Gläser mit der dunkelroten Flüssigkeit darin auf dem Tisch.

      Vriska
      Mit lautem Getöse fuhr Erik mit seinem Oberklassen-Coupé die steinige Auffahrt entlang und hielt genau vor meinen Augen an. Mein Handy, auf dem ich zuvor noch eine letzte Nachricht an meinen heimlichen Verehrer tippte, steckte ich in meine kleine Handtasche. Zeitgleich stieg er höflich aus, ohne den Motor abzustellen. Trymr, der neben mir saß, jaulte vergnügt und schob mit seinem Schwanz die Kieselsteine von links nach rechts. Fest klammerte ich mich an der Leine, obwohl der Hund keinerlei Anstalten machten loszuspringen.
      „Sollte ich mir Sorgen machen?“, musterte ich sein Outfit von oben bis unten. Es war fast undenkbar geworden, dass er keinen seiner Anzüge trug, die in meinen Augen so etwas wie sein Lebensstil war und eigentlich wie angewachsen seinen Körper umspannten. Auf seinen Schultern hing ein lockerer elfenbeinfarbener Wollpullover mit Rollkragen, die Ärmer nach oben geschoben, kombiniert mit einer hochgekrempelten Jeans, an den Füßen Boots.
      „Ich wollte dir bei nichts nachstehen“, lächelte er verlegen und lud als Erstes den Hund ein, bevor Erik auch für mich die Autotür öffnete. Im Wind des abendlichen Lüftchens wehte das weite Kleid an meinen Beinen zur Seite und durch seinen Mantel, den ich tragen sollte, ließ mich der Zug ein wenig frösteln. Doch einsteigen wollte ich noch nicht. Stattdessen sah ich zu ihm nach oben.
      „Du hast dir deine Augenbrauen gemacht?“, wunderte ich mich und legte meine Hand auf seiner Wange ab. Ich spürte kleine Stoppeln, die er womöglich beim Rasieren übersehen hatte, seine Augen lachten wie seine Lippen und den Blick abzuwenden, wagte ich nicht. Stattdessen schloss ich meine Augen, spürte sofort eine Explosion aus Gefühlen im Inneren meines Körpers, als er mich an sich herandrückte und sich unsere Lippen berührten. Nur durch ihn verlor ich nicht den Halt, klammerte mich an seinem Hals fest mit meinen Armen. An meiner Haut spürte ich, wie seine Halsschlagader pulsierte, unsere Körper zu einem Kreislauf wurden und alles in einem Takt schlug. So musste sich fliegen anfühlen.
      Seine Lippen ließen von meinem ab, doch alles sehnte sich nach mehr, auch wenn meine Knie schlotterten in der klirrenden Kälte. Sanft strich er mir durchs Haar und sagte leise: „Das fällt vermutlich nur dir auf“, dann bekam ich einen letzten Kuss auf die Stirn, bevor ich in das warme Fahrzeug stieg. Die Tür fiel neben mir zu. Auch er stieg noch ein und setzte das Fahrzeug in Bewegung. Leichter wurde es nicht. Nervös zupfte ich an den Enden des Kleides herum und blieb mit meinen Augen an Linas Fenster hängen, bei dem ich erkannt, dass sie endlich näher zueinanderkamen. Und dann gab es mich, undankbar darüber, was ich hatte und verängstigt, einzugestehen, dass nicht alles ein Abenteuer sein konnte. Ich verlor mich wie so oft in Gedanken, was auf dem Planeten zu suchen hatte, ob sogar besser wäre, wenn ich aus dem Leben aller verschwinde. Vielleicht eine Hütte mitten im Wald, allein, ohne Zivilisation, wenn das Geld reichte, sogar auf einem Berg und wenn morgens meinen Kaffee genoss, sah ich hinunter. Ein kleiner Fjord erhellte meine Augen und spiegelte die säuselnden Bäume oder eine Reihe von Bergen. Auf der kleinen Veranda lag ein Block mit Feder und Tinte, ich schrieb Bücher, obwohl selbst nie viel las und meistens Jenni alles in der Schule zusammenfasste, während ich ihre Mathematik Aufgaben löste. Ich vermisste sie, vermutlich lebte sie deshalb in meinen Gedanken und war stets mein Begleiter.
      „Vivi, wir sind da“, lächelte mich Erik an und rieb mit seiner warmen Hand über meinen linken Oberschenkel. Sofort griff ich nach ihr, als prüfe ich, ob es der Realität entsprach. Erleichtert atmete ich aus, ehe ich begriff, wo er das Auto geparkt hatte. Wir standen vor dem hell erleuchteten Haus der Olofsson und urplötzlich musste ich nach Luft schnappen, klammerte mich noch fester an seiner Hand.
      „Nicht dein Ernst, oder?“, stotterte ich aufgelöst.
      „Wenn ich das gesagt hätte, wärst du sicher nicht mitbekommen“, gab er sich selbstsicher und versuchte mir einen Kuss zu geben. Doch ich drehte mich weg. Strafend drückte Erik seine Finger fest um meinen Oberschenkel und ich biss mir zu Kompensation auf der Unterlippe herum. Ein Gefühl von Sicherheit schlich sich durch meinen Verstand, obwohl der eisenhaltige Geschmack im Mund andere Zeichen sendete.
      „Erik?“, fragte ich mit zittriger Stimme und drehte mich wieder mit meinem Blick zur linken Seite. Ungewöhnlich weit öffneten sich seine Augen, als hätte er nicht auf eine Eingebung meinerseits gerechnet. Seinen Oberkörper ließ er in das Polster fallen und drehte sich mit verschränkten in meine Richtung. Ohne seine Hand schützend auf dem Bein fühlte ich mich nackt, allein gelassen, als würde eine kleine Welt in mir zusammenbrechen. Auch das Gefühl von Nutzlosigkeit kam auf.
      „Denkst du, dass eine so vielversprechende Idee ist, wenn ich deinem Vater wieder unter die Augen trete?“, noch immer konnte ich es nicht in Worte fassen und mit ihm ein Gespräch darüberzuführen, stellte ich mir seltsam vor. Ein klemmendes Gefühl drückte mir wieder auf den Magen.
      „Sonst hätte ich wohl kaum dich eingeladen, denkst du nicht?“, das Lächeln auf seinen Lippen wandelte sich vertraut.
      „Mir ist das unangenehm“, gab ich zu und stammelte weiter, „und dir sollte es das doch auch.“
      „Ich bitte dich, hör auf. Was soll ich denn noch alles tun, um dir zu beweisen, dass du mir wichtig bist und meinerseits nichts zwischen uns steht?“, fragte Erik ernst und schüttelte nur den Kopf. Die Distanz wurde unspezifisch größer. Alles in mir trieb mich zurück in meine warme Hütte, sitzend auf dem Bett mit dem Blick aus dem Fenster.
      „Du bekommst nun die letzte Chance von mir. Die Chance mir zu zeigen, was du wirklich willst. Zeig mir, dass du noch da bist und das, was dich in Kanada zu mir trieb. Jetzt stell dich nicht so an und steh dazu. Es nervt mich, schließlich habe deine Worte befolgt. Ich nahm Abstand, gab dir deinen Freiraum, aber das kann nicht ewig so weitergehen, dass ich auf Knopfdruck für dich da sein soll. Du bist mir verdammt wichtig“, tadelte er mich weiter und aus heiterem Himmel fühlte es sich endgültig an, als könnte es der letzte Abend mit ihm sein. Dann öffnete er wortlos die Tür, schien keine Antwort darauf zu erwarten und holte im Anschluss auch seinen Hund raus. Ich atmete tief durch, schloss die Augen und stieg aus dem Auto. Erik stand nur wenige Meter neben mir und begann wieder zu strahlen.
      „Tack“, murmelte er und griff direkt nach meiner Hand, als ich zu ihm lief. Das Auto leuchtete zweimal den Lichtern auf und Klicken der Zentralverriegelung ertönte dumpf im Hintergrund. Zunehmend übernahm die Musik im Haus die Oberhand und stellte das leise Rauschen des Meeres zurück. Ein paar Seemöwen krächzten und für einen kurzen Moment vergaß ich, wie viel Leid ich mir selbst mit negativen Gedanken zufügte. Mit einem Lächeln sah ich zu Erik, der wieder gut gelaunt war und mich spiegelte.
      „Du bist mir auch wichtig“, gab ich seine letzten Worte zurück. Entschlossen zog er mich an sich heran. Mit seinen Händen fuhr er langsam an der Seite meines Körpers herunter, bis er schließlich an meinem Po ankam und fest zudrückte. Dann trafen sich unsere Lippen und ich spürte, wie sich seine Hüfte an mich schmiegte. Ein leichter Druck entstand, bis wir uns wieder voneinander lösten. Verliebt strahlte ich hoch zu ihm.
      „Siehst du“, grinste Erik und gab mir noch einen flüchtigen Kuss, bevor er flüsterte: „So wünsch ich mir das.“
      Die Zeit schien für mich wie stehen geblieben und dass sein Hund wieder einmal selbstständig den Weg auf dem weitläufigen Gelände suchte, bemerkte ich erst, als er ihn lautstark zurückrief. Wie angewurzelt blieb ich auf der Stelle stehen, sah ihm nicht einmal nach, sondern war in Gedanken dabei, wie er dominant mich bei sich hielt.
      „Kommst du bitte auch?“, wurde nun auch ermahnt. Kurz schüttelte ich meinen Kopf, um aus der Starre wieder in die Realität einzutreten. Vor der Haustür nahm ich einen kräftigen Atemzug, noch einen und noch einen, bis uns freundlich sein Vater begrüßte. Erik strich sich achtungsvoll über die Hose und, dass seine Knie leicht zitterten, entging mich nicht. Etwas zurückhaltend legte ich meine Arme um ihn, den er hielt seine weit offen, um zu einer Umarmung anzusetzen.
      > Jag är glad att du också kom. Känn dig som hemma.
      „Freut mich, dass du auch gekommen bist. Fühl dich wie zu Hause“, reichte Vidar mir eine Flasche Wasser und wendete sich seinen Sohn zu, der gar nicht mehr von der fröhlichen Stimmung abzubringen war. Sie standen rechts von mir und mein Blick fiel in das Wohnzimmer, dass menschenleer wirkte und ich Zweifel hatte, ob Eriks Freunde hier sein sollten, vor allem: warum bei seinem Vater? Doch mir wurde der Gedanke umgehend untersagt. Aus der geöffneten Terrassentür strömten drei weitere Gestalten hinein, die sich direkt auf Trymr stürzten. Schützend platzierte ich mich an der Wand, um den spielenden Ungetümen nicht in den Weg zu kommen. Sie rollten als Knäuel um die Treppe herum und ich flüchtete zu meinem Freund, der sich noch im Gespräch befand und lachte. Ich griff nach seinem Arm und schob ihn ein Stück nach vorn, um mich an seinem Rücken vor der Meute zu schützen.
      > Är du rädd?
      „Hast du Angst?“, fragte Vidar und pfiff die Hunde zurück aus dem Haus heraus.
      > Nej, jag har respekt för dem.
      ”Nein, Respekt“, schielte ich zu den Tieren hinüber mit zittriger Stimme.
      > Hälsosam inställning.
      „Gesunde Einstellung“, grinste er breit und klopfte mir auf die Schulter. Erik schob mich wieder nach vorn, aber ich behielt meine Hände an seinem Arm. Noch immer pulsierte das Herz in meiner Brust wie in einem Marathon, auch meine Atmung wollte nicht langsamer und leiser werden, wie ein Fisch auf dem Trocknen schnappte ich nach Luft.
      „Kann ich dir behilflich sein?“, fragte er schließlich, aber ich schüttelte nur den Kopf und löste mich von seinem Arm. Gemeinsam liefen wir in die Richtung, in der die Hunde verschwanden. Vor mir eröffnete sich eine große Gruppe von Menschen, die gespannt uns anblickte und nacheinander standen Personen auf, wovon mir nur zwei Gesichter äußerst bekannt vorkamen. Doch bevor ich schalten konnte, drang die Traube an Menschen zu vor. Jeder von ihnen begrüßte mich äußerst freundlich, umarmten mich und nannten ihre Namen. Aber in meinem Kopf drängte sich nur eine Frage in den Vordergrund: Wie sollte ich mir so viele Namen merken? Mein Körper handelte nur, legte immer wieder die Arme um fremde Personen und meine Augen starrten gefühlt in die kalte Leere. Auf meinen Lippen dominierte ein Grinsen, doch viel mehr aus der Überforderung heraus anstelle der Freude, dass ich so herzlich empfangen wurde. Die Menge war bunt durchmischt, was ich erst als eine reine Männerrunde empfand, wandelte sich zu einigen Pärchen und auch offensichtlich alleinstehenden Frauen. Insgesamt müssten um die fünfundzwanzig Leute auf der großen gepflasterten und überdachten Terrasse sein, die schon alkoholisch besudelt waren. Das Getümmel löste sich auf und Erik saß mittlerweile zwischen zwei Typen, mit denen er bereits ein ziemlich intensives Gespräch führte und ich stand wie angewurzelt da. Überfordert bewegte ich nur meine Augen, suchte nach einem anderen Ort zum Verweilen, bis eine sanfte Stimme neben ertönte: „Du kannst dich mit zu mir setzen.“ Die junge Dame, nur etwas größer als ich, zeigte auf eine Bank, an der noch zwei weitere Leute saßen und freundlich winkten. Ich folgte ihr und setzte mich dazu. Von allein drei hatte ich Namen bereits vergessen und überhaupt, erinnerte ich mich an keinen einzigen.
      „Zugegeben“, zögerte ich kurz und beobachtete, wie der einzige Mann am Tisch nervös mit seinem Finger über den Rand eines Weinglases fuhr, „ich habe eure Namen schon wieder vergessen.“
      „Ich bin Majvi und das sind Zwen und Rika“, stellte sie alle vor. Umgehend reichte man mir einen warmen Met, denn das Wasser hielten sie nicht für aussagekräftig, um den heutigen Anlass zu feiern. Ich nickte bloß. Mich zu outen, dass ich überhaupt keinen Schimmer davon hatte, was der Plan des Abends war, ließ meine Knie zittern unter dem Tisch. Zu den Gesprächen über den letzten Urlaub konnte ich nur wenig beitragen. Höflich hörte ich den einzelnen Worten zu und gab eine Antwort, wenn man mich nach etwas fragte, sonst schwieg ich. Im Laufe des Abends legte sich Trymr zwischen meine Beine auf den kalten Fußboden. Wenn jemand an der Bank vorbeilief, wedelte sein Schwanz langsam. Der Wind zog an meinen Beinen vorbei und ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ziemlich fehl am Platz war. Es hatte nichts mit den Leuten zu tun, schließlich waren sie sympathisch und versuchten mich zu integrieren, sondern daran, dass sich Erik nicht zu mir setzte. Ich schielte zwischendrin zu ihm hinüber, doch sein Blick war seinen Freunden gewidmet, die ihm äußerst interessante Dinge erzählen mussten.
      „Du kannst auch rübergehen“, Majvi hatte meine ständigen Kopfbewegungen gemerkt und klang zuversichtlich.
      „Nein, schon gut. Er hat zu tun“, murmelte ich unsicher.
      „Ach, jetzt stell dich nicht so an. Du tust fast so, als würdet ihr einander nicht kennen“, lachte Rika. Willkürlich zuckte ich mit den Schultern und mein Kopf senkte sich leicht nach unten.
      „Er redet nur über dich, also komm“, beschloss Majvi und stand auf. Dabei zog sie mich mit nach oben, um den Weg zur Sitzgelegenheit auf der anderen Seite anzusteuern. Besorgt folgte ich, belastete mich unnötigen Gedanken. Ihre schulterlangen, rötlichen Haare bewegten sich im ruhigen Wind, der auf der Terrasse wehte. Kaum aufzuhalten tippte sie ihm auf der Schulter an. Er zuckte kurz, aber freute sich umgehend.
      „Na ihr beiden, was ist los?“, fragte Erik überrascht und sah zu uns hoch von seiner niedrigeren Position auf der Couch. Auch seine beiden Freunde sahen uns an, während ich vor Scham im Boden versickern wollte. Was würde ich dafür geben, dass sich unter meinen Füßen ein Riss bildete und direkt ins Innere der Erde brachte, zu den Dinosauriern. Natürlich wusste ich, dass wohl kaum die Steinplatten sich spalten und das Auswirkungen auf ernstlichen Erdschichten hätte. Aber Dinos wären schon cool.
      „Deine Freundin hat dich vermisst, also hier“, schob mich Majvi plötzlich am Arm zur Seite, wodurch ich ins Straucheln geriet und auf seinem Schoß landete. Umgehend breitete sich neben der Wärme in meinen Wangen auch ein Kribbeln im Magen aus, dass nur durch seine Berührung ausgelöst wurde. Fest drückte er mich an sich und gab mir einen flüchtigen Kuss auf meine Haare. Die neue Bekanntschaft meinerseits, setzte sich gegenüber auf das Sitzpolster und wurde direkt in ein Gespräch eingewickelt.
      „Warum bist du dann nicht allein hergekommen?“, flüsterte Erik mir ins Ohr und strich die Strähnen zur anderen Seite. Ihm zu erklären, dass ich eine undefinierte Angst dabei verspürte und es mir auf eine gewisse Weise peinlich war, blieb mir erspart. Seine kalten Lippen trafen auf meinen Hals und den Mund, den zuvor öffnete, um ihn zu antworten, drückte ich fest zusammen und schloss die Augen. Fest biss ich mir auf die Zunge, um die schlagartige Wollust zu zügeln. Glücklicherweise beließ er es bei einem langen Kuss und ich lehnte mich an seiner Schulter an.
      „Es freut mich, dass du wieder jemanden hast“, sagte sein Kumpel, neben den sich Majvi gesetzt hatte. Ich ersparte mir meinen Kommentar, dass wir nicht darüber sprachen, ob mein plötzlicher Stimmungsabfall wirklich eine Trennung bedeutet, oder ob es sich dabei um eine gesetzliche Reklamation handelte, die jeder innerhalb der ersten vierzehn Tage machen konnte. Viele Fragen standen im Raum, aber sie anzusprechen, fiel mir bedeutend schwerer, als so zu tun, ob nie etwas vorgefallen war. Also grinste ich nur und griff nach seiner Hand, die er auf meinem Oberschenkel abgelegt hatte. Er drehte sie auf den Handrücken, sodass meine Finger in seine Zwischenräume rutschten und wir einander fest umklammerten. Das Kribbeln intensivierte sich.
      „Ich auch“, sagte Erik überzeugt. Mit seiner anderen Hand schob er meinen Kopf zu sich, um mir nun einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund zu geben. Umgehend wechselte ich meine Position und saß breitbeinig auf seinem Schoß, mit den Rücken den anderen zugewendet. Vor mir sah ich nur noch ihn, wie er mich angrinste, bevor ich meine Lippen auf seine drückte. An den Beinen fuhren seine Hände langsam entlang und griffen energisch an meinen Po. Ich genoss es mit ihm zu sein, bereute nicht, dass Majvi mich hier hergezerrt hatte. Hinter mir vernahm ich zunehmend Getuschel.
      > Du borde få ett rum.
      ”Sie sollten sich ein Zimmer nehmen“, drang eine tiefe männliche Stimme in den Vordergrund, worauf Erik direkt seine Lippen löste. Ein kurzer Blick erhaschte ich auf seine geröteten Wangen, bevor ich mich neben ihn platzierte. Viele Augen starrten in unsere Richtung, als wären wir die einzigen. Dann drehten sie sich wieder weg und setzten die Gespräche vor. Auch ich wurde zunehmend offener an seiner Seite, obwohl es nicht leicht war von seinen Augen loszukommen. Nicht nur heute benahm er sich ungewöhnlich, bereits gestern verspürte ich Dinge von ihm, die zuvor keine Intensität hatten oder bei ihm etwas auslöste. So versuchte ich aus seinem Verhalten schlau zu werden und weiterhin Teil des Gesprächs über Tattoos zu bleiben. Torulf, ein kräftiger bärtiger Typ, der neben Majvi saß, präsentierte mir stolz die Kunst unter seiner Haut. Neben typischen Wikinger Tattoos, darunter verstand ich diverse Darstellungen von Göttern und Runen in Kombinationen mit Mustern, zeigte er mir das Abbild seiner Katze. Dieses Tier hatte nur ein Ohr und sah danach aus, als hätte es schon seine beste Zeit hinter sich gelassen. Fröhlich erzählte er geschickten über seinen Kater, Carl, wie er eine Taube fing oder eines Tages eine trächtige Katze im Schlepptau hatte, somit aus einem Kater vier wurden. Die anderen erzählten ebenfalls Geschichten von ihren Haustieren, für mich ein klarer Grund zu schweigen. Es lag nicht daran, dass Trymr in der reinen Theorie mein Erstes war, sondern vielmehr, dass das meiste sehr verantwortungslose Erzählungen darstellte. Und meine Vokabelkenntnisse könnten an dem Tag etwas besser sein. Also lehnte ich mich wieder zurück, tiefer ins Polster, und widmete mich meiner Instagram Startseite, die, neben ziemlich eintönigen gestellten Fotografien meiner ehemaligen Freunde, den neusten Beitrag von Lina präsentierte. Erst scrollte ich weiter, bis mein Finger dann doch interessiert wieder nach unten wischte, um ihren Post zu zeigen. In dem Karussell befanden sich drei, nicht sonderlich schöne, Bilder ihres Hengstes, der in Kanada bereits wie ein Teddybär aussah, wie ein dreckiger Teddybär. Dazu schrieb sie, dass sie ihn in wenigen Tagen endlich in die Arme schließen würde. Natürlich freute ich mich darüber, wenn auch nicht so sehr, dass ich ihr eine lebensbejahende Nachricht schreiben würde. Vordergründig eröffnete sich das Gefühl, dass sie hatte, was ich nicht haben konnte — das Seelenpferd. Nein, stattdessen dümpelte ich auf irgendwelchen Tieren herum, die zwar ihren Reiz mit sich brachten, aber nicht dasselbe vermittelten, was ich bei Glymur verspürte. Ich seufzte und verließ die App, ohne eine Gefällt mir Angabe zu hinterlassen. Eher wechselte ich umgehend zur schwedischen Variante einer Kleinanzeigen-Anwendung und machte mich auf die Suche nach einem Pferd. Einige interessante Tiere fielen mir vor die Augen, aber von der Masse fühlte ich mich erschlagen, denn ich wusste nicht so recht, was ich überhaupt wollte.
      „Und, was machst du da?“, lehnte sich Erik zu mir herüber, worauf ich umgehend das Gerät mit dem Display gegen meinen Oberkörper drückte, um ihn den Blick darauf zu verwehren. Skeptisch erhob er seine Brauen und nahm es mir sanft, aber eindringlich, aus der Hand, um schließlich selbst zu sehen.
      „Pferde also, wer hätte das nur gedacht“, lachte er und gab es mir zurück. Erleichtert atmete ich aus.
      „Ja, schon“, murmelte ich und begann wieder zu scrollen.
      „Bei euch stehen doch genug. Ist da nichts bei?“, erkundigte er sich.
      „Nicht wirklich“, überlegte ich laut, „überwiegend sind das Rennpferde, teure Rennpferde.“
      „So viel weiß ich von Pferden, das, was du auf Turnier geritten bist, war keins“, strich er mir aufmunternd durchs Haar. Ich drückte laut Atem durch meine Nase, offenbar so laut, dass auch die anderen auf unser leises Gespräch aufmerksam wurden und sich Eriks Freund, dessen Namen ich immer noch nicht aufschnappen konnte, zu uns drehte.
      „Nein, aber die kommt morgen jemand anschauen“, sagte ich unmotiviert und wischte weiter auf meinem Bildschirm herum, bis Erik seinen Finger auf den Touchscreen legte und ein Pony auswählte, das ich bewusst nicht anklickte. Es war betitelt mit „besondere Stute sucht ihren Menschen“, das konnte nur bedeuten, dass etwas in ihrem Kopf falsch lief und von solchen Tieren kannte ich genug. Doch Erik war gar nicht zu bremsen und wischte interessiert durch die Bilder. Darauf zu sehen eine helle Pony-Stute, vermutlich nicht größer als hundertvierzig Zentimeter und besonders oft dargestellt mit schrecklichen Zöpfen, die wohl die Kinder gemacht hatten, die ebenfalls zu sehen waren. Viele von denen standen um sie herum, während ihre Ohren gelangweilt zur Seite hingen und die Augen leer wirkten. Doch auch professionelle Bilder von einem Turnier waren dabei, sowohl in der Dressur als auch beim Springen. Bis auf ihre Fellfarbe wirkte nichts besonders an dem Pony. Dann durfte ich endlich weiter scrollen zum Text, der für mich die nächsten Hürden aufwarf. Ich konnte zwar Erfahrungen in Frankreich nachweisen, aber deren Sprache ließ nur Fragezeichen in meinem Kopf aufblicken.
      „Kannst du das lesen?“, fragte ich und drückte ihm meinem Handy in die Hand.
      „Klar“, zuckte er mit den Schultern. Was fragte ich eigentlich? In einer wahnsinnigen Geschwindigkeit huschten seine Augen über den leuchtenden Bildschirm und sein Daumen schob den Text nach oben, bis zum nächsten Atemzug ich mein Handy zurückbekam.
      „Also sie ist dreizehn Jahre alt, im höchsten Dressur Niveau ausgebildet und springt bis ein Meter zwanzig. Sie beschreiben das Pferd mit einer besonderen Geschichte, denn sie wurde mit der Flasche aufgezogen und ist sehr anhänglich. Manchmal fordert Maxou ihren Reiter heraus, aber das schafft jeder zu bändigen. Ansonsten Schmied kein Problem, Tierarzt auch nicht, kennt die Turnieratmosphäre. Aktuell hat sie zwei Reitbeteiligungen, da es für ihre Tochter gekauft wurde, die jetzt kein Interesse mehr hat“, erklärte Erik. Es machte mich direkt stutzig, dass das Pony so günstig angeboten wurde, noch zum Verkauf stand, wenn es so hoch ausgebildet wurde. Mehrmals wischte ich durch die Bilder, um Anzeichen zu finden, was der Haken war, wieso die hübsche Stute so strafte, keinen Besitzer zu finden.
      “Wonach suchst du?”, musterte er mich und seine Stimme klang deutlich euphorischer, als es mir lieb war. Natürlich weckte das Pony mein Interesse, aber zu gleichen Teilen auch die Skepsis, dass es viel zu gut passen würde, als es möglich war. Schließlich saß ich mitten in der Woche, in der Nacht, auf einer Terrasse, umgeben von wildfremden, betrunkenen Menschen, wovon die neben mir gerade über den Geschmack von Ölfarbe diskutierten. Warum machte man sich darüber Gedanken? Tatsächlich erwischte ich mich für einen Augenblick dabei, ob es wohl einen Unterschied zu Ölpastellkreide machen würde. Schnell kam ich wieder zu dem Fakt, dass Erik Maxou unbedingt kennenlernen wollte und ich den Schritt zumindest wagen würde. Einen unverbindlichen Termin machen, tat keinesfalls weh, noch setzte ich mich einer Art von Verpflichtung aus.
      “Kannst du das machen?”, suchte ich den Blickkontakt. Meine Augen trafen umgehend auf seine, denn strahlend saß er neben mir, sah im Wechsel zu mir und zum Handy. Je länger ich das funkelnde Hell betrachte, umso stärker wurde das Gefühl, alles richtigzumachen. Für einen Wimpernschlag schwieg es in mir, als würde auch mein Herz für das My einer Sekunde aussetzen, ehe mich das Glück wie eine Flutwelle traf und eine Kettenreaktion auslöste. Nacheinander kribbelte es überall, ich schluckte, versuchte standhaft zu bleiben, mich nicht der Sehnsucht seiner Nähe und Zärtlichkeit hinzugeben. Seinerseits wirkte es so leicht, als wollte Erik genau diesen plötzlichen Anstieg an Lust jedes Mal aufs Neue auslösen, um mich zu verunsichern, an sich zu binden und zu fesseln. Ob das sein Plan war, oder nur sein Zeichen für Zuneigung, erfuhr ich nicht, wusste jedoch, dass es funktionierte. Meine zittrigen Finger suchten am Rand des Geräts nach dem Sperrknopf, während sich mein Blick nicht löste. Mit jedem Atemzug krampfte mein Unterbauch, stärkte, gab mir keine Verschnaufpause, aber ich konnte ihm diesen Erfolg nicht lassen.
      „Können ja“, antwortete er endlich, „aber möchte ich das?“ Auf seinen Lippen weichte das sanfte Lächeln einem zugespitzten Gesichtsausdruck. Erik hatte sich unter Kontrolle, nutzte seine Position aus, aber gab mir damit die nötige Sicherheit.
      „Wenn du nicht möchtest, dann akzeptiere ich das. Aber bitte. Ich flehe dich an, dass du mir unter die Arme greifst und das regelst“, sprach ich leise und weinerlich, wodurch auch seine Ungeduld anstieg. Eins der Beine wippte und seine Hand klopfte auf dem Oberschenkel, im Wechsel mit einem Wischen der Handflächen über den Stoff seiner Hose.
      „Ach, du flehst mich also an?“, bedrohlich nah kam er mir mit seinem Gesicht und die Worte wurden leiser, aber noch immer verständlich genug. Wie eine Schlange, die ihre Beute an fokussiert, bewegte sich sein Kopf in der Schräglage langsam von links nach rechts, bis nur noch wenige Zentimeter zwischen uns lagen. Ich spürte seinen warmen Atem, der wie ein Waldbrand über meine kalte Hand fegte und mit einem Gefühl von gleißender Hitze auslöste.
    • Veija
      Heute besuchte ich Vandal LDS. Er war erst seit ein paar Tagen auf der Ranch. Eigentlich war er ein Geschenk. Davon wusste er aber noch nichts. Er kam sofort zum Zaun und ließ sich streicheln.
    • Veija
      Scouting is a game for boys
      Teil I

      September 2022, von Ravenna & Veija

      Zeitliche Einordnung: Mai/Juni 2021

      Ylvi
      Ich schlug die Hand vor den Mund, spürte, wie meine Nase verräterisch zu kribbeln begann. Dann tippte ich O’, die neben mir auf der Terrasse saß, auf die Schulter, deutete in die Richtung, aus der ich die Jungs vernahm. Tschetan und Nicholas kehrten mit den Rindern wieder zurück, die in den Bergen verloren gegangen waren. Wir hatten das letzte Mal am Abend von den beiden gehört. Erst jetzt spürte ich, wie sehr die Anspannung von mir abfiel. Schon die aufreibende Suche am Abend von Betsy hatte ein ziemliches Gefühlschaos in mir ausgelöst. Sie war auch meine Verantwortung. In all dem Trubel um Tschetan und die Rinder, die Reparaturen vom Zaun, hatte ich dabei kein Auge auf sie gehabt. Vorwürfe hatten mich in der Nacht lange wach gehalten. Nach meiner Arbeit im Büro hatte ich mich hier auf die Terrasse verzogen um immer wieder auf den Hauptweg zu starren. “Sie sind wieder zurück!” hauchte auch O’ neben mir. “Sag du Caleb Bescheid, ja?” sprach ich zu ihr. O’ fackelte nicht lang meiner Bitte nachzukommen.
      Ich kämpfte weiter mit den Tränen, während ich dem kleinen Treck entgegen lief. Alle wirkten ein wenig abgekämpft. Besorgt bemerkte ich die ganzen Kratzer in Tschetans Gesicht. Einige glühten rot - sie mussten sich leicht entzündet haben. Cayce kam gleich hinter Louis aus den Stallungen gelaufen. “Ich nehme euch die Kühe ab”, verkündete Cayce schon von Weitem.
      Betsy und Kaya kamen aus dem Haupthaus gelaufen.
      “Thibló!” rief Kaya und warf sich Tschetan um die Brust. Sie mochte es vielleicht nicht ganz so gezeigt haben, aber auch sie hatte sich Sorgen gemacht. Eine Hand an den Zügeln erwiderte er die Umarmung der beiden Mädchen und musste auch kurz darauf die Meine ertragen. Als ich leise aufschluchzte vor Freude, spürte ich wie Tschetans Umarmung ein wenig fester wurde. Ich musste zu ihm aufsehen, als er mich ein Stück von sich fort hielt. Dann lächelte er, wischte mit einer Hand meine Träne von der Wange und murmelte Worte die ich nicht verstand. Wann war er eigentlich so gewachsen? Jetzt hier in diesem Moment sah ich ihn ihm nicht mehr den schlaksigen Jungen. Etwas an dieser Reise hatte ihn erwachsen werden lassen. Weinte ich deshalb? War es möglich Stolz für ein Kind zu empfinden das man nicht selbst ausgetragen hatte? Anders konnte ich mir mein Wirrwarr an Gefühlen nämlich nicht erklären. Er hielt einen Arm weiterhin um meine Hüfte als sich Betsy an ihn wandte.
      “Sollen wir beide die Pferde versorgen?”, bot sie sich an. Tschetan lächelte breit, aber erschöpft.
      “Danke für das Angebot, aber ich würde Sungila gern selbst versorgen. Vielleicht geht ihr Nicholas ein wenig zu Hand.” Er deutete auf seinen Freund. Nicholas sah ein wenig überrascht drein als ihm Betsy direkt die Zügel aus der Hand nehmen wollte. Offenbar hatte er nicht mitbekommen, was Tschetan gesagt hatte. Ich legte ihm die Hand auf die Brust. “Komm dann rüber ins Haupthaus, ja? Ich wärm euch ein wenig Essen auf. Außerdem würd ich gern deine Kratzer versorgen.” Ein Lachen mit geschlossenen Lippen, dann küsste mich Tschetan auf die Stirn.
      “Waschté, Iná.” Dann zwinkerte er und verschwand mit Nicholas an seiner Seite in Richtung der Stallungen, um mich ein wenig verblüfft stehen zu lassen. Auch Kaya brauchte einen Moment um ihrer Freundin zu folgen. Ihr Blick huschte zwischen mir und Tschetan hin und her.
      Es war das erste Mal, dass Tschetan mich Mutter genannt hatte. Nicht nur für mich … sondern auch für Kaya war das eine neue Erfahrung. Einen Moment blieb sie stehen und sah mich, fast ein wenig verwirrt, an. Dann lief sie ihrem Bruder nach. Ich musste mich auch einen Moment sammeln und rannte vor lauter Überraschung gegen eine Wand. Ich erschrak, wusste jedoch in dem Moment, in dem ich einatmete genau, in wen ich hinein gelaufen war. “Caleb!”
      “Vorsichtig, nicht zu übereifrig”, schmunzelte er. “Ich bin eigentlich nicht wirklich für ihn verantwortlich, aber…ihr müsst unfassbar stolz sein. Denn…ich bin es. Wirklich. Ich bin gespannt auf seine und Nicholas Erzählung.” Ich konnte nur Calebs Blick hinter den anderen her lächeln. Natürlich war auch er stolz. Tschetan hatte im Grunde seinen Besitz gerettet … die Pferde, die Kühe- sie alle waren Kapital für die Ranch, reines Geld. Auch wenn der Wert für Caleb natürlich weit darüber hinaus ging. Plötzlich trat eine andere Person in unseren kleinen Kreis.
      “Er ist mit dieser Aufgabe zum Mann geworden”, sprach Louis Stimme mit dem selben väterlichen Stolz wie ihn auch Caleb gehabt hat. Wieder fing meine Nase an verräterisch zu kribbeln und ich schluchzte auf.
      “Ach nun hört doch auf!”, sprach ich lachend, aber verzweifelt weil sie mich wieder zum Heulen gebracht hatten. Caleb klopfte mir grinsend auf die Schulter, Louis nahm mich halb in den Arm … und mit dem freien Arm den ich noch hatte zog ich auch Caleb nah an mich heran. Das alles hatten doch tatsächlich wir getan. Mir kam dabei ein afrikanisches Sprichwort in den Sinn, das ich vor einige Zeit in einem Film aufgeschnappt hatte: ‘Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.’ – und unsere Ranch war wohl das beste Dorf der Welt.

      Caleb
      ‘tick… tick…’ lauschte ich meiner Armbanduhr. Der Raum war erfüllt von einer kurzen Stille. Erneut öffnete sich die Tür, jemand kam herein und setzte sich in unsere Runde dazu. Wieder fingen Tschetan und Nicholas von neuem an, ihre Geschichte zu erzählen. Wie oft hatte ich den Anfang bereits gehört? Zwei, nein drei Mal? Aber das war egal. Es war vollkommen egal. Ich könnte den Anfang der Geschichte auch hundert Mal von Neuem anhören, ich würde jedes Mal das Gleiche empfinden. Stolz. Unglaublichen Stolz, dass die Beiden die Kühe gefunden und alle wohlbehalten zurückgekehrt waren.
      Tschetan kam nun endlich zu dem Punkt, an dem er einen Abgang von Sungila gemacht hatte. Nicholas unterbrach ihn: “Und dann … das hättet ihr sehen müssen, macht die Stute eine 180 Grad Drehung und rennt ins Gebüsch. Den armen Tschetan hat sie einfach mitgezogen. Das ging alles so schnell! Bestimmt fünf Meter hat sie ihn durch die Dornen gezogen – es war alles voll! Sein Gesicht zerkratzt, die Haare voller Dornen und …”
      “Na nun übertreib nicht”, holte Tschetan ihn zurück auf den Boden der Tatsachen, “es waren vielleicht zwei Meter. Sungila hat selbst gemerkt, dass das wohl keine so gute Idee war, da hinein zu springen. Ich hab mich dann aber mit Nicholas‘ Hilfe befreit“, beendete er seinen Satz an Nicholas gewandt und erzählte dann für uns alle weiter.
      „Das klingt nach einem richtig tollen Abenteuer! Uns hat Cayce nur durchs Tal gehetzt.“ Octavia sah sich in der Runde um, Cayce fehlte noch. „Meinst du da stimmt was nicht mit den Rindern?“ Ich horchte auf.
      „Wenn etwas nicht stimmen würde, dann hätte er schon einen von uns gerufen“, beschwichtigte ich sie und wandte mich an Nicholas. „Ich danke dir für deine Unterstützung, das war nicht selbstverständlich.“
      „Hab ich gern gemacht, es ist zum Glück ja alles gut gegangen. Es hat sogar Spaß gemacht! Ich hab Tschetan schon gesagt, dass ich das gerne nochmal machen würde. Ein paar Tage im Sattel, unterm Sternenhimmel schlafen und sich von der Natur ernähren. Nur … nächstes Mal möchte ich nicht nur von Grünzeug leben!“ Er schaute Tschetan direkt an, beide grinsten.
      „Erzähl!“, sagte Betsy und rutschte unruhig auf der Bank hin und her.
      Tschetans Magen knurrte. „Wo wir von Essen sprechen …“, Ylvi erhob sich, öffnete die Ofentür und nahm die Steaks und die Fritten heraus, teilte es auf zwei Teller auf und stellte sie den Jungs vor die Nase. „Kommt, lasst sie mal wieder zu Kräften kommen. Mit weiteren Fragen löchern könnt ihr sie später noch.“ Ich blickte zu Ylvi rüber. Sie benahm sich so … fürsorglich. Die Mutterrolle schien ihr zusehends leichter zu fallen. Ich lächelte in mich hinein, erhob mich und setzte mir den Hut auf den Kopf.
      „Na dann geh ich mal nach unseren Ausreißern und nach Cayce gucken.“
      „Ich komm mit“, fügte Betsy an und sprang von der Bank. Ich hatte ein paar der Stühle durch eine schöne Bank ersetzt. Besonders Kaya und Betsy nahmen gerne darauf Platz. Ich hatte aber auch schon Laurence und Dolly darauf sitzen und Kaffee trinken sehen.
      „Caleb warte!“, Aimee stand auf, „hier, die sind ja noch von dir.“ Sie überreichte mir meine Kleidung, die O ihr am vergangenen Abend gegeben hatte.
      „Wenigstens auf einen von euch ist Verlass.“ Ich blickte O direkt an, bekam aber lediglich ein Schulterzucken zur Antwort. „Komm“, sagte ich an Betsy gewandt, legte die Kleidung im Flur auf die Kommode und verließ das Haus. Mir fiel zunächst gar nicht auf, dass uns jemand folgte. Als ich jedoch zwei Mädchen hinter mir kichern hörte, wusste ich, dass Kaya das Haus mit uns verlassen hatte.
      Bei den Rindern angekommen konnte ich Cayce nirgends sehen. „Wo ist der denn jetzt abgeblieben?“, fragte ich mehr mich selbst als die Mädchen und schaute mich um. Die Herde hatte sich beruhigt. Fast alle Kälber lagen im saftigen Grün und schliefen, während sich ihre Mütter und die anderen Tiere die Bäuche vollschlugen. Beim Kauf von Bow River hatte ich eine Herde von um die 30 Tieren gehabt, nun waren es noch 13 Erwachsene und 4 Kälber von diesem Jahr. Vor dem letzten Winter waren die Jungbullen verkauft worden, weiß Gott warum davon so viele in der Herde gewesen waren. Mit den 17 Tieren hatte ich, neben den ganzen Pferden, dennoch genug – mehr mussten es nicht mehr sein.
      Cayce tauchte in meinem Blickfeld auf. Er hielt eine Dose Blauspray in der Hand und wank mich zu sich rüber. “Hab den halben Stall danach abgesucht, war nicht in der Kiste, wo es hätte sein sollen”, murmelte er und ging auf eines der Kälber zu. “Das blutet vorne an den Beinen, scheint irgendwo hängen geblieben zu sein.” Cayce wies mich an, mich auf den Hals des Tieres zu knien, damit es nicht aufspringen konnte, nachdem wir es auf die Seite gelegt hatten. Noch bevor die neugierige Mutterkuh uns erreicht hatte, waren besagte Stellen mit dem Blauspray eingesprüht und wir konnten uns vom Acker machen. “Hab die anderen Tiere auch kontrolliert, mir ist nichts weiter aufgefallen.”
      “Danke Cayce.”
      “Die sehen ganz schön müde aus”, meinte Betsy und zeigte auf die schlafenden Kälbchen.
      “Gib denen einen halben Tag, dann springen die wieder hier über die Wiese”, lachte Cayce, “wir müssen mal schauen ob wir die Tiere erstmal hier auf der Weide lassen, bis der Zaun repariert ist. Das ist ja eigentlich eine der Jungpferdeweiden.” Ich nickte und überlegte.
      “Wir lassen sie erstmal hier, den Zaun zu reparieren dauert ja auch nicht ewig … apropos, kannst du dir Bellamy und Brian schnappen und schon mal anfangen fahren? Ich muss noch zwei Telefonate erledigen. Nicholas Eltern haben mich angerufen wegen Rocket, ob ich einen Platz für ein Berittpferd frei habe – und ich wollte noch bei den Züchtern von Benny anrufen, ob sie noch so ein farblich tolles Pferd zum Verkauf haben.”
      “Hast du nicht bald mal genug Pferde, Caleb?”, Cayce sah mich fragend an, “eigentlich könnte ich mir mal noch eins zulegen. Neben Shorty wäre ein zweites rancherfahrenes Pferd nicht schlecht.” Er sah mich fragend an.
      “Ich schau mal in meinen Unterlagen, vielleicht wäre eine meiner cuttinggezogenen Stuten ja was für dich?”
      “Ich tendiere zwar eher zu einem weiteren Wallach … aber ja, schau mal.”
      “Hmmm”, überlegte ich und sortierte Pferdenamen in meinem Kopf, “hol dir sonst mal Tate für die Arbeit, vielleicht könntest du was aus ihm machen?”
      Cayce nickte und verschwand mit dem Spray in der Hand zurück in die Stallungen.
      “So, Mädels. Was macht ihr jetzt?”
      “Ich glaube … wir gehen ausreiten”, verkündete Betsy Kayas und ihren Plan selbstsicher. Kaya nickte nur.
      “Passt auf euch auf.”
      “Jaja, immer.” Damit verschwanden die beiden in Richtung des Paddocks, auf dem noch die Pferde für die Ferienranch standen.

      *

      Ylvi
      Mit zwei größeren Kartons in den Armen stiefelte ich hinter Betsy gerade die Treppe im Haupthaus hinauf. Vorsichtig darauf bedacht, mein Gleichgewicht nicht zu verlieren, tastete ich nach den Stufen. Die Kartons waren nicht schwer, aber ätzend zu greifen. Betsy hatte sich in den letzten Tagen dazu entschieden, was von dem Kram aus dem Bungalow noch in ihr Zimmer sollte. Direkt hinter mir hörte ich das Ätzen von Caleb und Tschetan. Die beiden mussten gerade eine der Kommoden die Treppe rauf befördern. Gerade in dem Moment fing Calebs Handy an zu klingeln. “Verdammt, wenn das jetzt Nicholas Eltern sind krieg ich die Krise”, murrte er.
      Seit beinahe zwei Tagen versuchte er die Familie zu erreichen, aber irgendwie war das Ganze wie verhext. Entweder sie verpassten einander oder der Zeitpunkt war ungünstig. “Du könntest auch einfach rüber fahren”, kam es vom Treppenabsatz ganz altklug von Betsy. Tschetan lachte leise.”Genau Caleb. Du könntest auch einfach rüber fahren.” Offenbar hatten die Kids damit das schlagende Argument gehabt, denn stumm trugen die beiden Männer das Möbelstück bis ins Zimmer. Betsy und Kaya standen inmitten des Chaos, das nun Betsys Zimmer war. Ganz überwältigt stand sie etwas verloren darin.
      “Was hälst du davon: wir bringen hier eine Art Grundreine hinein und die Männer schicken wir zur Ranch von Nicholas Eltern?” Betsy nickte mir milde lächelnd dankbar entgegen. Ich drehte mich zu Caleb. “Schnapp dir am besten auch Nicholas. So oft wie der Junge aktuell hier ist, können sich seine Eltern bald nicht mehr an sein Gesicht erinnern.”
      “Darf ich fahren?!” fragte Tschetan aufgeregt.
      Ich deutete auf den jungen Mann: “Du, bist erst 15!”, im selben Zug drehte ich mich halb zu Caleb, der sich gerade von Betsy verabschiedete, “wag es dir bloß nicht ihn fahren zu lassen.”
      Tschetan murrte ein wenig vor sich her. “Komm schon, du hast nur noch einen Monat bis zu deinem Geburtstag. Das Warten sollte doch kein Problem werden.”

      Als die Geräusche verstummt waren, drehte ich mich zu den Mädchen um. “Was waren deine Ideen Betsy?”
      “Drüben im Bungalow hatte ich mein Zimmer irgendwie größer im Sinn”, dabei klang sie etwas bedrückt. Auch ich sah mich erstmal kurz um, verschaffte mir einen Überblick. Rief mir ins Gedächtnis, was wir in welche Schubladen geladen hatten.
      “Was hälst du von der Idee deine Sachen auch nochmal zu sortieren? Alles womit du ohnehin nicht mehr spielst, die Klamotten die du nicht mehr trägst? Einiges davon könnten wir versuchen zu verkaufen, das geht direkt in dein Sparschwein. Alles andere spenden wir?” Das war für Betsy kein neuerliches Unterfangen. Wir hatten genau denselben Prozess erst bei Kaya unternommen, als Tschetan ausgezogen war. Sie hatte sich ein etwas “erwachseneres” Zimmer gewünscht. Betsy allerdings kämpfte noch immer damit nicht alles von ihrem Vater loslassen zu können. Meiner Meinung nach war viel zu viel von dem Zeug im Keller gelandet und wir würden es vermutlich nie wieder benutzen. Einer 12 - jährigen konnte ich allerdings auch schlecht sagen was in meinen Gedanken dazu vor sich ging – “Ins Grab kannst du ohnehin nichts mitnehmen”. Daher hatte ich da versucht, eine Neutrale Position zu haben.
      “Ich denke da gibt es so einiges mit dem Andere mehr anzufangen wissen als ich”, kam Betsys ungewöhnlich nüchtern betrachtete Antwort. “Da hinten in der Kiste sind lauter Puppen drin …die …”, sie seufzte “hat mir zwar meine Mama gekauft, aber ich denke wirklich ein anderes Kind wird sie genauso mögen wie ich.”

      Damit gingen wir ans Werk. Wir leerten einige der Klamottenkisten. Kaya zauberte aus der Federtasche einen dicken schwarzen Filzer mit dem wir die Kisten beschrifteten mit “trash” “keep” und “sell”.
      Mitten in der Arbeit lugte Louis plötzlich durch die Tür in das Zimmer. Kaya lächelte ihm entgegen. “Ist Tschetan in der Nähe?” fragte er mit gedämpfter Stimme. Ich schüttelte den Kopf.
      “Ich hab ihn mit Caleb und Nicholas rüber zu den Eltern von Nicholas geschickt.”
      "Fantastisch", damit kam Louis nun ganz ins Zimmer. Auf den Armen balancierte er einen runden Karton. Mein Gesicht hellte sich auf.
      “DAS ging aber flott!”
      “Unsere Frauen haben eben flinke Hände”, feixte er besonnen. Ich kommentierte das mal lieber nicht. Louis kam hinunter zu uns auf den Boden. Im Schneidersitz ließ er sich nieder und schob den Karton näher zu mir. Auch die Mädchen kamen nun neugierig heran. Louis nahm quälend langsam den Deckel von der runden Schachtel. Darin befand sich etwas verborgen unter Verpackungsmaterial – wie ich wusste – ein Hut. Ich erlaubte mir das Papier beiseite zu nehmen.
      Unsere Blicke fielen auf einen schwarzen Hut im Cowboystil. Louis nahm ihn vorsichtig heraus. Rund um die Krempe war der Hut mit hunderten kleinen Perlen bestickt. Kleine Vierecke in den Farben gelb, weiß und schwarz lösten sich mit kleinen Dreiecken in rot ab. Ein Lederband schlang sich um die Erhebung des Hutes. Das Leder war naturfarben, würde sich also im Laufe der Zeit durch die Sonne von selbst verfärben und eine besondere Patina bekommen. Auf das Leder war an einer Stelle ein weiterer geformter Streifen genäht worden. Diese sah aus, als könne man dort etwas hinein stecken. Louis griff ein weiteres Mal in den Karton. Ich erkannte erst auf den zweiten Blick, was es war. Hörte aber wie Kaya nach Luft schnappte. Louis öffnete seine Hand. Darin lag eine große weiß/bräunlich schwarze Feder. Sie war ein Stück größer als seine Hand. Ihre Ränder schienen ein wenig ausgefranst. Nur ihr unteres Ende war weiß, darin befanden sich einige der Sprenkel. Das Braun war wunderschön gemustert. “Eine Adlerfeder?” fragte ich. Ich wusste, dass die Tiere unter Naturschutz standen. Sogar der Besitz einer solchen Feder war schwierig.
      “Logan hat sie mitgebracht. Sie hat einst seinem Vater gehört”, sprach er stolz. Damit nahm er sie und steckte sie in die kleine Lasche die an den Hut genäht worden war. Ich jedoch horchte auf. “Logan?”
      “Ja, sonst wäre das Paket länger unterwegs gewesen. Logan hat den Hut und die Feder aus Pine Ridge mitgebracht.” Über das letzte Jahr hinweg hatte Logan selten Zeit auf der Ranch verbracht. Er war oft in der Reservation gewesen, irgendeinen Verwandten pflegen, Kinder unterrichten.
      “Wird er jetzt eine Weile bleiben?”, fragte ich. Louis sah zu den beiden Mädchen, schien zu überlegen, wie viel er sagen sollte. Ich erkannte, dass da mehr dahinter war. “Ich denke, er wird eine Weile bleiben, ja.”
      “Oh fein! Dann kann ich ihn mit meinen Worten überraschen”, strahlte Kaya. Dabei fiel mir ein … natürlich, Logan wusste nicht, dass Kaya ihre Sprache wiedergefunden hatte. “Wann bekommt Tschetan den Hut?”, fragte sie weiter. Louis zuckte mit den Schultern.
      “Ich hatte vor, ihm den Karton einfach auf’s Bett zu stellen. Ganz unspektakulär.”
      Kaya und Betsy zogen einen Schmollmund. “Wir wollen seine Reaktion sehen!!”
      “Louis und ich überlegen uns da etwas. Bring du den Hut in Sicherheit. Die Mädels und ich haben noch ein wenig zu tun hier.” Damit deutete ich Diffus auf das gelichtete Chaos um uns herum.
      “Gut, dann bis zum Abendessen?”
      “Vergiss nicht wir wollten später noch die Zäune an den Nordhängen kontrollieren. Wir hatten dort lang keine Rinder drauf. Aber Caleb und Cayce haben die Weiden für die Herde samt Kälber ausgesucht. Bevor wir sie dahin treiben, sollten wir die nochmal prüfen.”
      Ich schlug mir mit der Hand an die Stirn. “Ja, gut das du mich daran erinnerst. Wir machen hier schnell. Dann in 2 Stunden im Stall!”

      Tschetan
      Im Flur setzte sich Caleb seinen Hut auf den Kopf, die Sonne begann nun langsam schon ätzend vom Himmel zu scheinen. Meinen Alten konnte ich nicht mehr benutzen – mittlerweile war er zu klein für meinen Kopf. Also schnappte ich mir eines der Tücher und band es mir über die Haare, also um meine beiden geflochtenen Zöpfe. Ich war stolz, wie lang sie im vergangenen Jahr gewachsen waren. Aimee hatte mich in Sachen Haarpflege ein wenig unterstützt. Ich sprach es nicht direkt an, aber dafür war ich ihr doch etwas dankbar.
      “Such du am besten mal Nicholas. Ich hol derweil den Wagen. Wir treffen uns an der Auffahrt”, meinte Caleb beiläufig.
      Ich musste gar nicht lang suchen, denn ich hatte Nicholas, nachdem Ylvi mich zum Tragen helfen abkommandiert hatte, in den Stallungen der Hengste zurückgelassen. Da ich die Boxen oft genug allein gemistet hatte, wusste ich, dass man damit eine ganze Weile beschäftigt war.
      Tatsächlich fand ich Nicholas nur vier Boxen weiter von der Stelle, an der ich ihn verlassen hatte. Mit Kopfhörern auf den Ohren schaufelte er eine Mistgabel Pferdemist und Pellets auf die Karre. Bevor er mich dabei erwischen konnte, wie ich ihn anstarrte, trat ich näher an sein Blickfeld heran. Ob sein Schrecken nur gespielt war oder nicht, konnte ich nicht ganz deuten. Aber er hielt sich die flache Hand an die Brust, seufzte. Schob sich dann die Kopfhörer in den Nacken. “Scout, du hast mich erschreckt!”
      Ich fühlte mich noch ein wenig unsicher und war froh, dass meine heiß werdenden Ohren vom Tuch um meinen Kopf bedeckt waren. Nicholas hatte mich in den letzten Tagen begonnen so zu nennen. Er war ohnehin der Meinung, dass jeder einen Spitznamen benötigte. Nach unserem Abenteuer mit den Kälbern, hatte er diesen für mich gewählt. Meinen Vorschlag, ihn Lassie zu nennen, hatte er nicht witzig gefunden. Noch überkam es mich mit Scham, dass er mich Scout nannte. Meiner Meinung nach war das Ganze keine allzu anspruchsvolle Sache gewesen.
      “Ich hatte nicht vor dich zu erschrecken. Aber Ylvi hat beschlossen dir Feierabend zu verschaffen. Caleb wollte zu deinen Eltern hinüber, da sie am Telefon nie zueinander finden.”
      “Hilfst du noch eben dabei den Mist hier loszuwerden?”
      “Kipp ihn zurück in die Box”, feixte ich, drängelte Nicholas aber von seiner Position und ergriff beide Griffe der Schubkarre, wollte gerade los stiefeln, da spürte ich Zug am Kragen meines Shirts.
      “Ich meinte eigentlich das Schaufeln in den Container!” Ich sah nur leicht über die Schulter, lief weiter ungeachtet des Zuges auf meine Kehle bis Nicholas los ließ und so etwas wie ‘unverbesserlich’ seufzte. Er beeilte sich vor mich zu kommen, um die breite Tür der Stallungen aufzuhalten. Dort ums Eck befand sich unsere Mistplatte, die in den letzten Stunden offenbar schon jemand entleert hatte! So konnte ich einfach rauf fahren und die Karre am hintersten Ende entleeren.
      “Das war einfach”, stellte ich zu Nicholas gewandt fest. Die Karre und die Mistgabel in die Abstellkammer zu verfrachten stellte nun kein Problem mehr dar.
      Nicholas verschwand noch eben im Bad in Stalltrakt, wusch sich Hände und Gesicht. Ich lehnte an der Tür, warf ihm das Handtuch ins Gesicht, als er gerade danach greifen wollte. “Komm schon, sonst fährt Caleb ohne uns!” drängelte ich nun doch etwas.

      Caleb
      Nach etwa einer dreiviertel Stunde Fahrt passierten wir gerade die Aspen Crossing Train Station, als ich den Blinker setzte und vor Mossleigh auf die Range Road 250 abbog. Nach einem erneuten Blick in den Rückspiegel ließ ich den Wagen ausrollen und hielt am Straßenrand an. “Verpetz mich ja nicht an Ylvi”, zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen, grinste dann jedoch in Richtung des Beifahrersitzes, auf dem sich Tschetan befand. Seine Miene hellte sich auf, in sekundenschnelle sprang er aus dem Wagen, lief um die Motorhaube herum und wartete ungeduldig darauf, dass ich ausstieg. Schneller als ich schauen konnte, nahm er meinen Platz hinter dem Steuer ein und begann damit, Sitz und Spiegel passend für sich einzustellen.
      Wenn wir mit dem Truck bei den Weiden unterwegs waren, hatte ich ihn schon des Öfteren fahren lassen. Da er sich dort ganz gut angestellt hatte, hielten sich meine Sorgen, auf einer richtigen Straße könnte etwas passieren, in Grenzen.
      “Denk an … ja … und fahr jetzt langsam.. lenken nicht vergessen, sonst landen wir im Graben.” Okay zugegeben, ein wenig nervös war ich dennoch.
      “Darf ich auch gleich ein Stück fahren?”, fragte Nicholas auf einmal von hinten und steckte seinen Kopf zwischen den beiden vorderen Sitzen nach vorne.
      Ich lachte. “Auf gar keinen Fall.”
      “He, warum nicht?”
      “Wie alt bist du eigentlich?”
      “Ich bin 15.”
      Verwundert drehte ich mich halb zu ihm um. “Und wann wirst du 16?”
      “Nächstes Jahr im … Februar.”
      “Dann frag mich im Januar nochmal.”
      “Aber …”, wollte er protestieren, wurde jedoch jäh von mir unterbrochen.
      “Ich lerne in einer halben Stunde deine Eltern kennen, würde wohl keinen guten Eindruck machen, wenn ich ihnen gleich zu Beginn sagen muss, dass ihr Sohn meine Karre geschrottet hat?” Tschetans Mundwinkel zuckten belustigt nach oben. Ich folgte seinem Blick zum Rückspiegel, durch den er Nicholas beleidigtes Zurücksinken in seinen Sitz beobachtete.
      “Mach dir nichts draus”, murmelte er, “für Januar hast du doch quasi eine Zusage.”
      “Das hab ich so nicht gesagt”, protestierte ich und wechselte vielsagende Blicke zwischen Tschetan und dem Nicholas - Spiegelbild.
      “Komm … gib dir einen Ruck, Caleb.”
      Ich blickte Tschetan mit hochgezogener Augenbraue an, ließ seine Aussage jedoch unkommentiert. Ich schaute wieder zur Straße und gab ihm die Anweisung, nun hier links abzubiegen und bei der Nächsten nach rechts. Von hier an ging es so lange geradeaus, bis wir wieder auf den Highway stoßen würden. Kurz vorher hielten wir an, tauschten erneut die Plätze und fuhren das letzte Stück bis in die Nähe von Queenstown. Von der Range Road 221 bog ich ein letztes Mal nach rechts ab auf die Township Road 194, ehe wir den Hof auf der rechten Seite erblickten.
      Hinter dem Wohnhaus befand sich eine kleine Stallung. Zur linke Hand ein wenig Weide mit Wald und einem Unterstand, zur rechten Hand einige Paddocks und ein größeres Stück Koppel, welches in kleinere Sektionen unterteilt war.
      “Hier links beim Wald stehen unsere drei Pferde”, erklärte Nicholas und zeigte nach vorne. Am Zaun im Schatten der Bäume stehend erkannte ich die Tiere.
      “Die gehen wir uns gleich als Erstes anschauen”, kommentierte Tschetan.
      “Zuerst”, sagte ich mit Nachdruck, “gehen wir hallo sagen.”

      Wir saßen schon eine ganze Weile in der Küche des gemütlichen Hauses. Nicholas Eltern, Tamara und Aiden Brixton, stellten sich als unglaublich nette Leute heraus, die nur leider ihr Telefon fast nie mit sich führten.
      “ … und so sind wir zur Deckstation gekommen”, beendete Aiden gerade seine Erzählung, wie sie den kleinen Hof hier gekauft und zu ihrem Beruf gekommen waren. Viele der Hengste standen zur Decksaison hier und waren für diese Zeit aus dem Training. Verließen sie den Hof wieder, wurde das Training vielerorts wieder aufgenommen. Rocket entstammt eines Tausches, war hier in der kleinen Wallachherde aufgewachsen, brauchte nun aber dringend eine andere Aufgabe. Er war bereits für ein halbes Jahr zum Einreiten weg gewesen. Man merkte ihm aber nun an, dass er mit den drei Wallachen nicht mehr zurecht kam und sich langweilte. Ständig war er hinter den älteren Tieren und forderte sie zum Spielen auf. “Ich glaube, wenn er in eine kleine, gleichaltrige Herde kommt, wo die Pferde mit ihm spielen, wird er wieder viel ruhiger – außerdem würde ihm Training ganz gut tun und …”
      “Okay, jetzt, wo es ums Geschäftliche geht, verabschieden wir uns. Wir gehen eine Runde mit unseren Pferden ausreiten.” Nicholas erhob sich, Tschetan tat es ihm gleich.
      “Nehmt stattdessen doch lieber die beiden Füchse der Mädels, die haben mal wieder Bewegung nötig”, nickte Tamara den Jungs zu.
      “Okay, Ma.” Damit verließen sie den Raum und auch sogleich das Haus.
      Aiden räusperte sich. “Wo waren wir.. ach ja, genau. Wir hatten überlegt, Rocket zu verkaufen, würden ihn aber vielleicht lieber ins Training geben. Er ist Reining gezogen, soll trainiert und auf Turnieren vorgestellt werden. Wenn er sich gut macht, kommt er nochmal her, um zu Decken … außerdem hätten wir da seit Kurzem noch zwei Standardbreds und einen Draft Mix.”
      Bei Letzterem horchte ich auf. “Draft Mix?”
      “Ein Percheron - Quarter Horse Mix. Romeo, wunderschönes Tier!”, schwärmte Tamara, “etwas größer und stämmiger als die üblichen cuttinggezogenen Quarter, absolut klar im Kopf und unglaublich lieb.”
      “Den möchte ich mir direkt anschauen!”, verkündete ich mit großem Interesse und stand auf. Aiden tat es mir gleich, geleitete mich zur Tür und wir gingen zu den Stallungen. ‘Das wärs noch für die Ranch’, dachte ich und folgte Aiden gespannt.

      Tschetan
      “Du wirst dich vielleicht ein wenig umgewöhnen müssen”, sprach Nicholas neben mir. “Umgewöhnen?”
      “Wirst du gleich sehen”, grinste er verschmitzt.
      Mit den beiden Füchsen am Strick stiefelten wir zur Seite des Gebäudes, an dessen Außenwand eine solide Eisenstange zum Anbinden diente. In der Sattelkammer angekommen ahnte ich langsam, was Nicholas gemeint haben könnte. “Die Pferde sind keine Quarter, richtig?”
      “Die beiden Füchse nicht”, feixte Nicholas. Ich griff nach dem Putzkasten, den er mir herüber gab. Mit halbem Grauen starrte ich darauf. Er war knallpink mit rosafarbenen Verschlüssen. “Die beiden gehören derselben Familie. Deren Töchter sind in einem Auslandsjahr, also sind die Hengste beide hier zum decken.”
      “Fantastisch.” Ich wusste wie englisches Equipment angelegt wurde, schließlich gab es auch auf der Ranch durch O’ durchaus Pferde, die nicht den Westernsattel trugen. Richtig angefreundet hatte ich mich jedoch nie mit ihnen. “Alles klar. Ich reite ohne Sattel”, verkündete ich daher. Drehte ohne eine Antwort abzuwarten auf dem Absatz um – mit dem pinken Albtraum an einem Ende des Arms hängend. Ich musterte gerade beide Pferde genauer. Vorher hatte ich sie mir nicht so genau angeschaut. Sie waren deutlich feingliedriger als die stämmigen Quarter, die ich mittlerweile gewohnt war. Allerdings auch nicht so groß, wie die wenigen Vollblüter von Bow River. Ich konnte die Rasse tatsächlich nicht erkennen. Trotzdem waren beides genügsame und hübsche Pferde.
      ”Foxtrotter”, sprach Nicholas plötzlich neben mir.
      “Mhm?”
      “Du hast sie so angestarrt. Die beiden sind Missouri Foxtrotter. Nur falls du ergründen wolltest, was für Rassen die sind.”
      “Aber wieso bildet man sie dann nicht Western aus?”
      “Vermutlich, weil die beiden Distanzritte gehen. Mit ihrer besonderen Gangart eignen sie sich da hervorragend für.”
      Wir putzten die Beiden nur in der Sattellage über, huschten dann in die Kammer zurück, da wir möglichst viel Zeit auf dem Ritt verbringen wollten.
      “Macs Sattel ist der da”, Nicholas hatte seinen bereits auf den Arm gehievt und griff gerade nach der Trense. “Die daneben ist auch von deinem.”
      Ich ignorierte also den Sattel und griff nur nach der Trense ehe ich Nicholas hinaus folgte. “Das war also kein Scherz?”
      “Nein, ich kann mich an diese englischen Sättel einfach nicht gewöhnen.”
      “Ich fühl mich ohne Sattel immer ziemlich unsicher”, gestand Nicholas mir.
      Ich zuckte die Schultern: “Das ist keine Schande, aber du könntest es üben. Vielleicht auf Sungila, sie hat tolle Gänge.”
      “Du würdest sie mich reiten lassen?”
      “Natürlich…ich darf doch jetzt auch Mac reiten.”
      Während des Auftrensens hatte ich allerdings meine leidliche Not. Da waren plötzlich so viele Schnüre! Für Sungila hatte ich manchmal nur ein Bosal oder immer öfter ein sogenanntes War Bridle. Ich schielte ab und an zu Nicholas hinüber. Der war allerdings noch mit dem Sattel beschäftigt. Gerade als ich einen Schritt zurück machte, um mein Werk zu betrachten, trat ich Nicholas auf die Zehen, denn er stand plötzlich hinter mir.
      “Erster.”
      “Oh Sorry!”, sagten wir wie aus einem Munde. Dann sah ich ihn verwirrt an.
      “Erster?”, ich lehnte mich mit mehr Gewicht auf das eine Bein. Die Trense fehlte am Kopf seines Fuchses.
      “Erster Auftritt”, Nicholas lächelte, “meine Eltern sind…oder eher waren begnadete Tänzer. Als ich klein war waren wir oft im Training unterwegs oder so. Und immer wenn mein Vater meiner Mutter auf die Zehen getreten ist. Hat sie gezählt. Und das eben? War dein erster.”
      “Und letzter”, murmelte ich, “was musst du dich auch so heran schleichen?”
      Nicholas legte seinen Kopf leicht schief, ein Mundwinkel halb nach oben gezogen: “Und ich dachte, du wärst der Leisere von uns.”
      “Zum eigentlichen Problem – ich hab’ da ‘nen Riemen übrig”, damit hielt ich den schmalen Riemen vor sein Gesicht.
      Nicholas schielte leicht zu Mac hinüber.
      “Der ist mir auf dem Weg rausgefallen. Hab Nachsicht mit mir, ja?” Nicholas gab ein kleines unterdrücktes Lachen von sich.
      “Häng ihn einfach über die Stange, das is nur der Sperriemen. Brauchst du ohnehin nicht.” In seinen Worten griff er sachte nach meiner Hand, schnappte sich den Riemen und hängte ihn über die Eisenstange.
      “Du meinst also alles richtig verschnallt?” Nicholas nickte.
      “Dann mach dich schonmal mit Mac vertraut, dann mach ich Cheese weiter fertig.”
      “Cheese?”
      Nicholas zuckte die Schulter: “Die hingen wohl schon immer aneinander. Also heißen sie Mac n’ Cheese.” Ich konnte nicht ohnehin die geschlossene Faust vor der Stirn kreisen. Zu lang hatte ich mit Kaya die Zeichensprache verwendet. Nicholas kannte das Zeichen mittlerweile auch und schien mir mit seinem Lächeln zuzustimmen.
      “Mach du den Käse fertig. Ich komm selbst auf das Pferd.“ Ich griff mir ein Büschel der kurzen Mähne von Mac, hüpfte leicht auf der Stelle, um mich dann mit Schwung auf dem blanken Pferderücken nieder zu lassen.
      “Vielleicht sollte ich wirklich mehr üben, ohne Sattel zu reiten”, merkte Nicholas an, bevor wir uns endlich auf den Weg machen konnten, die Umgebung auszukundschaften.

      Caleb
      Im Stall angekommen blieben wir allerdings zunächst bei Rocket stehen. ‘Rocking Waves’, stand auf dem Boxenschild. Toller Name für ein unglaubliches tolles Tier! Der Palominohengst hatte eine gewellte, dichte und lange Mähne, welche gerade zu Zöpfen geflochten war. Auch der Schweif befand sich in einem dicken Geflecht.
      “Ich würde dir ja anbieten, dass du ihn mal testen kannst vor dem Mitnehmen, aber leider haben wir hier keinen Platz oder ähnliches”, murmelte Aiden, doch ich wank ab.
      “Das ist kein Problem, ich muss den jetzt hier nicht reiten. Auf Bow River werde ich dazu noch Gelegenheit genug bekommen”, antwortete ich, schnappte mir dennoch das Halfter an der Boxentür und ging zum Hengst rein. Er streckte mir den Kopf entgegen, ließ sich willig aufhalftern und in die Stallgasse führen. Dort begutachtete ich ihn, ließ ihn mir einmal von Aiden vortraben und stellte ihn zufrieden wieder in die Box. “Ich bin mir sicher, dass ich meine Freude mit ihm haben werde.”
      Aiden nickte und ging eine Box weiter, in der ein schicker Blue Roan mit blauen Augen stand. Ich lachte: “Mit den Augen passt er zu dreiviertel der Tiere auf meiner Ranch.”
      Aiden horchte auf. “Ach ja?”
      “Ja”, lachte ich und nahm den Hengst an die Hand.
      “Vierjährig”, erklärte Aiden, “gezogen vom Lindö Dalen Stuteri. Vandal LDS ist sein voller Name, von Alfred’s Nobelpreis aus der Rainbeth.”
      Ich hörte ihm aufmerksam zu, ehe ich mir den Hengst ebenfalls vortraben ließ. “Der gehört auch euch?”, fragte ich, ehe er das Tier wieder in die Box stellte.
      “Genau, den haben wir gekauft und noch einen vom LDS, hier, komm.” Damit gingen wir zu einer der hintersten Boxen. “Heldentum LDS, von Wunderkind aus der Götterdämmerung. Negativ auf alle Scheckgene.”
      “Das ist doch ganz klar ein Frame Overo?”, fragte ich verwundert und beobachtete Aiden dabei, wie er den Kopf schüttelte.
      “Nein, alles negativ. Der ist auch nicht der erste Bunte aus der Anpaarung. Das LDS forscht wohl gerade daran, weshalb er und seine Geschwister, ein oder mehrere, so aussehen, wie sie aussehen.”
      “Interessant”, schlussfolgerte ich, “deshalb habt ihr den gekauft? Mit der Farbe lässt er sich später wohl besser vermarkten.”
      “Exakt”, Aiden lachte und führte mich endlich zu dem Pferd, von dem wir eben im Haus gesprochen hatten, “das ist Romeo, eigentlich Fancy Like Romeo. Vater ist ein Percheron, Mutter ein Cutter.”
      “Den darf ich bestimmt auch mal rausholen?”
      “Tu dir keinen Zwang an.”
      Mit dem Halfter, welches an seiner Box hing, ging ich zu dem Hengst rein. Romeo brummelte leise, sah von seinem Heu auf und kam mir einen Schritt entgegen. Ich streichelte ihm sanft über den Schopf, zog ihm das Halfter an und führte ihn in die Stallgasse. Er folgte willig, ließ die Ohren spielen und sah sich um. Am Ende des Stalles brummelte eines der Tiere, Romeo wandte nur den Kopf und schaute in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Wenige Sekunden später, ohne einen Ton von sich zu geben, schaute er wieder zu mir. “So einer fehlt mir noch”, lachte ich. Ich wollte ihn zurück in die Box stellen, doch Aiden bestand darauf, ihn auch ein wenig vortraben zu lassen. Entgegen meiner Erwartungen stellte ich kaum einen Unterschied zu einem echten Quarter fest. “Toller Beweger”, schlussfolgerte ich, ehe Romeo wirklich wieder in die Box kam.
      Wir schauten uns noch ein paar der anderen Deckhengste an.
      Gerade, als ich den Stall wieder verlassen wollte, hielt mich Aiden zurück.
      “Hör mal Caleb, dass du Rocket mitnimmst, ist ja beschlossene Sache. Aber hast du noch Kapazitäten für die anderen drei Pferde? Romeo, Hero, also Heldentum und Vandal? Mir fehlt es hier im Moment an allen Ecken, die stehen sich nur die Beine in den Bauch. Zum Decken kann ich sie ja noch nicht nehmen, weil sie noch nicht gekört sind. Tamara und ich dachten, es wäre eine gute Idee, auch eigene Hengste zu halten und nicht nur mit Fremden zu arbeiten. Leider scheitert es an der Zeit. Tamara arbeitet zusätzlich in einem Diner in Mossleigh, die Rechnungen wollen schließlich bezahlt werden, deshalb ist sie weniger hier, um zu helfen.” Aiden klang aufrichtig, aber auch ein wenig verunsichert. “Verkaufen wollte ihr sie nicht, oder?”
      Er schüttelte den Kopf: “Nein, erstmal nicht. Vermutlich wäre Vandal aber das erste Pferd, welches wir anbieten würden. Nicht, dass er nicht auch toll wäre, im Gegenteil. Aber man hat seine Lieblinge …”, er zuckte lächelnd die Schultern.
      Ohne noch länger überlegen zu müssen, legte ich ihm die Hand auf die Schulter. “Das bekommen wir hin.”
      Eine halbe Stunde und ein ganzer Stapel Papierkram später hängte ich gerade Aidens Trailer an meinen Truck. Wir hatten abgemacht, dass ich die Tiere jetzt sofort mitnehmen würde. Den Trailer könnte einer meiner Leute die Tage zurückbringen oder sie würden ihn holen kommen.
      Das erste Pferd auf dem Hänger war Heldentum. Hero, der mir zeitweise ein wenig tollpatschig vorkam, stolperte beim ersten Schritt die Rampe hoch und ging in die Knie, ehe seine Nase mit der Rampe kollidierte. Aiden, der den Hengst führte, zuckte erschrocken zusammen. Auch Tamara, die sich mittlerweile zu uns gesellt hatte, schnappte erschrocken nach Luft. Ich machte, mit Vandal am Strick, einen Satz auf die Beiden zu, doch Hero hatte sich bereits wieder aufgerappelt und schüttelte sich einmal kurz.
      “Das müssen wir aber noch üben”, sprach Aiden an den Hengst gewandt und streichelte ihm einmal durch die zottelige Mähne. Schließlich folgte der Hengst ihm ohne weitere Probleme die Rampe hinauf. Als Aiden wieder herauskam sagte er an mich gewandt: “Hab grade noch geschaut, weder am Bein noch an der Nase hat er sich was getan. Falls er doch später etwas klamm laufen sollte, kannst du ja nochmal nach ihm schauen?”
      Ich nickte und versicherte ihm, dass er bei mir in guten Händen sein würde. Vandal ging kooperativ hinter mir her, erschreckte sich allerdings kurz vor dem dumpfen Geräusch, als er mit einem kleinen Satz hinter mir her auf die Rampe sprang. Ich wartete kurz und ließ ihm Zeit, sich umzuschauen. Dann ging er zügig mit mir nach vorne und ließ sich ohne Probleme anbinden.
      Rocket folgte Aiden zügig in den Hänger während Romeo ein wenig vor sich hin schlurfte. Vier komplett unterschiedliche Pferde würde ich gleich mit zurück nach Bow River holen.

      In der Zwischenzeit waren Tschetan und Nicholas von ihrem Ausritt zurück. Letzterer wirkte ein wenig zerknirscht. Noch bevor ich nachfragen konnte, setzte er an: “Echt bewundernswert, dass Tschetan auf dem Pferd sitzt wie festgeklebt. Davon kann ich nur träumen!”
      “Ich hab dir ja angeboten Sungila beim nächsten Mal zu reiten, dann lernst du das.”
      “Sungila?”, fragte ich verwundert.
      “Na Connies Blue Splash oder so heißt die doch”, Tschetan zuckte mit den Schultern.
      Endlich dämmerte es mir. “Colonels Blue Splash”, schlussfolgerte ich, “wurde ja früher Connie gerufen, bis du sie umbenannt hast. Wie rufst du Like a Prayer eigentlich mittlerweile?”
      “Yumni.”
      “Stimmt.”
      Nicholas Vater räusperte sich. “Bleibst du jetzt hier, Junge? Ich könnte deine Hilfe noch bei den Wallachen gebrauchen.”
      “Ist gut”, antwortete Nicholas, “bis dann ihr zwei.”
      Wir verabschiedeten uns ehe wir uns in den Wagen setzten. “Jetzt kann ich dich nicht fahren lassen, hab da hinten vier Pferde drin stehen.”
      “Vier?”, fragte Tschetan ungläubig und half mir, das Gefährt aus der engen Ausfahrt hinaus zu manövrieren, indem er mir den Abstand zum Zaun auf seiner Seite weitergab.
      “Vier”, wiederholte ich lachend und bog nach links in Richtung des Highway ab, “zwei Standardbred, also Traber, Rocket und einen Quarter - Percheronmix.”
      “Was machst du damit?”
      “Die sind alle nur zur Verfügung. Der Plan ist sie zu trainieren und zu kören, dann gehen sie wieder zurück zum Decken.”
      Tschetan nickte vielsagend. “Du brauchst echt nicht noch mehr Pferde.”
      Ich lachte. “Du meinst ich könnte mal welche verkaufen?”
      Wieder nickte er.
      “Hattet ihr einen schönen Ausritt?”, fragte ich ihn dann und lenkte das Gefährt wieder auf die Straße zurück in Richtung Mossleigh.

      Tschetan
      Ich starrte ein wenig in die Ferne. Die Antwort war nicht ganz einfach. “Ich bin noch nie ein Gangpferd geritten”, sagte ich daher etwas abwesend, “beide Hengste waren Missouri Foxtrotter.”
      Caleb ging nicht ein auf die Tatsache das ich ihm nicht direkt geantwortet hatte. “Bist du deshalb ohne Sattel geritten, weil sie besonders bequem sein sollen?”
      “Nicht wirklich. Ich konnte mich mit dem Gedanken in den Englischsattel zu steigen nicht anfreunden.”
      Caleb lachte laut auf. “Das kann ich nachvollziehen.”
      “Die Landschaft war anders als im Tal bei uns…viele Felder voll Getreide. Wir mussten uns ziemlich oft an die Wege halten. Ich kann verstehen, dass Nicholas mehr Zeit bei uns verbringt.”
      Ich rutschte etwas unsicher auf dem Polster herum. “Nicholas er…er war ziemlich neugierig.” Caleb sah mich von der Seite etwas schief an. Zum dritten Mal an diesem Nachmittag war ich froh um das Tuch über meinen Ohren. “Naja, auch er hat keine Glasaugen. Er hat nach dir und Ylvi gefragt”, ich seufzte tief, “ich weiß nicht wieso….ob ich angeben wollte, weil ich mehr weiß, oder einfach, um das Geheimnis nicht mehr nur allein zu bewahren. Ich hab ihm erzählt, dass ich euch beide in der Ebene beobachtet habe”, ich legte eine Hand über meine Augen, um seinem Blick auszuweichen. Doch meine Scham hatte mich dazu bewogen, ihm die Wahrheit zu sagen. “Ich hab ihn schwören lassen, es nicht zu verraten. Das wird er nicht. …er…er ist ein Freund.” Jetzt sah ich doch an meine linke Seite, suchte im Blick von Caleb nach Wut. Stattdessen musste ich ein schmales Lächeln auf seinen Lippen erkennen.
      “Hast du bisher tatsächlich niemandem davon berichtet?”, sprach er überrascht. Ich verneinte ohne Worte seine Frage. “Bist ein feiner Kerl. Es ist in Ordnung, dass er es weiß. Sogar Louis weiß davon.”
      Die Aussage ließ mich dann aber doch kurz nach Luft schnappen. “Wirklich?”
      “Ylvi, ja…sie hat es mir erzählt.”
      “Verwirrend wie er so ruhig bleiben kann. Ich meine, du hast ihn geschlagen …”, murmelte ich, ohne darüber nachzudenken.
      “Nachträglich bin ich nicht stolz darauf.”
      Ich zuckte die Schultern. “Du kannst es nicht mehr ändern – und trotz deiner Wut durften wir bleiben.”
      “Junge, wann bist du so erwachsen geworden?” Caleb sah mich mit hochgezogener Augenbraue kurz an, bevor seine Aufmerksamkeit wieder der Straße galt. Ich machte mir eben um vieles Gedanken. Plötzlich gaben Caleb und auch mein Handy einen Ton von sich. Anhand meines Tones erkannte ich die Gruppe der Ranch. Ich zog es mir etwas ungelenk aus der Hosentasche, las kurz und musste dann schmunzeln.
      “Dolly schreibt dann, dass du einen Zahn zulegen sollst, die anderen haben kein Bock ewig auf das Abendbrot zu warten”, feixte ich.
      Caleb wedelte mit den Händen, Richtung der Uhr im Truck. “Wir haben noch eine Stunde Zeit!”
      “Sei fair, sie kann ja nicht riechen, dass wir schon im Auto sitzen. Soll ich Cayce und Louis schreiben, sie sollen in 40 Minuten mithelfen, die Pferde zu entladen?”
      “Keine schlechte Idee.”
      Ich tippte also schnell eine Nachricht an Louis, kopierte diese, um sie dann auch direkt an Cayce zu verschicken. Louis gab nur einen Daumen als Antwort. Cayce schrieb ein “PferdE?” worauf ich nur mit einem schulterzuckenden Emoji antwortete.

      Ylvi
      Ich ließ die Palominostute langsam an den Zaun heran treten, schwang dann ein Bein über ihren Rücken, ohne den Bügel zu belasten, die rechte Hand hielt dabei beide Zügel und ruhte auf dem Knauf. Kurz sortierte ich Zügel und Haare in meiner Hand. Dann lobte ich Honor. Wir hatten es uns mehr und mehr zur Aufgabe gemacht die Pferde, die für die Ferienranch sein, sollten zu reiten. So wurden sie nicht nur an das Terrain sondern auch an unterschiedliche Reiter gewöhnt. Auf dem Plan hatte ich gesehen, dass sich Honor eine ganze Weile nicht bewegt hatte, daher hatte ich für den Ausritt heute auf sie zurückgegriffen. Ich drehte mich nach Louis um, blaue Augen schauten mir aus einem fast schwarzen Gesicht aufmerksam entgegen. Er hatte sich an einem seiner aktuellen Trainingspferde bedient. Skip war eine breitbrustige Blue Roan Stute mit auffallend blauen Augen. Auch sie sollte auf lange Sicht für die Ferienranch genutzt werden. Allerdings machte sie sich so gut am Rind, dass Caleb sie vielleicht doch lieber hier auf der Ranch behalten wollte.
      Wir verließen die Einfahrt der Ranch Richtung Norden.
      “Wann hast du vor Tschetan den Hut zu übergeben? Beim Abendessen später?”
      “Puuh ich hab überlegt ihn einfach in sein Zimmer zu legen. Tschetan ist doch eher der Typ für wenig Aufmerksamkeit. Ich wollte keine große Sache draus machen.” Ich schob beim Denken leicht die Unterlippe nach vorn. "Tatsächlich wäre das wohl in seinem Sinne. Wobei ich bei der Entdeckung schon sehr gern sein Gesicht sehen wollen würde!"
      "Vielleicht fragen wir Kaya später. Allerdings bin ich auch sicher Logan möchte seine Reaktion sehen. Daher wäre es nur fair das ganze doch beim Essen zu veranstalten?"
      “Wo du gerade von Logan sprichst. Wie kommt es, dass er wieder hier ist? Hat er nicht zuletzt viel in der Reservationsschule unterrichtet?” Offenbar traf ich damit einen wunden Punkt, denn unvermittelt ließ Louis sein Pferd - harscher als nötig gewesen wäre - in einen flotten Galopp fallen. Ich ließ ihn gewähren. Für gewöhnlich würde er mir die Antwort auf meine Frage geben – eben in seiner eigenen Zeit. Wir galoppierten also schweigend über die Ebene, bis er Skip durchparierte. Ich gab darauf acht, dass meine Palominostute nicht ständig versuchte das hohe Gras zu fressen. Auch um mich davon abzuhalten, Louis erwartungsvoll anzuschauen. Nur durch den Schleier meiner offenen Haare sah ich ihn manchmal an. Es wirkte als sei er auf dem Pferd zusammengesunken.
      “Ich hab mich die letzten Monate seinem Willen verwehrt”, sprach er, bevor wieder eine Weile Schweigen zwischen uns herrschte. Aber ich versuchte nicht zu bohren.
      “Logan… er wollte, dass Tschetan, jetzt wo er älter ist, zurück in die Reservation kommt. Sie waren nicht glücklich, als ich damals die Entscheidung traf, mit euch nach Kanada zu ziehen – oder überhaupt Tschetan aus der Reservation zu holen”, er seufzte schwer, “die Hochzeit mit dir hat dem ganzen noch mehr Feuer gegeben.”
      Ich konnte nicht anders als verwirrt das Gesicht zu verziehen, konnte nicht ganz alle Gegebenheiten miteinander verknüpfen. Das schien auch er zu verstehen.
      “Weißt du, einige der Ältesten sind der Auffassung, dass einige mehr Wert sind, als Andere. Tschetans Vater war ein direkter Nachkomme eines bedeutenden Lakota, dessen Name dir ohnehin nichts sagt. Aber für unser Volk ist er von großer Bedeutung. Und auch Tschetans Mutter stammt aus einer … mhm … ‘reinen’ Verbindung. Das macht aus Tschetan, nunja … einige würden ihn wohl Vollblut-Native nennen.”
      Ich schluckte. Die Worte und Gedankengänge erinnerten mich unweigerlich an Geschehnisse des dritten Reiches. Ich wusste, dass Amerika durchaus ein “Rassenproblem” hatte, dass es allerdings selbst unter den Natives ein Thema war, überraschte mich.
      “Ich wollte Tschetan von all dem fern halten. Von den Problemen, die ich in meiner Kindheit hatte … und von diesem Denken. Deshalb hab ich mit voller Überzeugung dem Umzug nach Kanada zugestimmt. Logan hat die letzten Monate immer wieder gefordert, dass der Junge zurückkehrt. Aber solange er nicht volljährig ist, soll er sich auf andere Dinge konzentrieren. Logan bat darum, dass Tschetan den Sommer in der Reservation verbringt.”
      “Ich finde das sollte er ganz allein entscheiden.”
      “Ganz deiner Meinung. Logan war … weniger begeistert. Schwaffelte irgendwas von ‘ich würde den Jungen seiner Kultur entziehen’ … dabei vergisst er, dass ich ihm schon unsere Traditionen weitergebe. Noch schlimmer an der Sache ist, dass er Kaya völlig vergisst”, jetzt begann er sich fast in Rage zu reden, was ich sonst nur selten bei Louis erlebte, “es hat ihn beinahe nicht interessiert, dass sie mittlerweile spricht, was für eine aufgeweckte junge Erwachsene aus ihr wird.”
      Frustriert warf er die Zügel auf den Hals und es sprach definitiv für die kleine Roanstute, dass sie völlig unbeeindruckt von seinem Gebaren blieb. Die Verwirrung hatte sich etwas gelöst, trotzdem kam ich nicht umhin eine weitere Frage zu stellen.
      “Aber warum? Doch nicht etwa, weil sie ein Mädchen ist?”
      “Noch viel trauriger…sie haben nicht beide den selben Vater.”
      Überrascht sah ich Louis an, dass hatte ich bisher nicht gewusst. Es war für mich auch keine relevante Aussage. Offenbar hatten beide Väter kein interesse an ihren Kindern gezeigt, denn sonst würde sich nicht Louis um sie kümmern. Sie waren seine Kinder, daran gab es keinen Zweifel. Auf seltsame Art und Weise waren sie auch die Meinen. Zumindest schien sich ab und an etwas wie Mutterinstinkt in mir zu regen.
      “Das bedeutet wohl, dass Kayas Vater keiner tollen Blutlinie entstammt? Das schmettert mich etwas nieder…ich dachte in eurer Community ist Rassismus kein Problem. Zumindest nicht untereinander. Schließlich kann ich mich da lebhaft an das Indian Relay erinnern.”
      “Glaub mir, nach den Jahrhunderten der Nichtachtung sollte man meinen, es sei kein Problem. Aber in einigen älteren Kreisen ist es das leider. Ich selbst war in meiner Jugend davon betroffen … es hat mich, nunja etwas hochnäsig gegenüber anderen gemacht. Erst als wir die Reservation verlassen haben, da hab ich gemerkt, dass meine Ahnen außerhalb keinerlei Rolle spielen. Das möchte ich an die beiden weitergeben. Sie sollen ihr Volk und ihre Kultur kennen, sie lernen die Sprache der Ahnen. Beide sollen wissen, woher sie kommen. Gleichzeitig sollen sie aufwachsen wie alle anderen Jugendlichen auch. Offene junge Erwachsene werden.”
      Ich trieb meine Stute etwas näher an Louis heran, stieß mit dem einen Fuß leicht gegen seinen Haken. Sein Blick hob sich in meine Richtung … ich lächelte ihn offen an. “Ich glaube das wissen beide sehr zu schätzen. Lass uns heute Abend mit Tschetan darüber sprechen…und auch mit Kaya. Ich finde beide sollen entscheiden, ob sie in die Reservation möchten für einige Zeit. Auch Kaya hat dazu ein Recht.”
      Louis ließ die Roanstute anhalten, lehnte sich dann zu mir hinüber um dankend die Hand auf meinen Oberschenkel zu legen.

      Caleb
      Am Hof angekommen parkte ich den Trailer vor dem Hauptstall. Rocket und Romeo, die bei den Brixtons ebenso zusammengestanden hatten wie Vandal und Hero, würden auf zwei der stallnahen Paddocks untergebracht werden. Tschetan sprang aus dem Wagen und ließ sofort zur Laderampe hinter dem Hänger. Cayce lugte aus der offenen Stalltür heraus, ehe er sich die staubigen Hände an der Hose abklopfte und zu uns kam. Louis stand etwas weiter weg, gestikulierte und teilte mir so mit, dass er etwas anderes zu tun hatte. Ich nickte, winkte ab und sah ebenfalls ein Nicken, ehe er auf dem Absatz kehrt machte und in Richtung Bungalow joggte. Etwas fragend blickte ich ihm hinterher, schaute dann jedoch wieder zu Tschetan und Cayce, die bereits die beiden Quarter ausgeladen hatten.
      “Vier Pferde?”, fragte Cayce verwundert und kratzte sich am Kopf.
      “Keine Sorge”, lachte ich, “die sind nur zur Verfügung. Der Palomino ist Rocking Waves und der Rappe ist ein Percheron - Quartermix namens Fancy Like Romeo. Die könnt ihr zusammen auf den ersten Paddock links stellen, die kennen sich. Die anderen beiden, Vandal LDS und Heldentum LDS können auch zusammen. Am Besten auf den zweiten Paddock links.”
      Während Cayce und Tschetan die beiden Hengste wegbrachten, betrat auch ich den Hänger und band Vandal los, führte ihn von der Rampe und band ihn kurz an der Seite an, damit ich auch Hero abladen konnte.
      “In welchen Farbtopf is der denn gefallen?” Cayce starrte den Hengst ungläubig an, während Tschetan sich mit Vandal bereits auf den Weg machte.
      “Das versucht das LDS in Schweden gerade rauszufinden. Der Kerl ist negativ auf alle Scheckgene.”
      “Was du nicht sagst.” Cayce kratzte sich am Kopf, rückte seinen Hut wieder zurecht und schaute dann zu mir rüber. “Ich kam noch gar nicht dazu, dir Bescheid zu sagen. Ich hab Tate ausprobiert, hatte ihn mit zur Weide, wo wir die Kühe stehen haben. War ein bisschen holprig, der hat mich beim Reiten fast ins Bein gebissen. Er wollte einfach nicht nah genug ans Tor ran, damit ich es auf bekam. Musste dann sogar absteigen … beim Rausreiten hat es dann jedoch geklappt. Bei den Kühen ist er noch etwas ängstlich, aber ich denke, wenn ich da dran bleibe, könnte der was für mich sein.”
      Ich lachte kurz, nickte dann aber vielsagend. “Tate ist einfach ein Pferd für eine Person. Dem tut das gar nicht gut, wenn die Reiter ständig wechseln. Hol den mal die nächste Zeit vorwiegend mit für die Rancharbeit und sag mir in ein paar Wochen nochmal Bescheid, wie er sich macht, ok?”
      Cayce nickte. Am Paddock angekommen öffnete er uns das Gatter, so dass wir die beiden Junghengste hineinführen und loslassen konnten. Als wir wieder draußen waren und das Tor geschlossen hatten, setzte er erneut an: “Außerdem waren Louis und Ylvi heute den Zaun an den Nordhängen kontrollieren, so dass wir die Kühe bald umtreiben können. Da ist alles in Ordnung gewesen.”
      Erneut nickte ich, ehe wir uns den Pferden zuwandten. Die beiden ‘älteren’ Hengste stürzten sich sofort auf das noch verbliebene Gras, während die beiden Jungspunde am Zaun auf und ab liefen und aufgeregt wieherten. Die Pferde der Ranch waren auf den Paddocks und Weiden so verteilt, dass die neuen Tiere sie nicht sehen, aber hören konnten. Ein paar der Tiere antworteten ihnen, nach kurzer Zeit allerdings fingen die zwei auch an zu fressen.
      Als mein Handy vibrierte, zog ich es aus der Tasche und betrachtete den Bildschirm. “Dolly ruft zum Abendessen. Dann machen wir den Hänger gleich sauber und stellen ihn zur Seite – entweder wird er die Tage abgeholt oder wir fahren ihn nochmal rüber”, erklärte ich Cayce, welcher nickte und sich diese Information im Hinterkopf abzuspeichern schien.
      Als Tschetan eine andere Richtung als wir anschlug, wandte ich mich ihm zu. “Kommst du nicht mit?”
      Er schüttelte den Kopf. “Ylvi schrieb gerade, dass wir heute Abend drüben essen.”
      Ich schaute ihn fragend an, kommentierte seine Aussage allerdings nur mit einem “Dann lasst es euch schmecken”.
      Als Cayce und ich am Haupthaus ankamen, flog uns die Tür entgegen. Kaya stapfte ohne ein Wort an uns vorbei in Richtung des Bungalows.
      “Die scheint nicht begeistert”, lachte Cayce und hielt mir die Tür auf. “Ich glaub Dolly hat eines ihrer Lieblingsgerichte gekocht. Da wäre ich auch beleidigt.”
      Wir lachten beide kurz, ehe wir ins Esszimmer gingen und uns setzten.
      Dort herrschte reges Treiben. Octavia erzählte wild gestikulierend von den Fortschritten beim Einreiten von Leuchtfeuer und den bequemen Gängen ihrer Scheckstute Kara, Bellamy unterhielt sich mit Laurence über Birk und Myrk, bei denen es mal Zeit wurde, sie tatsächlich mal an eine Kutsche zu spannen. Die beiden hatten bereits eine Menge Arbeit in die Tiere gesteckt, um sie optimal darauf vorzubereiten.
      “Ich müsste sogar noch eine Kutsche haben”, mischte ich mich in das Gespräch ein und sah, wie sie sich mir beide schlagartig zuwandten.
      “Oh echt? Das wäre super!”, sagte Bellamy direkt, wandte sich dann aber wieder Laurence zu und besprach das weitere Vorgehen im Training.
      Unmerklich schüttelte ich den Kopf. Falls die zwei dann doch so weit wären, dass sie die Kutsche brauchen würden, käme das Thema auf, wo ich sie denn stehen hätte.
      “Brian wie lief es heute mit deinen Trainingspferden?”
      “Gut, gut. Hope war wie immer ein Schatz, die macht es mir so einfach. Plankton, Conti und Witch hatte ich nur im Round Pen. Conti kann ich ja eh nicht reiten, hab mich sowieso gefragt, wieso du sie mir eingeteilt hast?”
      Ich klatschte mir die Hand an den Kopf. “Da habe ich mich verschrieben. Chico hätte da stehen sollen, nicht Conti. Hat den heute jemand bewegt?” Ich schaute in die Runde, alle schüttelten den Kopf. “Dann machst du den Morgen, ja?”
      Brian nickte und sagte dann: “Becks und Moonie bin ich noch geritten … das waren meine für heute.”
      “Gut, danke. Cayce wie hat es bei dir ausgesehen?”
      Er überlegte kurz, kramte dann einen Zettel aus der Hosentasche. “Man muss ja organisiert sein”, grinste er, “Shorty hatte frei, Zues hab ich auch nur gefüttert, Courtesy hab ich auch nur auf den Paddock gebracht, da müssen wir mal dringend wieder nach den Hufen schauen. Berry hatte einen schlechten Tag, glaub der hatte noch gut Muskelkater vom Gelände gestern. Hab ihn nur locker eine halbe Stunde geritten. Saintly und Vulture hab ich im Round Pen laufen lassen, Benny war in der Führanlage. Bisschen Schritt und Trab. Sky und Cody bin ich beide geritten. War okay.”
      “Alles klar. Und was hast…”
      “Mister Caleb!”, ermahnte mich Dollys Stimme neben mir harsch. “Jetzt wird gegessen. Lasst den Tag hinterher Revue passieren, es wird doch alles kalt!”
      In Laurence Lachen stiegen wenige Sekunden später alle anderen ein. Gerade als ich nach dem Topf greifen wollte, vibrierte mein Handy. Eine Nachricht von Ylvi, sie aßen drüben im Bungalow, sie mussten etwas mit den Kindern besprechen. Zunächst wollte ich die Nachricht nicht beantworten, schickte dann jedoch ein ‘Daumen hoch’ ab, ehe ich mich den Töpfen widmete.
      Dolly nahm nun auch, neben Laurence, Platz und füllte sich ihren Teller.

      Nach dem Abendessen begaben sich Cayce und ich wieder zum Trailer, um die Streu auszukehren und ihn innen sauber zu machen, ehe ich ihn schließlich zur Seite fuhr. Ich schaute noch einmal nach den Neuankömmlingen, erledigte meine Abendrunde und ging dann zurück ins Haus, um die Papiere der neuen Pferde in die richtigen Ordner einzuheften. Außerdem kümmerte ich mich noch um ein paar Rechnungen, die ich online begleichen konnte. Zwischen diesen fand ich ein Schreiben des Jugendamtes. Ich schluckte. Der Tod von Dell war schon ein paar Wochen her, der Besuch Ylvis und mir auf dem Jugendamt ebenso. Ich hatte die Tatsache, dass bezüglich Betsys Verbleib noch gar nichts geklärt war, zur Seite geschoben.
      Mit zittrigen Fingern öffnete ich den Umschlag, atmete dann jedoch erleichtert auf. Ihnen fehlten lediglich ein paar Daten, um eine vollständige Akte anlegen zu können. Flink füllte ich das Formular aus, steckte es in einen neuen Umschlag und legte den Brief ins ‘zur Post’ - Fach.
      Schließlich fuhr ich den PC herunter, ging ins Wohnzimmer, setzte mich auf den Sessel und schaltete den Fernseher ein.
      “Hier steckst du.” Eine altbekannte Stimme ließ mich über den Sitz nach hinten schauen.
      “Ich war bis grade im Büro, wo hast du mich denn gesucht?”
      “Na im Stall. Da war aber schon alles dunkel. Hab Blue noch gute Nacht gesagt.”
      Ich grinste. Sue stand im Moment nicht am Stall, dafür sagte sie Blue jeden Abend gute Nacht. “Ich wollte noch ein wenig fernsehen, bevor ich ins Bett gehe. Magst du mitschauen?”
      “Was gucken wir denn?”, fragte mich Betsy, ehe sie sich aufs Sofa legte, dann jedoch wieder aufsprang und mich voller Enthusiasmus ansah, “es gibt einen neuen Pferdefilm. Da muss ein Stadtmädchen aufs Land zu ihren Großeltern und mag eigentlich gar keine Pferde. Aber da ist dieses eine Pferd, zu dem sie eine Verbindung hat. So wie ich zu Sue und…”
      “Okay, okay … du hast mich überzeugt.”

      Ylvi
      Zu Kayas Missfallen hatten wir uns beim Abendessen vom Gelage drüben im Haupthaus entzogen. Louis und ich hatten beschlossen, in Ruhe bei einem gemeinsamen Essen mit den Kindern zu sprechen. Caleb hatte ich eine kurze Nachricht mit einer kleinen Erklärung gegeben. Ich wusste gar nicht so richtig, warum ich ihm das mitteilen wollte, doch es hinterließ ein weniger schuldiges Gefühl in mir zurück. Das fragile Band an Vertrauen, dass wir in den letzten Wochen aufgebaut hatten, wollte ich nicht zerstören.
      Gemeinsam mit Louis stand ich in der Küche und fischte gerade ein triefendes Frybread aus dem großen Topf mit Öl. Der Teig war etwas anders, aber grundsätzlich versetzte mich das Gericht immer nach Deutschland auf Weihnachtsmärkte auf denen Langos verkauft wurde. Louis hielt mir den Teller hin, auf dem ich die große Scheibe Fladenbrot zu seinen Geschwistern legen konnte. In einer anderen Pfanne briet Karibufleisch. Ich war gespannt, wie es schmecken würde. Louis und Tschetan hatten das Tier vor einiger Zeit selbst geschossen.
      “Rieche ich da etwa Frybread?”, verkündete Tschetan, als er barfüßig ohne Oberteil im Rahmen der Tür zur Küche stehen blieb. Seine Haare waren noch nass vom Duschen. “Brauch nicht zu lang, ist bald alles fertig. Ist Kaya schon hier?”
      “Gerade zur Tür rein!”, verkündete ihre glockenhelle Stimme aus dem Flur. Ihr buschiger Kopf schob sich neben ihrem Bruder in mein Blickfeld. Ihr ganzes Gesicht war ein wenig staubig. Ich schob fragend die Augenbraue nach oben, kommentierte es aber nicht.
      “Ist das Bad frei?”
      “Geh nur, ich brauch nur ein T-Shirt.” Damit verschwanden beide Kids wieder aus dem Türrahmen.
      “Ob sie schon wieder vom Pferd gefallen ist?”, fragte ich halb besorgt in Richtung Louis.
      “Sie läuft, sie kann sprechen. Nächstes Mal wird sie vorsichtiger sein.”
      Manchmal tat ich mich schwer mit der Art seines Volkes, ihre Kinder zu erziehen. Niemals wurden sie getadelt oder ihnen ihre Fehler vorgehalten. Also hatte ich mich dessen angepasst, kollidierte dennoch von Zeit zu Zeit mit den Grundsätzen, wie ich selbst aufgezogen wurde.

      Keine 10 Minuten später versammelten wir uns alle um den Tisch herum. Darauf fanden sich mehrere Schalen mit Fleisch, Gemüse und einer Sour Creme. So konnte jeder selbst entscheiden, was er auf seinem Fladenbrot haben wolle. Da ich nicht genau wusste, wie wir das eigentlich ansprechen sollten, sah ich etwas zu Louis hinüber. Er beugte sich zu Boden. Mit den Worten “Bevor wir anfangen, hab ich da etwas für dich Tschetan.”
      Der angesprochene schob mit dem Handrücken seinen Teller ein wenig aus dem Weg und zog halb ehrfürchtig den Karton zu sich heran. Sah dann von Louis zu mir. Langsam hob er den Deckel des Kartons an. Kaya streckte sich, obwohl sie den Hut bereits gesehen hatte. Nur schwer konnte sie das gespannte Grinsen verbergen. Tschetan spähte hinein. Schloss dann schnell den Deckel wieder, sah wieder von einem zum anderen. Schließlich machte er den Deckel doch sehr schnell auf. Sah hinab auf das was im Karton wahr. Seine Augen zeigten Unglauben. Glänzten aber, als er den Hut vorsichtig aus dem Karton holte. Dann schlug er sich eine Hand vor den Mund, als er unter dem Hut die große Feder sah. Um den Kiel war Leder gewickelt, kleine rote Perlen angenäht.
      “Ist sie echt?” hauchte Kaya, sah dann zu Louis um seine Antwort zu sehen. Er nickte nur mit einem Lächeln.
      “Tschetan, setz ihn auf, ich steck dir die Feder in den Lederriemen!”, ergriff Kaya wieder das Wort, während ihr Bruder Hut und Feder noch ehrfürchtig in der Hand hielt. Nur langsam erwachte er aus der Starre, setzte sich den Hut auf den Kopf, um ihn dann ein wenig zu neigen, damit Kaya ihm die Feder an den Hut stecken konnte. Als er zu uns herüber sah voller Freude und Stolz, konnte ich das Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Tschetan stand auf, umarmte erst Louis der sich erhoben hatte. Louis sprach Worte in Lakota die nur für den Jungen bestimmt waren, sonst hätte er sie in Englisch gesprochen. Anschließend umarmte Tschetan mich. Die Worte die er mir dabei ins Ohr flüsterte ließen mich völlig vergessen, das er mir danach einen Kuss auf die Stirn drückte. Dann schenkte er mir sein breites Grinsen, denn er wusste sehr wohl, wie sehr er mich aus dem Konzept gebracht hatte. Auch seine kleine Schwester bekam eine fette Umarmung. Während meine Gänsehaut noch anhielt, eröffnete ich das Essen. Wir ließen uns Zeit bis jeder seinen Teller befüllt hatte.
      “Deine Feder stammt von Logan… damit verbunden ist eine kleine Bitte seinerseits”, fing ich an, doch Louis unterbrach mich.
      “Tatsächlich kam es eher einem Befehl gleich. Er würde es ziemlich begrüßen, wenn wir zurück in die Reservation kämen. Den Wind habe ich ihm direkt genommen. Allerdings wollte er dich für die Ferien zurück nach Pine Ridge holen”, sprach er direkt an Tschetan. Der hörte erstmal auf mit dem Kauen.
      “Wir haben allerdings beschlossen, euch beide einzuweihen”, fuhr ich weiter fort, “Louis und ich waren uns einig, dass ihr beide diese Entscheidung selbst treffen solltet. Ihr seid alt genug, um solche Sachen für euch selbst entscheiden zu können.”
      Tschetan und Kaya sahen sich an. "Müssen wir uns jetzt entscheiden?", fragte Kaya etwas zerknirscht.
      Ich schüttelte den Kopf. "Lasst euch das in Ruhe durch den Kopf gehen."

      Caleb
      Am nächsten Morgen, gleich nachdem ich aufgestanden war, versuchte ich es erneut bei den Züchtern von Benny. Ich hatte schon so oft angerufen, aber nie jemanden erreicht, ähnlich wie bei den Brixtons, nur dass ich nicht mal eben nach Montana fahren konnte.
      So war es auch dieses Mal. Ich entschied mich nun dazu, ihnen eine E-Mail zu schreiben. Vielleicht wären sie darüber besser zu erreichen.
      Tatsächlich dauerte es nur eine halbe Stunde, da ploppte eine neue Mail in meinem Postfach auf. Sie freuten sich darüber, dass ihr Thiz Bye Bye Bay nun in Kanada auf der Bow River Ranch stand und ich ihm die Zeit geben würde, die er brauchte, bevor er wieder in den Showring treten würde. Momentan hätten sie einige Jährlinge zu verkaufen, ich könne sie gerne einmal anschauen kommen. Um mir vorab schon mal ein Bild zu machen, waren der E-Mail Bilder der Pferde angehängt.
      20 Stück um genau zu sein. Auf jedem Foto befand sich ein anderes Pferd.
      “Die sehen ja toll aus.”
      Ich zuckte merklich zusammen. Betsy stand neben mir und betrachtete die Fotos der Pferde. “Wie lange stehst du eigentlich schon da?”
      “Seit du die Fotos aufgemacht hast.”
      “Ich hab dich gar nicht kommen hören…”
      "Hab's gemerkt.” Sie grinste mich an und zeigte auf das Foto eines Rappschecken. “Das ist hübsch.”
      Ich schmunzelte, vergrößerte es und machte es wieder zu, um das Bild eines anderen dunklen Schecken aufzumachen. “Das ist aber auch toll.”
      Betsy seufzte. “Die sind alle toll … huch guck mal, der ist ganz weiß! Run Outta Colour”, sie lachte, “der Name passt.”
      Länger als gedacht blieb ich am Foto des weißen Hengstes hängen, las mir die Abstammung und die Farbgenetik durch. Schließlich seufzte ich. “Der ist taub. Durch die Farbe. Kostet auch nur einen Apfel und ein Ei, trotz der guten Abstammung.”
      "Wenn's doch aber ein liebes Kerlchen ist …” Betsy zuckte die Schultern. “Wir sind jetzt übrigens los zur Schule. Bis später.”
      Betsy wollte gerade den Raum verlassen, da stand ich auf und machte einen Schritt auf sie zu. “Schickst du Aimee grad noch her? Ich muss ihr noch was mitgeben für in die Stadt.”
      “Ich kann das auch mitnehmen?” Betsy schien entrüstet.
      Kurz musste ich überlegen, griff dann ins Fach ‘zur Post’ und steckte den Brief des Jugendamtes zwischen die anderen Umschläge. “Halt die gut fest und verlier keinen.”
      “Jaja, tschau Cowboy.”
      Ich schaute ihr noch eine Weile nach. So hatte sie mich lange nicht mehr genannt.
      Nachdem ich den Züchtern von Benny ein paar Daten, an denen ich sie besuchen könnte, geschickt hatte, sah ich nach draußen. Dort buckelte Cayce mehr, als dass er ritt, mit Tate in Richtung Wald. Ich grinste in mich hinein. Ich gab den beiden noch zwei Wochen, dann waren sie ein eingespieltes Team.
      Wenn er mit dem Rappschecken unterwegs war, würde Shorty heute wieder ein freier Tag auf der Koppel bevorstehen.
      Ich widmete mich wieder meinem Bildschirm, beantwortete ein paar E-Mails und ging dann in den Stall, um auf dem Trainingsplan ein paar Änderungen vorzunehmen. Als Erstes musste ich in Cayces Spalte das Conti in Chico ändern. Die Stute trug ich in Aimees Spalte ein. Vielleicht würde ich Ylvi auch noch überzeugen können, die Stute ein paar Mal unter ihre Fittiche zu nehmen, so dass Aimee nicht gezwungen war, sie regelmäßig zu bewegen. Die Jugendliche war nicht bei mir eingestellt und half freiwillig bei den Pferden. Tschetan war ebenfalls kein Angestellter, dennoch schien er mit jeder neuen Aufgabe mehr Verantwortung zu übernehmen und über sich hinaus zu wachsen.
      Dude, Ace, Barbie, Damon, Blue, Gangster, Batman, Till, Unitato, Champ; ging ich die Namen der Zuchthengste auf dem Trainingsbrett durch. Auf meinem Klemmbrett schlug ich eine Seite um und fand die Jungpferde vor, die ich ein wenig umverteilen musste.
      Cayce kümmerte sich zusammen mit Brian und mir um das Einreiten folgender Pferde: Cat, Izzie, Sophie, Katie, Goldy und Joker.
      Crystal trug ich bei Bellamy ein. Die Stute musste im Moment einfach nur regelmäßig locker bewegt werden.
      Die restlichen Jungpferde: Atlantis, Mila, Queen, Rosy, Nora, Bailey, Elvis, Seth, Sugar, Soul, McDreamy und Dazzle standen noch immer nach Stuten und Hengsten aufgeteilt auf den Jungpferdekoppeln etwas abseits der Ranch. Die sechs Junghengste verstanden sich wunderbar und ich war froh, dass ich sie in Gesellschaft halten konnte.
      Nach einem Blick auf Octavias Trainingsspalte war ich mir sicher, dass es gut war, dass die Vollblüter nicht mehr hier am Stall standen, sondern an der Trainingsbahn. Pria, Drama, Tigres Eye, Culain, Clyde und Filly, rief ich mir die Namen ins Gedächtnis. Noch von ihr hier am Hof standen Soul, die den gleichen Spitznamen hatte wie mein Appaloosanachwuchshengst, Nini, Cira, Moonie (die den gleichen Spitznamen hatte wie mein Red Dun Quarter Hengst), Hunty, Raspberry, Trooper und Shiner. Ich schüttelte den Kopf. Viel Arbeit für eine Person.
      Ich zückte mein Handy und tippte eine kurze Nachricht an sie. >>Bin grad am Trainingsbrett deine Pferde durchgegangen. Für Prias Colourful Soul und Moonshine LDS musst du dir neue Spitznamen überlegen. Sonst verwechselt man die immer mit BR Heart N’ Soul und How ‘Bout Moonies ;)<<
      >Ich glaube DU musst dir neue Spitznamen aussuchen :p<
      Seufzend rieb ich mir die Augen. Es war viel zu früh am Morgen, um mit ihr herum zu diskutieren.
      Als mein Handy sich wieder bemerkbar machte, nahm ich es genervt aus der Hosentasche in die Hand, zog meine Augenbrauen dann jedoch fragend zusammen. Luchy Blackburne vom Whitehorse Creek Stud fragte, ob ich Cleavant zurücknehmen würde, da sie bei den Reitschulpferden ein wenig aussortieren mussten. Cleavant war zwar einer der Lieblinge, aber die Reitschüler wurden auch immer älter und größer, so dass viele von ihnen den Wallach gar nicht mehr reiten konnten.
      Ich bedankte mich für die Nachricht und sagte ihr zu. Clay wäre eine gute Bereicherung für die Ferienranch – und da die Tiere sowieso im Offenstall standen, würden wir das mit seiner Allergie schon in den Griff bekommen.
      Luchy antwortete mir, dass sie das Tier umsonst abgab. Ihr war es wichtiger, den Wallach in guten Händen zu wissen. Sie würde drüben alles fertig machen und ihn am späteren Nachmittag zu mir bringen. Ich konnte es kaum erwarten, denn der kleine Schecke war mir in guter Erinnerung geblieben.
      Mein Weg führte mich nun zu den Ferienranchpferden. Mit Cleavant waren es mittlerweile 11 Tiere. Dizzy stand, so lange er noch Hengst war, bei den Junghengste drüben auf der Weide. Die Stuten Yumni und Sungila befanden sich seit einigen Wochen auf einem stallnahen Paddock, da Tschetan viel mit ihnen arbeitete. Die anderen Stuten Honor, Chou, Jade, Kristy, Shanee, Kiss und Layla waren auf einem gemeinsamen Koppelstück untergebracht.
      Letztere wollte ich mir heute schnappen, um mit ihr zu den Fohlen und Stuten zu reiten. Auf dem Weg dorthin traf ich Bellamy, der Dakota am Strick führte.
      “Unterwegs zum Ausreiten oder zum Training?”
      “Ausreiten.”
      “Hast du Lust mit zu den Stuten und Fohlen zu kommen?”
      “Klar, treffen wir uns gleich hinten am Weg, der zu den Tieren führt?”
      Ich nickte, “bis gleich.”
      Bellamy und ich ritten eine Weile schweigend nebeneinander her, ehe ich ihn fragte: “Wie gehts dir eigentlich so?”
      Er schaute mich schief von der Seite an. “Hast du mich gerade ernsthaft gefragt, wie es mir so geht?”, er schmunzelte, “was ist denn bei dir kaputt?” Er lachte und schüttelte merklich den Kopf, setzte dann zu einer Antwort an, bei der er durch Dakotas Stolpern unterbrochen wurde. Kota rappelte sich allerdings direkt wieder auf, so dass sein Griff ans Horn nicht von Nöten gewesen war. Bell räusperte sich kurz. “Mir gehts ganz gut, würde ich sagen.”
      “Mmmhhmm”, kommentierte ich, um ihm noch ein wenig mehr zu entlocken. Es funktionierte.
      “Drüben im Bungalow komm ich mit O super zurecht. Auch wenn sie morgens beim Duschen vieeeel zu lange braucht und es bei beinahe jeden Tag nur für eine Katzenwäsche reicht.”
      “Dann musst du wohl früher aufstehen”, lachte ich.
      “Früher aufstehen!”, prustete er los, “pah! Dann steht O auch früher auf und schmeißt mich wieder aus dem Bad.”
      Ich musste lachen. “Frauen.” Um zur Stutenkoppel zu gelangen mussten wir einen kleinen Bachlauf durchqueren. “Ich weiß noch gar nicht, was die gute Layla hier von Wasser hält … geh du mal vor, Bellamy.”
      Er schnalzte, gab Kotas Zügel vor und ließ sie einen Schluck des kühlen Nass trinken, ehe er sie sanft antrieb und sie den Bach durchquerten. Layla tat es ihnen, entgegen meiner Erwartung, gleich. Sie senkte den Kopf, schnupperte am Wasser, trat mit dem ersten Huf zunächst zögerlich hinein, ehe sie den Kopf hob und ihren Weg zügig fortsetzte.
      “Man darf manchmal nicht zu viel drüber nachdenken.”
      “Hm?”
      Bellamy drehte sich zu mir um. “Na bei den Pferden. Manchmal macht man aus einer Mücke einen Elefanten, obwohl gar nichts ist. Trooper ist da so ein Kandidat. Ich helfe O ja beim Einreiten …”
      “Ja, ich hab euch schon ein paar Mal gesehen”, warf ich ein.
      “Der macht sich wirklich gut. Ich hab da auch schon ein paar Mal draufgesessen. So ein lieber Kerl – wenn man aus der Mücke keinen Elefanten macht. Trooper macht alles mit, ist neugierig und gelassen, einfach ein angenehmes Pferd. Macht man selbst aber eine Show und packt ihn panisch an … dann geht er da voll mit und du kannst die Arbeit mit ihm vergessen.”
      “Das ist mir bisher gar nicht aufgefallen.”
      “Wie auch, du hast ja nicht oft zugeschaut”, feixte Bellamy und trabte Dakota locker an. Ich tat es ihm gleich, um wieder zu ihm aufzuschließen. “Ich überlege ja, ob ich ihr den Hengst nicht abkaufe.”
      “So?”
      “Ich mag den. Finde er passt zu mir. Mir würde ein zweites Pferd ganz gut tun, neben Dakota … außerdem hat Cayce jetzt auch ein weiteres Pferd bekommen!”
      Ich schmunzelte. “Ob Cayce Tate übernimmt stellt sich noch raus.” Wir parierten die Pferde durch, da wir an der großen Koppel angekommen waren. “Außerdem hätte ich bestimmt noch ein Westernpferd für dich, falls du eins übernehmen möchtest. Hmmm”, überlegte ich, welche Pferd er in der letzten Zeit des Öfteren trainiert hatte, “Hope zum Beispiel oder Plankton.”
      Bellamy schien zu überlegen. “Hope soll doch ein Reitschulpferd werden oder auf die Ferienranch, hab ich gedacht?”
      “Ich tendiere eher zum Reitschulpferd, für die Ferienranch haben wir schon so viele gute Pferde. Heute Mittag kommt noch eins dazu”, ich zog meine Antwort mit einer theatralischen Pause in die Länge, “Cleavant kommt zurück.”
      “Der kleine Braunschecke mit den blauen Augen? Der mit der Allergie?”, fragte er neugierig nach.
      “Genau der. Die Meisten von Luchys Reitschülern sind ihm zu groß geworden und zum Rumstehen ist er zu schade. Als sie mir eben schrieb, dass sie ihn abgibt, hab ich sofort zugesagt. Seine Allergie hat sie im Moment ziemlich im Griff, Luchy hat gesagt wenn er viel draußen steht und sich bewegt gehts damit.” Ich stieg vom Pferd und band sie außen am Zaun an. Candy und Devil waren nicht freundlichsten Genossen. “Und was ist mit Plankton?”, fragte ich dann, während ich Bellamy das Zauntor aufhielt und es hinter ihm wieder schloss. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in Richtung des Waldstückes, in dem ich die Stuten vermutete – falls dort niemand war, würden wir sie am und um den Bach herum finden.
      “Plankton ist auch ein nettes Kerlchen”, ergriff Bellamy wieder das Wort, “aber irgendwie passen die klassischen Westernpferde nicht zu mir, findest du nicht auch?”
      “Auf Alan hast du immer gut ausgesehen!”, widersprach ich ihm, “vielleicht wäre nächstes Jahr Elvis oder Nora etwas für dich?”
      Bellamy schüttelte den Kopf. Heftiger, als es nötig gewesen wäre. “Elvis braucht immer klare Regeln. Der testet in einer Tour. Außerdem ist er ein Sohn von Candy. Man muss sich das Leben nicht schwerer machen, als es ohnehin schon ist.”
      “Eh”, unterbrach ich ihn, “der ist zwar von Candy, aber Alan ist der Vater. Der hat auch was zum Pferd beigetragen!” Das erste Pferd, welches ich sah, war Sue. Direkt daneben stand Rose, etwas abseits Girl.
      “Das mag sein”, fuhr Bellamy fort und zeigte rechts am Wald vorbei, wo sich Candy und Devil aufhielten. Mit dabei stand Smartie, was ungewöhnlich war. “Aber Candy schlägt da mehr durch!” Er lachte auf. “Und Nora … ist zwar auch von Alan … aber Bella ist die Mutter. Und Bella ist die Mutter von Candy. Damit mach ich mir das Leben auch schwer.”
      “Ach das ist doch Quatsch. Guck dir Izzie an! Die macht sich gut unter dem Sattel.”
      “Bei dir vielleicht!” Bellamy war entrüstet die Arme in die Luft. “Mit mir macht die was sie will.”
      “Vielleicht solltest du da mal an dir und deinem Auftreten arbeiten?”
      Bellamy blieb mir eine Antwort schuldig. Easy und Gin kamen auf ihn zu und durchstöberten seine Westentaschen nach etwas Fressbarem. Während er umzingelt war, Elsa und Ginny gesellten sich ebenfalls zu ihm, hielt ich Ausschau nach den anderen Stuten und den Fohlen. Aquila, Magic, Lol, Crow, Tex, Stormy, Striga und Whiz. Das waren alle Stuten und Mutterstuten, die sich hier auf der Weide befanden. Wimpy, welche sich bei ihrer Mutter Devil befand, war bisher das Einzige Fohlen für dieses Jahr. Bei den anderen würde es nicht mehr lange dauern.
      Die Jährlinge Siri, Rebel, Willa und Angel standen gemeinsam mit Miss und Lena am Hof. Nach einigen ganz erfolgreichen Trainingsversuchen war es Lena doch zu viel geworden. Sie war blind und verfiel bei den letzten Malen immer gleich in Panik, aus der sie sich nicht so schnell herausholen ließ. Ich hatte mich deshalb dazu entschieden, sie komplett aus dem Sport und aus der Arbeit zu nehmen. Sie verbrachte ihre Tage am Hof und schien damit sichtlich zufrieden.
      “Weißt du was mir gerade einfällt?”, wandte ich mich wieder an meinen Begleiter. “Alaric. Das wäre ein Pferd für dich. Elena verkauft den gerade. 10 jähriger Friesenmixhengst, freundlich und aufgeschlossen. Sie hat mich gebeten, mich mal umzuhören.”
      “Was ist denn da noch drin, außer Friese?”, fragte Bell mich interessiert.
      “Das weiß ich leider nicht”, gab ich ehrlich zu, “aber der ist braun und nicht schwarz. Ich such dir gleich mal ein Fotos raus.” Gesagt, getan. Ich durchforstete mein Handy nach einem Bild des Hengstes, während ich immer wieder Pferdenasen vom Bildschirm wegschieben musste. Als Candy, Devil, Wimpy und Smartie mit angelegten Ohren auf uns zukamen, stoben alle anderen Stuten wie von der Tarantel gestochen davon. “Weiber …”, murmelte ich und hielt bei einem Bild des Braunen an. “Hier, guck.”
      “Hübsch sieht er ja aus.” Bellamy streichelte Smarties Hals. “Seit wann gehört die eigentlich dazu? Und vor allem seit wann hängen Candy und Devil zusammen rum?”
      “Da fragst du den falschen”, ich zuckte die Schultern, “keine Ahnung, wann das passiert ist. Es wundert mich genauso, wie es dich wundert … aber hast du gesehen, was für ein tolles Fohlen Devil und Blue bekommen haben? Wenn das mal keine Traumfarbe ist!”
      “Sieht Siri ähnlich – also von der Scheckung.”
      “Ja, ein wenig. Oh …” Ich rückte mir meinen Hut zurecht. “O schreibt gerade, Luchy ist mit Cleavant schon da. Sie warte aber solange, bis wir zurück sind.”
      Zügigen Schrittes gingen wir zurück zu den beiden Pferden, die neugierig den Hals über den Zaun streckten, um sich mit den anderen Stuten zu beschnuppern.
      “Lass dir das mit Ric und Plankton mal durch den Kopf gehen, Trooper kannst du dann ja immer noch dazu holen.”
      “Ich denk drüber nach.”

      Wieder auf der Ranch angekommen war Cleavant bereits ausgeladen und O unterhielt sich angeregt mit Luchy. Sie hatte den Wallach am Strick und ließ ihn am Rand eines Paddocks ein wenig grasen.
      “Hallo Luchy!”, begrüßte ich sie freundlich, lenkte mein Pferd in ihre Richtung und stieg ab. Ich drückte es Bellamy in die Hand, der nach einer kurzen Begrüßung Luchys in Richtung Stalls verschwand. Ich schaute ihm kurz nach, ehe ich mich dem Wallach zuwandte.
      “Hey Cleavant”, sagte ich die Hand ausstreckend und seinen Hals berührend. Der Braune hob den Kopf und musterte mich kurz, ehe er ihn wieder senkte und weiter fraß.
      “Ganz verhungert, der Arme”, lachte Luchy und übergab mir den Strick. “Ich hab leider gar nicht so viel Zeit und müsste jetzt auch wieder los.” Sie ging nach vorne zum Transporter, klaubte einen Stapel Papiere vom Beifahrersitz und drückte sie mir in die Hand. “Da stehen auch seine letzten Behandlungen drauf, falls er einen Schub bekommt meld dich gerne, dann helf ich.”
      Ich bedankte mich und wir winkten ihr kurz hinterher, während sie das Gelände über die lange Auffahrt verließ. “Na Kleiner, kennst du dich noch aus?”
      Als wir in Richtung der Paddocks gingen, auf denen die Ferienranchpferde untergebracht waren, hob Cleavant zusehends den Kopf, wieherte und bekam immer mehr Antwort.
      “Wo stellst du den denn jetzt hin?”, fragte mich O und lehnte sich an den Zaun, hinter dem die Stuten untergebracht waren. “Kannst ihn ja schlecht zu Dizzy stellen.”
      “Nein, den muss ich erst kastrieren lassen … ich stell ihn jetzt hier nebenan auf den leeren Paddock und stell ihn dann die Tage zu den Stuten rein, der kennt ja die gemischten Herden.”
      O nickte. “Ich bin dann mal nochmal rüber zu meinen, ich wollte mit Hunty gleich noch eine Runde ins Gelände.”
      “Viel Spaß.”

      Tschetan
      Die Feder am Hut befestigt, den Karton eng an die Brust gedrückt und den Hut auf meinem Kopf schlenderte ich über den Hof. Die laue Nacht hatte sich über die Ranch gelegt, aber ich konnte noch nicht hinüber ins Haupthaus. Ich zog mein Handy heraus. Schrieb eine Nachricht. Löschte sie wieder. Dachte nach. Schrieb eine Zeile, nur um wieder alles weg zu klicken. Dann steckte ich das Smartphone wieder in die Tasche. Da pingte es.
      >>Was schreibst du denn so lange?<<
      Ich starte auf die Nachricht von Nicholas. Ertappt.
      >Ich wusste nicht was ich schreiben soll.<
      >>Vielleicht sowas wie - noch wach?<<
      >Vielleicht.<
      >>Was ist denn? Du bist doch sonst nicht karg an Worten?<<
      Ich schlenderte hinüber in den Stall, schaltete das Licht ein, schoss mehrere Selfies. Sah mir alle Bilder an … um Nicholas dann ein Bild hinüber zu senden.

      >>Scout! Wow, wo hast du den denn her?!<<
      >Den haben mir Louis und Ylvi geschenkt….Louis hat mich damit quasi in den Bund der Männer aufgenommen. Große Sache für die Jungs meiner Ahnen. Ich bin noch ganz überwältigt.<
      >>Gab's son richtiges Mannbarkeits-Ritual?<<

      Ich schmunzelte und schaltete das Licht wieder aus, ließ mich aber in der Stallgasse auf den Boden sinken. Schrieb Nicholas von dem Essen, dem Frybread und erklärte ihm, wer Logan war. Das leichte Mahlen der Zähne des Pferdes hinter mir in der Box erfüllte dabei meine Ohren. Ich las nochmal was ich geschrieben hatte und schickte den Text mit dem Pfeil weg.

      >>Klingt ehrlich gesagt ganz schön kompliziert mit Logan. Ich hab niemals gedacht, dass es innerhalb eurer Community solchen Rassismus gibt. Dieser ganze Kontinent hat ein arges Problem. Und Logan ist jetzt hier um, was? Dich und Kaya im "Lakota sein" zu unterrichten?<<
      >Ich denke das ist Teil seiner Intention, ja. Allerdings hat er nicht vor, das hier zu tun. Er will uns unbedingt nach Pine Ridge holen für die Zeit der Ferien.<

      Es brauchte lange, bis eine Antwort kam.
      >>Darf er das so einfach entscheiden?! :O<<
      >Nein. Louis und Ylvi haben deshalb das Essen gemacht. Sie lassen uns die Wahl, wir dürfen beide selbst entscheiden. Ich war erstmal zu perplex eine Wahl zu treffen.<

      5 Minuten wartete ich auf eine Antwort. Nicholas schien lange darüber nachzudenken. Oder wie ich vorhin, seine Antworten immer wieder zu löschen. Schließlich standen dort nur 3 Worte.
      >>Wirst du gehen?<<
      Im Dunkeln erhob ich mich, presste den Hutkarton wieder an meine Brust, schlenderte durch die lange Gasse. Mit jedem Schritt abwägend. Doch eigentlich war die Antwort klar. Bevor ich die Schiebetür des Stalltraktes öffnete, tippte ich eine einzige Nachricht an Nicholas:
      >Und mir den Sommer mit dir entgehen lassen?<

      Bis ich oben in meinem Zimmer war, sah ich mir seine Antwort nicht an. Aber Nicholas hatte mir ein GIF geschickt in dem sich 2 Strichfiguren umarmten. Meine Augen blieben darauf hängen, sodass ich seine Antwort darunter erst gar nicht sah.
      >>Die Pferde die wir trainieren, die geplanten Ausflüge mit allen. Ich seh es schon kommen! Das wird der Sommer unseres Lebens!<<

      Ylvi
      Ich lag im Dunkeln wach. Wälzte mich im Bett umher, drehte mich auf die andere Seite. Starrte wieder hoch an die Decke, spürte, wie die Muskeln in meinem Körper zuckten. Dann richtete ich mich auf.
      "Ylvi, verdammt. Steckt da in deinem Inneren heute ein Wespennest?"
      " 'tschuldige..Ich kann heute einfach keinen Schlaf finden."
      "Gar nicht zu merken…", grummelte Louis halb verschlafen aus der Düsternis. Dann bewegten sich die Decken, ich spürte seinen Kopf in meinem Schoß. "Wenn du dich bewegen willst kannst du mir ja den Kopf streicheln?", brummte er. Ich musste auflachen. Manchmal verhielt er sich wie ein Stubentiger.
      "Hast du vorhin mitbekommen was Tschetan gesagt hat?", leicht fuhr ich dabei durch den langen Haarschopf von Louis. Dieser antwortete nicht, aber ich spürte sein Kopfschütteln. "Ina… er hat mich Ina genannt als er sich bedankt hat. Dabei habe ich Kayas Gesichtsausdruck gesehen… sie schien einen Moment… erschüttert."
      Ina war der Begriff für Mutter in der Sprache der Lakota. Tschetan hatte mich seine Mutter genannt. Ich wusste wie fluid die Verwandtschaftsverhältnisse in den meisten Indigenen Kulturen waren. Kaya und Tschetan hatten Louis schon immer Vater genannt, seitdem sie bei uns lebten. Doch nie hatte einer der beiden Kids mich als Mutter bezeichnet. So sehr mich die Bezeichnung vorhin zu Tränen gerührt hatte, so hatte ich die Bestürzung von Kaya gesehen. Ihr Schweigen und ihre verhaltene Art im Verlauf des weiteren Abends hatten mir gezeigt, dass sie verwirrt schien. Beim zubettgehen hatte ich sie darauf ansprechen wollen. Allerdings nicht gewusst, wie ich am besten anfangen sollte. Auch Louis meldete sich erst nicht zu Wort.
      "Das erklärt ihre steinerne Art."
      "Ob sie ihrem Bruder nicht zustimmt? Ob sie beleidigt ist?", fragte ich besorgt.
      "Möchtest du denn Mutter von ihr genannt werden?"
      "Nein… ich… will und kann ihre Mutter gar nicht ersetzen. Ich hatte doch mit Kindern nie Berührungspunkte bis zu den beiden. Mit ihrem Mutismus anfangs war es so schwer. Mit Tschetan war es einfacher, er war bereits ein junger Teenie als er zu uns kam." Ich hielt inne, starrrte nur in die Dunkelheit. Lange blieb es still.
      "Vor einiger Zeit hatte ich ein Gespräch mit ihr darüber. Betsy hatte es angestoßen. Sie hat Kaya gegenüber erwähnt, dass sie Angst hat Dells Gesicht zu vergessen. Wie das ihrer Mutter. An dem Abend fand ich Kaya weinend im Bett. Hat mich ‘ne Weile gekostet ihr alles aus der Nase zu ziehen."
      Louis richtete sich jetzt auf. Nur vage konnte ich seine Silhouette vor mir erkennen. Doch ich musste es auch nicht. "Sie macht grad eine schwierige Phase durch. Tatsächlich schiebt sich immer mehr dein Gesicht in die Erinnerung ihrer Mutter. Ihre eigene war nie da… und wenn sie da war, dann betrunken oder high. Kaya hat so wenige Erinnerungen an eine normale Mutter. Die einzigen guten Erinnerungen an eine Vorbildperson in ihrem Leben… das bist du. Sie hat, ähnlich wie Betsy, Angst, ihre wirkliche Mutter zu vergessen. Ich denke… heute Tschetan zu hören, wie er dich Mutter nennt, lässt sie denken, dass auch er seine Mutter längst vergessen hat."
      "Sollte ich darüber mit ihr reden?"
      Louis griff nach meiner Hand, strich über den Handrücken. "Ich denke das ist etwas, dass Kaya selbst für sich herausfinden muss. Falls sie Probleme hat, wird sie mit Tschetan darüber sprechen, oder mit Betsy. Versuch dir einfach nicht zu viele Gedanken darüber zu machen."
      "Pfft.."
      "Leichter gesagt als getan, ich weiß", lachte Louis sanft, dann zog er mich am Nacken zu sich heran. Unsere Lippen berührten sich zärtlich in der Dunkelheit und während seine Finger auf Wanderschaft gingen… klopfte es ganz leise an der Tür. Dann steckte Kaya plötzlich einen Kopf durch die Tür.
      "Seid ihr noch wach?", flüsterte sie ebenso leise. Ich hörte Louis leichtes Auflachen, spürte seine Stirn an der Meinen. Unendlich langsam glitt seine Hand von meiner Brust.
      "Nein Kaya, wir sind noch wach", flüsterte ich mit belegter Stimme.
      "Darf ich bei euch schlafen? Mein Zimmer erscheint mir heute so leer."
      "Rutsch rüber Louis!"
      Dann kuschelte sich Kaya vorsichtig neben uns – da war ich wirklich froh um das große Kingsize Bett.
      "Gute Nacht ihr beiden", flüsterte Louis, legte seinen Arm um Kaya. Seine Hand kam auf meiner Schulter zum liegen und streichelte die Stelle. Und mit diesem Empfinden auf der Haut und Kayas langsamer werdendem Atem in meinem Nacken fand auch ich endlich meinen Schlaf.

      Fohlenweide: Run Outta Color, BR Wimpys Blue Gun, BR South Texas Gangster, BR Rebel Hearted, BR Heavens Wild Side, BR Devils Angel Eyes
      Jungpferde: Blue Fire Cat, BR Atlantis Dream, BR Colored in Style, BR Dress to Impress, BR Homecoming Queen, BR Raised to Slide, BR Sheza Topnotch Babe, BR Wimpys Bright Gangster, Captains Blue Crystal, Gun Sophie, Jacks Inside Gunner, BR Alans Smart Dream, BR Colonels Golden Gun, BR Colonels Lil Joker, BR Double Gunslide, BR General Pleasure, BR Heart N‘ Soul, BR Hollywooda Dream Anthem, Chocolate Dazzle, Rocking Waves
      Trainingsstall: Bittersweet Temptation, Whitetails Shortcut, Zues, Abandon all Hope, HMJ Courtesy, HMJ8345’s Continental, Lady Blue Skip, Tortured Witch HMJ 6693, Blanton’s Gentleman, Chic N‘ Shine, Four Bar Chocolate Becks, GRH’s Funky’s Wild Berry, HMJ Saintly, How‘ Bout Moonies, PFS‘ Unclouded Summer Skies, Smart Lil Vulture, tc Mister’s Silvermoon Cody, Thiz Bye Bye Bay
      Zuchthengste: Small Town Dude, Dual Shaded Ace,GRH’s Bellas Dun Gotta Gun, GRH’s Unbroken Soul of a Devil, Gun and Slide, Gunners Styled Gangster, Heza Bat Man, Till Death, HGT’s Unitato, Chapman
      Zuchtstuten: Up Town Girl, Black Sue Dun It, California Rose, DunIts Smart Investment, Easy Going, Frosty Lagoon, Ginger Rose, Ginny my Love, GRH’s A Gun Colored Lena, GRH’s Aquila T Mistery, GRH’s Unbroken Magic, Lovin‘ Out Loud, Magnificient Crow, Only Known in Texas, Stormborn, Striga, Tainted Whiz Gun
      Einsteller: Breia LDS, Ceara Isleen, Dakota, Drama Baby, Leuchtfeuer di Royal Peerage, Moonshine LDS, Pocahontas, Prias Colourful Soul, Raspbery, Tigres Eye, Wunderkerze LDS, Absolute Bullet Proof, Alaric, Birk, Culain, Fancy Like Romeo, Heldentum LDS, Myrkvidr, Peacful Redemption, Vandal LDS, WHC‘ Happy Sunshine, Wildfire xx
      Dells Rookie Ranch: Cleavant ‘Mad Eyes‘, A Walking Honor, Chou, Jade, Like a Prayer, Kristy Killings, Honey’s Aleshanee, Colonels Blue Splash, Kisshimbye, BR Dissident Whiz, Sweet like Chocolate
      Übergangsweise: Priamos Ruffia Kincsem, Wimpys Little Devil, Miss Independent, Snapper Little Lena
    • Veija
      Scouting is a game for boys
      Teil 2
      von Ravenna & Veija
      Cayce
      “Und du sollst den jetzt ausprobieren? Schon vor dem Frühstück?”, fragte ich an Bellamy gewandt, der den dunklen Westernsattel auf den Rücken des braunen Hengstes legte. Ich erhielt nicht sofort eine Antwort, Bellamy schien mit dem Festzurren des Sattelgurtes beschäftigt. Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand, sah ihm dabei zu, wie er sorgfältig die Länge der Bügel kontrollierte. Erst dann wandte er sich mir und Tate zu, der bereits fertig gesattelt darauf wartete, dass wir endlich los konnten.
      “Caleb hat gesagt, ich soll dem eine Chance geben. Das mach ich jetzt. Aber ich habe das Gefühl, dass die klassischen Westernpferde nichts für mich sind.” Er lachte kurz auf. “Außerdem möchte ich, was du bestimmt schon mitbekommen hast, Octavia Trooper abkaufen.”
      Ich zog die Augenbrauen nach oben. “Trooper, wer ist das nochmal?” Man konnte schließlich nicht alle Pferde hier mit Namen und Spitznamen kennen, vor allem nicht die Pferde von O.
      “Der Palomino.”
      Ich sah ihn weiterhin fragend an.
      “Das Polopferd.”
      Nun ging mir ein Licht auf. Natürlich. “Mir war sein Spitzname entgangen”, meinte ich schulterzuckend. “Den reitet ihr beide doch gerade ein?”
      Bellamy nickte, zurrte die Trense fest und schien nun endlich fertig zu sein. Ich stieß mich von der Wand ab und verließ nach einem Nicken Bellamys zuerst die Stallgasse. Draußen gurtete ich nach, ehe ich mich in den Sattel schwang. Tate legte, wie immer, die Ohren an und kaute überaus genervt auf dem Gebiss herum. “Irgendwann werden wir zwei noch Freunde, Tate.”
      “Hast du was gesagt?”, fragte Bellamy, der nun neben mir auftauchte und sich meinen Schecken genau anschaute. “Der sah auch schon mal freundlicher aus.”
      Eine Antwort auf seine Frage blieb ich ihm schuldig. Stattdessen antwortete ich: “Der braucht einfach ein wenig. Du weißt doch, er hat es nicht so mit Umstellungen. Ich hoffe aber, dass er sich mit mir und unserer Arbeit anfreundet. Denn falls ja, geht er wohl in meinen Besitz über.”
      “So?”, Bellamy horchte auf, “jeder braucht ein zweites gutes Pferd.”
      Ich lachte. “Genau. Außerdem fehlt mir eins, was ich für mich ausbilden kann. Die Trainingspferde schön und gut, aber da ist alles festgelegt und geregelt.. mit Shorty kann ich machen was ich will und die Freiheit habe ich jetzt für Tate auch bekommen.” Ich schnalzte und wir gingen im Schritt los. “Also Bellamy, wo wollen wir hin?”
      Er schien einige Zeit überlegen zu müssen, so dass ich Tate schon einmal in Richtung der Bungalows lenkte. Bellamy und Plankton folgten mir schweigend. Der dunkelhaarige machte eine gute Figur auf dem Hengst. Richtige Westernpferde standen ihm durchaus.
      “Extreme Trail”, lachte er und trabte den Hengst neben mich. “Lass uns die Pferde einfach mal im Gelände so richtig testen. Plankton würde das gut tun. Außerdem könnten du und Tate euch besser kennen lernen.”
      Ich nickte und trabte den Hengst an. Nach einem kurzen Schweifschlagen wurde der Schecke schneller und zog Plankton mit sich mit.
      Hinter den Bungalows galoppierten wir die Pferde an und verließen das Ranchgelände durch den hinteren Wald.
      Caleb
      Beim Verlassen des Haupthauses setzte ich mir meinen Hut auf den Kopf und schloss die Tür hinter mir. Das Frühstück war gerade beendet, die Kids in die Schule und der Hof wie leergefegt. Von Cayce wusste ich, dass er und Bell mit Tate und Plankton unterwegs waren. Ich deutete es als gutes Zeichen, dass er den Wallach heute erneut ritt – und natürlich, dass Bellamy sich Plankton annahm.
      Mein Weg führte mich zunächst zu Cleavant, der, wie auch immer er das geschafft hatte, nicht mehr auf seinem Paddock stand sondern sich munter unter die Ferienranchstuten gemischt hatte. Ich schüttelte den Kopf, fing ihn mir dennoch aus der Herde heraus und schaute ihn einmal von oben bis unten an, ob er sich etwas getan hatte. Mir fiel keine Schramme oder sonstige Verletzung ins Auge, so dass ich ihn wieder in die Herde entließ. Kurz kam mir ein Gedanke, den ich sogleich jedoch wieder verwarf. Conti würde die kleine Dude Ranch Herde mit ihrer Ponygröße durchaus bereichern, allerdings fasste sie so schwer Vertrauen, dass ständig wechselnde und unerfahrene Reiter gar nicht gut für die kleine Stute sein würden. Ich war froh, dass sie und Aimee so gut harmonierten, dieses Team wollte ich dadurch nicht zerstören.
      Bei den vier anderen Neuankömmlingen schaute ich auch kurz vorbei. Hero und Vandal grasten friedlich, Rocket und Romeo betrieben gegenseitige Fellpflege.
      Als ich Richtung Stall ging, sah ich Ylvi und Louis mit Futterschüsseln in Richtung der Jährlinge gehen. Unwillkürlich schaute ich ihnen nach, sah Ylvis angestrengten Gang, da sie sich wieder mehr aufgeladen hatte, als sie eigentlich tragen konnte.
      “Du schaust sie schon wieder so an.” Laurence räusperte sich hinter mir.
      Perplex drehte ich mich um. “Wie denn?”, war die erste Frage, die mir in den Kopf schoss.
      “Oh Junge… so, wie man keine verheiratete Frau ansehen sollte.” Er machte auf dem Absatz kehrt und ließ mich verwirrt zurück.
      So wie man keine verheiratete Frau ansehen sollte?
      Diese Frage beschäftigte mich den ganzen Morgen. Meine fehlende Konzentration wirkte sich auch auf das Training der Pferde aus. Vulture baute einen Buckler nach dem Anderen ein – untypisch für ihn, das Thema hatten wir eigentlich ausdiskutiert.
      Brian, der mit uns in der Halle war und Cody ritt, konnte wohl irgendwann nicht mehr Schweigen.
      “Mensch Caleb, lass den doch vorne mal los. Der hat gar nicht die Chance, mal runter zu kommen wenn du den so festhälst.”
      Ich grummelte etwas unverständliches vor mich hin, lockerte die Zügel ein ganzes Stück und ritt den Hengst auf dem Zirkel im Schritt. Heute war nicht der Tag, um schwierige Lektionen zu üben.
      Als mir diese einfache Übung allerdings auch nicht gelingen wollte, sprang ich aus dem Schritt vom Pferd, nahm mir den Hut vom Kopf und fuhr mir einmal durch die Haare. Dann platzte ich mit der Sprache heraus: “Findest du auch, dass ich Ylvi mit einem Blick anschaue, mit dem ich sie als verheiratete Frau nicht anschauen dürfte? Laurence sagte das heute morgen zu mir und…”
      “Ja.”
      Völlig perplex starrte ich ihn an. “Ja? Mehr hast du nicht zu sagen?”
      Brian hielt Cody neben uns an, legte die Zügel ums Horn und lehnte sich darauf, um sich ein wenig zu mir runter zu beugen. “Ja, ich finde, du siehst sie so an.”
      Seufzend rieb ich mir die Schläfen. “Ich dachte, es würde einfacher werden.”
      “Inwiefern?”
      “Zeit heilt alle Wunden und so, du kennst doch das Sprichwort.”
      Lachend schüttelte Brian den Kopf. “Ich habe eure Geschichte ja nicht hautnah erlebt, aber sowas heilt die Zeit bestimmt nicht.”
      “Danke, für deine aufmunternden Worte”, murmelte ich und streichelte Vultures Hals.
      “Du meinst: danke, für deine ehrlichen Worte.”
      “Jaja, wie auch immer.”
      “Und jetzt hör für den Moment auf, daran zu denken. Denk an Vulture und das, was ihr zwei heute noch erreichen wollte. Es bringt weder dir noch ihm etwas, wenn du hier und jetzt mit den Gedanken nicht bei der Sache bist.”
      Damit hatte er Recht. Ich seufzte, gurtete nochmal kurz nach und setzte mich, ohne weitere Gedanken an Ylvi zu verschwenden, aufs Pferd.
      Für den Rest unserer Trainingseinheit strengte sich Vulture besonders an, sodass wir zum Abschluss noch eine gemütliche, die Gedanken baumelnde Runde ins Gelände gingen.
      Weit kamen wir allerdings nicht, da hörte ich hinter mir Hufgetrappel und ein: “Caleb, warte!”
      Ylvi. Ich seufzte.
      Ich setzte mich tief in den Sattel, streckte die Beine leicht vor und Vulture blieb stehen. Ylvi trabte mit Kiss auf meine Höhe auf, ehe sie die Stute in den Schritt durchparierte und auch ich meinen Hengst mit einem kurzen Schnalzen wieder antreten ließ.
      “Hab gesehen, dass du raus gehst. Da dachte ich, ich schließe mich dir an.”
      “Hm”, antwortete ich wortkarg.
      “Hattest du keinen guten Morgen?”
      “Doch doch, schon.”
      Ylvi schwieg, schien zu überlegen, was sie als nächstes sagen sollte. Sie entschied sich jedoch dazu, zu schweigen und einfach stumm neben mir her zu reiten.
      Schließlich, als ich mich gerade mit der Stille angefreundet hatte, sagte sie: “Wir haben Tschetan gestern den Hut gegeben und ihm von Logans Absicht erzählt. Er hat sich sehr über den Hut gefreut, möchte allerdings den Sommer auf der Ranch verbringen.”
      Ich nickte. “So?”
      “Kaya allerdings möchte in die Reservation und da haben wir, also Louis und ich, uns gedacht, ob Betsy sie nicht vielleicht begleiten möchte?”
      Das war also der Grund, weshalb sie zu mir aufgeschlossen hatte. Ich überlegte kurz. Betsy würde Abwechslung mit Sicherheit gut tun. Kaya wäre nicht alleine, sie hätte ihre beste Freundin bei sich und Betsy würde endlich etwas zu sehen bekommen, was sie nicht ständig an ihren Vater erinnerte. “Von mir aus gerne, fragst du sie später?”
      Ylvis Nicken nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, während ich weiter starr geradeaus schaute.
      “Caleb, ist alles in Ordnung mit dir?” Ich vernahm einen Anschwung von Besorgnis in ihrer Stimme. Als ich gerade zu einer Antwort und einem gelogenen ‘Alles ist gut’ ansetzen wollte, hörte ich Cayces lautes Fluchen.
      Ohne weiter über eine Antwort nachzudenken, galoppierte ich Vulture harsch an und lenkte ihn in die Richtung, aus der das Stimmengewirr zu kommen schien. Ylvi setzte mir ohne zu zögern nach, ehe wir zusammen bei Cayce und Bellamy ankamen.
      Tate buckelte, mal wieder, was das Zeug hielt, während Cayce sich krampfhaft am Horn festzuhalten schien. Bellamy, der abgestiegen war und Plankton, der das ganze amüsiert zu beobachten schien, standen etwas abseits, während Cayce fluchend seine Runden drehte.
      Ich warf einen Seitenblick zu Ylvi, die Cayce mit aufgerissenen Augen anstarrte. Schließlich fing ich schallend an zu lachen. Bells und Ylvis Blick flogen fragend zu mir rüber. Cayce warf zwischen seinen Flüchen ein “Nicht witzig” ein.
      Als Tate meinem Vulture zu nah kam, quietschte dieser auf und schlug mit einem seiner Vorderhufe harsch auf den Boden. Das veranlasste Tate dazu, einen Satz nach hinten zu machen und das Buckeln augenblicklich bleiben zu lassen.
      “Wie ich sehe, habt ihr zwei euch angefreundet.”
      “Dieser dumme Gaul!”, fing Cayce an, schwang sich jedoch dann von dessen Rücken und sammelte sein Lasso wieder ein, welches sich an einem umgestürzten Baum verfangen hatte. “Beim ganzen bisherigen Ritt war der super, trittsicher, verlässlich, ein Musterschüler wie Plankton, der Bellamy übrigens extrem gut steht”, fing er an zu erzählen, “und dann werf ich das Lasso und die Sau fängt wieder an zu buckeln wie verrückt. Der macht das mit einer Ausdauer, die glaubst du nicht!”
      Ich schmunzelte und entschied mich dazu, etwas Öl ins Feuer zu gießen. Cayce brauchte das manchmal. “Also bei mir hat der noch nie gebuckelt.”
      “Nie gebuckelt!”, Cayce redete sich in Rage, “das glaubt man doch nicht! Nie gebuckelt… das kannst du wem anders erzählen, pah!”
      Als Cayce sein Rope wieder aufgewickelt hatte, setzte er sich erneut in den Sattel, nahm die Zügel in die linke Hand und schwang das Lasso, um den Baumstamm erneut zu fangen. Tate stand da wie eine Eins, rührte sich nicht vom Fleck und spielte neugierig mit den Ohren.
      “Ich weiß nicht, was du hast. Klappt doch.”
      Cayce murmelte etwas Unverständliches, löste das Lasso und befestigte es wieder am Horn seines Sattels. Auf dem Absatz machte er kehrt und schlug den Weg Richtung Ranch ein.
      “Ich glaube, ich sollte ihm folgen.” Mit diesen Worten trabte Bellamy ihm hinterher. Auf meine Frage, wie es denn mit Plankton klappte, zeigte er mir ein flüchtiges ‘Daumen hoch’.
      “War es nicht etwas gemein, ihn so auszulachen?”, fragte mich Ylvi, als wir unseren Weg fortsetzten.
      “Ach was, Cayce hatte doch alles unter Kontrolle. Außerdem buckelt Tate so nett, dass man sich gut auf ihm halten kann. Hat er bei mir auch schon.”
      “Aber du sagtest doch…”
      “Ja, sagte ich. Ich wollte Cayce anstacheln. Der braucht das, Tate passt zu ihm.” Schmunzelnd schaute ich zu ihr rüber. Möglichst darauf bedacht, sie nicht mit ‘diesem Blick’ anzusehen. “Wie gesagt, ich gebe den beiden zwei Wochen, dann gibt Cayce ihn nicht mehr her.”
      Ylvi kicherte. Sie sah süß aus, wenn sie kicherte und… sofort wandte ich meinen Blick wieder geradeaus. Ich konnte so nicht fühlen – ich durfte so nicht mehr fühlen.
      Ylvi
      Ich 'bereute' direkt, als ich mit Kiss aufritt, dass ich Caleb hinterher geritten war. Es machte auf mich ein wenig den Eindruck, als hätte er lieber allein sein wollen. Auch meine eindringlichen Fragen ließen in mir den Verdacht erhärten. Nun hatte er mich allerdings an seiner Backe und nach der Begegnung von Cayce und Bellamy schien sich seine Art wieder ganz stark gewandelt zu haben. Ich konnte nicht umhin seine Reaktion… vielmehr seinen Blick auf mein herzliches Lachen zu bemerken. Seine plötzliche Starre, die darauf folgte. Nur schwer konnte ich das Seufzen unterdrücken. Was ich jedoch nicht verhindern konnte, war mein innerliches Zusammensinken im Sattel. Selbst Kiss bemerkte meine Starre, wurde ein wenig unruhig und rempelte dabei gegen Vulture, wobei beide Pferde unsere Knie zwischen sich einklemmten. Ich trieb Kiss mit dem Bein wieder nach außen, die Schamesröte in meinem Gesicht. Gern hätte ich meinen Hut tiefer ins Gesicht gezogen, allerdings trug ich keinen.
      Wir waren so gut auf Kurs gewesen. Wieder eine Freundschaft zu formen. Ich hatte wirklich gedacht, das würde sich alles wieder in die richtige Richtung entwickeln. Doch mir waren Calebs Blicke nicht entgangen. Auch nicht das Tuscheln der Mitarbeiter. Gott! Noch viel schlimmer – Tschetan hatte gesehen, wie wir uns geküsst hatten. Mehr als einmal!
      Ich räusperte mich: "Caleb denkst du daran, dass wir am nächsten Wochenende eingeladen sind auf den Geburtstag drüben auf der Ranch der Morrissons?"
      "Hab ich noch im Kopf...", sagte er, dabei stur nach vorn schauend.
      "Louis und ich haben uns darüber schon unterhalten. Ich hab sogar mit Dolly gesprochen. Was schenkt man denen?"
      Caleb lachte auf, er hatte ebenso wie ich schon das Vergnügen gehabt dort drüben zu sein. "Tja, was schenkt man Millionären", murmelte er etwas … neidisch? Spöttisch?
      "Ich bin mir sicher, die haben uns auch nur aus Höflichkeit eingeladen… oder um mit deren Prunk anzugeben?", erwiderte ich darauf.
      "Hab ich dir eigentlich erzählt, dass sie versucht haben, Cayce abzuwerben?"
      "Haben sie nicht!"
      "Haben sie...", Caleb sah mich aus dem Augenwinkel flüchtig an.
      "Arrogante Geldsäcke", grummelte ich überrascht.
      "Hat deren Geburtstag wieder so ein dämliches Thema?"
      Mit Grauen erinnerte ich mich an das Thema "Rom" aus dem letzten Jahr. Jeder Gast hatte eine lächerliche Robe tragen müssen. Alles war in weiß und Marmor gehalten worden.
      "Pfft, DU hast dich letztes Jahr schön raus gehalten!" Dieses Mal ließ ich Kiss mit Absicht näher an Vulture heran, um Calebs Knie einzuklemmen. Dieses Mal jedoch schien der Hengst genervt und schnappte in die Richtung meines Reittieres. Caleb grinste mich verschmitzt an. Ich streckte ihm nur meine Zunge raus.
      "Also, gibt es ein Thema?"
      "Ich glaube 'Glamour' stand in der Einladung."
      "Besteht also die Chance auf dich in Heels und Kleid?"
      "Und dich ohne Hut?"
      "Niemals!"
      Ich schüttelte den Kopf und lachte herzhaft. Da war er wieder…Calebs treuer…verruchter Blick aus seinen blauen Augen, der auf mir lag. Würde es jemals einfacher werden, ihn um mich zu haben?
      Caleb
      Nach meinem Ausritt, unter der Begleitung von Ylvi, führte mich mein Weg wieder ins Haus. Die Züchter von Benny wollten mir mehr Bilder ihrer zu verkaufenden Jährlinge zuschicken. Weit kam ich allerdings nicht, denn mein Blick blieb auf Dolly hängen, die dabei war, die Regale im Wohnzimmer abzustauben. Als ich meinen Blick im Raum wandern ließ und schließlich an den Bildern auf dem Kaminsims hängen blieb, lächelte ich. Dort standen so viele schöne Erinnerungen!
      “Oh Mister Caleb, ich habe Sie gar nicht kommen hören”, entschuldigte Dolly sich und wischte ihre Hände an der Schürze ab, nachdem sie von der kleinen Trittleiter abgestiegen war.
      “Ach Dolly, wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst mich einfach Caleb nennen”, ich schmunzelte, kratzte mich jedoch verlegen am Kopf und trat weiter in den Raum hinein. “Ich habe mir gerade die Bilder auf dem Kaminsims angeschaut und festgestellt, dass dort viele schöne Erinnerungen ihren Platz gefunden haben.”
      Dolly nickte, betrachtete ebenfalls die Bilder und sagte: “Es ist schön zu sehen, dass auch Betsys Eltern einen Platz hier gefunden haben.” Sie wandte sich wieder um, griff nach einem der Bücher und zog es aus dem Regal, um es auf den Tisch zu legen, damit sie dort wischen konnte. Dies tat sie auch mit den weiteren Büchern aus der gleichen Reihe.
      Als sie beim letzten Buch angekommen war, flatterte aus diesem ein Foto zu Boden und kam mit der bedruckten Seite nach unten zum Liegen.
      “Huch, so etwas…”, kommentierte Dolly das Herunterfallen und bückte sich, um das Bild aufzuheben. Auch ich machte einen Schritt auf sie zu, doch sie kam mir zuvor.
      Sie hob das Foto auf, drehte es um und schaute es an. Mit einem warmen aber auch traurigen Lächeln sah sie zu mir hoch. “Sehen Sie selbst, Mister Caleb.”
      Mit diesen Worten reichte sie mir das Foto. Unwillkürlich hielt ich den Atem an, starrte eine ganze Weile auf die Erinnerung in meiner Hand. Zu sehen waren Verena, Chocolate, Nachtschwärmer und ich. In ihrer rechten Hand hielt sie den Hengst am Zügel fest, in der linken die Turnierschleife eines ersten Platzes. Sie grinste überglücklich in die Kamera. In meiner linken Hand hielt ich Fly locker am Strick, in der Rechten die Turnierschleife eines zweiten Platzes. Mein Blick richtete sich nicht auf die Kamera, sondern auf Verena. Er kam ‘diesem Blick’, mit dem ich Ylvi ansah, ziemlich gleich.
      Ich seufzte und sah zu Dolly hoch. “Ich kann mich noch genau an diesen Tag erinnern. Wir sind in der gleichen Klasse gestartet, es gab nicht viele Teilnehmer … dennoch hat Verena mit Chocolate den 1. Platz belegt, während ich es mit Fly nur auf den 2. Platz geschafft habe. Das hat sie mir ewig vorgehalten!” Ich lächelte gequält und ließ meinen Blick wieder über die anderen Bilder schweifen.
      “Es gehört auch hierher”, Dolly deutete auf den Kaminsims, “dieses Bild gehört auch dazu. Warten Sie, Mister Caleb, ich hole schnell einen Bilderrahmen!”
      “Aber nicht doch, ich mach das schon …”, setzte ich an, doch sie hatte den Raum bereits verlassen. ‘Dieser Blick’, hallte es in meinem Kopf nach. Hatte ich Verena dieselben Blicke zugeworfen, die ich Ylvi jetzt zuwarf – jetzt wieder zuwarf?
      Ich konnte keine weiteren Gedanken fassen. Dolly betrat das Wohnzimmer und hielt einen schwarzen Bilderrahmen in die Höhe. “Ich habe auf die Schnelle nur diesen hier gefunden. Mit seinem glänzenden Schwarz sticht er zwar wirklich aus den anderen hervor …” Sie griff vorsichtig nach dem Bild, welches ich ihr ohne zu zögern gab, entfernte die Verpackung und rahmte es mit flinken Fingern ein.
      Nach einem letzten prüfenden Blick überreichte sie mir den Rahmen, drückte mir mütterlich die Hand und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit.
      Ich senkte erneut den Blick, lächelte, strich mit dem Finger über das Glas und stellte das Bild schließlich auf den Kaminsims. Es fand einen Platz direkt neben einem Bild Verenas mit ihrem geliebten Gipsy. Wehmütig drehte ich mich um und verließ das Wohnzimmer.
      Als ich mich später durch die Fotos der Jährlinge klickte, blieb ich nicht lange alleine. Betsy gesellte sich zu mir, zog sich den Stuhl von Ylvis Tisch heran und setzte sich neben mich. Sie war noch immer begeistert von dem Pferd ‘ohne Farbe’, also dem Schimmel, der kein Schimmel war.
      “Der ist so hübsch mit seinen blauen Augen, die sehen richtig feurig aus!”
      “Die sind doch nicht rot…”, murmelte ich und vergrößerte das Kopfbild des Tieres.
      “Wieso rot?”
      “Na wenn er rote Augen hätte, könntest du sagen, die sehen feurig aus. Aber doch nicht mit dem schönen blau!”
      Betsy zog einen Schmollmund, nahm mir die Maus aus der Hand, zoomte wieder aus dem Bild heraus und klickte das Vorherige an: “Aber guck doch, hier schimmern die ganz anders und sehen irgendwie … feurig aus!”
      Nach genauerer Betrachtung musste ich ihr zustimmen. Auf diesem Foto sahen seine Augen wirklich … feurig aus. “Passt aber nicht zu seinem Charakter.”
      “Hm?”
      “Na die feurigen Augen. Laut Beschreibung ist der unglaublich mutig und geht auf alles unerschrocken zu. Er ist freundlich und neugierig. Aber leider eben taub.”
      “Ich find ihn trotzdem cool!”
      “Aber nicht für die Zucht, Betsy.”
      “Du hast nicht gesagt, dass du eins von denen für die Zucht kaufen möchtest”, sie schien kurz zu überlegen, “du hast eigentlich noch gar nichts dazu gesagt … wieso schaust du dir die Pferde da überhaupt an?”
      Ich lachte kurz auf. Betsy war ein Fuchs. Natürlich schaute ich mir die Tiere nicht einfach nur zum Spaß an. Benny hatte mich durch seine Farbe begeistert. Deshalb wollte ich herausfinden, was die Züchter noch so zu bieten hatten. “Ich guck mir die Pferde natürlich mit Kaufgedanken an”, beantwortete ich ihre Frage, “ob fürs Turnier oder die Zucht kann ich dir nicht sagen, aber vermutlich eher für die Zucht. Schließlich haben die ein paar echt schicke Farben … guck hier, der Rapphengst von heute Mittag. Sowas sieht man auch nicht alle Tage!” Ich vergrößerte das Bild des Rappsplashhengstes. Er war komplett weiß, besaß lediglich ein schwarzes Ohr.
      “Ich mag das Feuerpferd”, kommentierte Betsy fast trotzig und klickte die anderen Fotos ohne großes Interesse durch. “Jap, ich mag das Feuerpferd.”
      Grinsend schüttelte ich den Kopf. “Sag bloß …”, murmelte ich, schloss dann jedoch die Fotos und wandte mich ihr zu. “Hat Ylvi schon mit dir gesprochen wegen Kaya und Logan?” Betsy nickte. “Magst du mitfahren?” Wieder nickte sie.
      “Ich freu mich wirklich schon drauf – ist nur schade, dass Tschetan nicht mitkommt.”
      “Ja das ist wahr”, stimmte ich ihr zu, “allerdings bin ich schon etwas froh, dass er hier bleibt – in zehn Wochen Ferien kann er hier einiges mit anpacken.”
      Betsy lachte scherzhaft auf. “Der Aaaaarme”, täuschte sie Mitleid vor, ehe sie sich erhob.
      “Warte mal kurz”, ich stand ebenfalls auf und rückte meinen Stuhl an den Tisch, ehe ich ihren wieder an seinen Platz an Ylvis Tisch stellte, “wie lange seid ihr dann eigentlich weg? Die ganzen Ferien?”
      “Ich bin mir gerade gar nicht sicher, das muss ich nochmal nachfragen.”
      Ich nickte und warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Betsy folgte meinem Blick. Noch bevor ich etwas sagen konnte verkündete sie: “Zeit fürs Bett. Gute Nacht, Caleb.”
      “Gute Nacht.”
      Damit war sie verschwunden. Ich würde dran denken müssen, Louis oder Ylvi zu fragen, wie lange die Mädchen wegfahren würden – mit dem Hintergedanken, dass es Betsy vielleicht gar nicht erlaubt war, zu reisen. Schließlich war die Adoption in vollem Gange.
      Ylvi
      Obwohl mir die Augen bereits weh taten und ich immer wieder blinzeln musste, weil ich irgendwie drohte über dem Buch einzuschlafen, konnte ich mich gerade nicht losreißen. Allerdings konnte ich mir plötzlich ein Lachen nicht verkneifen… und ein gemischtes Aufstöhnen aus Lachen und Verblüffung. Ich streckte meine Knie aus, schüttelte den Kopf und ließ auch den Arm samt dem Buch auf meinen Oberschenkel sinken. Spürte wie das leichte Lachen meine Schultern zum Zucken brachte. Das war einfach zu absurd.
      Mein Blick ging zu der großen Standuhr, sie zeigte gerade kurz nach 21 Uhr an. Das Pendel bewegte sich behende von einer zur anderen Seite. Dolly hatte sich bereits in Richtung Bett verzogen. Louis hatte noch in Calgary zu tun. Daher hatte ich mich noch nicht in Richtung des Bungalows begeben, sondern hatte nach dem Abendbrot noch ein wenig im Büro gearbeitet und war anschließend mit meinem neuen Buch auf der Liegelandschaft hier im Wohnzimmer versackt.
      Plötzlich merkte ich eine kleine Bewegung am Rande meines Sichtfeldes. Als sich meine Augen scharf gestellt hatten, erkannte ich Caleb, der im Türrahmen stand. Für wie lange er dort wohl stand?
      “Was liest du da? Scheint sich ja zu lohnen, wenn es dich zum Lachen bringt.”
      “Och, wenn du eine Vergewaltigung, Fieber durch Infektion und das verfüttern des eigenen Haustieres amüsant findest”, sprach ich sarkastisch, allerdings erntete ich nur einen verwirrten Ausdruck von Caleb. Er kam näher, nahm das Buch aus meinem Schoß und blickte konsterniert auf den Titel.
      “Das wird dir …”
      “Die Töchter der Ilian” sprach er, in sehr holprigem Deutsch. Ich zog die Augenbraue nach oben.
      “Ich wusste nicht, dass du Deutsch sprichst.” Caleb hob abwehrend die Hände, um dann mit hartem Akzent “Bisschen” zu murmeln. Um ihn nicht weiter zu Foltern wechselte ich wieder zum Englischen, einer Sprache die mir mittlerweile genauso einfach von den Lippen ging wie meine Muttersprache. Ich hatte nur ein Paket einer Freundin aus Deutschland erhalten. Eine meiner einstigen Lieblingsautorinnen hatte ein neues Buch geschrieben, das hatte sie mir mit deutschen Snacks zugeschickt. Ich musste gestehen, mir gefiel die Geschichte zunehmend immer besser. Ich nahm ihm das Buch wieder aus der Hand, legte einen kleinen Schnipsel als Lesezeichen hinein.
      “Es scheint mir nicht um Pferde zu gehen.” bemerkte er.
      “Tatsächlich nicht. Ist eher eine Fantasy Geschichte, als Jugendliche hab ich sie geliebt. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, nur noch dieselben Geschichten mit unterschiedlichen Namen zu lesen. Da bin ich eher auf Historisches umgestiegen. Außerdem hab ich da draußen genügend Pferde…ich muss nicht noch von lesen.” Das brachte Caleb zum Lächeln. “Um ehrlich zu sein…früher konnte ich nicht viel mit Büchern anfangen. Aber seitdem hier im Wohnzimmer die Wände immer mehr zur Bibliothek ausarten, habe ich mich schon für ein paar erwärmen können.” Ich folgte seinem Blick. “Ich fürchte tatsächlich, dass wir irgendwann eins der Gästezimmer einstampfen müssen, um für mehr Regale Platz zu finden. Dolly hat schon welche in das Esszimmer verfrachtet.”
      “Ich fürchte, das ist auch nicht das einzige, was expandiert.” seufzte Caleb. Damit deutete er in Richtung des Kamins. Dort war mir bereits der neue schwarze Bilderrahmen aufgefallen. Erst jetzt trat ich näher heran, um mir das Motiv anzusehen. Caleb erkannte ich direkt, bei den Pferden war ich allerdings völlig verloren. Tatsächlich blieb ich auch eher an Caleb hängen...sein Blick. Etwas in mir versetzte mir einen Stich. Eine Mischung aus… Bewunderung und… ja wie nennt man es - Verehrung? Ein Blick voller Liebe. Das konnte ein blinder mit Krückstock erkennen. Er galt der jungen Frau neben ihm. Verena. Ich habe sie leider nie kennengelernt. Aber viele der Bilder hier auf dem Kaminsims zierten ihr Gesicht.
      “Auf dem Turnier hat sie mich einfach in Grund und Boden geritten”, sprach Caleb neben mir in Erinnerung schwelgend.
      “Ich hab mal einen Ritt von ihr und Gypsy auf YouTube entdeckt. Sie hatte wirklich ein Händchen für Pferde…”
      Weißt du, wer mich sehr oft an sie erinnert?”, ich schüttelte den Kopf.
      “Tschetan. Manche Dinge fallen ihm so natürlich in die Hand mit den Pferden. Ab und an hat der Junge zwar mehr Glück als Verstand. Aber sein Sinn für Pferde…ist dem von Verena wirklich verblüffend ähnlich.”
      "Förderst du ihn deshalb so?”
      “Das auch, aber auch um meiner wegen. Mich hat damals niemand gefördert, das kann ich jetzt alles zurückgeben. An Tschetan…an Kaya und auch Betsy. Großer Themenwechsel. Wie lang bleibt Kaya in der Reservation? Wir müssen morgen mal klären, wie lange Betsy überhaupt verreisen darf.”
      “Tatsächlich eigentlich gar nicht. Nur mit einem Erziehungsberechtigten. Ich hab’ da im Laufe des Tages schon mit der Behörde gesprochen. Gerade da sie die Grenzen von Kanada verlassen. Deshalb hat Louis beschlossen, die Mädchen und Logan zu begleiten. Dann darf Betsy für eine Zeit von 2 Wochen das Land verlassen.” Ich steckte mir das geschlossene Buch unter die Achsel, sah dann von meiner Betrachtung der Kaminbilder zu Caleb. Sein Blick flackerte schnell in eine andere Richtung, schien sich neu zu sortieren und schaute mich dann direkt an.
      “Da hast du schon wieder schneller an Dinge gedacht als ich”, seufzte er.
      Ich klopfte ihm locker die Schulter und lächelte: "Das lernst du auch noch. Anfangs war ich als Adoptivmutter völlig überfordert.”
      Caleb
      Ich schnaubte. “Wäre sie ein Fohlen, wüsste ich, mit ihr umzugehen!”
      Ylvi schüttelte belustigt den Kopf. “Gute Nacht, Caleb."
      “Gute Nacht, Ylvi.”
      Mit diesen Worten verließ sie den Raum – und schließlich das Haus, wie ich an der zufallenden Haustür hören konnte. Ich ließ einen letzten Blick über die Bilder schweifen. Aber natürlich!
      Mein Weg führte mich – leise, denn Tschetan und Betsy schliefen ja schon, nach oben in mein Schlafzimmer. Dort öffnete ich einen Schrank und kramte mich durch einen Haufen Hemden und Hosen, ehe ich sie fand. Die Kiste mit Bildern, die ich wieder vom Kaminsims entfernt hatte.
      Ich setzte mich aufs Bett, stellte die Bilderkiste neben mir ab und wischte einmal über den Deckel. Es hatte sich doch etwas Staub darauf angesammelt, so lange war sie nicht mehr geöffnet worden. Ich zögerte, hob dann jedoch den Deckel an und legte ihn kurzerhand neben die Kiste auf die Bettdecke. Keines der Fotos befand sich noch in einem Rahmen, weshalb ich einen Teil auf die Hand nahm und sie durchschaute. Pferde, Pferde und noch mehr Pferde befanden sich auf den Bildern.
      Ich legte den durchgeschauten Stapel zur Seite und nahm einen neuen. Bilder vom Rodeo, Bilder von Louis und mir, von Verena, von Aaron und Alexis, von Bellamy und Octavia, von der Gips Reminder Ranch und schließlich, bei den letzten Bildern, von Ylvi und mir.
      Mit zitternden Fingern griff ich nach einem Foto, in dessen Moment ich überglücklich gewesen war. Ylvi und ich auf einem Ausritt, ich lehnte mich zu ihr rüber und küsste sie, während sie das Handy hielt und ein Selfie schoss. Das nächste Foto war einen Moment später aufgenommen worden, als ich mich von ihr gelöst und sie mit ‘diesem Blick’ ansah. Wann war das passiert? Wann waren die Schmetterlinge in meinem Bauch zurückgekehrt? Ich hatte sie doch sorgfältig in die hinterste Ecke verbannt…
      Ungeachtet der in der Kiste verbliebenen Fotos packte ich alle zurück, schloss den Deckel und stellte sie wieder in den Schrank. Seufzend fuhr ich mir durchs Haar. Länger als sonst strichen meine Hände hindurch. Die blonden Locken brauchten mal wieder dringend einen Haarschnitt. Am morgigen Tag würde ich Dolly danach fragen, es war nicht das erste Mal, dass sie mir die Haare schnitt.
      Ich machte mich bettfertig und kroch unter die Decke. Wohlwissend, dass meine Gedanken wohl die ganze Nacht kreisen würden.
      “Hübsch siehst du aus, Caleb”, zog Octavia mich zum wiederholten Mal auf und streichelte mir durch die kurzen Haare.
      “Mensch O, kannst du deine Pfoten mal bei dir behalten?”, fuhr ich sie scherzhaft an und setzte mir den Hut auf den Kopf, bevor sie zu einer neuen Attacke ansetzen konnte.
      Meine blonden Locken waren verschwunden, Dolly hatte sie ein wenig zu kurz geschnitten, allerdings passten sie jetzt wunderbar unter den Cowboyhut, welchen ich nicht ständig wieder nach unten drücken musste, weil die Locken ihn anhoben.
      “Auf der Glamourparty kann ich mir richtig vorstellen, wie deine kurzen und gepflegten Haare deinen Look verschönern”, machte O weiter.
      “Die Locken waren auch gepflegt…”, grummelte ich in meinen Bart hinein, erntete jedoch nur ein Kichern, in das Ylvi einstimmte. “Ach, du bist also auch ihrer Meinung?!”
      Ylvi fuchtelte wild mit den Händen vor ihrem Körper herum, um mich zu beschwichtigen. “Neeeein, auf keinen Fall.” Ihr Grinsen verriet sie jedoch.
      Betsy unterbrach das Gelächter, als sie mit ihrem Koffer gegen den Rahmen der Haustür rumpelte. “Ich helf’ dir, warte.”
      Mit einem Satz stand ich vor der Tür, griff nach dem Koffer und hob ihn schließlich behände in den Kofferraum des Wagen.
      “Ah, da kommt Louis auch schon mit Sue”, sagte Octavia, was mich herumfahren ließ. Nach einem kurzen Gespräch mit Louis hatten wir uns dazu entschieden, dass die drei eigene Pferde mitnahmen. Sue und Kiss waren schnell für die Mädchen gefunden worden, am Pferd für Louis hatte es allerdings gehapert. O hatte ihm Pria angeboten, doch als Tschetan sagte, er würde sich wünschen, dass er Sungila mitnimmt, war die Entscheidung schnell gefallen.
      “Magst du sie reinführen?”, wandte sich Louis an Betsy und hielt ihr den Strick hin.
      “Klar.” Sue ging wie immer grottenbrav auf den Hänger und ließ sich anbinden.
      Wenig später kam Tschetan mit Sungila und Kaya mit Kiss. Beide Pferde wurden eingeladen und die Rampe geschlossen.
      Betsy, die neben mir stand, legte ich einen Arm um die Schulter. “Jetzt heißt es wohl, auf Wiedersehen zu sagen", murmelte ich.
      Betsy sah zu mir hoch und lächelte. “Zwei Wochen ist doch gar nix, die gehen soooo schnell vorbei, ich würde lieber länger fahren!”
      Ich schluckte. “Betsy du weißt, die zwei Wochen ist das, was uns erlaubt ist und…”
      “Ja, Caleb. Ich weiß.”
      Wann war sie bloß so erwachsen geworden?
      Ich umarmte sie einmal fest und spürte, dass ihr Druck, mich zu umarmen, dem Meinen ziemlich gleich kam. “Ich wünsche dir ganz viel Spaß, ja? Und du darfst dich ruhig zwischendurch mal melden!” Meine letzten Worte kamen fast einem Tadel gleich, aber Betsy wusste genau, wie sie gemeint waren.
      “Wann immer ich Netz habe”, meinte sie allerdings schulterzuckend und löste sich von mir, um ihr Shirt zurecht zu ziehen.
      Dann verabschiedete sie sich vom Rest der Truppe. Mein Blick flog zu Ylvi und Louis hinüber, die sich flüsternd unterhielten, während sie Kaya und Tschetan fest umarmten. Die Kinder lösten sich von ihnen, um sich nochmal kurz gegenseitig zu drücken. Als Ylvi und Louis zum Kuss ansetzten, wandte ich mich ab und sah Betsy weiter zu. Am Rande meines Blickfeldes konnte ich trotzdem den Kuss der beiden sehen. Verstohlen huschten meine Augen zu ihnen hinüber und ich registrierte den Wangenkuss. Bevor ich dies jedoch weiter hinterfragen konnte, zog mich Betsy an der Hand in Richtung Auto. Die anderen folgten uns.
      Auch ich verabschiedete mich von Kaya, nickte Louis mit einem “Pass gut auf die Mädchen auf” zu und wollte mich gerade abwenden, als ich seine Stimme hinter meinem Rücken vernahm. Ich wandte mich ihm wieder zu.
      “Caleb?” sprach Louis leiser in meine Richtung: "Hab du ein Auge auf Ylvi und Tschetan, ja?” Ich nickte… etwas verzögert. Hatte Louis gezwinkert? Nein, das musste Einbildung gewesen sein.
      Durch die offenen Fenster winkend verließen die drei den Hof. Aus dem Augenwinkel sah ich Tschetan, der einen Arm um Ylvi legte, die sich leicht nach Halt suchend gegen ihn lehnte. Ich seufzte. Zu gerne würde ich den Platz mit ihm tauschen, Ylvi Halt bieten und… ja was eigentlich? Darüber musste ich mir endlich klar werden, auch wenn es eigentlich zu spät war. Oder gab es Hoffnung? Der Wangenkuss wollte nicht aus meinem Gedächtnis verschwinden.
      “So”, riss O alle Anwesenden aus ihren Gedanken. “Du und du”, dabei zeigte sie auf Ylvi und Aimee, “wir fahren jetzt shoppen. Ich kenne einen Laden in Calgary, da finden wir genau das Richtige für die Party morgen Abend!” Sie wandte sich Tschetan zu und wollte erneut ansetzen, doch der suchte sofort das Weite.
      “Gute Entscheidung, Tschetan”, rief ich ihm lachend hinterher, während er in Richtung der Stallungen joggte.
      “Du wolltest den wirklich mit auf unseren Mädelstrip nehmen?”, grinste Aimee.
      “Ach was, wir brauchen doch jemanden, der unsere Kleider und die Schuhe und den Schmuck trägt!”
      Ylvi stöhnte auf.
      “So schon mal gar nicht, Ylvi! Wir könnten… ähm Bellamy, du kannst doch bestimmt mitkommen?”
      Doch Bellamy schüttelte den Kopf, zeigte auf Laurence und murmelte “Haben was vor”. Damit verschwanden die zwei in Richtung des Reitplatzes, gefolgt von … Dolly? Ich starrte ihnen hinterher.
      “Caleb, dich frag ich erst gar nicht…”, murrte O, “obwohl es deinem Kleiderschrank durchaus gut tun würde, wenn du mit drei Frauen shoppen fahren würdest.”
      Ich schüttelte den Kopf. “Habt ihr nicht gesehen, dass Dolly hinter Bellamy und Laurence her ist? Ich muss schauen, was die drei im Schilde führen… aber euch viel Spaß.” Ich zwinkerte den Damen zu und folgte Dolly.
      Fohlenweide: Run Outta Color, BR Wimpys Blue Gun, BR South Texas Gangster, BR Rebel Hearted, BR Heavens Wild Side, BR Devils Angel Eyes
      Jungpferde: Blue Fire Cat, BR Atlantis Dream, BR Colored in Style, BR Dress to Impress, BR Homecoming Queen, BR Raised to Slide, BR Sheza Topnotch Babe, BR Wimpys Bright Gangster, Captains Blue Crystal, Gun Sophie, Jacks Inside Gunner, BR Alans Smart Dream, BR Colonels Golden Gun, BR Colonels Lil Joker, BR Double Gunslide, BR General Pleasure, BR Heart N‘ Soul, BR Hollywooda Dream Anthem, Chocolate Dazzle, Rocking Waves
      Trainingsstall: Bittersweet Temptation, Whitetails Shortcut, Zues, Abandon all Hope, HMJ Courtesy, HMJ8345’s Continental, Lady Blue Skip, Tortured Witch HMJ 6693, Blanton’s Gentleman, Chic N‘ Shine, Four Bar Chocolate Becks, GRH’s Funky’s Wild Berry, HMJ Saintly, How‘ Bout Moonies, PFS‘ Unclouded Summer Skies, Smart Lil Vulture, tc Mister’s Silvermoon Cody, Thiz Bye Bye Bay
      Zuchthengste: Small Town Dude, Dual Shaded Ace,GRH’s Bellas Dun Gotta Gun, GRH’s Unbroken Soul of a Devil, Gun and Slide, Gunners Styled Gangster, Heza Bat Man, Till Death, HGT’s Unitato, Chapman
      Zuchtstuten: Up Town Girl, Black Sue Dun It, California Rose, DunIts Smart Investment, Easy Going, Frosty Lagoon, Ginger Rose, Ginny my Love, GRH’s A Gun Colored Lena, GRH’s Aquila T Mistery, GRH’s Unbroken Magic, Lovin‘ Out Loud, Magnificient Crow, Only Known in Texas, Stormborn, Striga, Tainted Whiz Gun
      Einsteller: Breia LDS, Ceara Isleen, Dakota, Drama Baby, Leuchtfeuer di Royal Peerage, Moonshine LDS, Pocahontas, Prias Colourful Soul, Raspbery, Tigres Eye, Wunderkerze LDS, Absolute Bullet Proof, Alaric, Birk, Culain, Fancy Like Romeo, Heldentum LDS, Myrkvidr, Peacful Redemption, Vandal LDS, WHC‘ Happy Sunshine, Wildfire xx
      Dells Rookie Ranch: Cleavant ‘Mad Eyes‘, A Walking Honor, Chou, Jade, Like a Prayer, Kristy Killings, Honey’s Aleshanee, Colonels Blue Splash, Kisshimbye, BR Dissident Whiz, Sweet like Chocolate
      Übergangsweise: Priamos Ruffia Kincsem, Wimpys Little Devil, Miss Independent, Snapper Little Lena
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  • Album:
    BRR Einsteller
    Hochgeladen von:
    Veija
    Datum:
    10 Mai 2022
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    Note: EXIF data is stored on valid file types when a photo is uploaded. The photo may have been manipulated since upload (rotated, flipped, cropped etc).

  • Exterieur
    Name: Vandal LDS
    Rufname: Vandal
    Alter: 4 Jahre, Mai 2018
    Geschlecht: Hengst
    Größe: 1,66m
    Rasse: Standardbred
    Fellfarbe: Blue Roan Splash (EeaaRrnSpl)


    Stammbaum
    Von: Alfred's Nobelpreis
    Aus der: Rainbeth


    Charakter & Beschreibung:
    kooperativ, aufmerksam, freundlich, schreckhaft


    Zuchtinfos
    Gekört/Gekrönt: nein

    [​IMG]

    Besitzer: Ravenna (jetzt: Deckstation Brixton, bald Tschetan Kills- Bears)
    Vorbesitzer: Mohikanerin
    Gezüchtet bei/Zucht: Lindö Dalen Stuteri, Schweden

    VKR: Mohikanerin

    Kaufpreis: -
    Zu Verkaufen: nein


    Qualifikationen:

    nicht eingeritten, 5 Gänger
    nicht eingefahren


    Dressur E/M
    Springen -
    Military -
    Distanz E/E

    Rennen E/M
    Gangreiten E/L


    Western



    Erfolge:


    Gesundheit:
    Gesundheitszustand:
    Letzter Besuch:

    Hufschmied:
    Hufzustand: gut
    Letzter Besuch:
    Beschlag: