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Mohikanerin

Úlrik [16/20]

Isländer

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Úlrik [16/20]
Mohikanerin, 26 März 2022
Veija und Wolfszeit gefällt das.
    • Mohikanerin
      Dressur E zu A | 06. Mai 2022

      Planetenfrost LDS / Astronaut in the Ocean LDS / WHC‘ Golden Duskk / Harlem Shaker LDS / Raleigh / Ruvik / Úlrik

      An einem kühlen Herbsttag hatte ich Plano und Astronaut bereits in der Führanlage, während Raleigh von seiner Besitzerin in der Halle geritten wurde und Bruce Úlrik bewegte. Bevor die Traber an der Reihe waren, stand Ruvik auf der To-do. Mit ihm war bis heute nicht gut Kirschen essen, aber er akzeptierte meine Anwesenheit und an guten Tagen arbeitete er sogar mit. Ich hoffte, dass auch heute so einer war. Allein stand in seiner Paddockbox und zupfte am Heu in der Raufe. Mich hatte er schon früh bemerkt. Die Begrüßung startete mit angelegten Ohren und unfreundlichem Raunen aus den Nüstern, wie weit aufgebläht in meine Richtung prusteten.
      „Alles gut, wir wollen nur in die Halle“, versuchte ihm die Arbeit schmackhaft zu machen, doch der Hengst blieb in seiner Haltung mit gegenüber unverändert. Glücklicherweise wusste ich, worauf ich mich eingelassen habe und verharrte in meiner Position, bis Ruvik entschloss, auf mich zuzulaufen. Sofort bekam er ein Leckerli und akzeptierte das Halfter. Unsere nächste Herausforderung kam erst in der Halle. Ruvik mochte andere Pferde nicht, was er durch lautstarkes Wiehern und Quietschen untermalte. Eve nahm mit Raleigh Abstand und Bruce stieg ohnehin gerade von dem Isländer Hengst ab.
      „Wie war's?“, erkundigte ich mich, ohne dem Schecken neben mir besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Mein Bruder erzählte mir von den Fortschritten des Pferdes. Úlrik hatte er vor längerer Zeit aus Island importiert und bemerkte, dass dieser nicht ansatzweise das zeigte, was versprochen wurde. Daher begann er, mit ihm die Grundlagen zu wiederholen. Damit hatte Bruce den Hengst innerhalb kurzer Zeit auf einem sicheren Anfängerniveau in der Dressur, als Vorbereitung auf die Gangprüfungen.
      „Und du versuchst was genau mit dem?“, dabei zeigte Bruce auf Ruvik, der noch immer neben mir prustete.
      „Mal sehen. Geplant war Doppellonge, damit er hoffentlich dieses Jahr zur Körung kann, aber ich sehe schwarz“, erklärte ich mit abfälligem Blick zu dem Chaoten.
      Als Eve fertig wurde, setzte sich der Hengst endlich in Bewegung. Er schielte noch immer dem Kaltblut nach, aber kam Runde für Runde besser an die Doppellonge heran. Wir übten das Grundsätzliche, angefangen mit klaren Übergängen und Biegungen. Er kannte das alles, aber hatte es viele Jahre als Zwang empfunden, seitdem wir ihn aus einem tschechischen Zirkus übernahmen. Bis heute ist Ruvik Tag tägliche eine Herausforderung, ein Pferd, das sein Dasein bei uns Fristet und meistens nicht gearbeitet wird. Für die Körung jedoch war es notwendig, denn es gab Anfragen ohne Ende.
      Nach zwanzig Minuten beendete ich die Einheit, auch, weil noch die beiden Rennpferde auf dem Plan standen zum Reiten. Auch mit ihnen ritt ich in der Halle, achtete genau auf die Schritte durch den Sand. Besonders feurig war Dustin, der nicht ohne Grund im nächsten Jahr in Frankreich rennen sollte. Plano sollte weiterhin in Schweden bleiben und hier Siege holen. Mit dem ausgeglichenen Training zwischen Dressur und Rennen stand dem auch nichts im Wege. Die Hengste lernten schnell, konnten durch die Gymnastizierung auf allen Ebenen eine bessere Koordination entwickeln und damit Glänzen. Auch Shaker, unser Zuchthengst aus Vintage, setzte sich als Reitpferd immer mehr durch, obwohl seine Zucht-Rennen-Zeit deutlich unter dem Durchschnitt war.

      © Mohikanerin // Tyrell Earle // 3322 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Oktober 2020}
    • Mohikanerin
      Gang E zu A | 30. Juni 2022

      Úlrik / Hallveig från Atomic

      Bevor sturzbachartig sich der Himmel über dem Hof ergoss, hatte ich Úlrik, meinen isländischen Import, vom Paddock geholt. Wir standen in der Stallgasse, beobachteten, wie am Ausgang der Regen prasselte. Ulli war ein ruhiges Pferd, dem das laute Geräusch wenig ausmachte. Die Stute Hallveig hingegen, die gerade unter Jonina in der Halle lief, blickte sich panisch um. Sie hatte das Pferd unter Kontrolle, aber Schwierigkeiten ein anderen Gang als Tölt zu finden.
      Als ich den Hengst geputzt hatte, alle Haare aufgefegt, führte ich ihn gesattelt in den Sand hinüber. Neugierig musterte er das andere Pferd, aber blieb dabei auf der Stelle stehen. Den Gurt zurrte ich ein Loch fester, bevor ich aufstieg und im Schritt begann. Nach großen Kreisen folgten kleinere und Schenkel weichen. In Vorbereitung auf den Tölt richtete ich ihn rückwärts und versammelte ihn besten Gewissens. Sein unerschrockenes Gemüt kam mir zugute. Úlrik lag gut an den Hilfen. Im Tölt rollte er noch, besonderes an den langen Seiten, deshalb ritt ich viele Schlangenlinien und Übergänge zum Schritt. Am Ende durfte er noch galoppieren, um sich zu lockern. Jonina war bereits fertig mit der braunen Stute und wir unterhielten uns im Schritt noch einen Moment, bevor die Pferde zurückkonnten auf ihre Paddocks.

      © Mohikanerin // Bruce Earle // 1283 Zeichen
      zeitliche Einordnung {Februar 2021}
    • Mohikanerin
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      kapitel tjugotvå | 9. Juli 2022

      Maxou / Caja / HMJ Divine / Legolas / Planetenfrost LDS / Lotti Boulevard/ Nachtschatten/ Lu‘lu‘a / Wunderkind / WHC‘ Golden Duskk / Eifellust / Lubumbashi / Fahrenheit LDS / Úlrik / Spök / Narcissa

      Lina
      Sehr unsanft durchdrang der Weckerton meine Träume. Verworrene Träume, die düster durch mein Unterbewusstsein waberten. Nicht gerade der Start, den man sich für den Weihnachtsmorgen wünschte, aber nicht ungewöhnlich. Jegliche Ereignisse, die man für gewöhnlich mit seiner Familie verbrachte, neigen dazu, mir das vor Augen zu führen, wogegen ich verzweifelt ankämpfte.
      Anlässlich des bevorstehenden Festest hatte ich mit nur meine Schwester eingeladen, nein, auch Jyrki erhielt eine Einladung. Sogar an meinen Vater dachte ich einen wahnwitzigen Moment lang, verwarf diese Idee aber schnell wieder. Wer über Jahre hinweg nicht einmal versucht Kontakt zu seinem Kind aufzunehmen, würde wohl kaum zu Weihnachten plötzlich seine Meinung ändern. Zumal nicht mal mein Bruder es für notwendig hielt, mir wenigstens eine Absagte zu schicken. Kaputt war sie, meine Familie. Langsam zerbrochen an der Last des Lebens. Langsam drang die Luft aus meinen Lungen. Eine normale Familie würde wohl für immer ein Traum bleiben.
      Langsam schob ich einen Arm unter der warmen Decke hervor. Die kühle Luft im Zimmer jagte mir augenblicklich ein Schauer über die Haut, unter dem sich die kleinen Härchen darauf aufstellten. Unglaublich, wie kalt so ein Raum werden konnte. Ein wisch über den Bildschirm und das Gerät schwieg endlich. Müde ließ ich den Kopf zurück auf das Kissen sinken. Der gestrige Abend war dann doch noch länger geworden als geplant, angesichts der Tatsache, dass die Vierbeiner natürlich auch heute versorgt werden wollten. Zumindest mit dem nötigsten. Die Stille war nur von kurzer Dauer, denn mit einem leisen Ping, wurde der Erhalt einer Nachricht angekündigt. Erneut griff ich nah dem Handy. Urheber der Störung war Enya, sie wollte in einer Stunde da sein damit wir noch einmal dem keinen Auftritt, üben konnte. Meine Güte, warum war sie denn schon so früh wach? Immerhin hatte sie keine hungrigen Vierbeiner vor der Tür sitzen. Aber ihr Tatendrang sprach zwangsläufig dafür, dass ich jetzt tatsächlich aufstehen musste. Doch vorher musste noch etwas anderes erledigt werden. Zielsicher tippe ich auf den obersten Chat, eine Morgenroutine, die innerhalb der vergangen zwei Monate beinahe in Vergessenheit geriet. Schließlich muss man niemandem schreiben, der unmittelbar neben einem lag. Mit flinken Fingern verfasste ich einen morgendlichen Gruß an meinen Liebsten, natürlich nicht mit dem Erwarten direkt eine Antwort zu erhalten. Niklas war sicherlich nicht an einem freien Tag bereits am frühen Morgen durch die Gegend springen. Dennoch gab es mir den nötigen Motivationsschub, um aus dem Bett zu kommen. Die Kleidungswahl fiel heute schlicht aus, schließlich würde ich schon den ganzen Abend ordentlich herumlaufen. So griff ich zu einer grauen Thermoreithose und stahl mir einen der Sweater, die mein Freund hiergelassen hatte. Wenn er schon nicht da war, mussten halt seine Klamotten herhalten.
      Ein schwaches Klopfen erklang vom Sofa als ich die Tür öffnet. Vollkommen fertig lag der gefleckte Welpe auf dem Sofa, denn er zusammen mit Nivi noch ziemlich lange die Hütte unsicher gemacht. Vriska hingegen saß bereits mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch und tippte munter etwas in ihren Laptop.
      “Guten Morgen”, sprach ich freundlich, wollte eigentlich noch etwas hinzufügen, doch hielt inne. Etwas an ihr sah anders aus, und zwar nicht nur die Brille, die mir bereits gestern aufgefallen war. Eindringlich betrachte ich sie. Ihre Haare waren am Ansatz deutlich dunkler und einige der langen Strähnen waren zu Dreadlocks zusammengeklebt.
      “Oh, du bist wach”, bemerkte sie mich offenbar erst jetzt und nahm die Kopfhörer aus den Ohren, “das Wasser müsste noch warm genug sein. Eine Tasse steht auch schon da.”
      “Danke”, entgegnete ich und lief zur Küchenzeile, um besagtes Angebot entgegenzunehmen.
      “Was machst du da, so früh am Morgen?”, fragte ich neugierig, als ich im Vorbeigehen einen flüchtigen Blick auf ihren Bildschirm erhaschen konnte. Für gewöhnlich war sie nicht der Typ Mensch gewesen, der so früh bereits voller Tatendrang war, wenn man sie denn überhaupt so früh zu Gesicht bekam.
      “Ähm. Nichts”, stammelte sie mit zittriger Stimme und klappte das Gerät sofort zu. Eine leichte Röte überkam ihr Gesicht, dabei grinste Vriska schief und unkontrolliert.
      “Okay”, schmunzelte ich. Das Nichts war offenbar geheim, doch für das Erste beschäftigte mich etwas anderes.
      “Sonst alles in Ordnung bei dir? Lars war ja gestern noch ganz schön lange bei dir”, kam ich auf das zu sprechen, was mir seit gestern auf der Seele brannte. Nachdem wie nah, sich die beiden bereits vor ihrem Verschwinden gekommen waren, würde es mich wirklich interessieren, was die beiden dort drinnen gemacht haben.
      „Mehr oder weniger, ja. Er hatte ein paar Fragen und wollte mich dann unbedingt von der Stute überzeugen, aber na ja“, sie seufzte resignierte, „ich weiß noch nicht ganz. Und danach haben wir uns unterhalten über dies und das.“ Ein zartes Lächeln zuckte über ihre Lippen, dass sie sofort hinter ihrer Tasse versteckte. Sie fühlte sich offenbar immer noch ziemlich von ihm angesprochen. Kein Wunder, er war auch wirklich ein Hübscher.
      “Das mit dir und den Pferden bekommen wir schon wieder hin, nur nicht verzagen”, blieb ich positiv. Es war zwar nicht gänzlich vergleichbar, aber ich konnte es nachfühlen, denn auch meine Beziehung zu den Tieren war schon schwer erschüttert worden und ich hatte viel Zeit und Hilfe gebraucht, um zu ihnen zurückzufinden. Umso mehr Anerkennung hatte ich für Vriska, dass sie überhaupt hier war.
      “Wir werden sehen, aber ich muss gleich los”, sagte sie nach einem Blick zur Uhr hinter ihr an der Wand.
      “Wohin los?”, fragte ich ein wenig schwer von Begriff, “Aber solltest du dir dann vor allem nicht noch etwas anziehen.” Bisher saß Vriska nämlich in nicht viel mehr als einer Boxershorts und einem viel zu großen, viel zu teuer erscheinenden Hemd am Tisch.
      “Ach, so kalt ist es gar nicht”, Vriska lachte, “natürlich ziehe ich zum Arbeiten was anderes an. Die Pferde füttern und bewegen sich nicht von allein.” Dafür, dass sie immer wieder die Uhrzeit überprüfte, saß sie ruhig auf dem Stuhl ohne die Tasse aus der Hand zu stellen.
      “Du willst arbeiten? Bist du dir sicher?”, erstaunt blickte ich sie an. Dass sie sich so schnell ihrer Angst stellen wollte, hätte ich nicht mal bei ihr erwartet.
      “Von Wollen kann nicht die Rede sein, aber Lars möchte, dass ich was tue. Außerdem bin ich krankgeschrieben, also”, erklärte sie.
      “Daher weht also der Wind”, grinste ich leicht, “Na, dann hoffe ich, dass er weiß, was er tut.”
      Intensiv musterten mich ihre Augen, als würden tausende Dinge durch ihren Verstand schweben und nicht den Ausgang finden. Vriska wirkte sehr in sich gekehrt, verändert im Vergleich zu ihrer Abfahrt. Das hatte nicht nur mit ihrem äußeren Auftreten zu tun, eher das gesamte Konstrukt ihrer Selbstdarstellung.
      “Gibst es da etwas, was du mir mitteilen willst?”, kam sie zurück aufs Thema. Kurz musste ich überlegen, die richtigen Ausdrücke finden. Ich freute mich für sie, dass sie trotz der ganzen Geschichte Interesse an jemanden zeigte, aber gleichermaßen sorgte ich mich darum, dass sie sich zu schnell in etwas hineinstürzen könnte, was außerhalb ihrer Kontrolle lag. Und das sagte gerade ich, was eine Ironie.
      “Hab deinen Spaß, aber pass auf dich auf, das will ich dir sagen. Wenn du spurlos verschwindest, bekomme ich sicher einen Herzinfarkt”, sprach ich schließlich offen aus, was mir durch den Kopf ging. Verwirrt kippte sie den Kopf zur Seite.
      “Unwahrscheinlich und das liegt nicht nur daran, dass Mama keine Lust mehr auf mich hat”, scherzte sie. Okay, irgendwas hatte sich wirklich dramatisch verändert, schließlich wäre sie sonst verärgert abgehauen.
      Prüfend blickte ich sie an: “Was ist mit dir passiert da drüben? Du bist so … anders.”
      “Wie viel willst du hören?”, allein die Andeutung zeigte mir, dass es nicht offenbar nicht ihre Familie war, die sie in eine andere Richtung lenkten. Doch bevor ich ihr auf die Frage antworten konnte, öffnete sich die Terrassentür. Mit lautem Bellen stürmten die Hunde zu Lars, der sofort in die Knie ging und die Tiere herzlich begrüßte. Dog, wie Harlen Fred neuerdings benannte, sprang auf seinem Schoß und wollte am liebsten in ihn hereinkriechen für eine optimale Begrüßung. Vriska pfiff den Rüden zurück, der erstaunlicherweise auf sie reagierte.
      “Vivi, ziehst du dich dann an?”, hakte Lars noch nach, als er sich einen Augenblick später mit an den Tisch gesetzt hatte und von Vriska einen kleinen Kaffee bekam.
      “Alles?! Ich würde gerne verstehen, wer oder was so viel Einfluss hat, dass du innerhalb von zwei Monaten so eine Entwicklung machst”, kam ich auf ihre Frage zurück. Vielleicht war sie heimlich von Aliens gegen einen Doppelgänger ausgetauscht worden oder es gab eine deutlich realistischere Erklärung für ihren positiven Sinneswandel.
      „Du bist aber heute auch neugierig“, schüttelte sie amüsiert den Kopf und verließ dabei den Raum. Erst nach dem mehrmals sie die Türen ihres Schrankes geöffnet hatte, kam ihre Erklärung.
      „Im Großen und Ganzen habe ich mich alter Gewohnheiten gewidmet, war eigentlich die meiste Zeit feiern, habe mich mit einigen Typen getroffen“, dann verstummte sie. Lars hob eine Augenbraue und lehnte sich dabei tiefer in den Stuhl. Seine Arme lagen verschränkt auf der breiten Brust, die immer wieder zuckte bei ihrer Erzählung. Obwohl, von seinem Sitzplatz aus hatte man die volle Sicht in ihr Zimmer.
      „Und? Das kann doch nicht alles gewesen sein?“, hakte ich weiter nach. Nur ein wenig feiern zu gehen und dabei vielleicht auch einigen anderen Trieben nachzugehen, schien mir keine ausreichende Erklärung.
      „Schon klar, dass du direkt möchtest, dass Lars abhaut“, scherzte sie, wenn auch mit Verwunderung meinerseits. Er neigte leicht seinen Kopf zu mir, aber ich konnte nur mit den Schultern zucken. „Mama hat mich wieder zur Therapie geschliffen und da mussten einige Sachen geradegerückt werden. Deshalb habe ich mich auch wieder alten Hobbys gewidmet.“ Vriska kam mit einem äußerst freizügigen Outfit wieder aus den Zimmern heraus, was angesichts der Temperaturen keine gute Wahl war. Sie zupfte am Shirt herum und kehrte auf der Stelle um. Mit einem dicken, rosafarbenen Pullover stand sie nun vor uns. Lars nippte an seiner Tasse, die kaum an Flüssigkeit verloren hatte. Eilig hatten die beiden es offenbar nicht.
      „Ohhh, jetzt ergibt alles Sinn“, dachte ich laut. Tatsächlich war es ziemlich einleuchtend, denn das erklärte sowohl die Stimmungsschwankungen als auch die impulsive Handlungsweise, die vor ihrer Abreise an den Tag legte. War das dann also auch der Grund für das, was in Kanada geschehen war und für alles, was danach folgte? Oder hatte irgendwas davon auch die echte Vriska zu verantworten? Ihre Antwort warfen in etwa genauso viele Fragen auf, wie sie beantworteten. Es würde sicher Tage dauern, dem allem auf den Grund zu gehen. Unter der Masse der Gedanken begann sich alles in meinem Kopf zu drehen.
      „Tut mir auch leid, dass ich dir nicht geschrieben hatte, aber Mama hat mein Telefon und mein Laptop eine Internetsperre. Ich fühle mich wie zwölf Jahre, ganz ehrlich“, fügte Vriska nach kurzem Schweigen hinzu. „Meine Schwester überreichte mir ihr Handy nur kurz, deshalb musste ich die Zeit nutzen für“, sie seufzte wieder, „um einige Dinge zu klären, die aber auch jetzt nicht mehr relevant sind. Er soll zur Hölle fahren mit seinen Lügen.“ Also hatte sie es rausgefunden, all das, was zwischen Schein und Sein gelegen hatte und vielleicht noch mehr. Wer wusste das schon?
      “Es tut mir wirklich leid, wie das zwischen euch beiden gelaufen ist”, murmelte ich und klammerte mich an meine Tasse. Vriskas Worte hatten den kleinen Teufel erweckt, der sich nicht davon lossagen wollte, dass es hätte anders laufen können, hätte ich mich nicht dermaßen in dieses Trugspiel verwickeln lassen.
      “Ach, was im Nachhinein passiert ist, weißt du noch gar nicht”, zuckte Vriska vollkommen losgelöst von dem Thema, als wäre es schon mehr als ein Jahr später.
      “Im Nachhinein? Was ist denn noch geschehen?”, fragte ich verwirrt, sowohl von ihren Worten als auch ihrer Reaktion.
      “Lars, hör mal kurz weg”, lachte sie und hielt ihm die Ohren zu. Sein Kopf hob sich langsam in ihren Fängen. Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. War sie sich sicher, dass er ihr gut ging? Sie hätte ich auch einfach herausschicken können. Wunderlicher hatte sie sich wohl noch nie verhalten.
      “Die paar Minuten an Madlys Handy nutzte ich, um mit ihm zu telefonieren. Es war schön, keine Frage, aber immer wieder erklärte er, dass er mich noch lieben würde und das alles nur für Fredna tue. Ich glaube ihm das, keine Frage, aber was erhofft er sich bitte? Das ich jetzt warte, bis er wieder Zeit für mich hat? Deswegen denke ich einfach, dass der ganz schlimme Komplexe hat. Ach, und er hatte auch noch ein paar andere Weiber, also nein danke”, überkam es mich in einem Wasserfall an Worten, dann ließ sie wieder von seinen Ohren los. Ein breites Grinsen lag auf seinen Lippe und seine Hand hielt sich an ihrem Bein. Hatte ich was verpasst?
      Auf einen Schlag löste sich das ungute Gefühl in Luft auf, denn gegen diese Fakten schienen nicht mal meine inneren Dämonen anzukommen. Viel mehr bekam ich das Gefühl, dass es sogar besser war, dass es endete, denn offensichtlich war es so nerven schonender für uns alle. Nur eins passte nicht in dieses Bild, die beiden vor mir.
      “Irgendwas verheimlicht ihr zwei doch”, stelle ich nach hinreichender Betrachtung fest. Er grinste schief und zog sie noch näher an sich heran, dass sie ins Stolpern kam und auf seinem Schoß landete. Ihr Gesicht färbte sich abermals rot. Nun hielt er ihr die Ohren zu.
      “Zugegeben, ich finde sie gut und bin froh, dass sie den Kerl auch losgeworden ist. Ich hatte schon so ein Gefühl”, erzählte Lars mit ruhigen Worten und senkte die Hände wieder.
      “Dir ist schon klar, dass ich das gehört habe? Ich bin zwar blond, aber nicht blöd”, fauchte Vriska spielerisch und gab ihm erneut einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Dass sie gestern nur geredet hätten, schloss ich mittlerweile kategorisch aus. Er erwiderte ihre Liebkose, aber am Hals und hörbar atmete sie aus.
      “Ich glaube, ich gehe dann mal”, lachte ich und erhob mich vom Tisch, “Viel Spaß euch noch.” Ich freute mich für die sie, doch hatte ich noch Besseres zu tun, als den beiden bei ihren Liebelein zuzusehen.
      “Wir kommen auch direkt mit”, kam es von Lars, der Vriska einen kleinen Stoß gab. Sie rannte zur Anrichte, griff ihre Reithandschuhe, die da schon vorbereitet lagen, nahm sich eine dicke Winterjacke. Im Laufen zog sie ihre Schuhe an und stürmte zusammen mit den jungen Hunden heraus, die ihre schnellen Bewegungen, direkt als Spiel ansahen. Wir beide hingegen standen noch immer im Wohnzimmer, erst dann nahm auch ich mir meine Sachen.
      “Was auch immer du ihr versprochen hast, es scheint ziemlich motivierend zu sein”, stellte ich lachend fest und zog den Reißverschluss der Jacke zu. Über Nacht hatte erneut ein kräftiger Schneefall eingesetzt, weswegen ich lieber auch noch nach einem Stirnband griff. Sicherlich war es kalt draußen.
      “Scheint so, dabei war es nur ein Kuss”, grinste er mich an. Er trug ohnehin noch seine Sachen, zog also auch nur den Reißverschluss zu. Wow, dann musste er das wohl ziemlich gut können, wenn ein Versprechen solche Auswirkungen entfalte.
      In einem gemäßigteren Tempo folgten wir, Vriska durch den Schnee. Sie war so zielstrebig unterwegs, dass sie sogar vor den Hunden dort ankam.
      “Kommt ihr endlich? Das Wetter ist so schön und ihr trödelt nur, anstatt euch ein Pferd zu schnappen”, jubelte sie euphorisch. Hatte sie wirklich Angst vor den Tieren? Ihr Verhalten erweckte nicht gerade den Eindruck dafür.
      “Wir kommen doch schon”, rief ich ihr zu, doch neben Vriska fühlten sich auch die beiden Fellknäuel angesprochen, die augenblicklich kehrt, machten und in vollen Tempo auf uns zu rannten. Während Nivi in letzter Sekunde einen Haken schlug und so nur leicht an Lars vorbeischrammte, schoss der Rüde voll in mich hinein. Ich geriet ins Straucheln, fand auf dem rutschigen Schnee nicht den Halt und fiel. Dann entsprach vermutlich nicht Vriskas Vorstellung von schneller. Lars reichte mir seine Hand und klopfte mich ab. Sie hatte das natürlich mitbekommen, lachte herzlich. An neue Vriska musste ich mich noch gewöhnen, denn mir schwebte Böses im Kopf, dass ihr attraktiver Schwarm nett zu mir war.
      „Du bist in die falsche Richtung gerutscht, mehr wie ein Pinguin“, schlug sie vor und machte dabei eine Bewegung, die eher einer bleiernen Ente glich.
      “Und du bist ein Exemplar der selten Gattung Spaßvogel?”, scherzte ich und setzte meinen Weg zu ihr fort.
      “Wer weiß, vielleicht sollte das näher untersucht werden”, hielt sie ihre gute Laune. Wir hatten Vriska schon eingeholt, da sprang sie auf Lars Rücken und ließ sich die letzten Meter tragen.
      “Du wiegst einfach nichts”, merkte er an und drehte sich beinah erwartungsvoll zu ihr um. Sofort gab sie ihm einen zarten Kuss und trieb ihn wie ein Pferd voraus.
      “Du hast dein Pferdchen ja offenbar schon gefunden”, lachte ich und folgte den beiden in den Stall. Ein leises Wiehern erklang und ein heller Ponykopf reckte sich über die Boxentür, zur Abwechslung sogar mal gut gelaunt. Den kompletten Kontrast dazu bildete Caja, meine Berittstute, ein paar Boxen weiter. Kaum hatte sie Lars erblickt, legten sich ihre Ohren komplett flach an ihren Hals, ihre Augen verdrehten sich und sie brachte schnell größtmöglichen Abstand zu Stallgasse auf. Vriska rutschte wieder herunter. Keinen Schritt weiter setzte sie, obwohl sie offenbar einen Deal hatte, den er umgehend ansprach.
      „I-Ich habe es mir anders überlegt“, stammelte sie aus heiterem Himmel im kompletten Verlust ihrer Selbstsicherheit. Vorsorglich setzte sie einige Schritte zurück, während Maxou versuchte durch die große Öffnung zu klettern. Das Pony regte sich immer mehr auf und stieg, bis sich das erste Bein dazwischen verfing und sie in Panik verfiel. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, da sprang Lars bereits zur Stute, drückte ihre Huf zurück und öffnete kurzerhand die Box. Aufgeregt trabte das Tier heraus, aber stoppte bei Vriska, die in Schockstarre verfallen war. Mit lauten Prusten stand Maxou vor ihr, wölbte elegant den Hals und schnupperte an ihrem unordentlichen Dutt. Immer wieder drückte sie ihr Maul in Vriskas Gesicht, bis sie erwachte und sehr vorsichtig ihr Pferd über die Nase strich, als hätte sie noch nie eins berührt. Langsam, um das Pony nicht doch noch in die Flucht zu treiben, näherte ich, mit einem Strick in der Hand, begab mich neben Vriska, die zaghaft über das helle Fell strich.
      “Sehr gut, damit hast du den ersten Schritt schon gemacht”, lächelte ich ermunternd und beobachtete einen Moment, wie ruhig das Pony unter ihren Berührungen wurde. Offenbar hatte nicht nur ich meine Mitbewohnerin vermisst. “Möchtest du dein Pony selbst zurückbringen oder lieber nicht?”
      Freundlich bot ich ihr das Ende des Strickes an, den ich mittlerweile an dem Pony befestigt hatte. Über ihre Wange liefen mehrere Tränen, bis sie sich um den Hals ihrer Stute warf und kaum noch zu trennen war. Sie warf den Kopf nach oben bei der schlagartigen Bewegung, aber beruhigte sich sofort, als sie die Nähe ihrer Besitzerin spürte. Behutsam fummelte die Stute an Vriskas Kapuze als würde sie beginnen mit der Fellpflege.
      “Mein Plan war ein anderer, aber ähnlich”, sagte Lars plötzlich neben mir und grinste zuversichtlich.
      “Maxous eigener Plan hat offenbar auch funktioniert”, lächelte ich erleichtert. Ich hatte erwartet, dass es deutlich schwieriger und vor allem langwieriger werden würde, Vriska überhaupt nur in die Nähe ihres Ponys zu bekommen. Doch wenn ich sah, wie glücklich Besitzerin und Pony auf einmal wirkten, war die Hoffnung groß, dass mit dieser Wiedervereinigung nicht nur Maxous Laune besser wurde, sondern ebenso ihre Lebensgeister zurückkehrten. An der Schulter tippte mich jemand an, Enya war da. Lars verabschiedete sich auch in Vriskas Namen bei uns, dann liefen sie zusammen zur Box, um die Stute zurückzustellen. Sie folgten dem langen Gang zum Hauptausgang und tasteten sich dabei aneinander heran, wollten wohl gern Händchen halten, aber etwas hielt sie davon ab.
      “Passieren hier jeden Tag so niedliche Dinge?”, wollte die Schwedin sogleich neugierig wissen, “Wenn ja, muss ich eindeutig öfter vorbeikommen.”
      “Nein, leider nicht, das ist eher die Ausnahme”, entgegnete ich, “Aber du bist dennoch jederzeit willkommen.” Erst jetzt bemerkte ich, dass neben Lars und Vriska noch etwas fehlte, der Hund. Treudoof wie so ein Welpe war, musste Nivi mit den beiden und Dog verschwunden sein. Darum hätte ich mir im Normalfall auch recht wenig Gedanken gemacht, doch ich schätzte, meine Schwester wäre mit dankbar, wenn ich nicht gleich ihren Hund verlor. Ich pfiff einmal und tatsächlich kam wenig später ein zimtbraunes Hundebaby mit wehenden Ohren angerannt.
      “Oh, wer ist denn die kleine Maus, ist es deine? ”, sprach Enya erfreut und hockte sich zu dem Hund, der aufgeregt mit dem Hinterteil wackelte.
      “Nein, Nivi gehört meiner Schwester”, erklärte ich lächelnd, “zwei Pferde sind fürs Erste genug Haustiere.” Der Welpe war mittlerweile unter ihren Händen umgefallen und bot genüsslich den kleinen rosa Bauch dar.
      „Ja, gut, da magst du wohl recht haben, zumal hier auch ausreichend Hunde umherspringen", nickte sie verständnisvoll. Einen Augenblick lang kraulte sie noch den Hund, bevor wir uns schließlich aufmachten, die beiden Hengste vom Paddock zu holen.
      „Deine Schwester ist also schon da, nehme ich an?", regte die große Blonde interessiert ein Gespräch an, während wir durch den hohen Schnee stiefelten.
      „Genau, gestern angekommen. Hat dein Freund das etwa nicht erzählt?“, fragte ich leicht verwundert nach. Für gewöhnlich kommuniziert Samu recht viel und scheute nur selten davor Informationen nicht für sich zu behalten, sofern man ihn nicht anderweitig instruiert.
      Enya lachte herzlich: „Nein, den müsst ihr ganz schön gefordert haben. Samu kam nach Hause und ist gewissermaßen sofort ins Bett gefallen. Richtig niedlich, wie ein Teenie, der das erste Mal lange aus war.“ Niedlich, es war gestern zwar noch ziemlich spät geworden, aber etwas wirklich Anstrengendes hatten wir nicht gemacht. Dafür war mit bereits gestern früh aufgefallen, dass mein bester Freund ziemlich müder wirkte, aber mit der Sprache rausrücken, wollte, was er des Nächsten getrieben hatte.
      „Ich glaube, nicht, dass der gestrige Abend daran schuld ist", feixte ich und griff nach dem Halfter, die an einem Haken neben dem Tor hingen. Enya schmunzelte nur verschwiegen, ein Zeichen, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. Suchend glitten meine Augen über die Pferdeleiber, die gegen die Kälte zusammen gedrängt zusammenstanden. Legolas entdeckte ich schnell. Entspannt dösen stand er zwischen zwei braunen, doch mein Hengst schien unsichtbar. Nein, Stopp …
      „Na, der sieht wieder großartig aus", seufzte ich, als ich ihn schließlich doch entdeckte. Natürlich war der eigentliche weiße Hengst, mal wieder der dreckigste von allen. Einzig die Stirnseite seines Kopfes war nicht mit Schlamm bedeckt und ließ die eigentliche Farbe erahnen.
      “Wie gut, dass ich Zeit mitgebracht habe”, grinste meine Begleitung, “zusammen bekommen wir den schon wieder sauber.” Ihn sauber zu bekommen stand weniger infrage, immerhin funktionierte der Wasserschlauch auch im Winter, aber Ivy würde bis morgen doch niemals sauber bleiben.
      “Danke, dafür wird Lego sicher schnell gehen mit seiner Decke”, bedankte ich mich für das Hilfsangebot und schlüpfte durch den Zaun in das Gatter. Treudoof kam das Schlammmonster bereits an getrottet und drückte mir freundlich die Schnauze ins Gesicht. Während ich warte, bis auch Enya den Hengst ihres Freundes geholt hatte, versuchte Ivy sich einige Leckerlis zu erschleichen, indem er sämtliche Tricks, die er könnte, unaufgefordert vorführte. Natürlich erreichte er damit nicht sein Ziel. Denn auch wenn er niedlich war, hatte er in den letzten Wochen doch ein wenig Speck angesetzt, weshalb ich ein wenig genauer darauf achtete, wie viel er zu fressen bekam.
      „Du kannst Lego erst einmal in die freie Box stellen, dann muss er nicht die ganze Zeit auf dem Putzplatz warten, bis Ivy sauber ist", sprach ich zu Enya, als wir im Stall ankamen. Sie nickte und entließ den Hengst, der sich unmittelbar seinem Boxennachbarn widmete. Brummeln erklang, ein kurzes Quietschen und dann kehrte wieder Ruhe ein. Meinen Freiberger hingegen stellte ich direkt in die Waschbucht. Mit einer Bürste brauchte ich in seinem Zustand gar nicht erst anzufangen. Jacke und Pulli legte ich in weiser Voraussicht zur Seite und wies auch Enya an, sicherheitshalber etwas Abstand zu bewahren. Divine besaß das meistens eher unerwünschte Talent alles binnen Sekunden zu überfluten und dabei war es egal, ob das Wasser aus einem Eimer oder einem Schlauch stammte.
      Wie immer genehmigte der Hengst sich zuallererst einen ausgiebigen Schluck Wasser aus dem Schlauch, dabei biss er in den Strahl und schüttelte mit dem Kopf, wodurch die Wassertropfen in alle Richtungen flogen. Erst danach durfte ich das Wasser auf sein Fell richten. Schlammige Wassermassen, ähnlich denen in Afrikas Regenzeit, rannen durch das dichte Fell und legten allmählich die darunterliegende Farbe frei.
      “Enya, könntest du mir bitte etwas aus der Sattelkammer holen? Irgendwo im Schrank müsste eine Flasche Schimmelshampoo stehen”, bat ich Enya, die an die Wand gelehnt auf ihrem Handy herumtippte. Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, würde ich sagen, ihr Freund war mittlerweile erwacht.
      “Na klar, bin gleich zurück”, entgegnete sie und tippte im Gehen weiterhin fleißig in ihr Handy. Es wirkte beinahe so intensiv, wie Vriska, als sie noch mit dem Unbekannten alias Erik schrieb. Was Samu wohl für offenbar hochinteressante Nachrichten senden mochte? Niedliche Morgengrüße oder doch eher Nachrichten der anderen Art?
      Noch bevor ich mir die Inhalte genauer ausmalen konnte, kehrt die große Blondine mit dem Wundermittel zurück.
      “Du hast ja ganz schön teures Zeug für dein Pferd”, stellte sie fest und reichte mir die Flasche. Neugierig schnupperte Ivy an dem Plastik, schnappte in den Deckel, ließ aber relativ schnell, davon ab, als er feststellte, dass es nicht essbar war.
      “Wie auch immer er das anstellte, findet er immer den hartnäckigsten Dreck, da ist das leider notwendig”, erklärte ich und verteilte die lila Flüssigkeit auf Ivys Rücken, “Aber wenn man es genau nimmt ist das auch eigentlich Smoothies.”
      “Ah, verstehe, das ist dann natürlich ziemlich Geldbeutel schonend”, lachte sie und begann hilfsbereit die andere Seite einzureiben. Bereits nach wenigen Minuten schloss der Freiberger genüsslich die Augen und begann zu dösen, das Wellenessprogramm war offenbar zufriedenstellend. Mit ihrer Hilfe war Divine recht schnell komplett eingeseift und auch wieder ausgewaschen.
      „Dann muss er jetzt nur noch trocken, dann können wir loslegen", sagte ich erfreut. Mähne und Schweif fielen seidig und das Fell erstrahlte wieder in schneeweißen Pracht. Während Enya sich nun daran machte Legolas zu putzen, fette ich meine Hengst auch gleich noch die Hufe. Wenn Beauty-Tag: dann richtig!
      Eine halbe Stunde später stand Divine schließlich trocken und frisiert auf dem Hallensand. Damit ich ihn morgen nicht gleich wieder waschen musste, hatte ich Mähne und Schweif eingeflochten und letzteren ausnahmsweise sogar mal bandagiert. So ordentlich hatte der Hengst, glaube ich, noch nie ausgesehen. Legolas gab ein ähnlich elegantes Bild ab, nur dass er in seiner natürlichen Pracht glänzte. Um den Welpen, der während der ganzen Waschprozedur auf Dogs Decke Platz genommen hatte, im Augen behalten zu können, platzierte ich Nivi samt Decke in der vordere Ecke, wo sie hoffentlich auch sitzen bleiben würde. In aller Ruhe wärmten wir die Pferde auf und bekamen sogar ein paar neugierige Zuschauer. Allerdings schickte ich meine Schwester mit sämtlichen anderen Zuschauen hinfort, bevor wir begannen, den eigentlich Auftritt durchzugehen. Es würde schon unerträglich genug werden, wenn sie am morgigen Tage den Vergleich herstellen konnten, wie plump und ungelenk der junge Freiberger neben dem deutlich erfahrenen Warmblut wirkte. Eventuell hätte ich mich doch für Redo entscheiden sollen, aber für einen Pferdewechsel war es nun auch zu spät. Aktiv und aufmerksam folgte Ivy meinen Anweisungen und, bis auf ein paar Verhaspler, die entstanden, weil ich die Reihenfolge durcheinanderbrachte, lief dieses letzte Training gut. Blieb nur zu hoffen, dass mir morgen nicht dasselbe passierte.

      Drei Stunden später

      Vriska
      „Deine Familie ist da, oder?“, fragte Lars, nach dem ich mit dem Traktor einen neuen Heuballen für die Hengste geholt hatte. Obwohl ich nicht viel mehr tat, als obendrauf zu sitzen, schwitzte ich wie ein Leistungssportler und bereute es kurzzeitig, mit dem Rauchen vor Jahren angefangen zu haben.
      „Ja, wieso?“, versuchte den Zweck seiner Frage zu hinterfragen, aber bekam nicht mehr, als ein verschmitztes Lächeln. Meine Vermutung, dass Madly ihn ausgefragt hatte, verstärkte sich. Ich erzählte ihr indirekt von ihm, nannte nur keinen Namen. Allerdings gab es nicht so viele hübsche Herren auf dem Hof, sodass meine Schwester womöglich schnell herausfand, wen ich meinte. Er verschwand, um das Werkzeug zurückzubringen und ich schwang mich aus dem gepolsterten Sitz des Fahrzeugs.
      Wir hatten alle grundlegenden Aufgaben erledigt und für meine Begleitung standen noch drei Pferde auf dem Trainingsplan. Also lief ich ihm nach, weiterhin zerrissen von kleinen Gewissensbissen. Maxou hatte mich vermisst, so sehr, dass sie sich beinah das Bein brach. Dennoch lag schwer mein Versagen im Magen.
      Nur zwei Einsteller traf ich bei der Arbeit, die mich mit ihren eindringenden Blicken komplett aus dem Konzept brachten. Reiten wurde immer mehr meine Leidenschaft. Dass ich aus so hoher Selbstüberschätzung mich wörtlich aufs falsche Pferde setzte und einfaches Training vergeigte, nagte an mir.
      „Vivi, wird wohl Zeit für den nächsten Schritt“, sagte Lars und drückte mir ein Halfter in die Hand. Instinktiv nahm ich es entgegen, bevor ich überhaupt begriff, was er wollte.
      „Was für ein nächster Schritt? Tut mir leid, aber ich möchte dich nicht Heiraten“, schmunzelte ich. „Zudem ist ein Halfter wahrlich kein guter Ring.“
      „Wie es mir scheint, hatte Lina recht. Du bist ein Scherzvogel“, spiegelte er meine Stimmung, aber entschied sich für einen weiteren Schritt. Langsam kam er näher, so nah, dass der markante Geruch seines Parfüms in meiner Nase kitzelte. Es fühlte sich an, als könnte ich den warmen Atem durch meine Kleidung spüren, aber es war viel mehr mein Blut. Kräftig donnerte das Herz in meiner Brust, wie der Bombenschlag im Kriegsgebiet, das sich Emotionen nannte.
      „Und du bist mir ziemlich aufdringlich heute, oder planst du etwas anderes zu reiten?“, stieg in sein kleines Spiel ein, das ihn nur noch mehr befeuert. Ohne mich zu berühren, schob mich Lars immer dichter an die Wand, um schließlich seine Hand nahe an meinem Kopf abzustürzen. Nur schwer konnte ich den Blick von seinen grünen Augen lösen, die mich lüstern anblitzten.
      „Eigentlich wollte ich mit dir fahren, aber Reiten klingt nach einem Plan.“ Von einem auf den anderen Moment unterbrach sich die Spannung zwischen uns beiden, nur sein freches Grinsen lag noch auf den Lippen. Er hatte seine Hand von der Wand genommen und griff nach meiner, die noch immer das Halfter umklammerte.
      „Was denn jetzt los?“, hakte verunsichert nach.
      „Habe ich doch gesagt, wir gehen Fahren“, wiederholte er, aber ich verstand gar nichts mehr. Widerrede war zwecklos. Dennoch folgte ich ihm flink zu den Boxen. Interessiert lugte Maxou heraus. Laut wieherte sie und als ich weiterlief, begann der Aufstand erneut.
      „Kümmere dich um dein Pony, ich musste vor ein paar Tagen bereits ihre Box reparieren“, merkte Lars scharf an, offenbar hatte sie dafür gesorgt, dass keiner mehr ein Auge schließen konnte. Nickend drehte ich mich um und lief zu ihr. Die Ohren wippten aufmerksam nach vorn, als ich die Hand ganz langsam in ihre Richtung hielt. Wie ein Fisch nippten die Lippen an den Fingerspitzen, als gäbe es etwas Interessantes zu entdecken. Aber ich zögerte, traute mich noch immer nicht, aus eigener Motivation zu ihr vorzudringen. Beinah regungslos stand ich vor der Box, versuchte ich mich für eine der inneren Stimmen zu entscheiden, die einen intensiven Diskurs führten, was passieren sollte.
      Dass jemand von der Seite kam, mit einem Pferd, bemerkte ich zunächst an den angelegten Ohren meiner Stute, dann hörte ich Hufschlag. Augenblick, das klang unrein. Verwirrt drehte ich mich zur Seite, von der Lars mit Plano ankam und einem Eisen in der Hand.
      „Hast du wohl noch einmal Glück gehabt“, scherzte er, offenbar sollte ich den Jungen Hengst nehmen, der alles andere als einfach am Sulky war.
      „Und jetzt?“, hakte ich nach.
      „Ich sage Papa Bescheid, der macht das später wieder an den Huf“, erkläre Lars zuversichtlich und ließ mich den Beschlag an eine geeignete Stelle legen. Entschieden wählte ich die Bank vor seiner Box, offensichtlicher konnte es nicht sein.
      „Dann kann zurück ins Zimmer?“ In Zeitlupe setzte ich einen Fuß nach dem anderen Turm Ausgang, aber er schüttelte entschlossen den Kopf.
      „Fräulein, wir haben noch was zu tun.“ Seine Beharrlichkeit schmeichelte mir zu tief. Ich stoppte in meiner Bewegung, um ihm den Sieg zu überlassen.
      „Nun gut“, ich seufzte, „was hat der werte Herr geplant?“
      Fest entschlossen lief er los, offenbar überzeugt, dass ich ihm blind vertrauen würde. Um ihn diesen Zahn zu ziehen, blieb ich unbewegt an meiner Stelle stehen und betrachtete, wie äußerst elegant er sich den Weg zu den Hengsten bahnte. Aufgeregt wieherte Astronaut in seiner Box, die er aktuell für sich allein hatte. Augenscheinlich war von der großen Pracht an Rennpferden nur noch ein Drittel am Stall verblieben, während der Nachwuchs noch auf der Weide verweilte. Selbst Lotti, in der noch so viel Hoffnung lag, wurde von einem zum anderen Tag Zuchtstute. Bei Nachtschatten gab es ohnehin keine Möglichkeiten mehr für die Rennbahn, dafür war ihr letztes Rennen nicht nur zu lange her, sondern auch problematisch verlaufen. Ein junger Fahrer hatte vor der Ziellinie seinen Hengst nicht im Griff und raste in ihren Wagen. Dieser Schock saß tief bei der sechsjährigen.
      „So macht das kein Spaß. Wenn ich andauernd betteln muss, dann geh bitte“, drehte sich Lars zu mir um.
      „Du sagst mir nicht einmal, welches Pferd, also was soll ich dann tun?“, zertrete ich. Er zuckte mit den Schultern und zeigte zu Lu, der schon die ganze Zeit aus der Box blickte.
      „Der steht unter Linas Pflege“, erklärte ich.
      „Ach so, dann“, wieder überlegte er und sah sich suchend im Stall um. So groß war die Auswahl nicht, da konnte ich nachvollziehen, dass nichts für mich dabei war. „Wunderkind. Der passt zu dir.“
      „Jetzt warte doch mal“, zog ich ihn am Arm zurück, er stoppte. „Ich habe Angst.“
      „Wo vor? Wunderkind schläft doch schon beim Putzen ein“, wunderte Lars sich und drückte die Augenbrauen zusammen.
      „Versagen“, murmelte ich bei gesenktem Kopf.
      „Schau doch mal: Ich bin die ganze Zeit bei dir. Wunderkind ist eine Schlafnase und du schon ein großes Kind. Zu Weihnachten wünsche ich mir so sehr, dass wir durch den Wald fahren.“ Lars stand dicht bei mir, strich mir mit seiner warmen für die Wange. Der Anflug eines Lächelns umspielte meine Lippen. Für einen langen Augenblick sah er mich an und flehende Hitze in seinem Blick, ließ mir den Atem stocken. Obwohl er zuvor nicht einen Hauch von Ablehnung vermittelte, zweifelte ich an seinem Interesse, der Grund lag nah. In meinem Kopf geisterte selbstverständlich noch Erik, den ich mit allerlei Bekanntschaften verdrängte aber am Stall, kam natürlich erlebtes wieder hoch.
      Ich schüttelte mich. Vergangenes war Vergangenheit und der kleine Flirt fühlte sich nach einem Neuanfang an. Zart drückte ich meine Lippen auf seine Wange, ehe ich ihm das Halfter aus der Hand klaute, um den Schecken von dem Paddock zu holen.
      Wunderkind stand in der letzten Ecke im Sand und ich hüpfte zwischen den Pfützen hinweg zu ihm, dicht gefolgt von Shaker, der meine Bewegungen äußerst interessant fand. Er schnupperte wieder an meinem wippenden Dutt, aus dem einige der Dreadlocks herausgerutscht waren. Einmal schnappte er sogar nach einer, bekam einen Schubser von mir. Der Schecke kam mir die fehlenden Meter entgegen und ich zog ihm das Halfter über die Ohren. Den Schopf sortierte ich darüber.
      Im Stall putzte Lars bereits Dustin, der hysterisch begann zu wiehern, als Hufschlag auf dem Beton durch die Halle schallte. Zufrieden grinste die Dunkelhaarige, aber verkniff sich weitere Kommentare. Wieder zögerte ich. Er streckte mir einen Striegel entgegen, mit dem ich im nächsten Augenblick die großen Sandflächen aus dem hellen Fell entfernte. Auf dem Boden zeichnete sich die genaue Position von uns ab. Zum Abschluss kratzte ich die Hufe aus. Lars brachte mir sein Geschirr mit, nach dem Dustin bereits fertig gemacht war. Ungeschickt hob ich einen Lederstriemen nach dem anderen in die Luft, um den Anfang zu finden.
      „Jetzt hilf mir bitte“, stöhnte ich, nach dem er sich vor Lachen bereits krümmte. Den Brustgurt hatte ich kurz als Bauchgurt um den Hengst gelegt, der jeden Handgriff mit sich machen ließ.
      „So schwer ist das doch nicht“, scherzte er und griff mir über die Schulter. Unter seinem Arm wollte ich abtauchen, damit er mehr Platz am Pferd hat, aber er hielt mich davon ab.
      „Sieh richtig hin“, wies Lars mich an. Langsam zeigte er mir noch einmal die richtige Reihenfolge zum Gurten, obwohl ich wusste, wo, was hingehört. Kurzzeitig stoppten meine Gehirnzellen.
      „Ich möchte euch ja ungern stören“, räusperte sich jemand hinter uns, „aber hat einer von euch vielleicht meinen Hund gesehen oder alternativ meine Schwester?“ Als ich mich umblickte, entdeckte ich Juli. Ihr Freund, den sie im Schlepptau hatte, blickte ein wenig skeptisch die Tier in den Boxen an und hielt einen sicheren Abstand zu ihnen.
      „Wart ihr schon im Büro nachschauen?“, fragte Lars und zeigte dabei mit gestrecktem Arm zur ersten Hütte an der Hallenbande. Ich schmiegte ich zur gleichen Zeit näher an ihn heran, es forderte mich undefiniert vor anderen ihm näherzukommen. Er hatte offensichtlich kein Problem damit, sondern drückte mich noch näher an seine breite Brust.
      „Nein, aber dann schaue ich da mal. Danke“, bedankte sie sich freundlich und verschwand schmunzelnd in genannte Richtung.
      „Wollte da etwa jemand die Besitzansprüche verdeutlichen?“, grinste er vertieft in meinen Augen. Auch hing an ihm fest. Was war das nur? Ich konnte mich doch umgehend in den nächsten Typen verlieben, aber das Potenzial dafür strahlte bereits. Es schrie in mir, ihn zu küssen, doch hielt mich zurück.
      „Eventuell, aber komm jetzt, bevor ich es mir anders überlege“, sagte ich entschlossen und lief mit ihm zusammen zur Sattelkammer, um Helm und Brille zu holen.
      „Spritzschutz ist am Wagen?“, überlegte ich laut, als mich das Plastik aus dem Regal entgegenlächelte.
      „An deinem nicht, also nimm lieber mit.“ Er schloss seinen Helm und wechselte noch die Hose. Ich für meinen Teil bevorzugte den Ganzkörperanzug und stieg mit meinen Reitsachen hinein.
      Schritte näherten sich und Linas Schwester tauchte erneut auf
      „Im Büro war sie nicht hab ihr sonst noch eine Idee, wo ich suchen kann?“, fragte sie.
      „Dann kann sie nur bei uns in der Hütte sein“, kam es mir als letzte Idee.
      „Danke, dann euch zwei noch viel Spaß“, sagte sie und verschwand. Komisch, Lina konnte doch nicht vom Schnee verschluckt worden sein? Ich zuckte mit den Schultern und verließ ebenfalls mit Lars die Sattelkammer. Es war erstaunlich, wie schnell er das Chaos beseitigte hatte und man in kurzer Zeit alles fand.
      Zusammen hingen wir die Sulky an. Immerhin musste ich nicht gurten, sondern hatte einen Schraubverschluss, der nur zur Sicherheit festgezurrt wurde. Aber der Herr der Schöpfung konnte natürlich alles. Meine Augen folgten seinen Händen, wie sie galant das Leder durch die Riemen zogen und den Verschluss schlossen. Dustin wippte dabei mit dem Kopf, konnte es kaum abwarten, durchzustarten. Wunderkind hingegen schlief beinah ein, wie Lars es prophezeite. Ich hatte mit dem Schecken kaum zu tun, aber unter Tyrell im Sattel kannte ich ihn als unberechenbares Pferd. Manchmal sprang er verschreckt zur Seite oder hängte sich an den Hintern eines anderen Pferdes im Sand, ließ sich fortan nirgendwo anderes lenken.
      Nacheinander führten wir die Traber aus dem Stall, sprangen im Schritt auf den Sitz und positionierten uns parallel. Spielerisch schnappten sie sich. Zwischendurch sprühte der Schnee nach oben, aber der Schutz an meinem Sulky war zu groß, damit bekam ich zur Abwechslung nichts ab.
      Lars konzentrierte sich auf Dustin, setzte sich streckenweise mehrere Pferdelängen voraus, um dann ihm in der Geduld zu schulden. Nur einmal trabte ich mit, aber entschied im Schritt zu bleiben. Bei fehlendem Beschlag rutschte Wunder mehrmals auf dem nass feuchten Untergrund. Um sich zu halten, gab ich ihm die Leinen und der Hengst balancierte sich von selbst. Im Wald selbst war es beinah still. Nur das Meeresrauschen drang gedämpft zu uns vor und vermischte sich mit dem Rascheln der Hufe im halbhohen Schnee und Matsch.
      „Und? Auf einer Skala von null bis Zehn, wie glücklich bist du?“, bremste Lars Dustin ab und positionierte sich neben uns.
      „Jetzt gerade?“, kurz sah ich zu ihm, „ich denke, dass es eine gute sieben ist.“
      „Sieben? Klingt vielversprechend“, schmunzelte er und zupfte dabei an den Leinen, um Dustin in seinem Grundtempo zu stoppen. Gar nicht zufrieden mit der Situation, tippelte der Braune voran und wippte mit dem Kopf.
      „Ich verstehe nicht, was er heute hat. Wir hatten diese Woche so viele Heats, da müsste er ein Lämmchen sein“, schüttelte Lars mit dem Kopf.
      Ich hob nur die Schultern. Wunderkind war glücklicherweise eins. In gleichmäßigen Schritten setzte er durch den Wald, sah sich bei nahen Geräuschen um und streckte den Kopf. Zwischendrin schnaubte er ab, dann lobte ich ihn. Ehrlich gesagt konnte ich mir nur schwer vorstellen, warum Lars so sehr mich am Pferd sehen wollte, aber er hatte gute Arbeit geleistet.
      Im Stall begegneten wir tatsächlich mehreren Einstellern, unter anderem einer Mädchen, die kichernd neben meiner Schwester saß. Obwohl es offenbar Kommunikationsschwierigkeiten gab, waren sie sich einer Sache sicher: Lars ist verdammt heiß. Dem konnte ich nichts entgegensetzen, aber sie, mich komplett ausblendeten, lag mir schwer im Magen. Zumindest Madly sollte dahinter gestiegen sein, aber hing mit jedem Blick an dem jungen Herren neben mir. Es wurde erst ruhiger, als ich mit ihm das Equipment in die Kammer brachte.
      „Das geht seit Wochen so. Egal, wo ich bin, alles tuschelt um mich herum, anstelle mich ansprechen“, sprach er umgehend das Thema an.
      „Mh“, brummte ich nur.
      „Was denn los?“, fragte er verärgert.
      „Du siehst nun mal umwerfend aus und das fällt als Erstes auf. Dass du zudem auch noch ein Lexikon über Pferdewissen hast, können sie nicht wissen, weil du bereits auf dein Aussehen reduziert wurdest“, zuckte ich unbeeindruckt mit den Schultern. Natürlich schloss ich mich dieser Meinung an, kam jedoch schon in den Genuss von mehr. Auch in Anbetracht an den heutigen Arbeitstag.
      „Aha?“, niedlich zuckte ein Lächeln auf seinen Lippen. Möglichst neutral versuchte er meine Aussage anzunehmen, aber das bewusst einen Schritt auf ihn zu machte, brachte ihn aus dem Konzept. Lars setzte zurück, stolperte über einen Eimer und landete auf dem Boden. Zuvor griff er nach meiner Hand, um mich mit sich in den Abgrund zu ziehen. Ungünstig landete ich auf ihm, doch er richtete mich direkt richtig, dass ich auf seinem Unterleib saß. Neben uns polterten mehrere Gurte auf den Boden, die einen höllischen Lärm verursachten. Aber ich wurde umgehend abgelenkt. Seine Händen strichen verführerisch über meine Oberschenkel. Überall in mir zuckte es, zerrend verbreitete sich Wärme vom Bauch aus. Ich schenkte ihm ein verträumtes Lächeln. Hundegebell erklang und just im selben Augenblick tapste ein Hundekind herein. Aufgeregt rotierte die Rute des Tieres durch die Luft und sie schnupperte an uns. Lange dauerte es nicht, bis dem Hund auch noch menschliche Schritte folgten.
      “Alles in Ord …”, setzte Lina bei Betreten der Hütte eine Frage an, brach allerdings ab, als sie uns auf dem Boden entdeckte. Stattdessen begann sie breit zu grinsen: “Ich sehe schon, ich brauche nicht weiter zu fragen.”
      Lars' Hände waren mittlerweile an meine Hüfte gewandert und wir starrten einander nur an. Peinlich berührt durch ihre plötzliche Erscheinung legte sich ein intensives Rot auf meine Haut.
      „Ähm“, stammelte ich unsicher, „das ist aus Versehen passiert.“
      Synchron begannen beide zu lachen.
      „Jetzt tu doch nicht so“, richtete sich Lars etwas auf. Ich spürte seine eindringenden Blicke auf mich, als würde er etwas erwarten. Noch mehr fehlten mir die Worte.
      “Ach, alles gut”, schmunzelte sie noch immer, “macht doch, was ihr wollt. Aber wenn ihr dabei allein bleiben wollt, solltet ihr das nächste Mal vielleicht weniger Lärm machen.”
      „Ich wollte gar nichts!“, versuchte ich mich zu verteidigen, nicht einfach. Endlich ließ er seine Hände von mir und konnte aufstehen. Neben Lina standen bereits die großen Eimer, voll mit drei Maß Hafer und verschiedener Kräuter. Zusätzlich bekam Dustin noch etwas für seine Gelenke.
      “Okay, du bist ein willenloses Wesen, ganz ohne Hintergedanken”, nickte sie, bemüht, das Schmunzeln zurückzudrängen. Der Welpe erkundete mittlerweile die heruntergefallenen Gegenstände, schlüpfte unter den unterschiedlichsten Strängen hindurch, kletterte darüber und begann dabei alles noch ein wenig mehr durcheinanderzubringen.
      “Heißt der Zweite da, dass du auch am Pferd warst oder kann Lars mittlerweile zwei Pferde zugleich trainieren?”, kam Lina nun auf ein anderes Thema zu sprechen.
      „Tatsächlich ist sie gefahren“, ergriff er beherzt das Wort und befreite die Geschirrunterlage vom Welpen, der versuchte an einem der Gurte zu ziehen. Auch ich bückte mich zu den Trensen herunter, die zuvor auf dem Bock lagen.
      “Oh, schön. Das ist ja schon ein großer Schritt in die richtige Richtung”, lächelte sie.
      „Da kommt noch mehr“, munkelte der Herr und reichte mir die andere Trense. Weiterhin versuchte ich mich aus dem Gespräch fernzuhalten. Andere trafen bessere Entscheidungen für mich, langsam sah ich diese Tatsache ein. Nacheinander hängte ich das Leder weg und damit waren wir fertig.
      “Du willst sie doch nicht etwa heute auch direkt auf Pferd setzen?”, hakte sie von Neugierde erfüllt nach. Frech huschte ein Lächeln über seine Lippen.
      „Das vielleicht auch“, feixte er.
      “Ich frage mal lieber nicht weiter”, lächelte sie irritiert, mehr, als sei es eine Übersprunghandlung und holte mit einer Geste Nivi zu sich, die gerade den nächsten Gegenstand als Spielzeug erwählen wollte.
      „Das“, betonte ich seine Anspielung ebenso zweideutig wie er, „bedarf mehr als deine Entscheidung. Ich muss schließlich meine Familie ertragen.“ Zusammen lachten wir und liefen mit den Eimern heraus. Vorsorglich schloss Lars die Tür, um den übermütigen Hund rauszuhalten.
      „Kommst du mit?“, fragte ich im Anschluss Lina, die nicht sonderlich beschäftigt wirkte. Vermutlich die Ruhe vor dem Sturm.
      “Jap, schließlich muss noch ein wenig Zeit Tod geschlagen werden”, nickte sie und folgte uns, während das kleine Fellknäuel mit Vollgas an uns vorbeischoss.
      „Wann fängt es denn bei euch an?“, informierte Lars sich. Aus meiner Hand nahm dem grünen Eimer für Dustin. Gierig drückte er den Kopf voran, um so schnell wie möglich sein Futter zu haben, aber er ließ sich Zeit.
      “Also Samu wollte mit seiner Familie so zwischen sechs und sieben hier auftauchen, aber seine Freundin samt Familie kommen ein wenig später, weil sie noch in die Messe gehen”, gab Lina Auskunft über die Pläne. Dann setzte er direkt fort, nur ich verschwand aus der Situation. Wunderkind hatte seinen vollen Eimer einige Meter entfernt vollständig aufgefressen, durfte damit zurück zu den anderen Jungs. Bei meiner Rückkehr standen die beiden noch immer da, vertieft über Erzählungen über die Feiertag. Kaum hatte ich mich verabschiedet, nahte Bedrohung von vorn. Meine Schwester und Mutter gefolgt mit Harlen kam auf uns zu. In der Hoffnung, dass sie mich nicht bemerkten, versteckte ich mich hinter Lars.
      „Was wird das?“, flüsterte er mir zu.
      „Ich hasse Weihnachten und verstehe nicht, wieso die das so ernst nehmen.“ Doch es war zu spät. Mein Bruder erspähte mich mit seinen Adleraugen, während Madly ihm immer wieder etwas Trällerndes auf dem Handy zeigte.
      „Hier steckst du“, lächelte Mama, „aber wie siehst du denn aus.“
      Auf der Hose waren vom Matsch einige Spritzer, so auch auf den Stiefeln. Meine Hofjacke hatte freilich bessere Zeiten erlebt, aber Arbeitskleidung durfte dreckig werden. Dafür gab es Waschmaschinen.
      „Es tut mir leid. Ich werde mich umziehen gehen“, duckte ich mich weg.
      „Schon gut, aber beim nächsten Mal“, es wird kein nächstes Mal geben, dachte ich insgeheim, „achtest du bitte darauf. Was sollen die Leute denken?“, appellierte sie. Ja, genau. Was sollten die Leute nur denken von der Gestörten am Hof. Ganz kritisch.
      Harlen nahm ihren Arm in den Haken und lief weiter. Auf meinen Lippen formte ich ein Danke, damit blieb nur Madly, die auch sofort zu Lina tigerte.
      „Hey, ich bin Vivis Schwester, aber in cool. Hast du einen Führerschein?“, charmant wie immer. Tatsächlich packte sie das Handy für einen Augenblick zur Seite.
      “Oh cool, Vorstellungsrunde, jeder sagt eine Sache, für die er qualifizierter ist”, sprach sie. Offenbar schien sie Madly nicht wirklich ernst zu nehmen.
      “Ich bin Lina und ja, ich habe einen Führerschein”, wandelte sie die Unhöflichkeit der kleinen Nervensäge in eine pädagogische Übung.
      „Ich bin Lars, und“, er überlegte ziemlich lange, mir fielen direkt mehrere Sachen ein, für die er qualifiziert war, aber er schwieg.
      „Und du bist heiß, ja wissen wir“, rollte Madly mit den Augen. Vorhin schien ihr das noch essenziell, das Leben der jungen Generation war wirklich kurz.
      „Aber gut, Lina. Kannst du mich hier wegbringen? Alle weigern sich, aber ich ertrage das nicht. Es riecht eklig und Internet gibt es auch nicht“, jammerte sie.
      “Könnte ich wohl, aber ehrlich gesagt steht das heute nicht auf meiner Agenda. Was das Internet angeht, das ist Mitarbeiter und Einsteller vorbehalten. Aber ich könnte mir vorstellen, dass deine Geschwister in dem Fall wohl möglich eine Ausnahme machen könnten”, sagte Lina äußerst diplomatisch und unbeeindruckt von ihrem Gezeter. Madly gegenüber schien die Brünette auf einmal eine Selbstsicherheit an den Tag zu legen, die sie sonst nicht aufzubringen vermochte.
      „Findest du nicht auch, dass ich etwas aufgemuntert werden sollte, nach so einer Frechheit?“, flüsterte mir Lars gleichzeitig zu.
      „Vielleicht, aber da kann ich dir vermutlich nicht helfen“, sprach ich genauso leise und schmiegte mich wieder eng an ihm. Obwohl mir jegliche Feiertage ein Dorn im Auge waren, lag etwas Magisches in der Luft, das mich immer wieder zu ihm zog. Er war daran auch nicht ganz unbeteiligt und schien meine Nähe geradezu zu genießen. Seinen Arm legte er an meinen Rücken, um mich noch enger zu halten.
      „Das wäre schon unfair“, merkte ich schließlich an, „ich habe nicht einmal mein Handy wiederbekommen.“
      „Du bist alt. Was willst du auch damit?“, konnte meine Schwester sich offenbar nicht zügeln. „Außerdem solltest du das nachher wieder bekommen, aber ich sage jetzt Mama, dass du frech warst.“ Madly schnaubte noch mal und rannte aus dem Stall. Ihre kleinen Absätze klackerten auffällig auf dem Beton, dann ertönte Stöhnen und Beschwerde über das matschige Wetter – Als wäre London so viel trockener!

      Am Abend …

      Lina
      “Lina, du solltest mal langsam fertig werden, Samu hat schon vor zehn Minuten geschrieben, dass sie gleich da sind”, kam meine Schwester mit meinem Handy in der Hand ins Bad marschiert, “Ach, und dein Freund hat etwas geschrieben.”
      “Jaaaa, ich bin ja gleich fertig”, entgegnete ich und zupfte die letzten Haarsträhnen zurecht, “und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du deine neugierigen Augen aus meinen Nachrichten lässt.” Ich kannte meine Schwester, vor ihr war wirklich nichts sicher, so hatte sie mit Sicherheit auch bereits mein Zimmer und die komplette Hütte auf den Kopf gestellt.
      “Schätzchen, ich habe doch schon alles gesehen. Ich glaube kaum, dass man da etwas finden könnte, was mich noch schockiert”, feixte Juli. Noch bevor meine Schwester das Thema vertiefen konnte, hörte ich es an der Tür klopfen. Eilig lief ich zu der Glastür und öffnete diese.
      “Schön, dass ihr da seid, kommt doch rein”, lächelte ich freudig. Nacheinander begrüßte ich erst Samus Eltern, dann seine Brüder und mit Samu bildete seine Schwester das Schlusslicht. Natürlich kam auch ihm eine gebührende Begrüßung zu, die von Eevi allerdings ziemlich schnell unterbrochen wurde.
      “Lina, ich habe dich so lange schon nicht mehr gesehen”, sprach sie höchst erfreut, schob ihren Bruder bei Seite und zog mich in eine Umarmung, die mir beinahe die gesamte Luft aus der Luge, drückte.
      “Schwesterchen, du solltest Lina schon am Leben lassen”, lachte dieser.
      “Sei du mal ruhig, du siehst sie auch ständig. Das verstehst du nicht”, beschwerte sie sich sogleich bei ihrem Bruder, lockerte aber tatsächlich ihren Griff.
      “Klar, ich bin auch nur ein Kerl. Ich kann das gar nicht verstehen”, scherzte er selbstironisch, verschwand aber schließlich, um Juli zu begrüßen.
      “Lina, Schätzchen, lass dich mal ansehen”, richtete Eevi das Wort wieder an mich und drehte mich einmal um dreihundertsechzig Grad, “Du bist ja eine richtig hübsche junge Frau geworden. Ich bin begeistert!” Sicher würde man sich an dieser Stelle fragen, wieso sie sprach wie eine Oma, die ihr Enkelkind mehrere Jahre nicht gesehen hatte. Na ja, weil es nicht ganz so weit von der Wahrheit entfernt war. Meine Oma war sie natürlich nicht, aber letzteres traf zu. Die letzte Begegnung dürfte zu Schulzeit gewesen sein.
      “Danke, aber komm doch erst einmal richtig rein”, lächelte ich und versuchte sie zum Weitergehen zu bewegen, damit ich endlich die Tür wieder schließen konnte.
      “Na, wer ist denn das niedliche Ding?” Eevi hatte Dog entdeckt, der geweckt durch den Trubel von seinem Kissen aufgestanden war und nun durch die Gegend taumelte. Nivi hingegen sprang wie ein Flummi durch die Gegend, dabei war sie den ganzen Tag lang mitgelaufen. Dieser Hund hatte echt einen enormen Energievorrat.
      “Das ist Dog, der Hund meiner Mitbewohnerin”, erklärte ich, bevor ich zu Samu weiterlief, der an der Küchenzeile, schon einmal das Nahrungsangebot begutachtete.
      “So hungrig, füttert deine Freundin dich nicht gut zu Hause”, feixte ich und stieß ihm die Finger spielerisch in die Seite.
      “Doch, das heißt, wenn sie denn zu Hause ist”, lacht Samu, “aber das sieht wirklich vorzüglich aus, was du da vorbereitet hast.” Gierig wollte er schon seine Finger in eine der Schüssel stecken, was ich mit einem Stoß gegen seinen Arm quittierte.
      “Finger weg, aber den Dank musst du an Taavi und Juli richten. Die zwei haben den halben Tag lang gezaubert”, sprach ich und versuchte den Blonden in Richtung des Tisches zu schieben. Natürlich konnte ich nichts gegen seine gut trainierte Körpermasse aussetzen.
      “Du darfst dich darauf stürzen, sobald alle da sind”, probierte ich meiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen.
      “Nicht nett, dass du mich verhungern lässt”, schmollte dieser und verschränkte die Arme vor der Brust. Dennoch entging mir das Zucken in seinen Mundwinkeln nicht.
      “Du verhungerst in einer halben Stunde, aber bevor das passiert, hier”, sprach ich und drückte ihm eine Schale mit Plätzchen in die Hand. Samu schaute nicht schlecht, als er liebevoll verzierten Rentiere, Pferdchen und was mir sonst noch so an Ausstechern in die Hände gefallen war, in der Schüssel sah.
      “Lina, du hast dir viel zu viel Mühe gegeben Essen zu verzieren”, stellte er fest, begab sich aber dennoch endlich zum Tisch. Auch ich begab mich zu einem freien Stuhl zwischen seiner Schwester und Anni, seiner Mutter. Kaum hatte ich mich gesetzt, überfiel sie mich mit einer Frage: “Ich hörte gerade, du hast einen Freund, wie ist der so?” Dass diese Frage jetzt erst kam, verwunderte ich schon ein wenig. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie mit ihren Fragen so lange an sich halten konnte.
      “Niklas ist charmant, unheimlich klug, sieht gut aus …”, lächelte ich zurückhaltend. Nicht dass es mir peinlich war über meinen Freund zu sprechen, doch ich hatte das Gefühl gegenüber Samus Eltern die Worte ein wenig bedacht auswählen zu müssen.
      “Mensch Lina, jetzt untertreib mal nicht, dein Freund ist absolut heiß”, grätschte meine Schwester nun dazwischen. Taavi schien dieser Kommentar weniger zu gefallen, denn er legte ihr unmittelbar die Hand aufs Bein, als stiller Appell, dass sie bereits vergeben war.
      “Juliette”, empörte ich mich, während mir die Röte in die Wagen stieg.
      “Und wo hast du den heißen Niklas versteckt? Wird man den heute noch kennenlernen?”, schmunzelte die Blonde mit funkelnden Augen.
      “Nicht hier, er hat familiäre Verpflichtungen, aber morgen kommt er”, versuchte ich ihre Neugierde zu stillen. Bereits jetzt war sie mir ein wenig zu aufdringlich, zumal seit Julis Einwurf auch Samus Eltern hellhörig geworden waren. Einzig Niila und Joona schien das ganze wenig zu interessieren, denn diese hatten sich mit ihrem Bruder in eine hitzige Diskussion über das letzte Spiel des HIFK vertieft.
      “Wirklich bedauernswert, ich würde zu gerne sehen, wer dich in dieses Land entführt, hat”, entgegnete Eevi schon beinahe vorwurfsvoll, ”Aber dann möchte ich wenigstens Bilder sehen.” Während ich für Eevi ein paar Bilder heraussuchte, stand Juli auf und lief zu der Küchenzeile.
      “Damit du mal ein wenig redseliger wirst”, kicherte sie mir ins Ohr und schenkte mir ein Glas aus der grünen Flasche ein, bevor sie auch den Rest daraus anbot.
      In den folgenden zwanzig Minuten musste ich Eevi zahlreiche Fragen beantworten, wobei sie durch die schalkhaften Kommentierung meiner Schwester auch noch angefeuert wurde. Vorübergehend erlöst wurde erst als Samus Freundin endlich eintraf.
      Bereitwillig lief Samu zur Tür, um den Nachzüglern Einlass zu gewähren. Enya, die ich sonst nur im Alltagslook kannte, hatte eine wahrhafte Verwandlung durchgemacht. Engelsgleich erschein sie in einem schlichten weißen Kleid, welches ihrer außerordentlich schönen Figur schmeichelte und ihr goldblondes Haar fiel in leichten Wellen über ihre Schultern.
      “Warum hast du denn nicht erzählt, dass mein Bruder so eine hübsche Freundin hat”, tuschelte Eevi mir leise zu, während mein bester Freund, ganz der Gentleman, den neuen Gästen die Jacken abnahm.
      “Du hast mich ja kaum zu Wort kommen lassen”, entgegnete ich wahrheitsgemäß. Bevor sie noch etwas entgegnen konnte, kam allerdings ein strahlender Samu mit seiner Schönheit am Arm an den Tisch. Wohlerzogen stellte er Enya zuerst seinen Eltern vor, bevor sich die gesamte Familie Bäcklund auf die verbliebenen Plätze begab.
      “Wo jetzt alle da sind, möchte ich euch noch einmal herzlich willkommen heiße. Danke, dass ihr alle, den weiten Weg nach hier draußen auf euch genommen habt, um heute hier zu sein. Viel länger möchte ich euch auch nicht mehr vollquatschen. Somit God Jul und guten Appetit”, richtete ich meine Worte an die versammelte Menge und gab damit das Buffet frei. Frohsinn lag in der Luft und durchströmte auch mich. Über die Gespräche beim Essen konnte ich eine Menge neuer Informationen über die Geschehnisse in der Heimat erlangen, während Eevi damit beschäftigt war, der Freundin ihres Bruders auf den Zahn zu fühlen. Exponentiell zu den sich leerenden Weinflaschen stieg die Stimmung in dem Raum und die Gespräche wurden ausgelassener. Ich folgte gerade einer interessanten Erzählung von Enya über einen komplizierten, aber unheimlich interessanten Fall von Lahmheit in der Klinik, als das Smartphone in meiner Hosentasche keine Ruhe mehr geben wollte. Zahlreiche Benachrichtigungen ploppten auf dem Bildschirm auf, die ich grob überflog. Ein paar Weihnachtsgrüße von Alec, Quinn, auch Mateo hatte mir geschrieben. Der junge Mann, der seit Kiel zum Team gehörte, verbrachte die Feiertage bei seiner Schwester, die nicht unweit von Högsby einen kleinen Hof hatte.
      „Schöni Weihnacht wünsch ich dir”, schrieb er in dem komischen Dialekt, den er deutsch nannte. Wirklich seltsam waren diese Schweizer. Anbei sendete er noch einige Bilder von den Pferden seiner Schwestern, die einige wunderschöne Freiberger besaß. Ein prächtiger Schimmel trat besonders auffällig zwischen den restlichen Tieren hervor, der von der Statur her sicher ein Hengst sein mochte. Niedlich von Mateo, dass er an meine Passion für diese seltene Rasse dachte.
      Ich scrollte weiter durch meine Nachrichten, stockte, als ich einen Namen las, der schon lange nicht mehr dort aufgetaucht war, genauer gesagt seit über vier Monaten nicht mehr. Mit dem Verlassen des Whitehorse Creek Stud, brachte ich nicht nur eine räumliche Distanz zwischen uns. Zu verwirrend waren meine Gefühle noch gewesen und zu frisch die Erinnerungen an ganz neue Seiten, die dieser Sommer ans Tageslicht gefördert hatte. Doch mir war auch nicht entgangen, dass Jace das nicht so einfach akzeptierte. Jeden einzelnen meiner Social Media Post hatte er gelikte, sogar eines der Bilder mit Niklas. Das kam mir äußerst seltsam vor, immerhin sprachen wir noch immer von dem Kerl, der meinem Freund die Nase brach. Und dass, obwohl Niklas in dem Moment nicht mehr getan hatte als nett zu sein. Wie auch schon Jace Kommentierungen auf Instagram ignorierte ich ebenfalls seine Nachricht. Ich fühlte mich nicht bereit, mich mit ihm auseinanderzusetzen, erst recht nicht an diesem Festtag. Stattdessen sendete ich meinen anderen ehemaligen Kollegen Weihnachtsgrüße zurück.
      „Na wer beschäftigt dich so intensiv?“, fragte Eevi bei der meine Aktivität an dem Gerät nicht unbemerkt geblieben war, “Dein heißer Polizist?” Vom Alkohol aufgeputscht kicherte sie wie eine zwölfjährige. Im Allgemeinen schien die Stimmung erheblich vom Alkohol beeinflusst. Niila und Joona führten mit Enyas Vater einen angetretenen Fachdiskurs über Motoren oder Ähnliches, wohingegen Juliett ihre Finger nicht bei sich behalten konnte und fortwährend ihren Freund betatschte. Samus Mutter hingegen brachte zahlreiche Anekdoten ihrer Kinder zu besten, von denen sich Enya offenbar gut unterhalten fühlte, zumindest, solang ihre Mutter keine Geschichte ihrerseits dazu beisteuerte.
      “Wenn es so wäre?”, stellte ich mit einem verwegenen Grinsen eine Gegenfrage.
      “Dann könntest du ihn ja fragen, ob er nicht vielleicht doch herkommt”, schlug die Blonde schmunzelnd vor.
      “Ach, das schaffst du doch sicher nicht, dass er jetzt noch kommt”, warf meine Schwester plötzlich ein. Klar, dass sie bei diesem Thema augenblicklich hellhörig wurde, auch wenn sie für gewöhnlich weniger angriffslustig war. Vermutlich war es der Alkohol, der mir zu Kopf gestiegen war, der dafür sorgte, dass ich ihr augenblicklich widersprach.
      “Natürlich bekomme ich Niki her. Ist doch ein Kinderspiel mit den richtigen Worten”, entgegnete ich selbstsicher. Es war eindeutig der Wein, der aus mir sprach. In der Regel war es eher das Gegenteil von einfach den viel beschäftigten Mann herzubekommen, wenn er nicht ohnehin schon kommen wollte.
      Jedenfalls ergriffen meine von Überzeugung getriebenen Finger erneut das Mobilgerät und tippten in Lichtgeschwindigkeit auf dem leuchtenden Bildschirm herum. Kaum hatte ich die Buchstaben in das weltweite Netz entsendet, änderte sich der Onlinestatus. Auch fing er sogleich zu schreiben an, sodass wenig später ein einziger Satz erschien: “Ich fahre in zehn Minuten los.”

      Vriska
      „Wo willst du hin?“, fragte Mama irritiert, mit dem Weinglas in der Hand, das drohte rote Flecken auf dem hellen Teppich zu hinterlassen.
      „Das habe ich dir vor Stunden schon gesagt“, vorsichtshalber rutschten meine Augen zur Uhr, „ich möchte noch zu Tyrell und Bruce.“
      „Wir sehen uns doch kaum“, jammerte sie auf einem Mal, obwohl sie dazu beitrug, dass ich den Großteil aller Familienfeste seit Jahren mied. Immer wieder hakte sie auf mir herum mit denselben Sprüchen über mein Aussehen, das gipfelte in dem, dass selbst mein so schweigsamer Bruder für mich Partei ergriff.
      Ich schwieg und zog mir meine Jacke über an der Tür.
      „Was willst du überhaupt bei denen? Wir sind deine Familie“, warf Mama mir plötzlich vor, als hätte ich es jemals laut ausgesprochen, dass sie mir egal war.
      „Familie Earle ist auch meine. Sie haben mir durch so schwere Zeiten geholfen und lebe mit ihren, daran ist nichts verwunderlich“, erklärte ich ruhig, obwohl ich innerlich brodelte.
      „Aha.“
      Hinter mir fiel die Tür zu. Kopfschüttelnd lief ich über den gefrorenen Boden und sah schon aus der Ferne das kleiner Feuer, das entfacht wurde. Obwohl meine Schwester bis zum Schluss versucht hatte, Mama davon zu überzeugen, dass ich keinesfalls mein Handy zurückbekommen sollte, hielt ich es in der Hand. Es grauste mir, es tatsächlich anzuschalten. Vermutlich würde Bildschirm vor Überlastung explodieren. Schweren Herzens steckte ich es in die Jackentasche und versuchte Land zu gewinnen.
      Kaum erreichte ich die kleine Runde am Feuer, wurde ich herzlich begrüßt. Mir gegenübersaß ein älterer Herr, der sich sogleich als Lars Vater Bruno vorstellte. Bei Bruce hatte Nour Platz genommen, die ebenfalls zur Familie Alfvén gehörte.
      „Und du bist dann Vriska?“, lächelte Nour und schielte dabei immer wieder zu ihrem Bruder hinüber, der im Schein der Flamme einen hochroten Kopf hatte. In der Hand hielt er ein Bier, wie alle anderen. Auch mir bot man umgehend eins an, offenbar sah ich so aus, als würde, könne ich es gebrauchen.
      „Ja“, sagte ich freundlich. Noch während ich mich nach einem Platz umsah, zog Lars mich zu sich.
      „Wir haben schon viel gehört“, fügte Nour hinzu.
      „Nur Gutes, hoffe ich“, drückte ich einen Standardspruch heraus, aber bekam diverse Dinge in den Kopf, was genau sie meinten könnte. Das bestehende Gespräch setzte sich fort. Tyrell erzählte, dass noch vor dem neuen Jahr eine Stute aus Deutschland kommen würde zum Training. Ihre Chancen seien gut. In der Heimat fuhr sie bereits in Amateurrennen einige Siege ein, aber es fehlte noch viel zum Derby.
      „Hast du dir schon überlegt, wer sie fahren wird?“, funkelten Nours Augen in Tyrells Richtung, der sich hauptsächlich um die Zucht kümmerte. Das Training übergab er Bruno.
      „Wenn du so fragst, kannst du sie gerne übernehmen“, schlug er vor. Nicht, dass es ihm etwas bedeuten würde, wer welches Pferd trainiert, viel mehr war es die Tatsache, dass er die Damen am Hof glücklich sehen wollte.
      „Vriska, wie sieht das bei dir eigentlich im nächsten Jahr aus?“, fragte Tyrell, nach dem ein Schweigen ausbrach. Natürlich hatte ich darüber viel nachgedacht, aber ich wusste es nicht. Nachdem Lina meine größte Sorge bestätigt hatte, verlief sich der Strom in meinem Kopf in den Sand.
      „Ich lasse es auf mich zukommen“, sprach ich zittrig. Lars legte seinen Arm um mich und mein Kopf senkte sich an seine Brust. Sanft drückte er mir einen Kuss an die Haare.
      „Dressur ist damit wieder Geschichte? Erzähl doch mal“, versuchte Tyrell weitere Informationen zu bekommen. Ehrlich gesagt, wusste er kaum etwas. Seitdem ich Erik hatte und den größten Teil damit verbrachte, ihn zu vermissen, allein in der Hütte, mied ich den Kontakt zu allen Beteiligten. Aber ich vermisste die kleinen Runden, jeden Tag.
      „Lubi soll so gut wie verkauft sein, also fällt die Saison für mich weg. Aber ich drücke mich auch davor, mein Handy anzumachen“, gab ich offen zu.
      „Fahri hat leider einen Sehnenschaden, sonst hättest du den nehmen können. Demnächst kommt noch ein Hengst in den Beritt, der auch auf Turnieren gehen soll“, schlug er vor. Ich zuckte mit den Schultern. Es war mir zu viel, nicht einmal richtig angekommen, fühlte ich mich.
      „Ich hatte ihr Osvo angeboten“, richtete Lars an seinen Vater. Dieser war sich unsicher. Einerseits hielt er die Stute als zu unerfahren und gleichzeitig für zu alt. Glücklicherweise erklärte Tyrell ihm einiges und ein reges Gespräch entstand. Osvo stammt aus einer Linie von erfolgreichen gerittenen Trabern. Seit der Führung von Zuchtbüchern in Amerika, beobachtet man immer häufiger Pferde, die in der Dressur oder Springen erfolgreich Turniere laufen, die auf bestimmte Hengste zurückgehen.
      „Also wenn das so ist“, Bruno nahm zur Stärkung einen weiteren Schluck aus seiner Flasche, „dann solltest du auf jeden Fall Osvo nehmen.“ Mich schockierte es, dass keiner von meinem schlechten Ritt Notiz nahm, oder zumindest Zweifel hegte, dass ich überhaupt reiten konnte. Die Vermutung lag nah, dass sie eben so wenig Ahnung vom Dressursport hatten wie ich.
      „Danke, aber ich saß ewig auf keinem Pferd mehr“, murmelte ich und verkroch mich noch tiefer an Lars Schulter, der immer wieder schief zu mir herunter grinste. Währenddessen war seine Hand immer tiefer gewandert, sodass er zufrieden meinen Po hielt.
      „Das lässt sich doch im Handumdrehen ändern“, grinste Tyrell, „ich halte es auch für wichtig, dass du etwas Abstand von Kalmar nimmst. Die Leute dort scheinen Gift zu sein für deine Motivation.“
      Seine Bedenken waren berechtigt. Ähnliches schwebte mir bereits durch die Gedanken, als ich im Flieger hierher saß. Vor allem wollte Abstand von Niklas nehmen, was angesichts der Umstände, allerdings schwierig werden würde.
      „Mal schauen“, antwortete ich trocken. Mit den Worten öffnete ich die nächste Bierflasche, die neben mir im Kasten stand, an der Tischkante und nahm einen kräftigen Schluck. Für alle anderen war auch die nächste Runde angesagt. Die Stimmung wurde zunehmend gelassener. Bruce erzählte von seinem neuen Hengst aus Island, der ausgezeichnetes Potenzial hatte und eine seltene Zuchtlinie im Papier. Außerdem entwickelte sich Kríts Nachwuchs, Spök, ausgezeichnet. Jahrelang hatte er auf den Tag hin gefiebert, dass seine Ausnahmestute einen vielversprechenden Nachkommen bekommt und offenbar hatte er mit der hübschen dunklen Stute mit heller Mähne und großen Abzeichen, einen gefunden. Ich freute mich für ihn, erst recht, endlich mal wieder was von den Fellmonstern zu hören. Gefangen in meinem Kopf, hatte ich meine eigentliche Leidenschaft vollkommen verdrängt.
      „Du weißt doch, Narcissa kannst du dir jederzeit nehmen“, erinnerte er mich daran, dass er mir die Stute angeboten hatte.
      Die Gespräche setzten fort, auch als Tyrell mit seinem Bruder verschwand, um nach einer der Einstellerstuten in der Box zu schauen, die demnächst abfohlen sollte. So saß ich allein mit Familie Alfvén am Feuer, zumindest für einen Wimpernschlag.
      „Wir werden schon mal in die Hütte gehen“, sagte Nour.
      „Ja, mir ist auch kalt“, fügte ihr Vater hinzu.
      Dann standen beide mit einem breiten Grinsen auf. Lars hatte nicht vor, ihnen zu folgen. Er wollte bei mir bleiben. Noch immer lag sein Arm fest um mich und als seine Familie aus der Sichtweite verschwand, hob er mich auf seinen Schoß. Seine Lust verspürte ich schon eine Weile. Immer wieder funkelten seine grünen Augen, ganz glasig durch den Feuerschein, in meine Richtung. Auch in mir war der Funke übergesprungen. In mehreren Wellen überkam mich ein undefinierbares Zucken, das sich wie tausend Ameisen unter der Haut ausbreitete und sich in der Magenregion sammelte.
      „Du weißt, was dir auch jederzeit nehmen kannst?“, spielte er auf Bruce Angebot an, aber meinte natürlich nicht Narcissa damit. Das hätte Lars wohl gern! Ich gab mich blöd und mich am Kinn. Verführerisch zuckten seine Lippen, ohne etwas zu sagen.
      “Nicht wirklich. Bruce Reitschuli oder was möchtest du mir sagen?”, sprach ich nach reiflicher Abwägung, wie viel Kontrolle ich bereit war, abzugeben. Einen kurzen Halm überließ ich ihn, seine Wunsch zu äußern. Aber er setzte diesen in die Tat um. Ungezügelt fasten seine kalten Hände in meine Hose, um das Shirt heraus zu Friemeln. Gleichzeitig setzten seine Lippen auf meine und die Gehirnzellen schalteten auf Autopilot. Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne. Vielmehr überkam es mich mit Glück und Erfüllung und hoffte, dass der stürmische Moment mit ihm gar nicht mehr endete. Aber der frische Wind kletterte wie ein eifriges Äffchen an meinem Unterrücken hinauf, kühlte mich damit in kurzer Zeit herunter.
      “Komm, Drinnen ist wärmer”, flüsterte ich in sein Ohr, stopfte das Shirt zurück und griff seine Hand. Mit großen Schritten zog ich ihn mir nach. Der Weg zur Hütte war kurz und ohne groß darüber nachzudenken, öffnete ich die Haustür. Erschrockene Gesichter blickten uns an. Von einem auf den anderen Augenblick verstummten die Gespräche und eine gähnende Stille legte sich über die Menge. Viele der Anwesenden kannte ich nicht. Langsam schloss ich die Tür hinter mir und begann zu lachen. Sofort setzte auch Linas Schwester ein, die offenbar auch gut dabei war.
      “Tut mir leid für die Störung. Ich bin Vriska, das ist Lars”, erklärte ich kurz.
      “Da lang”, flüsterte ich im nächsten Augenblick dem Kerl neben mir zu, der sich suchend nach dem richtigen Raum umsah. Mit dem Finger deutete ich nach rechts zur geschlossenen Tür, vor der Dog lag und leise mit dem Schwanz aufs Holz klopfte. Lars begrüßte den Hund, aber ich hatte nur die Klinke im Blick. Kaum war sie offen, trabte das gefleckte Wesen hinein und machte sich auf dem Bett breit.
      Geschickt fischten seine Finger nach dem Reißverschluss meiner Jacke, als ich die Tür hinter uns schloss. Er drückte mich an sie und entfernte im Wechsel zu ihm und mir ein Kleidungsstück. Wieder lagen seine wohltuenden Liebkosen auf mir. Das Zittern und Zerren am Körper löste sich wie in Luft auf. Von jemandem begehrt zu werden, fühlte sich befreiend an. Ich spürte das Pochen seines Herzens sehr nah an einem und mit jedem Kleidungsstück, das irgendwo im Zimmer landete, kribbelte es mehr unter der Haut. Schockiert stockte mein Atem, als ich ihn zum ersten Mal in voller Blöße betrachtete. Seine Brust zuckte vergnügt und sein stählerner Bauch, drückte sich immer wieder in den Vordergrund, obwohl als einzige Lichtquelle der kleine Spalt zwischen Tür und Fußboden diente. Ein wohliger und zugleich ängstlicher Schauer durchfuhr mich, aber noch bevor ich mich meiner Angst hingab, legte er seine Hände unter meinen Po und stemmte uns gegen das Holz.
      Der Akt selbst dauerte nur wenige Sekunden, aber war wohl das Beste der letzten Monate, was erleben durfte. Wir verharrten für einen Augenblick, eng umschlugen an der Tür und mir wurde klar, dass wohl auch jeder andere in hörbarer Nähe, davon Notiz genommen hatte.
      “Du warst großartig”, murmelte ich außer Atem, mit meinem Kopf auf seiner kräftigen Schulter abgelegt. Kleine Schweißperlen tropften von seiner Stirn auf meine Brust und als er seinen Mund abermals auf meine presste, schmeckte ich das Salz an einer Zungenspitze.
      “Das höre ich gern.” Lars trug mich vorsichtig auf Bett und beugte sich über mich.
      “Zweite Runde?”, schmunzelte er selbstüberzeugt.
      “Warte, ich habe Durst”, erklärte ich mit trockener Kehle und kletterte zwischen seinen Armen hindurch. Im schlechten Licht suchte ich nach einem Shirt, fand dennoch nur seins, aber dafür eine saubere lange Unterhose. Barfuß huschte ich durch die Tür, versuchte mich möglichst unauffällig an der Maße an Menschen vorbei zu schleichen, was, angesichts der Umstände, unmöglich war. Erst recht aus dem Grund, da Linas Schwester gerade eine neue Weinflasche aus dem Schrank holte.
      “Doch so schlecht, dass du schon wieder da bist?”, gluckste die Brünette, während sie sich an dem Korken zu schaffen machte.
      “Das ist aber lieb”, zog ich spitz die Augenbrauen zusammen und nahm ihr beherzt die Flasche aus der Hand, bevor sie reagieren konnte, setzte ich zu einem beherzten Schluck an. “Aber nein, natürlich nicht.”
      “Hätte mich auch gewundert”, mischte sich plötzlich eine tiefe männliche Stimme ein, die mir, gewiss, bekannt vorkam, “aber was soll man sagen, dumm fickt gut, nicht wahr?”
      Ein tiefes Raunen ging durch die Menge. Glücklicherweise hielt ich die Flasche bereits und setzte sie ein weiteres Mal an.
      „Da kannst du aus Erfahrung sprechen, nicht wahr?“, provozierte ich weiter, obwohl mir im selben Atemzug klar wurde, dass Lina auch noch da war. Flaschi und ich waren jetzt ohnehin schon Freunde, also durfte sie ein weiteres Mal ran. Erst dann drehte ich mich um und Lina lehnte mit hochroten Kopf in ihren Armen auf dem Tisch. Alle anderen Beteiligten lachten, was ich als eher als Übersprungshandlung einschätzte. Ich wäre mir auch unsicher, wie es gemeint war.
      “Wir leiden alle einmal an Geschmacksverirrung und du warst die Größte.” Niklas verschränkte die Arme und lehnte sich weiter in den Stuhl. Das war ein Tiefschlag. Mir blieb der Atem weg und jegliche Begeisterung glitt aus meinen Gesichtszügen. Niemand sagte mehr etwas, sodass die Schritte hinter mir klar ertönten. Eng legte Lars seine Arme über meine Schultern und drückte mich an sich heran.
      “Komm, Kleines. Der hat doch keine Ahnung.” Er gab mir einen seichten Kuss auf die Haare. Der Motor des Lebens kam wieder in Bewegung und ich war froh, dass er mir half. Natürlich nahm er mir meine neue Freundin aus der Hand, um selbst einen Schluck zu nehmen.
      “Der gehört mir”, funkelte ich meine Bekanntschaft an, der ein freches Lächeln auf die Lippen legte. Da ohnehin keiner mehr etwas sagte, liefen wir zurück ins Zimmer, um fortzusetzen, wo wir aufgehört hatten.

      © Mohikanerin, Wolfszeit // 77.570 Zeichen
      zeitliche Einordnung {24. Dezember 2020}
    • Wolfszeit
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      Impftermin | 01. Oktober 2022
      Jokarie, HMJ Holy, Sisko, Úlrik

      Heute stand ein Impftermin für die Pferde auf dem Lindö Dalen Stuteri an. Bepackt mit den Mitteln und allem, was eine solche Massenimpfung benötigte, fuhr ich hinaus auf das abgelegene Gestüt. Auf der Stallgasse erwartete mich bereits Mateo. Offenbar hatte er heute die Tierarztbegeleitung zur Aufgabe erhalten. Seine Freibergerstute wie auch eine dunkle Traberstute standen bereits am Putzplatz. Karie benötigte einzig eine Auffrischung der Herpesimpfung, womit ich schnell durch war. Bei Millennial war ein wenig mehr zu tun. Während ich mit der kooperativen Rappstute beschäftigt war, brachte der junge Mann die Fuchsstute weg und kehrte zurück mit einer rundlichen Tinkerstute, die ein kleines flauschiges Fohlen an ihrer Seite hatten. Das kleine Lebewesen nutze die Zeit der Behandlung, um neugierig die Stallgasse zu erkunden. Überall steckte es seine Nase hinein, nahm Kontakt mit den umstehenden Pferden auf. Nach der dem Gespann aus Mutter und Fohlen, waren noch zwei Hengste dran. Sowohl Sisko, als auch Ùlrik warten artig, womit alles schnell erledigt war.
      © Wolfszeit | 1.068 Zeichen
    • Mohikanerin
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      Gang A zu L
    • Mohikanerin
      Tanz der Eleganz / Dressur A zu L | 30. März 2023

      Aldaire / Úlrik / Héritage du Coeur / PFS’ Disparo de Fiasco



      Die kalte Luft umgab mich, als ich die Tore der Reithalle öffnete und den Geruch von Pferden und Heu in der Luft wahrnahm. Der Winter in Kalmar war hart, aber der Glanz der Dressurwelt ließ die Kälte schnell vergessen. Heute stand eine intensive Trainingseinheit auf dem Plan, und ich konnte die Vorfreude kaum bändigen. Die Reithalle war bereits von anderen Reitern und ihren edlen Begleitern bevölkert, und ich spürte die gespannte Atmosphäre, die den Ort erfüllte.
      Mein Partner für diese Dressurprüfung war Aldaire, ein Braun gefärbter Berberhengst mit einer beeindruckenden Ausstrahlung. Als ich ihn aus der Box führte, spürte ich seine Energie und sein Vertrauen in mich. Er hatte eine bemerkenswerte Geschichte – von einem französischen Berbergestüt stammend, hatte er einst die Distanzwelt erobert, bevor er seinen Platz in meinem Herzen fand. Sein freundlicher Charakter und sein Gespür für meine Anwesenheit machten ihn zu einem unverzichtbaren Partner in der Dressur.
      Die Reithalle erfüllte sich mit Leben, als die anderen Reiter und ihre Pferde sich ebenfalls auf das Training vorbereiteten. Neben Aldaire waren Hèritage du Coeur, ein eleganter Hannoveraner unter der Führung von Raphael, Disparo de Fiasco, ein stolzer Criollo geritten von Lina, und Úlrik, ein ruhiger Isländer im Besitz von Bruce, mit von der Partie. Jeder von ihnen strahlte eine einzigartige Energie aus, die die Atmosphäre mit Spannung erfüllte.
      Unsere Trainerin gab die Anweisungen, und wir begannen unsere Übungen. Mein Fokus lag auf Aldaire, der mit seiner charakteristischen Neugier und seinem Arbeitswillen mein Vertrauen erfüllte. Wir starteten mit einfachen Schritt- und Trabübungen, während ich spürte, wie er unter mir energisch vorwärtsbewegte. Sein trittsicherer Gang verlieh mir ein Gefühl von Stabilität, das in der Dressur von unschätzbarem Wert ist.
      Der Raum schien sich zu verengen, als wir in die ersten Galoppwechsel übergingen. Aldaire reagierte auf meine feinsten Hilfen, und wir tanzten förmlich über die Bahn. Jeder Schritt war eine Symbiose aus seiner kraftvollen Bewegung und meiner Anleitung. Ich konnte die Verbindung zwischen uns spüren – eine Verbindung, die über die Grenzen von Worten und Gedanken hinausging.
      Während unserer Trainingseinheit wechselten wir zwischen verschiedenen Lektionen und Übungen. Die Piaffe, die Passage und die fliegenden Galoppwechsel verlangten von uns Präzision und Harmonie. Ich spürte, wie Aldaire sich in jedem Moment auf mich verließ, während ich meinen Fokus auf unsere Bewegungen und unsere Verbindung richtete.
      Die Zeit verging wie im Flug, und als unsere Trainingseinheit zu Ende ging, war ich erfüllt von einem Gefühl der Zufriedenheit. Aldaire war schweißgebadet, aber sein Auge funkelte vor Stolz und Energie. Wir hatten einen Schritt weiter in Richtung Perfektion gemacht, eine weitere Facette unseres Zusammenspiels erkundet.

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    • Mohikanerin
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      Hufschmied / Großaufträge | 14. April 2023

      Drive me Home Tonight / Eichkatze / Just A Bear
      Hallveig från Atomic / Úlrik / Helix / Elf Dancer / Wo Der Wolf Heult
      Lubumbashi / Dix Mille LDS / Connerys Brownie / Sakura Blomst


      Laut fiel die Tür des Transporters zu. Früh am Morgen standen wir in Kalmar, den ersten größeren Auftrag an Pferden. Einige Tiere bekamen neuen Beschlag, während andere Tiere lediglich geschnitten werden mussten. Um den ganzen Tag effizient arbeiten zu können, begleitete mich meine Auszubildende und ein weiterer Kollege half mit. Somit konnte ich ein die Dressurstute mit neuen Schuhen versorgen, während parallel eine Rappstute und eine sehr helle Stute bearbeitet wurden. Als Lubi fertig war, lief ich hinüber in den Hengst-Stall, denn auch dort wartete ein Patient, der neue Hufeisen benötigte. Interessiert schaute er meiner Arbeit zu, bis ich fertig war. Zur Kontrolle führte mir der Pfleger das Pferd vor.
      Zeit zum Verschnaufen hatten wir alle nicht, denn auf dem riesigen Gestüt in Lindö wartete man bereits auf uns. Das war unser Tagesplan, der Grund, weshalb wir zu dritt anfuhren. Neben den Rennpferden, die sie zum Teil selbst beschlugen, waren auch Einsteller und einige der Isländer auf dem Plan. Unser Azubi sollte sich mit dem Temperament der Traber auseinandersetzen. Bruno hatte angeboten, dass sie drei Pferde heute übernehmen könne. Ich kannte den Trainer schon lange. Da konnte sie einiges lernen. Zwischendurch schaute prüfend vorbei, aber mit solch ruhigen Exemplaren kam sie zurecht. Die Einsteller-Pferde waren ebenso gelassen und ich arbeitete sie ab. Mein Kollege befand sich bei den Isländern, die aufgrund der kleinen Hufe und Gewichtsregelungen etwas spezieller waren. Ihm machten diese Aufgaben Spaß, also überließ ich ihnen die Plüschkugeln. Spät am Abend fuhren wir nach Hause, nach dem es ein vernünftiges Abendessen gab zum Dank des Tageseinsatzes.

      © Mohikanerin // 1685 Zeichen
    • Mohikanerin
      Platzhalter
      Gang L zu M
    • Mohikanerin
      Platzhalter
      Gang M zu S
    • Mohikanerin
      Platzhalter
      Western E zu A
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  • Album:
    atomics.valley.
    Hochgeladen von:
    Mohikanerin
    Datum:
    26 März 2022
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    EXIF Data

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    45,7 KB
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    960px
    Height:
    640px
     

    Note: EXIF data is stored on valid file types when a photo is uploaded. The photo may have been manipulated since upload (rotated, flipped, cropped etc).


  • Rufname: Úlrik, Ulli
    Alter: 15 Jahre / geboren: 2007

    Aktueller Standort: Lindö Dalen Stuteri, Vadstenalund [SWE]
    Unterbringung: kleines Stallgebäude; Box [9h], Paddock [15h]

    –––––––––––––– a b s t a m m u n g

    Aus: Unbekannt

    MMM: Unbekannt ––––– MM: Unbekannt ––––– MMV: Unbekannt
    MVM: Unbekannt ––––– MV: Unbekannt ––––– MVV: Unbekannt


    Von: Unbekannt
    VMM: Unbekannt ––––– VM: Unbekannt ––––– VMV: Unbekannt
    VVM: Unbekannt ––––– VV: Unbekannt ––––– VVV: Unbekannt


    –––––––––––––– b e s c h r e i b u n g

    Geschlecht: Hengst
    Rasse: Isländer
    Farbe: Palomino White Spotting
    Abzeichen: Blesse, 4x Beine
    Stockmaß: 142 cm

    Charakter:
    ruhig

    –––––––––––––– g e s u n d h e i t

    Gesamteindruck: gesund, im Training
    Krankheiten: keine
    Beschlag: Falzeisen [Stahl], Voll

    –––––––––––––– z u c h t

    Stand: 26.03.2022

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    Gencode: ee Aa nCr nW8
    DMRT3: CA
    Herkunft: Unbekannt, Selfoss [ISL]
    Züchter: Unbekannt

    Zuchtzulassung: Nein
    Zugelassen für: -
    Verleih: Nein [-]

    Gesamtnote: -
    Breeders Crown: -
    Gänge: 4

    Nachkommen:
    -

    Schleife
    Veranstaltung


    –––––––––––––– l e i s t u n g

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    Dressur A [L] – Springen E [E] – Military E [A] – Fahren E [E] – Western E [A] – Distanz A [L] – Gangreiten A [S']

    Juli 2023 50-Kilometer Berg und Tal, Distanz E zu A

    Niveau: National


    Mai 2022
    Dressur E zu A
    2. Platz, 629. Westernturnier

    Juni 2022
    1. Platz, 630. Westernturnier
    Gang E zu A

    Juli 2022
    2. Platz, 335. Gangturnier
    2. Platz, 336. Gangturnier
    3. Platz, 638. Westernturnier
    1. Platz, 639. Westernturnier

    August 2022
    2. Platz, 642. Westernturnier
    1. Platz, 645. Westernturnier
    1. Platz, 648. Westernturnier
    3. Platz, 347. Gangturnier

    September 2022
    1. Platz, 348. Gangturnier

    –––––––––––––– s o n s t i g e s

    Ersteller: Mohikanerin
    VKR: Mohikanerin
    Bezugsperson: -
    Besitzer: Bruce Earle

    Punkte: 15

    Abstammung [0] – Trainingsberichte [2] – Schleifen [11] – RS-Schleifen [0] – TA [0] – HS [2] – Zubehör [0]

    –––––

    Spind – Hintergrund